Volume 1, No. 3, Art. 40 – Dezember 2000
Editorial Note: Wozu Rezensionen? oder: warum Rezensionen eigenständige Beiträge sein sollten
Günter Mey
Zusammenfassung: In dem Beitrag werden zunächst die Potentiale, die mit Rezensionen verbunden sein können, skizziert. Dazu gehört zuvorderst, dass sich auch mittels Rezensionen – wenn diese über eine nachzeichnende Besprechung von Medieneinheiten hinausreichen – Diskurse eröffnen (lassen) und ihnen damit eine ähnliche Funktion zuzusprechen ist, die ansonsten Abhandlungen vorbehalten scheint. Dass Rezensionen diese Funktion in der Regel jedoch kaum erfüllen, ist zum Teil auf bestehende Restriktionen im Rahmen von Print-Veröffentlichungen zurückzuführen. Hinzu kommen Standards der Scientific Community, nach denen Rezensionen nicht selten als Beiträge minderer Qualität bewertet werden. Von diesen Überlegungen ausgehend wird deutlich gemacht, dass mit den besonderen Eigenschaften des Internet – insbesondere die Flexibilität hinsichtlich der Platzressourcen, Veröffentlichungszeiten und Darstellungsformen einerseits sowie die Möglichkeit eines direkten Austausches z.B. via Discussionboards andererseits – eine Aufwertung von Rezensionen möglich und sinnvoll scheint.
Keywords: Rezensionen, Rezensionsaufsatz, Dialog, wissenschaftlicher Austausch, Perspektivität, Online Publishing
Inhaltsverzeichnis
1. Vorbemerkung
2. Warum Rezensionen lesen? Warum Rezensionen schreiben?
3. Einige Gründe für den schwierigen Stand von Rezensionen
4. FQS-Rezensionen
4.1 Akzentuierungen und erste Erfahrungen
4.2 Erweiterungen, die zur Diskussion stehen
Seit dem Erscheinen der zweiten Ausgabe von FQS im Juni 2000 gehört die Rubrik FQS-Rezension zum festen Bestandteil der Zeitschrift. Anlässlich der ersten, in Band 2 veröffentlichten Rezensionen und Rezensionsaufsätze hatte ich eine kurze Editorial Note verfasst, dies aber eher im Sinne einer "Begrüßung". Das Erscheinen der neuesten Ausgabe möchte ich zum Anlass nehmen, etwas grundsätzlicher und ausführlicher einige mit der Rubrik verbundenen Potentiale, Probleme und Perspektiven darzulegen. [1]
2. Warum Rezensionen lesen? Warum Rezensionen schreiben?
Rezensionen mögen in erster Linie dazu dienen, auf neue Medieneinheiten (Bücher, CD-Roms etc.) aufmerksam zu machen und angesichts steigender Publikationszahlen auch im wissenschaftlichen Sektor Orientierung zu geben. In diesem Sinne beziehen Rezensionen unterschiedliche Personenkreise ein: Den Autor(inn)en bzw. Editor(inn)en einer Medieneinheit mag es vielleicht insbesondere darum gehen, dass ihr Werk in der Scientific Community publik gemacht wird; für den die Medieneinheit vertreibenden Verlag dürfte zuvorderst wichtig sein, dass sich diese (gegenüber anderen) am Markt durchsetzt (was deren Bekanntheit voraussetzt); und den Lesenden von Rezensionen mag insbesondere daran gelegen sein, über sie interessierende Neuerscheinungen informiert zu werden und eine (Kauf-, zumindest eine Lese-) Empfehlung zu erhalten. Als Book Review-Editor habe ich mit diesen drei Interessenkreisen zu tun, und ich bemühe mich, diese in angemessener Weise zu berücksichtigen. Zugleich möchte ich jedoch noch ein eigenes Interesse einbringen, das mir auch als Schreiber von Rezensionen wesentlich erscheint: dass Rezensionen so verfasst werden, dass sie zusätzliche Perspektiven fördern und möglicherweise sogar wissenschaftliche Diskurse neu eröffnen helfen. [2]
Mit dem zuletzt genannten Verständnis geht einher, dass Rezensionen möglichst über reine Inhaltswiedergaben hinausgehen sollten zugunsten einer in den jeweiligen Forschungskontext eingebetteten, konstruktiv-kritisch vorgetragenen Auseinandersetzung mit der jeweiligen Medieneinheit. Rezensionen und Rezensionsaufsätze sollten unter einer so pointierten Perspektive drei Funktionen erfüllen:
Inhaltsdarstellung: Den Lesenden sollten erste Anhaltspunkte über die in der Medieneinheit behandelten Inhalte und Themen geboten werden. Hierzu gehört auch, (explizite/implizite) Zielsetzungen, die mit der Medieneinheit verfolgt werden und die (enge oder weite) Zielgruppe von Lesenden, die angesprochen werden soll, zu verdeutlichen.
Bewertung: Ebenso sollte die Rezension eine kritische Würdigung der besprochenen Arbeit beinhalten, d.h. es sollte Lesenden, soweit möglich, deutlich gemacht werden, inwieweit die mit der Medieneinheit verfolgten Zielsetzungen erfüllt wurden. Die Rezension sollte zugleich – auch um eben diese kritische Würdigung tatsächlich entfalten zu können – eine
Kontextualisierung leisten, also eine Einführung in und Auseinandersetzung mit einem Forschungsgebiet bieten. Hierunter ist zu verstehen, dass bezogen auf das jeweilige Forschungsfeld die in der zu besprechenden Medieneinheit vollbrachten Leistungen gewürdigt und die noch zu erbringenden deutlich akzentuiert werden. Insofern gilt es, die Medieneinheit zum Anlass zu nehmen, nicht nur in ein Themengebiet/Forschungsfeld einzuführen, sondern auch Schwierigkeiten und Entwicklungsmöglichkeiten in diesem Feld aufzuzeigen/kritisch anzumahnen (wobei es hier insbesondere wichtig ist, die Differenz zwischen dem Besprochenen und der besprechenden Person im Text nachvollziehen können). Dies erfordert, zumindest ansatzweise den Stand der Forschung (in einem Bereich) entlang der jeweiligen Medieneinheit zu diskutieren (indem die Medieneinheit als "Repräsentant" des Forschungsfeldes aufzufassen wäre) – ein Anspruch, der wohl nach sich zieht, dass die Rezensent(inn)en in dem Themengebiet "beheimatet" sind und Positionierungen vornehmen können (und wollen). [3]
Rezensionen und Rezensionsaufsätze1) zu erhalten und zu veröffentlichen, die diese Ansprüche erfüllen, muss aus meiner Sicht langfristiges Ziel einer Zeitschrift wie FQS sein, die sich als (Informations- und Austausch-) Forum versteht. Leider haben Rezensionen nicht immer diesen Fokus, da sich kürzere Rezensionen (auch in FQS) auf eine mehr oder weniger zusammenfassende Inhaltswiedergabe beschränken, und Rezensionsaufsätze zwar darüber hinausgehen, zuweilen aber auch nur kursorisch eine Einbettung der Medieneinheit in das betreffende Forschungsfeld leisten. [4]
Seitdem ich als Mitherausgeber von FQS die spezielle Funktion als Book Review-Editor einnehme, beschäftigen mich – von den zuvor skizzierten Überlegungen ausgehend – zwei Fragen:
Warum berücksichtigen Rezensionen, aber auch Rezensionsaufsätze, eher selten die drei beschriebenen Funktionen angemessen?
Warum haben Rezensionen/Rezensionsaufsätze einen eher schweren Stand, denn auch in FQS zeigt sich, dass diese – verglichen mit anderen Beiträgen – seltener aufgerufen bzw. heruntergeladen werden. [5]
Beides steht nicht nur im Widerspruch zu den zuvor aufgezeigten Möglichkeiten, mit einer Rezension eine Diskussion anzuregen, sondern auch die eingangs erwähnten Hoffnungen und Erwartungen von Autor(inn)en bzw. Editor(inn)en und von Seiten der Verlage werden nur bedingt erfüllt, da die Medieneinheiten via Rezension weniger zur Kenntnis genommen werden als erwünscht. [6]
3. Einige Gründe für den schwierigen Stand von Rezensionen
Mir scheinen für die geringe Kenntnisnahme von Rezensionen zumindest drei – teilweise miteinander verknüpfte – Gründe besonders erwähnenswert:
Mit wenigen Ausnahmen2) führen Rezensionen in vielen Zeitschriften ein Schattendasein, es finden sich zumeist nur wenige und dann auch überwiegend nur sehr kurz gehaltene Besprechungen. Zum Teil liegt dies schon an den Restriktionen, die durch den Umfang von Zeitschriften auferlegt werden, und entsprechend werden sehr strikte (Zeichen- bzw. Wortanzahl-) Vorgaben seitens der Zeitschrift-Editor(inn)en ausgegeben. Dass auch in FQS einige Rezensionen eher knapp und nur den Inhalt wiedergebend verfasst werden, führe ich u.a. auch darauf zurück, dass viele Rezensent(inn)en bislang vornehmlich durch das Veröffentlichen in Printmedien sozialisiert sind (und verinnerlicht haben, dass bei zu ausführlichen Rezensionen die Gefahr besteht, daß diese keinen Eingang in die Zeitschrift finden bzw. nur dann, wenn aufgrund der jeweiligen Heftzusammenstellung der Umfang dies zulässt: mehrmals habe ich selbst erlebt, daß gerade Rezensionen immer wieder von Ausgabe zu Ausgabe verschoben werden, zuweilen verging weit mehr als ein Jahr zwischen Fertigstellung und Druck der Rezension).
Vielleicht auch vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen hat sich scheinbar durchgesetzt, von einer Rezension eine über das reine Abhandeln eines Bandes geführte Diskussion in der Regel gar nicht zu erwarten. Möglicherweise werden solche Rezensionen, die als Aufsätze und Abhandlungen verfasst sind, auch nur (noch) in den wenigen (etablierten und auf Rezensionen spezialisierten) Organen wie etwa "Contemporary Psychology" vermutet. In deren fünfseitigen "Guidelines" für Rezensent(inn)en heißt es dann auch: "Do not abstract the book. Talk about it and in doing it so indicate the range and nature of its content." (S.1)3)
Schließlich möchte ich noch eine dritte, gravierende Schwierigkeit erwähnen, nämlich daß das Schreiben von Rezensionen – verglichen mit anderen publikatorischen Aktivitäten – innerhalb der Scientific Community wenig anerkannt ist. Dies wurde mir zum einen deutlich an dem empörten Kommentar einer Kollegin, jemand habe bei seiner Bewerbung in seiner Veröffentlichungsliste sogar "gewagt", Buchbesprechungen aufzuführen. Zum anderen bleiben Rezensionen in der Regel bei Evaluationen, die für die Zuweisung von Haushaltsmitteln eingesetzt werden, unberücksichtigt: So sind in einer gerade laufenden "Erfassung von Leistungsdaten in Forschung und Lehre" an der Technischen Universität Berlin Rezensionen nicht eigens aufgeführt. Ein Mitglied der mit der Evaluation beauftragten Kommission merkte auf meine Nachfrage hierzu an, dass zwar die Frage, ob Rezensionen als "Leistung(sdaten)" anzusehen seien, strittig diskutiert worden sei, die Kommission sei schließlich allerdings zu dem Ergebnis gekommen, Rezensionen nicht als solche anzuerkennen (und damit auch nicht mit Leistungspunkten zu "belohnen"), weil sich die Autor(inn)en innerhalb einer Rezensionen "nur" mit der Arbeit anderer beschäftigten. Mein Gesprächspartner fügte hinzu, ein(e) Wissenschaftler(in) möge doch eigene Werke schreiben, statt über die anderer zu "berichten". In solchen Haltungen wird überhaupt nicht in Erwägung gezogen, daß Rezensionen auch anders als eben in Form knapper Inhaltswiedergaben verfasst werden und damit einen eigenen Stellenwert haben könnten, wie dies für Contemporary Psychology in Anspruch genommen wird: "CP reviews are not infrequently cited as sources of ideas." (a.a.O., S.2) [7]
Vor diesem Hintergrund mag es nicht verwundern, dass hier ein Kreislauf eröffnet ist, der dazu führt, daß es verglichen mit anderen wissenschaftlichen Leistungen nicht nur nicht lohnenswert erscheint, Rezensionen in dem eingangs angemahnten Sinne zu verfassen, sondern dass das Schreiben von Rezensionen beinahe abträglich erscheint, weil in der gleichen Zeit ein eigener (bepunkteter) Beitrag geschrieben werden kann (zumal auch in Berufungskommissionen nicht selten die Gepflogenheit herrscht, die von den Bewerber[inne]n in den Publikationslisten aufgeführten Rezensionen zu streichen, sozusagen eine "milde" [Umgangs-] Form, die schroffere Variante hierzu ist, das Aufzählen von Rezensionen argumentativ gegen die Bewerbenden zu wenden). [8]
4.1 Akzentuierungen und erste Erfahrungen
Bei der Einrichtung der Rubrik FQS-Rezensionen war es von Beginn an ein wesentliches Anliegen, den Stellenwert von Rezensionen zu erhöhen. Dies erscheint im Rahmen einer Online-Zeitschrift aus mehrerlei Gründen möglich (und vielleicht leichter umsetzbar als in traditionellen Zeitschriften), allesamt Gründe, die schon mit der Konzeption von FQS als einem Online-Journal einher gehen:
Flexible Platzressourcen: Entgegen dem genau kalkulierten Platz in Print-Zeitschriften ist es im Falle von Online-Veröffentlichungen möglich, jeden Beitrag (also auch Rezensionen) so zu gestalten, wie es – aus Sicht der schreibenden Autor(inn)en und bezogen auf die jeweils behandelten inhaltlichen Gegenstände – notwendig und sinnvoll erscheint. Zwar gibt es auch für Online-Beiträge Angaben zum Umfang, diese sind aber eher als Richtgrößen zu verstehen. Hier zeigt sich, daß viele Autor(inn)en – wohl auch aus ihrer teilweisen Unerfahrenheit mit dem Veröffentlichen von Online-Beiträgen heraus – immer wieder auf die von uns als Orientierungsmaß vorgegebenen Angaben rekurrieren und sich etwa entschuldigen, dass sie diese nicht haben ganz einhalten können.
Flexible Darstellungsmöglichkeiten: Zu den Besonderheiten von Online-Medien gehört – obschon noch weitgehend ungenutzt – in den Veröffentlichungspraxen auch für die Abfassung von Rezensionen die speziellen Darstellungsmöglichkeiten zu verwenden. So könnte eine Rezension (auch der Übersichtlichkeit wegen) zwar auf einer ersten Textebene kurz gehalten werden, optional könnten den Lesenden dann aber zusätzliche Tiefeninformation (durch Hyperlinks auf weitere Textebenen) zur Verfügung gestellt werden, d.h. die Lesenden können selbst entscheiden, wann sie mehr Information einsehen möchten. In diesem Sinne wäre denkbar, dass spezifische Zusatzinformationen zu einzelnen Kapiteln einer Monographie oder zu einzelnen Beiträgen in einen Herausgeber[innen]band separat vorgestellt werden, die im eigentlichen Haupttext nur kursorisch gestreift werden.
Flexible Veröffentlichungszeiten: Ganz anders als das in Print-Medien übliche (und teilweise notgedrungen erforderliche) Verschieben von Beiträgen können eingegangene Rezensionen unmittelbar, nachdem sie begutachtet, gegebenenfalls überarbeitet und medial aufbereitet sind, veröffentlicht werden. So haben wir etwa im September zwei Rezensionen und einen Rezensionsaufsatz vorab veröffentlicht, die dem nun erschienenen 3. Band zugeordnet sind. Wir werden diese Veröffentlichungspraxis auch in Zukunft weiter betreiben, weil damit nicht nur gewährleistet ist, dass die Besprechungen eine gewisse Aktualität behalten, sondern auch um Rezensionen aus dem sonstigen Angebot von FQS herauszuheben und die Aufmerksamkeit der Lesenden auf diese Form wissenschaftlichen Publizierens und Diskutierens zu lenken. Aus dem gleichen Grund ist es auch denkbar, daß zukünftig Sonderausgaben mit Rezensionen zu unterschiedlichen Themenbereichen in dem Feld qualitativer Sozialforschung zwischen den eigentlichen FQS-Schwerpunkt-Ausgaben veröffentlicht werden.
Direkter Austausch: Anders als im Falle von Print-Medien erlaubt eine Online-Zeitschrift aufgrund der technischen Möglichkeiten die unmittelbare Interaktion zwischen dem/der Autor(in) einer Rezension, dem/der Autor(in) / Herausgeber(in) des rezensierten Bandes und den Lesenden. So können über das Discussionboard etwa der/die Autor(in) / Editor(in) einige Aspekte aus der Rezension aufgreifend Erwiderungen schreiben oder Anmerkungen und Ergänzungen vornehmen; Lesende können spezifische Nachfragen stellen oder - sofern ihnen die Medieneinheit bekannt ist - auch zusätzliche Perspektiven einbringen. Aber auch hier zeigt sich, dass das mit dem Discussionboard verbundene Potential des Austausches bisher noch selten genutzt wird. Auch hier werden in Zukunft weitere Angebote von uns zu entwickeln sein: dazu gehört etwa, Chats mit dem/der Autor(in) / Editor(in) der Medieneinheit, mit verschiedenen Rezensent(inn)en und mit interessierten Lesenden abzuhalten. [9]
Über diese mit dem Online-Publishing eröffneten Spielräume hinaus sei zuletzt noch auf eine weitere Entwicklungsmöglichkeit für die Rubrik Rezensionen verwiesen. [10]
4.2 Erweiterungen, die zur Diskussion stehen
Neben den zuvor genannten Potentialen, die vor allem den besonderen Eigenschaften des Internet geschuldet sind und die helfen können, die Gestaltung von Rezensionen zu verändern und diese damit auch inhaltlich aufzuwerten, sind zusätzliche Varianten denkbar. Hier sehe ich im Moment drei Perspektiven: (a) die Mehrfachbesprechung einer Medieneinheit, (b) die Besprechung von "Klassikern" und anderen "älteren" (weniger "bekannten") Medieneinheiten, sowie (c) kommentierte Reprints von bereits veröffentlichten Rezensionen. Diese drei Vorschläge möchte ich kurz erläutern, um zu veranschaulichen, wie Rezensionen – verstanden als am Beispiel einer Medieneinheit in ein Forschungsfeld kritisch einführende Abhandlungen – im Sinne von Stellungnahmen oder Positionierungen Diskurse eröffnen können. [11]
Mehrfachbesprechungen sind z.B. möglich, indem wir Rezensionen zu bestimmten Medieneinheiten aus mit uns kooperierenden Print-Zeitschriften in FQS aufnehmen. Durch die Veröffentlichung verschiedener Rezensionen zu jeweils einer Medieneinheit hoffen wir deutlich zu machen, dass auch und gerade Rezensionen eine eigene Lesart darstellen, d.h. Stellungnahmen beinhalten, die von einem (je individuellen, disziplinären oder schulischen) Standpunkt aus geschrieben werden. Ziel eines solches Vorgehens ist es – wie die Ko-Kommentierung via Discussionboard –, die mit einer Medieneinheit verbundene Rezeptions- und Darstellungsbreite zu erhalten. [12]
Die Überlegung, nicht nur Rezensionen zu aktuellen Medieneinheiten zu veröffentlichen, sondern nach und nach auch Rezensionen einzubeziehen, die zeitlich (mitunter weit) zurückliegende Medieneinheiten betreffen, zielt in die gleiche Richtung, nämlich deutlich werden zu lassen, dass jede Medieneinheit/jedes Buch eine eigene Rezeptionsgeschichte hat/haben kann. Aus diesem Grunde halten wir zwei Vorgehensweisen für denkbar: Neben der Neubesprechung sogenannter Klassiker (und solcher Medieneinheiten, die zu Klassikern avancieren könnten, allerdings bislang wenig Beachtung gefunden haben), könnten auch (lang) zurückliegende Rezensionsveröffentlichungen als Reprint Eingang finden, versehen mit einer Kommentierung durch den/die Rezensierende(n) aus heutiger Perspektive. Mit beiden Formen der "Neubetrachtung" könnte vermittelt und zur Debatte gestellt werden, wie und auch warum (ehemals positiv oder negativ vorgetragene) Einschätzungen im Fortgang der (Wissenschafts-) Geschichte sich relativieren bzw. sich sogar ins Gegenteil verkehren können. [13]
Viele der in dieser Editorial Note angerissenen Bemühungen, mit denen wir zu einer Aufwertung von Rezensionen beitragen wollen, um deren Potential für wissenschaftliche Diskurse zu nutzen, werden Zeit benötigen, mehr aber noch die Unterstützung aller an FQS beteiligen Personen(kreise), d.h. von den Autor(inn)en/Herausgeber(inne)n von Medieneinheiten, den Rezensent(inn)en und den Lesenden. Ohne deren aktive Teilhabe werden die mit einer Online-Zeitschrift verbundenen Potentiale nicht ausgeschöpft werden können, was letztlich bedeutet, sich auf die elektronische Variante eines Offline-Mediums zu beschränken. [14]
In diesem Sinne hoffe ich, dass wir mit den in diesem Band veröffentlichen Rezensionen und Rezensionsaufsätzen eine Auswahl getroffen haben, mit der wir Ihr Interesse wecken und einen ersten Schritt in die hier skizzierte Richtung gehen können. [15]
1) Wobei Rezensionsaufsätze stärker als Kurzrezensionen auf die Bewertungs- und Kontextualisierungsfunktion hin ausgerichtet sind. <zurück>
2) Zu den Ausnahmen zählen im deutschsprachigen Raum etwa die Zeitschrift "Handlung Kultur Interpretation", in der Rezensionsaufsätze als kritischer Dialog zwischen den Disziplinen verstanden und eingefordert werden; im angelsächsischen Raum z.B. "Culture & Psychology". <zurück>
3) Diese Guidelines sind nicht öffentlich zugänglich; sie werden Reviewer(inne)n als Anleitung für deren Arbeit zugeschickt. <zurück>
Mey, Günter (2000). Editorial Note: Wozu Rezensionen? oder: Warum Rezensionen eigenständige Beiträge sein sollten [15 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum Qualitative Social Research, 1(3), Art. 40, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0003400.
Revised 7/2008