Volume 1, No. 3, Art. 25 – Dezember 2000

Re-Analyse als Vergleich von Konstruktionsleistungen

Jochen Gläser & Grit Laudel

Zusammenfassung: Sekundäranalysen sind vor allem deshalb von methodologischem Interesse, weil sie es erlauben, die Konstruktionsleistungen zu vergleichen, die in die Auswertung qualitativer Daten eingehen und in eine theoretische Interpretation des empirischen Materials münden. Re-Analysen spitzen diesen Vergleich noch einmal zu, weil sie sich auf dieselbe Datenbasis beziehen und eine der Primäruntersuchung entstammende Frage behandeln. Die diesem Beitrag zugrunde liegende Re-Analyse nutzte Transkripte von Leitfadeninterviews, die im SFB 186 in Bremen archiviert sind. Ein Ergebnis der Primärstudie wurde auf eine Hypothese zugespitzt, die mit einer qualitativen Inhaltsanalyse geprüft wurde.

Der Vergleich von Primärstudie und Re-Analyse deckt einige kritische Entscheidungen auf, die die Datenauswertung in unterschiedliche Richtungen steuern und zu gegensätzlichen Ergebnissen führen können. Solche Entscheidungen bleiben gewöhnlich implizit und werden nur thematisiert, wenn Widersprüche zwischen Ergebnissen erklärt werden müssen. Ein zweites Ergebnis betrifft typische Gefahren von Primärstudien und Sekundäranalysen. Erstere scheinen einem "Gestaltschließungszwang" zu unterliegen: Im Bestreben, den Daten einen Sinn zu geben, werden Datenlücken durch Plausibilitätsbetrachtungen geschlossen und Gegenevidenz vernachlässigt. Sekundärstudien haben vor allem das Problem, dass sie durch die vorgängige Erhebung thematisch und methodisch beschränkt werden. Ein Ergebnis betrifft die mit der Archivierung und Anonymisierung verbundenen Informationsverluste. Sie haben die Re-Analyse anscheinend wenig beeinträchtigt.

Keywords: Re-Analyse, Sekundäranalyse, Leitfadeninterviews, Archivierung, qualitative Inhaltsanalyse

Inhaltsverzeichnis

1. Sekundäranalysen als methodologische Herausforderung

2. Beschreibung der Primäruntersuchung

3. Die Re-Analyse

3.1 Fragestellung

3.2 Empirische Basis und Methode

3.3 Überblick über die empirischen Befunde

3.4 "Prüfung der Hypothese"

3.4.1 Verhaltensmuster von AusbilderInnen

3.4.2 Wahrnehmung, Bewertung und Sanktionierung einzelner Fälle abweichenden Verhaltens

3.4.3 Schlussfolgerungen aus den empirischen Befunden

4. Diskussion: Vergleich zweier Konstruktionen

4.2 Differenz der Interpretationen

4.3 Hypothesen über methodologische Probleme von Primärstudien

4.4 Hypothesen über methodologische Probleme von Sekundäranalysen

4.5 Methodische Probleme der Archivierung von Leitfadeninterviews

Danksagung

Anhang

Anmerkungen

Literatur

Zum Autor und zur Autorin

Zitation

 

1. Sekundäranalysen als methodologische Herausforderung

Zu den Grundpositionen qualitativer Methodologie gehört die Erkenntnis, dass Sozialforschung ein Konstruktionsprozess ist.1) Sie besagt, dass die ForscherInnen die Forschungsergebnisse durch ihr Handeln erzeugen, statt als neutrales Medium in der Realität vorhandene Zusammenhänge abzubilden. Durch ihr Handeln sind die ForscherInnen außerdem eine wichtige Vermittlungsinstanz für psychische und soziale Bedingungen, die die Handlungsresultate (Forschungsergebnisse) prägen. Sekundäranalysen sind in dieser Perspektive besondere Konstruktionen, die interessante Fragen an die Methodologie qualitativer Sozialforschung stellen. Die mit Sekundäranalysen einhergehende räumliche, zeitliche und personelle Entkopplung von Datenerhebung und -auswertung ermöglicht – und erzwingt! – die Diskussion der Faktoren, die die jeweiligen Konstruktionsprozesse beeinflussen. Sekundäranalysen unterstellen ja, dass die zur Beantwortung einer bestimmten Forschungsfrage erhobenen qualitativen Daten archiviert und später in ganz verschiedenen anderen Kontexten ausgewertet werden können. Das setzt Wissen darüber voraus, wie die der Primärstudie zugrunde liegende Fragestellung, die Vorannahmen und die aus ihnen resultierenden Entscheidungen im Erhebungsprozess Inhalt und Form der Daten beeinflusst haben. Außerdem müssen die Konsequenzen der Dekontextualisierung qualitativer Daten geklärt werden. Solange man Daten aus eigenen Projekten verwendet, profitiert man bei der Auswertung von einem umfangreichen Kontextwissen. Eine Sekundäranalyse, die archivierte Daten nutzt, geht dieses Vorteils verlustig, denn archivierte Daten sind objektivierte, d.h. subjektunabhängig fixierte Daten. Übernimmt ein Archiv qualitative Daten von den WissenschaftlerInnen, die sie erhoben haben, dann entstehen auf drei Ebenen Informationsverluste:

Schließlich wirft die nochmalige Auswertung eines Datenpools die Frage auf, in welchem Verhältnis die beiden Konstruktionen zueinander stehen. Selbst wenn die Sekundäranalyse ein gänzlich anderes Ziel verfolgt als die Primärstudie, werden die Konstruktionen einander tangieren, da ja – mit den genannten Einschränkungen – die selben Daten interpretiert werden. Eine besondere Zuspitzung erfährt dieses Verhältnis im Falle einer Re-Analyse. Unter einer Re-Analyse verstehen wir eine spezielle Variante von Sekundäranalysen: eine Analyse, die dieselben Daten noch einmal unter der gleichen Fragestellung analysiert. Primärstudie und Re-Analyse können einander bestätigen, oder sie konkurrieren miteinander. Diese Konkurrenz um Geltungsansprüche kann nur unter Verweis auf die Datengrundlage und auf das methodische Vorgehen ausgetragen werden. Gerade hier liegt unserer Ansicht nach ein bislang unzureichend genutztes methodisches Potential von Re-Analysen: Durch den zwangsläufig entstehenden Vergleich von Konstruktionsprozessen in der Datenauswertung ermöglichen sie es, diese Konstruktionsprozesse besser zu verstehen. [2]

Wir wollen in diesem Artikel an einem Beispiel demonstrieren, wo wir dieses methodologische Potential sehen. Die unserem Artikel zugrunde liegende Re-Analyse entstand durch einen Zufall. Sie wurde als Übung in einer Lehrveranstaltung zur qualitativen Inhaltsanalyse an der Freien Universität Berlin im Wintersemester 1999/2000 durchgeführt. Die Vermittlung von Methoden stößt häufig auf das Problem, dass den Übungen keine längere Beschäftigung mit dem Stand der Forschung, dem Untersuchungsfeld usw. – kurz: mit dem Forschungskontext eines Projekts – vorausgehen kann. Deshalb ist es besonders wichtig, dass in den Übungen eine anschauliche Frage bearbeitet wird, die mit der allgemeinen soziologischen Bildung im Hauptstudium verstanden werden kann. Da unser eigenes Arbeitsgebiet, die Wissenschaftssoziologie, dieses Kriterium eher nicht erfüllt, nutzten wir die Gelegenheit und griffen auf im Sonderforschungsbereich 186 "Statuspassagen und Risikolagen im Lebensverlauf" der Universität Bremen (Sfb 186; siehe auch KLUGE & OPITZ in diesem Band) archivierte Interviews zur betrieblichen Ausbildung zurück. Diese Interviews wurden uns verschlüsselt und anonymisiert als Textdateien auf CD-ROM zur Verfügung gestellt. Sie wurden ergänzt durch eine ausführliche Beschreibung des Projektkontexts, in dem die Interviews ursprünglich durchgeführt wurden. In der Übung haben die Studierenden zwei Interviews mittels qualitativer Inhaltsanalyse analysiert. Um hinreichend Material für Übungen zur Zusammenfassung, Auswertung und Interpretation zu gewinnen, haben wir alle übrigen uns übergebenen Interviews mit AusbilderInnen ebenfalls analysiert. Dieser Beitrag stützt sich also auf die Analyse aller relevanten Interviews durch die AutorInnen. [3]

Unsere Re-Analyse hat von der Primärstudie abweichende Ergebnisse erbracht. Diese interessante Differenz gestattet es, einige methodologische Probleme von Primärstudien, von Re-Analysen und der Archivierung qualitativer Daten zu diskutieren. Wir beschreiben zunächst die Primärstudie (2.) und die durchgeführte Re-Analyse (3.). Dann konfrontieren wir unsere Ergebnisse mit denen der Primärstudie und versuchen, die Differenzen zu erklären. Der Vergleich verweist auf methodische und methodologische Probleme, die sich aus dem konstruierenden Charakter qualitativer Auswertungsmethoden ergeben (4.). [4]

2. Beschreibung der Primäruntersuchung

Unsere Re-Analyse baut auf einer Publikation zu Problembereichen der beruflichen Erstausbildung auf ("Zur Konstruktion des ordentlichen Menschen: Normierungen in Ausbildung und Beruf": MARIAK & KLUGE 1998). Im allgemeinsten Sinne kann als Gegenstand der Primäruntersuchung der Zusammenhang zwischen Selektionsprozessen in der beruflichen Bildung und deviantem Verhalten der Auszubildenden benannt werden. Als "Hauptebenen der Analyse" werden folgende Fragen aufgelistet:

Diese Hauptthemen sollen mit Blick auf drei markante Abschnitte bzw. Hürden der Statuspassage Berufsausbildung behandelt werden: Bewerbungsphase und Einstieg in die Lehre, Lehrzeit und betriebliche Übernahme sowie Einstieg in den Lehrberuf (ibid., S.27-28). [6]

Gegenstand der Untersuchung sind dieser Darstellung zufolge sowohl die subjektiven Theorien der Ausbildenden ("pragmatische Devianztheorien", "Bewertungsmuster", "Argumentationsmuster", "Meinungsbilder") als auch ihre tatsächlichen Handlungen ("Reaktionsmuster", "Rekrutierung", "Leistungsbeurteilung", "Selektion"). Das Ziel der Untersuchung besteht offensichtlich darin, den Zusammenhang zwischen den subjektiven Theorien der Ausbildenden und ihren Selektionsentscheidungen aufzuklären (Frage a), die anderen beiden Fragen können dieser generellen Frage untergeordnet werden. [7]

Um die genannten Fragen zu beantworten, wurden insgesamt 40 leitfadengestützte Interviews geführt, davon 21 mit betrieblichen AusbilderInnen des Dualen Systems, 13 mit Lehrkräften der berufsbezogenen teilzeitschulischen und vollzeitschulischen Ausbildung und 6 mit BerufserzieherInnen in betrieblichen Einrichtungen des Ausbildungsvorbereitungs- bzw. Berufsgrundbildungsjahres (zu den Leitfäden siehe ibid., S.351-358). Der Auswahl von AusbilderInnen für die Interviews wurden folgende Kriterien zugrunde gelegt:

Bei der Auswertung der Interviewtranskripte wurden unterschiedliche Techniken kombiniert (ibid., S.313-340). Die Auswertung begann mit einer (rechnerunterstützten) Kodierung der Transkripte. Die Kodes wurden aus den theoretischen Vorüberlegungen (die auf sechs wichtige Themenbereiche führten) und aus dem Interviewleitfaden abgeleitet. Außerdem wurden relevante Themen, die in den Leitfäden nicht bedacht worden waren, aber von den Befragten angesprochen wurden, anhand des Interviewmaterials ergänzt (ibid., S.317). Die als für die Hauptthemen relevant kodierten Interviewpassagen wurden zusammengestellt und mit Techniken der qualitativen Inhaltsanalyse nach MAYRING (1985, S.194ff) ausgewertet. Zur Anwendung kamen (MARIAK & KLUGE 1998, S.325-326):

Der letztgenannte Schritt stellt offensichtlich das Bindeglied zwischen Auswertung und Präsentation der empirischen Daten dar. Leider wird die begrüßenswerte und bei der Kodierung sehr gut nachvollziehbare Darstellung des methodischen Vorgehens bezogen auf den letzten Schritt ausgesprochen unscharf: MAYRINGs Strukturierungstechniken beruhen ja auf der Analyse des gesamten Textes mit einem induktiv gewonnenen Kategoriensystem (MAYRING 1993, 2000). Was dagegen mit der "Strukturierung des Textmaterials durch Schlüsselkategorien" genau gemeint ist und wie diese Strukturierung zu den Ergebnissen der Studie geführt hat, ist nicht nachvollziehbar. Es wird nicht klar, auf welche Weise die beschriebenen Auswertungsschritte zu den inhaltlichen Aussagen geführt haben. [10]

Es ist unmöglich, in diesem Aufsatz alle Ergebnisse der Studie zu resümieren. Wir beschränken uns deshalb auf den Ausschnitt, der unserer Re-Analyse zugrunde lag. Das ist der Abschnitt 2.2.3 "Betriebliche AusbilderInnen; Aussagen zum Stellenwert deviantem Verhaltensformen im beruflichen Alltag" (MARIAK & KLUGE 1998, S.80-107). In diesem Abschnitt werden die Ergebnisse zu

dargestellt. Dabei wird anhand von Beispielen, unbestimmten Häufigkeitsaussagen und Zitaten aus Interviews ein Überblick über die empirischen Befunde gegeben. Bei einigen Themen wird auch die Bandbreite der empirischen Befunde dargestellt und auf einander widersprechende Aussagen eingegangen. An die Darstellung der empirischen Befunde schließt sich ein "Resümee" an (ibid., S.101-107). Hier geben die AutorInnen eine verallgemeinerte Beschreibung des Verhaltens der AusbilderInnen und erklären es. [11]

Wir geben im folgenden ein längeres Zitat aus dem Resümee wieder, aus dem wir die Fragestellung unserer Re-Analyse abgeleitet haben. Insbesondere die im folgenden Zitat fett gesetzten Passagen bilden die Grundlage für unsere im anschließenden Abschnitt abgeleitete Untersuchungshypothese. Kursive Hervorhebungen wurden aus dem Original übernommen.

Eine weitere Parallele zu berufsschulischen Lehrkräften ergibt sich auf Grund des Gebots, Fehlverhalten auszuschalten bzw. zu sanktionieren, damit ein geregelter, routinisierter Arbeitsablauf möglich wird. Der störungsfreien Wahrnehmung des gesetzlichen Bildungsauftrages steht hier jedoch die störungsfreie Durchführung von Produktion und/ oder Dienstleistung gegenüber. Diesem betriebswirtschaftlichen Ziel wird absolute Priorität eingeräumt. Entsprechend gravierend sind Reaktionen auf Devianz, wobei Verstöße gegen kardinale Arbeitstugenden (z.B. Absentismus und mangelnde Bereitschaft zur Unterordnung) ebenso schwer wiegen können wie innerbetriebliche Delinquenz (z.B. Diebstahl, Sachbeschädigung). Es lohnt die spätere Diskussion darüber, dass die meisten befragten AusbilderInnen in mangelnder Arbeitstugend einen Indikator für Delinquenz schlechthin sahen.

Auf der Folie betriebsrelevanter rechtlicher Vorgaben und persönlicher Ermessensspielräume determiniert auch hier das Kriterium vorrangiger institutioneller Zielsetzung Bewertung und Selektion: Die Ausschaltung von Fehlverhalten im Sinne eines Krisenmanagements. ...

Die Reaktion der AusbilderInnen auf Devianz, die nicht im Arbeitsalltag geschieht, wurde zunächst von der Überlegung bestimmt, ob nicht doch mittelbar eine Betriebsschädigung vorlag oder zu erwarten stand. Beispielhaft dafür ist die Einstellung zum Diebstahl in den Ausbildungsleitungen der Kaufhäuser: Auch wenn das Delikt in der Freizeit erfolgt, zerstört es das Vertrauensverhältnis zu den Jugendlichen, da man dann von der Annahme ausgehen muss, dass sich Delinquenz nicht nur auf außerbetriebliche Bereiche beschränkt.

Sieht man aber von der Wahrung betrieblicher Interessen ab, so bleibt der allgemein formulierte Erziehungsgedanke, der bei den AusbilderInnen mit dem Stichwort "Hinführung zum ordentlichen Menschen" Bezeichnung fand.

Dieses Stichwort, ... welches auf das Ziel einer umfassenden moralischen Sozialisation hindeutete, ließe vermuten, dass man Devianz nicht nur aus Betriebsinteresse ablehnt und negativ sanktioniert. Tatsächlich finden sich kaum Aussagen, die sich aus anderen als betrieblichen Gründen gegen Devianz wenden. Dazu zählt zum Beispiel die Erfahrung persönlicher Betroffenheit als Opfer einer Straftat oder die der öffentlichen Meinung folgende Argumentation gegen den Konsum illegaler Drogen. Aber gerade bezogen auf den Freizeitbereich, in dem man eine vom betriebswirtschaftlichen Denken abgekoppelte, moralisch fundierte Devianz-Verurteilung von BerufserzieherInnen erwartet hätte, fand sie nur im Ausnahmefall statt, obgleich das Berufsbildungsgesetz ausdrücklich aufträgt, dafür Sorge zu tragen, dass der Auszubildende charakterlich gefördert sowie sittlich nicht gefährdet wird (§6 BBiG). (MARIAK & KLUGE 1998, S.101-102) [12]

3. Die Re-Analyse

3.1 Fragestellung

Um die oben zitierten Ergebnisse als Ausgangspunkt für eine Re-Analyse benutzen zu können, haben wir sie auf folgende Aussage zugespitzt: Abweichendes Verhalten von Auszubildenden wird durch die AusbilderInnen primär unter dem Gesichtspunkt der Aufrechterhaltung störungsfreier betrieblicher Abläufe wahrgenommen, bewertet und sanktioniert. [13]

Die im Zitat unterstrichenen Textstellen belegen, dass es sich bei dieser Aussage um eine Zuspitzung von Ergebnissen der Primärstudie handelt, die diese nicht inhaltlich verändert. Es handelt sich um eine klare, auf alle AusbilderInnen verallgemeinerte Aussage der Primärstudie: In den pragmatischen Devianztheorien und im Verhalten der AusbilderInnen dominiert das Ziel, störungsfreie betriebliche Abläufe aufrechtzuerhalten, gegenüber allen anderen Erwägungen. Erst an zweiter Stelle kommt die "Hinführung zum ordentlichen Menschen". [14]

Diese Aussage haben wir als Untersuchungshypothese für unsere Re-Analyse benutzt. Mit der Re-Analyse sollte geprüft werden, ob die Hypothese durch das empirische Material gestützt wird. Diese Verwendung einer Hypothese weicht in mehrerlei Hinsicht von der Praxis qualitativer Sozialforschung ab und bedarf deshalb einiger Erläuterungen. Erstens muss festgehalten werden, dass wir ein Ergebnis der Primärstudie als Hypothese benutzen, d.h. den Bezugsrahmen wechseln: Was im Kontext der Primärstudie ein Ergebnis war, wird im Kontext der Re-Analyse als Hypothese behandelt und damit zu einer Frage an das empirische Material. Zweitens hat unsere Hypothese eine andere Funktion, als sie Hypothesen in qualitativen Auswertungsverfahren für gewöhnlich zukommt. Hypothesen spielen in der qualitativen Datenauswertung eine wichtige Rolle, weil sie erste Interpretationen des empirischen Materials zuspitzen, damit diese in der weiteren Auswertung mit dem Material kontrastiert werden können. Hypothesen sind in diesem Prozess also Instrumente der Theoriekonstruktion: Sie werden aus dem empirischen Material abgeleitet, am empirischen Material geprüft, mit Gegenevidenz konfrontiert, gegebenenfalls verändert usw. (Eine Beschreibung dieses Prozesses der Theoriekonstruktion gibt KELLE 1994, S.358-368, für verschiedene Varianten computergestützter Hypothesenprüfung siehe HESSE-BIBER, DUPUIS & KINDER 1991, HICKS 1994 und HUBER 1996). Da wir die Ergebnisse einer qualitativen Studie verwenden, setzen wir voraus, dass diese Schritte bereits gegangen wurden. Deshalb kann es nicht mehr um die schrittweise Veränderung der Hypothese im Sinne einer Fortsetzung der Theoriekonstruktion gehen. Unsere Frage ist vielmehr, ob das Ergebnis dieser in der Primärstudie erfolgten Theoriekonstruktion die empirischen Befunde erklärt. Deshalb ist unser Vorgehen stärker am "Test" von Ex-ante-Hypothesen orientiert. Auch solche "Hypothesentests" sind in der qualitativen Sozialforschung möglich (HOPF 1995, MEINEFELD 1997), sie sind jedoch meist sehr voraussetzungsvoll und spielen deshalb in der Forschungspraxis nur eine untergeordnete Rolle. Da sich eine Re-Analyse auf dieselbe empirische Basis bezieht wie die Primärstudie, ermöglicht sie einen solchen "Test" von aus den Ergebnissen der Primärstudie abgeleiteten Hypothesen.2) Wenn wir aber die Aussage aus der Primärstudie als Ex-ante-Hypothese in unsere Re-Analyse einführen und sie in einem ganz einfachen Sinne "testen", dann stellt sich drittens die Frage, was dies mit dem Vergleich von Konstruktionen zu tun hat. Die Antwort darauf ist einfach: Auch unser "Hypothesentest" ist eine Konstruktion: Wir müssen die vorliegenden Interviewtranskripte interpretieren, sie zur Hypothese in Beziehung setzen und eine Argumentation entwickeln, warum die Hypothese die Daten erklärt oder nicht. Obwohl also die Analyse ein bereits bekanntes Ergebnis prüft, bleibt sie dennoch ein Konstruktionsprozess, in dem empirische Daten interpretiert werden. Die Prüfung (Annahme oder Zurückweisung) der Hypothese ist in diesem Fall das Mittel, mit dem die Konstruktionen verglichen werden. [15]

Wie lässt sich nun die Untersuchungshypothese "operationalisieren", d.h. in Fragen an das empirische Material übersetzen? Wenn die Hypothese zutrifft, dann müssten sich im empirischen Material folgende Beschreibungen auffinden lassen:

(1) Abweichendes Verhalten, das betriebliche Abläufe stört oder gefährdet, wird

sanktioniert als abweichendes Verhalten, von dem keine solchen Störungen oder Gefährdungen ausgehen. Störungen oder Gefährdungen betrieblicher Abläufe können von allen Handlungen erwartet werden, die im Betrieb selbst erfolgen oder im Betrieb Sekundärwirkungen entfalten (geringere Arbeitsleistungen, Erwartung der Ausdehnung von abweichendem Verhalten auf den Betrieb usw.). [16]

(2) Begründungen für Sanktionen beziehen sich immer oder zumindest primär auf die Gefährdung betrieblicher Abläufe. [17]

(3) Die Sanktionen für abweichendes Verhalten werden so gewählt, dass Störungen bzw. Gefährdungen betrieblicher Abläufe ausgeschlossen werden. In Betracht kommen hier Prävention (Nichteinstellung von Jugendlichen, von denen abweichendes Verhalten befürchtet wird) und sehr starke Sanktionen bis hin zur Entfernung des Auszubildenden aus dem Betrieb. [18]

Das empirische Material ist also auf die Wahrnehmungen, Bewertungen und Handlungen der AusbilderInnen hin zu untersuchen. Es muss jeweils ermittelt werden,

Wie die Primärstudie auch, wurde die Re-Analyse als vergleichende Fallanalyse durchgeführt. Fälle existieren dabei auf zwei Ebenen: Erstens verweist die Fragestellung der Re-Analyse darauf, dass es um den Zusammenhang zwischen Alltagstheorien der AusbilderInnen und deren Umgang mit Devianz geht, dass also jeder Ausbilder und jede Ausbilderin mit seiner bzw. ihrer Strategie des Umgangs mit Devianz einen Fall konstituiert. Wenn aber festgestellt werden soll, welche Wahrnehmungs-, Bewertungs- und Verhaltensmuster jeweils bei den AusbilderInnen dominieren, dann müssen auch bei jedem Ausbilder und jeder Ausbilderin noch einmal Fälle unterschieden werden, und zwar die Wahrnehmung, Bewertung und Sanktionierung jedes einzelnen Falles von abweichendem Verhalten. Die Re-Analyse wurde deshalb auf beiden Ebenen durchgeführt. [20]

3.2 Empirische Basis und Methode

Von den insgesamt 21 Interviews mit betrieblichen AusbilderInnen erhielten wir aus dem Archiv des SFB 186 17 Interviews. Vier Interviews mit AusbilderInnen waren aufgrund eines hohen Re-Identifizierungsrisikos von der Weitergabe ausgeschlossen worden. Zwei dieser Interviews (4 und 20) waren nicht auswertbar: Wegen der schlechten Qualität der Tonbandaufzeichnung enthielten die Transkripte zahlreiche Lücken unbekannter Größe, die durch Fragezeichen oder Auslassungspunkte gekennzeichnet waren. Da beide Transkripte das geführte Interview unvollständig und möglicherweise verzerrt abbilden, wurden sie nicht in die Auswertung einbezogen. Uns ist nicht bekannt, wie mit diesen Interviews in der Primärstudie verfahren wurde. [21]

Die Interviews waren mit einem einheitlichen Schlüssel anonymisiert worden. Die Anonymisierung bezieht Personennamen, Ortsbezeichnungen, Funktionsbezeichnungen, Zahlenangaben usw. ein (KLUGE & OPITZ 1999, S.55-58). Für die Re-Analyse war insbesondere die Anonymisierung von Zahlen relevant. In den Interviews waren Zahlen durch den Buchstaben X ersetzt worden, wobei X für eine einstellige Zahl, XX für eine zweistellige Zahl steht usw. Diese Methode wurde auch auf Jahreszahlen angewendet, deren letzte Ziffer jeweils durch ein X ersetzt wurde. [22]

Zur Beantwortung der Forschungsfrage wurde ein Verfahren der qualitativen Inhaltsanalyse (LAUDEL 1999, GLÄSER & LAUDEL 1999) angewendet, das sich an die von MAYRING (1993) entwickelten Ideen anlehnt, sich zugleich jedoch in methodologisch zentralen Punkten unterscheidet. Insbesondere gegen die induktive Gewinnung eines Kategoriensystems (MAYRING 2000) und die Arbeit mit geschlossenen Kategoriensystemen können methodologisch begründete Einwände erhoben werden (GLÄSER & LAUDEL 1999). Diese methodologische Diskussion kann hier nicht geführt werden, wir beschränken uns auf eine nachvollziehbare Darstellung unseres eigenen Verfahrens, aus der die Differenz zu dem von MAYRING vorgeschlagenen Vorgehen deutlich wird. [23]

Die qualitative Inhaltsanalyse ist ein extrahierendes Verfahren, das dem Text in einem ersten Auswertungsschritt Informationen entnimmt und diese getrennt vom Text weiterverarbeitet. Darin unterscheidet sich die Inhaltsanalyse von kodierenden Verfahren: Die Kodierung indiziert den Text, um ihn – z.B. durch die synoptische Analyse kodierter Textteile – auswerten zu können; sie macht also Text und Index zum gemeinsamen Gegenstand der Auswertung (siehe z.B. die Darstellung bei KELLE & KLUGE 1999, S.54-74). Auch wenn in späteren Phasen der Auswertung z.B. Typologien konstruiert werden, geschieht das auf der Grundlage der kodierten Textteile (ibid., S.75-97). Im Gegensatz dazu erfolgt bei der qualitativen Inhaltsanalyse eine Extraktion von Informationen mittels eines Suchrasters (Kategoriensystems). Die in einem Textteil enthaltenen für die Untersuchung relevanten Informationen werden interpretiert und auf der Grundlage dieser Interpretation einer Auswertungskategorie zugeordnet. Das bedeutet, die Information wird hinsichtlich der beschriebenen Merkmalsausprägungen interpretiert, und diese Merkmalsausprägungen werden unter den Sachdimensionen der entsprechenden Kategorie (nominal- oder ordinalskaliert) eingetragen. [24]

In unserem Verfahren wird das Kategoriensystem ausgehend von theoretischen Vorüberlegungen konstruiert. Seine Grundlage bilden Untersuchungsvariablen, die aber nicht wie durch die Statistik vorgegeben als eindimensionale quantitative Konstrukte verstanden werden. Wir lehnen uns statt dessen an die Verwendung von komplexen (mehrdimensionalen), nominalskalierten Variablen an, die häufig in der soziologischen Theorie zu finden ist, z.B. in der Behandlung des Begriffs "Staatsnähe" bei MAYNTZ und SCHARPF:

Freilich ist "Staatsnähe" nicht ein einfaches Merkmal, sondern eine mehrdimensionale Variable, wie etwa ein Blick auf die verschiedenen Formen der Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens im internationalen Vergleich verdeutlicht ... Als Dimensionen der Staatsnähe kommen insbesondere Abstufungen der Extension und Intensität rechtlicher Regulierung und in der organisatorischen, finanziellen, personellen und sachlichen Abhängigkeit vom Staatsapparat in Frage. Da die Merkmalsausprägungen in diesen Dimensionen unabhängig voneinander variieren können (wie sich am Beispiel der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder der Max-Planck-Gesellschaft zeigt, die trotz totaler finanzieller Staatsabhängigkeit hohe organisatorische, personelle und sachliche Autonomie genießen), lässt sich auch nicht ohne wesentlichen Informationsverlust von der größeren oder geringeren Staatsnähe eines Sektors im Vergleich zu anderen sprechen. Wir verwenden den Begriff deshalb eher als zusammenfassende Beschreibung denn als theoretische Kategorie. (MAYNTZ & SCHARPF 1995, S.14) [25]

Die Offenheit des Kategoriensystems wird auf zwei Wegen sichergestellt: Erstens wird der Merkmalsraum des Kategoriensystems nicht ex ante vorgegeben, sondern während der Extraktion bestimmt. Die Informationen im Text werden also nicht unter feststehende Merkmalsausprägungen subsumiert, sondern es wird bei der Extraktion festgelegt, wie die Merkmalsausprägung zu beschreiben ist. Deshalb dominieren nominalskalierte Auswertungskategorien. Zweitens können während der Extraktion neue Sachdimensionen von Variablen oder neue Variablen in das Auswertungsraster aufgenommen werden, wenn die empirischen Befunde das notwendig machen. Die ex ante aus den theoretischen Vorüberlegungen abgeleiteten Variablen werden aber nicht ersetzt, sondern beibehalten und weiter mitgeführt, damit Widersprüche zwischen Theorie und Empirie nach der Extraktion, in Ansehung des gesamten empirischen Materials, behandelt werden können. [26]

Bei der Konstruktion von Untersuchungsvariablen für die qualitative Inhaltsanalyse wäre es zweckmäßig gewesen, auf die theoretischen Vorüberlegungen der Primärstudie zurückzugreifen. Das war leider nur partiell möglich. Die in der Studie angestellten Vorüberlegungen bezogen sich auf Selektionsprozesse in der beruflichen Bildung (MARIAK & KLUGE 1998, S.13-28, 34-46) und auf "pragmatische Devianztheorien" (ibid., S.47-52). Zwei für die Analyse des Verhaltens von AusbilderInnen mindestens ebenso wichtige theoretische Kontexte – Handlungstheorie und Organisationssoziologie – wurden dagegen explizit nicht behandelt. Organisationssoziologische Überlegungen flossen indirekt ein, wenn es um das Verhältnis der AusbilderInnen zum Ausbildungsbetrieb ging. Insbesondere das Fehlen akteur- und handlungstheoretischer Überlegungen war aber folgenreich, wo es um den Stellenwert der Alltagstheorien von AusbilderInnen für das Verhalten ging. Wir werden auf dieses Problem zurückkommen. [27]

Unsere theoretischen Vorüberlegungen hatten nicht die Aufgabe, eine empirische Erhebung zu strukturieren, sondern mussten lediglich die Prüfung einer Hypothese über das Verhalten der AusbilderInnen unterstützen. Wir haben deshalb allgemeine handlungstheoretische Überlegungen zugrundegelegt und Untersuchungsvariablen zur Beschreibung von Akteureigenschaften, Handlungsbedingungen und Handlungen konstruiert. Außerdem wurden die im empirischen Material enthaltenen Beschreibungen daraufhin analysiert, welche Faktoren variieren. [28]

Die Akteure, deren Verhalten analysiert werden soll, wurden mit den eindimensionalen Variablen "Alter", "Berufserfahrungen" und "Erfahrungen in der Ausbildung" beschrieben. Für die Beschreibung der Arbeitsumwelt der AusbilderInnen und Auszubildenden wurden die gleichfalls eindimensionalen Variablen "Branche", "Größe des Betriebes" und "Zahl der Auszubildenden im Betrieb" herangezogen. Eine weitere Handlungsbedingung ist die komplexe Variable "Normen". Diese Variable hat zwei Sachdimensionen: Inhalt und Geltungsbereich. Auch die Variable "Wahrnehmungen von abweichendem Verhalten der Auszubildenden durch AusbilderInnen" hat mehrere Sachdimensionen Art der Abweichung, Umfang der Abweichung und Handlungsbereich, in dem das Verhalten beobachtet wird (Schule, Betrieb, Freizeit ...). Eine weitere Variable beschreibt "Bewertungen von abweichendem Verhalten der Jugendlichen durch die AusbilderInnen". Sie hat die Sachdimensionen Gegenstand der Bewertung (Verhalten, Folgen für Betrieb, Folgen für Jugendlichen ...) und Inhalt der Bewertung. Die Variable "Reaktionen der AusbilderInnen auf Wahrnehmungen von abweichendem Verhalten" hat die Sachdimensionen Gegenstand der Reaktion, Inhalt der Reaktion (was wird getan) und Ziel der Reaktion. Alle genannten Variablen haben nicht nur Sachdimensionen, sondern auch eine Zeitdimension, die angibt, zu welchem Zeitpunkt bzw. in welchem Zeitraum Merkmalsausprägungen existieren. [29]

Diese ex ante konstruierten Variablen mussten im Verlauf der Extraktion noch einmal verändert werden. So wurde es erforderlich, "andere Informationen" über Betriebe und AusbilderInnen aufzunehmen. Außerdem stellte sich bei der Extraktion heraus, dass der Typ der Wahrnehmung bzw. Reaktion erheblich variiert. Deshalb wurden bei mehreren Variablen neue Sachdimensionen integriert, und zwar:

Für die Inhaltsanalyse werden die Variablen um zwei Kausal"dimensionen" erweitert: eine Ursachendimension und eine Wirkungsdimension. Dabei handelt es sich nicht um Dimensionen einer Variablen, sondern um Beziehungen zwischen Variablen: Die Kausaldimensionen ermöglichen es, im empirischen Material berichtete Kausalzusammenhänge und Querbeziehungen zwischen Variablen aufzunehmen. Darüber hinaus werden in der Ursachendimension Informationen über Einflüsse auf Variablen extrahiert, die bei der Konstruktion der Variablen nicht vorhergesehen wurden. Auch auf diese Weise wird die Offenheit der Extraktion gegenüber unvorgesehenen Informationen gewährleistet. [31]

Bei der (computergestützten) Extraktion erzeugt man Tabellen, die die aus einem Interview entnommenen Informationen zu jeder Variablen enthalten (ein Beispiel ist im Anhang 1 angefügt). Im nächsten Schritt werden diese extrahierten "Roh"daten aufbereitet, d.h. zusammengefasst, auf Redundanzen und Widersprüche geprüft usw. Dadurch entsteht eine strukturierte Informationsbasis, die die empirischen Informationen über die zu rekonstruierenden Fälle zusammenfasst. Daran schließt sich der Schritt der Auswertung (im engeren Sinne) an. In diesem Schritt wird die Rekonstruktion der Fälle vorgenommen, und es wird nach den interessierenden Kausalzusammenhängen und -mechanismen gesucht. Um die Auswertung wenigstens ansatzweise nachvollziehbar zu machen, haben wir einen (reduzierten und komprimierten) Auszug aus der Informationsbasis im Anhang 2 angefügt. Unser Vorgehen bei der Auswertung der Informationsbasis wird im Abschnitt 3.4 deutlich werden. [32]

3.3 Überblick über die empirischen Befunde

Um einen Überblick über die Art der in den Interviews enthaltenen Informationen zu geben, fassen wir in Tabelle 1 die Informationen aus Anhang 2 noch einmal in stark reduzierter Form zusammen. In die Übersicht wurden Formen abweichenden Verhaltens aufgenommen, nach denen die AusbilderInnen in allen Interviews gefragt wurden. Die ebenfalls in allen Interviews gestellte Frage, ob die Polizei schon einmal im Betrieb aufgetaucht sei und sich nach einem Auszubildenden erkundigt habe, erbrachte durchgehend negative Antworten und wird deshalb nicht einbezogen. Mangelnde Bereitschaft zur Unterordnung wurde gelegentlich erwähnt, wird hier jedoch als minder schwere Form abweichenden Verhaltens ausgeklammert. [33]

In der Tabelle sind vier unterschiedliche Typen von Erfahrungen unterschieden worden. Ein erster Typ von Erfahrungen sind konkrete Einzelfälle und die Reaktionen der Interviewten darauf, über die in den Interviews berichtet wurde. Diese Informationen sind in der Tabelle rot hinterlegt. Ein zweiter Typ sind wiederkehrende Erfahrungen, d.h. regelmäßig auftretende Situationen, in denen Routinen zur Anwendung kommen (in der Tabelle grün hinterlegt). Ein dritter Typ sind fehlende Erfahrungen, d.h. Formen abweichenden Verhaltens, die ein Ausbilder oder eine Ausbilderin noch nicht erlebt haben. Diese Felder wurden grau hinterlegt. Der vierte Typ sind die vorgestellten Situationen und Reaktionen. Hier handelt es sich nicht um Erfahrungen, sondern um Antworten auf hypothetische Fragen. Die Interviewten haben jeweils versucht, sich die Situation vorzustellen und erklärt, wie sie in einer solchen Situation reagieren würden. Weiße Felder bezeichnen fehlende Informationen aufgrund nicht gestellter Fragen oder nicht auswertbarer Antworten. [34]

Die Tabelle zeigt, dass die Erfahrungen der AusbilderInnen ganz unterschiedlich verteilt sind. Nur im Fall 1 hat der Interviewte Erfahrungen mit allen Formen abweichenden Verhaltens, während in den Fällen 12 und 14 solche Erfahrungen kaum benannt werden. Außerdem ist das Material bezüglich des Typs der Erfahrungen sehr heterogen. In der Primäruntersuchung sollte aus diesem Material sowohl auf die "pragmatischen Devianztheorien" der AusbilderInnen als auch auf deren tatsächliches Verhalten geschlossen werden. Unsere Hypothese bezog sich auf den praktischen Umgang mit abweichendem Verhalten, d.h. auf die berichteten Reaktionen in konkreten einzelnen und wiederkehrenden Situationen. Die hypothetischen Situationen, die bei einigen Formen abweichenden Verhaltens im empirischen Material dominieren, würden zur Prüfung dieser Hypothese nur dann etwas beitragen, wenn aus dem Bericht der Interviewten über ihr hypothetisches Verhalten auf ihr tatsächliches Verhalten geschlossen werden könnte. Wir sind nicht der Ansicht, dass dies in unserem Fall möglich ist. Die AutorInnen der Primärstudie haben anscheinend das hypothetische Verhalten als gleichberechtigtes Material verwendet, diesen Schritt aber weder explizit gemacht noch begründet, so dass wir auch nichts über die theoretischen Positionen wissen, die ihm zugrunde liegen. Da der Umgang mit dem hypothetischen Material wegen dessen Umfangs entscheidenden Einfluss auf die gesamte Auswertung der Daten hat, möchten wir hier die Gründe nennen, aus denen wir die Einbeziehung der hypothetischen Antworten ablehnen.

Laudel & Gläser

Tabelle 1: Übersicht über die empirischen Befunde (leer: keine Informationen, grau: tritt nicht auf, grün: regelmäßiges Verhalten, rot: Beschreibung konkreter Fälle, gelb: Beschreibung hypothetischen Verhaltens)
Bitte klicken Sie auf die Tabelle für eine Vergrößerung. [35]

Erstens halten wir es im vorliegenden Fall für unzulässig, aus Aussagen über Handlungen in einer angenommenen Situation auf das Handeln in einer tatsächlich eintretenden Situation zu schließen. In der quantitativen Sozialforschung gilt der Schluss von Einstellungen auf Verhalten seit langem als problematisch (z.B. LÜDEMANN 1993, DIEKMANN & PREISENDÖRFER 1993), es wurde aber bestätigt, dass es einen Zusammenhang zwischen beiden gibt. Mit den quantitativen Belegen dafür, dass sich Menschen tendenziell konsistent verhalten, ist aber einer auf der Mikroebene in Bezug auf Einzelfälle argumentierenden qualitativen Studie noch nicht geholfen. Das hinter dieser Frage stehende interessante allgemeine Problem ist, wie auf Wahrscheinlichkeitsaussagen quantitativer Untersuchungen beruhende theoretische Befunde überhaupt in qualitative Studien integriert werden können. Um aus hypothetischem Verhalten auf reales schließen zu können, müssten wir schon wissen, unter welchen Bedingungen das Verhalten den subjektiven Theorien entspricht. Solange das nicht bekannt und damit eine selektive Einbeziehung hypothetischem Verhaltens nicht möglich ist, bleiben nur zwei Varianten. In der Primärstudie wurde das gesamte hypothetische Verhalten unreflektiert einbezogen und damit mit realem Verhalten gleichgesetzt. Das wird auch daran deutlich, dass die Differenz hypothetisch/ real nicht kodiert wurde (MARIAK & KLUGE 1998, S.341-349). Die Alternative zur Gleichsetzung bestünde darin, das hypothetische Verhalten als eine in allen Fällen gültige, aber insgesamt schwächere Evidenz zu behandeln. Dann muss man die Stärke der Evidenz beurteilen und eine Synthese von unterschiedlich starken Evidenzen vornehmen. Dieses Vorgehen halten wir in Einzelfällen für zulässig, auch wenn erhebliche methodische Probleme zu erwarten sind. Es stellt jedoch hohe Anforderungen an die Informationen über die subjektiven Theorien und das hypothetische Verhalten. [36]

Zweitens birgt die angewendete Erhebungsstrategie erhebliche Probleme. Bereits der Schluss von im Interview berichteten hypothetischem Verhalten auf Alltagstheorien ist nicht selbstverständlich. Wenn man davon ausgeht, dass Alltagstheorien verallgemeinerte Erfahrungen sind, dann ist der Schluss von einer Spekulation (d.h. von einer Aussage, die nicht auf Erfahrungen gegründet ist) auf die Alltagstheorie fragwürdig. Hinzu kommt, dass Alltagstheorien sowohl in quantitativen als auch in qualitativen Studien mit sehr elaborierten Methoden erhoben werden. Beispiele dafür sind ein sehr konkretes Szenario in einer quantitativen Untersuchung (SEIPEL 2000, S.407), das methodische Vorgehen in einem Projekt zu Alltagstheorien von Berufsschullehrern (FÜGLISTER et al. 1985, zitiert bei SEMPACH 1991, S.115-119) und das "diskursive Interview" als Instrument zur Erhebung von Deutungsmustern (ULLRICH 1999). In den uns vorliegenden Interviews wurde dagegen mit einfachen hypothetischen Fragen gearbeitet, in denen die jeweilige hypothetische Situation nur mit wenigen Worten und dadurch sehr verschwommen präsentiert wurde (ein Beispiel findet sich in Absatz 47). [37]

Da also bereits die Erhebung des hypothetischen Verhaltens mit Schwächen behaftet war und keine befriedigende analytische Strategie verfügbar ist, mit der die hypothetischen Aussagen in der Auswertung behandelt werden können, sahen wir uns gezwungen, hypothetisches Verhalten aus der Analyse ausschließen. Man kann zweifellos eine optimistischere theoretische Position zum Zusammenhang von Alltagstheorien und Verhalten einnehmen (dafür gibt es empirische Argumente) und auf dieser Grundlage das hypothetische Verhalten einbeziehen. Dadurch ergibt sich sofort ein ganz anderer Blick auf das empirische Material: Es erscheint dann reichhaltig und unproblematisch. Aus unserer Perspektive bietet die Übersicht über das empirische Material dagegen ein anderes Bild: Die Informationen zum Verhalten der AusbilderInnen, d.h. über ihre Wahrnehmung, Bewertung und Sanktionierung abweichenden Verhaltens der Auszubildenden, sind sehr lückenhaft. Zu den Themen "Diebstahl im Betrieb" und "Schwarzarbeit" gibt es überwiegend hypothetisches Material, d.h. Statements der AusbilderInnen darüber, wie sie reagieren würden, wenn sie solches Verhalten wahrnehmen würden. Auch bei den Themen "Alkohol am Arbeitsplatz" und "Auszubildende sind auf die schiefe Bahn geraten" ist der Anteil hypothetischer Situationen beträchtlich. Verschärft wird das Problem durch fehlende Informationen und fehlende Erlebnisse mit abweichendem Verhalten. Die Ursache für das Fehlen von Informationen dürfte in der Fallauswahl liegen, in der ja tatsächliche Erfahrungen mit abweichendem Verhalten nur durch eines von sechs Selektionskriterien für Fälle berücksichtigt werden (siehe 2.). [38]

3.4 "Prüfung der Hypothese"

Ausgehend von unseren Vorüberlegungen im Abschnitt 3.1 sind die im empirischen Material enthaltenen Fälle nun daraufhin zu analysieren, ob die Sanktionen und die dafür gegebenen Begründungen dem Modell "Vermeidung betrieblicher Störungen" entsprechen. Dafür muss das abweichende Verhalten klassifiziert werden. Formen abweichenden Verhaltens, von denen eine Störung betrieblicher Abläufe ausgeht oder erwartet wird, müssen den Formen gegenübergestellt werden, von denen eine solche Störung weder ausgeht noch erwartet wird (Tabelle 2). In der Primärstudie findet sich keine derartige explizite Unterscheidung. In der Re-Analyse haben wir "betriebliche Abläufe" als Produktionsprozesse und darauf bezogene Abläufe im Ausbildungsbetrieb definiert. Berufsschule, Familie, Freizeit usw. wurden als außerhalb des Betriebes liegend angesehen. Von den in den Interviews behandelten Formen können dann, Unpünktlichkeit, Alkoholgenuss im Betrieb sowie Diebstahl im Betrieb klar den "störenden" Formen und Schwarzarbeit, Absentismus in der Berufsschule sowie Freizeitdelinquenz klar den "nicht störenden" Formen zugerechnet werden. Alkoholgenuss im Betrieb, Freizeitdelinquenz und Schwarzarbeit sind aber insofern nicht eindeutig klassifizierbar, als sie unter Bezug auf ihre störenden Sekundäreffekte im Betrieb (gravierende Formen von Schwarzarbeit und Freizeitdelinquenz) behandelt wurden. Bei diesen Formen abweichenden Verhaltens ist im Einzelfall zu prüfen, ob sie nicht doch der jeweils anderen Kategorie zugeordnet werden müssen.

Formen abweichenden Verhaltens, die

betriebliche Abläufe stören

betriebliche Abläufe nicht stören

Unpünktlichkeit im Betrieb

(Alkoholgenuss im Betrieb)

Diebstahl im Betrieb

(Schwarzarbeit)

Absentismus in der Berufsschule

(Freizeitdelinquenz)

Tabelle 2: Betriebliche Abläufe "störende" und "nicht störende" Formen abweichenden Verhaltens (Verhaltensformen, die in Einzelfällen auch der anderen Kategorie angehören können, stehen in Klammern) [39]

In den Vorüberlegungen hatten wir festgestellt, dass das empirische Material auf zwei Ebenen ausgewertet werden kann: auf der Ebene der Verhaltensmuster von AusbilderInnen und auf der Ebene einzelner Fälle abweichenden Verhaltens. Wir prüfen im folgenden auf diesen beiden Ebenen, inwieweit das empirische Material unsere Untersuchungshypothese stützt. [40]

3.4.1 Verhaltensmuster von AusbilderInnen

Auf der Ebene der AusbilderInnen umfasst ein Fall eine "pragmatische Devianztheorie" und damit korrespondierende Wahrnehmungs-, Bewertungs- und Verhaltensmuster. Unserer Hypothese zufolge müssten die AusbilderInnen jeweils abweichendes Verhalten aus der Perspektive tatsächlicher und möglicher Störungen betrieblicher Abläufe wahrnehmen, bewerten und sanktionieren. Ob ein Ausbilder dem behaupteten Muster entspricht, kann nur beurteilt werden, wenn ausreichend Informationen über seine Reaktion auf abweichendes Verhalten beider Formen vorliegen. Da auf der Ebene "AusbilderInnen" auf stabile Deutungs- und Verhaltensmuster geschlossen werden soll, scheint uns erforderlich, dass Informationen über jeweils mehr als eine Form "störenden" und "nicht störenden" abweichenden Verhaltens vorliegen müssen. Nur die Fälle 1, 7 und 16 erfüllen dieses Kriterium. [41]

Fall 1 entspricht eindeutig der formulierten Hypothese. Der Ausbilder hat Erfahrungen mit mehreren Formen von abweichendem Verhalten. Die Sanktionierung von Unpünktlichkeit, Alkohol am Arbeitsplatz und Diebstahl wird jeweils mit der Gefährdung betrieblicher Abläufe begründet (bei Schwarzarbeit gibt es diese Begründung nicht). Ein zweites Motiv, das in den Begründungen für abweichendes Verhalten auftaucht, ist das Bestreben, den erfolgreichen Abschluss der Lehre zu sichern. Dass dieses Motiv eine Rolle spielt, wird unter anderem daran deutlich, dass in einem Fall von Freizeitdelinquenz anscheinend (der Fall wurde nicht ausführlich beschrieben) erheblich mehr investiert worden war, als die Vermeidung betrieblicher Störungen erfordert hätte – der Auszubildende wurde "ausgelöst". Gegen die Hypothese spricht, dass Absentismus in der Berufsschule ebenfalls hart sanktioniert wird (Abzug von Urlaub), obwohl von ihr keine Störung betrieblicher Abläufe erwartbar ist. [42]

Fall 7 bietet ebenfalls ein konsistentes Bild, dieses widerspricht aber der Hypothese. Bei beiden AusbilderInnen (das Interview wurde mit zwei Personen geführt) dominiert das Motiv, den Auszubildenden "nicht die Zukunft zu versauen". Ein ordnungsgemäßer Abschluss der Lehre und eine erfolgreiche Gesellenprüfung haben Priorität. Dieses Motiv spielte vor allem beim Umgang mit Diebstahl im Betrieb eine Rolle: Es wurde eine erhebliche Belastung des Betriebsklimas in Kauf genommen, um zwei Auszubildenden, die ein Vierteljahr vor Abschluss der Lehre beim Diebstahl ertappt wurden, den Abschluss der Lehre zu ermöglichen. Bei dem entlassenen Alkoholiker ist nicht klar, ob es sich um einen Auszubildenden gehandelt hat. [43]

Fall 16 ergibt kein klares Bild, da die Sanktionierung von Unpünktlichkeit und Diebstahl nicht begründet wird. Gegen die Hypothese spricht, dass ein Fall von Freizeitdelinquenz (Drogenkonsum) nicht sanktioniert wurde. Die Kontaktaufnahme mit den Eltern hatte zum Ziel, dem Auszubildenden zu helfen. [44]

3.4.2 Wahrnehmung, Bewertung und Sanktionierung einzelner Fälle abweichenden Verhaltens

Auf der Ebene einzelner Wahrnehmungen, Bewertungen und Sanktionierungen gibt es mehr Material, da nun auch Informationen aus den nicht als "Fall" auswertbaren Interviews einbezogen werden können. Wie nach der Diskussion der drei Fälle im vorangegangenen Abschnitt zu erwarten war, ergibt sich auch auf der Ebene einzelner Sequenzen von Wahrnehmung, Bewertung und Sanktionierung kein klares Bild. [45]

Am häufigsten tritt Absentismus in der Berufsschule auf. Hier gibt es unterschiedliche Sanktionen (Abzug von Urlaub, Kürzen der Lehrlingsbeihilfe, Ermahnungen und Abmahnungen), die durch die AusbilderInnen überwiegend als erfolgreich charakterisiert werden. Als Begründung für die Sanktionen wird meist angegeben, dass Berufsschulzeit Arbeitszeit sei und der Auszubildende dafür bezahlt wird. Eine Störung betrieblicher Abläufe geht von diesem Verhalten nicht aus, so dass als Motiv für die Sanktionen lediglich die Erziehung zu Arbeitstugenden angenommen werden kann. Ein zweites Motiv ist das Bestreben der AusbilderInnen, den erfolgreichen Abschluss der Lehre zu sichern. Dieses Motiv, das in der Primäranalyse an zwei Stellen erwähnt wird (MARIAK & KLUGE 1998, S.91), aber in das Resümee nicht einfließt, klang z.B. an, wenn ein Auszubildender trotz dreier Abmahnungen wegen Absentismus in der Berufsschule bis zur Prüfung geführt wurde. [46]

Auch über Freizeitdelinquenz gibt es anscheinend viele Informationen. Hier ist aber große Vorsicht geboten, da es in mehreren Interviews Kommunikationsprobleme gab: Während die Interviewer mit der von ihnen gewählten Standardformel "Auszubildende geraten auf die schiefe Bahn" Freizeitdelinquenz meinten, interpretierten zumindest einige der befragten AusbilderInnen diese Formel so, dass darunter alles fiel, was die Leistungen des Auszubildenden im Betrieb oder in der Berufsschule beeinträchtigt, wie z.B. in der folgenden Passage:

I: Äh, was kann man denn als Ausbilder jetzt tun, um Jugendliche von der schiefen Bahn abzubringen? Gibt es da überhaupt Möglichkeiten, wie sehen Sie das?

A: Ja, also, wenn, falls Sie dahinterkommen, dass da irgendwas am Laufen, können Sie also nur mit ihm reden, oder, nicht, also ihn versuchen, mit guten Worten da was beizubringen. Mehr können Sie da nicht machen da.

I: Äh, woran merken Sie denn, dass irgendwie so 'ne kritische Entwicklung im Gange ist?

A: Na, ja, das ist, also, das zeigt dann erst mal also eben, dass er plötzlich hier sehr trübsinnig durchs Gelände läuft, und dass er unpünktlich ist und lustlos, nicht war, und vor allen Dingen immer sehr drauf bedacht ist, möglichst viel frei und dann an irgendwelchen bestimmten Tagen und dann kommt, haben sie dauernd Wünsche: Kann ich da frei haben, dort frei haben, nicht. Dann merken Sie schon, dass da irgend etwas, da was ist, nicht. Entweder heißt es 'ne neue Freundin, oder hat er 'nen neuen Umgang da, nicht. (Fall 16, Hervorhebung in der letzten Passage durch uns) [47]

Mehrere Ausbilder berichteten, dass der während der Lehre erfolgende Auszug aus dem Elternhaus, der Erwerb des Führerscheins oder ein neuer Freund bzw. eine neue Freundin erhebliche Einschnitte im Freizeitbereich mit sich bringen, die Sekundärwirkungen im Betrieb entfalten (Unpünktlichkeit, Desinteresse, Unlust usw.). Da das betriebliche Verhalten häufig der einzige Indikator für Veränderungen des Freizeitverhaltens ist, ist es durchaus plausibel, dass die Befragten unter "schiefe Bahn" alle Veränderungen außerhalb des Betriebes subsumierten, die zu innerbetrieblichem Fehlverhalten führen. Deshalb sind nur solche Beschreibungen auswertbar, bei denen sich die Reaktionen eindeutig auf Delinquenz in der Freizeit beziehen. Alle nichtdelinquenten Varianten der "schiefen Bahn" werden dort behandelt, wo ihre Sekundärwirkungen (wie z.B. Unpünktlichkeit) als abweichend wahrgenommen und sanktioniert werden. [48]

Gerade die konkreten Fälle von Freizeitdelinquenz stellen die der Re-Analyse zugrunde liegende Hypothese in Frage. Der Hypothese zufolge hätte Freizeitdelinquenz, von der Störungen betrieblicher Abläufe ausgehen oder erwartet werden müssen, mit der Entfernung des Jugendlichen aus dem Betrieb beantwortet werden müssen. Wieso werden Auszubildende, die illegale Drogen konsumieren, nicht so schnell wie möglich aus dem Betrieb entfernt? In unserem Sample gab es vier Fälle des Konsums illegaler Drogen (Tabelle 3).

Fall

Wahrgenommenes Verhalten

Reaktion

Gegebene
Begründungen

11

Heroinabhängigkeit

Eltern aufgesucht, gegen das Zurückschicken in die Türkei argumentiert, Beratung und Therapie organisiert, Lehre nach der Therapie fortgesetzt

Abschluss der Lehre sichern

13a)

Drogenabhängigkeit eines Auszubildenden

Lange Zeit "versucht, es zu decken, und während der Arbeitszeit versucht, es auszuhalten". Als der Auszubildende im Jugendstrafgefängnis gelandet ist, "musste er, natürlich, ist ganz klar, entfernt werden"

Keine

13b)

Drogenabhängigkeit einer Verkäuferin, die die Lehre gerade abgeschlossen hatte

Hat sich im Betrieb nichts zuschulden kommen lassen, ist von selbst gegangen, weil sie körperlich zu der Arbeit nicht mehr in der Lage war.

Keine

16

Haschisch-Konsum

Mit der Mutter geredet, den Auszubildenden zum Arzt geschickt

Keine andere Handlungsmöglichkeit gesehen, als mit den Eltern zu reden

Tabelle 3: Wahrnehmung des Konsums illegaler Drogen und Reaktionen der AusbilderInnen [49]

In allen vier Fällen haben die betrieblichen AusbilderInnen zusätzliche Belastungen in Kauf genommen, anstatt das für den Betrieb tatsächlich (Koordinationsstörungen des Auszubildenden im Fall 11) oder möglicherweise (körperliche Arbeitsunfähigkeit im Fall 13b) entstehende Problem "rasch und effizient" durch Sanktionen zu lösen. Das gilt auch für andere Formen von Freizeitdelinquenz: wie das "Auslösen" eines Auszubildenden (Fall 1) oder das Akzeptieren einer Gefängnisstrafe von 6 Wochen (Fall 18). In einem weiteren, nicht näher beschriebenen Fall von Freizeitdelinquenz, in dem der Ausbilder nicht mehr mit einem Auszubildenden "zurechtkam", wurde das Ausbildungsverhältnis nicht einfach beendet, sondern ein Betrieb gesucht, in dem der Auszubildende seine Lehre beenden konnte. All diese Fälle sprechen gegen die Untersuchungshypothese, die ja eine Priorität der Sicherung störungsfreier betrieblicher Abläufe behauptet. Die Beispiele machen vielmehr deutlich, dass das Motiv "Abschluss der Lehre sichern" beim Umgang mit Freizeitdelinquenz dominiert. [50]

Eine dritte Form von abweichendem Verhalten, die relativ häufig erlebt wird, ist Unpünktlichkeit im Betrieb. Hier ist das Bild von Wahrnehmung und Sanktionen relativ einheitlich: es wird ermahnt, Kontakt zu den Eltern aufgenommen und abgemahnt. Diese Maßnahmen werden auch als erfolgreich beschrieben. Obwohl aber Unpünktlichkeit häufig als Problem genannt und sanktioniert wird, spielt die von ihr ausgehende Störung betrieblicher Abläufe in den meisten uns vorliegenden Interviews keine Rolle. In den Fällen 1, 5, 7, 8, 10, 16, 18 und 19 wird keine Begründung für die Sanktionierung von Unpünktlichkeit gegeben (im Fall 1 wird lediglich die rechtzeitige Entschuldigung als allgemeine Höflichkeitsnorm eingeklagt). Eine Störung betrieblicher Abläufe durch Unpünktlichkeit wird lediglich in den Fällen 17 und 21 thematisiert. [51]

Über tatsächlich auftretende Diebstähle im Betrieb und deren Sanktionierung wird in sechs Interviews berichtet. Tabelle 4 gibt eine Übersicht über diese Fälle. In einem Fall (21) ist dem Interview nicht zu entnehmen, ob es sich um einen Auszubildenden handelt. Insgesamt wird gerade auch bei dieser Form von Delinquenz deutlich, dass das Motiv, Störungen betrieblicher Abläufe zu vermeiden, nicht das einzige und nicht einmal das dominierende ist. In zwei der drei konkreten Einzelfälle, die eindeutig Auszubildende betreffen, wurde keine Entlassung vorgenommen, um den Auszubildenden eine Beendigung der Lehre zu ermöglichen. Im Fall 1 wurde ein Auszubildender nach einem gravierenden Diebstahl entlassen, weil in der Beispielwirkung eine Gefahr für die betrieblichen Abläufe gesehen wurde. Im Fall 21 wurde für die Entlassung (von der nicht klar wird, ob sie eine Auszubildende betraf) zwar keine Begründung gegeben, die Vermeidung von Nachteilen für den Betrieb ist aber hochplausibel.

Fall

Wahrgenommenes Verhalten

Reaktion

Gegebene Begründungen

1

Gravierender Diebstahl von Arbeitsmaterial

Entlassung

Mögliche Beispielwirkung des Diebstahls

7a)

Nicht näher beschriebene Diebstähle

Durfte weiterarbeiten

Stand kurz vor der Gesellenprüfung

7b)

Nicht näher beschriebene Diebstähle

Durfte weiterarbeiten

Stand kurz vor der Gesellenprüfung

12

Geringfügiger Diebstahl

Durfte weiterarbeiten

Hätte nach seiner Entlassung keine Lehrstelle mehr erhalten

16

Kein konkreter Fall: Als reguläre Praxis beschrieben, könnte aber auch hypothetisch sein

In geringfügigen Fällen Abmahnung, in gravierenden Fällen/ bei Wiederholung Entlassung

Keine

21

Gravierender Diebstahl (von Einnahmen des Betriebes) durch einen Mitarbeiter (möglicherweise ein Auszubildender)

Entlassung

Keine

Tabelle 4: Wahrnehmung von Diebstählen im Betrieb und Reaktionen der AusbilderInnen [52]

Auch bei Alkoholgenuss im Betrieb und Schwarzarbeit gibt es nur wenige tatsächlich wahrgenommene und sanktionierte Fälle. Es dominieren hypothetische Situationen und Fehlmeldungen ("tritt nicht auf"). Bei der einzigen tatsächlich vorgenommenen Entlassung wegen Alkoholgenuss am Arbeitsplatz ist dem Interview nicht zu entnehmen, ob es sich um einen Auszubildenden gehandelt hat. Bei Schwarzarbeit wurden in einem konkreten Fall die Eltern informiert, zwei andere AusbilderInnen tolerieren sie, wenn sie geringfügig ist, in einem Fall wird – würde? – umfangreiche Schwarzarbeit mit Entlassung geahndet, ohne dass eine Begründung dafür angegeben wird. [53]

3.4.3 Schlussfolgerungen aus den empirischen Befunden

Bilanziert man nun diese Ergebnisse, dann wird deutlich, dass die empirischen Befunde in ihrer Gesamtheit die Hypothese, die Sicherung störungsfreier betrieblicher Abläufe hätte für die AusbilderInnen Priorität, nicht stützen. Im Verhalten der AusbilderInnen spielt zwar die Abwendung von Störungen betrieblicher Abläufe durchaus eine Rolle, dieses Verhaltensmuster kann aber nicht als das einzige oder wenigstens als dominant bezeichnet werden. Tatsächlich stützt das empirische Material eine andere Hypothese mindestens genauso gut. Diese Hypothese könnte folgendermaßen formuliert werden:

Abweichendes Verhalten von Auszubildenden wird durch die AusbilderInnnen primär unter dem Gesichtspunkt der "Bildung ordentlicher Facharbeiter", d.h. der arbeitsmoralischen Sozialisation und der Sicherung einer erfolgreichen Lehre, wahrgenommen, bewertet und sanktioniert. Störungen betrieblicher Abläufe werden solange in Kauf genommen, bis eine (nach Branche, Betrieb und Person der AusbilderInnen variierende) "Schmerzgrenze" überschritten wird. [54]

Diese neue Hypothese ist der Untersuchungshypothese insofern entgegengesetzt, als sie ein anderes Hauptmotiv für das Handeln der AusbilderInnen behauptet: "Sicherung einer erfolgreichen Lehre" statt "Vermeidung von Störungen betrieblicher Abläufe". [55]

Im Lichte der Re-Analyse muss der Geltungsanspruch der aus der Primärstudie abgeleiteten Hypothese deutlich eingeschränkt werden. Jeder Kausalmechanismus, der im Ergebnis qualitativer Forschung gefunden wird, muss alle empirischen Befunde im beanspruchten Geltungsbereich erklären. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die aus der Primärstudie abgeleitete Hypothese das nicht vermag. Sie charakterisiert lediglich einen Kausalmechanismus, der im empirischen Material tatsächlich auftritt, aber keineswegs bei allen AusbilderInnen und keineswegs konkurrenzlos. Ein alternativer Mechanismus ist in Form einer Hypothese benannt worden. Mit anderen Worten (und noch einmal zugespitzt) die von MARIAK und KLUGE formulierte Interpretation folgt nicht aus dem uns vorliegenden empirischen Material. [56]

4. Diskussion: Vergleich zweier Konstruktionen

Jede Re-Analyse, die zu der Primärstudie widersprechenden Schlussfolgerungen gelangt, löst einen Konflikt aus: Wer hat recht? Dieser Konflikt kann methodologisch fruchtbar sein, wenn er die jeweiligen Analysestrategien miteinander kontrastiert und zeigt, wie unterschiedliche Handlungen der ForscherInnen zu den gegensätzlichen Ergebnissen geführt haben. Wir möchten uns im folgenden auf diesen Aspekt konzentrieren und die Frage, welche der Konstruktionen die überlegene ist, zurückstellen.

Vergleichskriterium

Primärstudie

Re-Analyse

Ziel

Konstruktion einer Interpretation des empirischen Materials

Prüfung einer aus dem Material entstandenen Konstruktion

Strategie

Suche nach allgemeinen Mustern im empirischen Material

Suche nach empirischen Belegen für ein allgemeines Muster im Material

Empirisches Material

21 Interviews nicht anonymisiert

17 Interviews, davon 2 nicht auswertbar, anonymisiert

Methode(n)

Kodierung, inhaltliche Strukturierung nach MAYRING (Konstruktion von Kategorien)

Qualitative Inhaltsanalyse (Extraktion von Informationen über Variablen)

Kontextwissen

Aus anderen Studien zu ähnlichen Themen, aus dem Führen der Interviews

Beschränkt auf die Publikation zur Primärstudie

Ergebnis

Ein Erklärungsmuster für den Umgang betrieblicher AusbilderInnen mit deviantem Verhalten von Auszubildenden

Ein konkurrierendes Erklärungsmuster und die Feststellung, dass das empirische Material nicht ausreicht, um die Frage zu beantworten

Tabelle 5: Vergleich von Primärstudie und Re-Analyse [57]

Tabelle 5 fasst die unserer Ansicht nach wichtigsten Unterschiede zusammen. Der Vergleich ist methodologisch ausgerichtet und stellt nicht die inhaltlichen Unterschiede, sondern die forschungsstrategisch bedeutsamen Differenzen heraus. Eine wichtige Gemeinsamkeit, die die Tabelle nicht auf den ersten Blick erkennen lässt, ist der konstruierende Charakter auch der Re-Analyse. Eine Konstruktion durch die Suche nach empirischen Belegen zu prüfen heißt ja, Fundstellen im Material so auszuwählen und aufzubereiten (zu interpretieren), dass sie als Belege für oder gegen die zu prüfende Konstruktion verwendet werden können. Diese Tätigkeiten sind im methodologischen Sinne genauso konstruierend wie die Suche nach Mustern und Interpretationen im Rahmen einer Primärstudie. Es geht uns im folgenden um einen Vergleich der Konstruktionen und um die Frage, wie die unterschiedlichen Bedingungen, Absichten und Herangehensweisen in den beiden Studien die Konstruktionsergebnisse geprägt haben. Das ist natürlich keine rein methodologische Frage, da die Interpretation des Materials auch durch theoretische Perspektiven beeinflusst wird. Deshalb werden wir zunächst versuchen, den Einfluss der unterschiedlichen Interpretationen in Primärstudie und Re-Analyse zu diskutieren. Anschließend benutzen wir die jeweils andere Studie als Folie, um auf methodologische Probleme von Primärstudien und Re-Analysen aufmerksam zu machen. [58]

4.2 Differenz der Interpretationen

Die Re-Analyse hat mehrere "kritische Punkte" aufgedeckt, an denen Interpretationen der ForscherInnen die Ergebnisse der Analyse erheblich beeinflussen.3) Wir möchten diese Punkte noch einmal kurz zusammenfassen:

Der Vergleich der beiden Analysen macht deutlich, wie wichtig die Explikation von Vorannahmen ist (siehe dazu MEINEFELD 1997). Wir haben beim Lesen der Primärstudie weder die Gleichbehandlung hypothetischer und realer Verhaltensweisen noch die fehlende Definition "betrieblicher Abläufe" bemerkt, sondern unbewusst und ganz selbstverständlich mit unserem eigenen Verständnis dieser Konstrukte gearbeitet. Erst der von der Re-Analyse ausgehende Zwang, Differenzen zur Primärstudie zu erklären, ließ uns das eigene Verständnis explizieren und die entsprechende Explikation in der Primärstudie vermissen. [60]

4.3 Hypothesen über methodologische Probleme von Primärstudien

Natürlich ist es nicht möglich, von einem einzigen Vergleich einer Primärstudie mit einer Re-Analyse generelle Schlussfolgerungen über Primärstudien, d.h. über qualitative Studien schlechthin, zu ziehen. Die Überlegungen in diesem und im folgenden Abschnitt sind deshalb Hypothesen, mit denen wir eine Diskussion über Konstruktionsprozesse in der qualitativen Sozialforschung anregen wollen. [61]

Der Versuch, die Re-Analyse als Folie für die Kritik der Primärstudie zu benutzen, führt zunächst zu einer Kritik des vorliegenden empirischen Materials. Beide Auswertungen wurden durch erhebliche Lücken im empirischen Material beeinträchtigt. Unsere Behauptung, dass die Schlussfolgerungen der Primärstudie durch das empirische Material nicht gestützt werden, ist in erster Linie eine Kritik an den vorliegenden Interviewtranskripten. Die Fallauswahl hat nicht auf Interviewpartner geführt, die für die hier behandelte Frage geeignet gewesen wären. Wenn eine Untersuchung verallgemeinerte Aussagen über den Umgang mit Devianz im Betrieb zum Ziel hat, dann müssen bei der Erhebung Personen interviewt werden, die tatsächlich Erfahrungen mit deviantem Verhalten haben. Tabelle 1 und Anhang 2 haben den Mangel an Informationen über solche Erfahrungen verdeutlicht. Wenn man Prozesse rekonstruieren muss, um seine Untersuchungsfrage zu beantworten, und die Informationen über die Prozesse lückenhaft sind, dann müssen die Informationslücken durch plausible Annahmen geschlossen werden. Diese Aufgabe ist um so schwieriger, je weniger Informationen über den Prozess die Erhebung erbracht hat. Die Lückenhaftigkeit von Informationen erzwingt "lückenfüllende Spekulationen", d.h. aus dem übrigen empirischen Material abgeleitete Vermutungen über nicht dokumentierte Vorgänge im Untersuchungsfeld. Wir halten es für wichtig, zwischen diesen Spekulationen, die Annahmen über unbekannte empirische Phänomene sind, und den stets notwendigen Interpretationen, die den erhobenen empirischen Daten Sinn geben, zu unterscheiden. Letzteres ist ein zentraler Schritt qualitativer Auswertung, während das erzwungene Spekulieren über empirische Sachverhalte gerade die Grundlage für Interpretationen schwächt. [62]

Das Schließen von Lücken im empirischen Material durch plausible Annahmen ist ein generelles, zu wenig diskutiertes Phänomen qualitativer Auswertungsmethoden. Unsere Re-Analyse verweist aber darüber hinaus noch auf eine zweite Ebene der Schließung. Die kognitive Situation der ForscherInnen in der Primärstudie und in unserer Re-Analyse unterschied sich grundsätzlich: In der Primärstudie ging es darum, einer großen Menge empirischer Informationen dadurch einen Sinn zu geben, dass Kausalmechanismen im untersuchten Feld identifiziert werden. Der Re-Analyse lagen diese Ergebnisse schon vor, und es wurde geprüft, in welchem Verhältnis eines der Ergebnisse zum empirischen Material stand. Den unterschiedlichen Strategien entsprachen unterschiedliche Auswertungsstrategien. Die entscheidende Differenz sehen wir darin, dass in unserer Re-Analyse der kritische Blick auf die Daten gewissermaßen institutionalisiert war. Da sie außerdem als Methodentest angelegt war, konnte sie nicht erfolglos bleiben, wie kritisch sie auch immer mit den Daten umging.6) Die Primäranalyse dagegen konnte scheitern, wenn kein Muster gefunden wird, das den Daten Sinn gibt. Der Vergleich der Studien legt eine generelle Schlussfolgerung nahe, die einer weiteren methodologischen Diskussion bedarf: Qualitative Primäranalysen unterliegen einem "Gestaltschließungszwang", weil sie – anders als hypothesentestende Forschung – durch eine stärkere Asymmetrie der möglichen Ergebnisse bestimmt werden. Bestätigung und Widerlegung einer Hypothese sind gleichermaßen wissenschaftlich wertvolle Ergebnisse, während der Misserfolg einer theoriegenerierenden qualitativen Studie – das angestrebte allgemeine Muster in den Daten nicht zu finden – deren Wert erheblich mindert. [63]

Aus dem "Gestaltschließungszwang" resultieren methodologische Unsauberkeiten analog zu der von HOPF beschriebenen "stillschweigenden Verkodung": die frühzeitige Herausbildung eines Erklärungsmusters, das dann die Aufmerksamkeit im weiteren Prozess der Auswertung lenkt. Ohne dass es den Auswertenden unbedingt bewusst sein muss, kann das Erklärungsmuster die Aufnahme ihm widersprechender Informationen erschweren und die Aufmerksamkeit auf unterstützende Informationen fokussieren (HOPF 1982, S.316).7) Wir halten es deshalb für erforderlich, bei der Auswertung qualitativer Daten und in der Publikation qualitativer Studien stärker und systematischer auf empirische Befunde einzugehen, die der jeweils vorgeschlagenen Interpretation widersprechen. Einen methodologischen Vorschlag dazu hat KELLE (1994, S.358-368) unterbreitet. In der Forschungspraxis scheint es aber häufig schwer genug zu sein, überhaupt eine Theorie zu konstruieren, wodurch die kritische Distanz zum Konstruktionsergebnis unterminiert wird. [64]

Unsere Re-Analyse weist also darauf hin, dass der methodisch kontrollierte Umgang mit dem "Gestaltschließungszwang" ein wichtiges forschungsstrategisches Problem theoriekonstruierender Forschung ist, dem bisher nicht genügend Beachtung zuteil wurde. Demgegenüber sind die Differenzen auf der methodischen Ebene von untergeordneter Bedeutung. Wir bevorzugen die – gegenüber MAYRINGs Vorschlägen erheblich modifizierte – qualitative Inhaltsanalyse, weil sie ein theorie- und regelgeleitetes Vorgehen stärker unterstützt als andere Auswertungsmethoden. Wir sind nicht der Ansicht, dass die unterschiedlichen Ergebnisse von Primärstudie und Sekundäranalyse durch die unterschiedlichen Auswertungsmethoden erzeugt wurden. Re-Analysen können aber auch zur methodologischen Beurteilung von qualitativen Auswertungsmethoden beitragen, wenn die Wege von den Daten zu den Interpretationen detailliert verglichen werden. Das konnten wir mit unserer Re-Analyse nicht tun, weil entscheidende Schritte zwischen Material und Ergebnis der Primärstudie nicht nachvollziehbar dokumentiert wurden. [65]

4.4 Hypothesen über methodologische Probleme von Sekundäranalysen

Aus den Erfahrungen mit unserer Re-Analyse lassen sich – wieder hypothetisch – einige Schlussfolgerungen über methodologische Probleme von Sekundäranalysen ziehen. Eine Re-Analyse ist insofern parasitär, als sie nicht nur das Material, sondern auch ihre Fragestellung der Primärstudie entnimmt und im Geltungsbereich ihrer Ergebnisse durch die Erhebung der Primärstudie limitiert wird. Der parasitäre Charakter der Re-Analyse impliziert gewissermaßen eine weitgehende Abhängigkeit vom Wirt. [66]

Sekundäranalysen können dagegen auch andere Fragen behandeln als die Primärstudie. Die Texte, die mit qualitativen Erhebungen erzeugt werden, erhalten ja einen beträchtlichen Informationsüberschuss, d.h. wesentlich mehr Informationen, als für die Primärstudie ausgewertet werden. Auch hier gibt es aber erhebliche Beschränkungen: Um eine Sekundäranalyse zu ermöglichen, muss der Informationsüberschuss ein anderes Untersuchungsfeld systematisch sowie in der nötigen Vollständigkeit und Tiefe abdecken. Da die Erhebung mit Leitfadeninterviews zielgerichtet erfolgt, ist es eher unwahrscheinlich, dass ein auf ein anderes Ziel bezogener konsistenter Informationsüberschuss erzeugt wird. Aus diesem Dilemma kommt man nur heraus, wenn man eine Sekundäranalyse von Material aus mehreren verschiedenen Primärstudien durchführt. Damit verschärfen sich aber auch die in der Einleitung genannten methodologischen Probleme: Man hat es dann mit den Konstruktionsergebnissen mehrerer unterschiedlicher Erhebungen zu tun, denen jeweils eigene Forschungsstrategien zugrunde lagen. [67]

Dass uns für unsere Re-Analyse nur ein Teil des empirischen Materials zur Verfügung stand, schränkt ihre Aussagekraft nicht ein. Das Ergebnis war ja, dass das empirische Material zu widersprüchlich und zu lückenhaft ist, um aus ihm einen konsistenten Kausalmechanismus abzuleiten, der das Verhalten betrieblicher AusbilderInnen erklärt. Zusätzliches empirisches Material macht das vorhandene nicht weniger lückenhaft oder widerspruchsvoll. Liest man die Übersicht über das empirische Material zu unserem Thema in der Primärstudie (MARIAK & KLUGE 1998, S.83-107), dann kann man den Eindruck gewinnen, dass gerade die Interviews, die wegen ihrer Nicht-Anonymisierbarkeit nicht weitergegeben werden konnten, unsere Untersuchungshypothese gestützt hätten. Hier tritt möglicherweise ein spezielles Problem qualitativer Sozialforschung auf, für das noch keine Lösung existiert: Es gibt Studien, bei denen gerade die Informationen, die das empirische Material wissenschaftlich interessant machen, die Identifizierung des Falles gestatten (GLÄSER 1999). Auf Probleme des Informationsverlustes durch Anonymisierung gehen wir im folgenden Abschnitt noch einmal ein. [68]

Kontextwissen, das die Interpretation der empirischen Daten beeinflusst haben könnte, existiert auf der Ebene der einzelnen Interviews und auf der Ebene des Forschungskontextes:

Diese Probleme machen Re-Analysen und Sekundäranalysen nicht fragwürdig oder unfruchtbar, sondern zwingen lediglich, genauer darüber nachzudenken, wie das empirische Material beschaffen sein muss, mit dem man eine bestimmte Forschungsfrage beantworten kann. Offensichtlich kann man aus empirischem Material immer Hypothesen ableiten, aber nur unter speziellen Bedingungen Theorien konstruieren. Theorien beanspruchen, alle Fälle in einem bestimmten Geltungsbereich kausal zu erklären. Unsere Re-Analyse hat deutlich gemacht, dass die Konstruktion einer Theorie eine Vollständigkeit von empirischen Fallbeschreibungen voraussetzt, die – aus Gründen, die keineswegs nur bei den ForscherInnen liegen! – nicht leicht zu erreichen ist. [70]

Aus unseren Erfahrungen mit der Re-Analyse möchten wir zwei zusätzliche Anwendungen von Sekundäranalysen – neben der Theoriekonstruktion – nachdrücklich empfehlen. Eine Sekundäranalyse von Leitfadeninterviews bietet sich erstens immer an, wenn man sich mit einem neuen Forschungsfeld vertraut machen will. Wenn wir zukünftig Probleme betrieblicher Ausbildung hätten untersuchen wollen, wäre unsere Re-Analyse ein idealer Einstieg gewesen. Zweitens halten wir Sekundäranalysen für ein unersetzliches Instrument methodologischer Forschung, gerade auch in der qualitativen Sozialforschung. Wir haben versucht deutlich zu machen, dass von der Fallauswahl und Erhebung über die Rolle von Vorannahmen und Interpretationen, den Vergleich von Auswertungsmethoden bis hin zur Art und Weise der Darstellung von Ergebnissen qualitativer Forschung ein breites Spektrum von methodologischen Problemen existiert, auf das Sekundäranalysen ein überraschendes Licht werfen können. [71]

4.5 Methodische Probleme der Archivierung von Leitfadeninterviews

Unsere Re-Analyse gestattet auch Schlussfolgerungen über die Möglichkeit und die Erfolgsbedingungen von Sekundäranalysen archivierter Leitfadeninterviews, auf die wir abschließend eingehen wollen. Sie betreffen Eigenschaften des uns vorliegenden Materials, die die Auswertung unmittelbar beeinflusst haben. [72]

Eine Sekundäranalyse muss ohne das Kontextwissen und die persönliche Erfahrung mit dem Interview auskommen und stellt deshalb höhere Anforderungen an die Daten als die Primärstudie. Methodisch ist entscheidend, dass die im Interview gestellten Fragen tatsächlich offene, neutrale Erzählanregungen sind. Bei unserer Re-Analyse machte sich immer wieder unangenehm bemerkbar, dass die Fragetechnik der Interviewer zu oft hinter dem Stand der Methodik zurückblieb, wie er zum Beispiel bei HOPF (1978), PATTON (1990, S.277-368) und SEIDMAN (1991) beschrieben wurde: Immer wieder trafen wir auf Suggestivfragen, dichotome Fragen, durch den Interviewer unterbrochene Antworten, "Leitfadenbürokratie" (HOPF 1978) oder unterlassene Nachfragen. Die dadurch entstehenden Informationslücken und -unschärfen können insbesondere Sekundäranalysen, die das Material mit einem neuen Untersuchungsziel auswerten sollen, in schwierige Situationen bringen. Andere Interviews zeigten, dass auch gute Fragen nichts helfen, wenn Interviewpartner sich verweigern, einsilbig oder ausweichend antworten. Nach unseren Erfahrungen scheint es uns deshalb wichtig, dass der Archivierung eine methodologische Beurteilung des Informationswertes der Interviews vorausgeht. [73]

In der Methodenliteratur findet sich die Empfehlung, Informationen über die geführten Interviews (Situationsbeschreibungen, Einschätzungen der Gesprächspartner, Informationen auf vor- und nachgelagerten Gesprächen) in einem Interviewbericht festzuhalten (WITZEL 1982, S.91-92, FROSCHAUER & LUEGER 1998, S.41-42). Dieser Interviewbericht muss bei zu archivierenden Interviews unbedingt angefertigt und mit archiviert werden, weil so wenigstens ein Teil des Kontextwissens für die Sekundäranalyse bewahrt wird. [74]

Ein nicht zu unterschätzendes technisches Problem ist die Qualität der Transkription. Die archivierten Interviews zeigen, dass auch die Transkription von Leitfadeninterviews gewisser Standards bedarf. Insbesondere die Kennzeichnung von Auslassungen und unverständlichen Passagen muss eindeutig sein. Wir schlagen vor, dass die Archive für qualitative Daten einen Standard für Transkriptionen von Leitfadeninterviews entwickeln, veröffentlichen und den weitergegebenen Transkripten beilegen. [75]

Interviews, in denen häufig unverständliche Passagen enthalten sind, sind für eine Sekundäranalyse nicht geeignet und sollten nicht archiviert werden. Den Sekundäranalysten fehlt einfach jegliche Vorstellung davon, was in den mit unverständlich gekennzeichneten Passagen gesagt worden sein könnte. In qualitativen Untersuchungen ist der Gesamtkontext des Interviews wichtig. Das spricht dagegen, Teile aus Leitfadeninterviews zu verwenden, in denen dieser Kontext große Lücken aufweist. [76]

Die Anonymisierung erwies sich für unsere Re-Analyse überwiegend als unproblematisch. Das Weglassen der Namen von Personen, Orten und Betrieben bedeutete keine Einschränkung. Die Anonymisierung beruflicher Positionen oder Funktionen hat unsere Re-Analyse ebenfalls nicht beeinträchtigt. Da es sich hier um Eigenschaften von Befragten handelt, die in anderen Re-Analysen eine Rolle spielen können, halten wir eine strukturierende Beschreibung für erforderlich, die etwa das mit der Position verbundene Sozialprestige oder die daran geknüpften Rechte und Pflichten charakterisiert. "C1 [Position in der Innung]" reicht möglicherweise für andere Untersuchungen nicht aus. [77]

Ein besonderes Problem stellte für uns die Anonymisierung der Zahlen dar, die in den uns übergebenen Interviews noch vorgenommen worden war. Das komplette Anonymisieren insbesondere kleiner Zahlen bringt nicht nur die beabsichtigte quantitative Unschärfe, sondern auch ein qualitatives Problem: Wenn ein Befragter "seit X Jahren" ausbildet und ständig für "X Auszubildende" verantwortlich ist, dann beziehen sich seine Erfahrungen auf 4 (2x2) bis 81 (9x9) Auszubildende. Das ist eine riesige Spanne, die für die Untersuchung wichtige unterschiedliche Qualitäten verbirgt. Dieses Problem hat das Bremer Archiv mittlerweile gelöst. [78]

Eine strukturierende Anonymisierung ist aufwendiger, dürfte aber den Zweck genauso gut erfüllen und steigert den Wert der Interviews. Generell hatten wir eher den Eindruck einer "Über-Anonymisierung", bei der mehr Daten weggelassen wurden als erforderlich. Wir halten es z.B. für nahezu unmöglich, Betriebe über die Zahl der Auszubildenden zu identifizieren, wenn eine hinreichend große Anzahl von Betrieben des Gewerbes in Bremen existiert. Wir halten es für sinnvoll, unterschiedliche Varianten der Anonymisierung qualitativer Daten mit "De-Anonymisierungs-Studien" zu testen. Ideal wäre eine auf die Sekundäranalyse zugeschnittene Anonymisierung, die die jeweils für die Sekundäranalyse notwendigen Daten unverändert lässt und die Anonymisierung anhand nicht benötigter Daten sicherstellt. Das erfordert aber einen hohen Aufwand vor jeder Sekundäranalyse und wird auch nicht immer durchführbar sein. [79]

Die mit der Archivierung verbundenen Veränderungen der Daten haben unsere Re-Analyse kaum beeinträchtigt. Wir haben mit den uns aus dem Archiv des SFB 186 zur Verfügung gestellten Interviews nicht nur unsere Lehrveranstaltung qualifizieren und den Studierenden ein sie sehr interessierendes Projekt anbieten können, sondern auch selbst sehr wichtige Erfahrungen gemacht. Eine Re-Analyse qualitativer Daten sensibilisiert auch für die eigene Arbeit. Wir bedanken uns bei Susann KLUGE und Diane OPITZ vom Bereich "Methoden und EDV" des SFB 186 und bei den KollegInnen, die die Primärstudie durchgeführt haben, für die interessante Erfahrung und für den Erkenntniszuwachs, den uns die Re-Analyse ermöglichte. [80]

Danksagung

Für kritische Hinweise und Fragen, die uns bei der Entwicklung unserer eigenen Position sehr geholfen haben, bedanken wir und bei Susann KLUGE, Renate MAYNTZ, Diane OPITZ und einem unbekannten Gutachter bzw. einer unbekannten Gutachterin.

Anhang

Anmerkungen

1) Diese Erkenntnis wird häufig als ontologische Position (bezüglich der Existenz oder Nichtexistenz einer subjektunabhängigen Realität) oder als epistemologische Position (bezüglich der Erkennbarkeit der Realität) missverstanden. Dass Sozialforschung ein Konstruktionsprozess ist, ist aber zunächst nur eine methodologische Prämisse, die mit unterschiedlichen ontologischen und epistemologischen Positionen vereinbar ist. Die häufig vorgenommene Entgegensetzung von Konstruktivismus und Realismus ist deshalb mindestens vorschnell; nur der radikale Konstruktivismus impliziert entsprechende epistemologische Annahmen. Wegen der vielfältigen unterschiedlichen Interpretationen von "Konstruktivismus" halten wir eine kurze Klärung unserer eigenen Position für angebracht. Wir legen hier einen "realistischen Konstruktivismus" oder "konstruktivistischen Realismus" zugrunde, wie er für die Sozialwissenschaften von MEINEFELD (1995) und für die Naturwissenschaften von PICKERING (1995) formuliert wurde: Wissenschaftliche Ergebnisse werden in der tätigen Auseinandersetzung mit einer subjektunabhängig existierenden Realität konstruiert. Da diese Realität systematisch in wissenschaftliche Konstruktionsprozesse interveniert, können wir etwas über sie erfahren. Als sozialer Konstruktionsprozess kann Forschung die Realität aber nicht "abbilden, wie sie wirklich ist". <zurück>

2) Dieses Herangehen lag auch der Re-Analyse zugrunde, die VOWE (1993, 1997) durchgeführt hat. <zurück>

3) Es war nicht unsere Re-Analyse allein, die diese "kritischen Punkte" aufgedeckt hat. Dieser Abschnitt entstand aufgrund der Kritik durch Diane OPITZ und Susann KLUGE und profitiert ganz wesentlich von ihren Fragen. <zurück>

4) Wenn das in der Primärstudie geschehen ist (das ist nicht eindeutig festzustellen), dann vermutlich durch die einfache Gleichbehandlung von hypothetischen Aussagen und Verhaltensbeschreibungen. Das halten wir allerdings für einen Fehler, der wahrscheinlich durch eine methodisch nicht kontrollierte Verschmelzung zweier Fragen (nach den Alltagstheorien und nach den Verhaltensmustern) entstanden ist. <zurück>

5) Allerdings schafft auch die Hinzunahme des hypothetischen Verhaltens die von uns gefundene Gegenevidenz nicht aus der Welt, und die Erklärungskraft der ursprünglichen Hypothese bleibt beschränkt. Dies gilt um so mehr, als auch das hypothetische Material die Hypothese nicht durchgängig stützt, sondern ebenfalls Gegen"evidenz" beiträgt. Wir nehmen deshalb an, dass die methodisch kontrollierte Einbeziehung von hypothetischen Aussagen zu einer dritten Interpretation führen würde. <zurück>

6) Das ist jedoch kein methodologischer Vorteil von Re-Analysen. Wenn eine Re-Analyse die Primärstudie lediglich bestätigt, ist sie relativ uninteressant. Deshalb schweben sie in der Gefahr einer Überbetonung der Dekonstruktion. <zurück>

7) Das implizite erste Erklärungsmuster spielt eine um so größere Rolle, je mehr Lücken es im empirischen Material gibt, je weniger Befunde also existieren, an denen das implizite erste Erklärungsmuster scheitern kann. Im Falle der lückenhaften und widersprüchlichen empirischen Basis der Primärstudie kann es einen erheblichen Einfluss gehabt haben. <zurück>

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Zum Autor und zur Autorin

Jochen GLÄSER: Dr. phil., Soziologe

Arbeitsgebiete: Wissenschaftssoziologie, Transformationsforschung, Organisationssoziologie, qualitative Methoden

Kontakt:

Jochen Gläser

Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, c/o AG Wissenschaftstransformation, Reichpietschufer 50, D - 10785 Berlin

E-Mail: jglaeser@medea.wz-berlin.de

 

Grit LAUDEL: Dr. soc., Soziologin

Arbeitsgebiete: Wissenschaftssoziologie, Transformationsforschung, Scientometrie, qualitative Methoden

Kontakt:

Grit Laudel

Europa-Universität Viadrina, Frankfurter Institut für Transformationsstudien, Postfach 776, D - 15207 Frankfurt (Oder)

E-Mail: laudel@euv-frankfurt-o.de

Zitation

Gläser, Jochen & Laudel, Grit (2001). Re-Analyse als Vergleich von Konstruktionsleistungen [80 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 1(3), Art. 25, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0003257.

Revised 7/2008

Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research (FQS)

ISSN 1438-5627

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