Volume 7, No. 3, Art. 25 – Mai 2006
"Och Mutter, was ist aus dir geworden?!" Eine Grounded-Theory-Studie über die Neupositionierung in der Beziehung zwischen alternden Eltern und ihren erwachsenen, sich kümmernden Kindern
Barbara Dieris
Zusammenfassung: Wenn die selbstständige Lebensführung älter werdender Menschen fraglich wird, sind es häufig die erwachsenen Töchter und Söhne, die sich verstärkt um ihre Eltern kümmern. Die Übernahme neuer Aufgaben und Rollen führt zu Veränderungen in der Eltern-Kind-Beziehung. Es kommt jedoch nicht zu einer vollständigen Rollenumkehr, bestimmte "alte" Beziehungs- und Rollencharakteristika bestehen weiter. Die vorliegende Untersuchung rekonstruiert aus der Perspektive sich kümmernder erwachsener Töchter und Söhne diesen Beziehungswandel, in dem es sowohl Veränderungen und Krisen als auch Kontinuitäten geben kann. Das methodische Vorgehen ist orientiert an der Methodologie der Grounded Theory. Entwickelt wurde ein theoretisches Modell der filialen Neupositionierung. Ich beschreibe verschiedene im Rahmen des "Kümmerprozesses" auftretende Veränderungen von Handlungs- und Beziehungsebenen sowie Umgehensweisen und Strategien von Eltern und Kindern. Beziehungs- und Gesundheitscharakteristika bestimmen den Neupositionierungsprozess und die konkreten Umgehensweisen der Beteiligten mit.
Keywords: Alter, Pflegebeziehung, Eltern-Kind-Beziehung, Beziehungswandel, filiale Neupositionierung, Grounded Theory
Inhaltsverzeichnis
1. Der theoretische Kontext der Forschungsfrage: Präkonzepte
2. Methodisches Vorgehen
3. Kurzbeschreibungen der InterviewpartnerInnen
4. Darstellung des Neupositionierungsmodells: Das Kategoriensystem
4.1 Ebenen der Veränderung
4.2 Umgehensweisen der Eltern
4.3 Umgehensweisen der Kinder
4.4 Rahmenbedingungen
5. Darstellung des Neupositionierungsmodells: Zwei Fallgeschichten
5.1 Frau Silberling
5.2 Frau Roth
6. Diskussion und Ausblick
1. Der theoretische Kontext der Forschungsfrage: Präkonzepte
Die Beziehung zwischen Eltern und Kindern verändert sich über den gemeinsamen Lebenslauf beispielsweise in Abhängigkeit von alterstypischen Entwicklungsaufgaben (CUSINATO 1994; NOACK & BUHL 2004). Einerseits stellt dabei das Älterwerden, insbesondere das Erwachsenwerden der Kinder die Eltern-Kind-Beziehung vor sich wandelnde Anforderungen. Andererseits gilt dies auch für das Älterwerden der Eltern. Für diesen zweiten Aspekt des Beziehungswandels zwischen alternden Eltern und erwachsenen Kindern habe ich mich im Rahmen meiner Diplomarbeit im Fach Psychologie interessiert. In einer explorativ-qualitativen Untersuchung habe ich Interviews mit sich um ihre Eltern kümmernden Kindern durchgeführt, analysiert und eine datenbegründeten Modellentwurf entwickelt. Dieses Gesamtmodell mit der zentralen Kategorie der "filialen Neupositionierung" und seine Entstehung, die durch ein Zusammenspiel methodischer und persönlicher Entscheidungen und Weichenstellungen geprägt ist, möchte ich in diesem Beitrag vorstellen. [1]
Während meiner Auseinandersetzung mit dem Thema habe ich eine Fülle an Literatur gelesen zur Alter(n)sforschung, zu Familienentwicklungstheorien, zur Eltern-Kind-Beziehung im Erwachsenenalter und bin auf ganz unterschiedliche thematische und methodische Herangehensweisen und Perspektiven gestoßen. Mit meinem Forschungsinteresse im Hinterkopf haben manche Befunde und Perspektiven mehr, manche weniger "Resonanzen" bei mir ausgelöst und in mir ein bestimmtes Bild entstehen lassen, was für die Beziehung zwischen sich kümmernden, erwachsenen Kindern und ihren "kümmerbedürftigen" Eltern bedeutsam sein könnte. Dieses Bild ist zunächst ein persönliches. Da es in einem wissenschaftlichen Kontext entstanden ist und in einem wissenschaftlichen Forum dargestellt werden soll, ist das Ziel meiner Einleitung, dieses Bild, das heißt die theoretischen Präkonzepte, mit denen ich an die Untersuchungsplanung herangegangen bin, darzustellen und zusammenzufassen. [2]
Die einschlägige Literatur aus dem Bereich der familialen Generationenforschung und der Alter(n)sforschung beschäftigt sich mit Fragen und Korrelaten von Generationensolidarität, von Generationenkonflikten, von Generationenambivalenz (GIARRUSSO, SILVERSTEIN, GANS & BENGTSON 2005; KRAPPMANN & LEPENIES 1997; LANG & SCHÜTZE 2002; LÜSCHER & LIEGLE 2003; MOTEL-KLINGEBIEL, TESCH-RÖMER & KONDRATOWITZ 2003). Umfangreiche Untersuchungen finden sich auch zu Lebenssituationen und -bedingungen älterer Menschen (MAYER & BALTES 1996; KARL 2003), dem Wandel sozialer Netzwerke im Alter (LANG 2000), und zu den Belastungen pflegender Angehöriger (ZANK, SCHACKE & LEIPOLD im Druck). Die Betrachtungs- und Herangehensperspektiven dieser Arbeiten, deren vorrangiges Ziel es ist, (häufig quantifizierbare) Zusammenhänge und Bedingungen mit Ebenen des Makrosystems (z.B. zwischen familialen Beziehungen und professionellen Unterstützungssystemen oder zwischen familialen Beziehungen und gesellschaftspolitischen Gegebenheiten) aufzuzeigen (siehe auch HAREVEN 1996; KOHLI & SZYDLIK 2000), unterschieden sich von der Fokussierung, die ich in meiner Arbeit vornehmen wollte, und die sich der Frage des Wandels der Eltern-Kind-Beziehung "im Alter" aus einer Perspektive des Mikrosystems nähert. Dabei stellte ich die Dyade (bzw. Triade) erwachsenes Kind – Elternteil (bzw. Eltern) in den Vordergrund, deren mich interessierende Charakteristika sich wie folgt skizzieren lassen. [3]
Wird die selbstständige Lebensführung älterer Menschen fraglich, sind es häufig deren erwachsene Kinder, die sich verantwortlich oder verpflichtet fühlen, sich zu kümmern. "Kümmern" kann in diesem Zusammenhang ganz Unterschiedliches bedeuten und wird von mir in einem breiteren Verständnis als der geläufigere Begriff des "Pflegens" verwendet. So kann Kümmern heißen, dass ein Sohn "unauffällig" von Zeit zu Zeit bei seiner noch selbstständig wohnenden Mutter nach dem Rechten sieht, dass eine Tochter regelmäßig ihren im Altenheim wohnenden Vater besucht und mit ihm spazieren geht, oder dass eine Tochter die demenzkranke Mutter bei sich zu Hause pflegt. Bei diesen unterschiedlichen "Kümmeraufgaben" handelt es sich um Rollen, die sich eher als "Eltern-Rollen" denn als "Kinder-Rollen" beschreiben lassen: Es geht um Fürsorge, Verantwortung, unter Umständen auch um Erziehungsbemühungen und um Abhängigkeiten und Beziehungs-Dominanzen (HUMMERT & MORGAN 2001; PECCHIONI, WRIGHT & NUSSBAUM 2005). Aus diesem Grund werden die Veränderungen der Eltern-Kind-Beziehung im Alter häufig mit dem Begriff der Rollenumkehr beschrieben (z.B. CUSINATO 1994). Dabei wird jedoch ausgeblendet, dass die Eltern für die Kinder immer auch die Eltern bleiben (vgl. etwa den Buchtitel "Wenn Eltern Kinder werden und doch die Eltern bleiben", KLESSMANN 2004, sowie BRODY 1990). Die Beziehungsgestaltung, Rollen- und Aufgabenerwartungen bleiben ambivalent (LÜSCHER & LIEGLE 2003; SPANGLER 2002). Der Verlust der Eltern in ihrer bisherigen elterlich-unterstützenden Funktion führt für die Kinder unter Umständen zu einer filialen Krise (BLENKNER 1967), die die erwachsenen Töchter und Söhne dazu zwingt, eine neue Rolle gegenüber ihren Eltern zu finden und im Idealfall eine gewisse filiale Reife zu entwickeln (BRUDER 1988). Diese Veränderungs- und Entwicklungsaspekte auf Seiten der Kinder vollziehen sich nicht unabhängig vom Verhalten, vom Umgang, vom Verständnis der Eltern bezüglich ihres Alterns und bezüglich ihrer Kinder. Dem Konzept der filialen Reife lässt sich ein Konzept der elterlichen oder parentalen Reife gegenüberstellen (NYDEGGER 1991), wobei Eltern unter Umständen ihre bisherige Autorität nur schwer aufgeben wollen oder können (HUMMERT & MORGAN 2001, LISS & LÜBBERT 1993). Verschiedenen Veränderungs- bzw. Krisenkonzepten zur Beschreibung der Eltern-Kind-Beziehung im Alter (z.B. BLENKNER 1967; KNIPSCHEER 1986) stehen Vorstellungen von Kontinuität gegenüber (z.B. GEISTER 2004; SPANGLER 2002). So stellt GEISTER (2004) in Frage, ob es überhaupt zu einem Beziehungswandel zwischen Eltern und sich kümmernden Kindern komme. Sie betont, dass selbst wenn Töchter zu Pflegenden ihrer Mütter werden, weiterhin alte Beziehungsmuster und Strategien zur Anwendung kommen und charakteristisch für die Beziehung zwischen erwachsener, pflegender Tochter und pflegebedürftiger Mutter sind. Die mutmaßliche Gleichzeitigkeit von Kontinuität und Krise bzw. Veränderung macht den Begriff des Beziehungswandels plausibel. [4]
Das im Folgenden beschriebene Modell rekonstruiert diesen Beziehungswandel aus Sicht der sich kümmernden erwachsenen Kinder, Sichtweisen der Eltern werden nicht beschrieben. Folgende Leitfragen lassen sich formulieren: Inwieweit wandelt sich die Beziehung zu den Eltern, wenn deren selbstständige Lebens-führung fraglich wird? Wie verändern sich bisherige Rollen und Aufgaben? Was sind neue Verantwortlichkeiten der Kinder? Welche Umgehensweisen und -strategien gibt es? Inwiefern spielen Kontinuitäten eine Rolle? [5]
Dieser Untersuchung liegt ein Vorgehen nach der Grounded Theory Methodologie zu Grunde (STRAUSS & CORBIN 1996; BREUER 1996). Mein Datenmaterial besteht vor allem aus narrativ ausgerichteten Interviews, die ich mit sechs sich um ihre Eltern kümmernden Kindern geführt habe.1) Zudem habe ich während des gesamten Forschungsprozesses in einem Forschungstagebuch thematisch-persönliche Anregungen, Ideen, Gedankensplitter und Reflektionen festgehalten, die in unterschiedlichen Kontexten angestoßen wurden, beispielsweise durch Gespräche jenseits der eigentlichen Forschungsinterviews, das Ansehen von Filmen und Dokumentationen, das Lesen von Romanen, Gedichten und Zeitungsartikeln. [6]
Bei meinen Interviewpartnerinnen und -partnern handelt es sich um vier Töchter und zwei Söhne, die mir alle durch Bekannte und Familienmitglieder vermittelt wurden. Bezüglich der Fallauswahl bin ich also aus Gründen der Zugänglichkeit (vgl. MERKENS 2003) und des pragmatischen Kontextes meiner Arbeit nicht im Sinne des Theoretical Samplings (STRAUSS & CORBIN 1996) vorgegangen. Einige meiner Interviewpartnerinnen und -partner kannte ich schon vor unserem Interviewtermin, über die "Kümmergeschichte" wusste ich in der Regel kaum etwas. Notwendiges Kriterium für die Auswahl war, dass es sich um Töchter bzw. Söhne handelte, die sich um mindestens ein Elternteil entweder zum Zeitpunkt des Interviews oder zuvor (zum Beispiel bis zum Tod der Mutter) kümmerten. Die Auswahl der Interviewpartnerinnen und -partner wurde in der Regel nicht durch bestimmte thematisch-inhaltliche Festlegungen und Einschränkungen getroffen. So ergaben sich die Besonderheiten der einzelnen Fälle, der einzelnen "Kümmerkonstellationen" und –"Kümmergeschichten", eher im Nachhinein durch kontrastive Vergleiche. Allerdings habe ich, nachdem ich bereits Gespräche mit vier Töchtern geführt hatte, explizit nach Söhnen für die weiteren Interviews gesucht. Die befragten Töchter und Söhne sind zwischen Mitte 50 und Mitte 60 Jahre alt, alle haben Geschwister, und in allen Gesprächen stand das Kümmern um die Mutter im Vordergrund. Der Vater war in allen Fällen vor der Mutter verstorben. Heterogener sind das konkrete "Kümmerarrangement", Gesundheitscharakteristika der Mütter und die zeitliche Perspektive, aus der die Töchter und Söhne auf ihr Kümmern um die alten Eltern blicken. Unter Abschnitt 3 finden sich kurze Einzelbeschreibungen der Interviewpartnerinnen und -partner, die über die hier skizzierten Charakteristika hinaus einen konkreteren Eindruck des Samples geben sollen. [7]
Alle Interviews wurden auf Tonband-Kassette aufgenommen und vollständig transkribiert. Die Transkripte habe ich offen, axial und selektiv kodiert (STRAUSS & CORBIN 1996), teilweise auch mit Unterstützung eines Diplomanden- und Doktorandenkolloquiums. Das in den Abschnitten 4 und 5 vorgestellte Modell – die Kernkategorie der "Neupositionierung" sowie die verschiedenen Subkategorien – beruht auf der Auswertung der Interviewtranskripte. Ein Auswertungsprozess im Sinne der Grounded Theory ist geprägt durch ein Hin- und Herwechseln zwischen Phänomen- bzw. konkreter Datenebene und Konstrukt- bzw. Modellebene, zwischen induktiven und deduktiven Denk-Versuchen, zwischen offenen, axialen und selektiven Kodierungen. Eine vollständige, textliche, nachvollziehbare Abbildung der Modellentstehung in ihrer Chronologie scheint mir weder möglich noch notwendig. Um dennoch eine Güteprüfung und -bewertung, was Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Gegenstands-/Datenangemessenheit angeht zu ermöglichen, werde ich das entwickelte Modell auf zwei Arten vorstellen: Zunächst skizziere ich es auf einer von den Interviewdaten und -indikatoren abstrahierten Konzeptebene. Danach beschreibe ich beispielhaft zwei konkrete Fallgeschichten – die meiner Interviewpartnerinnen Frau Silberling und Frau Roth – aus "Sicht" des Modells, das heißt mit Hilfe des kategorialen Vokabulars. [8]
3. Kurzbeschreibungen der InterviewpartnerInnen
Frau Baumeister2)
Zum Zeitpunkt des Interviews lebt Frau Baumeisters Mutter trotz ihrer Demenz noch alleine in Frau Baumeisters Elternhaus. Dieses befindet sich im gleichen Wohnort, in dem auch Frau Baumeister, ihr Mann und ihr Sohn leben. Auch die Schwester von Frau Baumeister lebt mit ihrer Familie im gleichen Ort. Der Vater ist schon vor vielen Jahren verstorben. Die ältere Schwester wird von Frau Baumeister als "Mutterkind" beschrieben, während sie sich selber eher als "Vaterkind" wahrnimmt. Dies führt sie vor allem auf die intensiven Kriegserfahrungen zurück, die ihre Mutter und ihre Schwester teilen. Frau Baumeister erlebt ihre Mutter als sehr dominant, auch in der jetzigen Situation sei sie sehr fordernd, was die Unterstützung und Verfügbarkeit ihrer Töchter angeht. Frau Baumeister und ihre Schwester kümmern sich gemeinsam um die Mutter. Sie gehen dort täglich gemeinsam hin. Es gibt eine relativ klare Aufgabenteilung: Frau Baumeister ist für den Haushalt und für Bank- und Postangelegenheiten zuständig, während die Schwester die Körperpflege der Mutter übernommen hat. Das Waschen der Mutter, das Frau Baumeister übernimmt, wenn die Schwester beispielsweise in Urlaub ist, kostete sie Überwindung. Frau Baumeister ist froh, nicht alleine zur Mutter gehen zu müssen, da die Vergesslichkeit der Mutter sie manchmal zum "Ausrasten" (das heißt Lautwerden) bringe und die Schwestern sich dann gegenseitig auf den "Boden zurückholen", das heißt sich daran erinnern, dass die Mutter sich aufgrund ihrer Krankheit so verhält. [9]
Herr Lohmann
Herr Lohmanns Mutter ist zum Zeitpunkt des Interviews bereits seit mehreren Jahren verstorben. Sie wird von ihm als eine sehr lebenslustige Frau beschrieben. Herr Lohmann ist mit der Geburt seines zweiten Kindes in dasselbe Wohnhaus gezogen, in dem auch seine Eltern lebten. Der Vater starb einige Jahre vor der Mutter. Herr Lohmann hat noch zwei ältere Brüder. Mit über 80 Jahren war die Mutter noch sehr "selbstständig" und "unternehmenslustig". Die Krebsdiagnose und die Prognose des Arztes, dass sie nicht mehr lange zu leben habe, waren für Herrn Lohmann niederschmetternd, das Sterben seiner Mutter war für ihn nicht vorgesehen. Herr Lohmann pflegte seine Mutter in dem Jahr bis zu ihrem Tod in ihrer Wohnung, unterstützt von seinem jugendlichen Sohn. Er beschreibt die Übernahme der Pflegeaufgabe als eine intuitive Entscheidung, ohne Nachdenken, die möglich war, weil seine Familie ihn dabei unterstützte. Während dieser intensiven Pflegezeit empfand er die Nähe zu seiner Mutter als "beruhigend". Es gab auch ganz neue intensive Erlebnisse in der Beziehung der beiden, beispielsweise nachts gemeinsam Fernsehen zu gucken und zu erzählen. Belastend waren für Herrn Lohmann Situationen, in denen er gegen den Willen seiner Mutter etwas entscheiden musste. Diese Erlebnisse gehen ihm zum Zeitpunkt des Interviews noch nach. [10]
Frau Roth
Zum Zeitpunkt unseres Interviews ist die Beziehung zwischen Frau Roth und ihrer Mutter geprägt von vielfältigen Veränderungen des familiären Beziehungssystems: sowohl zwischen den einzelnen Geschwistern – Frau Roth hat einen Bruder und zwei Schwestern – als auch zu der Mutter. Frau Roth beschreibt, dass sie aus ihrer heutigen Sicht schon als Kind dafür "ausgesucht" war, sich zu kümmern: um die jüngeren Geschwister, aber auch um die Mutter. Nachdem sie als junge Erwachsene einige Zeit den Kontakt zu den Eltern ganz abgebrochen hatte, wird sie später immer angerufen, wenn die Eltern Konflikte mit ihrem Bruder haben, der einige Zeit, bis es zu einem größeren Zerwürfnis kommt, der Hauptansprechpartner der Eltern ist. Als der Vater pflegebedürftig wird, fühlt sich Frau Roth auf der einen Seite verpflichtet, sich zu kümmern, andererseits sieht sie die Gelegenheit, so ihren Eltern nahe zu sein und nahe zu kommen. Sie erlebt sich in dieser Zeit als Konkurrentin zur Mutter. Nach dem Tod des Vaters beschreibt sie ihre Mutter als sehr "anklammernd". Zudem fühlt sie sich durch Bekanntwerden des väterlichen Testaments, das ihr gegenüber den Geschwistern einen größeren Anteil zuspricht, unter Druck gesetzt. Es kommt zu Konflikten, die Frau Roth dazu bringen, ihre Tochterrolle bewusster zu analysieren und neu zu gestalten: Sie zieht mit ihrem Mann in einen anderen Wohnort und bricht für einige Zeit den Kontakt zur Mutter ab. Zum Zeitpunkt des Interviews gibt es wieder erste distanzierte Kontaktaufnahmen. [11]
Frau Silberling
Zum Zeitpunkt des Interviews ist Frau Silberlings Mutter bereits seit einigen Jahren verstorben. Frau Silberling hat noch einen Bruder und eine Schwester. Seit Frau Silberling erwachsen ist und eine eigene Familie gegründet hat, scheint die Eltern-Tochter-Beziehung relativ unabhängig gewesen zu sein. Es gab regelmäßige Telefonate und Besuche. Beide Seiten scheinen sehr selbstständig gewesen zu sein. Frau Silberlings Eltern schauten sich schon frühzeitig nach Wohnmöglichkeiten für ihr Alter um. Sie leben mehrere hundert Kilometer entfernt vom Wohnort der Tochter und des Schwiegersohnes. Als Frau Silberlings Vater starb, wurde die Mutter jedoch "zögerlicher", was die Pläne betrifft, die sie gemeinsam mit ihrem Mann gemacht hatte (den Umzug in ein betreutes Wohnen im Wohnort der Silberlings). Herr und Frau Silberling sahen sich in dieser Situation als verantwortlich, die Mutter "anzustubsen", ihr praktische Unterstützung bei der Organisation und Durchführung des Umzuges zu geben. Die Mutter versorgte sich selbst bis auf die letzten Wochen ihres Lebens, die sie im Krankenhaus verbrachte. Sie unternahm fast täglich Spaziergänge, um Frau Silberling und deren Familie (die jüngste Enkelin lebte noch in der Familie) zu besuchen. Herr und Frau Silberling hatten immer ein wenig im Blick, wie die Mutter "zurechtkommt". [12]
Frau Töpfer
Frau Töpfers Mutter war wenige Monate vor unserem Interviewtermin verstorben. Als Kind fühlte sie sich von ihrer Mutter nicht richtig angenommen, auf der anderen Seite fühlt sie sich schon immer verantwortlich für ihre Mutter. Um Nähe und Aufmerksamkeit zum Vater mussten die Kinder kämpfen. Frau Töpfer hat noch einen Bruder und eine Schwester. Frau Töpfers Kinder haben bereits eigene Familien, sie selbst ist von ihrem Mann geschieden. Als es den Eltern körperlich schlechter ging, kündigte Frau Töpfer ihre Arbeitsstelle und zog für eine kurze Zeit mit ins Haus der Eltern, um gemeinsam mit ihnen nach einer längerfristigen Lösung zu suchen. Parallel dazu arbeitete sie an neuen Arbeitsplätzen in der Nähe des Wohnorts der Eltern weiter. Die Eltern zogen gemeinsam in ein Altenheim, in dem der Vater nach kurzer Zeit starb. Ihm gegenüber empfand Frau Töpfer Schuldgefühle. Frau Töpfer bemühte sich, das Leben ihrer Mutter "schön" zu gestalten, mit Besuchen und gemeinsamen Ausflügen. Dabei musste sie auch mit Abweisungen umgehen, zum Beispiel wenn ihre Mutter sie einfach wieder wegschickte. Frau Töpfers Mutter ging es körperlich und auch geistig immer schlechter. Eine wertvolle Erfahrung, mit der Frau Töpfer nie gerechnet hätte, war, dass sich die Mutter bei ihr dafür entschuldigte, wie sie früher zu ihr war. [13]
Herr Wenzel
Zum Zeitpunkt des Interviews lebt Herrn Wenzels an Demenz erkrankte Mutter in einem Altenheim in der Nähe von Herrn Wenzel und seiner Frau. Er beschreibt seine Mutter als eine starke Frau, die ihn zu dem gemacht habe, was er ist. Sie sei der "Kitt" der Familie. Herr Wenzel hat noch eine Schwester, die etwas weiter weg wohnt. Aus seiner Sicht ist ein Kümmern um die Mutter notwendig, seit der Vater vor ca. 30 Jahren starb. Seit dieser Zeit verbringt die Mutter jedes Wochenende bei Herrn und Frau Wenzel. Da die Mutter in einer anderen Stadt wohnte, versuchten die Wenzels sie nach einem Krankenhausaufenthalt zu überzeugen, näher zu ihrem Wohnort zu ziehen. Das lehnte die Mutter strikt ab. Mit der Zeit wurden Symptome der Demenz aber immer deutlicher. Mit Ausnahme von Herrn Wenzel und seiner Frau war die Mutter nicht bereit, von irgendjemandem Hilfe anzunehmen. Als die Situation während einer Reise der Wenzels eskalierte, zog die Mutter schließlich doch in ein Altenheim, in dem Herr Wenzel sie schon vor vielen Jahren "auf eigene Faust" angemeldet hatte. Herrn Wenzel fiel das sehr schwer, weil er wusste, dass er im Prinzip gegen den Willen der Mutter handelte und ihm das Vertrauensverhältnis zu ihr sehr wichtig ist. Eine Aufnahme in den eigenen Haushalt kam für ihn nicht in Frage, da er dies als Belastung für die Beziehung zu seiner Frau sieht. Herr Wenzel beschreibt, dass seine Mutter unter "Denkmalschutz" stehe, er möchte ihr etwas wiedergeben. Schwierig findet er damit umzugehen, dass seine Mutter, die inzwischen bettlägerig ist, immer wieder "helle Momente" hat, in denen ihr dann die ansonsten gemochten Verhaltensweisen (Kinderlieder singen, von früher erzählen) plötzlich lächerlich erscheinen und sie wütend machen. [14]
4. Darstellung des Neupositionierungsmodells: Das Kategoriensystem
Ich stelle das Neupositionierungsmodell als Modellentwurf vor, das heißt auf einer von den konkreten Daten, aus denen es generiert wurde, abstrahierten Ebene. Die verwendeten Beispiele stammen ausnahmslos aus den geführten Interviews. Unter den Überschriften 4.1 bis 4.4 erläutere ich skizzenhaft die Kontextbedingungen, die Strategien und die intervenierenden Bedingungen der Neupositionierung, über die Abbildung 1, die im Folgenden erläutert wird, einen Überblick gibt. Einzelne Dimensionen der Kategorien werden nicht im Einzelnen aufgeschlüsselt, sondern in komprimierter, zusammengefasster Form dargestellt. [15]
Die Kernkategorie des aus den Interviews generierten theoretischen Modells ist die der filialen Neupositionierung: Töchter und Söhne, die sich um ihre alten Eltern kümmern, müssen neue, veränderte Positionen zu diesen einnehmen und finden. Was kennzeichnet diese neuen Positionen, und was spielt bei der Neupositionierung eine Rolle? Abbildung 1 gibt einen Überblick über die zentralen Kategorien des Modells. Die rechte Spalte gibt Auskunft über die Funktionen, die die Kategorien innerhalb eines Bedingungsgefüges im Sinne des paradigmatischen Modells (STRAUSS & CORBIN 1996) einnehmen sollen. Die "Kümmerbedürftigkeit" der Eltern kann – unter der Voraussetzung, dass der Sohn oder die Tochter das Kümmern um die Eltern als Aufgabe für sich versteht – auf verschiedenen Handlungs- und Beziehungsebenen zu Veränderungen führen. Die Töchter und Söhne nehmen bestimmte Umgehensweisen der Eltern im Kontext ihrer Neupositionierung wahr. Gleichzeitig reagieren die Kinder mit bestimmten Strategien und Umgehensweisen auf die Veränderungen und auf die Umgehensweisen der Eltern. Wie der Neupositionierungsprozess und die Umgehensweisen der Eltern und der Kinder im Einzelnen aussehen, hängt von verschiedenen Rahmenbedingungen ab, die Beziehungscharakteristika und den Gesundheitszustand der Eltern betreffen. Die Wahrnehmung der Umgehensweisen der Eltern und die Umgehensweisen der Kinder selber können Konsequenzen für die neue Position haben, indem es zu einer Veränderung, einer Verstärkung, einer Rücknahme des Verstehens der "Kümmerbedürftigkeit" der Eltern als "Aufgabe für mich" kommt, oder indem Modifikationen auf Ebenen der Veränderung stattfinden.
Abb. 1: Modell der filialen Neupositionierung [16]
Hilfestellungen
Im Rahmen des Sich Kümmerns kann es dazu kommen, dass die Kinder ihre Eltern vermehrt mit Hilfestellungen unterstützen. Solche Hilfestellungen sind einzelne, eng umrissene Aufgaben und Tätigkeiten, die eher spontan anfallen und erledigt werden, beispielsweise im Haushalt oder im Garten. Eine Veränderung und damit eine Relevanz für die Neupositionierung besteht, wenn die Kinder das Gefühl haben, dass Hilfen weitaus öfter als früher nötig sind oder auch, wenn die Eltern (plötzlich) Hilfen nicht annehmen wollen, die Situation ohne diese Hilfen aber aus Sicht der Kinder nicht (mehr) tragbar wäre. [17]
Verantwortlichkeiten
Wenn Töchter und Söhne grundsätzlich und regelmäßig Aufgaben (-bereiche) erledigen, die die Eltern zuvor selbstständig bewältigt haben, übernehmen sie bestimmte Verantwortlichkeiten. Dabei kann es sich zum Beispiel um die Haushaltsführung, um Einkäufe, die Betreuung am Wochenende oder die körperliche Pflege handeln. Von Bedeutung ist, inwieweit diese Verantwortlichkeiten explizit von den Eltern zugestanden und übertragen werden oder inwieweit sich die Kinder vor allem verantwortlich fühlen und versuchen, ihrem subjektiven Verantwortungsgefühl, das unter Umständen den Vorstellungen der Eltern widerspricht, nachzukommen. [18]
Entscheidungszuständigkeiten
Unter Umständen treffen die Kinder auch Entscheidungen bezüglich ihrer Eltern. Manche Entscheidungen können – nach kürzeren oder längeren Auseinandersetzungen – gemeinsam mit den Eltern getroffen werden (z.B. die einvernehmliche Entscheidung, einen ambulanten Pflegedienst in Anspruch zu nehmen). Es gibt aber auch Entscheidungen, die die Kinder ohne Wissen der Eltern oder gegen deren Willen treffen (wie etwa das "vorsorgliche" Anmelden in einem Altenheim oder der Beschluss, Bettgitter anzubringen). [19]
Nähe und Distanz
Das Kümmern um die Eltern führt in der Regel zu einer Veränderung der bisherigen Nähe-Distanz-Balance zwischen Eltern und Kindern. Eine Ebene der Nähe-Distanz-Ausbalancierung betrifft die Wohnentfernung. Diese räumliche Distanz kann sich im Verlauf des "Kümmerprozesses" verändern, sich verringern – wenn etwa die Eltern näher zu den Kindern ziehen – oder auch zunehmen. Die gesteigerte Kontakthäufigkeit und die Veränderungen der oben beschriebenen Aufgaben- und Tätigkeitsbereiche (Hilfestellungen, Verantwortlichkeiten, Entscheidungszuständigkeiten) führt dazu, dass sich die Kinder gedanklich und emotional intensiver, unter Umständen auch neu und anders mit ihren Eltern auseinandersetzen (müssen). Zum einen können sich so als aversiv erlebte Beziehungsmuster nun ins Unerträgliche steigern, zum anderen können von den Söhnen und Töchtern auch positive Erfahrungen von Anerkennung und Nähe gemacht werden (vgl. Paragraph 25). Dieser Aspekt beschreibt eine Veränderung der emotionalen Nähe bzw. Distanz. Pflegen Kinder ihre Eltern auch körperlich, kommt es zu Verschiebungen der bisher geltenden körperlichen Nähe- bzw. Distanzregeln. [20]
Auch scheinbar kleine Veränderungen in der Beziehung zwischen Eltern und Kindern haben für die Beteiligten unter Umständen große symbolische Bedeutung, sind eingebettet in größere Verantwortlichkeits- und Entscheidungszusammenhänge. So bedeutet beispielsweise das Abgeben der Bankgeschäfte an den Sohn mehr als nur eine pragmatische Übergabe einer Aufgabe. Es symbolisiert – auch für den Sohn – den Verlust von Entscheidungs-, Handlungs- und Lebenskompetenz der Mutter. [21]
Da ich ausschließlich Gespräche mit sich kümmernden Kindern und nicht mit Eltern geführt habe, geben die hier beschriebenen Umgehensweisen der Eltern die Sicht und Wahrnehmung der Kinder wieder! Häufig beschreiben, erleben und erklären die Töchter und Söhne ihre eigenen Umgehensweisen als Reaktion auf das Verhalten der Eltern. Es ist also davon auszugehen, dass hier nur Verhaltensweisen auftauchen, die für die Beziehung zu den Kindern bedeutsam (z.B. besonders belastend oder konfliktreich) sind beziehungsweise von den Kindern als bedeutsam und erwähnenswert wahrgenommen werden. Darstellungen von Eltern würden sicherlich andere Aspekte in den Vordergrund stellen. [22]
Herstellen von Dominanz
Auf unterschiedliche Weise versuchen Eltern, ihre bisherige Dominanzposition gegenüber den Kindern aufrechtzuerhalten oder neu zu schaffen. Sie insistieren auf bisherigen Lebens- und Interaktionsweisen. Sie intensivieren bestimmte Verhaltensweisen, die die Kinder bereits von ihnen kennen oder gewohnt sind. Einige Eltern demonstrieren ihre elterliche Dominanz über ein Herumkommandieren der Kinder. Sie bestimmen so, ob, wer, wann auf welche Weise hilft und sich kümmert. Einige Eltern demonstrieren und übertreiben ihre Hilfsbedürftigkeit und setzen die Kinder so unter enormen Druck – selbst wenn diese das "Schauspiel" durchschauen. Teilweise lehnen Eltern (bestimmte) Unterstützungsangebote oder Veränderungen ihrer bisherigen Wohn- und Lebenssituation vehement ab. Unter Umständen weigern sie sich über eventuelle – zukünftige – Veränderungs- und "Kümmer"-Möglichkeiten mit den Kindern zu sprechen. Einige Kinder, die sich – im Falle mehrerer Geschwister – in besonderem Maße als so genannte primary Caregivers um die Eltern kümmern, berichten, dass sie gegenüber ihren Geschwistern von den Eltern abgewertet werden. Abwertungen können zum einen darin bestehen, dass die Eltern mit den Geschwistern unterschiedlich umgehen, sie können aber auch explizit geäußert werden. [23]
Abgeben von Verantwortung
In einzelnen Bereichen sind die Eltern unter Umständen bereit, sich von bisher ausgeübten Aufgaben zu trennen, Verantwortung abzugeben. Häufig geschieht das an einem Punkt, an dem sie damit konfrontiert werden, dass es so wie bisher tatsächlich nicht mehr geht, zum Beispiel bei einer plötzlichen Verschlechterung der Gesundheit. Auch dann geschieht die Aufgaben"übergabe" von den Eltern aus weitgehend passiv, das heißt sie setzen den Angeboten und Vorschlägen der Kinder nun keinen Widerstand mehr entgegen. [24]
Kind in den Blick kriegen
Neben den aus Sicht der Kinder eher aversiven Umgehensweisen der Eltern gibt es auch positiv bewertete Reaktionen der Eltern auf das Kümmern, wie Anerkennung und Dankbarkeit. Die Betonung dieser positiven Aspekte scheint besonders den Kindern wichtig zu sein, die die bisherige Beziehung zu den Eltern als sehr konflikthaft erlebten, die also die Erfahrung, von den Eltern Anerkennung zu bekommen, als etwas Neues erleben. [25]
Die Umgehensweisen der Kinder zeigen, wie die von mir interviewten Töchter und Söhne den Herausforderungen der Neupositionierung zu den Eltern zu begegnen, indem sie sich bemühen, ihr bisheriges Positionsverständnis aufrecht zu erhalten (Rollentrennung, Entschuldigungen), ein neues zu schaffen (Reflektion der eigenen Rolle im Familiensystem) oder mit den diesbezüglich auftretenden Konflikten und Belastungen umzugehen (zeitliche und räumliche Grenzen). [26]
Rollentrennung
Am Beispiel der körperlichen Pflege der Eltern wird deutlich, dass Töchter und Söhne sich bemühen, neue Rollen/Positionen gegenüber den Eltern von alten Rollen zu trennen. Dies tun sie, indem sie die neuen Aufgaben (etwa das Waschen der Mutter) zwar erledigen, diese aber tabuisieren, mit den Eltern darüber nicht sprechen usw. Klare Einschnitte statt fließender Übergänge oder Überlappungen können neue von alten Aufgaben und Rollen trennen. Zudem bemühen sich die Kinder, klare "Kümmer-Routinen" zu etablieren, um möglichst schnell und ökonomisch die unangenehmen neuen Aufgaben zu erledigen. [27]
Zeitliche und räumliche Grenzen
Um ein Mindestmaß des "eigenen Lebens" mit Freizeitgestaltung, Freunden, Ehepartnern und eigenen Kindern aufrecht zu erhalten, setzen die sich kümmernden Kinder klare zeitliche und räumliche Grenzen: "Auszeiten" von den Eltern, zum Beispiel "auf den Urlaub verzichten wir wegen Mama nicht", "wir behalten unsere eigenen Wohnungen" usw. Den Kindern kann das schwer fallen, sie ringen mit sich, müssen "trainieren", solche Grenzen festzulegen und einzuhalten. [28]
Reflektion der eigenen Rolle im Familiensystem
Die verstärkte Auseinandersetzung mit den Eltern und sich selbst als Tochter oder Sohn (s.a. Paragraph 20) konfrontiert einige Töchter und Söhne mit ihrer (bisherigen) Position im Familiensystem. Unter Umständen werden ihnen Interaktionsmuster, die auch die bisherige Beziehung prägten, bewusst, was im Extremfall dazu führen kann, die Rollenverteilung nicht mehr zu akzeptieren und eine ganz neue Position zu den Eltern zu suchen. [29]
Entschuldigungen
Teilweise versuchen Töchter und Söhne, neue Verhaltensweisen, die unvereinbar sind mit bisherigen oder normativen Vorstellungen, zu rechtfertigen, zu erklären, zu entschuldigen. Das kann sich auf elterliche Verhaltensweisen beziehen, zum Beispiel auf verbale und tätliche Aggressionen gegenüber den Kindern, die etwa damit entschuldigt werden, dass "alte Leute halt so sind". Es kann sich aber auch auf als übergriffig erlebtes Verhalten der Kinder beziehen, wenn diese in die Privatsphäre der Eltern eindringen und etwa gegen den Willen der Eltern handeln und entscheiden. [30]
Beziehungscharakteristika
Die Altersbeziehung zwischen erwachsenen Kindern und ihren kümmerbedürftigen Eltern lässt sich nicht losgelöst von der gemeinsamen Beziehungsbiographie verstehen. Eine Tochter, ein Sohn nimmt im bisherigen Lebenslauf eine bestimmte Position im Eltern-Kind-Geschwister-Gefüge ein. Die von mir interviewten Söhne und Töchter wiesen in unseren Gesprächen immer wieder auf solche familiären Positionen hin, um die aktuelle Situation zu erklären, ohne dass ich explizit danach fragte. Häufig scheint es relativ feste "Kümmermuster" in einer Familie zu geben. Das heißt, es gibt eine implizite Festlegung, wer eher jemand ist, um den man sich kümmern muss, und wer eher ein "Kümmerer" ist. Für die Neupositionierung sich kümmernder Kinder ist es ein Unterschied, ob sie sich schon seit ihrer Kindheit für ihre Mutter und die Geschwister verantwortlich fühlten, oder ob bisher die Mutter, der "Kitt" der Familie, für alles und alle gesorgt hat. Neben den Geschwistern, zu denen im Rahmen des Sich Kümmerns um die Eltern unter Umständen auch eine neue Position gefunden wird, spielen in unterschiedlichem Ausmaß auch die Ehepartnerinnen und Ehepartner, die Enkelkinder, das heißt die eigenen Kinder der Töchter und Söhne, sowie weitere Familienangehörige eine Rolle. [31]
Körperlicher und geistiger Gesundheitszustand
In Abhängigkeit vom geistigen und körperlichen Gesundheitszustand der Eltern lassen sich drei Möglichkeiten oder Phasen unterscheiden. Zum einen kann ein erhöhter "Kümmerbedarf" aufgrund von Alter, körperlichem Abbau oder Tod des Ehepartners vorliegen, ohne dass ein geistiger Abbau oder eine akute Lebensbedrohung besteht. Eine andere Situation ergibt sich, wenn der Vater oder die Mutter dement ist. Eine dritte Möglichkeit entsteht, wenn mit dem baldigen Versterben des Elternteils gerechnet werden muss. Das Kümmern der Kinder kann auf eine Phase beschränkt sein oder mehrere nacheinander durchlaufen. Auch wenn "von außen betrachtet" die "Kümmeraufgaben" für die Kinder in jeder Phase ähnlich sein können, macht es für die Neupositionierung einen Unterschied, ob die Kinder vor allem Sterbebegleiter sind, oder ob es sich um ein zeitlich weniger begrenztes Kümmern bei einem dementen oder nicht-dementen Elternteil handelt. Wenn es nicht um direkte Sterbebegleitung geht, kann der Aushandlungsprozess um die neuen Positionen zwischen Eltern und Kindern wichtiger sein. Bei einer Sterbebegleitung kommt es ebenfalls zu einer Neupositionierung, neue Positionen werden aber – jedenfalls in den mir vorliegenden Daten – eher "nebenbei" übernommen, im Vordergrund steht die Auseinandersetzung mit dem Tod der Eltern. Bei einer Demenz sind die Kommunikationsmöglichkeiten eingeschränkt, um sich etwa über neue Positionen zu verständigen, den Kindern wird die Mutter im besonderen Maße fremd, es entwickelt sich in bestimmten Bereichen ein umgekehrtes Eltern-Kind-Verhältnis. [32]
5. Darstellung des Neupositionierungsmodells: Zwei Fallgeschichten
Wie finden sich die allgemein dargestellten Kategorien des Neupositionierungsmodells auf Ebene meiner Interviewdaten wieder? Welche beispielhaft angedeuteten dimensionalen Ansätze finden sich? Dies soll im Folgenden exemplarisch für die Fallgeschichten von Frau Silberling und Frau Roth dargestellt werden. Wie der Neupositionierungsprozess im Einzelfall aussieht, kann recht unterschiedlich sein, je nach dem wie die Bedingungen, Kontexte und Strategien aussehen. Auch wenn meine Interviewpartnerinnen und -partner nicht den Begriff der Neupositionierung in ihren Erzählungen verwendeten, lassen sich in den Interviews charakteristische und "anschauliche" Aussagen finden, was die Söhne und Töchter als Wandel in der Beziehung zu ihren Eltern wahrnehmen. Ein Beispiel hierfür findet sich im Titel mit dem Zitat von Frau Baumeister: "Och Mutter, was ist aus dir geworden?!" (B20)3). In den beiden folgenden Fallgeschichten wären entsprechende Formulierungen: "Nur musste se diesen letzten Schritt dann doch ein bisschen geschubst werden" (S15) und "Das hat so'n Paradigmenwechsel en bisschen herbeigeführt" (R6). Um einen Eindruck der Unterschiedlichkeit, der Neupositionierungs-Möglichkeiten zu vermitteln, habe ich die beiden Beispielfälle so ausgewählt, dass sie innerhalb meiner Interviewtengruppe Extrempositionen auf einer Dimension Krisen-, Konflikt-, Problemhaftigkeit der Neupositionierung für die Kinder einnehmen. Die Neupositionierung kann mit erheblichen persönlichen und familiären Konflikten und Krisen einhergehen. Das muss aber nicht zwangsläufig so sein, beziehungsweise das Maß, in dem dies zutrifft, kann variieren. Der Vergleich der beiden Fälle macht deutlich, dass das "Durchlaufen" einer filialen Neupositionierung mit den oben beschriebenen Bedingungen und Strategien sehr unterschiedlich sein kann. So könnte man zum Beispiel bezogen auf Frau Roths Geschichte sagen, dass es bei ihr mehrere "Anläufe" gibt, während die Neupositionierungsgeschichte von Frau Silberling eher ein stetiges und sukzessives Durchlaufen dieses Prozesses beschreibt. Frau Silberlings Geschichte lässt sich anhand der oben zusammengefassten Kategorien und ihrer Funktionen zueinander (ursächliche Bedingungen, Kontext, Strategien der Eltern und Kinder, intervenierende Bedingungen) in einem Bogen, sortiert erzählen. Bei Frau Roth ist dies nicht möglich, da sie, wie unten gezeigt wird, verschiedene Modellaspekte zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedlich "durchläuft" bzw. gestaltet. [33]
"Aufgabe für mich"
Frau Silberling beschreibt die Zeit, in der sie sich intensiver um ihre Mutter gekümmert hat, als vergleichsweise unproblematisch:
"Im Nachhinein gesehen war das also schon: Besser ging es gar nicht" (S16).
"Da war also Gott sei Dank keine großen Kämpfe und keine Dramatik (*) da drin" (S27).
"alles hat sich hier angeboten (*)" (S27). [34]
Das Betrachten der "Kümmeraufgabe" als "Aufgabe für mich" scheint eher aus einem generellen Verantwortungsgefühl zu entstehen, das beispielsweise ebenso gegenüber einer hinfälligen älteren Nachbarin zum Tragen kommt. Frau Silberling formuliert keine expliziten Erwartungen an die Mutter, die sich mit ihrem Kümmern verknüpfen könnten; sie und ihr Mann "rutschen" eher so nach und nach in die Aufgabe hinein:
"Es wird sich keiner von den Kindern danach gedrängelt haben, in dem Sinne, also es hat keiner gesagt: Also du kommst zu mir, oder du musst zu mir kommen" (S18).
"Da rutscht man dann so rein, nicht?" (S27) [35]
"Ebenen der Veränderung"
Es kommt durchaus zu einschneidenden Veränderungen: Die Mutter zieht in den mehrere hundert Kilometer entfernt liegenden Wohnort der Tochter in eine Wohnung, die an ein Altenheim angegliedert ist. Es kommt also zu einer Veränderung der insbesondere räumlichen und zeitlichen Distanz bzw. Nähe. Es finden Neupositionierungen auf der Ebene einzelner Hilfestellungen, "nach Bedarf", statt, beispielsweise handwerkliche Hilfen oder Begleitungen zu Arztterminen. Verantwortlichkeiten für bestimmte Bereiche werden jedoch immer nur zeitweilig übernommen. So planen Herr und Frau Silberling den Umzug der (Schwieger-) Mutter und führen ihn auch durch. Frau Silberling begleitet ihre Mutter nach dem Umzug auch einige Male zu sozialen Treffen der Kirchengemeinde, um dafür zu sorgen, dass ihre Mutter dort Anschluss findet. Im Rahmen der Umzugsorganisation treffen die Silberlings auch Entscheidungen ohne das explizite Wissen der Mutter. Darüber hinaus wirken sie explizit auf die Mutter ein. Dieses Vorgehen beschreibt Frau Silberling mit "schubsen" bzw. "drängeln":
"Zum Schluss ham wir dann doch schon bisschen gedrängelt (*). Ja, ja. (*) Dann als wir gemerkt haben, dass se den Antrag [für die Altenwohnung, BD] da noch gar nicht weggeschickt hatte, den letzten. Sie hatte da mal von hier ne Zusage gekriegt, sie könnte kommen und sacht se 'nee, nee, ich brauch noch nicht' (*). Und der nächste Antrag, der lag denn, hat se also nicht ausgefüllt, ne? (*) Da ham wir dann gesacht 'also, du jetzt, das tun wir aber dann doch mal', ne?" (S10) [36]
"Umgehensweisen der Eltern"
Wie beschreibt Frau Silberling das Verhalten, die Umgehensstrategien der Mutter? Frau Silberlings Mutter scheint es ganz gut zu gelingen, Verantwortung abzugeben und Hilfe anzunehmen, und zwar nicht nur die Unterstützung der Kinder, sondern etwa vor ihrem Umzug auch die der Nachbarn und Bekannten. Bezogen auf die Unterstützung von Herrn und Frau Silberling, insbesondere beim Umzug, äußert sie Dankbarkeit: "Was hat sie gesagt? 'Ich bin erleichtert, nicht?' (*) Da ist dann jemand da, der das dann macht oder der das soweit (*) größtenteils macht" (S36). Außerdem hat sie bereits Vorarbeiten geleistet, ein Altenheim bzw. betreutes Wohnen ausgesucht und sich immer mal wieder von (Einrichtungs-) Gegenständen getrennt. [37]
"Umgehensweisen der Kinder"
Für die Umgehensweisen der Tochter scheint wichtig zu sein, dass räumliche und zeitliche Grenzen aus Sicht der Kinder nicht überschritten werden, dass trotz der Veränderungen Distanz und Unabhängigkeit sowohl der Familie der Tochter als auch der Mutter bestehen bleiben:
"hat se dann auch so einen äquidistanten Abstand gehalten" (S19).
"Hat das [die Besuche, BD] aber immer sehr dezent gemacht" (S20).
"Also in dem Sinne nicht dominierend: 'Da, jetzt bin ich da! Und jetzt müsst ihr, alles sich um mich drehen' und so weiter. Und das hat se ganz gut hingekriegt" (S20). [38]
Bestimmte, von Frau Silberling als "eher nervig" erlebte Verhaltensweisen der Mutter (beispielsweise das Äußern bestimmter fest gefügter Meinungen oder bestimmter religiöser Ansichten) werden gerechtfertigt bzw. "runtergespielt", entschuldigt, indem sie mit dem Alter oder der Generation der Mutter erklärt werden, oder indem über sie als "witzige Skurrilitäten" gelächelt wird. Das – möglicherweise ungewohnte – "Anstubs-"Verhalten der Kinder wird damit begründet, dass es ja dem, was die Mutter eigentlich auch möchte, entspreche: "Aber da hat se auch nichts dagegen gehabt (*). Im Prinzip wollte se das ja auch (*)" (S14). [39]
"Rahmenbedingungen"
Was lässt sich über die Beziehungs- und Gesundheits-Rahmenbedingungen sagen? Die erwachsene Mutter-Tochter-Beziehung wird als sehr unabhängig beschrieben: "Also das war nicht so, dass das so miteinander verschränkt war (*)" (S35). Dieses Beziehungsmuster wird auch – so stellt es jedenfalls das von Frau Silberling Erzählte dar – in der Situation des verstärkten Sich Kümmerns und der Neupositionierung der Kinder aufrechterhalten. Dem Ehepartner, Herrn Silberling, kommt innerhalb dieses "Kümmerkontextes" eine ganz wichtige, unterstützende Rolle zu. Frau Silberlings Mutter war bis auf die wenigen Wochen vor ihrem Tod, die sie im Krankenhaus verbrachte, körperlich und geistig noch relativ aktiv und selbstständig, hat sich in ihrem Appartement weitgehend selber versorgt, hatte eigene soziale Kontakte und ist bei der ein oder anderen (Garten-) Tätigkeit ihrer Tochter zur Hand gegangen. [40]
Die Geschichte von Frau Silberling zeigt, dass Veränderungen in der Beziehung zwischen sich kümmernden Kindern und Eltern, für die das Neupositionierungsmodell ein kategoriales Vokabular zur Verfügung stellt, nicht zwingend konfliktreich ablaufen oder als Krise erlebt werden. Hierfür scheinen vor allem die von Frau Silberling als für die Mutter-Tochter-Beziehung "passend" und angemessen wahrgenommenen Umgehensstrategien wichtig zu sein. [41]
Die "Kümmer"-Beziehung zwischen Frau Roth und ihrer Mutter ist geprägt von Konflikt-Eskalationen, Diskontinuitäten, Brüchen auf unterschiedlichen Beziehungsebenen und in unterschiedlichen Aspekten des Neupositionierungs-Prozesses. Es kommt zu verschiedenen Zeitpunkten zu radikalen Veränderungen, die Frau Roth als Paradigmenwechsel bezeichnet. Frau Roth beschreibt, dass diese Dynamiken sie emotional sehr stark belasten:
"Ich merke, dass mich das Ganze immer wieder schafft (*). Also dass ich emotional sehr davon eh gefangen bin" (R20).
"Und mit meiner Mutter und meiner, so bin ich wieder, ich fang dann auch an zu zittern, ne?, bin irgendwie angespannt (*). Ich merke auch jetzt im Laufe des Erzählens (*), ne?, dass sich also dieser Betroffenheits-Pegel hochschaukelt (*)" (R20). [42]
In der Erzählung von Frau Roth lassen sich grob drei "große Paradigmenwechsel" in der Mutter-/Eltern-Tochter-Beziehung finden. Frau Roth "durchläuft" sozusagen – beziehungsweise sie "startet" – drei Neupositionierungen, die im Folgenden kurz skizziert werden: Die zeitlich erste betrifft die "Kümmerübernahme" von Frau Roth für ihren pflegebedürftigen, sterbenden Vater, die zweite beschreibt Frau Roths Rückzug als "Hauptkümmererin" für ihre Mutter bis hin zu einem kompletten Kontaktabbruch, die dritte – zum Interviewzeitpunkt noch aktuelle – eine erste Kontakt-Wiederaufnahme zwischen Tochter und Mutter. Danach fasse ich noch einmal die Rahmenbedingungen im Sinne des Neupositionierungs-Modells für diese filiale "Kümmergeschichte" zusammen. Wie kann es in einem "Kümmer"-Kontext zu solch heftigen Positions-Veränderungen kommen? Frau Roth setzt sich immer wieder neu mit der Frage auseinander, ob und inwieweit das Sich Kümmern um die Eltern ihre Aufgabe ist. Die emotionalen Reaktionen auf diese Frage bleiben für sie ambivalent, es verändern sich jedoch – in Abhängigkeit von verschiedenen Einflussfaktoren (s.u.) – ihr "Kümmerverhalten" und ihr Fazit in der Auseinandersetzung mit dieser Frage. [43]
Frau Roth beteiligt sich an der Pflege des Vaters und erlebt diese als positiv, weil sie auf diese Weise in ihrer Wahrnehmung den Eltern emotional näher kommt. So ist zu diesem Zeitpunkt in den Reaktionen der Eltern für sie auch am wichtigsten, dass diese sie als Person wahrnehmen. Dies erfüllt sich jedoch nur sehr bedingt. Immer wieder erfährt sie Abwertungen, z.B. wenn der Konflikt zwischen ihrem Bruder und den Eltern zeitweilig abnimmt (dieser Konflikt war die Voraussetzung für Frau Roth, dass sie die Rolle der "Kümmererin" um die Eltern einnehmen konnte; zuvor war ihr Bruder der Hauptverantwortliche und -ansprechpartner der Eltern) und sie sich durch den Bruder ersetzt sieht, überflüssig scheint. Ihre Mutter steht der Hilfe der Tochter eher ablehnend gegenüber. Frau Roth vermutet, dass ihre Mutter sie als Konkurrentin in der Beziehung zum Vater bzw. in der Beurteilung, wer die bessere "Kümmererin" bzw. Pflegerin ist, wahrnimmt. Die einschneidendste Reaktion der Eltern auf ihr Kümmern ist für Frau Roth das väterliche Testament: Gegenüber den Geschwistern wird ihr ein Hauptteil des Erbes zugesprochen. Dies wertet Frau Roth in erster Linie als eine Abwertung ihrer Person, weil sie es als Verpflichtung versteht, sich um ihre Mutter kümmern zu müssen – ungefähr so, wie wenn einem Dienstboten etwas auftragen wird. Dass es möglicherweise auch Anerkennung und Dankbarkeit der Eltern ausdrückt, ist demgegenüber in ihrer Wahrnehmung zweitrangig. [44]
Das Testament führt dazu, dass der Familien-Geschwister-Konflikt eskaliert und sich die Familie in zwei Lager spaltet, die untereinander keinen Kontakt haben. Hier führt also ein einschneidendes Ereignis, eine einschneidende Veränderung der Rahmenbedingungen zu einer veränderten filialen Neupositionierung. Frau Roth nimmt zunächst "den Auftrag" des Testaments an und versteht das Sich Kümmern um die verwitwete Mutter als Aufgabe für sich. Diese neue Position, die im Prinzip die Rolle des Vaters ist, beinhaltet die Übernahme verschiedener Hilfestellungen, Verantwortlichkeiten und Entscheidungszuständigkeiten. Ihre Mutter demonstriert in verschiedenen Bereichen ihre Hilflosigkeit und gibt die Verantwortung für sich an die Tochter ab:
"Und als mein Vater dann gestorben war, war es so, dass ich das Gefühl hatte, sie eh also schiebt mir die Rolle zu, dass ich Dinge tu, die mein Vater getan hat, also die eh Krankenkasse und gucken, wie das mit dem Geld abheben ist oder so (*)" (R5).
"Meine Mutter hat sich das zwar zeigen lassen, aber so wie ich denke, wie das auch bei meinem Vater immer war, hat sie die Rolle beibehalten, nämlich mir zu zeigen: Das kapier ich sowieso nicht" (R5). [45]
In anderen Bereichen behält die Mutter ihre Verantwortlichkeit und Entscheidungszuständigkeit: "Die Verfügungsgewalt über das Geld hat natürlich sie" (R5). Eine Veränderung in der Beziehung bahnt sich an, als die Mutter-Tochter-Konflikte eskalieren, Frau Roths Mutter aber schließlich anfängt, Vorschläge ihrer Tochter anzunehmen, also ein Stückweit ihre Tochter als Person anerkennt. Dem war vorausgegangen, dass Frau Roth ihrer Mutter angedroht hatte, sich nicht mehr zu kümmern, das Kümmern nicht mehr als Aufgabe für sich zu verstehen. Dieser Einschnitt ermöglicht Frau Roth neue Umgehensweisen und Strategien. Sie lotet ein neues Nähe-Distanz-Verhältnis aus, schafft nach und nach zeitliche und räumliche Grenzen. Intensiv und aktiv, d.h. beispielsweise auch in Gesprächen mit ihrer Mutter und in einem psychotherapeutischen Kontext, setzt sie sich mir ihrer Rolle im Familiensystem auseinander. So entscheidet sie zunächst, gegen viele innere und äußere Widerstände, sich an Wochenenden nicht mehr um die Mutter zu kümmern, nur alle zwei Tage mit ihr zu telefonieren und einmal in der Woche einen Besuch zu machen. Dann steigert sie die zeitlichen Abstände langsam. Es entwickelt sich eine Art Machtkampf zwischen Tochter und Mutter: Frau Roth versucht Grenzen zu schaffen und aufrecht zu erhalten, ihre Mutter äußert ihre Vorstellungen einerseits sehr direkt durch Kommandieren: "Du musst mal kommen" (R8), andererseits eher subtil und in dem, was Frau Roth antizipiert, was in ihrer Mutter vorgeht. Als Frau Roth und ihr Mann beschließen, aus dem Ort, in dem auch die Mutter wohnt, in eine andere Stadt zu ziehen, brechen die mühsam geschaffenen Grenzen wieder zusammen:
"Und ich mit ganz großem schlechten Gewissen, ich hab ganz viel vorher immer überlegt, was ich dann wie machen kann, damit ich dieses Kümmern aufrecht erhalten kann. Es war eh ja bis eh dahin, dass ich sagte: Ja, und eh dann ruf ich täglich an. (*) Ne? Das kippte auf einmal wieder alles um" (R10).
"Da hab ich auch, bin ich wieder in alte Muster gefallen, hab mir also ein Bein ausgerissen. Und sie hat nur die Königin und das kleine Mädchen gespielt (*)" (R11). [46]
Als Frau Roth erfährt, dass ihre Mutter sie gegenüber den Geschwistern abwertet, sich lustig über sie macht, ermöglicht ihr dies ihre Grenzsetzungen wieder durchzusetzen. Sie fühlt sich dennoch immer stärker von ihrer Mutter kommandiert und benutzt bzw. ihr wird dies immer bewusster. Frau Roth beschließt, sich bei ihrer Mutter nicht mehr zu melden. Sie weiß, dass ihre Mutter – zunächst – von sich aus nicht anrufen wird. Nach einigen Wochen beginnt die Mutter anzurufen und zu betonen, wie schlecht es ihr gehe und wie bemitleidenswert ihre Situation sei. Frau Roth reagiert auf diese für sie üblichen und gewohnten "Spielchen" – so ihre argumentativen Rechtfertigungen für das Verhalten der Mutter und ihren Umgang damit –, in dem sie nicht mehr ans Telefon geht, sondern nur noch ihr Mann. Als die Mutter (vorübergehend) krank wird, findet dieser lang dauernde Paradigmenwechsel, in dem Frau Roth sich als "Hauptkümmererin" ihrer Mutter zurückzieht, gewissermaßen einen Abschluss. Zwei ihrer Geschwister übernehmen die "Kümmer"-Rolle. Frau Roth beantwortet nun die Frage, inwieweit das Sich Kümmern um die Mutter eine Aufgabe für sie sei, indem sie darauf verweist, dass sie nicht die einzige Tochter ist, sondern dass die anderen Geschwister ebenso Verantwortung tragen sollten: "Ich bin nicht die einzige Tochter (*), du hast noch zwei Töchter und einen Sohn. Und ich bin nicht zuständig dafür. Und wenn es dann so ist, dass dafür das Testament steht, dann lehn ich das ab (*)" (R16). [47]
Diese Veränderung, die "Kümmerübernahme" der Geschwister von Frau Roth, schafft wiederum die Möglichkeit für eine weitere Veränderung, einen zumindest sich langsam anbahnenden weiteren "Paradigmenwechsel", in dem die Sprachlosigkeit der Geschwister untereinander und zwischen Frau Roth und ihrer Mutter langsam gelöst werden kann. Dabei ist Frau Roth wichtig, nichts zu überstürzen und bestimmte Grenzsetzungen nicht zu übertreten, z.B. trifft sie ihre Mutter nicht in deren Haus, sondern an öffentlichen Orten. [48]
Bei der Beschreibung dieses langen und konfliktreichen Neupositionierungsprozesses, wurden schon einige Rahmenbedingungen bzgl. der familialen Beziehungscharakteristika und bzgl. des Gesundheitszustandes angedeutet. Abschließend sollen die wichtigsten Aspekte dieser Bedingungen innerhalb des Neupositionierungsprozesses noch einmal zusammenfassend dargestellt werden. Frau Roth betont, dass alle Geschwister Konflikte mit der Mutter hatten, die sich mehr oder weniger kontinuierlich durch die gemeinsame Lebensgeschichte gezogen haben. Sie selbst hat mit ihrer Lebensweise als junge Erwachsene nicht den Vorstellungen der Eltern entsprochen. Frau Roth beschreibt, dass sie sich schon immer relativ bewusst mit ihrer Familie auseinander gesetzt und beispielsweise – im Vergleich zu ihren Geschwistern – relativ früh gegen ihre Eltern opponiert habe. Der Neupositionierungsprozess wird auf der einen Seite begleitet von Konflikten der Geschwister untereinander, auf der anderen Seite kommt es auch zu Koalitionsbildungen. Unter die Kategorie familialer "Kümmermuster" lässt sich einordnen, dass Frau Roth sich seit ihrer Kindheit in der Rolle der "Kümmernden" sieht. Sie war verantwortlich für die jüngeren Geschwister. Auch für das Wohlergehen der Mutter fühlte sie sich verantwortlich, während sie umgekehrt das Gefühl hat, dass sich um sie in der Familie nie jemand gesorgt hat. Im Zusammenhang mit der Beziehung zwischen den erwachsenen Kindern und den Eltern wechselt die Funktion des "Hauptkümmerers". Die Eltern wenden sich lange Zeit in erster Linie an den Bruder. Wenn es mit dem Bruder Konflikte gibt, wird Frau Roth "in Anspruch genommen". Frau Roths Ehemann spielt beim Sich Kümmern um die Mutter eine unterstützende Rolle: "Und in diesem Zusammenhang bin ich sozusagen die Hauptkümmerin, Hauptversorgerin meiner Eltern geworden, mit meinem Mann zusammen dann" (R2). Dies ergibt sich mit der Pflegebedürftigkeit ihres Vaters, während die "Kümmerbedürftigkeit" ihrer Mutter nicht aus einer Krankheitssituation, sondern aus dem Tod des Vaters erwächst. Allerdings spielt eine vorübergehende Erkrankung der Mutter eine Rolle während des Neupositionierungsprozesses von Frau Roth: Aufgrund dieser Erkrankung beginnen sich die Geschwister von Frau Roth um die Mutter zu kümmern. Für Frau Roths Auseinandersetzung mit der "Kümmersituation" ist ein entscheidender Wendepunkt eine eigene schwere Erkrankung: Diese nimmt sie zum Anlass, sich stärker von der Mutter und von deren Forderungen abzugrenzen. [49]
In der Geschichte von Frau Roth zeigt sich, wie krisenhaft der Neupositionierungsprozess in Abhängigkeit von unterschiedlichen Bedingungen, die die unterschiedlichen kategorialen Ausprägungen des Neupositionierungsmodells abzubilden versuchen, ablaufen kann. Beschrieben wurden verschiedene Diskontinuitäten und Brüche in der Wahrnehmung des Sich Kümmerns als Aufgabe für mich, in den Bereichen von Hilfestellungen, Verantwortlichkeiten, des Nähe-Distanz-Gleichgewichts, in familialen Beziehungs-Konstellationen und in den Umgehensweisen, Strategien, Reaktionen der Beteiligten. [50]
Das Neupositionierungsmodell lässt sich als eine Integration, Erweiterung und Differenzierung bestehender theoretischer und empirischer Befunde zur Eltern-Kind-Beziehung im Alter verstehen. Das Modell der "filialen Krise" (BLENKNER 1967; BRUDER 1988), das häufig zitiert wird, wenn es um einen Beziehungswandel zwischen Kindern und Eltern im Alter geht, fokussiert ausschließlich auf das Krisenhafte, die Veränderung in der Beziehung. GEISTER (2004) kommt in ihrer Untersuchung im Gegensatz dazu zu dem Befund, dass die Mutter-Tochter-Beziehung weiter von Kontinuität geprägt ist, auch wenn die Tochter zur "pflegenden Tochter" wird. Ähnlich wie das Konzept der intergenerationalen Ambivalenz (LÜSCHER & LIEGLE 2003) lässt das Neupositionierungsmodell das gleichzeitige Auftreten negativer, krisenhafter aber auch positiver Erfahrungen und Veränderungen sowie Kontinuitäten in der alternden Eltern-Kind-Beziehung zu. Der Begriff der Neupositionierung impliziert keine Bewertung des Beziehungswandels zwischen Kindern und Eltern. Auch wenn sich sicherlich in allen dieser Untersuchung zugrunde liegenden Fallgeschichten Ambivalenzen finden lassen, kommt der Ambivalenz-Begriff im Modell nicht vor: Zum einen impliziert er im Alltagsverständnis eher etwas Negatives, Unbefriedigendes, nicht Auflösbares, zum anderen zeigte sich, dass die interviewten Töchter und Söhne ambivalente Gefühle, Bewertungen und Handlungsoptionen nicht unbedingt in den Vordergrund stellen, wenn sie ihre "Kümmergeschichten" erzählen. Der Neupositionierungsbegriff ist gegenüber dem Ambivalenzbegriff neutraler, offener, weniger festgelegt auf bestimmte, implizite Bewertungen. Dennoch bietet das Modell mit seinen Unterkategorien Ansatzpunkte für das Verstehen spezifischer Bedingungen und Einflüsse des Beziehungswandels zwischen Kindern und Eltern im Alter. Über die Darstellung des Nachweises und Aufzeigens von Ambivalenzen hinaus zeigt das Neupositionierungsmodell die Bedingungen und Einflussvariablen, die für die Töchter und Söhne bezogen auf den Wandel der Beziehung zu den alternden Eltern bedeutsam scheinen. Die im Modell beschriebenen Veränderungsebenen, die neuen Aufgabenbereiche der Kinder (Hilfestellungen, Verantwortlichkeiten, Entscheidungszuständigkeiten) und die Veränderung von Nähe und Distanz stellen eine Konkretisierung des Pflege- bzw. des von mir bevorzugten "Kümmer"-Begriffs (vgl. Paragraph 4) dar, die sowohl sich verändernde beziehungsweise neu hinzu kommende Aufgaben (vgl. BOWERS 1987) als auch deren Bedeutung innerhalb der Beziehung (vgl. AYRES 2000; GEISTER 2004; SHEEHAN & DONORFIO 1999) berücksichtigt. Die Umgehensweisen der Eltern und der Kinder geben einen ergänzenden Einblick in die Komplexität der Beziehungsherausforderungen und -belastungen (vgl. BRUDER 1988; GEISTER 2004; KNIPSCHEER 1986; SPANGLER 2002), die der Beziehungswandel mit sich bringen kann. Sie ergänzen, vertiefen und kontextualisieren das in anderen Untersuchungen beschriebene Spektrum an Strategien, mit den Herausforderungen des Sich Kümmerns und der "Neupositionierung" umzugehen (vgl. ALBERT 1990, KÜNZEL-SCHÖN 2004). Beispielhaft sei hier auf das Konzept der "Kümmer"-Routinen hingewiesen, das etwa von ALBERT (1990) in Zusammenhang mit häuslicher Pflege und entsprechenden Haushalt-Adaptationen beschrieben wird. Dieses Konzept findet sich im Neupositionierungsmodell als Unteraspekt der Rollentrennung und steht damit in einem neuen, ergänzenden Bedeutungszusammenhang. Das Neupositionierungsmodell betont die Wichtigkeit der bisherigen Beziehung zwischen Eltern und Kindern (vgl. GEISTER 2004) sowie die Bedeutung des sozialen Umfeldes und des Gesundheitszustandes der Eltern. [51]
Das Neupositionierungsmodell berücksichtigt die Perspektive der sich kümmernden Kinder. Hier ist zum einen anzumerken, dass es auf einer bestimmten, relativ kleinen "Auswahl" beruht. Das Modell ist offen und weiter zu prüfen und zu entwickeln an möglichen (Kontrast-) Fällen. Genauer betrachtet werden könnten etwa geschlechtsspezifische Merkmale und Besonderheiten der filialen Neupositionierung. Hier ließe sich beispielsweise an die von HEQUEMBOURG und BRALLIER (2005) beschriebenen "Kümmer"-Aushandlungen zwischen Schwestern und Brüdern sowie bezogen auf genderspezifische "Kümmermuster" und Zusammenhängen zwischen Geschlecht und Sich Kümmern an DWYER und COWARD (1992) anknüpfen. Wie in Paragraph 7 beschrieben, beschränkte sich das dem Modell zugrunde liegende Sample auf Kinder einer bestimmten Alters- und Lebensphase (Mitte 50 bis Mitte 60 Jahre), die alle Geschwister hatten und deren Sich "Kümmern" sich vor allem auf die Mütter, nicht auf die Väter bezog. Ein weiteres theoretisches Sampling zur Erweiterung des Modells könnte diesbezügliche Kontrast- und Ergänzungsfälle berücksichtigen, das heißt jüngere und ältere Kinder, Einzelkinder und das Sich Kümmern um Väter. Das Sample umfasste zudem ausschließlich Kinder, die das Sich Kümmern als ihre Aufgabe ansahen, so dass über einen möglichen Beziehungswandel, eine mögliche Neupositionierung zwischen Eltern und (Geschwister-) Kindern, die sich nicht kümmern, keine Aussage gemacht werden kann. Wünschenswert ist auch eine Miteinbeziehung der Perspektive der Eltern. Wie wird der Beziehungswandel von den Müttern und Vätern, die von ihren Kindern "umkümmert" werden, erlebt und beschrieben? Stellen sie das Sich Kümmern der Kinder überhaupt in den Kontext einer Beziehungsveränderung? Hinweise auf unterschiedliche Wahrnehmungen und Bewertungen der Beziehung zwischen alternden Eltern und ihren Kindern finden sich zum Beispiel bei FINGERMAN (2001) und SPANGLER (2002). Weitere Triangulations-Perspektiven ergeben sich auf methodischer Ebene (der Datensammlung und -auswertung) und inhaltlich-thematischer Ebene, etwa bezogen auf breitere gesellschaftliche, soziale, politische oder historische Betrachtungsweisen (vgl. z.B. KARL 2003). [52]
Ganz herzlich bedanken möchte ich mich bei meinen Interviewpartnerinnen und -partnern für ihre Erzählbereitschaft und ihr Vertrauen sowie bei Franz BREUER, der den gesamten Forschungsprozess der hier vorgestellten Untersuchung unterstützte und begleitete!
1) Nachdem ich kurz mein Forschungsanliegen und den Charakter des Gesprächs vorgestellt hatte, formulierte ich eine Erzählaufforderung wie: "Erzählen Sie doch mal, wie das bei Ihnen war, als Ihre Eltern älter wurden." Als Anregung für eventuelle Nachfragen und Themen, die ich für relevant und unter Umständen besprechenswert hielt, nahm ich zudem einen Leitfaden mit in die Interviews, den ich von Interview zu Interview entsprechend meiner sich wandelnden Präkonzepte veränderte und anpasste. Die Gespräche dauerten alle etwa anderthalb Stunden. <zurück>
2) Bei den angegebenen Namen der Interviewpartnerinnen und -partner (Frau Baumeister, Herr Lohmann, Frau Roth, Frau Silberling, Frau Töpfer, Herr Wenzel) handelt es sich um Pseudonyme. <zurück>
3) Der Buchstabe gibt den Namen der interviewten Person an. Die angegebene Seitenzahl bezieht sich auf die Seitennummerierung der Interviewtranskripte. Hinweis zu den verwendeten Transkriptionsregeln bzw. -symbolen: (*) steht für Hörersignale des gerade nicht Erzählenden (z.B. "hm"). <zurück>
Albert, Steven M. (1990). The dependent elderly, home health care, and strategies of household adaptation. In Jaber F. Gubrium & Andrea Sankar (Hrsg.), The home care experience: ethnography and policy (S.19-36). Newbury Park: Sage.
Ayres, Lioness (2000). Narratives of family caregiving: Four story types. Research in Nursing & Health, 23(5), 359-371.
Blenkner, Margaret (1967). Social work and family relationships in later life with some thoughts on filial maturity. In Ethel Shanas & Gordon F. Streib (Hrsg.), Social structure and the family: Generational relations (S.46-59). Englewood Cliffs NJ: Prentice Hall.
Bowers, Barbara J. (1987). Intergenerational caregiving: Adult caregivers and their aging parents. Advances in Nursing Science, 9(2), 20-31.
Breuer, Franz (Hrsg.) (1996). Qualitative Psychologie. Grundlagen, Methoden und Anwendungen eines Forschungsstils. Opladen: Westdeutscher Verlag.
Brody, Elaine M. (1990). Women in the middle: Their parent-care years. New York: Springer.
Bruder, Jens (1988). Filiale Reife – ein wichtiges Konzept für die familiäre Versorgung kranker, insbesondere dementer alter Menschen. Zeitschrift für Gerontopsychologie und -psychiatrie, 1(1), 95-101.
Cusinato, Mario (1994). Parenting over the family life cycle. In Luciano L'Abate (Hrsg.), Handbook of developmental family psychology and psychopathology (S.83-115). New York: Wiley.
Dwyer, Jeffrey W. & Coward, Rymond T. (Hrsg.) (1992). Gender, families, and elder care. Newbury Park CA: Sage.
Fingerman, Karen L. (2001). Aging mothers and their adult daughters. New York: Springer.
Geister, Christina (2004). "Weil ich für meine Mutter verantwortlich bin". Der Übergang von der Tochter zur pflegenden Tochter. Bern: Huber.
Giarrusso, Roseann; Silverstein, Merril; Gans, Daphna & Bengtson, Vern L. (2005). Aging parents and adult children: New perspectives on intergenerational relationships. In Malcolm L. Johnson (Hrsg.), Age and ageing (S.413-421). Cambridge: University Press.
Hareven, Tamara K. (Hrsg.) (1996). Aging and generational relations over the life course: A historical and cross-cultural perspective. Berlin: de Gruyter.
Hequembourg, Amy & Brallier, Sara (2005). Gendered stories of parental caregiving among siblings. Journal of Aging Studies, 19, 53-71.
Hummert, Mary L. & Morgan, Melanie (2001). Negotiating decisions in the aging family. In Mary L. Hummert & Jon F. Nussbaum (Hrsg.), Aging, communication, and health (S.177-201). Mahwah NJ: Lawrence Erlbaum.
Karl, Fred (Hrsg.) (2003). Sozial- und verhaltenswissenschaftliche Gerontologie. Weinheim: Juventa.
Klessmann, Eda (2004). Wenn Eltern Kinder werden und doch die Eltern bleiben: Die Doppelbotschaft der Altersdemenz. Bern: Huber.
Knipscheer, Kees P. M. (1986). Anomie in der Mehrgenerationenfamilie: Kinder und die Versorgung ihrer alten Eltern. Zeitschrift für Gerontologie, 10, 40-46.
Kohli, Martin & Szydlik, Marc (Hrsg.) (2000). Generationen in Familie und Gesellschaft. Opladen: Leske + Budrich.
Krappmann, Lothar & Lepenies, Anette (Hrsg.) (1997). Alt und Jung: Spannung und Solidarität zwischen den Generationen. Frankfurt/M.: Campus.
Künzel-Schön, Marianne (2004). Wenn alte Eltern Hilfe brauchen. München: Beck.
Lang, Frieder R. (2000). Endings and continuity of social relationships: Maximizing intrinsic benefits within personal networks when feeling near to death. Journal of Social and Personal Relationships, 17(2), 155-182.
Lang, Frieder, R. & Schütze, Yvonne (2002). Adult children's supportive behaviors and older parents' subjective well-being – A developmental perspective on intergenerational relationships. Journal on Social Issues, 58, 661-680.
Liss, Silke & Lübbert, Christiane (1993). Der alte Mensch und die Familie: zur Kontinuität von Beziehungskonflikten zwischen den Generationen. Essen: Die Blaue Eule.
Lüscher, Kurt & Liegle, Ludwig (2003). Generationenbeziehungen in Familie und Gesellschaft. Konstanz: UVK.
Mayer, Karl U. & Baltes, Paul B. (Hrsg.) (1996). Die Berliner Altersstudie. Berlin: Akademie Verlag.
Merkens, Hans (2003). Auswahlverfahren, Sampling, Fallkonstruktion. In Uwe Flick, Ernst von Kardorff & Ines Steinke (Hrsg.), Qualitative Forschung. Ein Handbuch (S.286-299). Hamburg: Reinbek.
Motel-Klingebiel, Andreas; Tesch-Römer, Clemens & Kondratowitz, Hans-Joachim von (2003). Die gesellschaftsvergleichende Studie OASIS – Familiale und wohlfahrtsstaatliche Determinanten der Lebensqualität im Alter. In Fred Karl (Hrsg.), Sozial- und verhaltenswissenschaftliche Gerontologie (S.163-183). Weinheim: Juventa.
Noack, Peter & Buhl, Heike M. (2004). Child-parent relationship. In Frieder R. Lang & Karen L. Fingerman (Hrsg.), Growing together: Personal relationships across the lifespan (S.45-75). New York: Cambridge University Press.
Nydegger, Corinne N. (1991). The development of paternal and filial maturity. In Karl Pillemer & Kathleen McCartney (Hrsg.), Parent-child relations throughout life (S.93-112). Hillsdale NJ: Lawrence Erlbaum.
Pecchioni, Loretta L., Wright, Kevin B. & Nussbaum, Jon F. (2005). Life-span communication. Mahwah NJ: Lawrence Erlbaum.
Sheehan, Nancy W. & Donorfio, Laura M. (1999). Efforts to create meaning in the relationship between aging mothers and their caregiving daughters: A qualitative study of caregiving. Journal of Aging Studies, 13(2), 161-177.
Spangler, Delia (2002). Ambivalenzen in intergenerationalen Beziehungen: Hochaltrige Mütter und ihre Töchter. Unveröffentlichte Diplomarbeit, Technische Universität, Berlin.
Strauss, Anselm L. & Corbin, Juliet (1996). Grounded Theory: Grundlagen qualitativer Sozialforschung. Weinheim: Beltz. (Orig. 1990: Basics of qualitative research. Grounded theory procedures and techniques. Newbury Park: Sage)
Zank, Susanne; Schacke, Claudia & Leipold, Bernhard (im Druck). Berliner Inventar zur Angehörigenbelastung – Demenz. Zeitschrift für klinische Psychologie und Psychotherapie.
Barbara DIERIS, geb. 1981, Dipl.-Psychologin, studierte Psychologie und Literaturwissenschaften in Münster. In ihrer Diplomarbeit und jetzt in ihrer Dissertation forscht sie qualitativ zum Thema "Alter und Familie". Sie arbeitet im Moment als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Psychologischen Institut der Universität Münster.
Kontakt:
Barbara Dieris
Westfälische Wilhelms-Universität
Psychologisches Institut III
Fliednerstr. 21
D-48149 Münster
Tel.: 0251-8334119
E-Mail: dieris@psy.uni-muenster.de
URL: http://wwwpsy.uni-muenster.de/Psychologie.inst3/AEKeil/dieris_index.html
Dieris, Barbara (2006). "Och Mutter, was ist aus dir geworden?!" Eine Grounded-Theory-Studie über die Neupositionierung in der Beziehung zwischen alternden Eltern und ihren erwachsenen, sich kümmernden Kindern [52 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 7(3), Art. 25, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0603253.