Volume 1, No. 1, Art. 24 – Januar 2000
Die Vertreibung des inneren Dämon: Zur Motivation therapeutischer Arbeit mit politisch verfolgten und traumatisierten Menschen und deren Kindern
Barbara Bräutigam
Zusammenfassung: In diesem Artikel wird die Wichtigkeit und zentrale Bedeutung der Reflexion eigener motivationaler Anteile im therapeutischen Umgang mit politisch verfolgten Menschen und deren Kindern thematisiert. Die Autorin verdeutlicht dies an Aussagen von im Rahmen einer größeren Studie interviewten Therapeut(inn)en und am Beispiel der Involviertheit der eigenen Person in diesen Forschungsprozeß.
Keywords: sekundäre Traumatisierung, kindliche Traumatisierung, Motivation, Selbstreflexion, politische Verfolgung
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
2. Methodische Umsetzung
3. Zur Veranlassung, in diesem Bereich zu arbeiten
3.1 Die Forscherin
3.2 Die Therapeut(inn)en
4. Zur Unumgänglichkeit der Reflexion
Der vorliegende Beitrag ist im Rahmen meines Dissertationsvorhabens entstanden, das sich mit dem therapeutischen Umgang mit Kindern politisch verfolgter Menschen beschäftigt. Es geht dabei um die Untersuchung von therapeutischen Vorstellungen und Therapiekonzepten, die auf die Behandlung der Auswirkungen politischer Repression auf Familien und insbesondere auf deren Kinder abzielen. Diese Kinder sind potentiell gefährdet, unter einer sekundären Form der Traumatisierung zu leiden und zwar insbesondere in den Fällen, in denen die Eltern traumatische Erfahrungen durch Gefangenschaft, Folter, Flucht etc. gemacht haben, dadurch stark absorbiert und in ihrer Elternfunktion wesentlich eingeschränkt sind (vgl. ALMQVIST & FORSBERG 1997, BAR-ON 1995, BECKER & LIRA 1991, BRINTON & LYKES 1992, MONAHON 1997).1) [1]
Ich beschäftige mich im folgenden mit einem Aspekt, der im Laufe dieser Forschungsarbeit immer wieder virulent wurde: Die Auseinandersetzung mit der eigenen Motivation, in diesem Bereich zu arbeiten und mit den Scham- und Schuldgefühlen, mit Ohnmachtsempfindungen und Wut, die der therapeutische und forscherische Umgang mit Traumatisierungen hervorbringt (PEARLMAN 1995). Dies genauer zu betrachten, scheint mir schon deswegen wichtig, da in der Literatur zur beratenden und therapeutischen Arbeit mit Folterüberlebenden und bereits in der überwiegend psychoanalytisch-orientierten Arbeit mit Holocaust-Überlebenden immer wieder von heftigen Gegenübertragungsreaktionen auf Seiten der Therapeut(inn)en berichtet wird (vgl. BUTOLLO 1997, DANIELI 1984, GRUBRICH-SIMITIS 1979, LANSEN 1996). [2]
Mein Ziel war es, mittels verschiedener Einzeluntersuchungen einen Beitrag zu einem theoretisch noch wenig beleuchteten therapeutischen Arbeitsfeld zu leisten. Im Rahmen einer hypothesengenerierenden Studie habe ich mich hierzu dem Thema empirisch auf dreierlei Wegen zu nähern versucht:
Offene Leitfadeninterviews mit Expert(inn)en, darunter zwei Gruppengespräche: Wie beurteilen in diesem Bereich arbeitende Therapeut(inn)en die Lebenssituation und psychische Verfassung dieser Kinder, welche therapeutischen Notwendigkeiten und Möglichkeiten werden im Umgang mit dieser Klientel gesehen und welche konkreten Angebote existieren auf diesem Gebiet. Insgesamt habe ich 23 Interviews geführt, jeweils die Hälfte in Deutschland und in Chile in sehr heterogenen therapeutischen Einrichtungen.
Ein fünfmonatiger Forschungsaufenthalt beim lateinamerikanischen "Institut für Menschenrechte und psychische Gesundheit" (ILAS) in Santiago de Chile, wo ich als teilnehmende Beobachterin fungierte und Quellenstudien betrieb. Zum empirischen Material gehören hier neben den bereits erwähnten Expert(inn)eninterviews meine verschrifteten Feldnotizen.
Die Sammlung von dokumentiertem Fallmaterial: Hierzu zählen die Aufzeichnungen über drei Kindertherapien einer chilenischen Therapeutin. [3]
Bei der Auswertung der deutschen und chilenischen Expert(inn)engespräche ging es um die Herausarbeitung eines breiten Spektrums von Konzepten zum therapeutischen Umgang mit Kindern politisch verfolgter Menschen (vgl. MEUSER & NAGEL 1991, WÄLTE 1990). Bei der Be- und Verarbeitung der Feldnotizen stand die Reflexion der eigenen Haltung als Forscherin im Vordergrund. Die Auswertung des Fallmaterials, auf die ich hier nicht weiter eingehen werde, erfolgte unter einem deskriptiven und unter einem interpretativen Aspekt: Wie sieht die Therapeutin die Situation des Kindes und welches Behandlungsziel verfolgt sie mit welchen Mitteln einerseits und wie stellt sich mir aus einer Metaperspektive die Haltung der Therapeutin zu dem Kind bzw. zu dessen relevanten Bezugspersonen dar andererseits. [4]
3. Zur Veranlassung, in diesem Bereich zu arbeiten
Ich habe angefangen, in diesem Bereich zu arbeiten, ein bißchen auch, um meinen inneren Dämon auszutreiben, mit diesem sehr
primitiven, geradezu magischen Gedanken, also, daß wenn ich in diesem Bereich arbeite, das Risiko nicht ganz so hoch ist,
weil ich auch ein paar ein wenig heikle Situationen erlebt habe, nicht vergleichbar mit unseren Patienten, aber mein Mann
bei seiner Arbeit, ich in der Universität, es gab Durchsuchungen, Bedrohung, Gewalt ...
(Kommentar einer chilenischen Therapeutin)
Es scheint eine nicht immer deutlich formulierte Vorannahme zu sein, daß man sich noch viel weniger als in anderen therapeutischen Bereichen nicht einfach nur "zum Spaß" mit politisch verfolgten Menschen und deren Kindern beschäftigt, sondern daß es dafür weitergehende und tiefgreifende persönliche Gründe gibt. Beinahe alle Therapeut(inn)en, mit denen ich in Kontakt getreten bin, haben mich im Laufe des Gespräches gefragt, auf welche Weise ich eigentlich mit meiner Thematik in Berührung gekommen sei und mit welcher Motivation ich mich damit beschäftigte:
... ich will nur wissen, vielleicht ist irgendetwas passiert in Ihrem Leben oder in Ihrem Bereich, das Sie dazu gebracht hat, das zu machen ... Mich wundert das, daß Sie Ihren Bereich verlassen, auf andere Kulturen, Kulturunterschiede, ich weiß nicht, ob Sie sich da nicht etwas Schwereres nehmen, wo Sie doch schon was Leichtes haben, mit den Kindern, mit denen Sie schon gearbeitet haben, aber Themen suchen, die noch nicht so bearbeitet sind, aber das ist natürlich Ihre Entscheidung ... [5]
Für eine offene, qualitative Herangehensweise ist die Reflexion der eigenen Involviertheit als Forscher(in) substantiell (vgl. GYSLING 1996, KOEPPING 1984, MUCKEL 1996). Dies gilt noch mehr für wissenschaftliche Arbeiten, die sich mit Traumen und deren psychischen Auswirkungen beschäftigen: aufkommende Ängste, Aggressionen und Arbeitsstörungen müssen individuell und/oder in einem Forschungsteam (vgl. MRUCK & MEY 1996) bewältigt werden, auch kann deren Erleben und Bearbeiten einen wesentlichen Zugang für ein Verständnis des in Frage stehenden Forschungsgegenstandes eröffnen. Hier spielt die These von DEVEREUX (1973), daß das entscheidende Datum jeglicher Wissenschaft die Gegenübertragung sei und daß verhaltenswissenschaftliche Daten Ängste erregen, eine bedeutsame Rolle. [6]
Was hat mich selbst neben dem historischen Bezugspunkt, in der dritten Generation eines Landes zu leben, das politische Verfolgung exzessiv betrieben hat (vgl. HARDTMANN 1997, WELZER 1997), dazu veranlaßt, mich dem Thema therapeutischer Umgang mit Kindern politisch verfolgter Menschen zuzuwenden? Ich möchte mich hier exemplarisch der Frage nähern, warum ich nach Chile gegangen bin. Diese Frage läßt sich zunächst rational und nachvollziehbar beantworten: Ich ging davon aus, daß die Expert(inn)engespräche in Chile vor einem anderen Wissens- und Erfahrungshintergrund als in Deutschland geführt werden würden. Im Gegensatz zu deutschen Einrichtungen verfügen das lateinamerikanische Institut für Menschenrechte und psychische Gesundheit (ILAS) und andere in diesem Bereich tätige therapeutische Institutionen in Chile über langjährige Erfahrungen in der therapeutischen Arbeit mit politisch verfolgten Menschen und deren Angehörigen und sind auch mit der Behandlung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen der zweiten und dritten Generation vertraut. Zudem erschien es mir sinnvoll, außerhalb meines eigenen kulturellen Kontextes zu forschen, um mir auf diese Weise die Einnahme einer ethnologischen Perspektive, die mir in der therapeutischen Arbeit mit Flüchtlingen in Deutschland unumgänglich scheint, zu erleichtern. Diese Herangehensweise setzt eine Reflexion der eigenen kulturellen Haltung voraus, d.h. die Bereitschaft bestimmte gewohnte Denkmuster in Frage zu stellen und sich darüber zu informieren und zu interessieren, welche anderen Vorgehensweisen in anderen Kulturen noch möglich sind (vgl. z.B. FRESSER-KUBY & CRANACH 1999). [7]
Daneben birgt die Antwort auf die Frage, warum ich nach Chile gegangen bin, aber auch Sehnsucht und Fernweh. Die Reise nach Chile war lange geplant und mit dem Wunsch verknüpft, dieses Land, was ich vor Jahren schon einmal besucht hatte, näher kennenzulernen. Aufmerksam auf den Aspekt der Sehnsucht wurde ich, als ich nach meiner Rückkehr in meiner Dissertationsarbeitsgruppe von meinem Aufenthalt erzählte und mir meine Kolleginnen sagten, daß es den Eindruck mache, als hätte ich in Chile etwas gesucht, aber nicht gefunden. Ich konnte mir dies zunächst nicht erklären, aber mittlerweile gehe ich davon aus, daß ich unbewußt in Chile so etwas wie "die Lösung" oder auch den "Heilungsansatz" für die mehrgenerationalen psychischen Folgen, die aus Repression und politischer Verfolgung hervorgehen, gesucht und es zeitweise den chilenischen Therapeuten sowie auch der chilenischen Gesellschaft übelgenommen habe, daß erstere ihn nicht hatten und letztere ihn z.T. richtiggehend verweigerte. Ich bin mit der hohen Erwartung und mit der überwertigen idealen Vorstellung nach Chile gegangen, dort die mit dem Thema des Traumas verknüpften Hilflosigkeits- und Ohnmachtsgefühle abzulegen, um einen lösungsorientierten, vielversprechenden Ansatz in der therapeutischen Arbeit mit Kindern politisch verfolgter Menschen zu entwickeln. Chile stellte für mich Mythos und Projektionsfläche dar und die Aussicht auf Bewältigung der gerade zu Beginn der Arbeit auftretenden Verzweiflung angesichts des Ausmaßes an heftigen Verletzungen und den verhältnismäßig geringen Heilungschancen. Diese gleichzeitig visionäre und unrealistische Haltung hatte den Vorteil, daß ich die nötige Energie aufbrachte, die zunächst nur flüchtige Idee in die Realität und in ein Promotionsvorhaben umzusetzen und den Nachteil, daß der Forschungsaufenthalt bei ILAS mich z.T. schmerzhaft ernüchterte, ich mich zeitweise desillusioniert und gelähmt fühlte. "In der Fremde" und in der Zeit der intensiven Auseinandersetzung mit den Auswirkungen traumatischer Ereignisse tauchten zuvor unbekannte psychosomatische Beschwerden auf und altbekannte Ängste lebten bei der Beschäftigung mit den traumatischen Erlebnissen anderer Menschen bei mir wieder auf. Zunächst zeigten die Symptome in einer bewußtseinsferneren psychosomatischen Form, ohne daß ich einen Zugang zu ihnen bekam; in einer späteren Phase drückten sie sich in spürbareren und merklich quälenderen Ängsten aus, die aber auch – da bewußtseinsnäher und faßbarer – schneller abklangen. Jetzt, einige Monate nach meiner Rückkehr, erscheint mir meine Zeit in Chile stark davon geprägt zu versuchen, die Auseinandersetzung mit traumatischen Erfahrungen von dem Gefühl des Handlungs- und Kontrollverlustes zu entkoppeln, gefolgt von der Erkenntnis, daß dieses eine der wesentlichsten Erfahrungen und Überzeugungen ist, die mir nahezu alle Therapeut(inn)en mitgeteilt haben und die ich selber im Forschungsprozeß erlebt habe. [8]
Die Auseinandersetzung mit der eigenen Motivation bildet nach Aussagen der meisten Therapeut(inn)en in der Arbeit mit dieser speziellen Klientel einen besonderen Schwerpunkt, der auch dazu dient, sich immer wieder neu positionieren und eigene, entweder sehr emotionale oder sehr distanzierte Reaktionen besser verstehen zu können. Eine deutsche Therapeutin drückt dies so aus:
... ich denke es ist gut, wenn man die eigene Motivation klarhat, aus welchen Quellen sich der Wunsch speist, genau mit Flüchtlingen zu arbeiten und da ist es auch bei uns in der Einrichtung so, daß [es] einerseits ... Kolleginnen und Kollegen hier gibt, die so zwischen, selber so zwischen die Grenzen geraten sind, ... also fast alle haben so'ne Erfahrungen gemacht zwischen den Kulturen auch zu sein und deshalb vielleicht auch das Bedürfnis, denjenigen Unterstützung zu geben, die hier als Flüchtlinge aufgenommen worden sind, die sich mit den Widrigkeiten einer Exilsituation auseinandersetzen müssen, zunächst hier fremd sind und auch auf viel Unverständnis stoßen und ich glaub das ist was, was alle auch in ihrer Geschichte so erlebt haben. Und es gibt natürlich auch die Geschichte von denen, die jetzt von der nur deutschen Seite kommen und die aber, für die so der familiäre Hintergrund natürlich ne Rolle spielt was hier den Faschismus angeht und daß da sehr viele, sehr viel Motivation aus dem Bereich kommt und das ist natürlich gut das zu klären, wie die Motivation so ist und so die eigene Familiengeschichte zu klären, warum man mit dieser Personengruppe arbeiten möchte. [9]
Wie an dieser Interviewpassage erkennbar, waren es bei den in Deutschland lebenden ausländischen Therapeut(inn)en oftmals eigene Flüchtlingserfahrungen, bei vielen deutschen Therapeut(inn)en spielte die Auseinandersetzung mit der eigenen Familiengeschichte bzw. die Involviertheit der Eltern und Großeltern in den deutschen Faschismus eine besondere Rolle. In einem Gruppeninterview wurde diese Verknüpfung der eigenen Vergangenheit – zwei der Teilnehmerinnen waren Kinder zur Zeit des Nationalsozialismus – mit der Tatsache, daß therapeutisch mit Flüchtlingsfamilien zu arbeiten, an einer sehr erregten und emotional aufgeladenen Passage deutlich. Im Vordergrund standen Schuldgefühle, einem ehemals Kriegs- und Exilierung verursachenden Volk anzugehören, was zu einer ausgesprochen starken Solidarisierung und möglicherweise auch zum Distanzverlust gegenüber den Flüchtlingsklient(inn)en führte. Gleichzeitig wurde im Falle des anderen Gesprächsteilnehmers die Erinnerung an das eigene Flüchtlingsschicksal geweckt, die mit Demütigung und Beschämung einherging. Beides, die Schuldgefühle wie auch das Gefühl der Beschämung, riefen Wut und Empörung gegenüber einer oftmals ignoranten Haltung in der deutschen Gesellschaft gegenüber Flüchtlingen hervor. [10]
Bei den chilenischen Therapeut(inn)en stand meist die eigene Betroffenheit und das Bedürfnis im Vordergrund, zu Zeiten der Diktatur dem System selbst und in einer postdiktatorialen Epoche dem Vergessen von Unrecht etwas entgegenzusetzen. Ein Therapeut, der erst nach der Diktatur in einer der therapeutischen Menschenrechtsorganisationen zu arbeiten begonnen hatte, schilderte, daß ihm in Gesprächen mit Fachkolleg(innen)en über die Auswirkungen von Diktatur, Folter und Exil erst nach und nach klar geworden sei, daß er als 'Ausländer' davon auch betroffen gewesen sei; er begann sich intensiv unter dem Aspekt mit seiner eigenen Geschichte auseinanderzusetzen und danach in diesem Bereich zu arbeiten.
Ich arbeite in diesem Bereich seit fünf, sechs Jahren, vorher hab ich lange Zeit in einer (psychiatrischen) Klinik gearbeitet ... Als die Arbeit mit gefolterten Menschen und deren Angehörigen anfing, dachte ich niemals daran in diesem Bereich zu arbeiten ... Vor vielen Jahren traf sich eine Gruppe von Psychiatern um über das Problem der Folter zu sprechen, und in dem Moment als ich über die Folgen für die Kinder sprach, wurde mir klar, daß ich selbst ein Kind von Emigranten bin, mein Vater ging ins Exil, meine Familie ist bolivianisch, mein Vater mußte ins Exil, als ich drei Jahre alt war, seit meinem dritten Lebensjahr bin ich in Chile, ich blieb hier, heiratete und lebe hier und bin nicht nach Bolivien zurückgegangen, also ich gehöre auch zu einer (zweiten) Generation, wie die verletzten Kindern hier. Und ich hatte nie gedacht, daß das etwas wäre was zu mir gehört, ich dachte, das ist anderen Menschen passiert, die nach Europa gegangen sind, deren Kinder sind dort geblieben und sie sind zurückgekommen und an dem Punkt fing ich an über meine Geschichte nachzudenken, was passiert ist und ich begann meine Analyse, also dachte ich viel darüber nach und danach schien es mir wichtig davon ausgehend zu arbeiten und in diesem Moment wurde eine Stelle bei ILAS frei ... [11]
4. Zur Unumgänglichkeit der Reflexion
Aus den obigen Ausführungen resultiert m.E., daß im therapeutischen Bereich eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit der eigenen Motivation sowie die Reflexion über die wiederkehrende Konfrontation mit der in dieser Arbeit zwangsläufig immer auftauchenden Hilflosigkeit eine wesentliche Voraussetzung darstellen, die in der Arbeit mit Klient(inn)en so notwendigen eigenen Grenzen aufrechtzuerhalten und zwischen eigenen und den wahrgenommenen Gefühlen des Klienten/der Klientin differenzieren zu können. Auch im Forschungsbereich erscheint es mir höchst sinnvoll, die z.T. quälenden Fragen hinsichtlich der eigenen Motivation offenzulegen, mit anderen Forscher(inne)n zu diskutieren und herauszuarbeiten, inwieweit sich diese Fragen unmittelbar aus der Thematik ergeben und insofern geteilt sind und nicht nur eine persönliche, sondern für viele in diesem Feld Arbeitende Relevanz besitzen. Die Differenz zwischen beiden Handlungsfeldern besteht sicherlich darin, daß in der therapeutischen Arbeit eine unmittelbarere Konfrontation mit dem Elend besteht, dafür aber der/die Therapeut(in) ihm auch aus einer aktiveren Position entgegentreten kann, während der/die Forscher(in) leichter die Distanz wahren kann, aber auch vollends in einer passiven Beobachterrolle bleiben muß. [12]
1) Primäre und sekundäre Traumatisierung unterscheiden sich dadurch, ob die Kinder selbst oder in erster Linie ihre Angehörigen von traumatisierenden Erfahrungen betroffen sind (vgl. SAYLOR 1993). Indirekte Traumatisierung kann in der Beobachtung oder durch Erzählungen über die Zufügung von Gewalt an nahestehenden Personen entstehen (vgl. SAIGH 1990). BUTOLLO (1997) benennt drei Formen indirekter Traumatisierung: Die Kinder können (als sog. "bystander") Gewalt gegen andere, darunter auch Familienangehörige, beobachtet haben, sie können ihre Angehörigen verloren haben oder sie leben mit traumatisierten Angehörigen. <zurück>
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Barbara BRÄUTIGAM, Dipl. psych, psychologische Psychotherapeutin, in Ausbildung zur Familientherapeutin, zweieinhalbjährige Tätigkeit als Stationspsychologin in einer kinder- und jugendpsychiatrischen und psychotherapeutischen Station, Dissertationsvorhaben im Bereich Erziehungswissenschaften an der FU Berlin
Kontakt:
Barbara Bräutigam
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Bräutigam, Barbara (2000). Die Vertreibung des inneren Dämon: Zur Motivation therapeutischer Arbeit mit politisch verfolgten und traumatisierten Menschen und deren Kindern [12 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 1(1), Art. 24, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0001243.