Volume 1, No. 3, Art. 10 – Dezember 2000
Das Interviewarchiv "Jugend im 20. Jahrhundert" des POSOPA e.V.
Roland Gröschel
Zusammenfassung: Eingangs beschreibt der Beitrag kurz den Träger des Archivs und seine Interviewbestände. Der POSOPA e.V. als Träger des Interviewarchivs ist eine kleine außeruniversitäre gemeinnützige Einrichtung, die eine Forschungsbibliothek und ein Spezialarchiv mit dem Schwerpunkt auf historischer Jugend- und Sozialisationsforschung unterhält, Forschungsprojekte an der Schnittstelle von qualitativer Sozialforschung, historischer Erziehungswissenschaft und Geschichtswissenschaft durchführt und Publikationen herausgibt. Das Interviewarchiv umfasst derzeit etwa 340 Interviews mit Persönlichkeiten, die in ihrer Jugend Jugendorganisationen oder -bewegungen angehörten oder im späteren Lebensalter in der Jugendarbeit oder der Jugendpolitik wirkten. Die Interviews entstanden seit Beginn der achtziger Jahre überwiegend im Kontext mehrerer Forschungsprojekte zu jugendgeschichtlichen Fragen. Dabei handelt es sich um narrative lebensgeschichtliche Interviews mit dem Fokus auf der Jugendzeit der Interviewpartner. Die Berichtszeiträume reichen vom Kaiserreich bis in die neunziger Jahre.
Nach der Darstellung der Archivbestände werden einige Möglichkeiten und Probleme der materiellen Datensicherung geschildert. Es schließen sich Informationen zur inhaltlichen Erschließung der Bestände des Interviewarchivs des POSOPA e.V. an. Abschließend werden einige Wünsche für die zukünftige Kooperation von archivierenden und forschenden Institutionen formuliert, die sich auf qualitatives biografisches Material stützen.
Keywords: Archiv, qualitative Forschung, historische Jugendforschung, biografische Forschung, lebensgeschichtliche Interviews, Interviewarchiv, Archivierung qualitativer Daten, Jugend, Jugendorganisationen
Inhaltsverzeichnis
1. Vorbemerkung
2. Der POSOPA e.V. und sein Interviewarchiv "Jugend im 20. Jahrhundert"
3. Möglichkeiten und Probleme der materiellen Datensicherung
4. Erschließung des Interviewarchivs
5. Erfahrungsaustausch, Kooperation und Vernetzung bei der Archivierung qualitativen biografischen Materials
Biografische Interviews sind in den letzten beiden Jahrzehnten immer bedeutsamer geworden. So erbrachte im August 2000 eine oberflächliche Recherche im Internet zu den Stichworten "lebensgeschichtliche bzw. biografische Interviews" Hinweise auf weit über 10.000 biografische Interviews im deutschsprachigen Raum, die in verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen erhoben und in irgendeiner Weise archiviert und mehr oder weniger zugänglich gemacht wurden. Doch dies ist nur die sichtbare Spitze eines Eisberges: Eine Vielzahl universitärer Forschungsprojekte und eine schier unübersehbare Anzahl außeruniversitärer Institutionen und Initiativen – man denke nur an die Geschichtswerkstätten, an regionale und lokale Geschichtsvereine oder geschichtsinteressierte "Laien" – haben in den letzten Jahrzehnten biografische Interviews erhoben. [1]
Obwohl die wissenschaftliche Bedeutung biografischer Erzählungen als Quelle historischer oder sozialwissenschaftlicher Forschung zunehmend erkannt wird: dieses wichtige Quellenmaterial scheint erschreckend häufig nur unzureichend archiviert zu werden. Und auch wenn Interviews in einem Archiv aufbewahrt werden, sind sie noch nicht automatisch öffentlich zugänglich. Dies ist – abgesehen von rechtlichen Aspekten der Zugangsregelungen – erst dann gewährleistet, wenn das Archiv seinen Interviewbestand (a) längerfristig physikalisch sichert, (b) archivalisch ordnet und inhaltlich erschließt sowie (c) die Öffentlichkeit über Art und Umfang des Interviewbestandes und seine Benutzungsmöglichkeiten informiert. Wie der POSOPA e.V. versucht, diese Forderungen zu erfüllen, davon berichtet dieser Beitrag. [2]
2. Der POSOPA e.V. und sein Interviewarchiv "Jugend im 20. Jahrhundert"
Gesellschaftswissenschaftler, Historiker und Pädagogen aus Ost- und Westdeutschland gründeten unmittelbar nach der Wende 1990 den "Verein zur Förderung von Forschungen zur politischen Sozialisation und Partizipation" (POSOPA e.V.). Seinen Sitz nahm der neugegründete Verein in Berlin. Unmittelbar nach Gründung begannen die Vereinsmitglieder mit dem Aufbau einer Forschungsbibliothek mit dem Sammelschwerpunkt Jugend und Kindheit im 20. Jahrhundert, einschließlich der für dieses weite Feld relevanten Bezugswissenschaften. Den Grundbestand der Bibliothek bildeten Buchspenden der Vereinsmitglieder. Auch startete der POSOPA e.V eine umfangreiche Sammelaktion, als in den Monaten nach dem Zusammenbruch der DDR viele Ost-Berliner Bibliotheken wissenschaftlich teilweise sehr wertvolle Bestände ausmusterten, weil sie nicht mehr in die "neue Zeit" zu passen schienen, Platz für die Literatur aus der Bundesrepublik geschaffen werden sollte und Bücher tonnenweise auf Müllkippen oder in Papiermühlen landeten. Insgesamt wurden aus Ost-Berliner Bibliotheken etwa 20.000 Bände übernommen – Fachliteratur zu seinen Sammelschwerpunkten, die vernichtet worden wäre, hätte sich der POSOPA e.V. nicht um ihren Erhalt gekümmert. [3]
Heute umfasst die Vereinsbibliothek etwa 40.000 Bände, die aber erst teilweise katalogisiert sind. Darüber hinaus wurde der Grundstock für ein Archiv aus Materialien von Forschungsprojekten der Vereinsmitglieder gelegt, das bis heute auf etwa 60 lfm angewachsen ist. 1991 erschien die erste Ausgabe der Zeitschrift "interventionen", 1994 das erste Buch der vom Verein editierten Schriftenreihe. [4]
In den Publikationen des POSOPA e.V. spiegeln sich die Themen wider, mit denen er sich bislang beschäftigte: Jugendbewegungen, Jugendarbeit und Jugendpolitik in Deutschland im 20. Jahrhundert, Reformpädagogik vor 1933 und nach 1945, politische Erziehung in Ost- und Westdeutschland, interkulturelles Lernen in der FDJ und der kirchlichen Jugendarbeit in der DDR, Autobiografien und Erinnerungen von Jugendbewegten und Jugendpolitikern u.ä.m. [5]
Das Interviewarchiv des POSOPA e.V. umfasst derzeit (September 2000) etwa 340 Interviews. Es basiert auf Überlassungen aus mehreren Forschungsprojekten verschiedener Institutionen und Einzelpersonen, die sich seit Beginn der achtziger Jahre mit Themen der Jugendgeschichte befassten und Interviews zur Geschichte der Jugend und der Jugendarbeit im 20. Jahrhundert durchführten, sowie auf Eigenprojekten des POSOPA e.V. Somit entstanden die ältesten Interviews, über die das Archiv verfügt, zu Beginn der achtziger Jahre. Obgleich die Interviews in verschiedenen Forschungsprojekten entstanden, handelt es sich überwiegend um narrative, lebensgeschichtliche Interviews mit einem Schwerpunkt auf den Jugenderinnerungen und mit themenzentrierten Nachfrageteilen zu Sozialisationsfeldern, Jugendbewegung, Jugendarbeit, Jugendverbandsarbeit und Jugendpolitik. Diese relative methodische Homogenität erklärt sich dadurch, dass die Personen, die den POSOPA e.V. gründeten, schon in den achtziger Jahren jugendgeschichtliche Untersuchungen durchführten, ihre darin gewonnenen Interviews dem Vereinsarchiv zur Verfügung stellten und nach der Vereinsgründung dessen wissenschaftliches Profil prägten. Die Interviews wurden mit Zeitzeugen der Geburtsjahrgänge 1896 bis 1972 durchgeführt. In der Regel wurden pro Interview mehrere Sitzungen benötigt. Bis auf wenige Ausnahmen dauerten die Interviews mindestens drei Stunden. Das längste Interview weist eine Gesamtdauer von 27 Stunden auf. Es wurden sowohl Zeitzeugen aus Westdeutschland als auch aus Ostdeutschland interviewt. Einige der letzteren Interviews wurden bereits Jahre vor dem Zusammenbruch der DDR durchgeführt - zum Teil durch offizielle Kontakte herbeigeführt, zum Teil nur unter "konspirativen" Umständen ermöglicht. Die meisten Interviews mit Zeitzeugen aus Ostdeutschland (vorwiegend aus Ost-Berlin und Brandenburg) fielen jedoch in die Zeit der "Wende" und die unmittelbaren Jahre danach (1990 bis 1995). [6]
In der Regel begannen die Interviews mit einem allgemeinen Erzählimpuls, der eine "lebensgeschichtliche Großerzählung" auslösen sollte, in denen die "Zugzwänge biografischen Erzählens" (Fritz SCHÜTZE 1987) wirksam werden konnten. Danach folgten immanente Nachfragen, die Unklarheiten und Lücken der biografischen Erzählung beseitigen und schließen sollten. Je nach den Fragestellungen des Projektes schlossen sich, meist in weiteren Sitzungen, die exmanenten Fragen aus den jeweiligen Interviewleitfäden an. Diese waren mehr oder minder konkret, begannen in der Regel mit allgemeinen Erzählimpulsen zu den interessierenden Themen und wurden im Verlauf des Interviews immer konkreter. Immer stand jedoch das Bemühen im Vordergrund, den Zeitzeugen die Möglichkeit zu längeren zusammenhängenden Erzählungen zu geben. Dies gelang bis auf wenige Ausnahmen, bei denen die Interviewpartner nur eine sehr begrenzte Zeit zur Verfügung standen, vor allem wenn es sich um noch im Beruf stehende politische Funktionsträger höherer Ebenen (z.B. ehem. Bundestagsvizepräsident u.ä.) handelte. [7]
Sofern es die personellen Ressourcen der Forschungsprojekte erlaubten, führten jeweils zwei Interviewer ein Interview durch und fertigten unabhängig voneinander detaillierte Kontextbeschreibungen an. Damit kann ein großer Teil des Interviewbestandes einem wesentlichen Gütekriterium qualitativer Forschung, den Forschungsprozess detailliert zu dokumentieren, genügen. Aufgrund der begrenzten finanziellen Ressourcen der Forschungsprojekte konnte nur ein kleiner Teil der Interviews transkribiert werden. Ein kleinerer Teil ist – eher notdürftig – durch Inhaltszusammenfassungen dokumentiert. Etwa die Hälfte des Bestandes ist rudimentär in einer EDV-Datenbank erfasst, die jedoch den Kriterien eine professionellen archivarischen Erschließung und inhaltlichen Verschlagwortung nicht genügt. Ein Thesaurus existiert noch nicht. [8]
Die den lebensgeschichtlichen Interviews folgenden "thematischen" Teile der Interviews beziehen sich – den Fragestellungen der jeweiligen Forschungsprojekte entsprechend – auf folgende Gegenstände:
Geschichte der Arbeiterjugendbewegung vor 1933,
Jugend im NS und im antifaschistischen Widerstand,
Jugendweihe und Freidenkertum, in den zwanziger Jahren in Berlin,
Berliner Arbeiterjugendbewegung vor 1933,
interkulturelles Lernen in der FDJ und der kirchlichen Jugendarbeit der SBZ/DDR 1945 bis 1990 (Land Brandenburg),
Erfahrungen des gesellschaftlichen Systembruchs 1945/49 in Berlin und Aufbau der Jugendarbeit in Ost- und West-Berlin nach 1945,
West-Berliner Jugendverbände 1945 bis 1990,
Jugendverbandsarbeit und Jugendpolitik in den Westzonen und der BRD,
Jugendpolitik und Jugendhilfe in der Bundesrepublik,
sozialdemokratische Arbeiterjugendbewegung in Bayern vor 1933,
deutsche sozialdemokratische Arbeiterjugendbewegung in den deutschsprachigen Gebieten der CSR vor 1938,
Aufbau der sozialdemokratischen Jugendorganisation Sozialistische Jugend Deutschlands - Die Falken in Bayern und den Westzonen/BRD. [9]
Mit den Interviewpartnern wurden Vereinbarungen geschlossen. Sie beinhalten Regelungen über Anonymisierung und Benutzungsmöglichkeiten (Zugangs- und Verwendungsbeschränkungen). Diese individuell recht unterschiedlich gestalteten Vereinbarungen sind die Grundlage für die Nutzung der Interviews. [10]
3. Möglichkeiten und Probleme der materiellen Datensicherung
Die frühesten Interviews des Interviewarchivs des POSOPA e.V. datieren vom Beginn der achtziger Jahre. Diese etwa zwanzig Jahre alten Tonträger, handelsübliche Tonkassetten, geraten nun an die Grenze Ihrer Lebensdauer, die 15-20 Jahre beträgt: Bei den Aufnahmen verschwinden die Tonhöhen und der Rauschpegel steigt. Trotz adäquater Lagerung in kühlem, trockenem Raumklima bei einigermaßen gleichbleibender Temperatur fernab starker Magnetfelder (z.B. Lautsprecher etc.) aufrecht und in zurückgespultem Zustand ist dieser Prozess zwar etwas zu verzögern, schreitet aber unaufhaltsam fort. Regelmäßiges jährliches Umspulen wäre zwar angezeigt, um das Verkleben der Bänder zu verhindern. Aber bei einem Bestand von ca. 1.400 Tonkassetten ist selbst diese Notwendigkeit bei ehrenamtlicher Tätigkeit, auf die eine kleine Institution wie der POSOPA e.V. zurückgeworfen ist, nur sehr eingeschränkt möglich. Um eine nochmalige Verdoppelung der Lebensdauer der Bänder zu erreichen, müssten sie sukzessive auf neues Bandmaterial umkopiert werden, was jedoch eine Qualitätseinbuße mit sich brächte und eine sehr aufwändige Prozedur wäre. Tonkassetten sind eben kein Träger, der sich für dauerhafte jahrzehntelange Archivierungszwecke eignet. Und wer könnte schon mit Sicherheit sagen, ob in zwanzig oder gar vierzig Jahren geeignete technische Abspiel- und Kopiergeräte, bzw. Ersatzteile für Altgeräte verfügbar sind. Schließlich handelt es sich bei den Kassettenrekordern um eine 37 Jahre alte Technologie, die in absehbarer Zeit wohl von Digitalrekordern, Mini-Disc oder CD-Rekordern abgelöst werden wird (NÄSER 2000). Unsere Enkel werden vermutlich den Begriff "Doppelkassettendeck" für eine Art vorsintflutliches Flugzeug halten. [11]
Es liegt also nahe, die analogen Tonträger zu digitalisieren und auf CD oder DVD zu übertragen, auch dies eine aufwändige Angelegenheit. Aber wie sieht es mit der Haltbarkeit von CDs aus? Die Anfrage bei einem namhaften CD-Hersteller zeitigt ein ernüchterndes Ergebnis: Bei sachgemäßer Lagerung, so heißt es, sei lediglich eine Lebensdauer von 5-10 Jahren zu garantieren.1) Vermutlich wird diese Zeitbeschränkung aber nicht das Entscheidende sein, denn auch die Hardware- und Speichermediengenerationen werden sich weiterhin kontinuierlich ablösen. Die Tatsache, dass unsere "Informationsgesellschaft" auf Datenträgern und technischen Systemen mit hoher Verfallsgeschwindigkeit und großer Fehlerhaftigkeit beruht, dringt langsam ins öffentliche Bewusstsein (SCHMUNDT 2000). [12]
Für die dauerhafte physikalische Sicherung eines Interviewarchivs bedeutet dies letztlich: ein kontinuierliches Umkopieren der Bestände gemäß den Haltbarkeitsparametern der Datenträger und entsprechend der Weiterentwicklung der Datenträger und der für sie nötigen technischen Systeme. Auch die Flucht in das Papier ist unzureichend: Interview-Transkriptionen sind nicht die Quelle, sondern nur ein Hilfsmittel zur Erfassung des Inhaltes bzw. zur Auswertung. Das in erster Linie zu schützende Quellengut ist die Tonaufzeichnung. [13]
Die dauerhafte physikalische Sicherung eines Interviewarchivs ist also eine kontinuierliche, zeitaufwändige und damit i.d.R. teure Aufgabe, die aus den zuvor genannten Gründen gerade von kleinen Institutionen wie dem POSOPA e.V. nur mit Abstrichen zu leisten ist. [14]
4. Erschließung des Interviewarchivs
Interviewbestände, die nicht katalogisiert und zumindest rudimentär inhaltlich erschlossen sind, sind fremden Benutzern praktisch nicht zugänglich: sie können nicht finden, was sie suchen, es sei denn, eine mit dem Inhalt des Archivs vertraute Person kann sie beraten. Diese amateurhafte Lösung mag bei kleineren Interviewbeständen von etwa 50-100 Interviews noch praktikabel sein. Größere Interviewarchive sind jedoch zwingend auf eine archivalische Erschließung angewiesen. [15]
Der POSOPA e.V. hat mithilfe der Standardsoftware MS ACCESS eine Datenbank angelegt, die folgende Felder enthält: Name, Vorname, Geburtsname, Interviewdaten (Interviewnummer, Datum des Interviews, Anzahl der Kassetten) Einzelinterview/Gruppeninterview, Geburtsdatum, Geschlecht, Konfessionszugehörigkeit, Name des/der Interviewer/in, Urheber-Projektname, Bestandsbeschreibung, Interviewvereinbarung, Kurzlebenslauf, Hauptorganisation, Nebenorganisationen, Aktivität in sozialen Bewegungen, Beginn und Ende des politischen Engagements, Beginn und Ende des Berichtszeitraums, Hauptwirkungsorte, Nebenwirkungsorte, Personen, Sachschlagworte, Nutzungseinschränkungen. [16]
Zwar sind für jedes Interview die zentralen Daten erfasst, jedoch nur bei einer kleinen Anzahl auch jene Datenfelder, die eine genauere Kenntnis des Interviews erfordern. Immerhin erfasst die Datenbank aber lückenlos die Organisationszugehörigkeiten. Somit ist derzeit eine Recherche nur eingeschränkt möglich. Eine tiefergehende Verschlagwortung und die Erarbeitung eines hierarchischen Thesaurus ist im Rahmen eines Bestandssicherungs- und -erschließungsprojektes geplant. [17]
5. Erfahrungsaustausch, Kooperation und Vernetzung bei der Archivierung qualitativen biografischen Materials
Der POSOPA e.V. ist sehr an einem – auch internetbasierten – Erfahrungsaustausch mit anderen Einrichtungen interessiert, die Interviews oder anderes qualitatives biografisches Material archivieren. Dieser könnte sich beziehen auf
technische Fragen (Datensicherung, Digitalisierung, Speichermedien, Umkopierung usw.),
rechtliche Fragen (Datenschutz, Anonymisierung, Gestaltung von Interviewvereinbarungen, Urheberrecht usw.),
Datenbanksoftware (DB-Architektur, von konzeptionellen Fragen bis hin zu Erfahrungsberichten über DB-Software),
Transkriptionsverfahren, Fehlerminimierung, Erfahrung mit Spracherkennungsprogrammen,
forschungsethische Fragen,
Information über Projekte, Dokumentationsvorhaben, Bestandsübersichten. [18]
Wir würden uns wünschen, dass ein zunehmender Erfahrungsaustausch zu regelmäßiger Kooperation und schließlich zu einer Einrichtung einer bundesweiten Website führen könnte, die ein Forum dieses Erfahrungsaustausches sein könnte. Eine solche Website könnte sich auch zu einer Service- und Dienstleistungseinrichtung entwickeln. So könnte sie beispielsweise Informationen bereitstellen, die auch außeruniversitären Initiativen, Gruppen und Vereinen, die mit lebensgeschichtlichen Interviews arbeiten und diese archivieren wollen, wertvolle Hinweise geben könnte. Zum zweiten könnte sie eine virtuelle Datenbank mit Bestandsübersichten von Interviewarchiven in der Bundesrepublik und internationalen Links aufbauen.2) Dies käme den Bedürfnissen von professionellen und nicht-professionellen Forschern entgegen, die sich rasch informieren könnten, wo Interviews zu den sie interessierenden Fragestellungen archiviert sind. Und andererseits erlaubte eine derartige Einrichtung den Archiven, die interessierte Öffentlichkeit über ihre Bestände und Nutzungsmöglichkeiten zu informieren. [19]
1) E-Mail von "Sales" (sales@bestmedia.de) an den Verfasser vom 12.9.2000. <zurück>
2) Eine internationale Initiative mir ähnlichen Zielsetzungen, das "International Network for Qualitative Data Archiving" (INQUADA), ist gerade ins Leben gerufen worden. Siehe die Website von INQUADA: http://www.essex.ac.uk/qualidata/current/inquada.htm. <zurück>
Näser, Wolfgang (2000). Der Cassettenrecorder. Gedanken zu seinem 25. Geburtstag. http://staff-www.uni-marburg.de/~naeser/cassrec1.htm (2.10.2000).
Schmundt, Hilmar (2000). Im Dschungel der Formate. Der Informationsgesellschaft droht der Gedächtnisschwund. Der Spiegel, 26, 122-126.
Schütze, Fritz (1987). Das narrative Interview in Interaktionsfeldstudien. I. Studienbrief der Fern-Universität Hagen. Kurseinheit 1. Fachbereich Erziehungs-, Sozial- und Geisteswissenschaften.
Roland GRÖSCHEL ist Diplom-Sozialpädagoge und Diplom-Soziologe. Arbeitsschwerpunkte: qualitative Methoden in der Sozialforschung, historische Jugend- und Sozialisationsforschung, biografische Forschung, Geschichte der Jugend, der Jugendarbeit und der Jugendpolitik in Deutschland im 20 Jahrhundert, Jugendbewegungen im 20. Jahrhundert, Geschichte, Grundlagen und Methoden der Sozialen Arbeit, sozialpädagogische Evaluation. Neben zahlreichen Artikeln und Buchbeiträgen veröffentlichte er u.a. folgende Monografien:
Zwischen Tradition und Neubeginn. Sozialistische Jugend im Nachkriegsdeutschland, Hamburg, 1987²;
Kleine Chronik der Arbeiterjugendorganisationen (mit Heinrich Eppe), Bonn 1987;
Trümmerkids und Gruppenstunde. Zwischen Romantik und Politik: Jugend und Jugendverbandsarbeit in Berlin im ersten Nachkriegsjahrzehnt (mit Michael Schmidt), Berlin 1990;
Gruppenleben und politischer Aufbruch: Zur Geschichte der Jugendverbandsarbeit und des Landesjugendringes Berlin zwischen den fünfziger und siebziger Jahren (zusammen mit Michael Schmidt), Berlin 1993;
Friede, Freundschaft Falkencamp – Interkulturelles Lernen in einem internationalen Kinderzeltlager sozialistischer Kinder- und Erziehungsorganisationen, Bonn 1997;
Immer in Bewegung – Einblicke in die Geschichte des Deutschen Bundesjugendringes 1949 bis 1999, Münster 1999.
Herausgeber der Schriftenreihe und der Zeitschrift "interventionen" des POSOPA e.V.
Kontakt:
Roland Gröschel
POSOPA e.V.
Geschwister-Scholl-Str. 70
D-15537 Neu Zittau
Tel.: +49 / (0)3362 / 821 810
Fax: +49 / (0)3362 / 8132
E-Mail: posopa@in-brb.de
Gröschel, Roland (2000). Das Interviewarchiv "Jugend im 20. Jahrhundert" des POSOPA e.V. [19 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum Qualitative Social Research, 1(3), Art. 10, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0003103.