Volume 13, No. 2, Art. 1 – Mai 2012
Rezension:
Dirk vom Lehn
Reiner Keller & Michael Meuser (Hrsg.) (2010). Körperwissen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften; 381 Seiten; ISBN 978-3531166643; Euro 29,95
Zusammenfassung: Die mittlerweile etwa 20jährige Forschungstradition in der Soziologie des Körpers hat in der jüngeren Vergangenheit auch in der Wissenssoziologie zu einem vermehrten Interesse an körperlichen Aspekten des Handelns und Erlebens geführt. Der hier besprochene Sammelband beruht auf einer Tagung, zu der sich die Mitglieder der Sektionen "Wissenssoziologie" und "Soziologie des Körpers und Sportsoziologie" der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2010 getroffen hatten. Er beinhaltet eine Vielfalt an theoretischen und empirischen Beiträgen, die analysieren, welche Rolle "Körperwissen" in Alltagssituationen hat und wie "Körperwissen" vermittelt wird. Dabei führen die Herausgeber des Bandes die analytische Unterscheidung von "Wissen über den Körper" und "Wissen des Körpers" ein, um der Argumentation einen roten Faden zu geben. Diese Unterscheidung ist äußerst nützlich und hilft dabei, Verbindungslinien zwischen einzelnen Beiträgen herzustellen, die empirisch so unterschiedliche Domänen untersuchen wie den Sexualdiskurs, die Schönheitschirurgie und ärztliche Untersuchungen sowie Körperausstellungen, pädagogische Körperkonzepte und Kampfsporttraining. Sie hilft auch dabei, die den Band einleitenden theoretischen Beiträge untereinander und mit den empirischen Aufsätzen zu verbinden. Der Sammelband ist für diejenigen von Interesse, die ein Vorwissen in der "Soziologie des Körpers" und der "Wissenssoziologie" mitbringen und zu empirischen und theoretischen Entwicklungen in diesen derzeit boomenden soziologischen Debatten zu Körper und Wissen beitragen wollen.
Keywords: Körper; Wissen; Wissenssoziologie; Interaktion
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Wissen des Körpers
3. Wissen über den Körper
4. Diskussion
5. Fazit
Während der Körper wie auch andere Materialitäten der Sozialwelt für lange Zeit nur als Umwelt und Vehikel sozialer Interaktion in der soziologischen Forschung und Theoriebildung auftauchten, sind sie in den vergangenen 20 Jahren immer mehr in deren Zentrum gerückt worden. Wichtige theoretische Einsichten wurden durch die Verbindung phänomenologischer Analysen von MERLEAU-PONTY und HUSSERL mit soziologischen Perspektiven gewonnen (CROSSLEY 2004; HAHN 2009; SCHROER 2005; SHILLING 2003; WACQUANT 1995). Die Rede ist nun vom "Body Turn" (GUGUTZER 2006), der sich in der Publikation von Einführungsbüchern sowie in der Gründung der Sektion "Soziologie des Körpers und Sportsoziologie" in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) niedergeschlagen hat. [1]
2010 organisierte diese Sektion der DGS gemeinsam mit der Sektion "Wissenssoziologie" eine Tagung, deren Beiträge in dem hier besprochenen Band gesammelt wurden. Die Beiträge sind darum bemüht, Fragestellungen in diesen beiden Spezialbereichen der Soziologie aufeinander zu beziehen, um Anknüpfungspunkte für neue Begriffsbildungen und gemeinsame Forschungsunternehmungen zu finden. Der Band wurde von seinen Herausgebern, Reiner KELLER und Michael MEUSER, in fünf Teile gegliedert, die sich mit theoretischen Grundlagen (Teil 1), sexuellem Körperwissen (Teil 2), der Herstellung, Verbreitung und Aneignung von Körperwissen in der Medizin (Teil 3), der Vermittlung von Körperwissen und der körperlichen Vermittlung von Wissen in Lehr- und Lernsituationen (Teil 4) sowie mit der sensorischen Einbettung des Körpers in die Sozialwelt am Beispiel von Teilnehmenden mit andersartigem sensorischem Zugang zur Welt (Teil 5) beschäftigen. [2]
In dieser Besprechung verzichte ich darauf, den Inhalt der 17 Beträge in der Sequenz ihrer Publikation in dem Band wiederzugeben, da dies bereits von den Herausgebern im ersten Kapitel des Bandes geleistet wurde. In diesem ersten Kapitel stellen KELLER und MEUSER zudem die Beweggründe für die Sektionsveranstaltung dar, wobei sie auf die lange Vernachlässigung des Körpers durch die (Wissens-) Soziologie hinweisen und die Mehrdeutigkeit des Terminus "Körperwissen" erklären, die sich in den Beiträgen zu diesem Band widerspiegelt. Dabei geht es insbesondere um die Unterscheidung von "Wissen vom Körper" und "Wissen des Körpers" (S.10); also einerseits beschäftigen sich Beiträge in dem Band mit dem Wissen über den Aufbau und die Funktionsweise des Körpers und andererseits analysieren sie Körperwissen als praxeologischen Begriff, der es erlaubt zu untersuchen, wie Körperwissen in und durch Körperpraktiken vollzogen wird. [3]
Die Beiträge des Bandes fokussieren in unterschiedlicher Weise die eine oder andere Seite der Unterscheidung und setzen die beiden Wissensformen miteinander in Beziehung. Meine Motivation, mich etwas intensiver mit diesem Band zu beschäftigen, rührt von meinem Forschungsinteresse an der Art und Weise, wie Körper und Körperwissen in sozialer Interaktion eingebettet sind und zu ihr beitragen (VOM LEHN 2006). Mit dieser Rezension setze ich an dieser Beziehung zwischen Körperwissen, körperlichen Handlungen und der sozialen, materialen und visuellen Umgebung an und gehe insbesondere zwei Fragen nach: 1. welche Rolle spielt Wissen des Körpers und 2. welche Rolle spielt Wissen über den Körper in sozialen Handlungen und Interaktionen? Im abschließenden Abschnitt verbinde ich die beiden Argumentationslinien und untersuche die Beziehung zwischen Körperwissen und Interaktion. [4]
In der Soziologie gibt es eine lange Forschungstradition, die sich mit der sozialen Organisation von Handlungen beschäftigt. Insbesondere Erving GOFFMAN (2003 [1959], 1975) ist es zu verdanken, dass uns ein reichhaltiges Instrumentarium zur Verfügung steht, um verschiedenartige soziale Situationen wie Partys, Großveranstaltungen (BETZ, HITZLER & PFADENHAUER 2011) oder auch den Besuch von Toiletten (CAHILL 1985; MOLOTCH & NOREN 2010) zu analysieren. An diesen Untersuchungen wird insbesondere die Bedeutung der körperlichen Anwesenheit und damit der Sichtbarkeit von Handlungen in Situationen deutlich. Da Handlungen sicht- und wahrnehmbar sind, kann ihr "Passen" für den Handlungszusammenhang von kopräsenten Akteur/innen nachvollzogen werden. Dadurch werden Handlungen accountable, d.h. sie werden zu "begründbaren Darstellungshandlungen", wie dies GARFINKEL (1967, 2002) in seinen Analysen genannt hat (VOM LEHN im Druck). [5]
Das Einpassen von Handlungen in einen dynamischen Zusammenhang verlangt von den Akteur/innen ein stets präsentes Wissen über die Art und Weise, wie eine Handlung auszuführen ist, damit sie nachvollziehbar in den Kontext hineinpasst, ohne dass sie einer Rechtfertigung bedarf. Hierzu sei es beispielsweise notwendig, wie Rainer SCHÜTZEICHEL in seinem Beitrag "Soziologie der Stimme. Über den Körper in der Kommunikation" erläutert, dass Akteur/innen wüssten, wie sie ihre Stimme zu modulieren haben, um zu Wort zu kommen, sich als Sprecher/in zu markieren und durch die Stimme ihre affektive Orientierung zur Situation darzustellen (S.92-96). Mithin zeigt SCHÜTZEICHEL, dass durch die Modulation der Stimme, wie beispielsweise durch Variationen in der Lautstärke und der Betonung, das Gesagte und seine Bedeutung in der spezifischen Situation verankert wird (S.99-100). [6]
Wie Wissen über die Stimme für das Verankern des Sprechens in Situationen von Bedeutung ist, so ist auch das Wissen über Körperbewegungen und deren Wahrnehmung durch andere Akteur/innen in Situationen für die Konstitution der sozialen Organisation von Handlungen unabdinglich. Fritz BÖHLE und Stephanie PORSCHEN argumentieren in ihrem Beitrag "Körperwissen und leibliche Erkenntnis", dass sich Teilnehmende an sozialen Situationen auf "leibgebundenes Wissen" verlegen würden, um ihre Handlungen in angemessener Weise zu vollziehen und um Handlungen anderer Teilnehmer/innen nachvollziehen zu können (S.57). Akteur/innen handelten nicht nur mit ihren Körpern, sondern sie würden die Welt auch mit ihren Körpern explorieren und erfahren. BÖHLE und PORSCHEN verweisen hier auf Richard SENNETTs Buch über die Fertigkeiten von Handwerker/innen mit ihren "intelligenten Händen" (S.57) sowie auf andere Professionen, die ein gewisses Tastgefühl und Geruchsempfinden bezüglich des menschlichen Körpers entwickelten, um ihrer Arbeit am Körper von Patient/innen nachgehen zu können. BÖHLE und PORSCHEN führen das Konzept des "subjektivierenden Handelns" (S.64) ein, dass die "Erkenntnisleistung subjektiv-empfindender und spürender Wahrnehmung [betont] und zeigt, dass diese mit spezifischen mentalen Prozessen, mit besonderen Vorgehensweisen und einer speziellen Beziehung zur Umwelt verbunden ist" (S.58). Wie auch in SCHUBERTs Beitrag "Medizinisches Körperwissen als zirkulierende Referenzen zwischen Körper und Technik" deutlich wird, ist "Wissen des Körpers" eng an das "Wissen durch den Körper" gekoppelt, da Akteur/innen durch praktische körperliche Handlungen Information über die Außenwelt gewinnen. BÖHLE und PORSCHEN wie auch SCHUBERT argumentieren, dass Akteur/innen in Situationen handlungsfähig blieben, da sie Aspekte der Umgebung fortwährend mit ihren Sinnen wahrnähmen. Es handelt sich dabei also um eine Form des interaktiven Austausches mit der wahrnehmbaren Umgebung und der Konstitution von Objekten durch praktische Handlungen, die wir schon in George Herbert MEADs (1932) Vorlesungen finden. [7]
Stevi JACKSON und Sue SCOTT nehmen diese interaktionistische Perspektive auf die Beziehung zwischen Umwelt und Handlung in ihrem Beitrag "Putting the Interaction back in to Sex. Für eine interpretative Soziologie der verkörperten Lust" ein. Das Objekt, mit dem sie sich beschäftigen, ist der menschliche Körper beim Sexualverkehr, den sie im Sinne des symbolischen Interaktionismus als einen interaktiven Interpretationsprozess auffassen (S.110). Sie argumentieren, dass Sexualpartner/innen bei ihrem wechselseitigen sexuellen Handeln "sexuelle Skripte" verwendeten, die den Ablauf der Situation zwar nicht determinierten, aber als wichtige kulturelle Ressource für den organisierten Ablauf des sexuellen Handelns benutzen würden (S.121-123). "In sexuellen Interaktionen verarbeiten wir reflexiv Material aus kulturellen Szenarien und interpersonellen Erfahrungen und konstruieren so ein persönliches Set sexueller Skripte, mit deren Hilfe wir Begehrensformen und Praxis Sinn verleihen" (S.122). Bei den interaktiven Interpretationsprozessen sexuellen Handelns spiele der Körper eine entscheidende Rolle, nicht etwa nur, weil er als Instrument sexuellen Handelns fungiere, sondern auch und insbesondere weil durch den Körper sexuelles Handeln erfahren würde. Sexuelles Begehren und Lust, die in der Literatur häufig als psychologische Kategorien aufgefasst würden, könnten aus dieser Perspektive als interpretative interaktionale Prozesse verstanden werden. Anders ausgedrückt könnte die Anwendung sexueller Skripte auch als Maßstab für eine Kompetenz des sexuellen Handelns aufgefasst werden; in Situationen, in denen es um bestimmte Formen des sexuellen Handelns gehe, werde der eigene Körper und der des Partners bzw. der Partnerin in erwartungsgemäßer Art und Weise benutzt, sodass daraus eine soziale Sinneserfahrung hervorgehe. Man kann also von Akteur/innen sprechen, die ihren Körper in kompetenter Weise benutzen, um derartige Sinneserfahrungen zu produzieren. [8]
Die Beurteilung oder Bemessung von körperlicher Kompetenz ist nicht nur in Alltagssituationen bedeutsam, sondern insbesondere in der Medizin und in Lehr-/Lernsituationen auch professionalisiert und institutionalisiert worden. Dies hat zur Entwicklung von "Ratgeberliteratur" und zur Formalisierung von Instruktionen des effektiven (Lehrer/innen-) Handelns geführt sowie zu einer Standardisierung und Normierung von Maßstäben. Letzteres zeigt Marion OTT in ihrem Aufsatz "Der (in)kompetente Kinderkörper" am Beispiel von Ärzt/innen, deren Aufgabe darin besteht, die körperlichen Kompetenzen von Kindern anhand einer normierten Skala zu messen. Diese Messung basiere auf sozialer Interaktion mit den Kindern und mit deren Eltern, wobei der Körper des Kindes von dessen Person medizinanalytisch getrennt werde (S.236). Die Ärzt/innen beobachteten die Performanzen der Kinder in der Untersuchungssituation und benutzten diese Beobachtungen als diagnostischen Gegenstand, um körperliche Kompetenz zu messen (S241-243). Zahlreiche Analysen der Umsetzung von Normen und Standards hätten in der Vergangenheit gezeigt, dass sie in der Praxis eine gewisse Plastizität aufweisen müssten, um in konkreten Situationen anwendbar zu sein (TIMMERMANS & BERG 1997). Dies gelte auch für die Ärzte und Ärztinnen, die in OTTs Analysen aus ihren Beobachtungen der Performanzen der Kinder Schlüsse über deren Kompetenzen zögen und sie zu einer Leistungssteigerung zu animieren suchten oder eine etwaige "Underperformance" anderen Ursachen wie der Unlust oder dem Unwillen der Kinder zuschrieben (S.244). Und es gelte auch für Trainer/innen von Kampfsportarten wie dem Ninjutsu, die Larissa SCHINDLER in ihrem Aufsatz "Teaching bei Doing: Zur körperlichen Vermittlung von Wissen" untersucht. SCHINDLER zeigt anhand einer ethnografischen Analyse, dass die Trainer/innen bei ihrer Arbeit ihren eigenen Körper praktisch einsetzten, um Schüler/innen zu ermöglichen, Körperpraktiken zu lernen. Standards der Ninjutsu-Praxis sind Theorien über "richtige" oder "normal" ausgeführte Körperhandlungen. Sie beinhalten Vorstellungen darüber, wie Körperbewegungen in bestimmten Situationen ausgeführt werden sollten. Ähnliche Theorien über Körperbewegungen in bestimmten sozialen Situationen gibt es auch in der pädagogischen Literatur, mit der sich Antje LANGER in ihrem Beitrag "Körperbewusste Schule?" auseinandersetzt. Hierin arbeitet die Autorin heraus, welche Annahmen in dieser Literatur darüber gemacht werden, wie Lehrer/innen ihren Körper kompetent einsetzen könnten, um körperliche Verhaltensweisen bei ihren Schüler/innen hervorzurufen, sodass diese effektiv am Unterricht teilnehmen könnten. In beiden Fällen, dem Ninjutsu-Training und in der pädagogischen Literatur, gehe es darum, den Rezipient/innen, also den Ninjutsu-Schüler/innen und Pädagog/innen, Handlungshinweise oder Instruktionen zu geben, um bestimmte Körperpraktiken in einer bestimmten Art und Weise durchzuführen. Die pädagogischen Zeitschriften können sich dabei nur auf verschriftlichte Instruktionen und auf Bilder verlegen (LANGER S.320-322), während SCHINDLERs Analyse zeigt, dass derartige Beschreibungen (zumindest) für die Vermittlung von Körperpraktiken, die eine/n kompetente/n Ninjutsu-Schüler/in ausmachen, unvollständig sind und daher einer Kommunikation durch körperliche Handlungen bedürften. [9]
Dieser Befund SCHINDLERs deckt sich mit ähnlichen Beobachtungen, die in der ethnomethodologischen Arbeitsforschung gemacht wurden, wie GARFINKELs (2002) Analyse der Unterscheidung von Instruktion und instruierter Handlung zeigt, auf die sich SUCHMAN (2006) in ihren bekannten Untersuchungen zur situierten Umsetzung von Instruktionen bei der Benutzung von technischen Geräten bezieht. An SCHINDLERs Beitrag wird mithin auch die Bedeutung der gleichzeitigen Anwesenheit von Teilnehmer/innen an Situationen deutlich, auf die ich in der Einleitung mit Bezug auf GOFFMANs Analysen hingewiesen hatte. Diese Anwesenheit und der damit in Verbindung stehende wechselseitige Teilnahmestatus werden von Akteur/innen in sozialen Situationen stillschweigend vorausgesetzt: Begeben sich zwei oder mehr Akteur/innen in eine Situation, so haben sie alle einen gewissen "Teilnahmestatus" (GOFFMANs 2005 [1981]). [10]
Ronald HITZLER analysiert in seinem Aufsatz "Ist da jemand? Über Appräsentationen bei Menschen im Zustand 'Wachkoma'" eine Situation, in der diese "stillschweigende Voraussetzung" außer Kraft gesetzt wird. Indem sie das Zimmer eines Menschen im "Wachkoma" betreten, begeben Akteur/innen sich in eine Art "Krisenexperiment", an dem sie teilnehmen und dadurch unter anderem Erkenntnisse darüber gewinnen könnten, was das "Soziale" an sozialen Situationen ist, was "Teilnahme" bedeutet oder – wie HITZLER es aus phänomenologischer Perspektive ausdrückt – "Ist A [der Mensch im Wachkoma] nicht nur ein Leib, sondern hat A auch einen Körper?" (S.69). Als Teilnehmer an dieser Situation stellt er fest, dass es Momente gibt, indem der sich im "Wachkoma" befindende Mensch nicht kommuniziere, was laut soziologischer Theorie nicht möglich sei (S.76). Ein solcher nicht-kommunizierender Mensch hätte, obwohl er körperlich in der Situation anwesend sei, in diesem Moment im Sinne GOFFMANs keinen Teilnahmestatus. Dies sei für Teilnehmende irritierend, da die SCHÜTZsche "Reziprozität der Perspektiven" (SCHÜTZ & LUCKMANN 2003 [1979]), die sozialen Situationen zugrunde liege, unterminiert werde (S.78). In anderen Momenten würden die Körperbewegungen und -handlungen der Wachkomapatient/innen durchaus als soziale Handlungen gedeutet, wobei dennoch keine Gewissheit über die Wechselseitigkeit der Beziehung hergestellt werden könne. Aus Sicht der Therapeut/innen stehe bisher kein Code zur Verfügung, um zu einer solchen Gewissheit in der Beziehung mit Wachkomapatient/innen zu gelangen. Trotz dieser schwelenden Ungewissheit hinsichtlich des Teilnahmestatus von Menschen, die sich im Zustand "Wachkoma" befinden, argumentiert HITZLER, dass die gelegentlichen Kommunikationshandlungen dieses Menschen ausreichten, um ihnen "unzweifelhaft grundsätzlich das Leib-sein" zuzusprechen und sie daher als anwesend seiend und als Teilnehmende zu erfahren (S.80-81). [11]
Im Alltag ist Wissen über den Körper, insbesondere Wissen über den eigenen Körper, zumeist impliziert und wird nur in Krankheits- und Krisensituationen thematisiert, wie dies Anke ABRAHAMS in ihrem Beitrag darlegt. Neben derartigem Wissen über den Körper wissen wir auch über die Erscheinung unseres Körpers anderen gegenüber. In sozialen Situationen handeln wir also nicht nur mit und durch den Körper, sondern stellen den Körper auch aus, sodass er in einer bestimmten Art und Weise gesehen werden kann. In diesem Sinne wird der Körper dann also auch als Objekt gesehen, das auch verändert werden kann. Solche Veränderungen können durch Kleidung bewirkt werden oder auch durch chirurgische Eingriffe. In seinem Aufsatz "Häute machen Leute, Leute machen Häute" erläutert Willy VIEHÖFER, inwieweit derartige Veränderungen des Körpers auch das Wissen über den Körper berühren. Durch die Schönheitschirurgie werde der Körper und damit das individuelle Erscheinungsbild gestaltbar (S.299). Der Körper werde zu einem "Projekt der Identitätsarbeit" (S.302), dem sich Akteur/innen aus unterschiedlichen Gründen unterzögen; sie wollten körperliche Mängel ausräumen, um psychische Leiden zu beseitigen, sie wollten altersbedingte Erscheinungen entfernen, sie wollten ihren Körper neu proportionieren und sie wollten Veränderungen vornehmen, von denen sie bei der Bildung einer anderen Identität und dadurch beispielsweise bei ihrer Karriereentwicklung Hilfe erhofften (S.303); "Häute machen Leute", wie diese Personengruppe meine. Während nun häufig argumentiert werde, dass die Möglichkeiten der Schönheitschirurgie zu einem "Schönheitswahn" und einem "Körperkult" geführt hätten, argumentiert VIEHÖFER, dass diese Beschreibungstermini zu negativ besetzt seien, als dass sie geeignet wären, um zu erfassen, dass es sich bei diesen Entwicklungen im Grunde um neue Formen der Selbstkonstitution und Selbstthematisierung der Gesellschaft handele (S.309). [12]
Veränderungen am Körper und des Wissens über den Körper spiegeln sich nicht nur in äußerlich wahrnehmbaren Modulationen der körperlichen Erscheinung wider, sondern auch in der Verwendung von Arzneimitteln, um körperliche Funktionen zu optimieren. Fabian KARSCHs Beitrag "Die Prozessierung biomedizinischen Wissens am Beispiel des ADHS" analysiert die Folgen der Medikalisierung des vor weniger als 100 Jahren als "Zappelphilipp-Syndrom" beschriebenen abweichenden Verhaltens. Sei damals versucht worden Kinder, die als "Zappelphilipp" bezeichnet wurden, durch Disziplinierungsmaßnahmen in die soziale Ordnung einzufügen, so sei das Phänomen in den vergangenen Jahren zum "Aufmerksamkeits-Defizit Hyperaktivitäts-Syndrom" uminterpretiert worden, das mit Arzneimitteln behandelt werden könne (S.271-272). KARSCH zeigt, dass die ADHS-Diagnostik nicht nur zu einer medizinischen Kontrolle abweichenden Verhaltenes geführt habe, sondern auch dazu, dass Erwachsene sich das Wissen über die Wirkung des Medikaments Ritalin angeeignet hätten, um es als leistungssteigerndes Mittel zu verwenden. Ohne ärztliche Beratung setzten Lai/innen also Ritalin in bestimmten Situationen zweckbezogen ein, um ihre Leistung zu verbessern (S.283). Was aus vielen anderen medizinischen Bereichen berichtet werde, gelte also auch für den Fall Ritalin, dass sich nämlich die Balance zwischen Professionellen und Lai/innen dahin gehend verschiebe, dass Lai/innen zu medizinischen Expert/innen würden und dadurch "die Logik der Medizin in immer mehr gesellschaftlichen Bereichen zur gültigen und vorherrschenden Wissensform" werde (S.284). [13]
Die Aneignung medizinischen (Expert/innen-) Wissens geschieht unter anderem durch den Konsum von Ausstellungen über den Körper sowie durch das Lesen von Beiträgen in Boulevardzeitungen und in der populären Literatur. Berit BETHKEs Beitrag "Bodies on Display" beschäftigt sich mit einer Ausstellung, die in unterschiedlichen Ländern gesundheitsbewusstes Verhalten stimulieren soll. Die Analyse der Autorin expliziert die Spannung zwischen der Generalisierung des menschlichen Körpers durch die Ausstellungsstücke und den individuellen Körpern der Menschen, die die Ausstellung besuchen und erfahren (S.266). Dabei weist sie darauf hin, dass die Kurator/innen bei der Vorbereitung der Ausstellung sowohl Theorien über das Körperwissen der Besuchenden in den verschiedenen Ländern als auch Theorien darüber benutzen hätten, wie Menschen durch Ausstellungen zu gesundheitsbewusstem Handeln angeregt werden könnten. Ausgeblendet aus BETHKEs Analyse bleibt allerdings der Ursprung dieser Theorien und die Art und Weise, wie Besuchende die Ausstellung angenommen und ob sie durch ihren Besuch Wissen über den Körper erworben haben. Einen Einblick in das alltägliche Wissen über den Körper liefert dagegen Stefanie DUTTWEILER, die in ihrem Beitrag "Expertenwissen, Medien und der Sex" untersucht, wie Leser/innen von Beratungsrubriken in Boulevardzeitungen mit "Expert/innen" explizites Körperwissen im Hinblick auf bestimmte Fragestellungen diskutieren. In diesem Sinne erlaubt DUTTWEILERs Aufsatz einen Einblick in eine der kulturellen Ressourcen, auf die Menschen Bezug nehmen, wenn sie in einen interaktiven Interpretationsprozess sexuellen Handelns eintreten (wie bereits im Beitrag von JACKSON und SCOTT ausführlich dargelegt). Eine andere kulturelle Ressource, nämlich textliche und visuelle Darstellungen des Sexualverkehrs, wird in Franz X. EDERs Beitrag "Ideale Vergattung – Populärwissenschaftlicher Sexualdiskurs und Bildtechniken der Selbstführung (1910er bis 1960er Jahre)" behandelt. In seinem Aufsatz stellt EDER dar, wie sich grafische Visualisierungen "sexueller Vergattung" über die Jahre hin entwickelt hätten und wie sich in dieser Entwicklung widerspiegele, inwieweit sich die Vorstellungen darüber, was als "normal" angesehen werde, geändert hätten. Impliziert in diesen Normalitätsvorstellungen sind Theorien darüber, wie Interaktionen zwischen Geschlechtspartner/innen bei der "Vergattung" ablaufen. Die Tatsache, dass diese Theorien, wie EDER zeigt, über die Jahre hin einem Wandel unterworfen seien, könnte Sozialwissenschaftler/innen, die wie JACKSON und SCOTT eine interaktionistische Perspektive einnehmen, Anlass für eine Analyse geben, die sich damit beschäftigt, wie sich "sexuelle Skripte" im Lichte dieser sich wandelnden Theorien über sexuelles Handeln verändern. [14]
Die Normierung von Wissen über den Körper ist für professionelle Mediziner/innen unerlässlich. Indem Mediziner/innen Standards zur Verfügung stehen, können sie Körper vermessen und analysieren, Vergleiche zwischen Individuen anstellen und Lösungsvorschläge machen, um von der Norm abweichende Körper zum Standard zurückzuführen oder Erklärungen für Abweichungen zu finden. Diese Beziehung zwischen "Normalität" und "Normalisierung" findet sich in verschiedenen Beiträgen in diesem Band. Zu nennen sind hier beispielsweise OTTs Analyse der Arbeit von Ärzt/innen, die die (In-) Kompetenz von Kinderkörpern untersuchen, die von KARSCH analysierte medizinische Bestimmung von ADHS und die Darstellungen der "Idealen Vergattung" in EDERs Aufsatz. In dem bisher noch nicht diskutierten Beitrag "Zur gesellschaftlichen Konstruktion medizinischen Körperwissens" beschäftigt sich Alexandra MANZEI mit der elektronischen Krankenakte und den Folgen, die die Digitalisierung von Wissen über den (Patient/innen-) Körper für das Krankheitserleben der Patient/innen hat (S.207). Da die Digitalisierung der Patient/innenakte weitestgehend betriebswirtschaftlich und nicht medizinisch motiviert ist, würden am Krankenbett die medizinische Diagnose und betriebswirtschaftliche Abrechnungsformen miteinander in Verbindung gebracht, sodass der Körper auch unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet würde, um die "Effektivität" von Behandlungen zu erhöhen (S.216-218). Durch die Formalisierung der Information über den Körper der Patient/innen, die durch das Eingabeformat der elektronischen Krankenakte strukturiert sei und nicht durch die Interaktion zwischen Arzt/Ärztin und Patient/in, verändere sich, so MANZEI, auch die Art und Weise, wie Patient/innen ihre Körper erfahren. Ihr Körper werde zu einem technisch überwachbaren, betriebswirtschaftlich beurteilbaren Objekt, das sich mithilfe von Kategorien beschreiben ließe, die von einem vorgefassten elektronischen Formblatt vorgegeben würden (S.219). [15]
Dies bringt uns zu Anke ABRAHAMS Beitrag "Der Körper als heilsam begrenzender Ratgeber? Körperverhältnisse in Zeiten der Entgrenzung", in dem die Autorin der Frage nachgeht, ob der Körper als Objekt betrachtet werden könne und welche Forschungsmöglichkeiten sich daraus für die Soziologie ergäben. ABRAHAMS' Aufsatz kritisiert die Vergegenständlichung des Körpers und schlägt "6 Variationen" der Beschreibung des Körpers als Subjekt vor. Diese Variationen beinhalten 1. den Körper als Agens beim Schlafen, 2. das leibgebundene Sichbewegen und Erleben als fundierenden "Grund aller weiteren Lebensformen", 3. den Körper als Ding/Organismus, der sich der technischen Kontrolle entziehe und sich Zugriffen von Außen widersetze, 4. Optimierungsversuche, die an den Eigengesetzlichkeiten des Körpers scheiterten sowie das Auffassen dieser Grenzen des Körpers für einige Professionen als eine Herausforderung, 5. Schönheitstechnologien als Feld, den Körper zu optimieren und 6, den Körper als Organismus, Subjekt und "heilsamen Ratgeber". Nach einer Analyse dieser Variationen fordert ABRAHAMS die Lesenden auf, den Körper als eine Art Seismograf zu betrachten, der anzeige, wann Grenzen erreicht seien, und die Grenzen zu akzeptieren (S.47). Sie argumentiert, dass Menschen, die die Eigengesetzlichkeit, Verletzlichkeit und Unvollkommenheit ihrer Körper anerkennen würden, sich nicht in die Abhängigkeit von Professionellen zu begeben hätten. Aufgabe der Soziologie sei es im Sinne der Autorin, die technologischen und ökonomisch induzierten Zwänge von sozialen Lagen und Lebensbedingungen und von Resonanzen, die diese Zwänge und Soziallagen auf der körperlichen und auf der leiblich-affektiven Ebene auslösten, gezielt in den Blick zu nehmen (S.49). [16]
Zu Beginn dieser Rezension hatte ich zwei Fragestellungen aufgeworfen, denen ich in Auseinandersetzung mit den Beiträgen in dem von KELLER und MEUSER herausgegebenen Band nachgehen wollte: 1. welche Rolle spielt Wissen des Körpers und 2. welche Rolle spielt Wissen über den Körper in sozialen Handlungen und Interaktionen? Bei der Besprechung der einzelnen Artikel habe ich diese Fragestellungen getrennt verfolgt, wobei jedoch verschiedentlich offenbar wurde, dass sie sich nicht immer so klar trennen lassen. Akteur/innen nehmen zumindest in einigen Situationen, in denen sie praktisch, also mit ihrem Körper Handlungen ausführen, auf Wissen über den Körper Bezug. Solche Situationen werden von Beiträgen behandelt, die sich mit Chirurg/innen im Operationssaal (SCHUBERT) und bei Schönheitsoperationen (VIEHÖFER) beschäftigen oder mit Ärzt/innen, die die körperliche Kompetenz von Kindern beurteilen (OTT), in anderer Weise auch für Trainer/innen von Kampfsportarten (SCHINDLER). Ebenso ist das Wissen über den Körper für die Kurator/innen von Körperausstellungen relevant, die versuchen, dieses Wissen sozusagen in Exponaten in einer Art und Weise zu verkörpern, dass Besuchende es sich über eine Auseinandersetzung mit den Objekten aneignen können (BETHKE). [17]
Wenn in den Beiträgen von Wahrnehmung die Rede ist, bleiben die Analysen weitestgehend sehr oberflächlich und konzentrieren sich auf die visuelle Wahrnehmung, obwohl verschiedentlich vom Geruchssinn oder Tastgefühl die Rede ist. Dies ist nur insofern verwunderlich, als – wie beispielsweise BÖHLE und PORSCHEN in ihrem Beitrag andeuten – praktisches Handeln immer auch Wahrnehmung der Umgebung und ihrer Qualitäten durch unterschiedliche Sinnesorgane beinhaltet. Die Vernachlässigung der Sinne und der Sinneswahrnehmung wird in Siegfried SAERBERGs Aufsatz "Die schwarzen Wühler" fokussiert, der den Sammelband abschließt. Der Beitrag beschäftigt sich mit der Beziehung zwischen Maulwurf und Gärtner/in. Während Maulwürfe, da sie unterirdisch graben, unsichtbar seien, sei der Schaden, den sie in Gärten anrichten, ein sichtbarer (S.361). Daher setzten Gärtner/innen zahlreiche Mittel ein, um den optischen Schaden in ihrem Garten zu begrenzen und die Maulwürfe zu vertreiben. SAERBERG beschreibt das multisensorische "Kriegsgerät", das hierbei zum Einsatz kommt. Es reicht von eingegrabenen Radios über stark riechende Flüssigkeiten bis hin zu "batterie- oder solarbetriebenen Vibrationsgebern". Während die Anthropologie und Soziologie der Sinne immer noch von einer "Dominanz des Visuellen" spreche, ist SAERBERGs Beitrag wie auch sein zuvor veröffentlichtes Buch "'Geradeaus ist einfach immer geradeaus'. Eine lebensweltliche Ethnographie blinder Raumorientierung" (2006; dazu VOM LEHN 2007) ein weiterer Schritt in Richtung auf die Entwicklung einer Sinnessoziologie, die das Zusammenspiel der Sinne und der Sinneswahrnehmung im praktischen Handeln und Erfahren der sozialen Welt in den Blick nimmt. In diesem Sinne ergänzt der auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinende Artikel SAERBERGs den Band um eine Dimension, die in den übrigen Beiträgen berührt wird, aber unterbelichtet bleibt, nämlich das Wissen über die körperliche Wahrnehmung der Welt. [18]
Der von KELLER und MEUSER herausgegebene Band ist mehr als nur ein aus einer Tagung hervorgegangener Sammelband. Seine Beiträge zeigen nicht nur Forschungslücken in der Soziologie des Körpers auf, sondern beginnen auch damit, diese Forschungslücken durch theoretische und empirische Analysen zu füllen. Dabei ist die von den Herausgebern eingeführte Unterscheidung von "Wissen über den Körper" und "Wissen des Körpers" ein brauchbares Hilfsmittel, das jedoch durch SAERBERGs intelligenten Beitrag insofern infrage gestellt wird, dass er auf das Zusammenspiel der unterschiedlichen Wissensformen hinweist und Soziolog/innen die Aufgabe gibt, dieses Zusammenspiel in ihrer Forschung Ernst zu nehmen. Wie die Gärtner/innen, so setzen Soziolog/innen Methoden und Techniken ein, um herauszufinden, wie Akteur/innen in der sozialen Welt handeln und diese erfahren. Dabei wissen Soziolog/innen nur wenig über die Methoden und Techniken, die die Akteur/innen im Alltag anwenden, und verlegen sich daher auf Theorien darüber, wie Akteur/innen im Alltag handeln. Dass solche Theorien inkorrekt sein können (wie beispielsweise die weithin kolportierte Annahme, Maulwürfe seien blind), hat einen Einfluss darauf, welche Mittel eingesetzt werden, um den Forschungssubjekten zu Leibe zurücken. In diesem Sinne bietet der Band "Körperwissen" seinen Leser/innen durch die Reichhaltigkeit der Forschungsdomänen wie auch durch die Vielfalt der benutzten Theorien und Methoden eine Fülle an Information, die sie nutzen können, um die wissenssoziologische Forschung im Bereich der Soziologie des Körpers voranzutreiben. [19]
Was mir in den Beiträgen des Bandes fehlt, ist ein Forschungsinteresse an den Details der verkörperten Praktiken, durch die Akteur/innen mit der sozialen Welt im Austausch stehen. Wenn davon die Rede ist, dass Kampfsporttrainer/innen ihren Körper benutzen, um Bewegungsabläufe so zu demonstrieren, dass Schüler/innen sie imitieren können (SCHINDLER), dann wäre ich genau daran interessiert, wie sie das vonstatten bringen und wie die Schüler/innen die Handlungen imitieren. Oder wenn OTT in Bezug auf die Körperkompetenz von Kindern erwähnt, dass Ärzt/innen dabei von Zeit zu Zeit den Körper der Kinder anfassen oder dass in SCHUBERTs Analyse das Tastgefühl für die Arbeit der Chirurg/innen bedeutsam ist, dann interessiert mich, wie das Tasten und Fühlen in der Interaktion relevant für die Teilnehmer/innen wird und wie die Akteur/innen die Erfahrung des Tastens und Fühlens in die Interaktion einbringen. Solche Fragestellungen, die sich in meinen Augen direkt aus den Beiträgen in diesem exzellenten Sammelband ergeben, bleiben leider ungestellt. [20]
Das Buch ist kein Einführungsband, sondern verlangt Vorwissen in der Wissenssoziologie wie auch in der Soziologie des Körpers. Es ist all den Lesenden zu empfehlen, die mit solchem Vorwissen ausgestattet zu der laufenden Debatte in der Soziologie beitragen wollen. [21]
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vom Lehn, Dirk (2007). Rezension zu: Siegfried Saerberg (2006). "Geradeaus ist einfach immer geradeaus". Eine lebensweltliche Ethnographie blinder Raumorientierung. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 9(1), Art. 19, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0801196.
vom Lehn, D. (im Druck). Harold Garfinkel. Konstanz: Universitätsverlag Konstanz.
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Dirk VOM LEHN ist Lecturer in Marketing am King's College London. Seine Forschungsinteressen umfassen ethnografische, ethnomethodologische und videobasierte Untersuchungen sozialer Interaktion in Organisationen wie Museen und auf Straßenmärkten sowie der Arbeit von Optiker/innen. Er ist insbesondere daran interessiert, wie Objekte und Technologien in soziale Interaktionen eingebettet werden. Gemeinsam mit Will GIBSON hat er in 2011 die Sonderausgabe "Interaction" der Zeitschrift Symbolic Interaction herausgegeben. In FQS finden sich von Dirk VOM LEHN weitere Rezensionen u.a. zu Stefanie ERNST (2010). Prozessorientierte Methoden in der Arbeits- und Organisationsforschung: Eine Einführung, Pragmatistische Wissenschafts- und Technikforschung von STRÜBING (2009) und "Geradeaus ist einfach immer geradeaus". Eine lebensweltliche Ethnographie blinder Raumorientierung" (SAERBERG 2008).
Kontakt:
Dirk vom Lehn
Department of Management
King's College London
Franklin-Wilkins Building
150 Stamford Street
London SE1 9NH
Großbritannien
Tel.: +44 2078484314
E-Mail: dirk.vom_lehn@kcl.ac.uk
URL: http://www.vom-lehn.net/
vom Lehn, Dirk (2012). Rezension: Reiner Keller & Michael Meuser (Hrsg.). Körperwissen [21 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 13(2), Art. 1,
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs120216.