Volume 14, No. 3, Art. 8 – September 2013
Lehrerinnen und Lehrer kommentieren Fragebögen – Wie quantitative Forschung von qualitativer Forschung lernen kann
Sabine Weiß, Simone Schramm, Andreas Hillert & Ewald Kiel
Zusammenfassung: Lehrpersonen erweisen sich häufig als schwierige Klientel, was die Einbindung in Forschungsprojekte betrifft. Neben Problemstellungen wie geringen Rücklaufquoten bei Befragungen fiel in der das Projekt "LeguPan – Lehrergesundheit: Prävention an Schulen" begleitenden quantitativen Evaluation eine hohe Zahl von Fragebögen auf, die mit Kommentaren, Anmerkungen und ikonografischen Zeichen versehen waren. Die vorliegende Untersuchung folgt der These, dass diese ein kommunikatives Anliegen oder Angebot an die Durchführenden der Evaluation darstellen. Alle Fragenbögen wurden daher nach Kommentaren, Anmerkungen und ikonografischen Zeichen gescreent und diese wurden exzerpiert. Die Auswertung dieser als Kommunikationsangebote verstandenen Textstellen orientiert sich am Verfahren der qualitativen Inhaltsanalyse. Alle Kommentare und ikonografischen Zeichen wurden Kategorien zugeordnet. Dabei ergaben sich folgende Kategorien: Bestreiten der Passung eines Items oder eines Messinstruments, Einschränken der Aussagekraft einer Antwort, die Begründung oder Rechtfertigung einer Antwort sowie Verständnisfragen und (meist unspezifische) Befindlichkeitsäußerungen. Aus dem kommunikativen Anliegen bzw. den erarbeiteten Kategorien lassen sich in einem ersten Schritt Schlüsse über Lehrkräfte als die Zielgruppe von Forschung ableiten. In einem zweiten Schritt werden Folgerungen für die Planung und Durchführung von Evaluationen und Projekten ausgearbeitet. Diese beziehen sich vor allem auf die sprachliche Aufbereitung, die Instruktion und Strategien für den Umgang mit sensiblen Themen in Befragungen. Qualitative Forschung ist so handlungsleitend für quantitative Erhebungen.
Keywords: Begründung; Einschränkung; Kommentare; Lehrperson; Rechtfertigung; Evaluation; qualitative Inhaltsanalyse; Fragebogen; Lehrer/innenforschung
Inhaltsverzeichnis
1. Lehrpersonen als Zielgruppe von Erhebungen
2. Zur Teilnahme an und zum Umgang mit Befragungen
2.1 Warum Personen an Studien/Befragungen teilnehmen oder nicht teilnehmen ...
2.2 Wenn Personen teilnehmen, aber Schwierigkeiten auftreten ...
3. Fragestellung
4. Methodisches Vorgehen
4.1 Projektbeschreibung
4.2 Stichprobenzusammensetzung
4.3 Methodisches Vorgehen
4.4 Kategorien und Codings
5. Ergebnisse
5.1 Bestreiten
5.2 Einschränken
5.3 Begründen
5.4 Ergänzen
5.5 Rechtfertigen
5.6 Verständnisfragen
5.7 Befindlichkeit
6. Diskussion
6.1 Zusammenfassung und Diskussion des kommunikativen Anliegens
6.2 Folgerungen für die Erstellung von Messinstrumenten und die Durchführung von Evaluationen
6.2.1 Sprachliche Aufbereitung von Instruktionen und Fragebögen
6.2.2 Instruktion
6.2.3 Kontextualisierung
6.2.4 Analyse der Widerstände und Strategien für "heikle Fragen"
6.2.5 Einsatz qualitativer Verfahren
7. Fazit
1. Lehrpersonen als Zielgruppe von Erhebungen
Die Bereitschaft von Lehrpersonen an Forschungsprojekten und Evaluationen teilzunehmen – und das über einen längeren Zeitraum – ist häufig eher gering. Dies schlägt sich unter anderem in geringen Beteiligungsquoten z.B. an Interviews oder Befragungen sowie in niedrigen Rücklaufquoten von Fragebögen nieder. Vonseiten der Lehrkräfte wird die Teilnahme an einer Evaluation häufig als Belastung bis hin zur Zumutung empfunden: Es wird auf die Länge von Erhebungsinstrumenten verwiesen, die mit den sowieso schon langen Arbeitszeiten und beruflichen Belastungen kollidieren. Nun steht außer Frage, dass der Lehrer/innenberuf anspruchsvoll, komplex und zeitintensiv ist (ROTHLAND 2013). Die damit einhergehenden Belastungen und Problemstellungen erfahren in der letzten Zeit zunehmende Aufmerksamkeit, sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der lehrer/innenbezogenen Forschung (z.B. LEHR 2011). Es ist daher zu diskutieren, ob die negative Rahmung mangelnder Kooperationsbereitschaft vonseiten der Lehrkräfte gerechtfertigt ist oder sich in der Lehrer/innenforschung Tätige die Frage stellen müssen, ob sie mit ihrer Art des Vorgehens die Bedürfnisse von Lehrpersonen bezüglich einer Teilnahme an Forschungsprojekten und Evaluationen angemessen berücksichtigen. [1]
Die oben beschriebene Problematik wurde auch in dem Projekt "LeguPan – Lehrergesundheit: Prävention an Schulen" deutlich, das die Basis der vorliegenden Untersuchung ist. Im Rahmen dieses Projekts sollten Lehrkräfte, die an einem Training zur gesundheitlichen Prävention teilnehmen, insgesamt vier Befragungswellen mit jeweils einem anonym zu bearbeitenden Fragebogen durchlaufen. Neben in der Forschung häufig dokumentierten Problemstellungen wie der Nichtbearbeitung bzw. dem "Austropfen" zwischen den Befragungswellen und der unvollständigen Bearbeitung von Fragebögen wurde folgende Auffälligkeit besonders deutlich: Eine Vielzahl von Fragebögen war mit Anmerkungen, Kommentaren und/oder ikonografischen Zeichen versehen, dieses manchmal in großer Zahl und Ausführlichkeit. [2]
Diese Kommentare, Anmerkungen und ikonografischen Zeichen sind Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung. Sie stellen offensichtlich ein kommunikatives Anliegen oder Angebot im Sinne einer Rückmeldung an die Durchführenden der Evaluation dar. Dem Modell von ATTESLANDER (2003) zufolge bedeutet Befragung immer Kommunikation zwischen zwei oder mehreren Personen, auch die schriftliche Befragung ist eine Form der sozialen Interaktion (vgl. auch KONRAD 2010a). Nur wurde dieses kommunikative Angebot in Form von Kommentaren bisher nicht angenommen; der Umgang damit stellt eine Forschungslücke dar. Doch lassen sich möglicherweise gerade daraus Rückschlüsse ziehen, wie Lehrpersonen über Evaluationen und Messverfahren denken bzw. was sie empfinden, also z.B. warum ihre Teilnahmebereitschaft häufig gering ist, welche "Bedürfnisse" an Befragungsverfahren und Messinstrumente sie haben, welche Informationen sie sich wünschen und was sie zurückschrecken lässt. Denn als Konsequenz der oben beschriebenen Problematik wären für Forschungsprojekte, die Lehrpersonen als Zielgruppe haben, Strategien wünschenswert bzw. erforderlich, die darauf abzielen, dass Lehrpersonen
überhaupt an Forschungsprojekten und Evaluationen teilnehmen, z.B. indem sie sich für eine Befragung, ein Interview oder eine Gruppendiskussion zur Verfügung stellen oder einen Fragebogen bearbeiten (und ihn auch innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens abgeben),
möglichst über einen längeren Zeitraum als Teilnehmende erhalten bleiben, also z.B. mehrere Befragungswellen durchlaufen sowie
die Messinstrumente oder ähnliche Verfahren vollständig und lückenlos bearbeiten. [3]
Aus diesem Forschungsdefizit heraus erfolgt im Rahmen der vorliegenden Untersuchung eine Analyse dieses kommunikativen Angebotes, indem Kommentare, Anmerkungen und ikonografische Zeichen systemisch erfasst, kategorisiert und ausgewertet werden. Grundlage hierfür ist ein großes Forschungsprojekt mit mehreren Befragungswellen an der Ludwig-Maximilians-Universität München. [4]
Da für die Thematik der vorliegenden Studie keinerlei Forschungsstand zu verzeichnen ist, werden im ersten Teil ähnliche, v.a. methodische, Forschungsansätze zum Umgang von (Test-) Personen mit Forschungsinstrumenten dargestellt und daraus Hypothesen generiert. Diesen wird in einem zweiten Schritt mittels einer Analyse und Kategorisierung von Kommentaren und ikonografischen Zeichen nachgegangen. Aus den Ergebnissen werden in einem letzten Schritt Schlussfolgerungen für die Erstellung und den Einsatz v.a. quantitativer Instrumente abgeleitet. [5]
2. Zur Teilnahme an und zum Umgang mit Befragungen
Bezüglich Kommentaren, Anmerkungen und ikonografischen Zeichen auf Fragebögen kann auf keinen Forschungsstand zurückgegriffen werden. Doch existieren "verwandte" Forschungsbereiche, von denen exemplarisch einige Aspekte ausgeführt werden sollen, z.B.
Untersuchungen zur Frage, warum Personen an Studien/Befragungen teilnehmen bzw. nicht teilnehmen (Antwortverweigerung, Non-Response-Studien),
Themenfelder wie Schwierigkeiten bei der Bearbeitung von Messinstrumenten und die Frage nach sensiblen Themen. [6]
Daraus lassen sich mögliche Gründe für das Kommentieren von Fragebögen ableiten; ebenso bieten diese, an späterer Stelle, Ansatzpunkte für eine Generierung von Hypothesen. [7]
2.1 Warum Personen an Studien/Befragungen teilnehmen oder nicht teilnehmen ...
Für die Forschung zur Teilnahmebereitschaft von Personen an Untersuchungen sind in der Literatur zwei thematische Schwerpunkte zu finden, für die auch eine Befundlage besteht: Dies betrifft zu einem die (häufig mit großem Aufwand, aber auch Entlohnung verbundene) Teilnahme an medizinischen Studien (LUNTZ & SCHRÖDER 2010). Zum anderen befasst sich die Non-Response-Forschung mit der Frage der Kooperationsbereitschaft bzw. -verweigerung bei schriftlichen Befragungen in der Bevölkerung v.a. bezüglich Einstellungs- und Wahlfragen (vgl. dazu den Überblick von NELLER 2005; auch PETERMANN 2005). Im Bereich von Psychologie und Erziehungswissenschaft ist es vor allem die Literatur zur Forschungsmethodik, die Gründe für die Nichtteilnahme liefert. Hier werden – neben situativen Gründen wie Alter, Krankheit und Zeitmangel – vor allem sensible Befragungsthemen, die Angst vor Verletzung von persönlicher Freiheit (im Sinne der Reaktanztheorie, BREHM 1966), eine negative Einstellung gegenüber der Wissenschaft oder negative Erfahrungen damit in der Vergangenheit sowie Desinteresse am Thema oder fehlende Einsicht in dessen Relevanz aufgeführt (SCHOLL 2009; SEDLMEIER & RENKEWITZ 2008). Studien zu den Charakteristiken freiwillig Teilnehmender zeigen, dass diese im Vergleich zu Verweigerer/innen u.a. über eine bessere schulische Ausbildung und einen höheren sozioökonomischen Status verfügen, geselliger, unkonventioneller sind und eine geringere Tendenz zu konformen Verhalten aufweisen (vgl. EFFLER & BÖHMEKE 1977; ROSENTHAL & ROSNOW 1975). Es ist in der Konsequenz von bedeutsamen Unterschieden zwischen Studienteilnehmer/innen und Verweigerer/innen auszugehen (vgl. auch BORTZ & DÖRING 1995). [8]
2.2 Wenn Personen teilnehmen, aber Schwierigkeiten auftreten ...
Entscheiden sich Personen für eine Teilnahme und verfolgt man den zuvor eingeführten Ansatz einer Befragung als Kommunikationsprozess zwischen Personen weiter, dann hat das auch zur Folge, dass alle möglichen Fehlerquellen der Kommunikation wirksam werden können (vgl. dazu auch INGENKAMP & LISSMANN 2005). Ausführlich dokumentiert sind z.B. "Versuchsleiter-Effekte" (vgl. den Überblick bei BORTZ & DÖRING 1995): Diese treten vor allem bei Interviews oder Laboruntersuchungen auf und sind bei der schriftlichen Befragung von untergeordneter Bedeutung – sie fordern dementsprechend auch nicht zu Kommentaren oder grafischen Anmerkungen auf dem Fragebogen heraus. Ansatzpunkte für Kommentare im Sinne eines kommunikativen Angebots an die Durchführenden einer Studie können aber Anforderungen sein, die mit einer Befragung einhergehen, sensible Befragungsthemen sowie Motivationen und Stimmungen. [9]
In der Forschung immer wieder diskutiert werden "heikle" Fragen: Das sind Fragen zu sensiblen Themen, deren Bedrohlichkeit sich nicht aus dem Thema selbst speist, sondern daraus, sich vor dem sozialen Umfeld zu exponieren oder zu blamieren. Je höher der Anteil nichtbeantworteter Fragen (item nonresponse) ist, desto größer ist der Widerstand gegen die Art der erfragten Informationen (PORST 2009). Diese Widerstände könnten möglicherweise Auslöser für Kommentare und Anmerkungen auf Fragebögen sein, die dazu dienen, den Durchführenden Ärger, Missempfinden, Ängste, aber auch inhaltliche Argumente für eine (Nicht-) Antwort mitzuteilen. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die Bedeutung von Stimmung und Motivation auf das Antwortverhalten dokumentiert ist (ABELE & PETZOLD 1994; BACHLEITNER & WEICHBOLD 2007). [10]
PORST (2009, S.17) formuliert Anforderungen, die sich aus der Bearbeitung eines Fragebogens ergeben und die dann möglicherweise Anlass bieten, etwas mitteilen zu wollen:
Die befragte Person muss eine Frage verstehen: Sind Fragen oder Begriffe unbekannt, dem Kenntnisstand der Teilnehmer/innen nicht angemessen, unklar oder mehrdeutig formuliert oder sind sie individuell interpretierbar, könnte ein Kommentar dazu dienen, auf Verständnisschwierigkeiten aufmerksam machen (vgl. auch SEDLMEIER & RENKEWITZ 2008).
Um eine Frage beantworten zu können, müssen eine oder mehrere Informationen aus dem Gedächtnis abgerufen werden. Oft ist dazu ein zeitlicher Rahmen vorgegeben ("Wie oft haben Sie in den letzten zwei Wochen ...?"), in dem über ein bestimmtes Verhalten Auskunft gegeben werden soll. Funktioniert diese Erinnerungsleistung nicht oder passt der zeitliche Rahmen nicht, könnte dies Anlass für eine Mitteilung an die Durchführenden sein.
Bei geschlossenen, kategorisierten Fragen gibt die befragte Person nicht ihr eigentliches Urteil weiter, sondern muss es in ein Antwortformat einpassen, also einen Wert angeben, der ihr Urteil ihrer Meinung nach am besten repräsentiert. Findet sich die Befragungsperson in den vorgegebenen Antwortkategorien nicht wieder, möchte sie möglicherweise diesen Mangel an Passung den Durchführenden in einem Kommentar verdeutlichen, sich für die Antwort rechtfertigen oder das eigentliche Urteil ausführen, begründen und spezifizieren. [11]
Aus den beschriebenen Problemstellungen heraus wird in der vorliegenden Untersuchung der Frage nachgegangen, ob sich aus den Kommentaren und ikonografischen Zeichen, die von Lehrpersonen auf den Fragebögen gemacht werden, Strategien für die Planung von Evaluationen ableiten lassen. Folgende Forschungsfragen stehen dabei im Mittelpunkt:
Lassen sich die Kommentare und Anmerkungen sowie ikonografischen Zeichen zu bestimmten Dimensionen zusammenfassen?
Geben diese Dimensionen Informationen über Bedürfnisse, Wünsche und Anforderungen von Lehrpersonen bezüglich Befragungen?
Lassen sich aus diesen Dimensionen/Kriterien Strategien ableiten, die Bereitschaft von Lehrpersonen im Rahmen von Evaluationen zu erhöhen? [12]
Zwar existiert bezüglich der Auswertung von Kommentaren kein Forschungsstand, doch lassen sich die zuvor ausgeführten angrenzenden Forschungsfelder für eine Hypothesenbildung heranziehen (PORST 2009; SEDLMEIER & RENKEWITZ 2008). Demnach machen Lehrpersonen Kommentare und Zeichen auf Fragebögen,
um auf Verständnisschwierigkeiten bei Fragen hinzuweisen,
um den Sinn von Fragen anzuzweifeln,
um Missempfinden, Unzufriedenheit und Widerstand bei sensiblen Fragen zu bekunden,
um Stimmungen und Motivationen auszudrücken,
um Antworten auf geschlossene Fragen zu ergänzen,
um Antworten auf geschlossene Fragen zu begründen,
um sich für Antworten zu rechtfertigen. [13]
Die in der vorliegenden Untersuchung herangezogenen Fragebögen stammen aus dem Forschungsprojekt "LeguPan – Lehrergesundheit: Prävention an Schulen", das in Kooperation des Lehrstuhls für Schulpädagogik an der Ludwig-Maximilians-Universität München mit der medizinisch-psychosomatischen Klinik Roseneck in Prien und den St. Alexius-/St. Josef-Fachkliniken für Psychiatrie in Neuss stattfindet. Dieses Projekt zielt auf gesundheitsbezogene Prävention im Lehrer/innenberuf ab, in dem berufsspezifischen Belastungen durch eine präventive Schulung von Lehrkräften entgegengewirkt wird. Lehrkräfte erhalten dabei ein Training, das sich über mehrere Sitzungen im Abstand von mehreren Wochen erstreckt. Dieses Training wird von einer Evaluation mit vier Befragungswellen begleitet:
Vorab-Erhebung (t_0) drei Monate vor Trainingsteilnahme,
Pre-Test (t_1) unmittelbar vor Beginn des Trainings,
Post-Test (t_2) unmittelbar nach Abschluss des Trainings,
Katamnese (t_3) ein Jahr nach Abschluss der Trainings. [14]
Zum Zeitpunkt der Auswertung der gegenwärtigen Untersuchung sind die ersten drei Befragungswellen abgeschlossen, die Katamnese steht noch aus. [15]
In jeder Befragungswelle erhalten die Teilnehmer/innen einen Fragebogen mit geschlossenen Fragen, der anonym zu bearbeiten ist. Die im Fragebogen enthaltenen Messinstrumente sind (weitgehend international) etabliert und zielen auf Kriterien ab, die im Rahmen von Gesundheit als bedeutsam erachtet werden. Der Fragebogen wurde in dieser Form schon in mehreren anderen, dem hier beschriebenen Projekt vorausgehenden Projekten mit ähnlichen inhaltlichen Schwerpunkten verwendet; die darin erhobenen Datensätze sollen mit denen des LeguPan-Projekts vergleichbar sein. Folgende Messinstrumente werden in den Fragebögen der Untersuchung verwendet und sind mit Kommentaren und Anmerkungen versehen:
Allgemeine Depressionsskala (HAUTZINGER & BAILER 1993)
Arbeitsbezogenes Erlebens- und Verhaltensmuster (SCHAARSCHMIDT & FISCHER 1996)
Skala Dysfunktionaler Kognitionen (HAUTZINGER, LUKA & TRAUTMANN 1985)
Effort-Reward-Imbalance (SIEGRIST 2002)
Erholungsverhalten (GNAU 2009)
Lehrer-Angst-und-Stressinventar (LUKESCH & STAHL 2011)
Lehrer-Selbstwirksamkeit (SCHWARZER & SCHMITZ 1999)
Muster der Stressbewältigung (LEHR, SCHMITZ & HILLERT 2008)
Perceived Social Impact (GRANT et al. 2007)
Soziale Unterstützung (CAPLAN, COBB, FRENCH, VAN HARRISON & PINNEAU 1975)
SUCCESS – Beruflicher Erfolg (GREBNER, ELFERING & SEMMER 2010)
Work Engagement (SCHAUFELI, BAKKER & SALANOVA 2006)
Work/Non-Work-Interface (GEURTS et al. 2005) [16]
4.2 Stichprobenzusammensetzung
An den Trainingsmaßnahmen des Projekts haben insgesamt 377 Lehrerinnen und Lehrer teilgenommen. Die folgende Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Teilnahme an der Evaluation sowie der Häufigkeit von Fragebögen, die mit einem Kommentar und/oder einem ikonografischen Zeichen versehen sind:
|
Gesamtzahl Fragebögen |
Teilnehmer
|
Teilnehmerinnen |
Fragebögen mit Kommentar |
Fragebögen Kommentar männlich |
Fragebögen Kommentar weiblich |
Welle 1 (t_0) |
354 |
62 (17,5 %) |
292 (82,5 %) |
8 (23,2 %) |
12 (19,4 %) |
70 (24,0 %) |
Welle 2 (t_1) |
327 |
53 (16,2 %) |
27 (83,8 %) |
8 (24,8 %) |
1 (28,3 %) |
66 (24,1 %) |
Welle 3 (t_2) |
256 |
44 (17,2 %) |
21 (82,8 %) |
2 (9,0 %) |
4 (9,1 %) |
19 (9,0 %) |
Tabelle 1: Stichprobenzusammensetzung [17]
Wie die Tabelle zeigt, hat ein Großteil der Lehrerinnen und Lehrer, die eine Trainingsmaßnahme erhalten haben, auch an der Evaluation teilgenommen. Allerdings sinkt die Teilnahmebereitschaft mit jeder Befragungswelle. Dies ist einerseits auf das "normale Austropfen" im Laufe der Trainings zurückzuführen (aufgrund von z.B. Krankheit, Zeitmangel usw.). Andererseits waren die Teilnehmer/innen zunehmend schwer dazu zu motivieren, weiter in der Evaluation zu verbleiben. Dies zeigt sich, neben den schlechteren Rücklaufquoten, auch darin, dass sich die Rücklaufzeiten deutlich erhöhten. Aufgrund der Anonymität der Befragungen konnten diejenigen Trainingsteilnehmer/innen, die einen Fragebogen (noch) nicht zurückgesendet hatten, nicht innerhalb der Grundgesamtheit aller Teilnehmenden identifiziert und somit auch nicht direkt angesprochen und um Rücksendung gebeten werden. [18]
In den Wellen 1 und 2 weist etwa ein Viertel aller Fragebögen mindestens einen Kommentar oder ein ikonografisches Zeichen auf. Das deutliche Abfallen dieses Wertes unter 10% in der dritten Welle lässt sich sicherlich darauf zurückführen, dass die Durchführenden der Studie das kommunikative Angebot bis dahin nicht angenommen haben, also trotz der Anmerkungen der verwendete Fragebogen bzw. die einzelnen Skalen unverändert geblieben sind. Eine erneute Kommentierung erschien vielen Teilnehmer/innen daher wahrscheinlich sinnlos. Weibliche und männliche Teilnehmende unterscheiden sich in der Zahl der Kommentierungen nur geringfügig. [19]
Insgesamt wurden 937 Fragebögen der Wellen 1 bis 3 nach Kommentaren, Anmerkungen und ikonografischen Zeichen gescreent. Diese wurden dann exzerpiert: Dabei wurde zusätzlich jeweils das Item und die Skala, zu der etwas angemerkt wurde, vermerkt sowie das Antwortverhalten dokumentiert. Dies sei am Beispiel des folgenden Items aus der Effort-Reward-Imbalance-Skala erläutert. Die Effort-Reward-Imbalance-Skala, die Skala zu beruflichen Gratifikationskrisen, betrachtet das (Un-) Gleichgewicht zwischen beruflicher Verausgabung und Belohnung.
Abbildung 1: Beispiel für einen Kommentar zu einem Item und dessen Beantwortung (dargestellt am Messinstrument der Effort-Reward-Imbalance-Skala) [20]
In diesem Beispiel wurde 1. die Anmerkung "In anderen Schulwochen bzw. Anfang Juli wäre das völlig anders!!" exzerpiert. Es wurde vermerkt, dass diese Anmerkung 2. zum Item "Aufgrund des hohen Arbeitsaufkommens besteht häufig großer Zeitdruck" (Effort-Reward-Imbalance-Skala) gemacht und 3. dieses Item mit belastet mäßig beantwortet wurde. [21]
Insgesamt sind 710 Kommentare und Anmerkungen sowie 329 ikonografische Zeichen in ein Kategoriensystem eingeflossen. Aufgrund der großen Materialmenge (insgesamt mehr als 1.000 Kommentare und Zeichen) wurde für die Auswertung dieser als Kommunikationsangebote verstandenen Textstellen das Verfahren der zusammenfassenden Inhaltsanalyse nach MAYRING (2010) gewählt, d.h., das Kategoriensystem wurde aus dem Material heraus entwickelt (vgl. Tabellen 2 und 3). Durch zwei in der Lehrer/innenausbildung tätige Mitarbeiterinnen wurden alle Kommentare und ikonografischen Zeichen den Kategorien zugeordnet. Als Hilfsmittel diente eine Erläuterungs- und Beispielliste, in der jede Kategorie des Kategoriensystems mit Kommentarbeispielen bzw. Beispielen ikonografischer Zeichen beschrieben wird. Auch Hinweise auf Überschneidungen und Abgrenzungen der Kategorien sind dort festgehalten. Die Tauglichkeit des Kategoriensystems zeigte sich schließlich daran, dass alle Kommentare und ikonografischen Zeichen einer der Kategorien zugeordnet werden konnten. [22]
Zur Überprüfung der Gütekriterien wurde die Interrater-Reliabilität berechnet. Dazu wurden die Kommentare, Anmerkungen und ikonografischen Zeichen komplett doppelcodiert; die Codierung von Anmerkungen und Kommentaren einerseits sowie von ikonografischen Zeichen andererseits erfolgt getrennt. Zur Berechnung der Interrater-Reliabilität wurde auf die entsprechende Funktion der MAXqda Version 10 zurückgegriffen. Als Übereinstimmung wurde gewertet, wenn mindestens 90% der entsprechenden Textstellen gleich codiert wurden. In der Literatur werden Reliabilitätskoeffizienten von .70 allgemein als zufriedenstellend angesehen (BOS 1989, S.62).
Bei den Anmerkungen und Kommentaren betrug die durchschnittliche Interrater-Reliabilität für alle Kategorien zusammengenommen zunächst .73. Um diese noch zu verbessern, wurde eine kommunikative Validierung (HEINZE & THIEMANN 1982) durchgeführt. Dabei wurden v.a. die Zuordnungen zu all jenen Kategorien betrachtet, innerhalb derer die Übereinstimmung der Urteile 70% unterschritten. Durch eine Überarbeitung der Kategorien konnten diese noch mehr Trennschärfe gewinnen, sodass nach erneuter Codierung eine Interrater-Reliabilität von .90 erreicht werden konnte (insgesamt 640 von 710 möglichen Übereinstimmungen).
Bei den ikonografischen Zeichen betrug die Interrater-Reliabilität für alle Kategorien zusammen von Anfang an .91, sodass keine kommunikative Validierung erfolgte (insgesamt 302 von 329 möglichen Übereinstimmungen). [23]
Die Reliabilitäten aller einzelnen Kategorien sind den Tabellen 2 und 3 zu entnehmen. [24]
Tabelle 2 zeigt das Kategoriensystem der Kommentare und Anmerkungen auf. Kommentare und Anmerkungen sind dabei einzelne Wörter, Sätze und Satzteile, z.T. auch längere Anmerkungen, die sich über mehrere Zeilen erstrecken. Die Spalte "Codings gesamt" stellt die Gesamtzahl aller Nennungen der Kategorie dar. Die Spalten "korrelierende Codings" und "nicht korrelierende Codings" zeigen die Nennungen auf, die entweder übereinstimmend einer Kategorie zugeordnet ("korrelierend") bzw. verschiedenen Kategorien zugewiesen wurden ("nicht korrelierend"). Daraus berechnet sich die in der letzten Spalte aufgeführte Interrater-Reliabilität.
Codings |
Codings gesamt |
korrelierende Codings |
nicht korrelierende Codings |
IR-Reliabilität |
→ Bestreiten |
|
|
|
|
→ der sprachlichen Formulierung |
30 |
30 |
0 |
1.0 |
→ der inhaltlichen Passung allgemein |
158 |
152 |
6 |
.96 |
→ der inhaltlichen Passung mit dem Lehrer/innenberuf |
40 |
40 |
0 |
1.0 |
→ Einschränken |
|
|
|
|
→ die eigene Person betreffend |
36 |
34 |
2 |
.94 |
→ durch berufliche Bedingungen |
38 |
32 |
6 |
.84 |
→ durch zeitliche Bedingungen |
44 |
36 |
8 |
.81 |
→ Begründen |
|
|
|
|
→ durch familiäre Bedingungen |
25 |
20 |
5 |
.80 |
→ durch berufliche Bedingungen |
32 |
24 |
8 |
.75 |
→ durch Krankheit/Unfall |
31 |
24 |
7 |
.77 |
→ durch Lebens-/Umweltbedingungen |
14 |
10 |
4 |
.71 |
→ Ergänzen |
|
|
|
|
→ um eine Meinung abzugeben |
24 |
24 |
0 |
1.0 |
→ um Zusatzinformationen zu geben |
42 |
36 |
6 |
.85 |
→ um zu spezifizieren |
32 |
32 |
0 |
1.0 |
→ um eine Aussage zu bestärken |
22 |
18 |
4 |
.85 |
→ Rechtfertigen |
|
|
|
|
→ durch persönliche Umstände |
35 |
28 |
7 |
.80 |
→ durch berufliche Bedingungen |
39 |
38 |
1 |
.97 |
→ Befindlichkeit |
28 |
24 |
4 |
.85 |
→ Verständnisfragen |
30 |
28 |
2 |
.93 |
Gesamt |
710 |
640 |
70 |
.90 |
Tabelle 2: Kategoriensystem der Anmerkungen und Kommentare [25]
Tabelle 3 bildet das Kategoriensystem der ikonografischen Zeichen ab. Unter diesen sind einerseits Unterstreichungen, Unterringelungen und Umkringelungen, anderseits Fragezeichen und Zeichen wie z.B. Smileys oder Sterne zu verstehen.
Codings |
Codings gesamt |
korrelierende Codings |
nicht korrelierende Codings |
IR-Reliabilität |
→ Bestreiten |
|
|
|
|
→ der sprachlichen Formulierung |
8 |
8 |
0 |
1.0 |
→ der inhaltlichen Passung |
77 |
64 |
13 |
.83 |
→ der zeitlichen Passung |
32 |
30 |
2 |
.93 |
→ Ergänzen |
|
|
|
|
→ um Zusatzinformationen zu geben |
12 |
10 |
2 |
.83 |
→ um zu spezifizieren |
25 |
22 |
3 |
.88 |
→ um eine Aussage zu bestärken |
30 |
28 |
2 |
.93 |
→ Befindlichkeit |
4 |
4 |
0 |
1.0 |
→ Verständnis des Fragebogens/von Skalen/Items |
125 |
120 |
5 |
.96 |
Gesamt |
329 |
302 |
27 |
.91 |
Tabelle 3: Kategoriensystem der ikonografischen Zeichen [26]
Beide Kategoriensysteme weisen deutliche Überschneidungen auf, daher werden die einzelnen Kategorien im Folgenden – für Anmerkungen, Kommentare und ikonografische Zeichen zusammengefasst – ausgeführt und mit Informationen zum Antwortverhalten der Teilnehmer/innen sowie zu den verwendeten Messinstrumenten ergänzt. Zusätzlich werden aus den insgesamt 1.049 Codings die prägnantesten Beispiele jeder Kategorie ausgewählt. [27]
Die Kategorie Bestreiten umfasst Kommentare, Anmerkungen und ikonografische Zeichen, durch die Teilnehmer/innen ein Item oder eine Skala auf seine/ihre Passung hin infrage stellen. Dabei kann nach verschiedenen Kriterien der Passung differenziert werden. [28]
Sprachliche Formulierung (38 Codings): Zweifel an der sprachlichen oder grammatikalischen Richtigkeit eines Wortes oder einer Formulierung werden durch einen Kommentar oder das Unterstreichen, Unterringeln und Umkreisen von Begriffen oder Satzteilen kommuniziert.
Bei dem Item "Meine Arbeit hat einen positiven Einfluss auf viele Menschen" (Perceived Social Impact) werden Zweifel an der Aussagekraft des Begriffs "viele" mit "10, 100, 1000?" zum Ausdruck gebracht (bei Nichtbeantwortung des Items).
Die Formulierung "auf der Arbeit" (in mehreren Items des Work-/Non-Work-Interfaces) wird von vielen Teilnehmer/innen als "eine absolut lächerliche und grammatikalisch-sprachlich unlogische Formulierung" bezeichnet und führt zur Nichtbearbeitung der entsprechenden Items. [29]
Generelle inhaltliche Sinnhaftigkeit (235 Codings): Einzelne Begriffe, Sätze oder Skalen werden durch Kommentare als unpassend, nicht Sinn gebend oder unrealistisch bezeichnet oder unter- bzw. durchgestrichen.
Eltern als Antwortkategorie der Skala Soziale Unterstützung wird als unsinnig und unbrauchbar bezeichnet ("Was sollen die bei über 30jährigen?") und nicht genutzt.
Bei einigen Skalen werden in den Ratings Zwischenkategorien mit nach Meinung der Befragten besser passenden Antwortmöglichkeiten angelegt und angekreuzt; z.B. in der Allgemeinen Depressionsskala (Rating von selten/max. 1 Tag bis meistens/mind. 5 Tage) wird von mehreren Teilnehmer/innen an erster Stelle Kategorie nie/0 Tage angelegt. [30]
Passung des Inhalts auf den Lehrer/innenberuf (40 Codings): Diese wird bestritten, indem
Items wie "Mein eigener Arbeitsplatz ist gefährdet?" (Effort-Reward-Imbalance) mit Kommentaren wie "unrealistisch", "Unsinn" oder "Was soll das bei Lehrern?" als nicht auf die Situation des Lehrer/innenberufs passend bezeichnet werden;
die Skala der Lehrerbezogenen Selbstwirksamkeit (Beispiel "Ich bin mir sicher, dass ich mich in Zukunft auf individuelle Probleme der Schüler noch besser einstellen kann") mit Kommentaren wie "Wann soll dies denn vom zeitlichen Standpunkt her laufen? Viele Fragen sind völlig Theorie. Die Zeit, um dies alles zu tun, ist nicht vorhanden!" versehen wird. [31]
Diese Kategorie fasst Kommentare und Anmerkungen zusammen, die den Aussagegehalt einer Antwort einschränken. Entsprechend gekennzeichnete Items werden zwar bearbeitet, durch eine Anmerkung wird aber darauf hingewiesen, dass die Antwort nur unter bestimmten Bedingungen bzw. in bestimmten Situationen zutrifft. [32]
Einschränkungen, die eigene Person betreffend (36 Codings): Eine Antwort ist nur für bestimmte Lebensbereiche oder unter bestimmten persönlichen Voraussetzungen gültig.
Bei dem Item "Wenn mich Belastungen aus dem Gleichgewicht bringen ... meide ich Menschen" (Muster der Stressbewältigung) (beantwortet mit wahrscheinlich) wird bei "Menschen" der Kommentar "nur Massen, nicht enge Freunde oder Familie" angefügt.
Bei dem Item "Ich mache mir gewöhnlich Vorwürfe, wenn die Dinge schief gelaufen sind" (Dysfunktionale Kognitionen) (beantwortet mit stimmt voll und ganz) wird diese Aussage relativiert durch die Anmerkung "aber nur, wenn ich schuld bin". [33]
Einschränkungen, berufliche Bedingungen betreffend (38 Codings): Aussagen werden als nur für bestimmte berufliche Situationen zutreffend relativiert.
Bei dem Item "Ich kann Ideen auch gegenüber skeptischen Kollegen durchsetzen" (Lehrerbezogene Selbstwirksamkeit) (beantwortet mit stimmt eher) wird diese Antwort spezifiziert durch "nur bei jüngeren Kollegen, bei älteren sicher nicht".
Das Item "Ich bin von meiner Arbeit begeistert" (Work-Engagement) (beantwortet mit sehr häufig) trifft nur "je nach Fach unterschiedlich" zu. [34]
Bestimmte zeitliche Bedingungen betreffend (44 Codings): Antworten treffen nur in bestimmten Zeiträumen oder zu bestimmten Zeitpunkten zu.
Hier finden sich viele Einschränkungen wie "manchmal", "nicht immer", "zeitweise", "momentan" oder "mal mehr, mal weniger" zu allen Items und Skalen des Fragebogens.
Das Item "Aufgrund der Arbeitsbelastung besteht häufig großer Zeitdruck" (Effort-Reward-Imbalance-Skala) wird mit belastet mäßig beantwortet, allerdings wird dazu angemerkt: "In den letzten beiden Woche Nein, in heißen Phasen oft". [35]
Begründungen sind Anmerkungen und Kommentare, durch die über das reine Beantworten eines geschlossenen Items/einer geschlossenen Skala hinaus Gründe für eine Antwort geliefert werden. Zur Begründung wird auf Bedingungen aus verschiedenen Bereichen verwiesen. [36]
Familiäre Bedingungen (25 Codings): Familiäre Umstände oder Geschehnisse werden zur Begründung einer Antwort herangezogen.
Die Beantwortung der Frage "Wie würden Sie insgesamt die Qualität Ihres Schlafs während den vergangenen 2 Wochen beurteilen? mit ziemlich schlecht wird durch Anmerkungen wie "Kinder waren krank" oder "Baby!" erläutert.
Die komplette Allgemeine Depressionsskala ist mit der Anmerkung "Private Probleme in meiner Familie" übertitelt. [37]
Krankheit/Unfall (31 Codings): Hier wird, meist durchgehend in allen Teilen des Fragenbogens, darauf verwiesen, dass die Aussagekraft der Antworten zustande kommt, beeinflusst wird oder nicht möglich ist durch
verschiedene, z.T. lange andauernde, Krankheiten (Chronisches Erschöpfungssyndrom, chronische Muskelerkrankung, grippaler Infekt usw.) oder (schwere) Medikamente sowie Diäten; ein Beispiel ist das Item "Meine Arbeit ist körperlich anstrengend", das mit belastet sehr stark beantwortet und mit Anmerkungen wie "war lange krank wg. Unfall" und "bin schwerbehindert" begründet wird;
die Folgen von Unfällen und Verletzungen, sodass z.B. die Beantwortung der Items der Skala zu den Erholsamen Aktivitäten der letzten zwei Wochen aufgrund einer Fußverletzung nicht dem normalen Erholungsverhalten entspricht. [38]
Berufliche Bedingungen (32 Codings): Zur Begründung wird auf schulische Arbeitsbedingungen sowie damit verbundene Kontexte verwiesen.
Antworten, die sich auf Zeiträume wie "in der letzten Woche" oder "in den letzten beiden Wochen" beziehen, werden mit Kommentaren wie "wegen Ferien", "bei Schulwochen" oder "wegen Zeugnissen" versehen; so wird z.B. eine geringe Zahl von Erholsamen Aktivitäten und ebenso ein hohes berufliches Belastungserleben (Effort-Reward-Imbalance) erklärt.
Das sich in Items "Wenn ich an meine Ausbildung denke, halte ich meine berufliche Stellung für angemessen" und "Wenn ich an all die erbrachten Leistungen denke, halte ich mein Gehalt/meinen Lohn für angemessen" (Effort-Reward-Imbalance) widerspiegelnde sehr geringe Gratifikationserleben wird durch die "Arbeit im Angestelltenverhältnis (nicht verbeamtet)" begründet. [39]
Lebens-/Umweltbedingungen (14 Codings): Diese werden als Einflussfaktoren auf das Antwortverhalten bzw. Aussagen angeführt.
Aktuelle Geschehnisse wie die atomare Katastrophe in Japan werden bei "Während der letzten Woche ... haben mich Dinge beunruhigt, die mir sonst nichts ausmachen" (beantwortet mit meistens/mind. 5 Tage) angemerkt.
Das (schlechte) Wetter wird als Grund für die geringe Häufigkeit durchgeführter Erholsamer Aktivitäten wie "Während der letzten 2 Wochen ... habe ich entspannt in der Natur Zeit verbracht, z.B. im Park, Wald oder am Fluss und See" genannt. [40]
In der Kategorie Ergänzungen sind die Kommentare, Anmerkungen und ikonografische Zeichen subsumiert, die dazu dienen, zu einem Item/einer Skala Zusatzinformationen zu liefern, aber keinerlei z.B. begründenden oder rechtfertigenden Charakter haben. Diese lassen sich wie folgt differenzieren: [41]
Äußerung einer persönlichen Meinung (24 Codings): Zum Inhalt eines Items wird eine persönliche Meinung abgegeben, die mit der eigentlichen Antwort nichts zu tun hat.
Bei dem Item "Wie sehr unterstützen Sie diese Personen [u.a. Partner, Eltern], so dass Sie es in der Arbeit leichter haben?" (Soziale Unterstützung) (beantwortet mit wenig) wird "Die Aufgaben der Arbeit können doch nicht zu Hause abgenommen werden" angemerkt.
Zu dem Item "Für alle Schulen am Ort wird eine gemeinsame Veranstaltung geplant, bei der jede Schule eine Stunde Zeit hat, ihr spezifisches pädagogisches Konzept vorzustellen" (Lehrer-Angst-und-Stress-Inventar) (bei Nichtbeantwortung) wird "Mein Vorschlag: Die Schule soll doch für sich selber ein solches Konzept erarbeiten! Nicht um des Vergleichs willen, sondern zur Klärung!" angemerkt. [42]
Bestärkungen (52 Codings): Entsprechende Anmerkungen haben keinen zusätzlichen Informationsgehalt, sondern stützen die Beantwortung einer geschlossenen Frage inhaltlich.
Das Einzelitem "An wie vielen Arbeitstagen sind Sie vergangene Woche zur Arbeit gegangen, obwohl Sie sich krank waren?" wird bei Beantwortung mit 0 Tagen von sehr vielen Teilnehmer/innen zusätzlich mit Anmerkungen wie "war gesund", "war nicht krank" oder "ich habe mich nicht krank gefühlt" ergänzt.
Die Beantwortung des Items "Ihre Arbeitsverpflichtungen machen es schwierig, sich zu Hause entspannt zu fühlen" (Work-/Non-Work-Interface) mit immer wird mit mehreren Ausrufezeichen bestärkt. [43]
Spezifizierung (58 Codings): Anmerkungen und Kommentare sowie ikonografische Zeichen haben den Zweck, eine Antwort auf einen bestimmten Sachverhalt zuzuschneiden.
Die Anmerkungen "wegen Laustärke" spezifiziert die Beantwortung des Items "Meine Arbeit ist körperlich anstrengend" (Effort-Reward-Imbalance-Skala) mit belastet sehr.
Durch Unterstreichungen oder Umkringelungen werden einzelne Wörter in einem Item herausgehoben: Im Item "In den letzten 2 Wochen ... habe ich etwas für meine Fitness & Ausdauer getan, z.B. Joggen, Walking, Rad fahren, Schwimmen" (Erholsame Aktivitäten) (beantwortet mit mind. 4mal) wird "Walking" umkringelt, um zu verdeutlichen, welcher Aktivität genau nachgegangen wurde. [44]
Zusatzinformationen ohne Informationsgehalt (54 Codings): Zu einem Item oder einer Skala werden Kommentare und Anmerkungen angefügt, die keine für die Beantwortung der Frage relevanten Informationen enthalten.
Zu den Fragen, welche Medikamente eingenommen werden, wird (bei Antwort, das keine eingenommen werden) am Rand "Rotwein wegen Gemütlichkeit" und "den morgendlichen Tee liebe ich" angemerkt.
Das Item "Für eine besonders gelungene Arbeit gönne ich mir eine Belohnung" (SUCCESS/beruflicher Erfolg) wird als voll und ganz zutreffend bewertet und durch "Ich habe schon 1 Kilo zugenommen" ergänzt. [45]
Kommentare und Anmerkungen der Kategorie Rechtfertigen gehen über reine Begründungen für eine Antwort hinaus. Befragte fürchten beispielsweise, dass eine Antwort auf ein Item oder eine Skala als sozial nicht akzeptiert oder negativ belegt gewertet wird, sodass die Antwort als nicht anders möglich verargumentiert wird. [46]
Persönliche Umstände (35 Codings): Hier liegen die Gründe, sich für etwas zu rechtfertigen, im privaten Bereich.
Viele Teilnehmer/innen haben bei allen Items zur sozialen Unterstützung durch die eigenen Eltern die Antwortalternative gar nicht gewählt oder diese Items nicht beantwortet; Anmerkungen wie "Eltern sind keine privaten Gesprächspartner", "Die belaste ich damit nicht" oder "Ist ja nicht deren Job" zeigen den Wunsch der Befragten, dass die fehlende soziale Unterstützung der Eltern als bewusst initiiert und nicht z.B. als Zeichen mangelnder Fähigkeit zur Organisation sozialer Unterstützung gesehen werden soll.
Die Beantwortung des Items "Für eine besonders gelungene Arbeit gönne ich mir eine Belohnung" (SUCCESS/beruflicher Erfolg) mit eher nicht wird als mögliche Rechtfertigung für diese negativ auszulegende Antwort mit "mache ich sowieso" kommentiert. [47]
Berufliche Umstände (29 Codings): Bei der Beantwortung vieler Items wird auf starre, unabänderliche Bedingungen des Systems Schule verwiesen ("Macht des Systems"), die anderes Handelns nicht zulassen.
Die komplette Skala der Lehrerbezogenen Selbstwirksamkeit wird von vielen Teilnehmer/innen bei Beantwortung der Items mit stimmt nicht oder stimmt kaum im Sinne einer geringeren Ausprägung der Selbstwirksamkeit mit Kommentaren wie "Es sind einfach zu viele Schüler, das ist das Problem!" oder "Wissen Sie, es fehlt einfach die Zeit!" versehen.
Viele Items der Skala zur Effort-Reward-Imbalance wie "Wenn ich an meine Ausbildung denke, halte ich meine berufliche Stellung für angemessen" weisen (bei Beantwortung der Items im Sinne mangelnder Gratifikation) Anmerkungen mit Verweis auf ungerechte Arbeitsbedingungen ("da ungerecht") auf. [48]
Als Verständnisfragen werden alle Kommentare, Anmerkungen und ikonografische Zeichen gefasst, die aufzeigen, dass ein Item, eine Antwortskala oder eine Instruktion nicht verstanden wurde bzw. nicht beantwortbar schien.
Einzelne Begriffe wie "Dinge" (Item "Ich gebe mir gewöhnlich selbst die Schuld, wenn sich die Dinge nicht gut entwickeln") oder "es" (Item "Ich brauche es, dass die Leute mich mögen", beide Dysfunktionale Kognitionen) oder komplette Items wie "Wenn mich Belastungen aus dem Gleichgewicht bringen ... gehe ich beruflichen Anforderungen aus dem Weg" (Muster der Stressbewältigung) werden mit "Was bedeutet das?" kommentiert oder mit einem oder mehreren Fragezeichen versehen.
Bei Antwortkategorien wird als unklar angemerkt, worauf sich diese beziehen, z.B. die Antwortmöglichkeit Eltern bei der Sozialen Unterstützung, bei der von sehr vielen Teilnehmer/innen fragend angemerkt wird, ob die "eigenen Eltern" oder die "Schülereltern" gemeint seien. [49]
Unter Befindlichkeit sind insgesamt eher unspezifische Kommentare, Anmerkungen und ikonografische Zeichen gefasst, die kaum mit den Items/Skalen bzw. dem Fragebogen zusammenzuhängen scheinen, sondern eher Einblick geben in den Gemütszustand der teilnehmenden Personen.
Items zum Umgang mit berufsbezogenen Belastungen (Arbeitsbezogenes Erlebens- und Verhaltensmuster) wie "Wie sehr trifft es auf Sie zu, dass Sie ... Arbeit als Ihren wichtigsten Lebensinhalt ansehen?" oder "Wie sehr trifft es auf Sie zu, dass Sie ... die Arbeit immer perfekt, also ohne Fehl und Tadel machen wollen?", die mit voll und ganz zutreffend beantwortet wurden, werden häufig mit "leider" kommentiert.
Einige Anmerkungen lassen auf eine persönliche Verletztheit durch Vorgänge oder Rahmenbedingungen in der Schule bzw. im Schulsystem schließen, z.B. wenn das Item "Es ist mal wieder Zeit für die Lehrerbeurteilung ... Wie denken Sie bei dieser Ankündigung?" (Lehrer-Angst-und-Stress-Inventar) mit "So eine Frechheit, als Lehrer beurteilt zu werden. Ich bin 58!" kommentiert wird.
Bei einigen Items oder Skalen wurden darüber oder an den Rändern Smileys hinzugefügt. Dies geschieht z.T. ohne einen ersichtlichen Bezug zum Fragebogen, teilweise ist ein Bezug aber zu erahnen, z.B. lachende Smileys bei den Items der Erholsamen Aktivitäten. [50]
6.1 Zusammenfassung und Diskussion des kommunikativen Anliegens
Zusammenfassend lassen sich, auch mit Blick auf die Fragestellung der vorliegenden Untersuchung, folgende Gründe dafür nennen, warum Lehrerinnen und Lehrer bei der Bearbeitung der Fragebögen Kommentare und Anmerkungen sowie ikonografische Zeichen anbringen:
Es wird formale Kritik an Formulierungen und Inhalten, die für sprachlich oder inhaltlich falsch oder nicht passend befunden werden, geäußert.
Unklarheiten und Verständnisfragen werden angemerkt.
Es wird ein Auseinanderklaffen der Inhalte eines Items oder einer Skala mit der "beruflichen Realität" bzw. der Wirklichkeit an sich kritisiert.
Antworten werden begründet, gerechtfertigt oder auf bestimmte Sachverhalte beschränkt.
Es werden Befindlichkeiten und Stimmungen zum Ausdruck gebracht. [51]
Diese Aspekte decken sich weitgehend mit den Vermutungen, die in der Fragestellung der vorliegenden Untersuchung geäußert wurden. Die Kategorien Bestreiten, Befindlichkeit, Ergänzen, Begründen und Rechtfertigen bilden die zu Beginn aufgestellten Hypothesen ab. Zu der an erster Stelle genannten Hypothese zu den Verständnisschwierigkeiten als Grund für Anmerkungen ist zwar eine Kategorie vorhanden, diese weist aber weniger Nennungen auf, als man hätte erwarten können. Darüber hinaus ist die Kategorie Einschränken zu verzeichnen, mit der Antworten als nur unter bestimmten Bedingungen gültig gekennzeichnet werden. Diese stellt einen über die Hypothesen hinausgehenden Befund dar. [52]
Doch lassen sich diese in der vorliegenden Studie herausgearbeiteten Kategorien kommunikativen Anliegen von Lehrerinnen und Lehrer an die Durchführenden der Studie zuordnen? Mit Blick auf die gerade angeführten Gründe für die Kommentierung ist dieses unseres Erachtens zutreffend, denn die Lehrkräfte wollen sich durch die Kommentare, Anmerkungen und Zeichen verständlich machen, sie wollen etwas mitteilen. Dieses Mitteilungsbedürfnis findet auf zwei Ebenen statt, oder anders gesagt, es sind bei den befragten Lehrpersonen zwei Kommunikationslinien ersichtlich, die diese zum Ausdruck bringen wollen. Das kommunikative Angebot der Lehrerinnen und Lehrer hat
einerseits eine inhaltliche Funktion, mittels derer auf mögliche sprachliche Fehler, unpassende Formulierungen, Unklarheiten und Verständnisprobleme sowie mangelnde Passung mit der (beruflichen) Realität aufmerksam gemacht werden soll,
andererseits etwas mit der Befindlichkeit und der erwarteten Wirkung von Einstellungen und Verhaltensweisen auf andere Personen zu tun. [53]
Daraus können in einem ersten Schritt Schlüsse über Lehrpersonen als die Zielgruppe von Forschungsprojekten und Studien gezogen werden, aus denen dann in einem zweiten Schritt, an späterer Stelle, Folgerungen für die Durchführung von Projekten und Evaluationen, im Besonderen die Wahl der Methoden, aufgestellt werden können.
Was die inhaltliche Funktion der Anmerkungen betrifft, so ist diese nachvollziehbar, wenn auf diese Weise auf unpassende Formulierungen (Beispiel regionale sprachliche Besonderheiten) oder sogar Fehler (Satzbau, Grammatik, Tippfehler usw.) hingewiesen wird. Diese beeinträchtigen das Bearbeiten des Fragebogens, entsprechende Hinweise sind daher unmittelbar für eine evtl. Revision nützlich. Gleiches gilt für die geäußerten Verständnisfragen (vgl. PORST 2009; SEDLMEIER & RENKEWITZ 2008).
Ebenso kommt auf inhaltlicher Ebene möglicherweise zum Tragen, dass Lehrerinnen und Lehrer die vorgegebenen Antwortkategorien der geschlossenen Fragen für nicht auf sich passend bzw. nicht zur eigenen Wirklichkeit passend befinden. Dies wird zum Ausdruck gebracht, indem der Aussagegehalt einer Antwort durch einen Kommentar eingeschränkt oder ergänzt wird. Die Schwierigkeiten geschlossener, kategorisierter Fragen sind dokumentiert (SEDLMEIER & RENKEWITZ 2008), denn die befragte Person kann nicht ihr eigentliches Urteil wiedergeben, sondern muss es in ein Antwortformat einpassen, also einen Wert angeben, der ihr Urteil ihrer Meinung nach am besten repräsentiert. Dies scheint Lehrpersonen schwer zu fallen bzw. diese sind, positiv gerahmt, auf große Präzision bedacht und wollen eine genau zutreffende Rückmeldung über ihre Einstellungen, Verhaltensweisen, Empfindungen usw. geben. Gleiches gilt für die vorgegebenen Zeiträume (z.B. die letzte Woche oder die letzten beiden Wochen), die als unpassend bezeichnet werden, um die komplette Lebenssituation korrekt abzubilden.
Darin spiegelt sich wider, so eine mögliche Betrachtungsweise, dass Lehrkräften methodische Vorgehensweisen in Evaluationen nicht oder nur bedingt geläufig sind. Bei vielen der eingesetzten Messinstrumente handelt es sich um (international) etablierte Messinstrumente, deren Validität und Verwendbarkeit gesichert ist und die z.T. seit Jahrzehnten in der Forschung eingesetzt werden. Diese Instrumente können nicht verändert werden, auch wenn dies durch Kommentare entsprechend gewünscht wird.
Dass Lehrerinnen und Lehrer dies nicht wissen, muss kein Ausdruck mangelnden wissenschaftlichen Interesses bzw. mangelnden Interesses an einer Untersuchung/einem Forschungsprojekt sein. Ursächlich hierfür ist, dass das Lehramtsstudium, je nach Hochschule und Bundesland, keine oder zumindest keine umfangreiche wissenschaftliche Ausbildung umfasst. (Angehende) Lehrerinnen und Lehrer werden, mit wenigen Ausnahmen (z.B. Schulpsychologie) nicht an Forschung und Methodik herangeführt. Das betrifft qualitative und quantitative Methoden gleichermaßen. Sie haben andererseits zumeist auch nicht das Bedürfnis, sich hiermit auseinanderzusetzen; dies hat möglicherweise mit einem Selbstverständnis als "Praktiker/in" zu tun (vgl. HERTRAMPH & HERRMANN 1999). Hier wäre ein Ansatzpunkt, Forschungsmethoden in der Lehramtsausbildung zu stärken.
Es bedeutet aber auch, so eine andere Betrachtungsweise, dass das Festhalten an etablierten und unveränderbaren Instrumenten überdacht werden muss. Diese schränken nicht nur, als ein häufig geäußerter Kritikpunkt, das Antwortspektrum ein, sondern führen zu Widerständen, die nicht einfach so von der Hand zu weisen sind. Sie scheinen an der Wirklichkeit zumindest einiger Befragter vorbeizugreifen, wie z.B. die Kategorien Einschränken und Bestreiten zeigen. Gerade diese Kategorien lassen sich als ein Argument für den Einsatz offener Fragen oder darüber hinausgehend qualitativer Verfahren wie Interviews oder Gruppendiskussionen bezeichnen. Mittels derer könnte Themen aus dem Bereich der Lehrer/innengesundheit (wie Belastungssituation, Ressourcen und Bewältigungsstrategien sowie damit verbundenen Befindlichkeiten) ebenfalls nachgegangen werden. Die durch Kommentare geäußerten Aussagen (Einschränkungen, Rechtfertigungen usw.) wären dann von Anfang an Teil des Forschungsprozesses. Widerständen würde vorgebeugt werden.
Viele Kommentare weisen darauf hin, dass es den Befragten unklar ist, ob sich die Fragen auf ihr berufliches Erleben, ihr privates Erleben oder beides beziehen. Eine Klärung der Kontextualisierung der Fragen erscheint den Lehrerinnen und Lehrern wichtig. Dies ist besonders vor dem Hintergrund interessant, dass im Lehrer/innenberuf Tätige hier mit besonders erschwerten Bedingungen konfrontiert sind. Eine Trennung von Beruf und Privatleben stellt eine nicht immer leicht zu erfüllende Anforderung dar: Vorbereitungs- und Korrekturarbeiten werden weitgehend zu Hause geleistet. Ebenso (oder vielleicht auch gerade deshalb) kann die Freizeit nicht ohne den Gedanken an die beruflichen Verpflichtungen genossen werden (DORSEMAGEN, LACROIX & KRAUSE 2007).
Mit Bezug auf die Kommentare und Anmerkungen zur Befindlichkeit bedeutet dies nicht nur, dass die Befragten mitteilen wollen, wie es ihnen geht (vgl. besonders die Kategorie Befindlichkeit). Es geht auch darum, dass sich die teilnehmenden Lehrpersonen Gedanken darüber machen, wie sie durch ihr Antwortverhalten auf die Durchführenden der Evaluation wirken, also welche Befindlichkeit, aber auch welche Einstellungen und Handlungsmuster ihnen zugeschrieben werden. Werden negative Zuschreibungen vermutet, ist aus Sicht der Lehrerinnen und Lehrer eine Kommunikation mit den Projektleiter/innen erforderlich. Dies wird durch die Kategorien Begründen und Rechtfertigen deutlich, die eben Gründe und Argumente für eine Einstellung oder ein Verhalten liefern. So wird beispielsweise erklärt, warum keinen Erholungsaktivitäten nachgegangen wird, obwohl man das eigentlich tun sollte. Dies geschieht häufig durch einen Argumentationsgang, wie er unter 4. beschrieben wurde: Die Rahmenbedingungen der beruflichen Tätigkeit erlauben nichts anderes.
Damit verbunden ist die Befürchtung, falsch verstanden zu werden und dann in der Folge nicht zutreffende Verhaltensweisen oder Einstellungen zugeschrieben zu bekommen. Dies lässt sich möglicherweise auf die in der Fachliteratur häufig diskutierte "soziale Erwünschtheit" zurückführen (EDWARDS 1957, 1970). Dabei handelt es sich um eine Sonderform der Selbstdarstellung: Furcht vor sozialer Verurteilung motiviert zu konformem Verhalten. Sie tritt meist dann auf, wenn selbstwertrelevante Informationen abgefragt werden oder aus der Befragung praktische Konsequenzen für eine Person erwachsen (SCHOLL 2009; SEDLMEIER & RENKEWITZ 2008). In bisheriger Beschreibung führt es zu einer systematischen Verzerrung von Antworten z.B. in Fragebögen, wenn etwa in einem Rating nicht die Werte angegeben werden, die dem eigentlichen Empfinden bzw. den Tatsachen entsprechen. Möglicherweise handelt es sich bei den Kommentaren um ein ähnliches Phänomen, wenn für sozial als nicht angemessen erachtete Antworten Begründungen und Rechtfertigungen angegeben werden: Die an der Evaluation Teilnehmenden wollen so der Zuschreibung negativer Handlungsmuster, dysfunktionaler Einstellungen usw. entgegenwirken. [54]
6.2 Folgerungen für die Erstellung von Messinstrumenten und die Durchführung von Evaluationen
Aus den kommunikativen Anliegen bzw. den erarbeiteten Kategorien sowie den gerade angeführten Folgerungen resultieren Konsequenzen für die Planung und Durchführung von Evaluationen und Projekten in der Lehrer/innenforschung. Diese können sich einerseits v.a. auf die sprachliche Aufbereitung, die Instruktion und den Umgang mit sensiblen Themen im Rahmen quantitativer Verfahren beziehen. Andererseits muss hier auch der Einsatz qualitativer Vorgehensweisen bedacht werden. [55]
6.2.1 Sprachliche Aufbereitung von Instruktionen und Fragebögen
Lehrerinnen und Lehrer scheinen höchst sensibel für sprachliche Anomalien zu sein und "verzeihen" diesbezüglich Fehler nur ungerne. Das betrifft nicht nur unklare oder unpräzise Formulierungen, sondern auch regionale sprachliche Besonderheiten oder das Schulsystem betreffende Fachbegriffe: In der vorliegenden Untersuchung führte der parallele Einsatz des exakt gleichen Fragebogens in zwei unterschiedlichen Bundesländern zur Kommentierung von als regional ungebräuchlich kritisierten Formulierungen. Ursächlich hierfür könnten unter Umständen die Funktion und das Aufgabenspektrum von Lehrpersonen sein. Diese leiten andere an, geben Wissen weiter und unterstützen Lernprozesse; dazu zählt auch die Sprache. Es scheint daher geboten, diesem Anliegen von Lehrerinnen und Lehrern durch große sprachliche Sorgfalt entgegenzukommen – auch im Hinblick darauf, dass die Bearbeitung eines Messinstruments durch den Ärger über Fehler usw. verzerrt werden kann. [56]
Messinstrumente bzw. Fragebögen sollten daher vor dem Einsatz präzise auf Korrektheit von Sprache und Grammatik sowie auf sprachliche Besonderheiten wie dialektale Unterschiede oder schulische Fachbegriffe überprüft werden. Dies kann durch Korrekturlesen gewährleistet werden, darüber hinaus ist aber eine Vortestung anzuraten, die nicht nur die üblichen Kriterien wie zeitlicher Rahmen, Verständlichkeit usw. berücksichtigt (vgl. BORTZ & DÖRING 1995), sondern einen besonderen Fokus auf die sprachliche Gestaltung legt. Eine Methode, dies zu verwirklichen, ist das sogenannte "laute Denken" (KONRAD 2010b): Ein Fragebogen oder ein Interviewleitfaden wird von einer Testperson durchgelesen, die dabei Denkvorgänge artikuliert, und so auf mögliche Schwierigkeiten wie dialektale Auffälligkeiten, divergierende Fachbezeichnungen oder eben auch Formulierungsfehler aufmerksam macht. Darauf aufbauend ist Modifikation möglich. Diese Testperson sollte aus der Zielgruppe der Lehrpersonen stammen, um über entsprechende Fähigkeiten und Erfahrungen, aber auch Fachwissen (z.B. zum Schulsystem) zu verfügen. [57]
Äußert eine solche Testperson Anmerkungen und Bedenken zu einem etablierten Messinstrument, das nicht verändert werden kann, dann bedeutet dies Konsequenzen nicht nur eine Modifikation durch die Durchführenden der Evaluation, sondern für die Instruktion. [58]
Die meisten Schlüsse aus den Kommentaren ergeben sich im Bereich der Instruktion, die die Evaluation bzw. die Fragebögen begleiten sollte. Entsprechende Instruktionen können entweder in einem Begleitschreiben beiliegen und liefern für einen Fragebogen gültige Anweisungen und Erklärungen. Ebenso kann einer einzelnen Skala eine kurze Instruktion vorgeschaltet werden. Dies bietet sich an, wenn eine Skala beispielsweise ein besonderes Antwortformat, ein sensibles Thema usw. enthält. Die Instruktion muss so formuliert sein, dass sie den zuvor beschriebenen sprachlichen Anforderungen entspricht. Instruktionen, wie sie die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung für die Lehrer/innenforschung erforderlich machen, zielen ab v.a. auf
die häufig fehlende Erfahrung mit bzw. das fehlende Vorwissen zu Forschungsmethoden und Messinstrumenten bzw. mögliche negative Erfahrungen,
die Kontextualisierung der Fragebogeninhalte,
das kommunizierte Anliegen der Lehrkräfte nach einer realistischen Einschätzung ihrer beruflichen Tätigkeit sowie
den Umgang mit sensiblen Themen. [59]
Wie beschrieben, fällt es vielen Befragten, im Besonderen den Lehrerinnen und Lehrern der vorliegenden Untersuchung, schwer, ihr Urteil in das vorgegebene Antwortformat einzupassen; statt der eigentlichen Antwort muss ein Wert angegeben werden, der diese repräsentiert – und das möglicherweise noch innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens. Konsequenzen sind häufig die Nichtbeantwortung eines Items/einer Skala, eine bewusste Falschangabe oder "man sagt halt irgendwas"; ebenso auch sogenannte "kreative Lösungen" wie das Verbinden zweier Antwortkategorien mittels Pfeilen (PORST 2009, S.53), wie auch in der vorliegenden Untersuchung geschehen. [60]
Die Instruktion muss dem vorbeugen, in dem die Notwendigkeit dieses Vorgehens erläutert wird. So können die Teilnehmer/innen z.B. darauf hingewiesen werden, dass ein Messinstrument möglicherweise nicht das zu hundert Prozent korrekte Urteil, Verhalten usw. abbildet. Daran kann, mit Verweis darauf, dass es sich um ein etabliertes und fundiertes Verfahren handelt, das schon von sehr vielen Personen durchlaufen wurde, die Bitte angeschlossen werden, jedes Item so "richtig wie möglich" zu beantworten, z.B. den Wert anzugeben, der dem eigenen Empfinden bzw. der eigenen Einstellung am meisten entspricht. An dieser Stelle können teilnehmende Personen auch darauf hingewiesen werden, dass die Durchführenden der Evaluation ebenso wissen und bedenken, dass eine Angabe oft nur einen Näherungswert darstellt. [61]
Gleiches gilt für die Zeiträume, auf die sich Fragen bzw. Messinstrumente beziehen – meist sind dies Zeiträume zwischen einer Woche und vier Wochen. (So wird beispielsweise bei den Items zu depressiven Symptomen danach gefragt, wie häufig diese im Zeitraum der letzten Woche aufgetreten sind.) Dies führt dazu, dass Lehrerinnen und Lehrer der Meinung sind, dass dieser zeitliche Rahmen nicht passt, z.B. weil er nicht repräsentativ für das eigentliche Erleben, für die eigentliche Arbeitssituation usw. ist. Auch hier kann in der Instruktion auf den Sinn solcher Zeiträume hingewiesen werden, indem u.a. Probleme in der Erinnerungsleistung angeführt werden, wäre der gewählte Zeitrahmen z.B. ein längerer (PORST 2009). [62]
Zusätzlich kann hier auch auf die sowohl in der Forschungsmethodik dokumentierte als auch in der vorliegenden Untersuchung angemerkte Problemstellung eingegangen werden, dass Messinstrumente häufig mehrere ähnliche Fragen bzw. Items beinhalten. Hierdurch fühlen sich Befragte schnell kontrolliert und überwacht (MUMMENDEY 2003). Daher sollte darauf hingewiesen werden, dass sich die Durchführenden einer Untersuchung der Ähnlichkeit der Fragen bewusst sind, diese aber absichtlich und mit Blick auf die eingesetzten Instrumente erfolgt und nicht der Kontrolle der Teilnehmenden dient. [63]
Wie beschrieben, sind die Lebenskontexte von Lehrerinnen und Lehrern, v.a. Beruf und Privatleben, aufgrund der weitgehend fehlenden räumlichen und z.T. auch zeitlichen Trennung miteinander verwoben (DORSEMAGEN et al. 2007). Dies spiegelt sich auch in den Anmerkungen wider, die auf eine solche Trennung der Kontexte und damit einhergehende Schwierigkeiten verweisen. Dies betrifft nicht nur die Lebensräume "Schule" und "Freizeit/Familie", sondern auch zeitliche Kontexte wie "Schule" und "Ferien". Daher muss der Kontext, aus dem heraus der Fragebogen bearbeitet werden soll, deutlich gemacht werden, entweder für einen kompletten Fragebogen oder ein einzelnes Messinstrument, je nach Relevanz. Die Erfüllung dieses Bedürfnisses nach einer entsprechenden Kontextualisierung kommt dabei nicht nur dem Anliegen der teilnehmenden Lehrerinnen und Lehrer nach, sondern ist auch für die Planung und Auswertung von Befragungen von Bedeutung: Denn die Antworten fallen z.B. je nach Zeitpunkt, zu dem ein Messinstrument bearbeitet wird, möglicherweise anders aus – Ferien und Schulzeiten mit hoher Anforderungsdichte spiegeln sich sicherlich in divergierendem Stresserleben wider. [64]
6.2.4 Analyse der Widerstände und Strategien für "heikle Fragen"
Eine Vielzahl der Kommentare und Anmerkungen sind vor dem Hintergrund entstanden, dass Lehrerinnen und Lehrer offensichtlich Befürchtungen haben, falsch verstanden zu werden oder nicht zutreffende Einstellungen und Verhaltensweisen zugeschrieben zu bekommen, und in der Konsequenz dann Begründungen und Rechtfertigungen liefern. Die durch die vorliegende Untersuchung geleistete Analyse der offensichtlich bestehenden Widerstände und Ängste zeigt einen Bedarf an Strategien für "heikle Fragen" auf. Hier bieten sich Verfahrensweisen an, wie sie auch PORST (2009) und SCHOLL (2009) beschreiben: Diese können durch eine entsprechende Instruktion, aber auch konkrete Formulierungen in Messinstrumenten verwirklicht werden. Es bietet sich z.B. an, bei der Erhebung unangenehmer, "heikler" und sozial evtl. nicht angemessener Sachverhalte
diese in abgeschwächter Form zu formulieren ("Es gibt Dinge, die fast jeder einmal in seinem Leben tut ...") oder als normal zu definieren ("Viele Leute machen manchmal ...");
den Ausnahmecharakter von unerwünschtem oder abweichendem Verhalten zu betonen ("Ist es schon einmal vorgekommen, dass ..."). [65]
Zusätzlich sollte darauf, dass für eine Antwort keine Rechtfertigung erfolgen muss, verwiesen werden. Besonders für die Zielgruppe der Lehrerinnen und Lehrer scheint aber noch ein weiterer Aspekt hilfreich zu sein, nämlich in diesem Zusammenhang noch einmal auf die aus deren Sicht besondere Situation von Lehrpersonen einzugehen: In den Kommentaren wird auch deutlich, dass die Befragten den Durchführenden der Evaluation kommunizieren wollen, wie genau das System Schule funktioniert und welche Möglichkeiten und Spielräume (und welche eben nicht) vorhanden sind. Möglicherweise verbirgt sich dahinter Misstrauen, ob die Organisatoren der Studie Entsprechendes überhaupt wissen und beurteilen können. Dem könnte entgegengewirkt werden, indem schon in der Instruktion (siehe oben) diese Bedenken ausgeräumt werden und deutlich gemacht wird, dass man sich der Situation der Lehrpersonen – der Vielzahl von Erwartungen, Rollen, Aufgaben und Belastungen – bewusst ist. Dies könnte auch durch eine entsprechende wertschätzende Äußerung geschehen. [66]
In diesem Zusammenhang muss auch nochmals die Zusicherung der Anonymität der erhobenen Daten thematisiert werden (SEDLMEIER & RENKEWITZ 2008). Besonders Lehrpersonen benötigen, vor dem Hintergrund von Bewertung durch vorgesetzte Personen und Behörden, Sicherheit, dass Angaben nicht Schulleitungen, ministerielle Behörden usw. weitergeleitet werden. [67]
6.2.5 Einsatz qualitativer Verfahren
Strategien zur sprachlichen Formulierung, zur Instruktion und Kontextualisierung sowie zum Umgang mit heiklen Fragen, wie sie gerade beschrieben wurden, können eine hilfreiche und wertvolle Unterstützung für ein (überwiegend) quantitatives Vorgehen in Forschungsprojekten sein. Diese ändern jedoch nichts an der Problemstellung, dass "starre", etablierte und unveränderbare Messinstrumente die Realität der Befragten offensichtlich nicht (durchgängig) erfassen. Um dies zu erreichen, ist ein Vorgehen erforderlich, das "offen genug" ist, das Erleben der Lehrer/innen abzubilden, ohne "es in Anwortalternativen einzupassen". Dies wäre möglich, indem quantitative Instrumente wie Fragebögen durch qualitative Vorgehensweisen ergänzt oder (zumindest in Teilen) ersetzt werden. Anbieten würden sich z.B. Gruppendiskussionen oder verschiedene Interviewformen (LAMNEK 2010). Diese bieten einen Zugang zu Fragestellungen, in die Begründungen, Ergänzungen und viele weitere der in der vorliegenden Untersuchung ermittelten Kategorien einfließen können und dabei Teil des Forschungsprozesses und der Befunde werden. Auch für dieses Vorgehen können die erläuterten Schlussfolgerungen aus den Kommentaren und ikonografischen Zeichen hilfreich sein. So können z.B. auch Gruppendiskussionen von der Schwierigkeit einer Thematisierung heikler Fragen betroffen sein. Strategien zum Umgang damit sind daher eine wertvolle Unterstützung. [68]
Als ein Fazit der vorliegenden Untersuchung lässt sich festhalten, dass die Kommentare und ikonografischen Zeichen auf den Fragebögen von den Lehrer/innen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht ohne Grund erfolgen. Sie stellen durchaus ein kommunikatives Angebot an die Durchführenden des Projekts dar, mittels dem auf verschiedene Schwierigkeiten hingewiesen werden soll. Als Kernaussage lässt sich eine mangelnde bzw. nur teilweise vorhandene Passung zwischen den gewählten Messinstrumenten und der Realität der Lehrer/innen bezüglich z.B. ihres beruflichen Erlebens konstatieren. [69]
Als Konsequenz bietet sich, wie schon angeführt, der Einsatz qualitativer Verfahren an, möglicherweise in Kombination mit (bestehenden) quantitativen Instrumenten. Sogenannten mixed-method approaches oder multi-method approaches (COHEN, MANION & MORRISON 2007; PLANO CLARK & CRESWELL 2008) wird gerade international ein hoher Stellenwert zugesprochen, u.a. da rein quantifizierende Daten z.B. durch Begründungen ergänzt und auf ihre Passung diskutiert werden können. So kann z.B. die "Gruppendiskussion ... als Korrektiv zur Fragebogenerhebung praktiziert werden, da die standardisierten Fragebögen die Variationsbreite von Einstellungen nur unzureichend erfassen können und vor allem nicht die Relevanzsysteme der Betroffenen ermitteln" (LAMNEK 2010, S.377). [70]
Dieser Zugangsweg würde sich auch für Projekte wie das vorliegende anbieten. Über die rein quantitative Erhebung mittels des beschriebenen Fragebogens hinaus könnten Gruppendiskussionen und Interviews durchgeführt werden. Ausgangspunkt hierfür könnten besonders die Inhalte derjenigen Messinstrumente sein, die bei den Lehrer/innen auf großen Widerstand stießen bzw. zu denen viele Kommentare und ikonografische Zeichen gemacht wurden. [71]
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SABINE WEIß, Dr. phil., ist Akademische Rätin auf Zeit am Lehrstuhl für Schulpädagogik an der Ludwig-Maximilians-Universität München und systemische Individual-, Paar- und Familientherapeutin (DGSF). Ihre Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte sind Lehrer/innengesundheit, berufliche Anforderungen des Lehrer/innenberufs, Studien- und Berufswahlmotive von Lehramtsstudierenden, Eignung sowie Kompetenzentwicklung im Lehrer/innenberuf.
Kontakt:
Dr. Sabine Weiß
Lehrstuhl für Schulpädagogik
Ludwig-Maximilians-Universität München
Leopoldstraße 13
D-80802 München
Tel.: +49 (0)89 2180-5131
Fax: +49 (0)89 2180-5001
E-Mail: sabine.weiss@edu.lmu.de
URL: http://www.edu.lmu.de/schulpaedagogik/weiss.html
SIMONE SCHRAMM, M.A., war bis einschließlich 2012 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Schulpädagogik an der Ludwig-Maximilians-Universität München und European Business Trainerin (EBT). Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Bildung älterer Menschen, Kompetenzentwicklung im Lehrer/innenberuf und Wirksamkeit von Lehrer/innenbildung.
Kontakt:
Simone Schramm
Lehrstuhl für Schulpädagogik
Ludwig-Maximilians-Universität München
Leopoldstraße 13
D-80802 München
Tel.: +49 (0)89 2180-5132
Fax: +49 (0)89 2180-5001
E-Mail: simone.schramm@edu.lmu.de
ANDREAS HILLERT, Prof. Dr. phil. Dr. med., Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und psychotherapeutische Medizin, Dozent an der Katholischen Universität Eichstätt, ist als Chefarzt an der Medizinisch-Psychotherapeutischen Klinik Roseneck in Prien am Chiemsee tätig. Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind die Interaktion beruflicher Belastungen und psychosomatischer Erkrankungen insbesondere im Lehrer/innenberuf.
Kontakt:
Prof. Dr. Dr. Andreas Hillert
Schön Klinik Roseneck
Am Roseneck 6
D-83209 Prien am Chiemsee
Tel.: +49 (0)8051 68-3523
Fax: +49 (0)8051 68-3563
E-Mail: ahillert@schoen-kliniken.de
URL: https://www.schoen-kliniken.de/ptp/kkh/ros/faz/psychosomatik/team/personal/00647/
EWALD KIEL, Prof. Dr. phil., ist Ordinarius für Schulpädagogik und Leiter der Abteilung für Schul- und Unterrichtsforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Gutachter für den Europarat für die Beurteilung osteuropäischer Bildungssysteme. Zahlreiche Publikationen zu interkultureller Didaktik, Lehrer/innenbiografie, Studien- und Berufswahlmotivation im Lehrer/innenberuf und Unterrichtsgestaltung. Seine Forschungsschwerpunkte sind Lehrer/innengesundheit, Fallorientierung in der Lehrer/innenbildung, Didaktik, Berufswahl und Eignung sowie Kompetenzentwicklung im Lehrer/innenberuf.
Kontakt:
Prof. Dr. Ewald Kiel
Lehrstuhl für Schulpädagogik
Ludwig-Maximilians-Universität München
Leopoldstraße 13
D-8082 München
Tel.: +49 (0)89 2180-5133
Fax: +49 (0)89 2180-5001
E-Mail: kiel@lmu.de
URL: http://www.edu.lmu.de/schulpaedagogik/kiel.html
Weiß, Sabine; Schramm, Simone; Hillert, Andreas & Kiel, Ewald (2013). Lehrerinnen und Lehrer kommentieren Fragebögen – Wie
quantitative Forschung von qualitativer Forschung lernen kann [71 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 14(3), Art. 8,
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs130389.