Volume 1, No. 3, Art. 48 – Dezember 2000
Rezension:
Susanne Friese
Doris Mosbach (1999). Bildermenschen – Menschenbilder. Exotische Menschen als Zeichen in der neueren deutschen Printwerbung. Berlin: Verlag A. Spitz, 353 Seiten, 229 Abbildungen, DM 84.00 / sFr 76.50 / öS 613.00, ISBN 3-87061-800-0
Inhaltsverzeichnis
Das Fazit, das Doris MOSBACH, die Autorin" von "Bildermenschen – Menschenbilder" nach Abschluss ihrer Analyse von exotischen Menschen in der Printwerbung zieht, ist, das Werbung dazu beitragen kann ethnische (negative) Stereotype neu zu definieren und positiv zu besetzen. Dies wird zum einen dadurch bewirkt, dass Werbung Stereotype rhetorisch aufbricht, indem sie – um Aufmerksamkeit zu erregen – Werbegestalten gezielt entgegen gängiger Erwartungen inszeniert. Zum anderen ist der Werbung immanent, Visionen besserer, schönerer Welten zu entwerfen, denn es sollen ja letztendlich Produkte verkauft werden. Zu diesem Zweck werden schöne Menschen, im betrachteten Zusammenhang von exotischer Herkunft, in harmonischer Eintracht und vor atemberaubender Kulisse inszeniert und führen zu affirmativen Assoziationen. Ein weiterer Nebeneffekt der Werbung ist die Aufhebung der Verknüpfung von Ethnien und traditionellen Stereotypen, indem Werberollen nicht konsistent, sondern je nach gewünschtem Effekt, oftmals quer durch alle Ethnien besetzt werden. Dies wird verstärkt durch eine Verschränkung von Auto- und Heterostereotypen, da Zielgruppenvorgaben oder andere Auftraggeberwünsche und externe Gegebenheiten mit ins Kalkül gezogen werden müssen. Dies führt ceterus paribus dazu, so die Autorin, dass die Merkmalsgrenzen unterschiedlicher ethnischer Gruppierungen aufweichen und neu bewertet werden. Auf der gesellschaftlichen Ebene erreicht die Werbung somit, dass alle Menschen, egal welcher Herkunft, als gleich erscheinen und ultimativ als das, was wir alle sind, nämlich Konsumenten. [1]
Von einem konsumkritischen Standpunkt aus betrachtet, liefert dieses Fazit Zündstoff für eine reichhaltige Diskussion, die weit über die vorliegende Arbeit hinausgehen würde. Spinnt man den obigen Gedanken etwas weiter, so würde dies bedeuten, eine tiefe Verneigung vor dem Kapitalismus zu machen und die Verbreitung der Konsumgesellschaft noch schneller voranzutreiben, da dies zur Völkerverständigung beiträgt und letztendlich den schon lange geträumten Traum, dass alle Menschen gleich sind, Wahrheit werden lässt. Dies ist meiner Meinung nach eine etwas zu simplistische Betrachtungsweise, die kritische Diskussionen über negative Auswirkungen des Konsums und von Werbebotschaften, über die "Overconsumption" Problematik u.a. mit Bezug auf das ökologische Gleichgewicht übergeht. [2]
Dies waren jedoch nicht die Themen, mit denen sich MOSBACH in ihrem Buch auseinander gesetzt hat. Von daher kann man die Wahl ihrer Schlussfolgerungen bestenfalls als nicht trefflich bezeichnen. MOSBACH ging es vielmehr um das Herausarbeiten von geltend gemachten, zum Teil historisch fundierten Heterostereotypen für Nicht-Europäer in der deutschen Printwerbung. Methodisch sind ihre Ausführungen in der deskriptiven Semiotik verankert, und somit sind auch die Ergebnisse der Arbeit von deskriptiver Natur. MOSBACH beginnt ihr Buch mit einführenden Erläuterungen zu den wesentlichen Konzepten, die sie verwendet: der Mensch als Zeichen und der Mensch in der Werbung, insbesondere der exotische, fremde Mensch. Des weiteren grenzt sie das Thema mit Bezug auf Art, Standort und Zeitpunkt der Werbung aus verständlichen Gründen ab. Ihre Untersuchung beschränkt sich auf die Wirtschaftswerbung und die Werbemittel Anzeige, Plakat und Prospekt, und Deutschland als Publikationsort in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts. Die Diskussion über die Abgrenzung des Themas wird auch zum Anlass genommen, das Untersuchungsmaterial und die Methode zu beschreiben. Wie weiter unten (siehe Abschnitt 6) noch erläutert wird, war es sicherlich keine gute Wahl, letzteres schon an dieser Stelle zu erörtern. [3]
Im Anschluss an das einführende Kapitel werden dem Leser die Grundbegriffe der Semiotik im Kontext der Printwerbung erläutert. Dabei bezieht sich die Autorin weitestgehend auf die Modelle von MORRIS, PRIETO und POSNER. Diskutiert wird auch der Text- und Bildbegriff und deren Funktion, mit Bezug auf die im Buch untersuchten Werbemittel. Kapitel drei befasst sich ausschließlich mit dem Begriff der Exotik in seiner relationalen und historisch-eurozentrischen Bedeutung. In diesem Zusammenhang werden Ergebnisse aus der sozialwissenschaftlichen Stereotypenforschung und der komparatistischen Imagologie sowie aus der exotischen Kartographie herangezogen. Für den Zweck der vorliegenden Untersuchung wird das Exotische "als das Nicht-Europäische aufgefasst, d.h. es wird zwar wie im Exotismus auf das Europa räumlich Ferne, die anderen Kontinente, bezogen, aber jeglicher ethnozentrischer Wertung enthalten" (MOSBACH 1999, S.174). [4]
Die eigentliche Analyse des erhobenen Datenmaterials, oder vielmehr das deskriptive Herausarbeiten von Heterostereotypen, ist das Thema des vierten und letzten Kapitels. Untersuchte Einheiten des Werbematerials sind u.a. der exotische Mensch als Zeichenträger, exotische Kulissen und ethnische Darstellungsstereotype. Im Bezugsrahmen "Mensch als Zeichenträger" werden Komponenten wie Erotik, Kindchenschema, Rollen, ethnische und emotionale Funktionen und der Einflussfaktor Farbe untersucht. Im Unterabschnitt "ethnische Darstellungsstereotype" wird eine Bandbreite von neun verschiedenen Inszenierungs- und Bildstereotypen, angefangen von Nordafrikanisch-vorderasiatischstämmigen Menschen über Chinesen und Japaner bis hin zu multiethnischen Gruppen diskutiert. Zusammenfassend werden die Ergebnisse anhand ihrer unterschiedlichen Verweisfunktion und ihrer Funktion im Werbeprozess typisiert. [5]
Ausgehend von dem eigentlichen Zweck der Untersuchung, eine deskriptive Darstellung von Heterostereotypen herauszuarbeiten, verfehlt das Buch nicht den gesetzten Anspruch, obwohl es unterhaltsamer hätte gestaltet werden können. Als Leser fragt man sich dennoch, warum man knapp 200 Seiten theoretischer Ausführung über sich ergehen lassen muss, wenn dies im eigentlichen Hauptteil des Buches nicht wieder aufgegriffen wird. Die verschiedenen Ebenen der Zeichenprozesse und ihre Anwendung auf die Bildauswertung werden im zweiten Kapitel ausführlich erläutert. Es bleibt jedoch unklar, ob dies auch bei der Analyse des empirischen Materials zum Tragen gekommen ist. Methodische Aspekte werden auf knapp zwei Seiten im ersten Kapitel umrissen, welches die Erwartung weckt, dass weitere Ausführungen zur Methodik vor der eigentlichen Besprechung der Resultate erfolgen werden. Da dies jedoch nicht der Fall ist, bleibt zum einen offen, wie die Autorin zu ihren Ergebnissen gekommen ist (dies ist jedoch eine Unterlassungssünde vieler qualitativer Auswertungen), und zum anderen fehlt ein Bezugsrahmen, um die Aussagen entsprechend einordnen zu können. Eine Beschreibung des untersuchten Datenmaterials wie zum Beispiel Angaben über die Anzahl der gefundenen Anzeigen in bestimmten Kategorien, ihre Verteilung auf Produkte, ethnische Gruppen usw. wäre wünschenswert gewesen. Annahmen über die Kategorisierung und Klassifizierung, welche die Autorin vorgenommen hat, können lediglich aus dem Aufbau der verschiedenen Unterabschnitte abgeleitet werden. Dies meine ich nicht als ein Plädoyer für eine Quantifizierung der eigentlichen Analyse, sondern es ist eine Erfordernis, um dem Leser ein Gefühl für das untersuchte Material und einen Maßstab zur Evaluierung mit an die Hand zu geben. Aussagen wie die folgenden verlieren ansonsten ihren Bezugsrahmen und werfen mehr Fragen auf, als sie beantworten:
Einen hohen Anteil haben in unserem Material Rolleninszenierungen im Dienstleistungsbereich ... (S.195)
Wesentlich frequenter und ethnisch festgelegter werden Rollenzuweisungen im Unterhaltungsbereich vorgenommen ... (S.199)
Zu vernachlässigen sind auch Rolleninszenierungen exotischer Menschen im politischen Bereich ... (S.200)
In unserem Belegmaterial finden sich überaus viele Darstellungen exotischer Kinder ... (S.201) [6]
Ein über die deskriptive Perspektive hinausgehende Analyse, auch mit Bezug auf den Umfang des Datenmaterials und der daraus resultierenden großen Anzahl an beschriebenen Heterostereotypen, hätte überdies dazu beigetragen, die Ergebnisse für den Leser greifbarer zu machen. Um mit den Ergebnissen, z.B. für den Zweck einer fortführenden Untersuchung oder aus rein praktischen Beweggründen im Marketingkontext, arbeiten zu können, müssten eventuell Interessierte selbst eine Art Kartographie der Resultate zusammenstellen. Eine Verdichtung der aufbereiteten Information wäre also begrüßenswert gewesen und hätte zu einer größeren Klarheit der Gesamtanalyse beitragen. [7]
Insgesamt betrachtet leistet das Buch sicherlich einen Beitrag für einen akademisch interessierten Personenkreis, der ebenfalls mit der Methode der deskriptiven Semantik im Bereich der Werbung und Bildanalyse arbeitet. Für den in die Thematik allgemein interessierten Leser verspricht der Titel mehr, als im Buch realisiert wird. Lesestoff für ein gemütliches Wochenende ist es definitiv nicht. [8]
Dr. Susanne FRIESE
Assistant Professor
Forschungsschwerpunkte: Konsum, Umwelt und Kultur, qualitative Methodik und Softwareanwendung
Kontakt:
Dr. Susanne Friese
Institut für Marketing, Copenhagen Business School
Solbjerg Plads 3, DK - 2000 Frederiksberg, Dänemark
E-Mail: sf.marktg@cbs.dk
Friese, Susanne (2000). Rezension zu: Doris Mosbach (1999). Bildermenschen - Menschenbilder: Exotische Menschen als Zeichen in der neueren deutschen Printwerbung [8 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 1(3), Art. 48, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0003486.
Revised 2/2007