Volume 13, No. 1, Art. 29 – Januar 2012
Vergeschlechtlichte Kategorisierungen im Umgang mit institutionellen Handlungsherausforderungen am Beispiel von Gesprächen in Jobcentern
Ute Karl
Zusammenfassung: Im Folgenden soll mithilfe der Konversationsanalyse und der membership categorization analysis untersucht werden, wie vergeschlechtlichte Kategorisierungen zur kommunikativen Bearbeitung institutioneller Handlungsherausforderungen interaktiv hervorgebracht werden und zum Einsatz kommen. Indem ein Fokus auf der Analyse der praktischen Zwecke des Einsatzes vergeschlechtlichter Kategorisierungen liegt, wird deutlich, dass es institutionenspezifische Handlungsdilemmata und -herausforderungen gibt, die durch den unhinterfragten Einsatz vergeschlechtlichter Kategorisierungen kommunikativ bearbeitet werden. In diesem Zusammenhang wird ein zentraler Mechanismus gesehen, warum Gender in dieser institutionellen Kommunikation interaktiv aktualisiert und (re-)produziert wird.
Methodologisch wird herausgearbeitet, dass im Rahmen konversationsanalytischer und ethnomethodologischer Geschlechterforschung nicht nur das Wie der Hervorbringung von Gender bedeutsam ist, sondern dass nur die Analyse der praktischen Zwecke erklären kann, warum in einem spezifischen institutionellen Rahmen und interaktiven Kontext vergeschlechtlichte Kategorisierungen zum Einsatz kommen. Diskutiert wird zudem, was es überhaupt bedeutet, dass Gender in Interaktionen relevant ist und aufgezeigt, dass es nicht nur das explizite, sondern auch das implizite Sich-Beziehen auf Gender zu rekonstruieren gilt. Darüber hinaus soll verdeutlicht werden, dass es Interaktionen gibt, in denen die Relevanz von Gender uneindeutig ist. Gleichwohl tragen sie im Ergebnis zur Reproduktion bestehender Geschlechterungleichheiten bei. Analysiert werden exemplarisch Gespräche in deutschen Jobcentern zwischen jungen Menschen unter 25, den sogenannten "Kunden"/"Kundinnen" und den "persönlichen Ansprechpartner/innen" bzw. "Fallmanager/innen".
Keywords: Gender; Geschlechterforschung; Konversationsanalyse; membership categorization analysis; institutionelle Kommunikation
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Methodologisch-methodischer Rahmen: Gesprächsanalyse und Geschlechterforschung
2.1 Sprache und Kommunikation – ein geschlechtertheoretischer Überblick
2.2 Konversationsanalyse, membership categorization analysis und Geschlechterforschung
3. Vergeschlechtlichte Kategorisierungsprozesse in der institutionellen Kommunikation in Jobcentern – Analysebeispiele
3.1 Vergeschlechtlichte Kategorisierungen im Umgang mit dem "Aktivierungsdilemma"
3.2 Interaktive Relevanz des sprachlichen Wechsels zwischen vergeschlechtlichter Kategorisierung und deren Neutralisierung – Evaluierung von beruflichen Schritten
3.3 Vergeschlechtlichte Kategorisierungen als organisationale Praxis
4. Vergeschlechtlichte Kategorisierungen und ihre praktischen Zwecke
Hintergrund der folgenden Überlegungen zur Analyse und praktischen Bedeutung von vergeschlechtlichten Kategorisierungen in der institutionellen Kommunikation ist eine Teilstudie, die auf der Datengrundlage des DFG-Forschungsprojektes "Gesprächspraktiken in Jobcentern im Rechtskreis des SGB II (Bereich der unter 25-Jährigen) – eine konversationsanalytische Studie" (Universität Hildesheim; Laufzeit: 2008–2010) durchgeführt wurde (vgl. BÖHRINGER, KARL, MÜLLER, SCHRÖER & WOLFF i.E.). Im Rahmen dieses Projektes haben wir1) an drei unterschiedlichen Standorten Gespräche zwischen "persönlichen Ansprechpartner/innen"2) und "Kunden"/"Kundinnen" im Bereich der Unter-25-Jährigen ("U25") in Jobcentern3) aufgezeichnet. Der Datenkorpus umfasst 52 Gespräche4), die durch 15 Expert/inneninterviews ergänzt werden5). Die Gesprächstranskripte wurden mithilfe der ethnomethodologischen Konversationsanalyse und der membership categorization analysis analysiert (siehe hierzu ausführlicher Abschnitt 2.2.2). [1]
Das Sozialgesetzbuch II regelt die Grundsicherung für Arbeitsuchende, die Arbeitslosengeld II erhalten. In diesem Gesetz wurden die frühere Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe für erwerbsfähige Hilfebedürftige und die mit ihnen in einer "Bedarfsgemeinschaft" lebenden Personen im Rahmen der sogenannten Hartz-Reformen zum 1. Januar 2005 zusammengeführt. Anders als das Arbeitslosengeld I, das abhängig ist vom früheren Gehalt, basiert das Arbeitslosengeld II auf einer Bedürftigkeitsprüfung. Die "Hartz-Reformen" hatten zum Ziel, "moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" einzuführen (vgl. HARTZ et al. 2002). Ihr Kern ist die Veränderung des Wohlfahrtsstaates zum workfare state mit sog. befähigenden und aktivierenden Elementen. [2]
Zentral ist dabei das Zusammenspiel des sogenannten "Förderns" (§14 SGB II) und "Forderns" (§2 SGB II). Werden die mit dem Grundsatz des Forderns verbundenen Pflichten nicht ausreichend erfüllt, sieht das Gesetz Sanktionen vor. Diese Sanktionen fallen für die Gruppe der Unter-25-Jährigen strenger aus als für erwerbsfähige Hilfebedürftige ab 25 Jahren. Zudem sollen die jungen Menschen (wenn sie nicht Schüler/innen oder erziehende Eltern sind) unverzüglich nach Antragstellung in eine Ausbildung oder Arbeitsgelegenheit vermittelt werden, wobei Letztere zu einer Verbesserung ihrer beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten beitragen soll. Hintergrund dieser Sonderregelungen ist die Vorstellung, dass dadurch die längerfristige Abhängigkeit von staatlichen Leistungen von Anfang an und möglichst nachhaltig vermieden werden soll, weil sich die jungen Menschen gar nicht erst im Hilfesystem "einrichten". [3]
Zu den Aufgaben der persönlichen Ansprechpartner/innen in den Jobcentern gehört die Information, Beratung und Unterstützung der Kunden/Kundinnen mit dem Ziel der Eingliederung in Arbeit. Gleichzeitig sind sie gehalten, die Kunden/Kundinnen gemäß den Strategien des "Förderns" und "Forderns" zu aktivieren.6) Vor diesem Hintergrund kommt den Gesprächen zwischen beiden Seiten eine herausragende Bedeutung zu: In ihnen wird deutlich, wie die unterschiedlichen, teils spannungsvollen, institutionellen Anforderungen jeweils situativ interaktiv bewältigt werden. [4]
Die Gespräche kommen entweder aufgrund von sog. institutionellen "Einladungen" zustande oder weil die Kunden/Kundinnen um einen Termin gebeten haben bzw. diese ohne vorherige Anmeldung das Gespräch suchen. Kommen die Kunden/Kundinnen einer "Einladung" ohne wichtigen Grund nicht nach, verfügen die persönlichen Ansprechpartner/innen über Sanktionsmöglichkeiten (vgl. KARL, MÜLLER & WOLFF i.E.). In der Gesprächssituation selbst steht den Vertreter/innen der Institution ein PC zur Verfügung, an dem alle wichtigen Daten und Informationen über die Kunden/Kundinnen abrufbar sind. Ebenso sind sie per Telefon beständig zu erreichen (vgl. BÖHRINGER & WOLFF 2010; SCHRÖDER 2010). [5]
Die analysierten Daten werden als ein Beispiel für institutionelle Kommunikation verstanden. Diese lässt sich durch eine Reihe von Merkmalen charakterisieren, die nicht in gleicher Weise für Alltagskommunikation gelten (vgl. DREW & HERITAGE 1992):
Institutionelle Gespräche sind in dem Sinne zielorientiert, dass sich mindestens eine der Parteien an einem Gesprächsziel oder einer Aufgabe orientiert, die jeweils mit der spezifischen Institution verbunden sind.
Es gibt bestimmte Grenzen, was die Sprecher/innen als prinzipiell thematisierbar behandeln.
Die Gesprächsteilnehmer/innen orientieren sich an Rahmungen und Prozeduren, die mit dieser spezifischen Institution verbunden sind
Sie verwenden spezifische, mit der Institution verknüpfte Terminologien. Dabei besteht ein gewisses Gefälle zwischen dem Wissen der Vertreter/innen der Institution und den Klient/innen, Kund/innen, oder Patient/innen. Auch identifizieren sich die Vertreter/innen der Institution mit dieser durch die Verwendung von "wir" statt "ich".
Die Realisierung von Redezügen und ihre Abstimmung aufeinander, d.h. die Organisation von Frage-Antwort-Sequenzen, sind sensibel für die institutionellen Aufgaben und Rollen. Auch die Frage, wer welche Redezüge ausführen und wer welche Themen aufbringen oder Fragen stellen kann ebenso wie die Frage, wer thematische Wechsel wie platzieren kann, orientiert sich an den institutionellen Rollen und Aufgaben (s.o.).
Zudem bestehen spezifische Hierarchien, die an institutionellen Status und Rolle geknüpft sind, in Bezug auf das relevante Wissen und die Art und Weise, wer welches Wissen in der Interaktion zur Geltung bringen kann.
Institutionelle Kommunikation weist ferner in Bezug auf die strukturelle Organisation Besonderheiten auf. Zu denken ist hier beispielsweise an spezifische Gesprächsabläufe, aber auch an die regelmäßig stattfindenden Interaktionen, um das Gespräch aus der Alltäglichkeit herauszuheben und am Ende wieder einen Übergang zur Alltagskommunikation herzustellen. [6]
Vergleicht man die Gespräche in Jobcentern beispielsweise mit Gerichtsverhandlungen oder Vernehmungen von Angeklagten, so muss festgestellt werden, dass sie in ihrem Ablauf wenig formalisiert sind. Diese Nicht-Formalität in der institutionellen Kommunikation bedeutet, dass der Gesprächsablauf keinen strengen Regeln folgt, sondern die interaktiv zu bewältigenden Aufgaben, die Mitgliedschaftskategorien und die möglichen Themen zwar begrenzt sind, aber stärker gemäß der jeweiligen Situation ausgestaltet werden (vergleichbar z.B. mit therapeutischen Gesprächen). [7]
Darüber hinaus läuft die Kommunikation in den von uns aufgezeichneten Gesprächen stellenweise eher alltagsweltlich ab, und alltägliches Wissen kommt zum Einsatz. Das bedeutet aber nicht, dass dadurch der institutionelle Rahmen verlassen wird. Denn alltagsweltliche Vorstellungen und Bewertungen sind beispielsweise eingebettet in die Abarbeitung institutioneller Aufgaben wie die Klärung des Sachstands oder auch die Vorstellung von überbetrieblichen Ausbildungsmöglichkeiten (vgl. HUTCHBY & WOOFFITT 1998, S.149-227). In allen Gesprächen wird trotz der unterschiedlichen Rollen, in denen sich die Gesprächsteilnehmer/innen7) begegnen, durch die Verteilung der Redezüge, durch die Art der möglichen Fragen und die prinzipielle (wenn auch nicht durchgängige) Gesprächsführung durch die persönlichen Ansprechpartner/innen deutlich, wer gleichsam auf welcher Seite des Schreibtisches in dieser institutionellen Kommunikation sitzt. [8]
Aus geschlechtertheoretischer Sicht stellt sich die Frage, wie soziale Sicherungssysteme im Zusammenspiel mit anderen sozialpolitischen Rahmungen zu Geschlechterungleichheiten und -segregationen beitragen und diese verstärken oder aber in der Lage sind, ihnen entgegenzuwirken. Dieser Frage kann auf unterschiedlichen Ebenen nachgegangen werden. [9]
So weisen Studien beispielsweise darauf hin, dass das Gesetz über die "Grundsicherung für Arbeitsuchende" (SGB II) zum Teil für Frauen und Männer unterschiedliche Wirkungen zeigt (FÖRSTER 2008). Gleichzeitig gibt es eine Tendenz, dass die Vertreter/innen der Institution Jobcenter selbst davon ausgehen, Männer und Frauen gleichzubehandeln (IAQ, FIA & GENDA 2009), wobei Ausnahmen bei Eltern (insbesondere Frauen) mit kleinen Kindern eingeräumt werden (AMES 2008; IAQ et al. 2009). Auch in den von uns durchgeführten Interviews betonen persönliche Ansprechpartner/innen die Gleichbehandlung von Männern und Frauen, obwohl einige Professionelle reflektieren, dass ihnen subjektiv die Arbeit mit Frauen oder Männern aus unterschiedlichen Gründen leichter bzw. schwerer fällt. [10]
Die Selbsteinschätzung, Frauen und Männer prinzipiell gleich zu behandeln, ist angesichts des gesetzlichen Gleichstellungsauftrags (§1, Abs.1 SGB II) nicht verwunderlich.8) Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass Gender in den Gesprächen mit diesen persönlichen Ansprechpartner/innen nicht relevant ist. Vielmehr ist zu vermuten, dass vergeschlechtlichte Kategorisierungen eher subtil, manchmal uneindeutig und von beiden Gesprächspartner/innen unbemerkt verwendet werden. Gleichzeitig bedeutet aber die subjektive Feststellung der persönlichen Ansprechpartner/innen, dass sich die Arbeit mit jungen Frauen von der mit jungen Männern teilweise unterscheide, nicht, dass Gender deshalb in der Interaktion in jedem Fall als relevant erscheint. Vielmehr ist darin zunächst ein Hinweis zu sehen, dass persönliche Ansprechpartner/innen und Kund/innen das Geschlecht (sex category) ihrer Gesprächspartner/innen gleichsam nebenbei registrieren, jedoch nur bei Bedarf aktualisieren (vgl. HIRSCHAUER 1994) und so Gender hörbar darstellen bzw. hervorbringen.9) [11]
Interviews bzw. deren Analyse können demnach über die tatsächliche Praxis der Gesprächsführung nur wenig aussagen. Deshalb haben wir in dem genannten Forschungsprojekt vor allem Gespräche untersucht. Aus einer ethnomethodologischen Perspektive kann nämlich rekonstruiert werden, welche praktischen Probleme die am Gespräch Beteiligten interaktiv Zug um Zug bewältigen und wie dabei die institutionellen Bedingungen relevant werden. [12]
Im Folgenden soll herausgearbeitet werden, dass im Rahmen konversationsanalytischer Erforschung institutioneller Kommunikation nicht nur das Wie der Hervorbringung von Gender bedeutsam ist, sondern dass nur die Analyse der praktischen Zwecke erklären kann, warum in einem spezifischen institutionellen Rahmen und interaktiven Kontext Geschlechterdifferenzen aktualisiert werden. Bei der Analyse steht die Frage im Zentrum, wie, auf welche Weise und zu welchem praktischen Zweck Gender in der institutionellen Kommunikation relevant wird oder eben auch uneindeutig bleibt, obwohl die untersuchten Interaktionen zur Reproduktion von Geschlechterungleichheiten beitragen können. [13]
Folgenden Fragen wird in diesem Beitrag nachgegangen:
Wie lassen sich vergeschlechtlichte Kategorisierungen im Sinne der membership categorization analysis rekonstruieren?
Welcher Kontext und welches (Kontext-) Wissen wird dabei wie relevant?
Wie kommen vergeschlechtlichte Kategorisierungen bei der Bearbeitung welcher praktischen Handlungsherausforderungen in der institutionellen Kommunikation zum Einsatz? [14]
Bevor diesen Fragen anhand von fünf Beispielen aus dem Datenmaterial nachgegangen wird, werden sie zunächst aus methodologisch-methodischer Perspektive entfaltet, und der heuristische Rahmen der Analyse wird skizziert. [15]
2. Methodologisch-methodischer Rahmen: Gesprächsanalyse und Geschlechterforschung
2.1 Sprache und Kommunikation – ein geschlechtertheoretischer Überblick10)
In den letzten Jahrzehnten hat sich eine breite, interdisziplinäre Forschung zu Sprache und Kommunikation aus geschlechtertheoretischer Sicht etabliert (vgl. hierzu die Überblicke in BING & BERGVALL 1996; STOKOE & SMITHSON 2001; McILVENNY 2002; STOKOE 2004; SPEER 2005; AYAß 2008; EHRLICH 2008a-d).11) Seit den 1970er Jahren entwickelte sich eine zunehmend differenzierte (feministische) Forschung zu männlichen und weiblichen Sprach- und Sprechstilen (auch z.B. im Zusammenhang mit klassenbezogenen Positionierungen) bzw. unterschiedlichen, kommunikativen Stilen (vgl. z.B. LAKOFF 1975; MACUR 2009) sowie zu unterschiedlichem sprachlichen und non-verbalen Verhalten von Männern und Frauen (vgl. z.B. ZIMMERMAN & WEST 1975; FISHMAN 1980; WEST & ZIMMERMAN 1983; HEILMANN 1995 sowie die Überblicke in CAMERON 1997a und SCHOENTHAL 1998). In diesem Zusammenhang ist auch die ebenso populäre wie umstrittene These der kulturellen Differenz zwischen Männern und Frauen sowie der zwei Kulturen zu sehen (vgl. MALTZ & BORKER 1991 [1982]; TANNEN 1990; vgl. hierzu auch den kritischen Überblick in AYAß 2008). [16]
Differenziert wird dabei auch nach sozialem Verwendungszusammenhang und Institutionen, z.B. sprachliches Verhalten in Fernsehdiskussionen (bspw. KOTTHOFF 1992), in Lernzusammenhängen (vgl. BERGVALL 1996), geschlechtshomogenen Gruppen (bspw. MACUR 2009), Paarbeziehungen (FISHMAN 1978, 1980) oder interkulturell vergleichend in Bezug auf Mutter-Kind-Interaktionen (OCHS 1992). Mit der Untersuchung von sogenannten communities of practice wurde versucht, den Kontext sowie die Relevanz unterschiedlicher Variablen in Bezug auf Sprachverhalten und Sprechweisen zu berücksichtigen (vgl. ECKERT & McCONNELL-GINET 1992, 1995; ECKERT 1998). Indem sich in diesen Ansätzen der Blick auf konkrete Praktiken, insbesondere Praktiken der Herstellung von Identitäten richtet, werden praxistheoretische Überlegungen in die Soziolinguistik eingeführt (vgl. zu dieser Sichtweise: BUCHOLTZ 1999). In eine ähnliche Richtung weisen auch Untersuchungen der performativen Hervorbringung von Geschlechteridentitäten, die deutlich machen, dass die stereotypen Vorstellungen über sprachliches Verhalten von Männern und Frauen empirisch nicht nachweisbar sind, sondern dass sich unterschiedliche Weisen sprachlichen Verhaltens kontextspezifisch sowohl bei Frauen wie bei Männern zeigen (vgl. bspw.: CAMERON 1997b). Die Bandbreite von sprachlichen Verhaltensweisen z.B. bei weiblichen Führungspersonen legt nahe, dass solche Verhaltensweisen nicht mit Geschlecht, sondern mit spezifischen Positionen in sozialen Räumen zusammenhängen (WODAK 1997a). [17]
Des Weiteren wird nach der Rolle gefragt, die stereotypgeleitete Erwartungen in einer konkreten Interaktion spielen (vgl. z.B. THIMM 1995) sowie nach der kontextspezifischen Bedeutung eines bestimmten sprachlichen Verhaltens (vgl. CAMERON 1992). Fragen von Differenz, Defizit und Dominanz stehen bei den hier genannten Perspektiven – wenn auch auf sehr unterschiedliche Weise – im Vordergrund (vgl. die Überblicke in CAMERON 1996; SPEER 2005, S.30ff.). [18]
Diese Studien liefern über den Geschlechterbezug hinaus wichtige Hinweise, wie in einer konkreten Situation machtvoll oder eher machtlos gesprochen wird und wie Dominanz ausgeübt wird (z.B. durch Unterbrechungen, Schweigen etc.; vgl. ZIMMERMAN & WEST 1975; WEST 1979; LAKOFF 1995).12) Zudem weisen einige dieser Studien sowie die Kritik an Forschungen zum sprachlichen Verhalten darauf hin, dass bestimmte sprachliche Verhaltensweisen nicht per se Dominanz oder Kollaboration signalisieren. Es bestehe die Gefahr, dass die gleichen Verhaltensweisen bei Männern und Frauen bei der Analyse unterschiedlich gedeutet werden und so letztlich auf der Grundlage der Identifikation der sex category durch die Forschung Geschlechterstereotype reproduziert werden (vgl. zu dieser Kritik: GÜNTHNER 1992; WODAK 1997b). Gleichzeitig werde von den kontextuellen Gegebenheiten abstrahiert und simplifizierend verallgemeinert (vgl. zu dieser Kritik: FREED & GREENWOOD 1996). Kritisiert wird zudem an Forschungsansätzen, die nach der Differenz von männlichem und weiblichem Sprechverhalten fragen, dass sie zu einer Ontologisierung von Geschlecht (Sex und Gender) beitragen. Diese Kritik bezieht sich auch auf solche Ansätze, die zwar sozialkonstruktivistisch argumentieren, aber gleichzeitig eine Geschlechterdualität voraussetzen (vgl. zu dieser Kritik: BING & BERGVALL 1996; STOKOE & SMITHSON 2001, S.218f.; WEATHERALL 2002, S.7; STOKOE 2004, S.108; SPEER 2005, S.45ff.).13) Auch blieben – so die Kritik – andere für den Sprachgebrauch zentrale Kategorien (soziale Herkunft, Bildung, Alter, ethnische Herkunft) unberücksichtigt (vgl. hierzu: AYAß 2008, S.101). [19]
Inzwischen haben sich unterschiedliche Zugänge etabliert, die mehrere Kategorien aufeinander zu beziehen suchen. Dabei reicht die Bandbreite der untersuchten Aspekte vom Sprachgebrauch und der Hervorbringung gruppenbezogener Identitäten und Zuschreibungen (vgl. ECKERT & McCONNELL-GINET 199514)) bis hin zu überwiegend quantitativ argumentierenden, soziolinguistischen Studien zum Sprachgebrauch (vgl. BUCHOLTZ 1996 sowie den Überblick in MACAULEY 2005). In diesem Zusammenhang werden dann Kategorien im Sinne von feststehenden soziologischen Variablen verstanden und nicht in ihrer Vollzugswirklichkeit, wie in dem hier verfolgten und weiter unten dargestellten konversationsanalytischen Zugang. [20]
Anknüpfend an der Kritik der Benachteiligung von Frauen in Sprache (im Sinne sexistischer Sprache) und Gesellschaft ist zudem die sogenannte Genus-Debatte für den deutschsprachigen Kontext zu erwähnen (vgl. den Überblick in: AYAß 2008, S.27ff.).15) Die Kritik richtet sich darauf, dass Frauen im generischen Sprachgebrauch, der identisch ist, mit der geschlechterdefiniten, männlichen Form, unsichtbar gemacht werden (vgl. PUSCH 1984).16) [21]
Angeregt durch ethnomethodologische Studien (z.B. KESSLER & McKENNA 1978; WEST & ZIMMERMAN 1987; THORNE 1993) vollzog sich ein Perspektivwechsel weg von den kommunikativen Verschiedenheiten zwischen Frauen und Männern bzw. ihrem kommunikativen Verhalten hin zu der Frage, wie Geschlecht bzw. Geschlechter und andere Differenzen in Interaktionen allererst hervorgebracht werden (doing gender, doing difference), wo und wie Geschlecht kommuniziert, sprachlich artikuliert und neutralisiert wird.17) In diesem Kontext ist auch jene Konkretisierung ethnomethodologischer Konversationsanalyse zu verorten, an deren Zugang sich die hier zugrunde liegende Studie orientiert und die vor allem in den letzten 15 Jahren weiterentwickelt wurde (vgl. STOKOE & SMITHSON 2001; KITZINGER 2002, 2007; SPEER 2005). 18) [22]
Im internationalen, englischsprachigen Kontext wird die ethnomethodologische Konversationsanalyse häufig als Teil eines weiter gefassten Verständnisses von discourse studies gesehen (vgl. WODAK 1997b, S.4)19), die verankert sind in sozial- und kulturwissenschaftlichen sowie in psychologischen Perspektiven (vgl. WILKINSON & KITZINGER 1995; WEATHERALL 2002; SPEER 2005). Trotz der Differenzen zwischen bspw. (ethnomethodologischer) Konversationsanalyse, critical discourse analysis (VAN DIJK 2008a; WODAK 1997a, c) oder diskursanalytischen Forschungen in Anlehnung an FOUCAULT ist diesen Forschungsarbeiten gemeinsam, dass sie davon ausgehen, dass Sprache wirklichkeitskonstituierend und interaktiv ist, und Identitäten, Subjektivitäten und Subjektpositionen sprachlich und kontextspezifisch hervorgebracht werden (im Sinne von doing, performing, accomplishing; vgl. BUTLER 1991, 1997).20) Damit grenzen sie sich von jenen soziolinguistischen Ansätzen ab, die z.B. bestimmte Redeanteile oder das Sprachverhalten mit einem durch die Forscher/innen zugrunde gelegten Geschlecht der Interagierenden verbinden (vgl. CAMERON 1996, S.47ff.). Entscheidende Fragen sind, "how gender is produced and sustained through patterns of talk, through the organisation of social interaction, through social practices and in institutional structures" (WEATHERALL 2002, S.7). Gender wird so als in und durch Sprache bzw. sprachliches Handeln sozial konstruierte Kategorie sichtbar. [23]
2.2 Konversationsanalyse, membership categorization analysis und Geschlechterforschung
2.2.1 Konversationsanalyse und Geschlechterforschung
Die ethnomethodologische Konversationsanalyse richtet den Fokus auf den kontextspezifischen Sprachgebrauch, die Art und Weise des situativen Sprechens sowie die prozessualen Strukturen sprachlicher Interaktionen. Dadurch wird sichtbar, wie die Interagierenden sinnhaft, geordnet handeln (alltäglich wie institutionell). Denn die Ethnomethodologie, auf die sich die Konversationsanalyse bezieht, untersucht das Handeln, indem sie fragt, nach welchen formalen Prinzipien und mithilfe welcher situativen Techniken Handelnde ihr Handeln sinnhaft zu strukturieren suchen. Dementsprechend betrachtet die ethnomethodologische Konversationsanalyse das interaktive Geschehen als prinzipiell geordnetes. Zu rekonstruieren sind jene Regeln und Methoden, mit deren Hilfe die Gesprächsteilnehmer/innen ihre praktischen Probleme Zug um Zug lösen. Abweichungen von der zugrunde gelegten Normalität und Geordnetheit müssen dementsprechend durch die Gesprächsteilnehmer/innen selbst aufgezeigt werden, z.B. durch Korrekturzüge, wenn die Ordnung irritiert wurde (repairs) (vgl. SCHEGLOFF 1987). Fragen nach der sequenziellen Geordnetheit des Turn-taking-Systems (vgl. SACKS, SCHEGLOFF & JEFFERSON 1987) z.B. in Telefongesprächen, von Gesprächsanfängen und -beendigungen (vgl. BÖHRINGER 2011), von Frage-Antwort-Sequenzen und anderen Paarsequenzen (adjacency pairs) oder von Zustimmung und Ablehnung stehen in der "klassischen" Konversationsanalyse im Vordergrund (vgl. den Überblick in: HUTCHBY & WOOFFITT 1998). Allerdings beschränken sich die Ethno-Methoden der Interagierenden keineswegs auf solche verallgemeinerbaren Gesprächsstrukturen (vgl. DE KOK 2008), sondern beinhalten durchaus auch andere Praktiken der Sinnerzeugung und Verständigung, wie sie hier interessieren. [24]
Das konversationsanalytische Vorgehen lässt sich am besten durch die damit verbundene Forschungshaltung, jene analytische Mentalität charakterisieren, deren Ziel es ist, die Organisation von Gesprächsinteraktionen als "technical accomplishment of member conversationalists" (SCHENKEIN 1978, S.5f.) zu beschreiben. [25]
Grundlegend ist zunächst das heuristische Prinzip der ethnomethodologischen Indifferenz (GARFINKEL & SACKS 2005 [1986], S.166), dementsprechend sich die Forschenden in einer programmatisch unvoreingenommen, "desinteressierten" Weise dem Gegenstand nähern (kritisch hierzu: WETHERELL 1998; BILLIG 1999; WEATHERALL 2000):
"Ethnomethodological studies of formal structures are directed to the study of such phenomena, seeking to describe members' accounts of formal structures wherever and by whomever they are done, while abstaining from all judgements of their adequacy, value, importance, necessity, practicality, success, or consequentiality. We refer to this procedural policy as ‘ethnomethodological indifference' " (GARFINKEL & SACKS 2005 [1986], S.166). [26]
Ein solch unvoreingenommener Blick bedeutet zunächst, dass nicht von Machtasymmetrien zwischen Männern und Frauen ausgegangen werden kann, sondern dass diese sich im und am konkreten Material aufzeigen lassen müssen. Das Wissen der Forscher/innen, dass es sich in einer bestimmten Situation um Männer oder Frauen handelt, darf zudem nicht ohne Weiteres von außen an das Material herangetragen werden (das sog. Reifizierungsproblem; vgl. hierzu GILDEMEISTER & WETTERER 1992). Weitergehend besteht eine gewisse Skepsis aufseiten der Konversationsanalyse, die Erforschung von Gender und Geschlechterverhältnissen aufgrund eines Forschungsinteresses oder gesellschaftlicher Strukturverhältnisse an das Material heranzutragen:
"All kinds of conversational, linguistic, so-called nonverbal, and other interactional behaviour have been related to such classical dimensions of social organization as class, race, ethnicity, and gender. Although one may choose to proceed along the lines of such a strategy in order to focus on important aspects of social structure in a traditional sociological sense, the risks of underspecification of the interactional phenomena should be made explicit, and with them the risks of missing the opportunity to transform our traditional understanding of what is important in social structure" (SCHEGLOFF 1987, S.217). [27]
Zwar ist es richtig, dass sich die situative Relevanz von Gender (das Wie und das Wozu) anhand des Materials zeigen muss. Gleichwohl ist es eine Entscheidung, angesichts einer Vielzahl von relevanten Kategorisierungen, die bei einem ersten Durchgang durch das Material sichtbar werden, bestimmte Relevanzen in den Vordergrund zu stellen. Und auch jene ethnomethodologischen Forscher/innen, die kleinste Gesprächseinheiten (z.B. Eröffnungssequenzen, repairs etc.) untersuchen, treffen immer vorab eine Entscheidung aufgrund ihrer Forschungsinteressen, was sie begründet in den Blick nehmen wollen (vgl. BILLIG 1999, S.547f.). [28]
Das Prinzip der ethnomethodologischen Indifferenz wird hier deshalb als ein heuristisches Prinzip verstanden, das gleichzeitig mit einem doppelten Blick auf die Daten verbunden ist. Dieser doppelte Blick zielt (in Anlehnung an HAGEMANN-WHITE 1993, S.74f.) darauf, an unterschiedlichen Stellen im Forschungsprozess jeweils methodisch begründet Gender und die damit potenziell verbundenen Ungleichheiten und Differenzierungen zu fokussieren, gleichzeitig aber diesen Fokus immer wieder aufzugeben und bewusst geschlechterneutral zu blicken bzw. andere Kategorisierungen und Differenzen in den Vordergrund zu stellen. [29]
Mit der genannten "analytischen Mentalität" ist auch ein spezifisches Kontextverständnis21) verbunden, das zunächst unter Kontext die einer Äußerung vorausgehenden Redebeiträge, vor allem die direkt vorausgehenden meint. Diese erfordern gewöhnlich bestimmte Folgebeiträge (z.B. eine Frage eine Antwort) (vgl. HERITAGE 2009, S.223). SCHEGLOFF (1987, S.221) schlägt zudem vor, modes of interactional organization selbst als Kontexte zu verstehen. Damit ist gemeint, dass sprachliche Austauschsysteme (speech exchange systems) selbst den relevanten, sequenziellen Kontext für unterschiedliche Aktivitäten liefern. Unter sprachlichen Austauschsystemen werden organisierte Lösungen verstanden, die beispielsweise regeln, wer wann wie sich äußern kann und darf. Zu denken ist an Unterschiede beispielsweise zwischen Schulunterricht, Gerichtsverhandlungen, Ärzt/innen-Patient/innen-Kommunikation oder eben Jobcenter-Kommunikation, in denen je verschieden beispielsweise die Verteilung von als legitim erachteten Frage-Antwort-Paaren geregelt ist. [30]
Dementsprechend muss sich anhand der Rekonstruktion der Bedeutungskonstruktionen und Interpretationen der interagierenden Sprecher/innen aufzeigen lassen, wer in einer Institution mit wem spricht und wie sich die Sprecher/innen am institutionalisierten Rahmen von Gesprächsaktivitäten selbst orientieren (vgl. CICOUREL 1992; SCHEGLOFF 1997). [31]
Aber nicht nur institutionelle Rahmenbedingungen, sondern auch gesellschaftliche Verhältnisse oder gesellschaftliche Strukturkategorien sind nur dann relevant, wenn sie zum internen Kontext werden:
"The paradox, then, is this: if some 'external' context can be shown to be proximately (or intra-interactionally) relevant to the participants, then its external status is rendered beside the point; and if it cannot be so shown, then its external status is rendered equivocal" (SCHEGLOFF 1992, S.197). [32]
Institutionalisierter Rahmen und gesellschaftliche Verhältnisse können allerdings auch nur durch Verweise und Anspielungen im Gespräch aufgezeigt werden. Um diese zu verstehen, müssen sowohl die Sprecher/innen als auch die Analysierenden über ein institutionenbezogenes Kontextwissen verfügen, das in der Kommunikation nicht expliziert wird. DEPPERMANN (1999, S.62) nennt dies den "Interpretationshintergrund", der von den Interagierenden aufgrund eines gemeinsamen Erfahrungshintergrunds oder der institutionellen Eingebundenheit der Interaktion vorausgesetzt wird. Das bedeutet allerdings nicht, dass in den Jobcentern die Kunden/Kundinnen zwingend über das gleiche institutionenspezifische Wissen verfügen wie die persönlichen Ansprechpartner/innen. Es kann durchaus sein, dass sie ein Vorgehen nicht verstehen und dennoch nicht nachfragen oder auf andere Weise z.B. Verwirrung signalisieren. [33]
Damit stellt sich aber die Frage, welches Wissen die Forschenden selbst haben müssen, um die Sinnhaftigkeit einer Interaktion nachvollziehen zu können: Zumindest müssen sie über jenes institutionenbezogene Kontextwissen verfügen, das in der Kommunikation nicht unbedingt expliziert wird und das über ein alltägliches, praktisches Wissen hinausgeht, an dem sich die Gesprächsteilnehmer/innen aber in ihrer Interaktion orientieren (ARMINEN 2005, S.30-37). Das setzt weitergehendes, ethnografisches Wissen in Bezug auf die Gepflogenheiten und Diskurse des Feldes voraus (DEPPERMANN 2000), welches die Forschenden nicht allein aus den Gesprächsprotokollen gewinnen können:
"Language and other social practices are interdependent. Knowing something about the ethnographic setting, the perception of and characteristics attributed to others, and broader and local social organizational conditions becomes imperative for an understanding of linguistic and non-linguistic aspects of communicative events" (CICOUREL 1992, S.294).22) [34]
In jedem Fall müssen sich die unterschiedlichen Facetten dessen, was hier unter Kontext verstanden wird, aber anhand der Gesprächsdaten aufzeigen lassen. In engem Zusammenhang mit dem hier skizzierten Verständnis des Kontexts kann nun verdeutlicht werden, was im Folgenden unter der "Relevanz für die Teilnehmer/innen" und der "Orientierung der Teilnehmer/innen" (participants' orientations) verstanden wird. [35]
Zunächst ist damit gemeint, dass der Kontext ebenso wie identitätsbildende Kategorien (wie Frau oder Mann) für die Gesprächsteilnehmer/innen relevant sein und diese ihr Handeln daran ausrichten müssen:
"Showing that some orientation to context is demonstrably relevant to the participants is important, as well, in order to ensure that what informs the analysis is what is relevant to the participants in its target event, and not what is relevant in the first instance to its academic analysts by virtue of the set of analytic and theoretical commitments which they bring to their work" (SCHEGLOFF 1992, S.196; Hervor. i.O.). [36]
Häufig wird zugrunde gelegt, dass die Gesprächsteilnehmer/innen selbst diese Relevanz aufzeigen bzw. ihr Handeln selbst z.B. bezogen auf Gender verstehen müssen, sodass die Analyse sich letztlich auf die Deutungen in den Worten der Sprecher/innen (participants' own terms) beziehen muss. [37]
Dieses Verständnis wurde gerade für die Analyse von Gender und anderen sozialen Kategorien vielfach als zu eng kritisiert (vgl. BILLIG 1999; WEATHERALL 2000), weil dann beispielsweise sexistische Rede nur in der Analyse sichtbar werden könnte, wenn die Gesprächsteilnehmer/innen selbst Redezüge auf diese Weise charakterisieren würden. STOKOE und SMITHSON (2002) weisen darauf hin, dass deshalb ein solch enges Verständnis davon, was als relevant für die Teilnehmer/innen gelten kann und woran sie sich orientieren, eine unnötige Begrenzung bedeutet. Vielmehr gelte es, zwischen impliziter und expliziter Relevanz zu unterscheiden. [38]
Ein expliziter Bezug auf Gender wird häufig dann unterstellt, wenn vergeschlechtlichte Kategorisierungen wie Mädchen oder Junge etc. genannt werden. Allerdings bedeutet die Verwendung solcher Kategorien gleichwohl nicht, dass sie im weiteren Gesprächsverlauf durch die Sprecher/innen selbst explizit als relevant markiert werden, beispielsweise durch Selbstkorrekturen (self-repairing, vgl. hierzu HOPPER & LeBARON 1998), Kategorienwechsel oder Widerrufungen (STOKOE & SMITHSON 2002) oder dass Gender im weiteren Gesprächsverlauf im Vordergrund steht (vgl. KITZINGER 2007). [39]
Obwohl SCHEGLOFF selbst in seinen Beispielen dafür plädiert, nur eine explizite Orientierung der Gesprächsteilnehmer/innen an Gender zu berücksichtigen, räumt auch er ein, dass das im Grunde genommen zu eng ist: "the explicit mention of a category term (...) is by no means necessary to establish the relevant orientation by the participants" (1997, S.182). Bestimmte Annahmen, beispielsweise heteronormative, können in einem Gespräch nämlich auch implizit zugrunde gelegt werden, wenn beispielsweise kategorienbezogene Handlungsweisen zum Thema werden, z.B. "Heiraten" in einem bestimmten nationalstaatlichen Kontext (vgl. STOKOE & SMITHSON 2002). Unter Hinzuziehung des kulturellen Wissens der Analysierenden können so auch Ungesagtes und nebenbei Gesagtes analysiert und deren Relevanz für die Interaktion aufgezeigt werden. Implizite Orientierungen können allerdings doppeldeutig sein. Deshalb muss die Relevanz von Gender für die Interaktionen in der sich sequenziell entspinnenden Ordnung aufgezeigt werden: "The analytic task is to find systematic, grounded ways of dealing with implicitness (by studying members' use of categories, indexicality, and linguistic-philosophical notions such as presupposition, etc.) rather than imposing categories considered universally relevant by the analyst" (STOKOE 2005, S.123f.). [40]
KITZIGER (2002) geht in ihrer Analyse noch einen Schritt weiter, indem sie durch den Vergleich einer Vielzahl von ähnlichen Situationen die zugrunde gelegte (in diesem Fall heteronormative) Normalität rekonstruiert, d.h. erst in einer Serie von Interaktionen und ihrer Variation wird die Geordnetheit der Interaktionen sichtbar. [41]
STOCKILL und KITZINGER (2007) zeigen zudem auf, wie geschlechtsneutrale Kategorisierungen (z.B. "people") durch deren interaktiven Einsatz vergeschlechtlicht zu hören sind (ein fiktives Beispiel: "Es gib Leute, die auch im oberen Management lange Haare tragen" macht nur dann in der Besonderung Sinn, wenn damit Männer gemeint sind). Um die interaktive Bedeutung solcher Aussagen verstehen zu können, müssen die Analysierenden auf ein kulturelles Hintergrundwissen (hier: über Haarfrisuren und Gender) zurückgreifen, auf das sich die Interagierenden beziehen. [42]
Die Analyse geht dann aber über das hinaus, was in den Begriffen der Gesprächsteilnehmer/innen beschrieben werden kann. Es muss also eine Unterscheidung zwischen dem gemacht werden, was die Sprecher/innen selbst für sich als relevant aufzeigen, und dem, was relevant für den Gesprächsverlauf, die interaktive Sinnerzeugung und den praktischen Zweck der Interaktion ist. Diese Relevanzen sind den Gesprächsteilnehmer/innen nicht unbedingt reflexiv zugänglich, können aber durch die Rekonstruktion sichtbar werden. [43]
Indem bei der Analyse auch implizite Orientierungen an Gender berücksichtigt werden (vgl. HUTCHBY & WOOFFITT 1998, S.31ff.; SPEER 2005, S.84f.), soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass kompetente Gesellschaftsmitglieder gleichsam nebenbei Geschlechterattribuierungen und -darstellungen gemäß des common sense knowledge vornehmen und dies nur in seltenen Fällen dem Gegenüber anzeigen. Oder anders ausgedrückt: Wenn es "precisely the ordinariness and taken-for-granted aspects of gender" (WEATHERALL 2002, S.100) sind, die bei der ethnomethodologischen Erforschung von Gender interessieren, dann gilt es, genau diese Selbstverständlichkeit in der Forschung zu berücksichtigen. [44]
STOKOE und SMITHSON (2002, S.97; 2001) weisen zudem darauf hin, dass mithilfe der sequenziellen Konversationsanalyse zwar rekonstruiert werden kann, wie Gender in den Interaktionen relevant wird. Erst unter Hinzuziehung kulturellen Kontextwissens kann jedoch aufgezeigt werden, warum dies geschieht. Beispielsweise können Selbstkorrekturen oder Rechtfertigungen einer moralisch dispräferierten Haltung oder Handlung vorangestellt werden, damit Sprecher/innen sich z.B. sensibel für Diskriminierungen präsentieren oder sich von anderen abgrenzen können (vgl. STOKOE 2010). Weitergehend kann dann gefragt werden, warum etwas in einer bestimmten Situation als adäquate Rechtfertigung gilt (vgl. WETHERELL1998, S.404). [45]
Das bedeutet aber auch, die Trennung von Mikro- und Makroebene bei der Analyse von Gesprächspraktiken zu verflüssigen. Die entscheidende Frage dabei ist, "how do members build, orient to, and reproduce these regognizable patterns, structures and norms within their talk?" (SPEER 2005, S.149) Anders ausgedrückt lauten die Fragen also:
Was "machen" Gesprächsteilnehmer/innen in einem Redezug, wenn sie Gender bzw. andere Kategorisierungen relevant setzen?
Wie und zu welchen praktischen Zwecken orientieren sich die Gesprächsteilnehmer/innen an Geschlechternormen, -ideologien oder gesellschaftlichen Strukturverhältnissen?
Und: wie erscheinen diese in den Interaktionen als Normalität? [46]
Diese konkretisierenden Fragen spitzen gleichsam die klassische Frage der Konversationsanalyse "Why that now?" (vgl. SCHEGLOFF z.B. 1998) geschlechtertheoretisch zu. Sie erweitern aber auch den Blick für jenes implizite common sense knowledge, auf das sich die Gesprächsteilnehmer/innen beziehen, das sie aber nicht explizieren. [47]
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das hier entfaltete Verständnis von Kontext, interaktiver Relevanz und Orientierung der Gesprächsteilnehmer/innen über jene Verständnisse hinausgeht, die nur explizite Benennungen durch die Gesprächsteilnehmer/innen selbst berücksichtigen. Für die Analyse muss dabei ein common sense knowledge bzw. ein kulturelles Wissen herangezogen werden, vor dessen Hintergrund die Gesprächsteilnehmer/innen ihre Interaktionen sinnhaft anordnen. Dieses Wissen müssen sie aber nicht unbedingt explizieren, noch ist es ihnen in jedem Fall reflexiv zugänglich. Die Analyse muss also über den vorliegenden Text hinausgehen und seine Eingebundenheit in ein "Gewebe" von sozialen Praktiken, institutionellen und organisationalen Rahmenbedingungen und gesellschaftlichen Verhältnissen berücksichtigen. Entscheidend ist aber bei der Analyse, dass ein solches Wissen nicht vorausgesetzt wird, sondern dass in den Daten aufgezeigt werden muss, wie es relevant wird und wie sich die Gesprächsteilnehmer/innen selbst daran orientieren, um situativ Sinn und Verstehen im Gespräch herzustellen bzw. ihr Handeln verständlich (accountable) zu machen.23) [48]
2.2.2 Membership categorization analysis und Geschlechterforschung
Zentrales Anliegen der membership categorization analysis (MCA) ist die Analyse des normativen Charakters von Kategorisierungen bzw. der Herstellung von Normen in der Interaktion (norm-in-action) (vgl. HOUSLEY & FITZGERALD 2002, S.65-67; 2009; JAYYUSI 1984).24) Durch die Verknüpfung der sequenziellen Konversationsanalyse mit der MCA kann das ethnomethodologische Anliegen, die Methoden der Interaktionsteilnehmer/innen als Gesellschaftsmitglieder zu rekonstruieren, in der Weise weitergetrieben werden, dass dadurch soziale Strukturen, Kultur und Identitäten als situierte Praktiken untersucht werden, indem kontextsensitiv die situierte Kategorisierungsarbeit der Teilnehmer/innen in den Blick genommen wird (vgl. HOUSLEY & FITZGERALD 2002, S.60). [49]
Was heißt in diesem Zusammenhang membership bzw. member? Gemäß der ethnomethodologischen Grundlage, die die MCA mit der Konversationsanalyse teilt, interessieren Personen nicht als Individuen, sondern als Mitglieder einer Kollektivität bzw. der Gesellschaft:
"In short, the notion of 'member' refers to capacities or competencies that people have as members of society; capacities to speak, to know, to understand, to act in ways that are sensible in that society and in the situations in which they find themselves" (TEN HAVE 2002, Par.17). [50]
Kategorisierungen im Sinne der MCA sind deshalb auch nicht mit Sozialstrukturvariablen bzw. sozialen Kategorien im sozialwissenschaftlichen Sinne wie Alter, Geschlecht etc. zu verwechseln, wie sie zunächst intersektionellen Analysen zugrunde liegen. Allerdings tragen sie zu deren interner Strukturierung wesentlich bei. Kategorisierung im Sinne der MCA ist ein grundlegender Vorgang, durch den Mitglieder einer Gesellschaft soziale Ordnung konstituieren (vgl. McILVENNY 2002, S.19). [51]
So können unterschiedliche moralische Erwartungen in Verbindung mit einzelnen Kategorisierungen z.B. in einer Kollektion von Kategorien, die zusammen Familie konstituieren, stehen. Diese familienbezogenen Kategorisierungen tragen dann dazu bei, wie Gender figuriert wird. Die MCA kann also aufzeigen, wie soziale Kategorien wie Gender, die sich dann in Sozialstrukturanalysen widerspiegeln, in Interaktionen hervorgebracht werden: "by drawing attention to how local configurations of categorization may also involve a regognizable appeal to wider social process, concerns and factors as part and parcel of the inferential work of members' everyday affairs" (HOUSLEY & FITZGERALD 2002, S.78). [52]
Und genau auf diese sequenziellen, situativen und situierten Hervorbringungen von Gender richtet sich hier das Augenmerk der Analyse. HOUSLEY und FITZGERALD sehen in dieser Weiterführung der MCA eine Möglichkeit, wie der Dualismus von Mikro- und Makroanalyse aufgehoben werden kann, in dem Sinne, "that such studies can explore the local senses, uses and accomplishment of orders pertaining to culture, nationality, social structure and processes" (S.80). [53]
Kategorisierungen im Sinne der MCA sind in Abgrenzung zu einer bloßen Etikettierung mit Handlungsweisen (category bound activities, CBAs) und Attributen verknüpft. Das bedeutet, dass Kategorisierungen mit (moralisch) erwartbaren Aktivitäten verbunden sind bzw. werden, z.B. dass sich Eltern um ihre Kindern kümmern. Andersherum können bestimmte Aktivitäten genannt werden, die durch die Zuhörer/innen mit bestimmten Mitgliedschaftskategorien verknüpft werden: "[M]any kinds of activities are commonsensically associated with certain membership categories. So if we know what someone's identity is, we can work out the kinds of activities in which they might engage" (SILVERMAN 1998, S.83). [54]
Alltägliches Verstehen beruht auf der Annahme, dass "'they' (that is some category of people) do such things" (a.a.O.). Dass Kategorisierungen mit erwartbaren Handlungsweisen (CBAs) und Attributen verknüpft werden, hat zwei Konsequenzen: Häufig tragen Kategorisierungen zur Konstruktion von Moral durch erwartbare Rechte und Pflichten bei (PSATHAS 1999 spricht von "predicatively-bound" acting). Zudem ist es nicht unbedingt nötig, die zugrunde gelegte Kategorie zu nennen, weil man – jeweils kontextabhängig – ohnehin schon weiß, wer so etwas tut (SILVERMAN 1998, S.75). [55]
Kollektionen werden situativ hervorgebracht und hängen von den jeweiligen Kontexten ab.25) So kann beispielsweise "Mädchen" sowohl Teil einer altersbezogenen Kollektion als auch einer geschlechterbezogenen Kollektion sein. In der Analyse muss deshalb jeweils gezeigt werden, zu welcher Kollektion eine Kategorisierung situativ gehört:
"It has to be decided in each and every case what the category means and this will involve a figuring out of what collection the category belongs to, for this occasion. Similarly, in the absence of contextual detail, it is difficult, if not impossible to say what a particular device, say 'family', means and hence what its constituent membership categories are" (HESTER & EGLIN 1997a, S.18). [56]
Gerade die Verbindung von sequenzieller Konversationsanalyse mit der MCA kann deutlich machen, zu welcher Kollektion eine Kategorie im jeweiligen Gesprächszusammenhang gehört (vgl. HESTER 1994, S.242 in FITZGERALD & HOUSLEY 2002, S.68; STOKOE & SMITHSON 2001, 2002; STOKOE 2010). Denn die Analyse der Kategorisierungen wird integriert in die Analyse der sequenziellen Struktur der sprachlichen Interaktion, um die sequenzielle Abfolge der Kategorisierungen in ihrem situativen Einsatz zu analysieren (STOKOE 2006, S.471; SILVERMAN 1998). [57]
Unter membership categorization devices (MCDs) werden nun Kollektionen von membership categorizations26) sowie die sie verbindenden Anwendungsregeln verstanden (vgl. LEPPER 2000, S.16). SACKS (vgl. die Überblicke in SILVERMAN 1998; LEPPER 2000) hat eine Vielzahl solcher Anwendungsregeln genannt:
Konsistenzregel (consistency rule): Wenn zunächst eine Person mithilfe einer Mitgliedschaftskategorie kategorisiert wurde, dann sind folgende Kategorisierungen auch als zu diesem MCD gehörig zu hören.
Ökonomieregel (economy rule): Grundsätzlich reicht eine Kategorisierung für eine Person aus. Allerdings zeigen unsere Gesprächsdaten, dass jeweils situativ innerhalb eines Gesprächs eine Vielzahl von Selbst- und Fremdkategorisierungen im Umgang mit unterschiedlichen Anforderungen verwendet wird.
Duplizierende Organisation (duplicative organization): Diese Regel lässt sich sehr gut anhand von Fußballteams veranschaulichen. Wenn Kategorisierungen als zusammengehörig behandelt und Mitglieder einer Population in dieser Einheit verortet werden, dann werden in Bezug auf diese Population Einheiten und nicht einzelne Mitglieder dieser Einheiten gezählt. Das heißt, sind auf einem Fußballfeld verschiedene Teams, dann werden nicht Stürmer/innen, Verteidiger/innen usw. gezählt, sondern die Teams, und es wird möglicherweise aufgezeigt, in welchen Teams welche Position gerade nicht eingenommen wird.
Zudem sind Zusammengehörigkeiten von Kategorisierungen von kompetenten Gesellschaftsmitgliedern auch zu hören bzw. wahrzunehmen, weil sie sich sonst als unbeholfen bzw. inkompetent darstellen (nicht zu wissen, wer in welcher Mannschaft auf dem Feld spielt, ist "peinlich").
Zusammengehörigkeiten sind allerdings nicht nur in Analogie zu einem Team zu denken. Vielmehr sind sogenannte standardisierte Beziehungspaare (standardized relational pairs) mit spezifischen Rechten und Pflichten der jeweiligen Partei verbunden, z.B. Ehemann – Ehefrau; Eltern – Kind. Solche Beziehungspaare bilden responsibility collections (R-collection).
Damit verbunden ist auch, dass es auffällt, wenn in standardisierten Beziehungspaaren eine Position nicht eingenommen wird (programmatic relevance). Häufig werden dann Versuche unternommen, diese Position zu besetzen. Wenn z.B. kein/e Ehepartner/in vorhanden ist, dann wird nach möglichen Geschwistern gefragt etc.
Vergleichbar mit der Verantwortungskollektion, die gegenseitige Hilfebeziehungen nahe legt, gibt es auch Kollektionen, die durch die unterschiedliche Verteilung von Wissen hervorgebracht werden (knowledge collection; K-collection), z.B. Arzt/Ärztin-Patient/in oder Fallmanager/in-Kunde/Kundin im Jobcenter. Die Expert/innen liefern dabei spezielle Hilfe bei spezifischen Problemen.
Zudem gibt es auch über die institutionellen Rollen hinaus positionierende Kategorisierungen, z.B. Baby – Kind – Jugendlicher – Erwachsener (stage-of-life categories). Im Jobcenter findet beispielsweise in Bezug auf die unterstellte Arbeitsmarktnähe anhand von Kriterien eine positionierende Einteilung der Kunden/Kundinnen in vorgegebene Kategorien statt. [58]
Diese Regeln können auch als rules of inference (Regeln des Schlussfolgerns) verstanden werden (LEPPER 2000, S.15). Mitgliedschaftskategorisierungen sind in diesem Sinn inference-rich categories, weil sie eben genau durch solche Regeln zu Kollektionen verbunden werden.27) Aufgrund dieser Regeln wird zudem bei der Analyse die Annahme zugrunde gelegt, dass kompetente Gesellschaftsmitglieder nur einen Teil einer Kollektion zu hören brauchen, um die zugehörige Kollektion situativ zu rekonstruieren (STOKOE & SMITHSON 2002, S.87f.). [59]
Dabei setzt die Analyse der Verbindung von membership categories und CBAs ein gemeinsam geteiltes, praktisches Wissen (common sense knowledge) (HOUSLEY & FITZGERALD 2002, S.62), mithin gewisse Normalitätsvorstellungen, voraus, über die Menschen einer unterstellten gemeinsamen Kultur verfügen. Man spricht deshalb auch von membership knowledge (vgl. TEN HAVE 2002). Der Begriff der "Kultur" bezieht sich dabei auch auf begrenzte lokale Kulturen (z.B. eine Gruppe, Szene oder Organisation), die mit spezifischen (z.B. institutionellen) Kategorisierungen verbunden sind. Allerdings dürfen diese gemäß den Annahmen der MCA nicht als gegeben, de-kontextualisiert vorausgesetzt werden, sondern müssen in ihrem situierten Einsatz betrachtet und rekonstruiert werden (HOUSLEY & FITZGERALD 2002, S.74; HESTER & EGLIN 1997a, S.17; SILVERMAN 1998, S.77, 139). Damit verbunden ist auch ein Verständnis, dass Gesellschaftsmitglieder nicht nur Kultur nutzen, um Dinge zu tun, "but that culture is constituted in, and only exists in, action" (HESTER & EGLIN 1997a, S.20). Sprechen bzw. Gespräche (talk) werden in diesem Sinne als culture-in-action verstanden (STOKOE & SMITHSON 2002, S.88; HESTR & EGLIN 1997a, S.11), und Normen werden als Normen in Interaktion untersucht (norm-in-action, vgl. HOUSLEY & FITZGERALD 2002, S.65-67; JAYYUSI 1984). Das bedeutet auch, dass erst im situativen Gebrauch ersichtlich wird, zu welchen Kollektionen Kategorisierungen gehören, und dass MCDs in situ gebildet werden (vgl. HESTER & EGLIN 1997a, S.20). Kontext und Kategorisierungen verweisen also wechselseitig aufeinander bzw. bringen sich gegenseitig hervor, sind im ethnomethodologischen Sinne reflexiv: "categorizations and their contexts are mutually elaborative, separable only for the sake of analysis; the sense of a description is part and parcel of he context in which the description occurs" (HESTER & EGLIN 1997b, S.26). [60]
Das in verbalen Interaktionen relevante Wissen muss nicht unbedingt als solches explizit benannt oder gar zum Gesprächsthema werden, sondern kann auch nur durch Verweise, den Interaktionsverlauf selbst oder durch eine zugrunde gelegte Normalität im Gespräch relevant werden. Das heißt, es handelt sich um ein implizites, unhinterfragtes Wissen, das Teil des praktischen Sinns (BOURDIEU 1997 [1980]) der Handelnden ist. Deshalb müssen auch bei der Analyse von Selbst- und Fremdkategorisierungen die Forscher/innen auf ein Hintergrundwissen zurückgreifen, um die für eine Kultur im common sense knowledge bzw. common knowledge verankerte Zusammengehörigkeit der Kategorien zu erkennen. In Bezug auf institutionelle Kommunikation gehört zum common sense knowledge auch institutionenspezifisches Wissen, weil bestimmte Handlungsschritte innerhalb von Organisationen bestimmte Kategorisierungen erfordern oder begünstigen.28) [61]
Die Forscher/innen gehören aber so gesehen selbst einer spezifischen Kultur an, nämlich einer wissenschaftlichen (Expert/innen-) Kultur, und ihr common sense knowledge unterscheidet sich von dem der Sprecher/innen. Zwischen dem Wissen der Forscher/innen und dem der Sprecher/innen bleibt eine unüberwindbare Lücke, ein Bruch. Aufgrund unterschiedlicher Situierungen in wissenschaftlichen Diskussionszusammenhängen fällt zudem das common sense knowledge von Forscher/innen unterschiedlich aus:
"It therefore follows that analysts might bring to bear different versions of common-sense knowledge, and what feminists treat as common-sense is likely to differ from what non-feminist researchers do (...). So if analysts draw upon their member's knowledge of interactions, then their own position and agenda is necessarily woven into analysis" (STOKOE & SMITHSON 2002, S.85). [62]
STOKOE und SMITHSON schlagen deshalb vor, die Analysierenden selbst ebenfalls als Mitglieder zu verstehen, die ihre eigenen Verfahren der Sinnerzeugung und des Kontextwissens in die Analyse einbringen, und nicht nur die Sprecher/innen (a.a.O.; TEN HAVE 1999, S.35). In diesem Sinne geht also der hier verfolgte Forschungsansatz erneut über ein Analyseverständnis hinaus, das vorgibt, sich der Begriffe der Gesprächsteilnehmer/innen zu bedienen (vgl. zu einer ähnlichen Kritik: BILLIG 1999). [63]
Wie bereits oben erwähnt, beruhen die hier präsentierten Ergebnisse auf einer Teilstudie im Rahmen des DFG-Forschungsprojektes "Gesprächspraktiken in Jobcentern im Rechtskreis des SGB II (Bereich der unter 25-Jährigen) – eine konversationsanalytische Studie". Die übergeordneten Fragestellungen zielten auf die von den Gesprächsteilnehmer/innen zu lösenden kommunikativen Aufgaben, auf das dabei eingesetzte praktische Wissen und die zur Geltung kommenden Kategorisierungen, Zuschreibungen und moralischen Bewertungen ebenso wie auf den Umgang mit Technologien und Artefakten, die für diese institutionelle Kommunikation typisch sind. Gefragt wurde danach, wie sich der gesetzlich vorgegebene Rahmen in der Kommunikation zeigt und wie die Interagierenden damit jeweils situationsspezifisch umgehen. [64]
Die Audioaufzeichnungen der Gespräche erfolgten in drei Jobcentern. Angestrebt wurde eine möglichst große Variation in Bezug auf die regionalen Situationen am Arbeitsmarkt: ein Jobcenter in Westdeutschland in einer Kleinstadt im ländlichen Raum, ein Jobcenter in einer westdeutschen Großstadt und eines in einer ostdeutschen Großstadt. Die Teilnahme der persönlichen Ansprechpartner/innen sollte auf Freiwilligkeit beruhen, selbstverständlich auch die der Kunden und Kundinnen. Die so erhobenen Gesprächsdaten weisen eine erhebliche Vielfalt in Bezug auf die bearbeiteten Themen, aber auch in Bezug auf die Lebenssituationen der Kunden und Kundinnen auf (z.B. hinsichtlich ihrer Wohnsituation und sozialen Herkunft, ihres Alters etc.). Die persönlichen Ansprechpartner/innen verfügten über unterschiedliche Ausbildungen und berufliche Hintergründe: sozialpädagogische/sozialarbeiterische Hochschulabschlüsse, Verwaltungslaufbahnen, aber auch diverse berufliche Hintergründe, die nicht den beiden Bereichen zuzuordnen sind ("Quereinsteiger/innen"). [65]
Für die Datenerhebung lag das Aufnahmegerät während der Gespräche auf dem Tisch, der zwischen den persönlichen Ansprechpartner/innen und den Kunden/Kundinnen stand.29) Teilweise war auch eine/r der Projektmitarbeiter/innen anwesend (nicht-teilnehmende Beobachtung), um non-verbale Gesprächsanteile sowie den Umgang mit technischen Geräten zu beobachten. Die Transkription erfolgte nach dem gesprächsanalytischen Transkriptionssystem (GAT) (vgl. SELTING et al. 1998).30) Aus dem Gesamtmaterial wurden Datenkollektionen zu unterschiedlichen Themen gebildet. Grundlage für die hier präsentierten Erkenntnisse war zunächst eine Kollektionenbildung entlang unterschiedlicher Differenzlinien: Gender, Migrationshintergrund, Klasse. Allerdings musste für die Erweiterung und Verfeinerung der Datenkollektion eine Kategorisierung in den Vordergrund gestellt werden. Andere Kategorisierungen wurden nur insoweit mitberücksichtigt, als sie für den jeweiligen direkten sequenziellen Kontext des ausgewählten Gesprächsausschnitts bedeutsam sind. Die Schwierigkeit bei kategorialen Fokussierungen ist, dass nicht alle Mitgliedschaftskategorisierungen der Gesprächsteilnehmer/innen berücksichtigt werden können. Gleichzeitig wird es aber dadurch möglich, den Einsatz einer bestimmten Kategorisierung genauer zu analysieren (siehe hierzu Abschnitt 2.2.1). Die zentrale Fragestellung war, an welchen Handlungsproblemen die Gesprächsteilnehmer/innen sich orientieren, wenn sie vergeschlechtlichte Kategorisierungen einsetzen und was der praktische Zweck dieses Einsatzes ist. Oder anders ausgedrückt: Welche Handlungsprobleme werden mit diesen Kategorisierungen situativ und interaktiv bearbeitet bzw. "gelöst"? [66]
Was ist nun genau unter vergeschlechtlichten Kategorisierungen zu verstehen bzw. wie können jene Stellen ausfindig gemacht werden, in denen die Gesprächsteilnehmer/innen Kategorisierungsarbeit leisten, die vergeschlechtlichte Kategorisierungen hervorbringt? [67]
Anknüpfend an den obigen Ausführungen zur expliziten und impliziten sequenziellen Relevanz von Gender lässt sich zunächst festhalten, dass der situative Gebrauch und der interaktiv hergestellte Kontext entscheidend dafür sind, was als vergeschlechtlichte Kategorisierung und wie diese zu hören ist. [68]
In vielen Fällen allerdings ist es schwieriger zu zeigen, dass eine Kategorisierung vergeschlechtlicht ist, ob und inwiefern diese Vergeschlechtlichung für die Sprecher/innen relevant ist, bzw. ob diese sich an ihr orientieren.31) So tauchen diese plötzlich auf, werden aber auch ebenso schnell wieder neutralisiert. Die für die Interaktion relevante Kategorisierungsarbeit (vgl. PSATHAS 1999, S.146) kann dabei auch in dieser Neutralisierungsarbeit liegen (vgl. unten, Beispiel 3). [69]
Die meisten Studien, die mit der membership categorization analysis arbeiten, beschreiben (ähnlich wie in dem vorliegenden Text) zwar Grundlagen, jedoch nicht das konkrete Vorgehen (ähnlich wie auch bei der Konversationsanalyse). Einige systematische Hinweise geben jedoch BAKER (1997, 2000) und STOKOE (2003, S.322f.): [70]
Zunächst werden die zentralen Kategorien, in diesem Fall vor allem die Orientierung an vergeschlechtlichten Kategorisierungen sowie ihre interaktive Relevanz, herausgearbeitet. Dann werden die damit verbundenen kategorienbezogenen Aktivitäten und Charakteristika herausgearbeitet und die Kollektion bzw. das membership categorization device. Im Anschluss daran werden dann die sequenzielle Funktion sowie die Indexikalität32) der Kategorisierungen herausgearbeitet, um deren interaktionelle Funktion zu klären. Indem dann die Verbindungen von Kategorien, Attributionen und Aktivitäten beschrieben werden, kann rekonstruiert werden, welche "Normalität" implizit zugrunde gelegt wird und an welchen Erwartbarkeiten sich die Gesprächsteilnehmer/innen gemäß ihres common sense knowledge orientieren. Folgt man dem konversationsanalytischen Vorgehen, dann ist die Sammlung relevanter Gesprächsausschnitte (inklusive der abweichenden Fälle) dann abgeschlossen, wenn eine Systematik gefunden werden konnte, die die beobachteten Varianten erklären kann. Hier bezieht sich diese Systematik auf die Ebene der institutionenspezifischen Handlungsdilemmata bzw. Handlungsherausforderungen. Prinzipiell sind diesbezüglich zwar noch weitere denkbar, aber entscheidend ist, wie und dass vergeschlechtlichte Kategorisierungen zur situativen Bearbeitung institutioneller Herausforderungen und Dilemmata genutzt werden und wie diese in der speziellen Institution aussehen. Bei der Systematisierung und Analyse der Gesprächsausschnitte zeigte sich, dass vergeschlechtlichte Kategorisierungen im Prinzip mit drei thematischen Feldern zusammenhängen: heterosexuelle Norm und Paarbeziehung, Elternschaft sowie berufliche Entscheidungsfindung, wobei es durchaus Überschneidungen geben kann (vgl. ausführlich hierzu: KARL i.E.). [71]
Die folgende Auswahl der Beispiele orientiert sich jedoch nicht an diesen Bereichen. Vielmehr sollen anhand dieser Beispiele die eingangs formulierten methodologischen Fragen diskutiert werden, nämlich nach der Relevanz vergeschlechtlichter Kategorisierungen für die Bearbeitung praktischer Handlungsprobleme, nach den Möglichkeiten, diese Kategorisierungen zu rekonstruieren und nach dem relevanten Kontext und (Kontext-) Wissen. [72]
Die Gliederung der Beispiele orientiert sich dabei an der Relevanz von Gender, die in den ersten beiden Beispielen offensichtlich ist. Am dritten Beispiel kann dagegen die Relevanz der Neutralisierung bzw. des Vergessens von Gender aufgezeigt werden. Anhand des vierten Beispiels soll die Schwierigkeit diskutiert werden, die interaktive Orientierung an Gender in einem spezifischen Fall zu rekonstruieren, obwohl es genau diese Art von Interaktionen sind, die zur geschlechtlichen Segregation des Arbeitsmarktes beitragen können. Dieses Beispiel soll dann verglichen werden mit einem weiteren, indem wiederum die Relevanz von Gender explizit ist. So kann erläutert werden, dass das implizite institutionelle Wissen erst durch den Vergleich unterschiedlicher Fälle sichtbar wird. Herausgearbeitet werden anhand der Beispiele insbesondere die praktischen Zwecke, das Wozu der Hervorbringung vergeschlechtlichter Kategorisierungen. [73]
3. Vergeschlechtlichte Kategorisierungsprozesse in der institutionellen Kommunikation in Jobcentern – Analysebeispiele
3.1 Vergeschlechtlichte Kategorisierungen im Umgang mit dem "Aktivierungsdilemma"
Mit dem Aktivierungsdilemma soll hier jene Handlungsherausforderung beschrieben werden, die durch den §10 SGB II gerahmt wird. Dieser besagt, dass eine Arbeit nur zumutbar ist, wenn sie die Erziehung des eigenen oder des Kindes des Partners/der Partnerin nicht gefährdet. Im Gesetz ist zudem formuliert, dass die Erziehung eines Kindes nach Vollendung des dritten Lebensjahres in der Regel nicht gefährdet ist, wenn eine Betreuung in einer Tageseinrichtung oder Tagespflege sichergestellt ist, und dass unter der gesicherten Betreuung jede Arbeit zumutbar ist. Vor diesem Hintergrund wird den persönlichen Ansprechpartner/innen nahe gelegt, erziehende Eltern mit Kindern unter drei Jahren nicht aktiv zu fördern. Zwar erleichtert das die Arbeit der Professionellen angesichts fehlender Kinderbetreuungsmöglichkeiten. In vielen Fällen halten die persönlichen Ansprechpartner/innen dieses Vorgehen jedoch für problematisch. Zudem gibt es erziehende Eltern (das sind vor allem Frauen), die bereits vor Ablauf der drei Jahre gerne Schritte für ihre berufliche Zukunft unternehmen würden, aber keinen Zugang zu ausreichender Kinderbetreuung haben. Die beiden folgenden Beispiele haben dieses Handlungsdilemma zum Hintergrund. [74]
Dabei zeigt sich, dass zu dessen Bearbeitung unterschiedliche Kategorisierungen eingesetzt werden und unterschiedliche praktische Zwecke einzelfallbezogen in der Interaktion verfolgt werden. [75]
3.1.1 Die Kategorisierung "Mutter" zur Herstellung von Einigkeit über die Grenzen der Aktivierung (Beispiel 1)
Das folgende Beispiel wurde gewählt, weil die letztlich interaktiv prozessierte Kategorisierung "Mutter" als Teil des MCDs Familie zur Bearbeitung eines institutionellen Handlungsproblems genutzt wird, nämlich der Frage, ob erziehende Eltern mit Kindern unter drei Jahren Unterstützung zur Eingliederung in Arbeit erhalten sollen oder nicht oder ob sie gar mit Blick auf die Zukunft bereits aktiviert werden sollen. Eindeutig wird die Vergeschlechtlichung der Kategorisierung "Mutter" erst dann, wenn man das gesamte Gespräch als Kontext hinzuzieht. [76]
Der Gesprächsausschnitt ist einem Gespräch entnommen, bei dem die Kundin (K) nicht aufgrund einer institutionellen "Einladung" anwesend ist, sondern unangemeldet kommt, weil sie Fragen beim Ausfüllen eines Antrags hat. Organisational wäre in diesem Jobcenter eigentlich eine Mitarbeiterin der Leistungsabteilung dafür zuständig. Da sich die persönliche Ansprechpartnerin (P) und K gut verstehen, bittet K diese um Hilfe. Beim Durchgehen des Antrags wird deutlich, dass der Vater des Kindes im gleichen Haushalt lebt und Student ist. K thematisiert, dass ihr Partner Aussicht auf eine Stelle hat, die ihnen den Ausstieg aus dem Leistungsbezug ermöglichen würde und dies voraussichtlich schon während seiner Masterarbeit. Damit verbunden sei auch ein Umzug in eine größere Stadt. Das Kind (Pseudonym: Betty) von K ist während des gesamten Gesprächs anwesend, und das Gespräch nimmt immer wieder einen eher informellen Charakter an, der sich mit der formalen Situation vermischt. [77]
Nachdem der Antrag ausgefüllt ist und das Gespräch zu einem vorläufigen Abschluss gekommen zu sein scheint, kommt K auf ihre Pläne zu sprechen.33)
Zunächst macht K explizit deutlich, dass sie sich um ihre weitere schulische Laufbahn bemüht hat und auch ihr Wunsch eine
weitere Qualifizierung sei. P kommentiert dies nur mit einem minimalen Rezeptionssignal, das gleichzeitig als Aufforderung
gehört werden kann und hier auch wird, weiterzusprechen. Unter Verwendung des institutionell verwendeten Begriffs "einsetzbar"
erklärt K dann, warum sie aufgrund der Rahmenbedingungen zum jetzigen Zeitpunkt dieses Vorhaben aufgegeben hat. Allerdings
scheint das Argument der fehlenden Kinderbetreuung nicht zu reichen. Vielmehr wird dann ein anderes, sachliches und moralisches
Argument angeführt: "weil sie noch zu klein ist", d.h., es wäre nicht gut für das Kind. Obwohl an dieser Stelle noch nicht
explizit die Kategorie Mutter genannt wird, klingt hier bereits an, was eine Mutter tut oder in diesem Fall unterlässt (category bound activity). [79]
Die Kategorie Mutter, die dann später explizit aufgegriffen wird, ist zwar einerseits vergeschlechtlicht, verweist andererseits aber hier in erster Linie auf die familiäre Kollektion, die insbesondere durch gegenseitige Verantwortung gekennzeichnet ist, vor allem gegenüber den Kindern. Eltern- bzw. Mutterschaft stehen so gesehen im Vordergrund. [80]
Dann führt K die zweite Überlegung an, nämlich sich über Volkshochschulkurse weiter schulisches Wissen anzueignen:
Dass diese Kurse "nichts" für sie sind, wird letztlich nicht inhaltlich, sondern mit der Kategorisierung der anderen als "Ausländer"
begründet, was mit Analphabetismus in Verbindung gebracht wird. Erst nach dem Hinweis, sie komme dort nicht zurecht, formuliert
P eine ausführlichere Zustimmung, die jedoch nicht die Kategorisierungen aufgreift oder unterstützt. Indem K das Ziel, das
sie vor Augen hat, benennt, positioniert sie sich selbst als eine Person, die bereits Lücken in der Grundbildung hat. Gleichwohl
kann sie sich durch die Abgrenzung von Ausländer/innen und Analphabet/innen doch als gebildeter positionieren (sozialer Distinktionsvorteil).
Hier werden also Selbst- und Fremdkategorisierungen gewählt, die (neben der Nationalität) vor allem etwas mit Schicht- bzw.
sozialer Klassenzugehörigkeit zu tun haben. [82]
Das im Gespräch nach diesem mehrfachen Positionierungs- und Kategorisierungsprozess gezogene Fazit ist dann eine vergeschlechtlichte Kategorisierung, die gleichzeitig Teil des MCD "Familie" ist:
Während die Formulierung "so gesehen" eine Distanzierung zumindest von der Kategorisierung "Hausfrau" beinhaltet und somit
die Identifikation mit dieser Kategorie eher offenlässt, ist das Rezeptionssignal "richtig" von P eindeutig positiv wertend,
wobei sie die gängige Formel "Mutter und Hausfrau" nicht relativiert. [84]
K greift diese Wertung zwar einerseits auf, unterstreicht aber andererseits durch die Formulierung "ist auch wichtiger für sie halt vorerst" die Selbstkategorisierung "Mutter". Diese Formulierung greift dabei das auf, was im Common Sense als vernünftig gilt. Im Interaktionsgeschehen drehen sich nun die Redeanteile um: P greift noch einmal die strukturellen Probleme der Kinderbetreuung auf, die Kundin bestätigt nun wertend "richtig". [85]
Interessant ist der vorläufige Abschluss der Sequenz: P beginnt einen begründenden Satz "DA ihr sowieso demnächst (-) verzieht", der von K zu Ende geführt wird: "passt das dann-". Sowohl formal als auch inhaltlich stellt dieses Äußerungspaar eine Schlüsselstelle für die gesamte Sequenz dar. Formal ergänzen sich die beiden Sprecherinnen und stellen so gemeinsam einen sinnhaften Satz her. Inhaltlich wird expliziert, dass "das" passt. Indexikalisch verweist das Wort "das" im Prinzip auf das gesamte Vorgehen, sowohl in Bezug auf die Kinderbetreuung und die damit verbundene Hintanstellung der schulischen Qualifizierung als auch die für realistisch gehaltene Einschätzung, dass eine größere Stadt mehr Möglichkeiten bietet. [86]
Zentral ist dieses Äußerungspaar deshalb, weil die in vielfältigen Kategorisierungsprozessen hergestellte Passung zwischen der Sichtweise von P und jener von K hier nun explizit wird. Diese Passung wird vor allem über die Einigkeit in Bezug auf die Kategorisierung als Mutter, die verantwortungsvoll für ihr Kind sorgt, realisiert. Eine zusätzliche Nähe zwischen den Interaktionspartnerinnen wird an dieser Stelle durch die eher informelle Formulierung "ihr" erzeugt, die erneut die Kollektion Familie adressiert. [87]
Nach einer eher die Verabschiedung einleitenden, informellen Sequenz wird die Kategorisierung "Mutter" dann wieder moralisch aufgegriffen:
Abhängig vom Alter des Kindes bewertet P das Verhalten von K positiv. Diese Bewertung wird durch den Verweis auf gesetzliche
Regelungen zur Erziehungszeit unterstützt. Der vorgeschaltete Marker "naja" als Kommentar zu dem Alter des Kindes macht deutlich,
dass K von der zugrunde gelegten Norm noch einige Zeit entfernt ist. Interessant ist nun die Formulierung "normale Erziehungszeit"34). Indem im Gespräch die Abweichung von dieser Norm als begründungsbedürftig deklariert wird, wird in dieser Situation Sinnhaftigkeit
in Bezug auf das gemeinsame Vorgehen hergestellt. Dieses passt gleichzeitig zu der institutionell abgesicherten und legitimierten
Sichtweise von P, dass sie K nicht aktivieren muss. [89]
Die Antwort von K "ja ja" ist zunächst zustimmend, allerdings ergibt die Audioaufzeichnung, dass die Antwort eher "abwinkend" gemeint ist. Die anschließende Argumentation schränkt die positive Sichtweise auf diese Normalitätskonstruktion dann auch erheblich ein: "finanziell" ist es "schwierig". Auch die oben geschilderten Bemühungen verweisen darauf, dass K die Möglichkeit, sich drei Jahre lang ausschließlich der Familienarbeit zu widmen oder sich der "Aktivierung" ("Fördern und Fordern") zu entziehen, ursprünglich nicht unbedingt bruchlos nutzen wollte. Sie problematisiert die Situation aber nicht weiter oder formuliert daraus ein Anliegen an P, sondern rekurriert auf die vorher hergestellte Einigkeit in Bezug auf die Kategorie Mutter bzw. "gute Mutter": Für eine gute Mutter ist das Wichtigste, dass das Kind alles hat. Indem im Folgenden dann über das Kind gesprochen wird, werden die angedeuteten Probleme nicht weiter verhandelt. [90]
Zusammenfassend lässt sich zunächst festhalten, dass die Kategorisierung "Mutter" zur Lösung eines Handlungsproblems prozessiert wird. Dieses Handlungsproblem gründet darin, dass für junge Mütter mit Kindern unter drei Jahren nicht zuletzt angesichts fehlender Kinderbetreuungsmöglichkeiten kaum sinnvolle Fördermöglichkeiten vorhanden sind, selbst wenn diese es (wie hier angeklungen) wünschen.35) Damit verbunden ist die interaktiv zu bewältigende Handlungsherausforderung, dennoch Einigkeit darüber herzustellen, wie zukünftig gehandelt werden soll, nicht zuletzt, um die Arbeitsbeziehung zwischen persönlichen Ansprechpartner/innen und Kund/innen nicht zu gefährden. [91]
Nun könnte man einwenden, dass "Mutter" hier in einer Weise eingesetzt wird, die vor allem die Verantwortung für das Kind und nicht die Vergeschlechtlichung in den Vordergrund stellt. Erste Hinweise auf die Bedeutung von Gender gibt aber bereits das lokale Nicht-Nennen der Verantwortung des Vaters für die Erziehung. Vor allem aber ist es der weitere Gesprächskontext, der zeigt, dass die Kollektion Mutter–Vater–Kind nicht nur als gegenseitige Verantwortungsbeziehungen gehört werden muss, sondern dass diese Verantwortlichkeiten vergeschlechtlicht werden. So charakterisiert K ihren Partner bzw. den Vater des Kindes beim Durchgehen des Antrags als einen, der "dann [...] ja endlich geld [verdient]" und im Rahmen der Gesprächsbeendigung als jemanden, der "fleißig am lernen" ist. Von P wird dagegen seine Verantwortung im Rahmen der Beendigungssequenz so formuliert, dass er "SCHÖN auf euch aufpassen" soll. In der Kollektion Familie kommen ihm somit die Verantwortlichkeiten des Familienernährers und Beschützers zu. Dem Vater interaktiv in dieser institutionellen Kommunikation die Verantwortung als Familienernährer zuzusprechen ermöglicht es den Interagierenden, sich gegenseitig zu versichern, dass sie das Ende des Hilfebezugs in naher Zukunft als realistisch einschätzen, auch wenn zu diesem Zeitpunkt keine weiteren Schritte unternommen werden. [92]
Erst wenn man das gesamte Gespräch heranzieht und die einzelnen Äußerungen für die jeweils späteren als Kontext versteht, wird deutlich, dass Kategorisierungen im Rahmen des MCD "Familie" hier vergeschlechtlicht sind, weil ihnen unterschiedliche category bound activities zugewiesen werden, die in diesem Fall mit der Zuweisung von Familien- und Hausarbeit einhergehen. Hinsichtlich des methodischen Vorgehens zeigt dieses Beispiel, dass es bei der Frage, ob und inwiefern Kategorisierungen vergeschlechtlicht zu hören sind, nötig sein kann zu analysieren, mit welchen category bound activities die anderen zu einer Kollektion gehörenden Kategorisierungen in einem Gespräch verbunden werden, den Kontext also weiter zu fassen als in Bezug auf die unmittelbar analysierte Sequenz. [93]
3.1.2 Aktivierung von "Nichtaktivierten" durch die Kategorisierung "alleinerziehende Frau" (Beispiel 2)
Im vorhergehenden Beispiel wurde die doppelte Kategorisierung "Hausfrau und Mutter" von der persönlichen Ansprechpartnerin positiv bewertet und als "das Normale" zugrunde gelegt. Dadurch wurde bekräftigt, dass in Bezug auf diese Frau die amtlichen Strategien des "Förderns und Forderns" nicht angewandt werden müssen. Es gibt jedoch andere Beispiele, in denen diese Doppelkategorisierung und der damit verbundene institutionelle Status der Nicht-Aktivierung negativ bewertet werden. Im folgenden Beispiel wird Letzteres als möglichst zu vermeidendes Problem gesehen. [94]
In Zusammenhang mit der Klärung der Aktenlage (Alter der Kinder) steht folgende Sequenz:
P setzt hier an, die Möglichkeit, sich ausschließlich der Kindererziehung zu widmen, als Frist zu beschreiben, korrigiert sich dann und bezeichnet sie als "Schonraum". Diese Formulierung ist insofern bezeichnend, weil der Gesetzgeber diese Möglichkeit für die bestmögliche Sorge um kleine Kinder eingeräumt hat, sie aber von P als "Schonraum" für K charakterisiert wird. Dieser Schonraum bezieht sich auf den Zugriff des Jobcenters und die Situation, gegenüber dem Jobcenter nicht verpflichtet zu sein, "arbeiten zu müssen".36) [96]
In der daran anschließenden kurzen Sequenz erfolgt eine Verständigung darüber, dass zunächst andere Schritte wie Wohnungssuche nach einer Trennung etc. geklärt werden müssen. Kurz darauf verweist die persönliche Ansprechpartnerin auf den beruflichen Wiedereinstieg:
Das Thema des beruflichen Wiedereinstiegs wird von P angeschnitten, indem auf die "tolle" berufliche Ausbildung Bezug genommen
wird. Dadurch wird deutlich, dass P die Situation von K bezüglich des beruflichen Wiedereinstiegs "eigentlich" nicht so negativ
sieht. Gleichwohl scheint sie einen längeren beruflichen Ausstieg als problematisch zu bewerten, indem sie einen möglichst
frühen Wiedereinstieg anrät. K kommentiert das minimal mit zustimmenden Signalen. [98]
Die Begründung, warum P im weiteren Gesprächsverlauf immer wieder versucht, K aufzufordern, sich bereits vor Ablauf der drei Jahre um Arbeit und damit auch um die Kinderbetreuung zu kümmern, wird in folgendem Ausschnitt deutlich:
P verwendet hier zwei Kategorisierungen: "Frauen, die ihre berufliche Tätigkeit unterbrochen haben" und "Alleinerziehende".
In der Reihenfolge der Nennung ist dabei eine Steigerung des unterstellten Risikos, keine Existenz sichernde Erwerbsarbeit
zu finden, angelegt ("je länger", "alleinerziehende dann vor allen dingen"). Dass die Kategorisierung "Alleinerziehende" sich
in diesem Kontext auf Frauen (und nicht auf Frauen und Männer) bezieht, wird durch die Formulierung "dann vor allen Dingen"
markiert: Aus der Gruppe der Frauen werden Alleinerziehende besonders hervorgehoben. [100]
Die Kategorisierung "mit abgeschlossener Berufsausbildung" wirkt dabei risikomindernd ("die ausbildung hotelfachfrau wirklich nutzen"), die Dauer des beruflichen Ausstiegs jedoch risikoerhöhend ("je länger sie weg sind [...] desto schwieriger wird es"). [101]
Die Thematisierung des Risikos von (insbesondere alleinerziehenden) Frauen nach der Kindererziehungszeit stellt hier einen allgemeinen Hinweis dar, möglichst schnell selbst aktiv zu werden ("Ausbildung ... nutzen", Hinzuziehen der Herkunftsfamilie für die Kinderbetreuung, Ansprechen des früheren Arbeitgebers).37) Denn nach Schilderung des Risikoszenarios nimmt P nach einer Pause von zwei Sekunden und dem abschließenden "gut" die Überprüfung der Daten bzw. das "Profiling" mithilfe des Computers wieder auf. [102]
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass hier unterschiedliche Kategorisierungen zum Einsatz kommen, die K als "alleinerziehende Frau mit abgeschlossener Berufsausbildung" positionieren. Diese Positionierung von K ermöglicht trotz der organisational favorisierten Auslegung des rechtlichen Hintergrunds eine Aktivierung von K, ohne diese verbindlich festzulegen. [103]
Vergleicht man dieses Beispiel mit dem ersten, so wird deutlich, dass trotz des gleichen rechtlichen Hintergrunds unterschiedliche vergeschlechtlichte Kategorisierungen in Verbindung mit anderen, nicht-vergeschlechtlichten (z.B. [aus-] bildungsbezogenen) Kategorisierungen etabliert werden, und dass damit jeweils andere normative Erwartungen und interaktive Konsequenzen im Gespräch verbunden sind, mithin unterschiedliche Handlungsherausforderungen gelöst werden: Im ersten Beispiel kam die Kategorisierung "Mutter" zum Einsatz, um Einigkeit darüber herzustellen, dass K weiterhin nicht aktiviert wird und damit nicht an Maßnahmen teilnimmt. Im zweiten Beispiel kann mit der Positionierung als "alleinerziehende Frau mit abgeschlossener Berufsausbildung" Einigkeit darüber hergestellt werden, dass möglichst schnell wieder eine Aktivierung möglich werden soll, obwohl diese rechtlich nicht verpflichtend ist, wenn Kinder unter drei Jahren erzogen werden. Die einzelfallbezogenen Umgangsweisen zeigen zudem, dass in beiden Beispielen letztlich die Frage handlungsleitend ist, inwiefern die Kundinnen längerfristig aus dem Hilfebezug kommen können. [104]
In beiden Beispielen ist die Relevanz von Gender durch den Einsatz der Kategorisierungen im jeweiligen Gesprächskontext eindeutig. Bei den folgenden beiden Beispielen ist dies jedoch schwieriger. [105]
3.2 Interaktive Relevanz des sprachlichen Wechsels zwischen vergeschlechtlichter Kategorisierung und deren Neutralisierung – Evaluierung von beruflichen Schritten
Mit dem folgenden Beispiel 3 soll gezeigt werden, wie die vergeschlechtlichte Segregation des Arbeitsmarktes, also der externe Kontext, relevant für das Gespräch wird, aber die Geschlechterdifferenz durch die Verwendung eines geschlechtsneutralen Begriffs gleich wieder neutralisiert wird. Dabei ist es genau diese Neutralisierung, die interaktiv relevant ist. [106]
Der Ausschnitt ist einem Gespräch entnommen, in dem der Kunde "eingeladen" wurde, weil aufgrund von zahlreichen Fehlzeiten eine Maßnahme abgebrochen worden war. K kann nicht sanktioniert werden, weil entsprechend der gesetzlichen Regelungen ärztliche Atteste vorlagen. Gleichwohl versucht P, unter Anspielung auf die gemeinsame Geschichte auf der informellen Ebene K zu bewegen, zuzugeben, dass diese Gründe vorgeschoben sind. Im weiteren Verlauf erklärt K, dass er sich für eine schulische Ausbildung als Kinderpfleger angemeldet habe. Der persönliche Ansprechpartner überlegt dann im Gespräch, ob er diese Ausbildung aufgrund der unterstellten fehlenden Motivation unterstützen würde. Die Unterstützung würde darin bestehen, dass er die Grundsicherung für Arbeitsuchende ergänzend zur Ausbildungsförderung bewilligen würde. Vor diesem Hintergrund ist die folgende Sequenz zu lesen, die von dem persönlichen Ansprechpartner eingeleitet wird:
Zunächst fragt der persönliche Ansprechpartner nach der angestrebten schulischen Ausbildung. Nachdem K seine Perspektive entfaltet
hat, bewertet P dieses mit "du verrennst dich da"38). Er verweist dabei nicht nur auf die Unklarheiten in den Ausführungen von K, sondern begründet seine Einschätzung auch mit
Zweifeln an dessen Leistungsfähigkeit. Als belegendes Beispiel zieht er die Schwierigkeiten von Erzieherinnen heran. Damit
wird sowohl ein Wechsel des Geschlechts (Kinderpfleger, Erzieherin) vollzogen als auch ein Statuswechsel des Berufs: Erzieher/innen sind höher qualifiziert als Kinderpfleger/innen. Indem P hier
sein berufliches Erfahrungswissen ausführt, wird der externe Gesprächskontext, nämlich die geschlechterbezogene Segregation
des Arbeitsmarktes, zu einem gesprächsinternen Kontext: Im Bereich der frühkindlichen Erziehung sind überwiegend Frauen tätig
(über 90%), und sie sind es dann deshalb auch, die – in absoluten Zahlen gesprochen – vorwiegend arbeitslos sind (vgl. INSTITUT
FÜR ARBEITSMARKT UND BERUFSFORSCHUNG 2010a).39) [108]
Durch die Verwendung des Begriffs "Kräfte" im Sinne von Fachkräften oder pädagogischen Fachkräften werden beide Differenzmarkierungen im weiteren Verlauf neutralisiert. Obwohl erneut die weibliche Berufsbezeichnung "Betreuerin im Altenheim" für den konkreten Einzelfall genannt und damit eine Differenz zu K als Mann (aber auch als potenziellem Kinderpfleger) aufgemacht wird, wird diese Differenz letztlich nicht weiterverfolgt, sondern der Fokus auf die Leistungen und den "lupenreinen Lebenslauf" gelegt. Indem diese beiden Eigenschaften in dieser Weise genannt werden, wird K als einer charakterisiert, dem zumindest diese sehr guten Leistungen nicht zugetraut werden und der einen Lebenslauf, den P als "lupenrein" bezeichnen würde, nicht vorzuweisen hat. Es bleibt also eine Differenz zu den "anderen" durch diese beiden Aspekte erhalten, obwohl die vergeschlechtlichte Kategorisierung nicht weiter relevant für die Sprecher ist. Während allerdings eine Abgrenzung als Mann und zukünftiger Kinderpfleger hinsichtlich Geschlecht und Berufsstatus in Bezug auf die Erzieherinnen möglich gewesen wäre und damit eine Irritation im Gesprächsverlauf, ist dies in Bezug auf die Kategorisierung entlang der Linien "Lebenslauf" und "schulische Leistungen" äußerst schwierig. [109]
Indem nun sowohl die sprachlich sichtbare Vergeschlechtlichung des Berufsfeldes als auch der berufliche Status im Begriff der "Kräfte" wieder de-thematisiert werden, wird einer möglichen Irritation bereits im Vorfeld begegnet. Dadurch kann P die negative Bewertung von Ks Plänen aufrechterhalten und gleichzeitig fürsorglich begründen. In Anlehnung an HIRSCHAUER (1994, S.676ff.) kann man hier auch von einem sprachlichen undoing (of) gender sprechen. D.h. Gender wird zunächst aktualisiert, indem der externe Kontext in das Gespräch einfließt und dann wieder "vergessen". Die interaktive Funktion der vergeschlechtlichten und auf den Berufsstatus bezogenen Kategorisierung liegt dabei in der Etablierung einer Differenz zwischen K und den anderen, die hinterher aber als Differenz zwischen gut Ausgebildeten, biografisch "Unbescholtenen" und K weiter verfolgt wird. [110]
3.3 Vergeschlechtlichte Kategorisierungen als organisationale Praxis
Mit den folgenden beiden Beispielen soll aufgezeigt werden, dass es organisational verankerte vergeschlechtlichte Kategorisierungen gibt, die erst durch den Vergleich verschiedener Gespräche deutlich werden, mithin also der relevante Kontext erst durch den Vergleich zwischen den Gesprächen eindeutig sichtbar wird (vgl. hierzu auch KITZINGER 2002). [111]
3.3.1 Ist Gender relevant oder nicht? Abkürzungen im Vermittlungsprozess durch Identifikationsangebote (Beispiel 4)
Im folgenden Beispiel soll verdeutlicht werden, dass es nicht in jedem Fall eindeutig möglich ist, von category bound activities, Ortsbeschreibungen und Attribuierungen auf eine Vergeschlechtlichung von beruflichen Kategorisierungen zu schließen, obwohl die Interaktionen im Ergebnis zur Fortschreibung der geschlechtlichen Segregationen des Arbeitsmarktes beitragen. Aufgezeigt werden soll, wie interaktiv berufliche Identifikationsmöglichkeiten geschaffen bzw. nicht geschaffen werden, um so zu verdeutlichen, wie in Interaktionen berufliche Schritte "gemacht" werden. [112]
Die Ausschnitte sind einem Gespräch entnommen, in dem einer Kundin, die sich seit längerer Zeit erfolglos um einen Ausbildungsplatz bemühte, eine überbetriebliche Ausbildung als Friseurin angeboten wird. Dabei geht es um die Herstellung von Passung in Bezug auf diese Ausbildung. Der eigentliche Vorschlag ist eingebettet in eine Vielzahl von Interaktionen: So kündigt zunächst die persönliche Ansprechpartnerin an, dass es um "erfreuliche Sachen" gehen wird, fragt dann aber trotz der von K geäußerten Neugierde zunächst das Resultat der noch offenen Bewerbungen im Einzelhandelsbereich ab, wodurch deutlich wird, dass K nach wie vor keinen Ausbildungsplatz gefunden hat. P stellt dann fest, dass K "ja in mehreren Bereichen" einen "Ausbildungsplatz" suche, "unter anderem auch frisörin". [113]
Erst nachdem P diese Anschlussstelle aufgezeigt hat, verweist sie auf die Möglichkeit, diese Ausbildung überbetrieblich bei einem Bildungsträger zu absolvieren. Auf die Nachfrage der Kundin, was ein Bildungsträger sei, vergleicht die persönliche Ansprechpartnerin diesen mit einer Schule mit praktischen Anteilen. Daraufhin formuliert die Kundin folgenden Einwand:
Zunächst nimmt K hier eine Kategorisierung derer vor, die ihrer Meinung nach eine überbetriebliche Ausbildung bei einem Bildungsträger
machen: die, die nach der Schule eigentlich nicht mehr wirklich wissen, was sie machen können/sollen. Zu dieser Gruppe zählt
sie sich nicht. Bei der fall- bzw. personenbezogenen Formulierung des möglichen Abschlusses sowie dem Verweis auf die beruflichen
Wünsche von K wird hier die weibliche Form der Berufsbezeichnung verwendet. Situativ wird so zwar markiert, dass es sich bei
K um eine Frau handelt. Diese Vergeschlechtlichung ist aber hier für die weitere Interaktion nicht relevant, sondern der Aspekt
des Ausbildungsabschlusses. [115]
In mehrfachen Schleifen zwischen Nachfragen von K und Erklärungen von P versucht letztere im weiteren Verlauf des Gesprächs K zu verdeutlichen, dass sie dort einen "Gesellenabschluss" erwerben könne, der für sie "kein Nachteil" sei. Dadurch wird die Kategorisierung "zukünftige Absolventin einer richtigen Ausbildung" etabliert. Es folgen Hinweise über mögliche Informationen zu dieser Ausbildung. P stellt dann fragend fest, dass es "da jetzt nur als Frisör möglich" sei, es sich ja aber um einen der "Wunschberufe" von K handle, obwohl die Bewerbungsaktivitäten sich im letzten Jahr vor allem auf den Einzelhandel bezogen. Durch diesen fragend-vergewissernden Einschub eröffnet sich für K die Möglichkeit, selbst nachzufragen, welche Möglichkeiten es prinzipiell gibt, also das eher schließende, weil konkrete Angebot einer überbetrieblichen Ausbildung zur Friseurin zu öffnen:
Die männliche Form "frisör" im Sinne eines Gattungsbegriffs markiert hier, dass es nun um die überindividuelle Bezeichnung
beruflicher Bereiche geht. Zunächst erklärt sich P bereit, im Computer zu schauen, welche Möglichkeiten der überbetrieblichen
Ausbildung sonst noch bestehen. Allerdings schränkt P die Offenheit dieses Schritts ein ("aber") und nimmt die Einschätzung
der anderen Möglichkeiten, zumindest der dann folgenden Möglichkeit, vorweg ("aber ich glaube nich=h."). K wird als jemand
kategorisiert, für die "so was wie metallbereich" nicht infrage komme. Das leichte Lachen von P markiert dabei, dass es sich
um eine lustige, befremdliche, vielleicht sogar abwegige Vorstellung handelt, dass K eine Ausbildung im Metallbereich aufnehmen
könnte. Gleichzeitig verweist das Lachen auch auf eine unterstellte gemeinsame Sichtweise, weswegen auch keine Begründung
erfolgt, warum dieser Beruf als unpassend gesehen wird. K bestätigt zunächst spontan ("n:e::"), modifiziert aber diese Zustimmung,
in dem sie prinzipielle Offenheit für einen solchen Beruf signalisiert, gleichzeitig aber begründet, warum sie dennoch diese
Ausbildung nicht anstrebt. Im Ergebnis wird dieser Beruf einvernehmlich ausgeklammert. Auf dieses Einvernehmen verweist auch das leichte Lachen von P und das interaktiv bestätigende, kurze Lachen von K (vgl. zum
Lachen als soziale Interaktion: GLENN 2003). [117]
Nur die Nennung des Metallbereichs bedeutet noch keine vergeschlechtlichte Kategorisierung, und auch die von P nicht begründete Annahme, dass dieser Bereich unpassend sei, kann zwar damit zu tun haben, dass sie ihn als Männerberuf sieht, muss aber nicht. Das Gleiche gilt auch für die Selbsteinschätzung von K, nicht daran zu glauben, eine solche Ausbildung zu schaffen.40) [118]
Dieser Selbsteinschätzung setzt P nichts entgegen und fährt wie folgt fort:
P bestätigt die Entscheidung und verweist erneut darauf, dass K ja auch Friseur angegeben hatte. Nach 50 Sekunden Pause markiert
"so:" den Beginn der Vorstellung der im Computer angegebenen Berufe. Relativ unspezifisch ("gibt es noch so was wie") führt
P dann Lagerlogistik ein. P charakterisiert diesen Bereich als etwas Handwerkliches (vermittelte category bound activity: Wer so etwas tut, muss handwerklich begabt oder zumindest interessiert sein). Zudem wird eine einzelne Tätigkeit (Gabelstaplerfahren)
dieses Berufs herausgegriffen und das Umfeld der Arbeit durch große Gebäude und hohe Regale charakterisiert. Die interaktive
Wirkung dieser Beschreibung ist, dass K kein Interesse mehr hat. Während im ersten Beispiel K ihre spontane Reaktion modifizierte
und damit auch die vorweggenommene Einschätzung von P, wirkt hier die Zuordnung des Berufs (Handwerk), die Nennung der Tätigkeiten
und die Beschreibung des räumlichen Umfeldes abschreckend auf sie. Interaktiv steht Ps Beschreibung im Kontrast zu dem, was
für K passend erscheint. Betrachtet man die beruflichen Attribute und category bound activities, so scheinen diese zunächst auf einen männlichen Beruf zu verweisen: große Gebäude und hohe Regale, Gabelstapler fahren. Obwohl
es auch im Einzelhandel (ein Wunschberuf von K) große Gebäude (z.B. Warenhäuser) und hohe Regale gibt, würde man diesen Beruf
alltagsweltlich eher so beschreiben, dass der Kontakt mit Kunden/Kundinnen und die Kenntnis der Waren im Vordergrund stehen,
Aspekte, die auch für den Bereich Lagerlogistik relevant sind. [120]
Nun könnte geschlussfolgert werden, dass hier mit Geschlechterkategorisierungen gehandelt wird, um eine möglichst große Differenz zu dem, was K für sich als potenziell passend sieht, herzustellen. Aus konversationsanalytischer Sicht gibt es allerdings in der Interaktion keinen eindeutigen Anhaltspunkt. HOPPER und LeBARON (1998) haben darauf hingewiesen, dass nur allein die Nennung eines Berufes ("car mechanic"), der konventionellerweise als männlich oder weiblich bezeichnet wird, nicht ausreicht für die Annahme, dass Geschlecht auch in der Interaktion relevant ist. Das Gleiche gilt auch für Attribuierungen und Aktivitäten. [121]
Festgehalten werden kann nur, dass P eine bestimmte Auswahl zur Beschreibung des Bereichs trifft und K den beschriebenen Bereich für sich als unpassend zurückweist, weitere vergleichbare Ausführungen braucht sie nicht. Auch hier signalisiert das gemeinsame Lachen Einvernehmlichkeit. [122]
Im Anschluss nennt P dann noch den "gastronomiebereich":
Ks eher spontane, sachlich begründende Reaktion ("ich kann kein fleisch anfassen-") wird von beiden humorvoll aufgenommen.
Einvernehmlich ist dieser Vorschlag ohne weitere Ausführungen für beide damit erledigt. Am Schluss nennt P dann erneut den
favorisierten Beruf Friseur. [124]
Geht man nun noch einmal einen Schritt zurück, so muss in Bezug auf die beruflichen Bezeichnungen und die Frage nach Gender festgehalten werden, dass in der Interaktion "Friseurin" bzw. "Friseur" einen Beruf bzw. eine berufliche Identität (man kann Friseur/in werden/sein) bezeichnen. Durch die Endung kann im Deutschen zudem das Geschlecht der Person, die diesen Beruf ausübt, markiert werden. Demgegenüber implizieren "Metallbereich", "Lagerlogistik" und "Gastronomie" nicht direkt eine solche berufliche Identität (man kann diese nicht sein oder werden, sondern nur in diesen Bereichen arbeiten). Damit bieten sie aber auch in der Interaktion weniger direkte Identifikationsmöglichkeiten für K. K wird zudem von P durch "Friseurin" auch, wenn auch nicht in erster Linie, als Frau adressiert, was bei den anderen Bereichen nicht geschieht. Interaktiv werden unterschiedliche Möglichkeiten der Identifikation mit den genannten Bereichen geschaffen und zwar nicht nur durch Ps die Nicht-Passung antizipierende Einleitung des Bereiches "Metall" und durch ihre Beschreibungen des Bereichs "Lagerlogistik", sondern auch durch die mit den Bezeichnungen einhergehende sprachliche Vergeschlechtlichung (vgl. HORNSCHEIDT 2007). Allerdings ist dieses Argument kein wirklich starkes Argument aus ethnomethodologischer Sicht, weil die Orientierung der Gesprächsteilnehmer/innen an Gender nicht eindeutig ist. [125]
Festgehalten werden kann in Bezug auf dieses Beispiel also zunächst lediglich, dass P durch die Beschreibung und Benennung eines Berufs und beruflicher Tätigkeitsbereiche Identifikationsmöglichkeiten schafft bzw. verhindert und dadurch letztlich in relativ kurzer Zeit Einigung in Bezug auf den nächsten Schritt im Hilfeprozess herstellen kann, einen Schritt, den P bereits vor dem Gespräch überlegt hatte. Die Irritation im Gespräch, die dadurch entsteht, dass K eher verhalten auf das Angebot reagiert und nicht nur die Qualität des Abschlusses hinterfragt, sondern auch nach anderen Ausbildungsmöglichkeiten fragt, kann dadurch interaktiv bearbeitet und es kann Einigkeit erzielt werden. [126]
Selbst wenn Gender hier interaktiv nicht eindeutig relevant ist, kann aufgezeigt werden, dass eine solche Interaktion durchaus im Ergebnis zu dem beitragen kann, was durch quantitative Analysen hinsichtlich der Segregation des Arbeitsmarktes festgestellt wird: Über 80% im Lagerbereich sind Männer (INSTITUT FÜR ARBEITSMARKT UND BERUFSFORSCHUNG 2010b). Der ethnomethodologische Zugang vermag hier also Erklärungen zu bieten, selbst wenn die interaktive Relevanz von Geschlecht nicht eindeutig nachgewiesen werden kann. Dann allerdings bedarf es eines Bezugs auf externe Kontexte. [127]
Vor diesem Hintergrund erscheint dann auch die Tatsache, dass in unserer Untersuchung keinem jungen Mann eine überbetriebliche Ausbildung als Friseur angeboten wurde, nochmals in einem anderen Licht. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob es nicht auch andere Beispiele gibt, in denen die Orientierung der Gesprächsteilnehmer/innen an Gender in Bezug auf überbetriebliche Ausbildungen deutlicher wird. In den Daten gibt es ein Beispiel, in denen dies offensichtlicher der Fall ist. Dieses Beispiel liefert gleichzeitig Hinweise darauf, was als Normalität in diesem spezifischen Jobcenter zugrunde gelegt wird. [128]
3.3.2 Herstellen von Normalität durch vergeschlechtlichte Kategorisierungen (Beispiel 5)
In dem folgenden Gespräch wird nun direkt die überbetriebliche Friseur/innenausbildung als Bereich für Mädchen bzw. Frauen gekennzeichnet, jedoch gegenüber einem jungen Mann. Interessant ist dabei allerdings, dass dadurch gerade eine Differenz zu K hergestellt wird und gleichzeitig die Ausbildung und die in diesem Fall damit verbundene Überweisung an die Rehabilitationsabteilung entstigmatisiert werden sollen. Die Strategie, K an die Rehabilitationsabteilung zu überweisen und ihm so den Zugang zu einer überbetrieblichen Ausbildung zu ermöglichen, hat sich P bereits vor dem Gespräch überlegt. Gegenüber der Forscherin äußerte sie vor Gesprächsbeginn, dass die Schwierigkeit im folgenden Gespräch sei, K von einer für die Teilnahme an einer überbetrieblichen Ausbildung notwendigen Überweisung an die Rehabilitationsabteilung zu überzeugen, denn die Kund/innen würden sich oft gegen diesen Weg aussprechen, weil sie nicht als Rehabilitand/innen (z.B. im Sinne einer Lernbehinderung) stigmatisiert werden wollen. Die von P geleistete Überzeugungsarbeit wird auch interaktiv deutlich: Zunächst erklärt sie die Ausbildungen, betont die Möglichkeit einer gleichwertigen, abgeschlossenen Berufsausbildung mit erleichterten Bedingungen und unterstützender Hilfe. In diesem Zusammenhang steht der folgende Gesprächsausschnitt:
Zunächst geht es um die Anforderungen in den Ausbildungen. P betont, dass "für JEDEN ... vom leistungsstand her das richtige
dabei" sei. Dann schließt plötzlich ein Wechsel der Kategorisierung an, der dadurch nicht als Bruch erscheint, weil es um
"JEDEN" geht. Eine Aussage wie "für die mädels ham wer hier die frisörausbildung" wäre gegenüber einer jungen Frau offensichtlich
diskriminierend – zumal vorher der Leistungsstand genannt wurde. In dieser Situation, in der K Möglichkeiten eröffnet werden
sollen, wird diese Aussage dagegen so eingesetzt, dass damit auf Möglichkeiten für die anderen, nämlich die Mädchen, verwiesen
wird. K wird so gesehen als Junge kategorisiert. Obwohl er durch die Zuordnung der Mädchen zum Beruf Friseur/in letztlich
auch diskriminiert wird, wird die Aussage hier von beiden nicht als diskriminierend gekennzeichnet. Es scheint Einigkeit zwischen
den beiden zu bestehen, dass diese Ausbildung als für K nicht passend behandelt wird. In dieser Interaktion hat die Zuordnung
"der mädels" zur Friseur/innenausbildung insofern eine entstigmatisierende, Normalität herstellende Wirkung, weil Mädchen-Sein
nichts mit Leistung oder Lernschwierigkeiten zu tun hat, sondern alltagsweltlich als natürlich zugrunde gelegt wird. Die besondere
Förderung im Rahmen solcher überbetrieblichen Ausbildungen wird letztlich auch dadurch zur Normalität, weil es "viele mädchen"
sind, "die zum beispiel keinen schulabschluss haben", der aber nachgeholt werden kann. "Mädchen" bzw. "Junge" ist zudem auch
Teil einer altersbezogenen Kollektion, wobei die Jugendphase durch die Notwendigkeit zu lernen gekennzeichnet ist. Am Beispiel
der anderen kennzeichnet P so die vorgeschlagenen Schritte als eine "ganz normale" Möglichkeit. K zeigt hier auch Einsicht
(ch=so-). Daran schließt P eine weitere Erklärung an, die die Normalität dieser Ausbildung noch weiter unterstreicht ("GENAU
den gleichen betr prüfungsbedingungen"). Erst zu einem späteren Zeitpunkt im Gespräch wird dann erstmalig erwähnt, dass K
für eine solche überbetriebliche Ausbildung an die Rehabilitationsabteilung überwiesen werden müsste. Deren Zuständigkeitsbereich
beschreibt P dann erneut entstigmatisierend: Sie sei "für leute .h OHNe schulabschluß vor allen dingen zuständig". [130]
Anders als im vorherigen Beispiel wird hier die überbetriebliche Ausbildung zur Friseurin/zum Friseur direkt mit einem Geschlecht verbunden. Interaktiv steht dabei jedoch nicht die Herstellung von Differenz und Ähnlichkeit zu Ausbildungsmöglichkeiten und -wünschen im Vordergrund, sondern die Herstellung von Einigkeit in Bezug auf die Zuordnung zur Rehabilitationsabteilung, die mit hohem interaktiven Aufwand als etwas Normales gegenüber K dargestellt werden soll. [131]
Während in den Interaktionen mit den jungen Frauen die Orientierung an Gender in Bezug auf den Vorschlag, an der überbetrieblichen Ausbildung zur Friseurin teilzunehmen, uneindeutig bleibt, formuliert P hier eine allgemeine Orientierung in dieser Institution: "für die mädels ham wer hier die frisörausbildung- (2) eingekauft". [132]
Erst unter Hinzuziehung unterschiedlicher Gespräche innerhalb einer Institution kann also rekonstruiert werden, dass es einen institutionellen Kontext gibt, an dem sich die Vertreter/innen der Institution orientieren, und für den vergeschlechtlichte Kategorisierungen eine Rolle spielen, selbst wenn in den einzelnen Interaktionen wie in Beispiel 5 die Relevanz von Gender uneindeutig bleibt. [133]
4. Vergeschlechtlichte Kategorisierungen und ihre praktischen Zwecke
Die Beispiele zeigen, wie vergeschlechtlichte Kategorisierungen in der Weise relevant werden, dass sie zur Lösung praktischer Handlungsprobleme beitragen (selbst wenn der Gender-Aspekt nicht im Vordergrund steht). Damit verbunden ist auch, dass weder persönliche Ansprechpartner/innen noch Kunden/Kundinnen vergeschlechtlichte Kategorisierungen oder Attribuierungen explizit zurückweisen (wie dies beispielsweise von WIDDICOMBE [1998] in Bezug auf jugendkulturelle Kategorisierungen aufgezeigt wurde). [134]
Folgende Handlungsherausforderungen bzw. Umgangsweisen mit vergeschlechtlichten Kategorisierungen wurden anhand der Beispiele herausgearbeitet:
Herstellung von Einigkeit über die Sichtweisen und die nächsten Handlungsschritte trotz möglicher Differenzen zwischen P und K, um eine harmonische, zumindest funktionsfähige Arbeitsbeziehung zu schaffen bzw. zu untermauern (Beispiel 1);
die Situation, dass P eine "Aktivierung" für sinnvoll erachtet, obwohl K im Prinzip nicht als zu "aktivieren" gilt (Beispiel 2);
die Positionierung eines Kunden in Abgrenzung zu anderen, um seine Pläne trotz dessen Eigeninitiative negativ zu bewerten, wobei hierfür die Neutralisierung von Gender relevant ist (Beispiel 3);
die Schaffung von Identifikationsmöglichkeiten im Rahmen von Abkürzungsstrategien (Beispiel 1, uneindeutig: Beispiel 4), die angesichts hoher Fallzahlen im Jobcenter bedeutsam sind sowie
die Herstellung von Normalität in Bezug auf die Überweisung an die Rehabilitationsabteilung (Beispiel 5). [135]
Diese herausgearbeiteten praktischen Zwecke zeigen, dass es sich in erster Linie um Fragen der Gestaltung des institutionell gerahmten Verhältnisses zwischen persönlichen Ansprechpartner/innen bzw. Fallmanager/innen und Kunden/Kundinnen handelt sowie der Planung rechtlich begründeter und organisational möglicher nächster Handlungsschritte. Vergeschlechtlichte Kategorisierungen sind dabei ein Mittel, Plausibilität herzustellen. [136]
Indem ein Fokus auf der Analyse der praktischen Zwecke des Einsatzes vergeschlechtlichter Kategorisierungen liegt, wird deutlich, dass es institutionenspezifische Handlungsdilemmata und -herausforderungen gibt, die durch den unhinterfragten Einsatz vergeschlechtlichter Kategorisierungen kommunikativ bearbeitet werden. Zu nennen sind hier beispielsweise
die Schwierigkeit, die Sinnhaftigkeit von Maßnahmen glaubhaft über längere Zeit gegenüber Kund/innen darzustellen;
das Dilemma, bei Eltern (vor allem Frauen) mit Kindern unter drei Jahren fallspezifisch handlungsfähig zu bleiben, wenn eine Förderung von den Kund/innen gewünscht oder von den persönlichen Ansprechpartner/innen als wünschenswert eingeschätzt wird, aber Fördern (und damit Fordern) aufgrund fehlender Kinderbetreuungsmöglichkeiten aus Sicht der persönlichen Ansprechpartner/innen wenig sinnvoll oder schwierig zu realisieren erscheint ("Aktivierungsdilemma");
die Schwierigkeit, zwischen einer ergebnisoffenen Behandlung der beruflichen Wünsche der Kunden/Kundinnen einerseits und der Bewertung dieser Wünsche durch die Professionellen andererseits zu vermitteln;
die Schwierigkeit, institutionelle Kategorisierungen vornehmen zu müssen, um Möglichkeiten für die Kund/innen zu schaffen, die aber gleichzeitig als stigmatisierend erfahren werden können, was die Arbeitsbeziehung belasten könnte. [137]
Die genannten praktischen Handlungsherausforderungen bzw. Umgangsweisen mit ihnen können zusammengefasst werden in dem praktischen Zweck der gemeinsamen, interaktiven Herstellung von Passung und Nicht-Passung auf unterschiedlichen Ebenen41): Zum einen geht es um die Herstellung von Passung in der Interaktion, im Sinne einer Übereinstimmung zwischen den Sichtweisen der Interaktionspartner/innen, aber auch im Sinne der Herstellung von Einvernehmlichkeit und Verstehen selbst bei fehlender Übereinstimmung. Zum anderen geht es um die in Jobcentern interaktiv zu bewältigende Aufgabe der Herstellung von Passung (auch vermittels der Herstellung von Nicht-Passung) zwischen den Möglichkeiten im Jobcenter, der Einschätzung des Arbeitsmarktes, den Vorstellungen der persönlichen Ansprechpartner/innen und den Wünschen und Möglichkeiten der Kunden/Kundinnen. Beide Ebenen können sich gegenseitig ergänzen oder auch konflikthaft sein. [138]
Diese Formen der Herstellung von (Nicht-) Passung sind sowohl für eine funktionsfähige Beziehung zwischen persönlichen Ansprechpartner/innen und Kunden/Kundinnen bedeutsam als auch für die institutionellen Ziele, möglichst selten Fehlschläge (wie Maßnahme- und Ausbildungsabbrüche) im Fallverlauf in Kauf nehmen zu müssen und möglichst schnell bzw. in absehbarer Zeit den Hilfebedarf zu beenden. In diesem Zusammenhang ist auch der Einsatz vergeschlechtlichter Kategorisierungen zur Risikoeinschätzung zu sehen. [139]
Die Beispiele zeigen zudem, dass zwar mit vergeschlechtlichten Kategorisierungen gearbeitet wird, diese aber nicht zum Gegenstand von (kontroversen) Diskussionen z.B. über Arbeitsteilung oder Lebensplanung, von kritischen Nachfragen von K oder von Einwänden von P etc. werden. Damit verbunden ist auch, dass weder persönliche Ansprechpartner/innen noch Kunden bzw. Kundinnen vergeschlechtlichte Kategorisierungen explizit zurückweisen. [140]
In Bezug auf die Frage, auf welche Art und Weise Gender in den Gesprächen relevant wird, lässt sich zusammenfassend festhalten, dass die hier analysierten Kategorisierungen nicht nur vergeschlechtlicht sind, sondern auch Teil anderer Kollektionen in Bezug auf Alter oder Berufsstatus sein können. Auch werden sie in engem Zusammenhang mit anderen Kategorisierungen eingesetzt. Interaktiv relevant kann dabei die Neutralisierung der Vergeschlechtlichung sein, die es ermöglicht, andere differenzerzeugende Kategorisierungen zu prozessieren. Das vierte Beispiel zeigt zudem, dass es Interaktionen gibt, die auf der Makroebene zu ungleichen Geschlechterverteilungen beitragen, obwohl die Orientierung an Gender im Einzelfall nicht eindeutig nachgewiesen werden kann. [141]
Methodologisch-methodisch wurde zudem deutlich, dass der von den Gesprächsteilnehmer/innen als sinnhaft erfahrene Gesprächsablauf und die dabei eingesetzten Kategorisierungen von den Forscher/innen nur dann nachvollzogen und rekonstruiert werden können, wenn sie über jenes institutionenbezogene Kontextwissen verfügen, an dem sich die Gesprächsteilnehmer/innen selbst orientieren. Zudem konnte aufgezeigt werden, auf welche Weise externe Kontexte (wie Segregationen des Arbeitsmarktes, Benachteiligungen von Frauen nach der Elternzeit etc.) zu gesprächsinternen Kontexten werden, und wie dadurch letztlich gesellschaftliche Strukturverhältnisse (Makroebene) in den Interaktionen bedeutsam werden (Mikroebene). Selbst wenn der Einsatz vergeschlechtlichter Kategorisierungen im Gespräch aber auf strukturelle Segregationen des Arbeitsmarktes sowie die damit verbundenen Chancen und Risiken hinweist, werden diese nur selten zum Gegenstand des Gesprächs. [142]
Während ethnomethodologische Ansätze des doing gender und doing difference vor allem auf die interaktive (sprachliche wie körperliche) Herstellung von Differenz und Ungleichheit in Bezug auf Kategorien sozialer Ungleichheit zielen, also das Wie im Blick haben, sollte hier aufgezeigt werden, dass dieses Wie im Zusammenhang mit einem Wozu steht, das es gesprächsanalytisch zu rekonstruieren gilt. Kategorisierungen stellen so gesehen gleichsam "Ressourcen" dar, die die Gesprächsteilnehmer/innen kontextspezifisch zur Herstellung von Sinnhaftigkeit im Zusammenhang mit der Bearbeitung institutioneller Handlungsherausforderungen einsetzen. Darin liegt ein zentraler Mechanismus, warum Gender in der institutionellen Kommunikation interaktiv aktualisiert und damit (re-)produziert wird – ein Zusammenhang, der auch für andere Formen institutioneller Kommunikation bedeutsam sein kann. [143]
Mein Dank gilt dem Hildesheimer Projektteam für anregende Rückmeldungen, Almut SÜLZLE für geschlechtertheoretische Diskussionen, Rudolf SCHMITT für Hinweise zur Struktur des Textes sowie den anonymen Gutachter/innen für hilfreiche Kommentare.
Transkriptionszeichen nach dem Gesprächsanalytischen Transkriptionssystem (vgl. SELTING et al. 1998):
[ ] |
Überlappungen und Simultansprechen |
= |
schneller, unmittelbarer Anschluss |
(.) |
Pausen, je nach Länge auch in Sek. |
:, :: |
Dehnungen, je nach Länge |
akZENT |
Primär- bzw. Hauptakzent |
? |
hoch steigende Intonation |
, |
mittel steigend |
- |
gleich bleibend |
; |
mittel fallend |
. |
tief fallend |
((hustet)) |
para- und außersprachliche Handlungen und Ereignisse |
<<hustend>> |
sprachbegleitende para- und außersprachliche Handlungen und Ereignisse mit Reichweite |
.h, .hh |
hörbares Einatmen je nach Länge |
h, hh |
hörbares Ausatmen je nach Länge |
1) Außer mir waren an dem Projekt Daniela BÖHRINGER, Bettina HOLDREICH, Hermann MÜLLER, Julia SCHRÖDER, Wolfgang SCHRÖER und Stephan WOLFF beteiligt, die eine Vielzahl anderer Themen untersucht haben. <zurück>
2) Die Begriffe "persönliche/r Ansprechpartner/in", "Fallmanager/in" und "Kundin"/"Kunde" sind Begriffe des Feldes, die hier verwendet werden, obwohl es äußerst fraglich ist, ob die Leistungsbeziehenden jemals die Rechte und Möglichkeiten von "Kunden"/"Kundinnen" haben (BECKER-LENZ 2005 weist beispielsweise entschieden darauf hin, dass durch diese Terminologie das Dilemma von Hilfe und Kontrolle geleugnet werde), oder die Vertreter/innen der Institution wirklich "persönliche Ansprechpartner/innen" oder "Fallmanager/innen" sind, wie sie im Konzept des beschäftigungsorientierten Fallmanagements vorgesehen werden (vgl. GÖCKLER 2009). Das Gleiche gilt auch für andere Begriffe des Feldes. Sie aber durch eigene Begriffe zu ersetzen, wäre ebenso problematisch. Insofern werden sie hier übernommen. Um die Lesbarkeit zu vereinfachen, werden sie nicht jedes Mal in Anführungszeichen gesetzt, sondern nur bei deren Einführung, um die Distanzierung zu markieren. Zudem wird der Begriff "Fallmanager/in" nicht verwendet, sondern nur der gesetzlich verankerte, allgemeine Begriff "persönliche/r Ansprechpartner/in", weil in unseren Daten kein prinzipieller Unterschied in den Gesprächspraktiken festzustellen ist. Aus ethnomethodologischer Perspektive müsste freilich an jeder Stelle gezeigt werden, ob und inwiefern sich die Sprecher/innen selbst in diesen Begriffen verstehen. <zurück>
3) Der Begriff "Jobcenter" wird hier als Überbegriff für jene Einrichtungen verwendet, die in gemeinsamer Trägerschaft von Kommunen und lokalen Agenturen für Arbeit gemäß dem SGB II geführt werden, auch wenn sie nicht in jedem Fall vor Ort auch so genannt wurden. Inzwischen ist diese Bezeichnung im SGB II geregelt. <zurück>
4) Auf der Seite der "Kunden"/"Kundinnen" waren 23 Frauen und 29 Männer, auf der Seite der "persönlichen Ansprechpartner/innen" neun Frauen und fünf Männer beteiligt. <zurück>
5) 13 davon wurden mit den persönlichen Ansprechpartner/innen bzw. Fallmanager/innen und zwei mit Bereichsleiterinnen (U 25) geführt. <zurück>
6) Ausnahmen stellen hierbei Schüler/innen und Eltern dar, die für die Erziehung von Kindern unter drei Jahren zuständig sind. <zurück>
7) So treten beispielsweise persönliche Ansprechpartner/innen als Berater/innen, als (potenziell strafende) Erzieher/innen, als Vertreter/innen der Interessen der Gemeinschaft oder des Staates auf, Kund/innen als Hilfesuchende, als Informationssuchende, als Anspruchsberechtige etc.. <zurück>
8) Nach §1 SGB II ist die "Gleichstellung von Männern und Frauen als durchgängiges Prinzip zu verfolgen". <zurück>
9) In Anlehnung an WEST und ZIMMERMAN (1987) wird hier unter sex category die alltagsweltliche und unhinterfragte Zuordnung des Gegenübers zu einem Geschlecht verstanden, die nur dann sichtbar wird, wenn sie nicht reibungslos funktioniert. Diese Kategorie hat so lange Gültigkeit, bis das Gegenteil offensichtlich bewiesen ist. Aufgrund solcher Zuordnungen wird das Vorhandensein biologischer Geschlechtsmerkmale (sex) unterstellt, die historisch-kulturell als Indikatoren zur Bestimmung des Geschlechts festgelegt, aber nicht unbedingt sichtbar sind. Gender ist dann im Sinne des doing gender als permanente (interaktive) Hervorbringungsleistung zu verstehen, aber auch im Sinne einer Sozialstrukturvariable, entlang derer sich soziale Ungleichheit reproduziert. <zurück>
10) Ich verzichte hier auf eine Geschichtsschreibung, die die unterschiedlichen Zugänge in einen chronologischen Ablauf stellt, weil sie nebeneinander bestehen. Festgehalten werden kann aber, dass sich Mitte der 1990er Jahre eine breite Diskussion zu "Sprache", "Sprechen" und "Gender" etabliert hat (vgl. bspw. GÜNTHNER & KOTTHOFF 1991, 1992; HALL & BUCHOLTZ 1995; HEILMANN 1995; WILKINSON & KITZINGER 1995; MILLS 1995; BRAUN & PASERO 1997; CAMERON 1998). <zurück>
11) Susan SPEER (2005, S.8f.) systematisiert diese trotz zahlreicher Überschneidungen entlang der Achsen: 1. Analyse und Kritik sexistischer Sprache; 2. interaktionistische Soziolinguistik und Ethnografie der Kommunikation; 3. kritische Ansätze der Diskursforschung und 4. ethnomethodologische Diskursforschung und Konversationsanalyse. <zurück>
12) CRAWFORD (1995) kritisiert, dass in Anlehnung an solche Studien eine Welle von psychologischen Trainingskursen den Markt überschwemmte, in denen Frauen entschiedeneres Sprechen lernen sollten. <zurück>
13) Inzwischen wurde die Unterscheidung zwischen Sex (biologischem Geschlecht) und Gender (sozialem Geschlecht) nicht nur kritisiert, weil auch biologische Definitionen von Geschlecht durch und durch sozial sind (vgl. BUTLER 1997), sondern auch, weil das soziale Geschlecht essenzialisiert und naturalisiert wurde. <zurück>
14) In dieser Studie weisen sie auf die Verschränkung von Class und Gender hin und untersuchen den Sprachgebrauch und die Hervorbringung von gruppenbezogenen Identitäten und Zuschreibungen im Rahmen von communities of practice an einer U.S.-amerikanischen High School. <zurück>
15) Aber auch im Englischen wurde eine vergleichbare Sprachkritik geübt (vgl. SPEER 2005, S.9). <zurück>
16) An der inzwischen gängigen Umgangsweise, ein "-in" an die männliche Form anzuhängen, wie es auch im Rahmen dieser Arbeit praktiziert wird, wird weitergehend kritisiert, dass dadurch Frauen als Anhängsel des Männlichen sichtbar würden. Diesem Problem kann auch nicht dadurch gänzlich begegnet werden, dass stets beide Formen ausgeschrieben werden, denn die Bildung der weiblichen Form bleibt im Prinzip gleich. Obwohl ich diese Kritik teile, würde mir mangels einer besseren, kollektiv geteilten Alternative gegenwärtig nur die Sprachlosigkeit oder aber der singuläre Akt von Wortschöpfungen bleiben. <zurück>
17) Auch bei der Untersuchung des "doing ...", z.B. des "doing feminity" (vgl. COATES 1997), besteht die Gefahr, dass das, was als z.B. die Herstellung von Weiblichkeit rekonstruiert wird, im Prinzip – zumindest partiell – die Vorurteile widerspiegelt, die die Forschenden selbst aufgrund ihrer Alltagsvorstellungen von Weiblichkeit haben. Weiblichkeit wird dann trotz der Rede vom doing feminity essenzialisiert. Diesem Problem versucht die Konversationsanalyse zu begegnen, indem sie nach den Orientierungen der Gesprächsteilnehmer/innen fragt und dem, was für sie bzw. die Interaktionen relevant ist. <zurück>
18) Als diskursives Ereignis im Sinne der Diskursanalyse nach FOUCAULT sind hier sicherlich die Debatten in der Zeitschrift Discourse & Society zwischen 1997 und 2001 zu sehen, in denen es um eine differenzierte Auseinandersetzung über methodisch-methodologische Fragestellungen ging, aber auch die Frage, wer eigentlich beanspruchen kann zu definieren, was die "richtige" Konversationsanalyse ist (vgl. den Überblick in: STOKOE 2005). <zurück>
19) Diese Forschungsansätze lassen sich im Rahmen von interdisziplinären Diskussionen verorten, die häufig als dicursive turn bezeichnet werden (vgl. bspw. WEATHERALL 2002). <zurück>
20) Dieser Zusammenhang wird auch als performative turn bzw. turn to performativity beschrieben (vgl. z.B. McILVENNY 2002). <zurück>
21) Die Problematisierung dessen, was als Kontext bei der Analyse von talk-in-intercation verstanden wird, hat inzwischen eine lange Tradition (vgl. z.B. DURANTI & GOODWIN 1992; SCHEGLOFF 1997; DEPPERMANN 2000; STOKOE & SMITHSON 2001, 2002; KITZINGER 2002; VAN DIJK 2008b; DE KOK 2008). <zurück>
22) Wendet man nun diese Sicht auch auf die Tätigkeit des Forschens, Analysierens und Verfassens von wissenschaftlichen Texten an, so wird schnell einsichtig, dass diese auch als situierte Praktiken bzw. culture-in-action zu verstehen sind. Das heißt, die Forscher/innen selbst verfügen über ein situiertes Wissen, das sich von dem der Sprecher/innen unterscheidet (STOKOE & SMITHSON 2001, S.228, 2002, S.85; TEN HAVE 1999, S.35). Zu diesem situierten Wissen gehört es auch, dass Forscher/innen nicht nur ihr Wissen als members of a collective nutzen, um eben dieses common sense knowledge zu erforschen, sondern dass sie in einem zweiten Schritt in der Analyse in Distanz zu ihrem Untersuchungsgegenstand treten (vgl. TEN HAVE 2002, Par.37). <zurück>
23) Mit dieser Position wird eine spezifische Ausformulierung der Konversationsanalyse vorgenommen, die zwar einerseits an deren Vorgehen festhält, andererseits aber durchaus Ähnlichkeiten zu Perspektiven kritischer Diskursanalyse aufzeigt (vgl. bspw. WETHERELL 1998). <zurück>
24) "The methods and configurations through which such normative regulation is interactionally accomplished include specific forms of category configuration that are recognizable resources for members in their attempts to constitute opinion, make evaluations, promote specific world views, assess practices and thereby constitute local configurations of moral organization and sense" (HOUSLEY & FITZGERALD 2009, S.346). <zurück>
25) Hierin liegt der grundlegende Unterschied zwischen dem ethnomethodologischen Grundverständnis der MCA und einem dekontextualisierten Verständnis von Mitgliedschaftskategorisierungen (vgl. HESTER & EGLIN 1997a, S.12). <zurück>
26) SCHEGLOFF (2007, S.467) nennt hier z.B. "[male/female]; [Buddhist/Catholic/Jew/Muslim/Protestant ...], [freshman/sophomores/juniors/seniors/graduate students ...]; [American/Canadian/Dane/French ...], etc." <zurück>
27) "The practical reasoning by which categories and their infrences 'go together' is not, however, a strictly linguistic or logical kind of entailment. Rather, it is a common sense, normative practice in which inferences and implications are generated and managed in actual stretches of talk, with regard to particular states of affairs or narrative accounts" (STOKOE 2004, S.112). <zurück>
28) Für den Bereich der Jugendhilfe zeigen BAUER, AHMED und HEYER (2010; BAUER 2011) auf, welche Rolle Organisationen bei der Fallkonstitution spielen. Allerdings sprechen sie von Klassifizierung und Etikettierung von Problemlagen, Eigenschaften und Verhaltensweisen. <zurück>
29) Selbstverständlich wurde vorher von beiden Seiten der Datenerhebung zugestimmt. <zurück>
30) Vergleiche hierzu den Anhang. <zurück>
31) SCHEGLOFF spricht von "procedurally consequential", was bedeutet, dass es eine konsequente Beziehung für die Gesprächsteilnehmer/innen gibt zwischen dem Setting, den interaktionalen Identitäten und spezifischen Verhaltensweisen (vgl. STOKOE 2004, S.121f., FN 2). <zurück>
32) Indexikalität meint hier den Verweischarakter der Kategorisierung z.B. auf bestimmte Kontexte, die mit einer Kategorisierung verbunden sind. <zurück>
33) Bei den Transkriptnamen handelt es sich um frei gewählte Pseudonyme. Auch wurden andere personenbezogene Daten pseudonymisiert. Die Angabe unter den Transkripten ist wie folgt zu lesen: [Pseudonym des persönlichen Ansprechpartners bzw. der persönlichen Ansprechpartnerin Gespräch X/Ausschnitt Y]. <zurück>
34) Die Formulierung "normale Erziehungszeit" verweist darauf, dass im Jobcenter die drei Jahre analog zur Elternzeit für Arbeitnehmer/innen konstruiert sind. <zurück>
35) Hier werden sowohl der gesellschaftliche als auch der institutionelle Kontext zum gesprächsinternen Kontext. <zurück>
36) Explizit legt die BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT (2008, S.6f.) sogar nahe, bei Alleinerziehenden erst zwei Monate vor Ablauf der Elternzeit eine Eingliederungsvereinbarung zu schließen (kritisch hierzu: IAQ et al. 2009, S.252f.). Damit geht einher, dass Alleinerziehende mit Kindern unter drei Jahren nur auf deren Wunsch eine Eingliederungsvereinbarung abschließen können und damit Zugang zu Förderleistungen haben (vgl. auch BARTELHEIMER & HENKE 2009, S.172). <zurück>
37) Der Vater und dessen Familie werden nicht in der Verantwortung für die Kinderbetreuung gesehen. Allerdings kann das damit zu tun haben, dass es zum Zeitpunkt des Gesprächs noch unklar ist, ob überhaupt und wann die Kinder gemäß dem Wunsch von K zu ihr ziehen können. <zurück>
38) VEHVILÄINEN (2001) weist darauf hin, dass die sequenzielle Abfolge von initiierender Frage (initiation), Antwort (reply) und Bewertung (evaluation) den Vorteil hat, dass Berater/innen keinen direkten Ratschlag erteilen müssen, gleichzeitig aber trotzdem in der Expert/innenposition bleiben und so ihre Sicht, entsprechend der Position eines Lehrers/einer Lehrerin, als überlegen präsentieren können. Ein solches interaktives Vorgehen macht das Dilemma dieser Form institutioneller Gespräche deutlich, in denen einerseits eine Orientierung an einem normativen Beratungsformat (Ergebnisoffenheit, Klient/innenorientierung etc.) stattfindet, andererseits aber die Vertreter/innen der Institution beständig z.B. die Aktivitäten der Kund/innen bewerten müssen. <zurück>
39) Aus gesprächsanalytischer Sicht kann zunächst nur der interaktive Einsatz eines solchen impliziten Wissens ohne die reflexive Bezugnahme der Interagierenden auf dieses Wissen festgehalten werden. Über die gesprächsanalytischen Ergebnisse hinaus können aber weitergehende Konsequenzen des Implizitbleibens der Segregationen des Arbeitsmarktes aufgezeigt werden. Es wird nämlich nicht abgewogen, inwiefern die geschlechterbezogenen Segregationen des Arbeitsmarktes eine Chance für den jungen Mann darstellen könnten. Denn im Bereich der frühkindlichen Erziehung werden Männer einerseits dringend gesucht. Andererseits betrug aber die Arbeitslosenquote von Männern in diesem Bereich 2009 9%, die der Frauen nur 4,5% (INSTITUT FÜR ARBEITSMARKT UND BERUFSFORSCHUNG 2010a). Die Neutralisierung der Vergeschlechtlichung legt allerdings die reflexive Bearbeitung gesellschaftlicher Verhältnisse auf der interaktionellen Ebene nicht mehr nahe. <zurück>
40) BAMLER (2007, S.174) weist darauf hin, dass Mädchen sich selbst, "im Vergleich zu Jungen, auf handwerklich-technisch-mathematischem Gebiet als deutlich weniger begabt ein[schätzen]", ein Aspekt, der analog bei Lehrern/Lehrerinnen in der zitierten Studie festgestellt wurde. <zurück>
41) Der Begriff der (Nicht-) Passung, wie er hier aufgrund der Analysen verwendet wird, meint dabei etwas anderes als der normative Begriff der Passgenauigkeit im Sinne eines passgenauen Angebots auf der Grundlage z.B. eines Profilings. <zurück>
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Ute KARL, Dr. phil., Professorin für Soziale Arbeit an der Universität Luxemburg/INSIDE (Integrative Research Unit on Individual and Social Development) an der Fakultät für Sprachwissenschaften und Literatur, Geisteswissenschaften, Kunst und Erziehungswissenschaften. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Übergänge in Erwerbsarbeit, der Beratungsforschung und der Altersforschung. Sie arbeitet mit den Methoden der Gesprächsforschung, der Biografieforschung, der Diskursanalyse und der Metaphernanalyse.
Kontakt:
Ute Karl
Universität Luxemburg/Campus Walferdange
Route de Diekirch
L-7220 Walferdange
Tel.: ++352 46644 9483
E-Mail: ute.karl@uni.lu
URL: http://wwwde.uni.lu/forschung/flshase/inside/staff/ute_karl
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