Volume 12, No. 1, Art. 25 – Januar 2011
Tagungsbericht:
Thomas Scheffer & Christian Meyer
Tagung: Soziologische vs. ethnologische Ethnographie – Zur Belastbarkeit und Perspektive einer UnterscheidungInstitut für Europäische Ethnologie (IfEE) der Humboldt-Universität zu Berlin, 21. bis 22. Mai 2010, organisiert von Thomas Scheffer und Christian Meyer mit Förderung der Thyssen-Stiftung und dem IfEE
Zusammenfassung: Zentraler Gegenstand der Tagung waren die disziplinären Aneignungen der ethnografischen Herangehensweise in der Ethnologie und der Soziologie. Der Tagungsbericht sammelt die auf der Tagung debattierten Differenzen und Ähnlichkeiten und sichtet die tiefer liegenden, systematischen Unterschiede entlang der ethnografischen Trias von Feld, Site und Gegenstand. Mit Blick auf eine geplante Folgetagung identifizieren die Autoren Schlüsselthemen für die weitere Debatte.
Keywords: Ethnografie; Vergleich der Methodologien; Feldforschung
Inhaltsverzeichnis
1. Vorbemerkungen
2. Einstiegshypothesen vor der Tagung
3. Die Tagung: ein Debatten zentrierter Bericht
3.1 Epistemologischer Holismus vs. fokussierende Methodik – was wollen wir wissen
3.2 Hineinversetzen und/oder Teilnehmen – ethnografische Essentials
3.3 Modi des Dort-Seins – zu den raumzeitlichen Bedingungen
3.4 Vor Ort/im Feld – ethnografische Verortungen
3.5 Erfahrungen, Spuren, Dokumente – das Feld aneignen
3.6 Visuelle Daten vs. Visualisierung – videografische Spielarten
3.7 Durchgreifende vs. gehemmte Generalisierung – zur ethnografischen Relevanz
4. Zwischenstand
5. Die Folgetagung: "Ethnografische Anordnungen: Feld/Site/Gegenstand"
5.1 Gegenstandsangemessenheit
5.2 Die Ethnografie-Tauglichkeit der Felder
5.3 Die Zeitverhältnisse von Ethnografien
5.4 Ethnografische Empirie
5.5 Ethnografisches Vergleichen
5.6 Alternative Leitdifferenzen
5.7 Implikationen für die Lehre
6. Ausblick
Die folgenden Hintergrundinformationen sind womöglich nicht unwichtig, wenn man Motivation, Konzeption und Verwertung der Tagung "Ethnologische vs. Soziologische Ethnografie" nachvollziehen möchte. Die beiden Autoren haben eine (fast) spiegelverkehrte akademische Karriere durchlaufen: Christian MEYER (CM) studierte Ethnologie in Heidelberg und promovierte in Mainz. Er wechselte in die Arbeitsgruppe "Qualitative Methoden" der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld. Thomas SCHEFFER (TS) studierte Soziologie an der besagten Fakultät. Er wechselte schließlich als Heisenberg-Stipendiat an das Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität zu Berlin. Diese disziplinären Kreuzungen sind sicherlich in diese gemeinsame Initiative eingegangen: als Aufmerksamkeit für die disziplinären Ausprägungen der von uns jeweils betriebenen (womöglich soziologisch und ethnologisch geprägten) Ethnografie. [1]
Ein allgemeiner Impuls war ebenso bedeutsam: Wir nehmen zur Kenntnis, dass die ethnografische Methode (hier zunächst synonym gesetzt mit teilnehmender Beobachtung oder Feldforschung) – obgleich schon zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts zeitgleich in Chicago, London/Trobriand und Wien entstanden – in der heutigen Sozial- und Kulturforschung noch immer, oder mehr denn je, en vogue ist. Es finden sich zahlreiche Handbücher, Monografien, Zeitschriften oder internationale Konferenzen, die die Wirkmächtigkeit von Ethnografie zur Geltung bringen und befördern (z.B. ATKINSON & COFFEY 2001; HAMMERSLEY & ATKINSON 1983; FETTERMAN 2010 oder die Zeitschriften Journal for Contemporary Ethnography und Fieldwork). Ethnografie gehört aber nicht nur jeweils zum disziplinären Kanon, sondern wird auch außerhalb der universitären Forschung forciert. Ethnografische Vorgehensweisen werden heute zur Software-Entwicklung, in Architektur und Design, zur Evaluation oder in der Marktforschung eingesetzt (z.B. BEYNON-DAVIES 1997; CRABTREE 2003; DENNY 2006; YANEVA 2009). Zeitgleich finden sich in den Sozial- und Kulturwissenschaften Vorbehalte gegenüber einem "inflationären" Gebrauch des Labels "Ethnografie". Sogar hauseigene Kritiker/innen beklagen ein anything goes, Theorieferne und fehlende methodische Strenge (z.B. HAMMERSLEY 2008, besonders S.128-144; MARCUS 2008). Dem positivistischen Mainstream gilt Ethnografie ohnehin immer noch als selbstbezügliche, bloß literarische Kunstfertigkeit, die nicht zum wissenschaftlichen Fortschritt beitrage. So oder ähnlich stellt sich die Lage der Ethnografie derzeit dar. [2]
2. Einstiegshypothesen vor der Tagung
Für unsere gemeinsame Tagungsplanung hatten wir allgemeine Merkmale von Ethnografie solchen gegenübergestellt, die jeweils bestimmte Ethnografien auszeichnen. Heraus kam die folgende Skizze: In den Sozial- und Kulturwissenschaften steht die Ethnografie bis heute für eine Erfolgsgeschichte, die zugleich von teils vehementen Konflikten um den Status ihrer Beforschten, Repräsentationen und Konzeptualisierungen begleitet wird. Sie findet Zulauf als "Allheilmittel". Ethnografie verspricht Lösungen, wo ein Gefilde komplex, der Gegenstand allzu vertraut, das Fremde allzu unbekannt oder die etablierten Methoden allzu holzschnittartig erscheinen. Ihre Anpassungsfähigkeit an unterschiedlichste Problemlagen und Felder scheint der Ethnografie auch zum Nachteil zu gereichen. Letzteres spiegelt sich wieder in der Schwierigkeit, das ethnografische Alleinstellungsmerkmal zu bestimmen: ist es die Feldforschung, die einfühlende Beobachtungsweise, der variable Methoden-Mix etc.? [3]
Zuschnitt von Ethnografie und Praxis des Ethnografierens erschienen uns zwischen Ethnologie und Soziologie fundamental zu variieren. Unterschiede lassen sich bereits anhand der disziplinären Orientierungen begründen: auf Kultur oder Gesellschaft1); auf das Fremde oder das Verfremdete, auf Holismus oder Differenzierung. Auffällig ist, dass Ethnografie für Ethnologen/innen (E) oder Soziologen/innen (S) unterschiedliche Probleme löst: (S) Ethnografie erscheint den "im Eigenen" Forschenden als zeitgemäße und angemessene Antwort auf die Herausforderungen der spät- bis postmodernen Erosion vormaliger Gewissheiten, der "neuen" Unübersichtlichkeiten, der unhintergehbaren Mehrdeutigkeit allen Geschehens etc. Die Vollzugs- und Praxisnähe von Ethnografie stellt sich, so das Versprechen, derlei Wirrungen. (E) Den "in der Fremde"-Forschenden gilt sie als mittlerweile kanonisierte Antwort auf den überkommenen ethnozentristischen Blick, auf interkulturelle Missverständnisse, auf den propagierten "Kampf der Kulturen" oder auf die Ausgrenzung von Lebensformen, die sich nicht in den hegemonialen way of life fügen. Ethnografie fungiert hier, so das Versprechen, als Türöffner, Übersetzerin und Sprachrohr. [4]
Andere Unterschiede fallen auf, wenn wir – ausgehend von den Problematisierungen – die ethnografierten Gegenstände, den disziplinären Status ethnografischer Forschung und die üblichen theoretischen Register des Ethnografierens hinzuziehen. Für die Soziologie gilt Ethnografie als Ausdruck gleich verschiedener turns: des interpretative turn, des performative turn und des practice turn. Heute erfahren der Vollzugscharakter und die Situiertheit von Sozialität besondere Aufmerksamkeit und stellen eine Reihe "deduktiv verfahrener" Theorieprogramme (etwa die rational choice, den institutionalism, die system theory) infrage. Themen einer theoretisierenden Ethnografie sind nicht mehr vorrangig marginale Subkulturen (wie noch für die Chicago School), sondern Vergesellschaftungszentren wie naturwissenschaftliche Labore, Börsen und Banken, der Justizapparat, Medienanstalten und Parlamente, Software-Firmen, Kliniken und Schulen. Demgegenüber operiert die ethnologische Ethnografie in ihrem Fach außer Konkurrenz. Sie gilt als die Methode der Ethnologie, deren Auswahl für ein Forschungsvorhaben keiner gesonderten Erklärung bedarf. Es bedarf nicht der Abgrenzung zu anderen Methoden, der Anlehnung an bestimmte Kulturtheorien oder der Ausrichtung auf einen Gegenstandsbereich. Ethnografie dient als breite Klammer, die alle Erfahrung im Feld/zum Feld mitführt. Mehr noch, Feldforschung fungiert aus der Sicht der Community wie des Ethnologen bzw. der Ethnologin als Initiation. Die Ethnografie entspricht dann einem Leidensprozess, der die Person der Forscherin/des Forschers transformiert und ihre/seine Erkenntnisfähigkeit begründet. [5]
Unser Abgleich von soziologischer und ethnologischer Ethnografie erscheint heute, unter teils postdisziplinären Verhältnissen, als anachronistisch. Zu vermischt sind die Debatten und Schulen. Zur sehr finden sich Ethnograf/innen in Studies-Bewegungen wieder, die kaum noch nach disziplinärer Herkunft fragen, geschweige denn diese als Orientierungsmarken nutzen. Es läge also näher, das Feld der Ethnografie mittels trans- und interdisziplinärer Kategorien zu sortieren: subjekt- vs. praxisorientiert; alltags- vs. ereignisorientiert; studying up oder studying down. Es finden sich thematische Spezialisierungen jenseits von Soziologie und Ethnologie, inklusive präferierter Gegenstände, Theorien und Methoden. Im Angebot sind Technografie, Praxeografie, Mikroethnografie, Videografie etc. sowie die analytische, fokussierte oder lebensweltliche Ethnografie. Im angloamerikanischen Raum finden sich weitere Spezifikationen: etwa eine global ethnography oder eine multi-sited ethnography. Warum also beharrten wir auf der Differenz bzw. hielten sie für tragfähig? [6]
Mit der Tagung wollten wir Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Ethnografien diskutieren. Problem- und Themenfelder sollten dazu einladen, Mannigfaltigkeit und Ordnung zu artikulieren. Wir zitieren aus dem Call:
"Was unterscheidet und verbindet die Varianten der Ethnographie und was lernen wir daraus und voneinander?
Wie zeigen sich die Varianten hinsichtlich Feldzuschnitt, Handwerk und Handwerkszeug, analytischer Rahmung, präferierten Datenformaten
und Schreibstil? Wie werden Ethnographie-Innovationen anderer Disziplinen, etwa aus der Informatik, den Politikwissenschaften,
den S&TS [Science & Technology Studies], der Sozialpsychologie, der Pädagogik, etc. aufgegriffen?
Welche Rolle spielten und spielen sozial-, sprach- und/oder kulturwissenschaftliche Trends und Turns bei der Weiterentwicklung
der jeweiligen Ethnographie?" [7]
Ethnografie wird, so unser Verdacht, in der ethnologischen und soziologischen Aneignung mit unterschiedlichen Kategorien (Feldforschung, teilnehmende Beobachtung, Kulturanalyse) und Eigenschaften (qualitativ, holistisch, nicht standardisiert, methodenpluralistisch, analytisch, deskriptiv, emisch etc.) belegt. Sie erfüllt unterschiedliche innerdisziplinäre Funktionen und wird in Lehre und Forschung jeweils verschieden repräsentiert. Demgegenüber steht Ethnografie über die Disziplingrenzen hinweg in der Pflicht, immer wieder neu ihre "Stärken" zu demonstrieren: also tatsächlich dicht am jeweiligen Geschehen zu operieren, eigensinnige Perspektiven zu erschließen, verwickelten Zusammenhängen nachzuspüren und die Offenheit eines voraussetzungsarmen Forschungsprozesses auszuhalten (HIRSCHAUER & AMANN 1997). Die Stärken werden allerdings, so wiederum die Polarisierung, von Ethnologie und Soziologie verschieden akzentuiert. [8]
Wir wollten mit dieser Gegenüberstellung zweier ethnografischer Schulen/Stile eine Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen und Wirkungen ethnografischer Forschung forcieren. Die Polarisierung von ethnologischer versus soziologische Ethnografie sollte Vehikel der Auseinandersetzung und Selbstverständigung sein. Das Vehikel verliert allerdings dort an Schwung, wo interdisziplinäre und postdisziplinäre Ethnografien vorherrschen. So bricht sich im deutschsprachigen Raum die Idee einer ethnologischen Ethnografie schon an der uneinheitlichen Anthropologie und der disziplinären Differenz von Volkskunde und Völkerkunde. In der deutschen Soziologie wiederum finden sich vermehrt Öffnungen hin zur Anthropologie angloamerikanischer Prägung, hier insbesondere in den Studies-Bewegungen, etwa den Science & Technology Studies oder den Law & Society Studies. Als Impuls und Rahmen taugte allerdings die Differenz ethnologisch vs. soziologisch allemal, wie die Tagung zeigte. [9]
3. Die Tagung: ein Debatten zentrierter Bericht
Im Folgenden blicken wir auf die zweitägige Tagung zurück, in deren Verlauf die Leitdifferenz anhand von Themen- und Problemfeldern manchmal mehr, manchmal weniger aufgegriffen wurde. Unser Bericht versucht, den verschiedenen Positionen und Differenzen nachzuspüren, diese zu gruppieren und zu überblicken. Nicht immer, dies sei vorausgeschickt, decken sich diese mit der Leitdifferenz: ethnologische vs. soziologische Ethnografie. Beiträge waren also zuweilen "ethnografisch" jenseits dieser Unterscheidung. [10]
Insgesamt und erwartungsgemäß konnten während der Tagung weitere Begriffe von Ethnografie ausgemacht werden: methodische oder methodologische; Verstehen oder Erklären; humanistisch oder semiotisch etc. Die Varianten liefen auf eher weite und eher enge Ethnografie-Verständnisse hinaus: Einmal galt das Arsenal an Mitteln als ethnografisch, das ein Hineinversetzen in das kulturell Andere erlaubt; dann galt allein das soziale und körperliche Einfinden und Einleben der teilnehmenden Feldforscher/innen als ethnografisches Wissen. Korreliert die Ausweitung/Verengung mit dem Mainstream soziologischer und ethnologischer Ethnografie? Die verschiedenen Themen und Gesichtspunkte der Vorträge und anschließenden Diskussionen offenbarten vielschichtigere Differenzen. Die folgende nicht chronologische Auflistung versucht, diese Vielschichtigkeit abzubilden und in weitere Diskussionsbedarfe zu überführen: [11]
3.1 Epistemologischer Holismus vs. fokussierende Methodik – was wollen wir wissen
Aus der Perspektive eines zwischen Geschichte und Ethnologie verorteten Faches, der Europäischen Ethnologie, leistete SCHMIDT-LAUBER2) zu Beginn der Tagung eine Begriffsbestimmung des Ethnografischen. Sie skizzierte einen gemeinsamen Nenner der vielen Ethnografiebegriffe, der drei Dimensionen umfasst: die "Generierung empirischer Daten", die "Praxis des Schreibens und ein Format der Wissenspräsentation" sowie, als "wichtigste Begriffsdimension", "die erkenntnistheoretische Frage, wie und warum Wissen zustande kommt". In diesem Dreigestirn verortete sie die praktizierten Ethnografien der Gegenwart. SCHMIDT-LAUBER selbst vertrat eine akteurszentrierte Auffassung von Ethnografie, die die Notwendigkeit teilnehmender Beobachtung herausstellt. Als ethnografisch gilt ihr ein besonderer Zugang zum Akteurswissen:
"[...] die dichte, alltagsnahe und nuancenreiche Rekonstruktion der kulturellen Sinnhorizonte und Praktiken durch eine verstehende Forschungsperspektive und die Kontexte erkundende Annäherung des entdeckenden Forschers, die durch einen mikroanalytischen Zugang nahe an den Akteuren sowie den reflexiven Blick auf das Feld und die entstandenen Daten gekennzeichnet ist". [12]
Aus soziologischer Sicht kritisierte HIRSCHAUER3) diese Bestimmung als zu weit und zu defensiv. Das "verstehende Erschließen von Lebenswelten" eröffne einen "[Konsens], in dem nicht nur die historische und ethnologische Forschung Platz finden". Dieser Konsens verfehle das Alleinstellungsmerkmal von Ethnografie gegenüber anderen Zugängen: der teilnehmenden Beobachtung im (oftmals) "schweigsamen" Geschehen (HIRSCHAUER 2001). Die Betonung des Geschehens und seiner Schauplätze kontrastierte in der weiteren Diskussion mit einer Betonung des Feldes als lebensweltlichem Zusammenhang.4) [13]
Eine aufs Ganze zielende, holistische Feldforschung entzieht sich demgegenüber soziologischen Spezifikationen, die Feldforschung teilweise "lediglich" zur "Praxeografie5)" (HIRSCHAUER und auch SCHMIDT6)), zur "Soziografie" (KAUPPERT7) mit Blick auf LATOUR) oder zur "Technografie" (im Anschluss an die Laborstudien und die Workplace Studies; vgl. RAMMERT & SCHUBERT 2006) nutzen wollen. Von der differenztheoretisch geschulten Warte erscheint Kultur als schwer zu handhabende Untersuchungseinheit bzw. als unzeitgemäßes Konstrukt. Vonseiten des Holismus wird der Fokussierung auf Szenen, Organisationen oder Praktiken die Ausblendung des kulturellen Komplexes vorgeworfen. [14]
3.2 Hineinversetzen und/oder Teilnehmen – ethnografische Essentials
Konsens zeichnete sich dort ab, wo – im Kontrast zu manchen soziologischen "Verkürzungen" – die Dauer der Feldforschung als wesentliche Voraussetzung für ethnografisches Wissen gilt. Ethnografie sei eine betont langwierige Forschungsstrategie (inklusive der Umwege und "Investitionen des Feldforschers", wie ROTTENBURG8) hervorhob). Die Dimension des an den Bedeutungsgehalten einer kulturellen Gemengelage sich entlang hangelnden Fremdverstehens führte WIETSCHORKE9) vor – und zwar für eine historische Milieu- und Interaktionsstudie. Für WIETSCHORKE ähneln demnach die Archivarbeit und das Quellenstudium dem ethnografischen Feldzugang und der Analyse der Feldnotizen. Er markierte die Rekonstruktion von Praktiken, Weltbildern und Relevanzrahmen als "ethnografische Bewegung". Der Kommentar von HIRSCHAUER10) und die anschließende Debatte waren demgegenüber skeptisch: Es gebe keine Möglichkeit, allein aus Archivmaterial eine der Teilnahme analoge Einsicht in die "damaligen" Geschehnisse zu erlangen. Die historische Analyse sei, trotz der "einfühlenden" und "Kontext-sensitiven" Stoßrichtung der Textinterpretation, eben keine "Zeitreise". Die Differenz formulierte HIRSCHAUER kategorisch: "Nur ein teilnehmender Beobachter muss schreibenderweise auch Dinge überhaupt erst zur Sprache bringen, die noch nicht Sprache sind: stumme Praktiken, Materialität, tacit knowledge usw." [15]
Hier positionieren sich beide Seiten auf je unterschiedliche Weise in Bezug auf die Frage, wie eine "Nähe zum Gegenstand" herzustellen ist. Sie geben verschiedene Antworten: Für eine Ethnografie als empirische Sozialforschung treten Zugangsprobleme (Wie kann ich dabei sein?) in den Vordergrund; für eine interpretative Textwissenschaft geht es vor allem um Deutungsprobleme (Wie kann ich das verstehen?). Mit einer Zuspitzung des Problems des Fremdverstehens mitsamt der dazugehörigen Positionierung in der Frage ethnologischer vs. soziologischer Ethnografie schloss HITZLER11) seine phänomenologische Annäherung an das "Wachkoma":
"Wenn also soziologische und ethnologische Ethnographie unterschieden werden sollen, und wenn der Unterschied nicht unwesentlich in der Intensität des Erlebens des Fremden und im sich Einlassen auf das Leben mit dem Fremden sich manifestiert, dann leisten wir auch mit dieser Studie weit eher einen Beitrag einer 'Ethnologie der eigenen Gesellschaft', denn zur Soziologie im Sinne unseres disziplinären Mainstreams." [16]
3.3 Modi des Dort-Seins – zu den raumzeitlichen Bedingungen
Das unbedingte Erfordernis lokaler Kopräsenz der Feldforscherin bzw. des Feldforschers (HIRSCHAUER sowie SCHAREIKA) wird dort in Zweifel gezogen, wo die praktischen Bedingungen der Kopräsenz selbst zum Gegenstand der Feldforschung werden. Dies war der Fall in Feldern, die sich als transnational vernetzt (WOLFF & KÖNGETER12)), als gleichzeitig lokal und global (RÖMHILD13)), als multi-medial (KOCH14) sowie PFADENHAUER15)) oder auch als "multi-temporal" (WELZ16)) erweisen. Neben der heute abverlangten Mobilität von site zu site betonten insbesondere ethnologische Ethnograf/innen die Bedeutung der Dauer (und der darin sich entfaltenden intensiven, vertrauensvollen Dialogizität – so KLUTE17)). Nur so könne den komplexen Konstellationen von Feldern methodisch entsprochen werden. Grundsätzlich argumentierte ROTTENBURG (wie eingangs SCHMIDT-LAUBER) gegen die Reduktion der Ethnografie auf Methode: Ethnografie entziehe sich dem kontrollierten Forschungsplan und stifte unvorhergesehene Beziehungen und Einsichten. WELZ betonte die abverlangte Flexibilität der Feldforscher/innen auch im Hinblick auf die zeitlichen Parameter der Feldforschung. Nötig sei manchmal die schnelle "Pendelethnografie" zwischen Hier und Dort, manchmal der durch Vorwissen und technische Aufnahmekapazitäten flankierte "fokussierte Feldaufenthalt", dann wieder die langfristig stationäre Feldforschung. Dauerhafte Feldforschungsstätten böten neben dem Hineinfinden und Einleben auch Vergleichsmöglichkeiten in der Zeit: die Erfahrung soziokulturellen Wandels. WELZs Schluss18) unterstrich die prinzipielle Kontingenz von Feldforschung, die sich einer methodischen Kontrolle entziehe: "Feldforscher müssen heute die Bedingungen, unter denen sie immersiv und intensiv teilnehmen können an den Praktiken der Erforschten, selbst immer wieder neu herstellen." [17]
Damit gehe es, so WELZ, bei den Varianten der Feldforschung nicht um eine Soziologisierung im Sinne ausdifferenzierter Erhebungstechniken, sondern um eine nötige Reaktion der Forschenden auf die "Temporalisierung sozialer Praktiken der Akteure und Institutionen, für die sich Kulturanthropologen heute interessieren". Mit diesem Anspruch der "Gegenstandsangemessenheit" – die Fähigkeit, sich dem Feld anzuschmiegen, gleichsam körperlich und gedanklich einzupassen – wurde die Ethnografie über die vertretenen Disziplingrenzen hinweg konfrontiert. Er fungiert als zentrales und generelles Versprechen der Ethnografie. [18]
3.4 Vor Ort/im Feld – ethnografische Verortungen
Das Lokale wird in der Kopräsenz-Perspektive mit dem unmittelbar erfahrbaren, emergenten Geschehen gleichgesetzt. Im Primat des Feldes, z.B. in Forschungen zur Translokalität von Globalisierungsprozessen (RÖMHILD), wird hier hingegen die Gefahr einer analytischen Verengung gesehen. Das Feld sollte nicht auf eine Sozialität und eine Medialität komplexer Zusammenhänge reduziert werden. Das lokale Geschehen genießt demnach kein universelles Primat. Die ethnografische site – also der Lokus der Aktivität und ihrer Beobachtung – dient den einen als empirische Grundlegung sui generis ("teilnehmende Beobachtung" in situ), den anderen als Gegenstand ethnografischer Analysen ("zwischen Globalisierung und Lokalisierung"). Die Site wird außerdem von Ethnografie zu Ethnografie – praktisch, methodisch und literarisch – verschieden dimensioniert: teilweise als eingehegtes Territorium (ein Dorf, ein Camp), dann wieder als Platz (der Dorfplatz, der Treff) oder auch nur als "soziale Situation" (das Dorfgespräch, der Klatsch). SCHAREIKA schlug vor, die beobachtete site – ähnlich der radikalen ethnomethodologischen Interaktionsanalyse – als ein im Hier und Jetzt situiertes Vollzugsgeschehen zu konzipieren. Alle Kategorien (Ethnizität, Ethik, Kultur) blieben dann an eben dieses Geschehen gebunden, in dem sie ihre lokale Verwendung finden und Hervorbringung erfahren. Die Diskussion zu den Orten ethnografischer Forschung lieferte außerdem verschiedene Varianten der Beziehung von Feld und Forscher/in: BECK19) wies aus konstruktivistischer Perspektive darauf hin, dass das Feld erst eine Hervorbringung der Feldforschung (doing a field und problem scape) sei. KÖNGETER und WOLFF formulierten demgegenüber "realistische" Ansprüche an diese Feldkonstruktionen – und zwar mit Blick auf die jeweils vorfindbare und wirksame Perspektive der Teilnehmenden:
"Das Feld ist nicht mehr, wie in der klassischen Ethnografie, etwas Gegebenes, Einheitliches, ein an einem Ort lokalisierbarer und zeitlich stabiler Untersuchungsgegenstand; sondern es muss im Zuge der Feldforschung erst konstruiert und konstituiert werden." [19]
Und sie problematisierten die multi-sited ethnography (MARCUS 1995):
"Ein Nachteil besteht [...] darin, dass man bei insgesamt gleichbleibender Feldforschungsdauer die einzelnen Orte nur vergleichsweise kurz und oberflächlich untersuchen kann. Dadurch droht eine zentrale Stärke der ethnografischen Feldforschung verloren zu gehen. Typisches Resultat dieses Dilemmas sind irritiert umherwandernde Ethnologen auf der Suche nach ihrem Gegenstand." [20]
Ein klassisch-ethnologisches Szenario verwendete dagegen GRÄTZ20). Er rekurrierte auf lange Feldaufenthalte mit ihrem Problem der "Gewöhnung" der Forschenden und forderte, die Beziehungen zwischen Forschenden und Beforschten durch soziale, involvierende Experimente immer dann kreativ aufzubrechen, wenn sie zu erstarren drohten. Auf die praktischen Implikationen der ethnografischen Beziehungsarbeit machte SÖRENSEN aufmerksam. In ihrem Kommentar erinnerte sie an die Beanspruchung der Beforschten im ethnografischen Forschungsprozess. Was, so fragte sie, bringt den natives der Einbezug in Ethnografie? Welche weiteren sozio-materiellen Relationen lassen sich im ethnografischen Forschungsprozess kreativ aufbrechen bzw. variieren? KLUTE machte in seinem Plädoyer für eine ethnografische Supervision geltend, dass "involvierte" Informant/innen – vermittels ihrer Teilhabe am Forschungsprozess – eine jeweils eigene Agenda verfolgten, die aber oft erst aus distanzierter Warte überhaupt ersichtlich werde. [21]
3.5 Erfahrungen, Spuren, Dokumente – das Feld aneignen
Die Vorträge und Debatten verwiesen auf unterschiedliche Datenbedarfe und Datenbegriffe. Sie implizierten verschiedene Erhebungs- und Analysemethoden: eine hermeneutische Deutungskunst von raren Fundstücken; eine interpretative Verdichtung des Feldes aus einer Fülle von Wissen und Erfahrung; ein sequenzieller Nachvollzug aus fallbezogen registrierend erhobenen Daten; eine praxeologische Musterung von Verrichtungen und Vorgängen und einiges andere mehr. Die Tagung förderte damit eine Vielfältigkeit ethnografischer Aneignungen des Feldes quer zur Soziologie/Ethnologie-Differenz zutage. Entsprechend unterschiedlich waren die impliziten Anforderungen an die Datenerhebung, an die mehr oder weniger schwache oder starke Autor/innenschaft und an ein mehr oder weniger spezialisiertes Publikum21). [22]
Die Aneignungen, so die Beiträge, schlagen sich nicht nur in literarischen Stilen nieder, sondern zunächst in besonderen Datenbedarfen. Relevant wurden etwa die verstreuten digitalen Spuren von virtuellen Vergemeinschaftungen (KOCH), die Sammlung auch reflexiver Diskursdaten von Forscher/innen in transnationalen Räumen (KÖNGETER & WOLFF), der Zusammenschnitt minutiös-repetitiver Verkörperungen in flüchtigen Alltagsszenerien (MOHN & AMANN22)) oder die Privilegierung von Videoaufnahmen zur Fixierung multi-modaler Kommunikationsverläufe (MONDADA23)). [23]
Demnach sollen die ethnografischen Datenformate weniger methodischen Konventionen folgen, als vielmehr an die im Feld vorgefundenen und kultivierten Beobachtbarkeiten anschließen. Dass diese Daten dennoch auch Implikationen für den Feldzuschnitt haben, wird in den letzten Jahren vor allem in der Debatte um die virtuelle Ethnografie deutlich (KOCH). Ähnlich wie bei der historischen Archiv-Ethnografie stellt sich auch für "virtuelle" Ethnograf/innen die Frage, wie in dieser sozialen Situation im Internet eigentlich (und welche) Teilnahme und Erfahrung möglich wird. Das Ko-Präsenz-Erfordernis teilnehmender Beobachtung wird prekär, nicht weil das Feld vergangen ist, sondern weil im virtuellen Raum Synchronizität (KOCH sowie PFADENHAUER) vorherrsche.24) Derlei raum-zeitlich desintegrierte Felder, so der Fokus auf die Orte teilnehmender, ko-präsenter Beobachtung, markierten Grenzen der Ethnografierbarkeit. In Bezug auf Fremdverstehen (und hier trafen sich PFADENHAUER und KOCH) ließen sich auch virtuelle oder mediatisierte Felder durchaus "ethnografisch" erkunden: Die natives selbst – ihre Denk- und Handlungsweisen – würden dann die Site und womöglich auch der Gegenstand der Beobachtung. [24]
3.6 Visuelle Daten vs. Visualisierung – videografische Spielarten
Die Differenzen zwischen technikgestütztem Dokumentieren und erfahrungsgestütztem, literarischen "Erschreiben" akzentuierten sich in der Diskussion zur Visualität. Dabei divergierten Methoden zwischen einem Fokus auf das "Offensichtliche", dadurch aber "Übersehene" (MOHN und AMANN zu Labor- oder Schulpraktiken) und einem sequenziellen "Zerlegen" verkörperter Züge von institutionellen Interaktionen und ihrer weiteren Prozesse (MONDADA zu einem Beteiligungsverfahren in der Stadtplanung). Beide Perspektiven, obgleich jeweils ethnomethodologisch motiviert, liefern konträre Varianten visueller Ethnografie: Einmal gilt es, das, was Teilnehmende auch ohne Worte äußern, als Blickpraktiken in Anlehnung an GEERTZ (1983) dicht (auf-) zu zeigen; dann wieder geht es – in einer um das Körperliche/Materielle erweiterten Konversationsanalyse – darum, den Geschehensablauf in seiner Vollzugslogik zu erschließen. Forschungsstrategischen Zusammenschnitten von ähnlichen Gesten und Blicken etwa, die etwas erst ins Blickfeld rücken, stehen einzigartige Dokumente inkrementeller Sequenzen gegenüber, die füreinander als Vor- und Rückgriffe "Sinn machen". [25]
Bemerkenswert ist hier, wie beide Spielarten soziologischer und interaktionslinguistischer Ethnografie von ethnologischer Warte mit der Kritik eines mangelnden Kontextbezugs konfrontiert wurden. KNECHT kritisierte, dass MOHN und AMANN die "infrastrukturellen, materiellen und technischen Bedingtheiten von Blick" übergingen. KNORR CETINA25) beklagte für MONDADA einen großen Datenaufwand, der gleichsam die politischen (Macht-) Dimensionen des "partizipativen Verfahrens" schlucke. Das Kulturelle – nicht unbedingt die Sozialität – scheine durch Mikroskopie und Datenflut gleichsam unterlaufen oder unterboten zu werden. Beide Spielarten visueller Ethnografie wurden also vor allem als Mikroethnografie aufgefasst und debattiert. [26]
3.7 Durchgreifende vs. gehemmte Generalisierung – zur ethnografischen Relevanz
Mit der Mikroethnografie wurden insbesondere von KNORR CETINA26) Fragen nach der Aussagekraft ethnografischer Forschungsergebnisse angestoßen. Welcher Verallgemeinerungsgrad ist intendiert? Was für ein Wissen liefert Ethnografie in ihrer Eigenschaft als "macro-theory's classic antipode" (GLAESER 2006, S.77)? Und: Wie schließt dieses an Forschungsstände an? Thematisiert wurde hier eine Differenz im Hinblick auf die Reichweite von Aussagen. Ethnologische Ethnografie ist stärker darauf aus, ein Phänomen im Kontext des kulturellen Ganzen – in dieser Community oder dieser Assoziation (und zuweilen gar in dieser Kultur) – in den Blick zu nehmen; die soziologische Ethnografie formuliert dagegen den Geltungsbereich der Erkenntnisse von vornherein restriktiver, etwa, indem sie "nur" über bestimmte soziale Mechanismen – aber kaum mehr über deren gesellschaftliche Relevanz/Einbettung – räsoniert. Diese Differenzen entsprechen verschiedenen "Mikro-Makro-Links" (MEYER 2009). Interpretative Ethnograf/innen liefern Aspekte eines Bedeutungsgewebes (im Extrem: einer Kultur als Text), die immer schon auf ein (mehr oder weniger) großes Ganzes verweisen.27) Demnach ließe sich eine Kultur, bei allen Schwierigkeiten, (doch) anhand von Fundstücken, Artefakten, Szenen, Episoden etc. "entziffern". Ein Teil der soziologischen Ethnografie begnügt sich dagegen mit dem Auffinden von Regelhaftigkeiten oder Mustern in Praktiken, Prozessen oder Figurationen, die zudem ungenau lokalisiert werden.28) [27]
Einen Makrobezug führen auch solche (z.B. semiotische) Ethnografien vor, die die lokalen Beobachtungen auf einen komplexen, soziomateriellen, infrastrukturellen Zusammenhang beziehen. Demgegenüber verorten sich soziologische Ethnografien dezidiert zwischen einer Mikro- und einer Makroebene. Sie betonen die Eigensinnigkeit von Sozialitäten und ihren Soziologiken (Mechanismen, Organisationen, Verfahren) sowie die mittlere Reichweite ihrer Beobachtungen, bezogen auf das umfassendere Feld. Dies wurde im Vortrag von WOLFF und KÖNGETER deutlich, die nicht etwa Kulturen oder Felder, sondern lediglich Spielarten transnationaler Beziehungen "dazwischen" charakterisierten. Modi der Verallgemeinerung wurden auch dort deutlich, wo etwa die virtuelle Ethnografie ("Netnografie") auf neue kulturelle Formen und Modi der Vergemeinschaftung zielt (KOCH), während der lebensweltliche Nachvollzug mediatisierter Praktiken nach dem subkulturellen Status etwa für eine Jugendgruppe oder Szene (PFADENHAUER) fragt. Generalisierung erscheint manchmal als mitlaufende ethnografische Einsicht, manchmal als disziplinäre Zumutung. Angesichts der "Rückkehr des Sozialen" (RÖMHILD) machte SCHMIDT29) hier eine von teils ethnologischen, teils soziologischen Ethnografien geteilte Herausforderung aus: "Es muss ermittelt werden, ob und wie auch die Kontexte der beobachteten sites und settings, ob und wie ihre Verknüpfungen, Infrastrukturen, Verkettungen und Vernetzungen ethno- oder praxeografisch erschlossen werden können." [28]
Die aus unterschiedlichen sozial- und kulturtheoretischen (intradisziplinär variierenden) sowie aus unterschiedlichen Fachgeschichten resultierenden (interdisziplinär variierenden) Ansätze der Ethnografie sind schwer vergleichbar. Dies nicht, weil es keine/kaum Unterschiede gäbe, sondern – so unser Verdacht – weil die Unterschiede so tief greifend und grundlegend sind. Dieser Verdacht nährt sich aus der Beobachtung, dass Ethnograf/innen wohl ein geteiltes Set an Begriffen verwenden, dieses Vokabular aber unterschiedlich benutzen. Augenfällig ist dies dort, wo "wie selbstverständlich" von Feld (field), von den Orten teilnehmender Beobachtung (sites) oder vom Gegenstand der Forschung (matter) die Rede ist. Hier sei wiederum der – im Verlauf der Tagung wiederholt diskutierte – Grenzfall der historischen Ethnografie WIETSCHORSKEs angeführt: Während das Feld kulturell bestimmt wird (ein Milieu in der Weimarer Republik), dient als Stätte der Beobachtung allein das Archiv mit seinen Quellen. Der Gegenstand bezieht sich dann auf eine Episode der vergangenen Kultur, die vermittels der Interpretation von Fundstücken "gehoben" wird. [29]
Bei der Durchsicht der Vorträge und Kommentare fällt also auf: Die Relation aus einem mehr oder weniger hermetisch eingehegten kulturellen oder sozialen Feld (F), den Orten, Stätten und Stellen des mehr oder minder teilnehmenden Beobachtens (S) und des mehr oder minder scharf zugeschnittenen Forschungsgegenstandes (G) gestaltet sich jeweils unterschiedlich. So sieht es eine holistische Ethnografie gerade als ihre Stärke, F-S-G (fast) immer wieder miteinander abzugleichen und bisweilen sogar synonym zu verwenden30), gerade um die inneren (auch methodologischen) Beziehungen zwischen diesen Dimensionen aufzudecken. Hier wäre das ethnografische Feld identisch mit einer Kultur (etwa "die Trobriander"), die der Ethnograf/die Ethnografin im natürlichen Lebensumfeld – also bei/unter ihnen (und sei dies multi-sited) – aufsucht und der partikularen Kulturalität ihrer Handlungsmuster, die er/sie zum Gegenstand erhebt. In der fokussierend operierenden Ethnografie hingegen charakterisiert/repräsentiert eine ausgewählte Site (S) das ganze Feld (F).31) Diese Site wird en detail beforscht, um zentrale Parameter und Leistungen ihres "Betriebs" (G) zu bestimmen. [30]
Die teilnehmende Beobachtung wird im soziologischen Design als notwendig selektiv erachtet und als solche analytisch begründet (z.B. als praktische Grundlegung, als obligatorischer Passagepunkt, als Erfahrungsschatz oder Karrierestufe). Die Beziehung zwischen Erfahrungsdaten und Geltungsanspruch wird über Strukturähnlichkeiten (z.B. "Y ist ganz ähnlich wie X"), Hypothesen generierende Schlüsse (z.B. "Y stellt eine notwendige Bedingung für X dar") oder Generalisierung (z.B. "X ist ein Fall von Y") hergestellt. In beiden Dimensionen bleibt auch deren Ungültigkeit greifbar (z.B. unähnlich, irrelevant oder deviant). Die ethnologische Ethnografie vermeidet Vorab-Selektionen. Sie entdramatisiert einmal vorgenommene Selektionen mit Verweis auf eine repräsentative Normalität (etwa "dortige" Informant/innen, Rituale oder Symbole), die einen Einblick in dortige Kultur als kollektive Lebensform, als "Regelmäßigkeit" bzw. "Praxismuster" (SCHMIDT) verspricht. Das im Fremden zu entdeckende "Andere" findet sich demnach als kulturelles Grundmuster in verschiedensten Aspekten. [31]
Diese Kontrastierung spitzt die Problematisierungen zu, die den ethnografischen Anordnungen zugrunde liegen und als dominierendes Forschungsinteresse, als Leitmotiv, als Wissensdrang erscheinen. In inter- oder transdisziplinären Zusammenhängen treten sie dabei weniger hermetisch auf. Hier schaffen sozial- und kulturwissenschaftliche – linguistic, performative, practice – turns geteilte Problematisierungen und eröffnen dazugehörige Bearbeitungsstrategien. Doch Ethnografie reagiert nach wie vor auch auf disziplininterne Problemlagen: In der Soziologie war dies ein Impuls gegen eine "praxisferne" Meinungsforschung und Institutionenanalyse und hin zu den "Hinterbühnen" oder "Werkstätten" des Sozialen; in der Ethnologie pflegt die Ethnografie ein besonderes Maß an Reflexivität, um sich vor dem kolonialen Gestus und einer hegemonial-paternalistischen Aneignung des Anderen zu bewahren.32) Zudem stellt sich ihr das Problem, stabile kulturelle Differenz im Gewirr des Alltäglichen zu identifizieren. Kultur und Sozialität sollen in beiden Fällen "from the native's point of view"33) erschlossen werden. Es wurde deutlich: Die Ethnografien tradieren Strategien und Darstellungen zur Selbstlegitimierung. Der interdisziplinäre Dialog wirkt hier aufklärerisch; er demonstriert die Beschränktheit der eigenen Problemlösungs-Formeln. [32]
Die dargestellte Trias aus Feld, Site(s) und Gegenstand dient uns in der Folge nicht nur als Leseanleitung für ethnografische Studien und als Vergleichsfolie für ethnografische Schulen, sondern auch als Orientierungshilfe, um die vielmals punktuell ansetzenden Innovationen auszubuchstabieren. Die Trias im Gebrauch zu explizieren kann zur interdisziplinären Verständigung ebenso beitragen wie zur Entwicklung von Gütekriterien und zur didaktischen Vermittlung der ethnografischen Kunstfertigkeit. Dabei suchen wir nicht nach der ultimativen Zusammenstellung von Feld, Site und Gegenstand. Ziel ist es vielmehr, eine symmetrische Verständigung – jenseits einer disziplinären Hegemonie – zu entwickeln. Es stellt sich damit die Aufgabe, die angewandten Austarierungen von F-S-G nachzuvollziehen. Dies schließt die Kritik von Leerstellen ebenso ein wie das Experimentieren mit Alternativen. Für eine Folgetagung bzw. weitere Debatten könnte die Trias aus F-S-G weiterführende Fragestellungen anleiten. [33]
5. Die Folgetagung: "Ethnografische Anordnungen: Feld/Site(s)/Gegenstand"
Die aus der ersten Tagung entwickelte Triade aus Feld, Site und Gegenstand halten wir für geeignet, um unterschiedliche Ethnografien und ethnografische Schulen analytisch zu differenzieren. Gleichzeitig wird die Anwendung der Trias auch die Begriffe selbst wiederum schärfen und entwickeln. Mit der Trias als Vergleichsmatrix kann außerdem die Auseinandersetzung über Wesen und Qualität von Ethnografie über Disziplingrenzen hinweg forciert werden. Die Trias offenbart blinde Flecken der ersten Tagung. Kaum eine Rolle spielten: die ethnografischen Gegenstände und ihre Konstruktion; (vergleichende) Ethnografien mit mehr als einem Feld; Verschiebungen zwischen Feld/Site(s)/Gegenstand im Forschungsprozess. Im Einzelnen sollen die folgenden Aspekte ins Zentrum der Vorträge und Kommentare bzw. Diskussionen gerückt werden. [34]
Die Ethnografie nimmt für sich in Anspruch, sich intensiver als viele qualitative Methoden34) oder standardisierte quantitative Methoden auf die Einzigartigkeit ihrer Gegenstände einzulassen und prozessual an dieser auszurichten. Hierzu bedarf es, wie BECK kommentierte, einer "Poiesis der Entdeckung", also einer "spezifischen Figuration von Sensibilität, Offenheit, systematischer Skepsis gegenüber eigenen Vorannahmen und scheinbaren Selbstverständlichkeiten sowie theoretische und moralische Überzeugungen". Der Begriff der "Gegenstandsangemessenheit" fiel bei der vergangenen Tagung immer dort, wo über Leistung und Anspruch der Ethnografie räsoniert wurde. Aber was ist damit gemeint? NIEWÖHNER35) warb für eine "Kultur der Achtsamkeit" gerade im Verhältnis zum Gegenstand der Ethnografie. WOLFF forderte, dass die Ethnograf/innen ihre Begriffe, Konzepte und Themen immer wieder auf die praktischen Orientierungen der Erforschten zurückbeziehen sollten. SCHMIDT-LAUBER führte den Alltag dort an, in dessen Verlauf Feldforschende erst sukzessive auf ein eigensinniges Feld eingestellt würden. Feldforscher/innen würden erst vor Ort justiert und geeicht: als Zuhörer/in, Schreiber/in, Archivar/in, Tonmeister/in etc. HIRSCHAUER vertraute den Feldforscher/innen gerade solche "impliziten" oder "stummen" Gegenstände an, die ansonsten der Sprech- und Textfixiertheit der qualitativen wie quantitativen Methoden zum Opfer fielen. Ethnolog/innen (ROTTENBURG, KLUTE) griffen dagegen gerade auf Dialog-, Verstehens- und Übersetzungskonzepte zurück, um Gegenstandsangemessenheit zu demonstrieren: erst am allzu Fremden erweise sich die Leistungsfähigkeit von Ethnografie. [35]
Folgende begriffliche Varianten sind damit aufgerufen:
Ein empiristischer Realismus wurde von allen Beteiligten vermieden oder verworfen. Gleichwohl gären in der Ethnografie "realistische" Ausweichkonstrukte, wie die "Widerständigkeit des Gegenstandes", die "Justierung des Feldforschers" oder die "Bewährung von Interpretationen". Wie stark und auf welche Weise kontrolliert die Verfasstheit des Gegenstandes tatsächlich "unsere" Resultate?
Gegenstandsangemessenheit ist ein Anspruch, den jedwede empirische Forschung für ihr Vorgehen reklamiert. Der Anspruch wird z.B. über Strategien der Nachjustierung des Interviewleitfadens in der Meinungsforschung oder von Gesprächsstrategien in der Biografieforschung begründet. Inwiefern ist dann Gegenstandsangemessenheit im Verhältnis zu ihren Gegenständen und im Gegensatz zu anderen Forschungsstrategien tatsächlich ein Alleinstellungsmerkmal der Ethnografie?
Die Frage der Gegenstandsangemessenheit stellt sich nicht nur in der Frühphase der Datenerhebung oder der Feldforschung, sondern auch im Hinblick auf die literarischen Strategien, Nähe und Authentizität zu demonstrieren. Welche Techniken werden jeweils angewandt, um Gegenstandsangemessenheit als Prozess im Forschungsverlauf transparent zu machen, also auch Phasen der Unangemessenheit anzuführen oder Interaktionen zwischen Gegenstand-Forscher/in nachvollziehbar zu machen? [36]
Insgesamt wird in der Folgetagung eine Gegenstandsnähe der Vorträge, wie sie etwa HITZLER demonstrierte, erforderlich sein, um diese methodologischen und epistemischen Fragen anschaulich zu verhandeln. [37]
5.2 Die Ethnografie-Tauglichkeit der Felder
Debatten während der ersten Tagung lassen erahnen, dass Felder sich unterschiedlich gut – oder auch gar nicht – für eine ethnografische Aneignung eignen. So wurden neuartige, vermeintlich Ethnografie-affine Anwendungsbereiche (etwa Marketing oder Trendforschung) angeführt. Manche Felder zeichnen sich demnach gar durch eigene, der Ethnografie nachempfundene Praktiken der Selbst-Beobachtung und Selbst-Beschreibung aus: z.B. "Elterntagebücher im Netz" oder praxisnahe Selbstevaluationen.36) Eine Ethnografie-Tauglichkeit wurde aber insbesondere anhand von Grenzfällen thematisiert: solchen Feldern, die keinen Zugang gewähren, oder Gegenständen, die sich nicht in Worte fassen lassen. Unsere Frage für die Folgetagung bündelt die verschiedenen Positionen: Welche Eigenschaften erfüllen Felder, um ethnografierbar zu sein? Welche Felder bleiben entsprechend außen vor? Wie sind taugliche Sites gestaltet?
Die Tauglichkeit des Feldes diskutiert die Ethnografie vor allem mit Blick auf den Feldzugang. Auch auf der Ebene der "natürlichen Daten" und der jeweiligen Beobachtbarkeit lassen sich Felder als mehr oder weniger tauglich beschreiben. Hier sind Beiträge zu den Grenzen der ethnografischen Herangehensweise instruktiv: etwa zu den globalisierten, komplexen, "rasenden" Finanzmärkten (KNORR CETINA 2001), zu ethisch aufgeladenen, transzendentalen Phänomenen wie den "Wachkoma-Patient/innen" (HITZLER) oder schlicht und einfach zur Abwesenheit von Ausdruck: zum Nichtstun, Schlange stehen, Schweigen bzw. zu anderen Phänomenen, die für die Akteure selbst "noticeably absent" (SACKS 1992, S.293-94) sein mögen, für den Feldforscher bzw. die Feldforscherin aber zunächst gar nicht beobachtbar sind.
Die Frage nach der Ethnografietauglichkeit stellt sich auch dort, wo (ausladende, verwinkelte) Felder gar nicht mehr von einzelnen Feldforscher/innen "begangen" werden können. Die Tauglichkeit impliziert bestimmte epistemische Produktionsweisen und damit Beziehungen zwischen dem Feld und seiner Ethnografie. Inwieweit verändern neue Arbeitsformen die Tauglichkeit von Feldern: etwa die "kollaborative Feldforschung" (KLUTE in Referenz zu MARCUS, z.B. 2007), die "doppelte Ethnografie" (KLUTE) oder die "Experimente", wie sie GRÄTZ anführte? Inwieweit wird Ethnografietauglichkeit damit "lediglich" zum Effekt unserer Methoden?
Mit den inhärenten Beschränkungen bzw. den Grenzen von Ethnografie stellt sich außerdem die Frage nach der angemessenen Arbeitsteilung in homogenen wie gemischten Forschungsteams (KLUTE). So bieten ethnografische Teams womöglich eine praktikable Antwort auf die multi-sitedness vieler Felder. In multi-methodischen Teams – z.B. einer Enquete- oder Sozialberichterstattung37) – kann ein ethnografisches Teilprojekt womöglich exklusive Fragestellungen übernehmen. Wie aber funktioniert Ethnografie im Konzert mit anderen Herangehensweisen? Welche Bedingungen sind zu erfüllen, um im Rahmen einer Feldforschung – im Sinne des von einigen Ethnograf/innen vertretenen ethnografischen Methodenpluralismus – sinnvoll Diskursanalyse, Netzwerkanalyse, biografische Interviews oder standardisierte Meinungsforschung einzusetzen bzw. zu praktizieren? [38]
5.3 Die Zeitverhältnisse von Ethnografien
Stätten als Orte wurden in ihrem Raumbezug und als Lokalität ausführlich diskutiert. Es ist aber nicht zu verleugnen, dass Sites auch eine stark temporale Dimension haben. So ist Ethnografie z.B. so gut wie immer Erinnerungsarbeit.38) Sie versucht zumindest, eine Feldforschung als vergangene Gegenwart auferstehen zu lassen. Dieser Gegenwartsbezug versichert für die soziologische Ethnografie Einblicke in die Normalität, in "unsere Zeit" und letztlich in die (begrenzte) Moderne. Dabei vermitteln Begriffe wie "Mediatisierung" oder "Globalisierung" auch die Vorläufigkeit und Flüchtigkeit ethnografischer Zeitdiagnosen. Für die klassische Ethnologie implizierte sie eine Zeitreise in vollkommen fremde Lebensformen und die Möglichkeit, Kultur im Vergehen festzuhalten. Dies änderte sich mit dem Funktionalismus von MALINOWSKI und später mit einer stärkeren Hinwendung zur prozessualen Anthropologie. Die Frage "When is the field?" (SCHEFFER 2010, S.37) fokussiert demgegenüber auf die Temporalisierungen eines Praxis- und Funktionszusammenhangs. In welchen Rhythmen erwachsen Bewegungen, Fälle oder Konflikte? Insgesamt verdient – in DURKHEIMscher Tradition – die zeitliche Verfasstheit einer Kultur oder sozialen Praxis Aufmerksamkeit:
Entsprechend erscheint es vielversprechend, das im ersten Teil diskutierte ethnografische Erfordernis der Ko-Präsenz im Lichte eines vermeintlichen Präsenz-Bias praxeologischer Ethnografie39) zu reformulieren. Welche systematischen Folgen für das Ethnografieren haben hier das Feld strukturierende Zeit-und-Raum-Distanzen? Wie kann sich die Feldforschung in solche Zeiträume "einklinken"?
Die varianten Zeitverhältnisse können auf eine weitere Fragmentierung, eine Arbeitsteiligkeit oder einen Koordinationsbedarf des untersuchten Kollektivs aufmerksam machen. Bestimmte Rituale (der Passage oder Zyklen), Praktiken (Warten, Archivieren, Erinnern) und Handlungsketten (Übergaben, Delegation, Repräsentation) entsprechen und performieren Zeiterfordernisse – und erfordern andere "überbrückende" Bewegungen und Methoden der Feldforschung.
Feldnotizen sind Spuren früherer Vorkommnisse. Dieser Vergangenheitsbezug wird dort thematisiert, wo Feldaufenthalte permanent oder wiederkehrend ausfallen. Doch was bedeutet das für ethnografische Daten? Sind sie bereits mit ihrer Erstellung Vergangenheit und damit – wenn sie Jahre später publiziert werden – heillos veraltet? Wie vergewissern sich Ethnograf/innen der andauernden oder schwindenden40) Gültigkeit von Kulturmustern? [39]
Über alle Dimensionen der Trias hinweg stellt sich die Frage nach der ethnografischen Erfahrung. In der soziologischen Ethnografie erscheinen Feldnotizen, Beobachtungsprotokolle und Live-Aufnahmen als Masterdaten. Hier dominieren Geschehensdaten: die Fixierung des sonst Flüchtigen. In der Ethnologie vermitteln und verdichten das Feldforschungstagebuch, Gesprächs- und Interviewprotokolle sowie kulturelle Objekte die Erfahrung des komplexen Dort-Seins. Die ethnologische Ethnografie präferiert das Eintauchen in die Fremde und die Spuren, die dieses Eintauchen hinterlässt. Insbesondere Gesprächs- und Interviewdaten verweisen für Soziolog/innen wiederum auf bestimmte theoretische und methodologische Implikationen etwa der hermeneutischen Wissenssoziologie oder des Pragmatismus. Was also als Empirie des Feldes gilt, ist höchst umstritten. Die Erfahrungen der einen sind die Konstrukte der anderen; die Daten der einen sind die Aneignungen der anderen. Was implizieren die Konventionen des Empirischen für den Zuschnitt von Feld, Site und Gegenstand?
Die Reflexionen zur visuellen Ethnografie finden Parallelen im Umgang mit Feldnotizen und Feldforschungstagebüchern. Mitunter gelten sie als unantastbare Originale, dann wieder werden sie verfeinert, zerlegt, kombiniert etc. Ähnliches gilt für Gesprächsprotokolle: Sie verraten Interpretationsweisen und Wissensbestände oder sind "lediglich" Dokumente einer eigensinnigen Interaktion. Wie sind die Spuren beschaffen, dass sie Anknüpfungen erlauben? Und welche schließen sie aus?
Multiperspektivität und Methodenmix gelten als Stützen des gegenstandssensiblen, ethnografischen Forschungsprozesses. Zusätzlich vermittelt die flache Hierarchie von Erfahrung (in der Fremde) und Analyse (zuhause) ein Orientierungswissen, das beim Fremdverstehen hilft (ELWERT 2003). Doch bedarf es hierzu überhaupt Daten im soziologischen Sinne? Sind die Stücke nicht vielmehr Hinweise für einen Erfahrungsschatz, der erst das Fremdverstehen ermöglicht?
Was und wie lässt sich daher vom Vorgehen der jeweils anderen Disziplin lernen? Soziologische Ethnografien z.B. von Behörden oder Unternehmen nutzen eine Vielzahl sog. "natürlicher Daten" wie Formulare, Entscheidungsprotokolle, Akten, E-Mails etc. Die ethnologische Ethnografie wiederum widmet sich seit jeher kulturellen Fundstücken und Objekten. Weniger Beachtung finden jeweils Medienberichte, Dokumentarfilme, veröffentlichte Biografien etc., die von "unwissenschaftlicher Stelle" über das Feld berichten. Wie ließ sich dieses "konkurrierende" Wissen für eine interpretative Durchdringung bzw. einen praxeologischen Nachvollzug mobilisieren?
Insgesamt ist die Rolle der Statistik im ethnografischen Forschungsprozess noch nicht systematisch behandelt. Dies stellt insbesondere dort einen Mangel dar, wo schon die Deskriptivstatistik die Relation von Site und Feld spezifizieren könnte. Welche Verwendungen bieten sich darüber hinaus an? Wie orientieren/kontextualisieren Statistiken ethnografisches Wissen? Und wann werden Quantifizierungen – wie in der ethnomethodologischen Wissenschaftsforschung – selbst zum Gegenstand der Rekonstruktion?
Verstörend auf die soziologische Ethnografie wirkt die Daten-Skepsis der ethnologischen Ethnografie. Demnach würde der Objektcharakter des Datums, seine dauernde Verfügbarkeit, Aneignung und wiederholte methodische Manipulierbarkeit nicht nur bezweifelt, sondern auch grundlegend kritisiert. Der dialogische, aktuale und indexikale Charakter von "Daten" soll demnach nicht etwa "überschrieben", sondern fortgesponnen und übersetzt werden. Ist angesichts einer solchen Zurückweisung von Datum und Methode41) eine disziplinübergreifende Verständigung über ethnografische Standards und Gütekriterien möglich? [40]
5.5 Ethnografisches Vergleichen
Ethnologische wie soziologische Ethnografie öffnen sich nur zögerlich (wieder) dem Kultur- oder Gesellschaftsvergleich.42) Nur wenige soziologische Ethnografien operieren mit mehreren kontrastierenden Feldern.43) Andererseits verwenden (nicht nur) Ethnografien stets implizite Kulturvergleiche: indem sie das Fremde vermittels des Eigenen explizieren; indem sie diachrone Vergleiche zwischen früher/heute (WELZ) vornehmen oder indem sie analytisches Vokabular, das auf anderen ethnografischen Beschreibungen basiert, ans neue Feld herantragen. Weitere Vergleichsdimensionen sind normativer oder kritischer Natur: Sie kontrastieren Ist-Zustände und Soll-Vorstellungen. Entsprechend verwundert, dass diese Dimension während der Tagung nicht debattiert wurde. Es gab gleichwohl verstreute Hinweise auf deren Relevanz: etwa, dass Ethnografie immer schon kulturelle Übersetzung einschließt (ROTTENBURG); dass Ethnografie immer Fremdheit und Vertrautheit relationiert (HEIN44)); dass Ethnografie Fälle sammelt und feldinterne Fallvergleiche organisiert (WOLFF). Diese komparativen Dimensionen spitzen sich zu, wo ganze Felder in Vergleiche einbezogen werden (sollen):
Im impliziten Vergleichen werden die Folgen für die Relationierung von Feld und Gegenstand nur angedeutet. Die Grenzen der Vergleichbarkeit scheinen verdeckt. Explizite Vergleiche schaffen hier Kontroll- und Kritikmöglichkeiten für das Publikum. Was leisten aber explizite Vergleiche im Hinblick auf Gegenstandsangemessenheit und Feldzuschnitt?
Eine anspruchsvolle Aufgabe besteht darin, über die vielgestaltigen Sites und Datentypen hinweg ein Maß an Vergleichbarkeit herzustellen. An dieser Stelle wird von Ethnograf/innen oftmals Unvergleichbarkeit und die Inkommensurabilität von sowohl Feld- als auch Wissenschaftsdiskursen konstatiert. Was lässt sich demgegenüber zwischen der Vergleichbarkeit und einer Unvergleichbarkeit ethnografisch wissen?
Diese allgemeinen Erwägungen werfen wieder einen Blick auf die Differenz von ethnologischer und soziologischer Ethnografie. So erscheint letztere weniger vorsichtig, wenn es um die Konstruktion von – womöglich gar hierarchisierenden – Kontrasten (etwa modern vs. traditional) geht, während die erstere bereits die Identifikation von Vergleichsparametern für eine nach wie vor ungelöste empirische Aufgabe hält. Aber wie vergleichen die Disziplinen überhaupt unterschiedlich (MATTHES 1992)? Und gibt es auch geteilte ethnografische Modi des Vergleichens? [41]
5.6 Alternative Leitdifferenzen
Die Leitdifferenz der Tagung war tragfähig und produktiv. Es handelt sich allerdings nur um eine neben anderen Leitdifferenzen im sozial- und kulturwissenschaftlichen Spektrum. So erscheint etwa der Einfluss einer geistes- gegenüber einer sozialwissenschaftlichen Orientierung tief greifend. Der Unterschied zwischen einer an praktischen Relevanzen und einer an (u.a. Text-) Bedeutungen interessierten Ethnografie wurde ebenso deutlich. Erstere sieht sich eher mit Datenlücken, letztere mit Übersetzungsproblemen konfrontiert. [42]
Die sonst übliche Differenz von Fremdheit/Vertrautheit wurde während der Tagung nur am Rande bemüht. HEIN nutzte das Begriffspaar, um soziologische und ethnologische Leitprobleme ("das Fremde im Eigenen" bzw. "das Eigene im Fremden") zu unterscheiden. Dies bleibt umstritten, wo auch die Europäische Ethnologie mit fremden Kulturen und Traditionen ringt, während außereuropäische Ethnolog/innen nicht selten in den "Zitadellen der Moderne" (z.B. in Unternehmen oder NGOs, vgl. ROTTENBURG 2007) und Soziolog/innen in jeweils möglicherweise "befremdlichen" Subkulturen forschen. Deutlich wurde, dass Fremdheit und Vertrautheit keine stabilen Attribute im Kulturkontakt sind, sondern für Situationen ebenso variieren wie für Professionen oder Institutionen. [43]
Vor diesem Hintergrund zeichnet sich auch eine andere Begriffsverwendung soziologischer und ethnologischer Ethnografie ab: Statt disziplinärer Lager markiert die Differenz womöglich "soziologische" oder "ethnologische" Stile, die unter Feldforscher/innen selbst nicht einheitlich und durchgehend Verwendung finden. Die Trias Feld-Site-Gegenstand wäre dementsprechend kleinräumiger anzuwenden als es der Dualismus des Tagungstitels signalisierte. Letztlich ginge es um eine Auflösungsschärfe, die bis hinunter auf einzelne Ethnografien eine Zuordnung vornimmt. [44]
5.7 Implikationen für die Lehre
Schlussendlich ergibt sich die besondere Herausforderung, die Erkenntnisse für Studierende und für die Lehre zugänglich zu machen. Dabei sollte der Debattencharakter der Beiträge – Vorträge und Kommentare wechselten einander ja ab – durchaus beibehalten und didaktisch eingesetzt werden. Die Debatte vermag anders noch als monologische Beiträge die neuralgischen Punkte des ethnografischen Forschungsprozesses hervorzuheben. Mit dem analytischen, heuristischen Schema kann die Folgetagung außerdem einen Beitrag zur anschlussfähigen Explikation der Architektur und Praxis der jeweiligen ethnografischen Forschungsprozesse leisten. Debatte und Explikation bieten die Möglichkeit zur Disziplinierung, die zwischen 1. einem Learning by Doing (BECK), 2. einem Schulendiskurs unter (möglichen) Lehrenden und 3. einem ethnografischen Kanon angesiedelt ist. Dabei empfiehlt sich auch und besonders für Lehrzwecke, die debattierten Modelle und Argumente anhand von ethnografischer Empirie und von Beispielfällen vorzuführen. [45]
Eine zweite Tagung soll dazu dienen, einerseits die weiterführenden Fragen zu klären, andererseits die Antworten auf der Grundlage der bisherigen Diskussionen zu systematisieren. Diese Systematik bzw. die Trias aus F-G-S soll es uns ermöglichen, Ethnografien nachhaltiger als bisher zu kontrastieren und zum Ausgangspunkt von methodischen, methodologischen und theoretischen Innovationen zu erheben. Entsprechend sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Folgetagung angehalten, ihre Positionen im Lichte ethnografischer (Forschungs-) Erfahrungen zu entfalten und anhand der Trias (oder möglicher Abwandlungen) zu explizieren. Diese Bemühungen sollen uns in die Lage versetzen, eine fundierte Position zur Situation, zu den Grenzen und zu Perspektiven von Ethnografie zu erarbeiten. [46]
1) Entsprechend stellten KROEBER und PARSONS schon 1958 in ihrem Positionspapier zur Arbeitsteilung zwischen Soziologie und Anthropologie fest: "[...] society and culture represent distinct, irreducible disciplinary horizons of sociology and anthropology" (S.582). Die Ethnografie wurde dabei weder einer Disziplin oder einem Gegenstand zugeschlagen noch mit einer Disziplin assoziiert. <zurück>
2) In ihrem Vortrag Feldforschung als Trend und Programm (21.5.). <zurück>
3) In seinem Diskussionsbeitrag zu SCHMIDT-LAUBERs Vortrag. <zurück>
4) Wir erinnern an GEERTZ' viel zitierte Formulierung: "The locus of study is not the object of study. Anthropologists don't study villages (tribes, towns, neighbourhoods ...); they study in villages" (1973, S.22). <zurück>
5) Den Begriff hatte MOL in ihrer Krankenhausethnografie (2002) verwendet. <zurück>
6) In seinem Diskussionsbeitrag zu SCHAREIKAs Vortrag zum Thema Ethnographie von Kultur in Aktion (21.5.). <zurück>
7) In seinem Vortrag Die Repräsentationen ethnographischer Krisen (21.5.). <zurück>
8) In seinem Vortrag Teilnehmende Beobachtung als Investition (21.5.). <zurück>
9) In seinem Vortrag Historische Ethnographie: Möglichkeiten und Grenzen eines Konzepts (22.5.). <zurück>
10) Kommentar zu WIETSCHORKE (22.5.). <zurück>
11) In seinem Vortrag Ethnographische Zugänge zum "Wachkoma" (22.5.). <zurück>
12) In ihrem Vortrag Zur Praxis transnationaler Ethnographie (22.5.). <zurück>
13) In ihrem Vortrag Die Rückkehr des Lokalen. Zum ethnographischen Kosmopolitismus (21.5.). <zurück>
14) In ihrem Vortrag Virtuelle Welten – Wie flexibel ist die Ethnographie? (21.5.). <zurück>
15) In ihrem Kommentar zu KOCHs Vortrag (21.5.). <zurück>
16) In ihrem Vortrag Permanent Fieldsites: zur Temporalisierung der Feldforschung (21.5.). Ihre Formulierung bezog sich auf SCHEFFER (2008). <zurück>
17) In seinem Vortrag Doppelte Ethnographie: Kollaborative Feldforschung zwischen Vertrautheit und Spiegelung (22.5.). <zurück>
18) Siehe Anmerkung 16. <zurück>
19) In seinem Kommentar zu Stephan HEINs Vortrag Distanzierung in der ethnologischen und soziologischen Ethnographie (21.5.). <zurück>
20) In seinem Vortrag Soziokulturelle Experimente in der ethnologischen Feldforschung (22.5.). <zurück>
21) VAN MAANEN betont im Kapitel "Fieldwork, Culture, and Ethnography" (1988) den wechselnden Publikumsbezug von Ethnografie im Stil der damaligen writing culture-Debatte. <zurück>
22) In ihrem Vortrag Forschungsheuristik des Sehens und Zeigens: Kamera-Ethnographie (22.5.). <zurück>
23) In ihrem Vortrag Die Ethnographie sozialer Interaktion (21.5.). <zurück>
24) Aus dem gleichen Grund hält die Systemtheorie die Ethnografie für ungeeignet, die komplexen Kommunikationsverhältnisse funktional ausdifferenzierter Gesellschaften "zu entwirren". <zurück>
25) In ihrem Kommentar zu MONDADA (21.5.). <zurück>
26) In ihren Kommentaren zu ROTTENBURG sowie MONDADA (21.5.). <zurück>
27) So schwebt GEERTZ (1983, S.69) ein "hopping back and forth between the whole conceived through the parts that actualize it and the parts conceived through the whole that motivates them" vor. <zurück>
28) So grenzt z.B. GOFFMAN die Gültigkeit seiner Beobachtungen der relations in public auf verschiedene, stets unklare und problembehaftete Bezugsgrößen ein. GOFFMAN selbstkritisch: "And the other reference units are not much better [than epoch, TS & CM]. There is the English-speaking world, the Anglo-American community, West European nations, Protestant countries, Christian society, and the West. Such are the units we are led to if we are interested in the full location of the practices to be considered in this volume ["relations in public", TS & CM]. In any case, the reference unit, 'American society' (which I use throughout) is something of a conceptual scandal ..." (1971, S.xv). <zurück>
29) In seinem Kommentar zu RÖMHILD (22.5.). <zurück>
30) Vgl. auch die darauf zielende Kritik von GUPTA und FERGUSON (1997). <zurück>
31) So forscht der erste Autor dieses Berichts (SCHEFFER 2010) im Feld englischer Crown Court-Verfahren (F) anhand von Gerichtsverhandlungen, Anwalt-Klient/innen-Meetings und der anwaltlichen Archiv- und Aktenarbeit (S) zu Praxismustern des adversarial case-making (G). Der zweite Autor dieses Berichts (MEYER) forscht u.a. im Feld der Kultur und sozialen Praxis der Wolof Senegals (F) anhand von Gesprächen auf dem Dorfplatz und in Gehöften (S) zu kulturspezifischen Konzepten und Praktiken von Interaktion, Person, Emotion, sozialem Raum und der Sinne (G). <zurück>
32) Damit verbunden ist freilich das notorische Problem der wissenschaftlichen Autorität, die sich aufzulösen droht, sobald eine nicht-paternalistische Haltung sich auch in der Epistemologie niederschlägt (vgl. MEYER 2009). <zurück>
33) Der Slogan von BOAS und MALINOWSKI bis GEERTZ findet sich heute in unterschiedlicher Intensität praktiziert. Er erklärt eine analytische Enthaltsamkeit und die Präferenz für Interviewdaten gegenüber Beobachtungsdaten. <zurück>
34) Kritisiert wird immer wieder die Interviewlastigkeit der Forschung in der Soziologie wie auch neuerdings in der Ethnologie (vgl. MEYER & SCHAREIKA 2009). <zurück>
35) In seinem Kommentar zu HITZLER (22.5.). <zurück>
36) HIRSCHAUER bestritt den Gehalt von Selbstbeschreibungen für eine nicht bloß "nachfühlende", praxeologisch-interessierte Ethnografie. <zurück>
37) Vgl. hier etwa die Marienthal-Studie (JAHODA, LAZARSFELD & ZEISEL 1933). <zurück>
38) Diese Einsicht spielte interessanterweise in der Diskussion um die Möglichkeit einer "historischen Ethnografie" (WIETSCHORKE) vs. "Historiografie" (HIRSCHAUER) gar keine Rolle. Vgl. dazu z.B. die Ausführungen zur ethnographic present bei FABIAN (2002 [1983]) oder CLIFFORD (1983). <zurück>
39) Vgl. NASSEHI und die "Gesellschaft der Gegenwarten" (2006). <zurück>
40) Vgl. hierzu jüngst BOURDIEUs Algerien-Skizzen (2008). <zurück>
41) Man denke etwa an DEVEREUX (1973). <zurück>
42) Vgl. hierzu den Sammelband von GINGRICH und FOX (2002) für die Ethnologie oder jüngst SCHEFFER und NIEWÖHNER (2010) für Soziologie und Ethnologie. <zurück>
43) Eine Ausnahme stellt KNORRs "Epistemic Cultures" (1999) dar. Vgl. auch die vergleichende Ethnografie von SCHEFFER, HANNKEN-ILLJES und KOZIN (2010) zu Strafverfahren in England, den USA und Deutschland. <zurück>
44) In seinem Vortrag Distanzierung in der ethnologischen und soziologischen Ethnographie (21.5.). <zurück>
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Thomas SCHEFFER ist seit 2009 Heisenberg-Stipendiat am Institut für Europäische Ethnologie der HU Berlin. Als Ethnomethodologe lehrt und forscht er im Bereich der Rechts- und Professionssoziologie und politischen Soziologie sowie zu Fragen der praxeologischen Mikrofundierung, der sequenzanalytischen Diskursforschung und der (vergleichenden) Ethnografie komplexer Settings. SCHEFFER ist Sprecher der Sektion Rechtssoziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie.
Kontakt:
Thomas Scheffer
Institut für Europäische Ethnologie
Humboldt-Universität zu Berlin
Mohrenstrasse 41
D-10117 Berlin
Tel.: ++49 (0)30 2093 3715
E-Mail: scheffer@law-in-action.org
URL: http://www.law-in-action.de/
Christian MEYER leitet seit 2008 als Akademischer Rat die Arbeitsgruppe "Qualitative Methoden der empirischen Sozialforschung" der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld. Er forscht im Bereich der kultur- und sozialwissenschaftlichen Methodologie, der Interaktions-, Religions- und Politikethnologie, der linguistischen Anthropologie und Mikroethnografie sowie der Kulturtheorie. Seine regionalen Schwerpunkte sind Brasilien und Senegal, wo er insgesamt dreieinhalb Jahre geforscht hat.
Kontakt:
Christian Meyer
Fakultät für Soziologie
Universität Bielefeld
Postfach 100 131
D-33501 Bielefeld
Tel. ++49 (0)521 106 4315
E-Mail: christian.meyer5@uni-bielefeld.de
URL: http://www.uni-bielefeld.de/soz/personen/meyer/
Scheffer , Thomas & Meyer, Christian (2011). Tagungsbericht: Tagung: Soziologische vs. ethnologische Ethnographie – Zur Belastbarkeit und Perspektive einer Unterscheidung [46 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 11(2), Art. 25, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs1101256.