Volume 15, No. 2, Art. 15 – Mai 2014
Zur Diskurs- und Dispositivanalyse des kollektiven Gedächtnisses als Antwort auf einen öffentlichen Krisenzustand. Zwischen Habermas und Foucault
Magdalena Nowicka
Zusammenfassung: Der kommunikativ-produktive Charakter des kollektiven Gedächtnisses basiert auf einem Ausschluss von "beschämender" Vergangenheit. Für HABERMAS besteht der Kampf um einen kommunikativen Raum in der Abgrenzung zwischen Wirtschafts- und Herrschaftsmacht und "Gewalten der gesellschaftlichen Integration" wie z.B. dem kollektiven Gedächtnis. Für FOUCAULT ist jedoch das kollektive Gedächtnis ein Produkt der ökonomisierten gesellschaftlichen Integration. Seine Kategorie "Dispositiv" bezeichnet die Machtproduktionsbeziehungen, die zwischen diskursiven und nicht-diskursiven Elementen der gesellschaftlichen Realität entstehen können. Seine Aufgabe ist es, die Normalisierung einer öffentlichen Gedächtniskrise zu aktivieren.
Der vorliegende Beitrag versteht sich als Einführung in die Foucaultsche Diskurs- und Dispositivanalyse im Feld des kollektiven Gedächtnisses. Das Dispositiv des kollektiven Gedächtnisses wird am Beispiel einer empirischen Studie aufgezeigt, und zwar am innerpolnischen Streit um Jan T. GROSS und seine Bücher, in denen er der polnischen Bevölkerung Mord an ihren jüdischen MitbürgerInnen sowie allgemeinen Antisemitismus vorwirft. Das Grundmittel zur Beherrschung der "beschämenden" Vergangenheit ist ihre "Selbst-Annullierung" mithilfe diskursiver und nicht-diskursiver Praktiken des Ungültigmachens sowie medialer Mechanismen der Öffentlichkeit. Die Perspektive FOUCAULTs bietet jedoch im Gegensatz zu der von HABERMAS keine Hinweise darauf, wo die konstruktiven Aspekte der Debatten um die Vergangenheit anzusetzen wären. Trotz der weitreichenden Unterschiede zwischen HABERMAS und FOUCAULT ist die Konfrontation der beiden Konzepte von Nutzen, um die Konsequenzen einer kollektiven Gedächtniskrise für den kommunikativen Raum einschätzen zu können.
Keywords: Foucault; Habermas; kollektives Gedächtnis; Dispositiv; Diskursanalyse; Dispositivanalyse; Gross
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. HABERMAS und FOUCAULT – gegensätzliche Sichtweisen
3. Die polnischen Debatten um J.T. GROSS' Werk aus Sicht FOUCAULTs
3.1 Forschungsperspektive und Forschungsstil
3.2 Der Streit um die Monografien von Jan Tomasz GROSS'
3.3 Das "historiografische" Dispositiv
3.4 Das "moralistische" Dispositiv
4. GROSS und GOLDHAGEN aus der Perspektive von HABERMAS
5. Zusammenfassung
1. Einleitung1)
Das kollektive Gedächtnis und sein Wandel sind seit einigen Jahrzehnten eines der Leitmotive im öffentlichen Diskurs Westeuropas, seit etwas mehr als zehn Jahren arbeiten WissenschaftlerInnen und PublizistInnen auch in Polen mit diesem Begriff. Wenn es in der Öffentlichkeit zu Aussagen kommt, die in der Gesellschaft dominierende Vorstellungen von der Vergangenheit bzw. die Taten der eigenen ethnischen oder der gesamten Volksgruppe infrage stellen, dann werden diese Aussagen Anlass für Streit, der oft vehementer geführt wird als politische Dispute. [1]
Für Reflexionen über Auseinandersetzungen um das kollektive Gedächtnis wurden die Arbeiten von Maurice HALBWACHS, Pierre NORA, Paul RICOEUR und Michel FOUCAULT erfolgreich adaptiert. Man spricht geradezu von einem "Erinnerungs-Boom" (HUYSSEN 1995, S.9) oder von einer "Revanche der Erinnerung" (GLONDYS 2009). Es wird auf die Rivalität zwischen der offiziellen Geschichte und dem individuellen Gedächtnis verwiesen, ebenso auf die subversive Dimension der Erinnerung an Gruppen und Ereignisse, die zuvor aus den offiziellen historischen Narrationen verdrängt wurden. Das klassische Verständnis des kollektiven Gedächtnisses im Sinne HALBWACHS' (2006 [1966]), der die Rolle dieses Gedächtnisses beim Aufbau des Gefühls der Beständigkeit einer Gesellschaft betont, scheint überholt zu sein. Denn während HALBWACHS das kollektive Gedächtnis als Symbiose von individueller Erinnerung und historischem Wissen versteht, sieht Pierre NORA (2005) in "Erinnerungsorte Frankreichs" ein Spannungsverhältnis zwischen der "lebendigen", der individuellen Erinnerung und der Geschichte, also der Wissenschaft über die Rekonstruktion von Ereignissen der Vergangenheit, d.h. der Ordnung, Klassifikation und Vergegenständlichung von Erinnerungsspuren, um diese als objektivierte Fakten rezipierbar zu machen. Dies habe zur Folge, dass das Gedächtnis durch die Geschichte sozusagen "eingefangen" wird. [2]
Die komplexe symbolische und materielle Infrastruktur zeitgenössischer Konflikte um das kollektive Gedächtnis scheint ein Beleg dafür zu sein, dass Fragen nach dem Verhältnis zur eigenen Vergangenheit nach wie vor Schlüsselfragen für heutige Gesellschaften sind. Doch wohin führen öffentliche Krisenzustände, wenn der dominierende Vergangenheitsentwurf einer Gesellschaft infrage gestellt wird? Können sie in rationale Reflexionen über die Vorstellung von der eigenen Gruppe und einen Wandel des historischen Bewusstseins münden? Oder verwandelt sich der Streit um die kontroverse Vergangenheit in die Illusion einer rationalen und freien Debatte, deren ritueller Charakter ihre Unterordnung unter die Mechanismen einer gesellschaftlich zerstreuten Macht maskiert? Mit diesen Fragen setzen sich zwei mittlerweile zu Klassikern avancierte Sichtweisen auf Diskurs, Kommunikation und Macht auseinander: Jürgen HABERMAS und Michel FOUCAULT. Beider Verständnis der genannten Bereiche ist in weiten Teilen einander entgegengesetzt (vgl. CZYŻEWSKI 2013, S.10ff.; TULLY 1999). Daher ermöglicht es die Gegenüberstellung der Perspektiven von HABERMAS und FOUCAULT, das Phänomen "kollektives Gedächtnis" im breiten Feld der die öffentliche Kommunikation regierenden Regeln zu verorten. [3]
In Abschnitt 2 werden die grundsätzlichen konzeptuellen und methodologischen Unterschiede zwischen HABERMAS' und FOUCAULTs Annäherungen an die Problematik des kollektiven Gedächtnisses besprochen. [4]
In Abschnitt 3 wird ein öffentlich geführter Streit um eine "schwierige Vergangenheit" analysiert. Dies geschieht am Beispiel der in Polen kontrovers geführten Debatte um die Bücher von Jan T. GROSS, in denen der Autor über Verbrechen schreibt, die PolInnen während des Zweiten Weltkriegs an Jüdinnen und Juden verübten. Diesbezüglich nutze ich FOUCAULTs Kategorien Diskurs, Macht/Wissen und Dispositiv, um die zugrunde liegenden Konfliktherde, die Dynamik der Auseinandersetzung und ihre Konsequenzen für die Gestalt des kollektiven Gedächtnisses in Polen zu rekonstruieren. [5]
In Abschnitt 4 meines Beitrags beziehe ich die Schlussfolgerungen aus der Analyse auf die Perspektive von HABERMAS. Gemäß dieser Sichtweise können Streits wie die um die Monografien von GROSS, aber auch frühere Debatten wie etwa die um GOLDHAGENs "Hitlers willige Vollstrecker" (1996), konstruktiv-regulierend Einfluss nehmen, und zwar nicht nur darauf, wie Vergangenheit diskursiv bearbeitet wird, sondern auch auf die öffentliche Kommunikation. [6]
In Abschnitt 5 soll diskutiert werden, inwiefern HABERMAS' und FOUCAULTs Verständnis des kollektiven Gedächtnisses einander ergänzen können. [7]
2. HABERMAS und FOUCAULT – gegensätzliche Sichtweisen
Sowohl HABERMAS als auch FOUCAULT benutzen den Terminus "kollektives Gedächtnis" sehr selten. Trotzdem stellen sie Fragen nach dem Phänomen der historischen Narration und den gesellschaftlichen Vorstellungen von Vergangenheit, besonders aber fragen sie nach etwas, was man mit einem Arbeitsbegriff "Mechanismen der Produktion von kollektivem Gedächtnis" nennen könnte. Ihre Antworten darauf sind jedoch einander diametral entgegengesetzt. [8]
So bezieht sich HABERMAS auf Erscheinungen an der Schnittstelle zwischen den öffentlichen Aspekten von offizieller Geschichte und der Erinnerung an die Vergangenheit, wenn er den öffentlichen Gebrauch der Historie überdenkt. Geschichte und die gesellschaftliche Instrumentalisierung des Verhältnisses zur Vergangenheit interessierten HABERMAS im Prinzip seit Beginn seines wissenschaftlichen Arbeitens, als ihn die Philosophie Martin HEIDEGGERs inspirierte und anschließend Theodor W. ADORNO zu seinem intellektuellen Lehrmeister wurde (WIGGERSHAUS 2004, S.32). Mit Bezug auf ADORNOs Essay "Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit?" (1977 [1959]), in dem dieser sich mit den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges auseinandersetzt, fragt HABERMAS (1995a) in "Was bedeutet 'Aufarbeitung der Vergangenheit' heute?" nach der Bedeutung der Fragestellung ADORNOs für eine andere Zeit, die unter anderem von einer Welle rechtsextremer Gewalt in Deutschland und den Herausforderungen der modernen Demokratie geprägt ist. HABERMAS betont in seinem Artikel die ambivalenten Folgen einer Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Zwar könne sie einerseits in kritische Reflexionen über die Schattenseiten von Vergangenheit münden. Andererseits aber drohten ein "Krieg um Vergangenheit" und Versuche, entstellte Visionen von Geschichte aufzuzwingen. Aus diesem Grunde fürchteten die AnhängerInnen einer traditionellen Vergangenheitsinterpretation den für ihr Handeln destruktiven Aspekt einer "solchen Geschichtspädagogik", während sie gleichzeitig den totalisierenden Charakter von traditionellen Narrationen ausblendeten. Damit die "Aufarbeitung der Vergangenheit" in einer öffentlichen Debatte realisiert werden könne, müsse sie den Aspekt der Bildung einer gesellschaftlichen Mentalität in einer freiheitlichen politischen Kultur beinhalten (HABERMAS 1995a, S.21ff.; 1995b, S.46ff.). [9]
Für FOUCAULT wäre die Produktion von historischer Narration (also die Produktion dessen, was üblicherweise "Geschichte" genannt wird) der Effekt von Reibung zwischen miteinander konkurrierenden Wissenstypen und ihren diskursiven Instrumenten. In seinen Vorlesungen von 1976 (erschienen 1999) entwickelt FOUCAULT das Motiv des Aufstands des "unterworfenen Wissens", also geschichtlicher Inhalte, die unter funktionalen Zusammenhängen und formalen Systematisierungen der Geschichte verschüttet waren, da sie aus deren Perspektive als naives und wertloses Wissen wahrgenommen wurden. Diese "Anti-Wissenschaft" wird in einer bestimmten Diskursart verbalisiert, die FOUCAULT (1999, S.76ff.) "Gegen-Geschichte" nennt: Sie kehrt die Interpretation von Ereignissen um, macht Siege zu Niederlagen, Opfer zu TäterInnen, Besiegte zu HeldInnen. Doch die Gegen-Geschichte ist keine fortlaufende und zusammenhängende Geschichtsnarration. Wenn sie "aus dem Schatten heraus [spricht]" (S.82), verdeckt sie die "Sonne" der offiziellen Geschichte nicht vollständig. Kommt es doch dazu und die Gegen-Geschichte ersetzt den wissenschaftlichen Diskurs, so wird sie zur offiziellen Geschichte und damit zu einem weiteren Mechanismus der diskursiven Macht. Die Gegen-Geschichte ist der Appell, jemandes Beweggründe anzuerkennen, und ein Instrument der Kritik an den Bereichen von Macht/Wissen,2) die mit der Geschichtsinterpretation verknüpft sind. [10]
Das heißt also, im Mittelpunkt von FOUCAULTs Reflexionen zu Geschichte und Erinnerung steht der Ausschluss – die Delegitimierung und Marginalisierung von beschämendem, populären Wissen (S.14ff.). Die Erinnerung und das Vergessen sind die zwei Seiten der diskursiven Ordnung, die kollektives Gedächtnis kontrolliert und gesellschaftlich verpflichtende Einstellungen zur Geschichte von individuellen Erfahrungen und Erlebnissen isoliert (vgl. FOUCAULT 2001; KELLER 2011, S.115ff.). [11]
Trotz seines Interesses für die Spannung zwischen Geschichte und Gedächtnis engagierte sich FOUCAULT nicht in Auseinandersetzungen um das kollektive Gedächtnis in Frankreich, obwohl er sich zur gleichen Zeit zu vielen anderen Kontroversen äußerte3). In den 1970er Jahren begann in Frankreich – zum gleichen Zeitpunkt, als FOUCAULTs Konzeption der Gegen-Geschichte entstand – die Aufarbeitung des Vichy-Regimes. Die öffentliche Debatte betraf unter anderem Marcel OPHÜLS' Film "Zorn und Mitleid", die Bücher "Vichy France, Old Guard and New Order, 1940–1944" von Robert PAXTON (1972) und "Le mémorial de la déportation des Juifs de France" [Das Erinnerungsbuch zur Deportation von Juden aus Frankreich] von Serge KLARSFELD (2012 [1978])4) sowie den Aufruf, ehemalige faschistische Verwaltungsbeamte Frankreichs vor Gericht zu bringen. FOUCAULT meldete sich im Rahmen dieser Debatte nicht zu Wort. [12]
HABERMAS dagegen beteiligte sich mehrfach an historischen Debatten in Deutschland, er war Teilnehmer am "Historikerstreit",5) äußerte sich zur ADENAUER-Ära, zur deutschen Einheit und dem Bau des Holocaust-Mahnmals in Berlin. Nach HABERMAS "verpflichtet" "[d]er Wahrheitsbezug (...) die Geisteswissenschaften auf Kritik; er steht im Gegensatz zur sozialintegrativen Funktion, für die der Nationalstaat die historischen Wissenschaften öffentlich in Gebrauch nahm" (1987a, S.166). Indem er der Historiografie eine ideologische Funktion zuschreibt, verweist HABERMAS auf die Sackgasse, in die das Verlangen nach einer Normalisierung der nationalsozialistischen Vergangenheit führen kann. Der Kampf um eine solche Historiografie, die niemanden beschuldigt und die die Leichen des Zweiten Weltkriegs ebenso wie die Opfer des Kommunismus in Osteuropa quasi "vergräbt", scheint für HABERMAS ambivalent. Schwierige Herausforderungen, aber auch gesellschaftliche Chancen sieht er in der Pluralisierung des historischen Bewusstseins. Die historische Narration sollte ein Gleichgewicht suchen zwischen dem Druck der Überbewertung von nationalem Leid, der Vermehrung von konkurrierenden Zugriffen auf die Vergangenheit und dem Willen, einen Status quo zu erhalten. Der "Verlust der Geschichte", so HABERMAS im Historikerstreit, führe nicht nur zum Verdrängen von oder Fixiertsein auf "eine belastende und darum ins Stocken geratene Vergangenheit" (1987b, S.134), sondern auch zu Desinteresse gegenüber der Geschichte. Dann könne auch der Patriotismus nicht länger auf einer Einteilung in TäterInnen und Opfer sowie auf den Symbolen des nationalen MärtyrerInnentum6) basieren, sondern solle die Form eines Verfassungspatriotismus annehmen. Dieser stütze sich auf die freiwillige Identifikation der BürgerInnen mit den Verfassungsgrundsätzen und den staatsbürgerlichen Rechten (vgl. HABERMAS 1992, S.632ff.). Derartige Wandel stellen nach HABERMAS eine Chance für die Gesellschaft dar. [13]
Für FOUCAULT wäre die Bürgerlichkeit jedoch nicht die Emanation von Freiheit, sondern vielmehr von Macht. Der Begriff des Dispositivs ist in FOUCAULTs Spätwerk deutlich vertreten, zusammen mit der Konzeption der Gouvernementalität wird er zur Schlüsselkategorie in seinen Überlegungen. "Gouvernementalität" ist grundlegend als eine spezifische Form von Macht/Wissen zu verstehen – das heißt, dass die Produktion von Wissen zur Legitimierung eines bestimmten Regierungsmodus dient. Im Falle der Gouvernementalität werden freie Subjekte von der politischen Ökonomie regiert. Die Individuen übernehmen also die Rolle von "Verwaltern", deren Regierungstätigkeit sich auf sie selbst konzentriert. Die Kategorie "Dispositiv" wiederum dient zur Beschreibung von Machtverhältnissen, die sich auch auf Anwendungen von strategisch erzeugtem Wissen stützen und zugleich auf der Ebene der Makrogesellschaft, der Institutionen sowie der Individuen funktionieren (LINK 2008, S.237ff.). [14]
Das Dispositiv umfasst also erstens sowohl diskursive als auch im Diskurs nicht verbalisierte Machtmanifestationen, die sich beispielsweise in der gesellschaftlichen Distribution von wissenschaftlichen Aussagen materialisieren. Zweitens bedeutet das Dispositiv keine Sammlung von voneinander unabhängigen Elementen, sondern bildet ein Abhängigkeitsnetz zwischen seinen Bestandteilen. Dieses "Ensemble" (FOUCAULT 1978, S.119f.) hat die Funktion eines Mechanismus, der Wissen über die Welt, die Gesellschaft sowie den Menschen produziert und dem Menschen die Kriterien rationalen Handels aufzwingt. Daher hat nach FOUCAULT Wissen, das im Rahmen des Dispositivs erzeugt wurde, eine "strategische" Funktion. Damit geht einher, dass dieses Wissen und die mit ihm verbundenen Praktiken keine feste, strukturierte Form haben, sondern vielmehr in ständiger Bewegung sind – ihre Positionen und Funktionen wandeln sich. Drittens ist die grundlegende Aufgabe des Dispositivs die Neutralisierung und Maskierung von objektiv existenten Notständen oder Situationen, die unvorhergesehen sind oder nicht der Routine entsprechen. Das Dispositiv schließt also an Ereignisse und Phänomene an, die als wirklich erkannt und anerkannt werden. Erst die real auftretenden und spürbar plötzlichen Zustände sozialen Ungleichgewichts (der "Notstand", im französischen Original "l'urgence", S.120) werden einer Regulierung unterzogen. Weder beugt das Dispositiv einem problematischen Phänomen vor, noch ändert es seinen Verlauf; seine Aufgabe ist es vielmehr, "auf eine Realität zu antworten" (FOUCAULT 2006, S.76). [15]
Darüber hinaus bezieht sich ein besonderer Dispositivtyp, nämlich das Sicherheitsdispositiv, ähnlich wie die Gouvernementalität auf eine der ökonomischen Logik untergeordneten Wirklichkeit, in der nicht BürgerInnen oder ein politisches Subjekt Gegenstand der Macht sind, sondern ein Typ des neoliberalen homo oeconomicus, der sich selbst regiert. Das Dispositiv verweist auf diskursive und nicht-diskursive Praktiken, die einerseits das Ich sowie die Körper von Individuen involvieren und andererseits Erkenntnis im ökonomisierten gesellschaftlichen Raum determinieren. Das Dispositiv ist jedoch viel mehr als ein "technisches Instrument" der Gouvernementalität, diese Kategorie gilt als Forschungsperspektive, die den Diskurs eng mit "einer Realität" verbindet (KUMIĘGA 2012; NOWICKA 2013). Mehr noch, die Analysen von Gouvernementalität und Diskurs (den FOUCAULT als Träger von Macht/Wissen versteht), haben einen gemeinsamen Forschungsgegenstand: "der für die Foucaultsche Diskursanalyse zentrale Nexus von Macht und Wissen [steht] durchaus (auch) im Zentrum gouvernementaler (Selbst-)Technologien" (van DYK & ANGERMÜLLER 2010, S.11). [16]
Auch HABERMAS befasst sich mit dem Problem der Ökonomisierung von Öffentlichkeit, bewertet jedoch die Möglichkeiten, sich dieser Tendenz zu widersetzen, anders. Schon in der "Theorie des kommunikativen Handelns" (1981) und dann im Vorwort zur Neuauflage von "Strukturwandel der Öffentlichkeit" (1990) bemerkt HABERMAS, Ökonomie und Staatsapparat gestalteten "systemisch integrierte Handlungsbereiche" (S.36). Der Kampf um ein neues Gleichgewicht bestehe jetzt in der kommunikativ-produktiven Abgrenzung von Wirtschafts- bzw. Herrschaftsmacht und "Gewalten der gesellschaftlichen Integration". [17]
Diese Veränderungen begleite der Ausschluss von Individuen und Gruppen (ich verwende den Begriff "Ausschluss" hier im Sinne FOUCAULTs, s. vorn). Nach HABERMAS wird er jedoch durch konkurrierende Diskurse der bürgerlichen Öffentlichkeit neutralisiert. Die Diskurse würden wiederum von Subkulturen, Gesellschaftsklassen und Minderheiten geschaffen. Das heißt, HABERMAS Reflexionsachse sind negative Veränderungen der bürgerlichen Öffentlichkeit, ihre Ökonomisierung und kommerzielle Professionalisierung. Gründe für negativen Wandel sieht HABERMAS in der Entwicklung der elektronischen Medien, der Vermehrung von Profitdenken in publizistischen Einrichtungen sowie in der Zentralisierung des Kapitals in allen Bereichen des öffentlichen Lebens. Die Macht der Medien modifiziere instrumentell das Prinzip der Publizität, das der bürgerlichen Öffentlichkeit zugrunde liege (1990, S.7ff.). [18]
HABERMAS unterscheidet also zwei Typen der Öffentlichkeit. Der erste ist ein Produkt der Medialisierung von öffentlicher Kommunikation. In diesem Rahmen reduziere sich die öffentliche Anwesenheit auf Sichtbarkeit und Selbstdarstellung von Individuen und ihren Zielen, während die Öffentlichkeit passive ZuschauerInnen und ZuhörerInnen umfasse. Der zweite, erwünschte Typ bevorzuge "die Verständigung über ein Thema" gegenüber der Selbstdarstellung von Individuen; der Öffentlichkeit weise er die Rolle der SprecherInnen und AdressatInnen zu. In diesem Öffentlichkeitsmodell werden die BürgerInnen, die die Sphäre des Privatlebens von der des öffentlichen Handels trennen, zu reflektierenden TeilnehmerInnen an Diskursen (2005, S.15). [19]
Der grundlegende Unterschied zwischen HABERMAS und FOUCAULT besteht in ihrem Verständnis von Macht und der Befreitheit von dieser Macht (vgl. BIEBRICHER 2005; TULLY 1999). In dem von HABERMAS vorgeschlagenen deliberativen Demokratiemodell, das die Aporie des Liberalismus überwinden soll, treiben sich die rechtstaatliche Institutionalisierung und der öffentliche Meinungsbildungsprozess gegenseitig an. Dies wiederum bedinge die Autonomie der Individuen als frei handelnde Subjekte – hier wird die Freiheit des Subjekts im Kantschen Sinne verstanden als Befähigung zum vernunftgeleiteten Handeln nach Regeln, die die Gemeinschaft der BürgerInnen erarbeitete. HABERMAS bezieht sich auf HEGEL und ADORNO, wenn er von der bürgerlichen Subjektivität spricht. Sie zerfällt unter dem gesellschaftlichen Druck des Erreichens von Objektivität, also der Übereinstimmung mit der gesellschaftlichen Vorstellung über diese Subjektivität (HABERMAS 1971, S.188ff.). Für HABERMAS torpediert sich die Foucaultsche (von NIETZSCHE inspirierte) Kritik der Vernunft selbst, sie totalisiere den von ihr selbst formulierten Vorwurf der Totalitarität der Macht. Sowohl HABERMAS als auch FOUCAULT sind zutiefst skeptisch gegenüber den Richtungen des liberalen Wandels der Öffentlichkeit bzw. der gesellschaftlichen Polarisierung, zu der es innerhalb institutioneller Strukturen kommt (FOUCAULT 1980, 2006; HABERMAS 1985, S.219ff.). Beide suchen jedoch nicht nur die direkten Ursachen dieser Prozesse an anderen Stellen, sondern bewerten auch ihre Konsequenzen unterschiedlich. [20]
Nach HABERMAS widersetzt sich die Sphäre der Freiheit und Subjektivität totalitären Tendenzen, die ihrerseits Freiheit und Subjektivität eliminieren. Aus dieser Sicht trägt die Normalisierung der Vergangenheit, von HABERMAS am Beispiel des Wandels des gesellschaftlichen und intellektuellen Lebens in der DDR veranschaulicht, das Mal der Normalisierung "durch die panoptische Überwachung einer Bevölkerung" (1995a, S.29). Unter den Bedingungen der Demokratie jedoch muss die Verarbeitung der Vergangenheit nicht länger die Emanation der Macht à la FOUCAULT sein, wenn diese Verarbeitung nach den demokratischen Regeln der öffentlichen Kommunikation verläuft (HABERMAS 1995a, S.25ff.). [21]
Bei FOUCAULT hingegen ist Freiheit im engeren Sinne, insbesondere auf der sozialen Ebene, im Prinzip nicht erreichbar. Das, was wir "Freiheit" nennen, sei lediglich das Produkt der Macht bzw. der Konvergenz eines Gefühls von Sicherheit und des Gefühls von Beständigkeit einer Gemeinschaft, die von sich glaubt, sie sei autonom. FOUCAULT (2006, S.78) sagt, dass die Freiheit "im modernen Sinne", die unter der Gouvernementalität so sehr gefördert wird, "auf eine präzisere und bestimmtere Weise (...) nur das Korrelat der Einsetzung von Sicherheitsdispositiven" ist. Eine so verstandene Freiheit zirkuliert zwischen den Elementen des Dispositivs: den Institutionen, Diskursen, Reglements etc. Das heißt also, weder die Geschichte noch das kollektive Gedächtnis befreien. Sie vermitteln lediglich die Illusion von Freiheit bzw. Subjektivität der Individuen oder Gruppen. [22]
FOUCAULTs Konzeption ist der interessante Vorschlag eines theoretisch-methodologischen Rahmens zur Erforschung von Konflikten um das kollektive Gedächtnis, also eine Erscheinung der Öffentlichkeit, die sowohl diskursive als auch nicht-diskursive symbolische Bestände bemüht. Das gilt für die Ebene der Gruppe und die der Individuen gleichermaßen. Unter der Arbeitsbegriff "Dispositiv des kollektiven Gedächtnisses" verstehe ich Mechanismen der Produktion und Reproduktion des kollektiven Gedächtnisses im öffentlichen Krisenzustand, das heißt, in Situationen, in denen das bisher gültige Verhältnis einer Gemeinschaft zu ihrer Vergangenheit öffentlich infrage gestellt wird. [23]
3. Die polnischen Debatten um J.T. GROSS' Werk aus Sicht FOUCAULTs
3.1 Forschungsperspektive und Forschungsstil
Das Dispositiv des kollektiven Gedächtnisses wird am Beispiel des innerpolnischen Streits um Jan Tomasz GROSS, Professor an der Universität Princeton, und seine Bücher "Sąsiedzi" [Nachbarn, poln. Ausgabe 2000, dt. Ausgabe 2001], "Strach" [Angst, poln. Ausgabe 2008, dt. Ausgabe 2012] bzw. "Złote żniwa" [Goldene Ernte, poln. Ausgabe 2011] aufgezeigt. Sie gaben Anlass zum Streit um den Mythos der PolInnen als ausschließlichem "Opfervolk" im Zweiten Weltkrieg, das der jüdischen Bevölkerung heroisch geholfen habe. [24]
Die nachfolgenden übersichtsartigen Schlussfolgerungen wurden auf Grundlage der Analyse des öffentlichen Diskurses in Polen, genauer: der Debatte um die oben genannten Monografien von Jan T. GROSS (2000-2011), formuliert. Das Korpus umfasst 169 Presseartikel, 8 Fernsehsendungen, 7 Radiosendungen sowie 36 andere Texte (aus dem Internet, aus Schulbüchern bzw. Büchern allgemein, aus Erklärungen von PolitikerInnen und öffentlichen Einrichtungen). [25]
Den Terminus Diskurs verwende ich hier mit FOUCAULT (1974, S.10) als Sammlung von Äußerungen, die nach ähnlichen Prinzipien geformt wurden sowie anonymen Kontroll-, Selektions-, Organisations- und Distributionsprozeduren unterliegen. Der Diskurs ist Träger der Macht und des mit ihr einhergehenden Wissens. Ziel der Analyse ist die Rekonstruktion der Diskursordnung, d.h. der Regelmäßigkeiten in den Äußerungen. Gefragt wird nach den Bedingungen für bestimmte Äußerungen sowie nach dem, was vom Diskurs ausgeschlossen wurde. Da das Geflecht Macht/Wissen im Sinne FOUCAULTs sozial diffus ist, sollte im Diskurs lediglich einer seiner Träger gesehen werden. Es sollte weiterhin vermieden werden, den Diskurs losgelöst von anderen, nicht-diskursiven Elementen der gesellschaftlichen Realität zu analysieren:
"(...) es wird hier jedoch ebenfalls deutlich [in FOUCAULTs letzten Werken – M.N.], dass der Diskurs stets in seiner Beziehung zu Praktiken und Selbsttechniken analysiert werden muss, in die er eingebettet ist und in denen er sich als Ereignis manifestiert. Diese Analysen betonen somit, dass der Diskurs zwar irreduzibel und unhintergehbar ist, sich aber auch nicht isolieren lässt" (RAFFNSØE, GUDMAND-HØYER & THANING 2011, S.200). [26]
Aus diesem Grunde kann der vorliegende theoretisch-methodologische Vorschlag als Post-Foucaultsche Diskursanalyse mit Elementen der Dispositivanalyse bezeichnet werden. Erstens werden Machtverhältnisse oberhalb der Diskursebene als Träger der Beziehung zwischen Macht und Wissen (die auch in anderen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens gegenwärtig sind) verstanden. Zweitens wird die Analyse des öffentlichen Diskurses um Elemente der Reflexion über nicht-diskursive Bestandteile des untersuchten gesellschaftlichen Wirklichkeitsausschnitts bereichert, wie etwa Praktiken der Erinnerung an jüdische Opfer oder Praktiken der Devastation von Erinnerungsorten bzw. von Symbolen der Erinnerung an die polnisch-jüdischen Beziehungen während des Kriegs. [27]
Das theoretische Schema des Dispositivs des kollektiven Gedächtnisses beinhaltet folgende von Andrea D. BÜHRMANN und Werner SCHNEIDER (vgl. 2007, 2008, S.92ff.) vorgeschlagenen Größen der Dispositivsanalyse: 1. die gesellschaftliche Umbruchsituation (der Moment der "Zündung", der die Mechanismen des Dispositivs in Gang setzt; bezogen auf den Untersuchungsgegenstand ist das die Publikation der Bücher von Jan T. GROSS sowie das Bekanntmachen ihrer Inhalte), 2. Diskursformationen (die im Korpus zusammengestellten Äußerungen dienen der Hervorhebung von Kohärenzen und Regelmäßigkeiten im Diskurs um die polnisch-jüdische Vergangenheit), 3. nicht-diskursive Praktiken (institutionelle Prozeduren, beispielsweise in den Medien oder dem Rechtssystem sowie nonverbale soziale Verhaltensweisen, die einen Streit beeinflussen), 4. symbolische und materielle Objektivationen (Gegenstände, Gebäude, Gedenktafeln, grafische Symbole und Gedächtnisrituale) sowie 5. Subjektformierungen (als Folge der Beziehungen zwischen diskursiven und nicht-diskursiven Elementen bilden sich bestimmte Subjektmodelle heraus, die im Streit um das kollektive Gedächtnis funktionstüchtig sind). Ich halte es für wichtig, auch die Dimension der Medialisierung der wichtigsten Elemente des Dispositivs zu berücksichtigen, denn strategische Beziehungen zwischen dem Diskurs und nicht-diskursiven Praktiken kommen im medialen Raum zunehmend vor. Auch wäre es lohnend, den Aspekt des Unterlassens bestimmter Diskussionsstränge und Fragen zu ergänzen. Verfahren dieser Art bilden eine der Hauptstrategien zur Beherrschung von Notständen und der Wiederherstellung des Status quo des kollektiven Gedächtnisses. [28]
Die vorliegende Analyse stützt sich auf die Grounded-Theory-Methodologie (GTM); CHARMAZ 2006; GLASER & STRAUSS 1998), der zufolge der Forschungsprozess mit einer beständigen Generierung von Theorien, Termini und Analysekategorien einhergeht. Aufgrund ihres pragmatischen und prozessualen Charakters muss die GTM nicht in Opposition zu den methodologischen Forderungen FOUCAULTs und der Diskursanalyse stehen (TRUSCHKAT 2008, S.71f.). Die in der Analyse verwendete konstruktivistische Variante der GTM (CHARMAZ 2006, S.9ff.) setzt voraus, dass die gesellschaftliche Realität fortwährend in Kommunikationsprozessen hergestellt wird. Ein solcher Prozess ist auch der Prozess der Theoriebildung selbst. Deshalb sollte die GTM nicht als festes Schema für das Forschungsverhalten und die Beschreibung erhobener Daten gesehen werden, sondern vielmehr als methodologisches Instrument zur Rekonstruktion der erforschten Phänomene bzw. zur reflexiven Distanzierung von Vorannahmen und Präsuppositionen, mit denen WissenschaftlerInnen Datenanalysen beginnen (S.14f.). Gerade im Falle der hier vorgeschlagenen Post-Foucaultschen Diskursanalyse mit Elementen der Dispositivanalyse ist eine Forschungshaltung, die die dynamische Entstehung einer Theorie sowie die Generierung von Analysekategorien im Analyseverlauf selbst berücksichtigt, von besonderer Bedeutung. Denn im Verständnis FOUCAULTs ist der Diskurs diskontinuierlich und unsystematisch. Darüber hinaus verweist die Kategorie des Dispositivs auf die dynamische Zirkulation diskursiver und nicht-diskursiver Elemente, wodurch ein bestimmtes Wissen über die Wirklichkeit hervorgebracht wird. Die Nutzung der GTM als Forschungsstil erlaubt es den Forschenden (zumindest in einem gewissen Bereich), bei der Analyse von empirischen Daten die oben genannten Merkmale Foucaultscher Kategorien wiederzugeben. [29]
Zu einem bestimmten Grad systematisiert die GTM Untersuchungen und ermöglicht auf der Grundlage eines Korpus das Aufstellen von Analysekategorien sowie von deren Merkmalen – die allerdings in der Foucaultschen Forschungsperspektive verankert sind. In der hier vorgelegten Studie dient die konstruktivistische Variante der GTM vor allem als Instrument zum Kodieren der gesammelten Daten (vgl. dazu CHARMAZ 2006, S.47ff.).7) In der ersten Phase der Analyse wurde ein einführendes Kodieren des gesamten erhobenen Materials vorgenommen, das sog. line-by-line coding. So konnten die diskursiven und nicht-diskursiven Hauptelemente des Dispositivs des kollektiven Gedächtnisses identifiziert werden. Im zweiten Schritt wurde das focused coding genutzt. Das focused coding basiert auf der Analyse des Verhältnisses zwischen zuvor kodierten Daten, und zwar im Hinblick auf die wichtigsten Kodes des zu untersuchenden Problems. Reflektiert wurden auch die mir zugänglichen nicht-diskursiven Elemente des analysierten Problems, um so die Dimensionen der Kategorie des Dispositivs des kollektiven Gedächtnisses konkretisieren zu können (s.o.). In der dritten Phase wurde das theoretical coding angewandt, das auf dem Vergleich von sich im Analyseprozess herauskristallisierenden Kategorien sowie auf ihrer Integration in ein Theorienmodell beruht. In diesem Schritt wurden die Untersuchungskategorien präzisiert (sowie ihre Varianten bestimmt) und an den theoretischen, d.h. Foucaultschen Analyserahmen zurückgebunden. Die Darstellung der Analyseergebnisse geht also auf drei Kodierenetappen des Korpus zurück. Zur Verdeutlichung meiner Ausführungen beziehe ich mich jedoch lediglich auf die Kategorien, die anhand des abschließenden theoretical coding erarbeitet wurden, also beispielsweise auf zwei Varianten des Dispositivs des kollektiven Gedächtnisses oder auf Subjektformationstypen. [30]
3.2 Der Streit um die Monografien von Jan Tomasz GROSS'
Die erste von GROSS' Monografien, "Nachbarn", berichtet in Anlehnung an die Erinnerungen eines Zeugen von einem an Jüdinnen und Juden begangenen Verbrechen durch deren polnische Landsleute am 10. Juli 1941 im Städtchen Jedwabne, das damals von der deutschen Wehrmacht besetzt war. Nach GROSS wurden etwa 1.600 Jüdinnen und Juden von ihren polnischen NachbarInnen gelyncht bzw. in eine Scheune getrieben, die man in Brand steckte. Als Gründe für das Pogrom gibt der Autor sowohl einen kulturell bedingten Antisemitismus in der polnischen Gesellschaft an als auch äußere Umstände, darunter vor allem den Einfluss des Krieges und der nationalsozialistischen Propaganda. Obwohl die Monografie im Mai 2000 (von einem Nischenverlag in kleiner Auflage) herausgegeben wurde, eskalierte die Debatte um GROSS' Monografie in Polen erst ein halbes Jahr später und dauerte von November 2000 bis Juli 2001. Anregung zur medialen Diskussion war die Ankündigung von Übersetzungen von "Nachbarn", was die Sorge hervorrief, das Bild Polens im Ausland könnte durch die Publikation beschädigt werden. [31]
Die Rezeption der Monografie in Polen wurde auch in Deutschland mehrfach kommentiert, ich möchte hier nur eine Aussage zitieren, die in die polnische Debatte eingeflossen ist und die das tatsächliche Aufsehen um GROSS' Buch in Deutschland übersteigert:
"Seit Entstehung der 'Solidarność' wurde in Deutschland über kein Ereignis in Polen derart intensiv berichtet: In den vergangenen Monaten rollte eine Welle von Publikationen durch die deutschen Medien, die sowohl dem Pogrom in Jedwabne als auch der Debatte um Jan Tomasz Gross 'Nachbarn' gewidmet waren. Diese Stimmen sowie die deutsche Ausgabe von Gross' Buch provozierten sogar einen innerdeutschen Streit: Darf man, und wenn ja, wie, über den Antisemitismus in Polen und anderen Ländern schreiben?" (TRENKNER 2001, S.4)8) [32]
"Im Mittelpunkt des Buches steht das Ereignis selbst, die Ermordung der Juden im ostpolnischen Jedwabne" (KOWITZ 2004, S.50). Die Besonderheit von "Nachbarn" besteht nicht nur im kontroversen Thema, sondern auch in der Konstruktion der Monografie. Der detaillierte Bericht über das Pogrom von 1941 wird zum Kulminationspunkt. Auch die öffentliche Debatte um das Buch in Polen konzentriert sich auf die Demaskierung der Vergangenheit, nicht aber auf die Einschätzung ihrer Konsequenzen für die aktuellen polnisch-jüdischen Beziehungen. Die Kontroverse um "Nachbarn" und das gegen-geschichtliche Thema des Verbrechens an polnischen Jüdinnen und Juden wird in Polen meist als Debatte um Jedwabne bezeichnet. Die Nutzung des Eigennamens Jedwabne kann meiner Meinung nach zumindest teilweise ein Instrument zur Erhaltung des Status quo des kollektiven Gedächtnisses der Polen darstellen. Das Verbrechen wird symbolisch in einer konkreten Zeit und einem konkreten Raum verortet, es wird zu einem Punkt auf einer Karte, das heißt, zu einem Einzelfall. Andererseits wurde Jedwabne zum Erinnerungsort, besonders, da die Angaben in GROSS' Monografie größtenteils durch Untersuchungen des polnischen Instituts für Nationales Gedenken bestätigt wurden (jedoch mit Abweichungen hinsichtlich der Zahl der jüdischen Opfer, die vom Institut mit 300 Personen angegeben wurde). In Jedwabne kam es zu zahlreichen diskursiven und nicht-diskursiven Handlungen, so wurde beispielsweise eine Gedenktafel für die Ermordeten enthüllt, es fanden Gedenkfeierlichkeiten im Beisein des polnischen Präsidenten und von VertreterInnen der jüdischen Diaspora sowie der katholischen Kirche statt, JournalistInnen verfassten Berichte und KünstlerInnen veranstalteten Aktionen. Es kam jedoch 2001 auch zur Gründung des (heute nicht mehr aktiven) "Komitees zur Verteidigung des guten Rufs der Stadt Jedwabne", dessen Mitglieder die gesamte Debatte für eine "jüdische Verschwörung" gegen die BewohnerInnen der Ortschaft hielten. [33]
Betrachtet man die Diskussionen um "Nachbarn" sowie den Autor GROSS mit Foucaultschen Kategorien, so könnte man sagen, das Grundmittel zur dispositiven Beherrschung des "beschämenden" Erinnerns an Polen sei seine "Selbst-Annullierung" mithilfe diskursiver bzw. nicht-diskursiver Praktiken des Ungültigmachens sowie medialer Mechanismen der Öffentlichkeit: Indem jemandem die Rolle des "Provokateurs" zugeschrieben wird, wird der unterstellte Teil der nationalen Schuld von den Schultern einer Gruppe genommen, die das Trauma einer empfindlichen Störung ihres kollektiven Gedächtnisses erfährt. Im Streit um "Nachbarn" verlief die Suche nach dem "Provokateur" auf zwei Ebenen. Zunächst wurde gefragt, ob die Deutschen 1941 die PolInnen in Jedwabne zum Mord provozierten oder gar zwangen oder ob dies deren eigenständiger Plan war. Zweitens wurde die Frage aufgeworfen, ob Jan T. GROSS "Nachbarn" aus persönlichen Motiven publiziert oder ob ihn seine Biografie dazu veranlasst habe, das Thema der schwierigen polnisch-jüdischen Beziehungen aufzugreifen, und falls ja, was ihn leitete: ein missionarischer Gedanke oder der Wunsch nach Rache (vgl. HENNING 2001, JANKOWSKI 2002). [34]
Im Ergebnis kommt es zur "Ethnisierung" des Streits, um einen Begriff von Marek CZYŻEWSKI (2010, S.166ff.) aus seinen Analysen der Debatten um GROSS' Bücher zu verwenden. Die Ethnisierung des Streits basiert darauf, die ethnische Identität der beteiligten Parteien aus strategischen Gründen zu forcieren. Infrage gestellt wurden besonders GROSS' polnischer Hintergrund sowie seine Unparteilichkeit: In Medien des ultrarechten Flügels wird GROSS beispielweise explizit Jude genannt, in den gemäßigteren konservativen Medien wird er zwar nicht wörtlich als Jude bezeichnet, aber ebenso wie seine BefürworterInnen "jüdischer Historiker" oder Vertreter "der jüdischen Seite" genannt (vgl. bspw. CHODAKIEWICZ 2001; NOWAK 2001). Das Wort "Żyd" [Jude] kann im Polnischen auch eine ethnisierte Beleidigung sein und gerade in der hier zitierten Presse auf eine angebliche Weltverschwörung referieren (auf die im polnischen nationalistischen Diskurs sogenannte "żydokomuna" [dt.: jüdischer Bolschewismus]), ohne dies ausdrücklich zu benennen. Deswegen provozierte GROSS' Ethnisierung wiederum eine Gegen-Ethnisierung durch ihm wohlgesonnene KommentatorInnen, die seine kulturelle und nationale Verbundenheit mit Polen exponierten. [35]
WissenschaftlerInnen, die die Debatte um Jedwabne analysieren, machen darauf aufmerksam, dass sie vor allem zwei große Themenfelder abdeckte: ein historisches und ein moralisches (CIOŁKIEWICZ 2004; FORECKI 2010; POLONSKY & MICHLIC 2004, TÖRNQUIST-PLEWA 2014). Das erste befasst sich mit der Frage, ob GROSS das Recht hat, sich aus der Position eines Kriegshistorikers zu äußern. Da sich viele HistorikerInnen mit verschiedenen ideologischen Ausrichtungen auf dieser Streitebene an der Debatte beteiligten, wird sie "polnischer Historikerstreit" genannt (FORECKI 2010, S.300ff.; zu diesem Begriff werde ich mich später ausführlicher äußern). Die zweite Strömung umfasst Meinungen, die in verschiedenem Ausmaß die These von der polnischen Schuld gegenüber der jüdischen Bevölkerung anerkennen, aber nicht zwangsläufig auch die Darstellungsweise, für die GROSS sich entschied. Auch finden sich Stimmen, die das Paradigma der polnischen Unschuld verteidigen. [36]
Zwei vergleichbare Argumentationsstränge lassen sich in den Debatten um GROSS weitere Bücher erkennen. In "Angst" stellt der Autor die These von einem allgemeinen Antisemitismus in Polen nach dem Zweiten Weltkrieg auf. In "Goldene Ernte" spricht er davon, dass PolInnen, besonders Bäuerinnen und Bauern, während und direkt nach dem Krieg Jüdinnen und Juden ermordeten sowie ihre Gräber plünderten, wobei der Hauptgrund für ihr Handeln Gier gewesen sei. Die Auseinandersetzungen um "Angst" und "Goldene Ernte" waren die ersten multimedialen historischen Debatten par excellence in Polen. Sie wurden von Massenmedien jeden Typs befeuert, kontrolliert und ausgetragen, GROSS wurde in die populärsten publizistischen Fernsehsendungen eingeladen und das Internet erfüllte die Rolle einer öffentlichen Subsphäre, in der User extreme Beurteilungen des Autors und seiner Texte äußerten. Eine Analyse erfordert daher auch die Berücksichtigung der medialen Dimension des Dispositivs, d.h. vor allem die Auswahl, Kontrolle und Produktion von Subjekten, rückgekoppelt an die geäußerten und nicht-geäußerten Bedingungen ihrer Anwesenheit in den Medien. [37]
Innerhalb des Dispositivs des kollektiven Gedächtnisses sind, wie zuvor erwähnt, zwei Subdispositive zu unterscheiden, die sowohl die Arena als auch die Gegenstände des Streits bedingen: das "historiografische" und das "moralistische" Dispositiv. Die Achse des ersten ist die Verhandlung darüber, ob "Nachbarn" und GROSS' weitere Bücher eine historiografische Narration, eine subjektive Erinnerung an Geschichte oder Manipulation sind. Das "moralistische" Dispositiv wiederum umfasst die Beziehungen zwischen den definierten Pflichten eines Mitglieds der Gesellschaft und den präsupponierten Folgen von GROSS' Aussagen. Ergänzend möchte ich anfügen, dass auch die Aussagen und Handlungen, zu denen es im Verlauf der öffentlichen Debatte kam, oft Elemente beider Subdispositive realisierten. [38]
3.3 Das "historiografische" Dispositiv
Im Rahmen des "historiografischen" Dispositivs entstand das Verständnis der Debatte um Jedwabne als "polnischer Historikerstreit". Die Analogie zum "deutschen Historikerstreit" ist nicht zufällig. Den Vergleich forcierten diejenigen, die als HistorikerInnen an der Auseinandersetzung beteiligt waren und in der Allusion die Adelung der eigenen Kompetenz und des Streits selbst sahen, GROSS aber oft den Status eines Historikers absprachen: "Es ist eine Diskussion über Fakten unter Historikern, und nicht unter Politikern, Moralisten oder Publizisten, über die ein oder andere Interpretation" (JANKOWSKI 2002, S.5).9) [39]
ForscherInnen und KommentatorInnen, die die Position metakommunikativer ExpertInnen in der Debatte einnahmen, bemerkten jedoch, dass es gerade die deutliche Parteilichkeit dieser HistorikerInnen ist, die ihre Beteiligung an der öffentlichen Diskussion um Jedwabne durchdringt, während einzelne Medien ausgewählte HistorikerInnen quasi adoptierten, und zwar dann, wenn sie mit dem Profil des Mediums kompatibel waren (vgl. PACZKOWSKI 2001; PAZIŃSKI 2011). [40]
Die Figur GROSS war nicht Subjekt, sondern Objekt im Streit der HistorikerInnen. Die Konzentration auf das historiografische Handwerk des Autors und die Suggestion, er überschreite seine Kompetenzen als Kommentator bzw. maße sich den Status eines Historikers an, verwischt das Problem der Schuld der polnischen gegenüber der jüdischen Bevölkerung. GROSS' Diskreditierung geschieht im Bereich der kommunikativen Praktiken. In Polemiken wird er nicht als Historiker wahrgenommen. Vielmehr schmäht man ihn in rechtskatholisch orientierten Medien wie "Nasz Dziennik", "Gazeta Polska" oder "Najwyższy Czas!" unmissverständlich als "Amateur-Historiker", "Pseudohistoriker", "Lügenprofessor", "Publizist" oder "amerikanischer Provinzprofessor der Soziologie". In den gemäßigt-konservativen Medien wird GROSS als "Soziologe", "Politologe" oder "Professor" bezeichnet, doch man spricht ihm prinzipiell ab, Historiker zu sein. Dazu ein Beispiel:
"Hätte sich der Autor auf die Rolle des Historikers beschränkt, so hätten wir eine wichtige und in ihrem Kern wahre, wenn auch in vielen Punkten kontroverse Arbeit erhalten.
Doch leider ist Jan Tomasz Gross kein Historiker. Er ist Soziologe von Beruf und Publizist aus Leidenschaft. Und hier beginnt das Problem (...)" (KOZŁOWSKI 2006, S.8).10) [41]
Umgekehrt rechnen weder GROSS selbst noch Personen, die seine Thesen akzeptieren, den Autor eindeutig der Gruppe der HistorikerInnen zu. Vielmehr wird ihm der Status des "Intellektuellen" zugeteilt, der das Wissen und die Haltung polnischer HistorikerInnen examiniert. Auf der Ebene der nicht-diskursiven Praktiken fällt beispielsweise die Tendenz auf, GROSS im Fernsehstudio "anerkannten" HistorikerInnen konfrontativ gegenüberzusetzen oder aber ihn nicht zu Gesprächen einzuladen, an denen eben diese HistorikerInnen teilnehmen. Im Rahmen dieses Dispositiv-Typs entsteht also die Formation des Subjekts GROSS als Nicht-Historiker oder, unter seinen "AnhängerInnen", als Stimme des Gewissens der Historiker. [42]
Nicht-diskursiven Charakter haben auch zahlreiche Akte der Abneigung gegenüber Jüdinnen und Juden sowie GROSS. Es kommt zur Belagerung von Orten, an denen Autorenlesungen von GROSS stattfinden sowie zur Devastation von Gräbern und Denkmalen zum Gedenken an jüdische Opfer. Deutliche Reaktionen darauf sind die Gegenwart von Schutzpersonal bei öffentlichen Debatten, an denen GROSS teilnimmt, aber auch die Wiederherstellung von beschädigten oder zerstörten Erinnerungsorten. Ein Ausdruck langfristiger Nichtakzeptanz antisemitischer Praktiken ist dagegen das seit Jahren wachsende Interesse an der jüdischen Kultur und der Geschichte der polnischen Jüdinnen und Juden. [43]
Auf der Ebene der materiellen Objektivierungen sowie des Ungültigmachens sollte auf die in Polen verpflichtenden Geschichtslehrbücher hingewiesen werden. Nur fünf von acht analysierten Lehrbüchern für die weiterführenden Schulen, die nach 2001 veröffentlicht wurden, erwähnen das Verbrechen von Jedwabne, und in nur einem wird daran erinnert, welche Rolle GROSS bei seiner Besprechung spielte (DMITROW 2011, S.62). Es scheint, also könne auf der Ebene der Bildungseinrichtungen von Bezugnahmen auf Ereignisse, die GROSS in seinen Arbeiten anspricht, abgesehen werden. [44]
3.4 Das "moralistische" Dispositiv
Das "moralistische" Dispositiv organisiert dagegen die Ebene der moralischen Legitimation von GROSS' Thesen. Die Achse der Kontroverse ist hier das Recht des Autors GROSS auf öffentliche Äußerung zu heiklen Fragen in Bezug auf eine Gemeinschaft, der er vielleicht nicht mehr angehört, weil er seit Jahren in den Vereinigten Staaten lebt, aber einen polnisch-jüdischen Hintergrund hat. Die Biografie von GROSS wird ebenso kritisch beleuchtet wie seine Zeit als Oppositioneller und seine Gründe für die Emigration in die USA. Es kommt zu ethnisierenden Etikettierungen, die nicht nur auf seine Herkunft verweisen, sondern auch auf seine amerikanische Professur. Seinen Thesen werden mit denen anderer WissenschaftlerInnen aus dem Ausland konfrontiert. GROSS wird ein ethnisches Gegenmuster gegenübergestellt (der sogenannte "Anti-GROSS") – wie GROSS ein polnischer, im Ausland tätiger Historiker, der aber im Gegensatz zu GROSS über polnische Opfer und den polnischen Ruhm schreibt. Zum Inbegriff des Anti-GROSS wurde Marek Jan CHODAKIEWICZ, Autor des Buches "Po Zagładzie. Stosunki polsko-żydowskie 1944–1947" (2008) [Nach dem Holocaust. Polnisch-jüdische Beziehungen 1944–1947]. In seiner Monografie vertritt CHODAKIEWICZ die These, dass gegen Ende des Krieges und in der direkten Nachkriegszeit mehr PolInnen Opfer von jüdischen KommunistInnen geworden seien als Jüdinnen und Juden Opfer von PolInnen. Für die GegnerInnen von GROSS ist CHODAKIEWICZ der Beweis, dass man zugleich amerikanischer Wissenschaftler und ein "guter" polnischer Patriot sein kann. Im Ergebnis des Vergleichs wird GROSS als mediale Figur wahrgenommen, als unehrlich und darauf aus, viel Wirbel um seine Person zu machen: "Gross hat aufgehört, Wissenschaftler zu sein, und wurde zum Vertreter der Popkultur. Er wurde zu etwas wie Doda-Elektroda11)" (CHODAKIEWICZ & SOMMER 2008, S.7). Ein anderes Beispiel findet sich bei LISICKI (2011, S.1): "Gross ist ein raffinierter Schmeichler und Propagandist, mit Courage hat das nichts zu tun." [45]
Die BefürworterInnen von GROSS sehen in seiner ethnisch mehrfach besetzten (polnisch-jüdisch-amerikanischen) Identität einen Vorteil: "Das Gefühl der doppelten Identität hat großen Einfluss auf sein Schreiben. Dank ihr sieht Janek [GROSS] die Welt nicht eindimensional. Es scheint, als seien ihm die polnische und jüdische Identität gleich nahe" (Jan LITYŃSKI in PAWLICKA 2011, S.15-16).12) In dieser Argumentationsvariante wird GROSS' Fremdheit als Garantie für eine aufrichtige, objektive Erkenntnishaltung gesehen sowie als Bedingung für die Erfüllung seiner öffentlichen Mission, einen Wandel im kollektiven Gedächtnis der PolInnen herbeizuführen. [46]
Ich möchte nun auf einige der nicht-diskursiven Praktiken in der Debatte hinweisen. Hier ist beispielsweise der Akt der Verbrennung von Repliken der Scheune aus Jedwabne anlässlich des 69. Jahrestages des Mordes im Rahmen einer Performance des Künstlers Rafał BETLEJEWSKI zu nennen. Dieser Performance wohnten hunderte Schaulustige vor Ort und tausende FernsehzuschauerInnen an den Bildschirmen bei. Eine weitere materielle Objektivierung des Streits um das kollektive Gedächtnis ist auch eine zweite Aktion BETLEJEWSKIs, bei der auf den Häusern, in denen vor dem Krieg polnische Jüdinnen und Juden wohnten, die Aufschrift "Du fehlst mir, Jude" angebracht wurde. Die gegenwärtigen BewohnerInnen der Häuser wurden vor dem Hintergrund des Schriftzuges fotografiert. Zur materiellen Objektivierung zählen aber auch die Slogans und Transparente von GROSS' GegnerInnen, auf denen er antipolnischen Handelns beschuldigt wurde, sowie die Personenschützer, die ihn zu Autorenlesungen begleiten. [47]
Der wesentliche Aspekt des moralistischen Dispositivs ist das Ungültigmachen bzw. die unzureichende Auseinandersetzung beider Parteien mit der Frage nach der Diagnose, den Ursachen und den Konsequenzen des Antisemitismus in Polen. Statt von den unterschiedlichen Weltanschauungen der PolInnen zu sprechen, ist die Rede von den Mäandern der polnisch-jüdischen Beziehungen, wodurch alte Vorurteile kopiert werden: Es sind die Vorstellung von Jüdinnen und Juden als Gruppe und von dem "Juden Jan Tomasz GROSS" als ihrem Repräsentanten, die als vermeintliche Wurzel des polnischen Antisemitismus wahrgenommen werden. In diesem Zusammenhang möchte ich an eine Aussage HABERMAS (1993) in der "Asyldebatte" erinnern, als dieser kritisierte, man sehe die Ursache für den Hass junger Rechtsextremer gegenüber AusländerInnen oft in den Fremden selbst, und den Grund für die Polarisierung des Streits eher im Verhalten der Polizei gegenüber den ExtremistInnen als in dem der ExtremistInnen. [48]
Die polnische Debatte um GROSS' Bücher führte nicht zu eindeutigen Ergebnissen, sondern stattdessen zur Verfestigung der ursprünglichen Haltungen und zur zunehmenden Unlust am Thema in der breiten Öffentlichkeit. Man darf vermuten, dass das Dispositiv des kollektiven Gedächtnisses eine Art Foucaultsches Sicherheitsdispositiv ist. Sein besonderes Merkmal war nämlich seine Fähigkeit dazu, problematische Erscheinungen nicht als Ergebnis eines von oben oktroyierten Verbots zu annullieren, sondern vielmehr zur "Selbst-Annullierung" zu führen. Dieses Phänomen ist das Resultat der regulierenden Normalisierung, der der öffentliche Krisenzustand unterzogen wird (FOUCAULT 2006, S.102f.). [49]
Trotzdem sind die Grenzen des öffentlichen Raums nach dem Streit um das kollektive Gedächtnis andere als die, die vor der Debatte verpflichtend waren. Wie ein Bumerang kehrt daher eine sozusagen Habermassche Frage zurück: Können Diskussionen wie diese einen produktiven und freiheitlichen Charakter haben? [50]
4. GROSS und GOLDHAGEN aus der Perspektive von HABERMAS
Versucht man, auf die Frage nach der produktiven und konstruktiven Dimension öffentlicher Auseinandersetzungen um die "beschämende" Vergangenheit der eigenen Volksgruppe zu antworten, ist es hilfreich, an eine weitere Debatte zu erinnern. Diese hatte einen ähnlichen Ausgangspunkt wie der polnische Streit um GROSS, und sie zeichnete sich auch durch eine ähnliche, zum Großteil durch die Medien angeheizte Dynamik aus. [51]
Die Debatten um die Monografien von Jan T. GROSS werden gelegentlich mit dem Streit um Daniel GOLDHAGENs "Hitlers willige Vollstrecker" (1996) verglichen. Ähnlich wie bei "Angst" waren es monokausale Erklärungen der Verbrechen im Dritten Reich, die öffentliche Kontroversen weckten. Für GOLDHAGEN waren die grundlegenden Ursachen, die zum Faschismus und zum Holocaust führten, der Antisemitismus der Deutschen (als Monolith und als fortlaufendes Denken über Jüdinnen und Juden vom Mittelalter bis in die Gegenwart verstanden) und das Deutschtum als unabdingbarer Nährboden für die Entwicklung der Ideologie. In dieser Argumentation scheint der Antisemitismus ein "kulturell-kognitives Modell" (S.65) zu sein, historisch verwurzelt in der deutschen Gesellschaft. Wie GROSS in "Angst" und "Goldene Ernte" wirft GOLDHAGEN der Kirche Antisemitismus vor. Anders als dieser greift GOLDHAGEN darüber hinaus auch die Intellektuellen an (GROSS brandmarkt vor allem den ländlichen Antisemitismus). [52]
In Deutschland erhielt der historiografische Aspekt der Debatte um "Hitlers willige Vollstrecker" die Bezeichnung "neuer Historikerstreit", in den sich unter anderem Norbert FREI (1996), Hans MOMMSEN (1998) und Hans-Ulrich WEHLER (1996) einschalteten. ForscherInnen und KommentatorInnen, die die deutsche Debatte analysierten, merkten an, dass GOLDHAGENs Biografie zum bedeutenden, manchmal auch zum entscheidenden Kriterium bei der Bewertung seines Werks gemacht wurde, also der Fakt, dass er der Sohn eines jüdischen Überlebenden von Ausschwitz ist (ELEY 2000). Man suggerierte, ein solches Erbe mache "Hitlers willige Vollstrecker" zur subjektiven, emotional markierten Äußerung, ja zu einer Art Vergeltung an der Gesellschaft, aus der die Folterknechte von GOLDHAGENs Vaters stammten – kurz, man sprach der Monografie ihren historiografischen Wert ab (SHANDLEY 2001, S.6ff.). [53]
Der symbolische Abschluss dieses Teils der Debatte war die Ehrung GOLDHAGENs mit dem Demokratiepreis 1997 – ein viel kommentiertes, nicht unumstrittenes Ereignis. Der Demokratiepreis wird verliehen durch die "Blätter für deutsche und internationale Politik". Die Laudatio hielt Jürgen HABERMAS,13) der die Preisverleihung folgendermaßen kommentiert: "Der performative Sinn der Preisverleihung besagt, dass die öffentliche Resonanz, die Buch und Autor in der Bundesrepublik gefunden haben, ebenso verdient wie begrüßenswert ist" (1998, S.47f.). Nicht die Zahl der verkauften Exemplare belege die Bedeutung von "Hitlers willige Vollstrecker", sondern die Aufmerksamkeit der BürgerInnen, die die Monografie auf sich konzentrieren konnte. GOLDHAGEN greife, so HABERMAS, für die Gesellschaft wichtige Fragen auf, die sich sowohl an HistorikerInnen als auch an die breite Öffentlichkeit richteten. Die Antworten, die er anbiete, seien wertvoll, auch wenn sie diskussionswürdig seien, weil sie die öffentliche Arena der kritischen Reflexion der BürgerInnen über die eigene Vergangenheit stimulierten und aus der Perspektive eines bestimmten politischen Gemeinwesens seinen moralischen und juristischen Diskurs vollziehen konnten. HABERMAS sieht auch den produktiven Aspekt der Diskussion um GOLDHAGENs Monografie. Trotz Unterschieden in den Positionen verbinde die HistorikerInnen ein gemeinsamer Ausgangspunkt: Sie sähen GOLDHAGENs Thesen als wichtigen, diskussionswürdigen Beitrag (HABERMAS 1998, S.47ff.). [54]
GROSS dagegen wird in der polnischen Öffentlichkeit immer noch sehr emotional betrachtet – als "Landsmann", der seine Heimat verraten hat. In diesem Fall wurde die historiografische Dimension der Debatte durch die moralistische Dimension dominiert (anders in der GOLDHAGEN-Debatte – hier waren beide Dimensionen gleichermaßen vertreten). Dabei muss jedoch der spezifische Kontext der polnischen Debatte berücksichtigt werden. Da mit dem Angriff auf Polen der Zweite Weltkrieg begann und Polen die Konsequenzen dieses Krieges noch 45 Jahre lang im kommunistischen System spürte, erscheint der Gesellschaft die Erinnerung daran, dass PolInnen durchaus MittäterInnen am jüdischen Leiden sein konnten, wie der Versuch, das eigene Leid zu verringern, und der gesamte Streit wie ein Nullsummenspiel um "wir" oder "sie". Deshalb tritt im Streit um GROSS die konstruktive BürgerInnendebatte hinter den personalisierten und ethnisierten Konflikt zurück, der nicht nur im öffentlichen Diskurs ausgetragen wird, sondern auch im Bereich der nicht-diskursiven medialen und sozialen Praktiken. [55]
Die Debatte um GROSS' Bücher ebbt schrittweise ab. Die Medienökonomie und ein Überdruss der Öffentlichkeit an historischen Themen bewirken, dass das Problem des Wandels im polnischen kollektiven Gedächtnis in den Hintergrund tritt und ein ungelöstes Problem bleibt. Es ist zu wenig Zeit vergangen, um den gesellschaftlichen Wandel im Verhältnis zur eigenen Vergangenheit zu analysieren. Mit FOUCAULT könnte man auch sagen, dass der Wandel, selbst wenn er eintritt, zum Produkt des das Individuum subtil unterwerfenden Apparats der gesellschaftlichen Macht wird. Auch das Fehlen eines Wandels und des Interesses an Problemen, auf die sich die Debatte konzentrierte, wird der langfristige Effekt des Sicherheitsdispositivs sein, denn derartige Mechanismen eignen sich den gesamten öffentlichen Raum an und führen zur "Selbst-Annullierung" der problematischen Phänomene. HABERMAS dagegen argumentiert, dass der Prozess des Wandels des historischen Bewusstseins nicht auf organisierte Weise initiiert und durchgeführt werden könne, er ließe sich institutionell höchstens stimulieren: "Wie wir Schuld und Unschuld im historischen Rückblick verteilt sehen, spiegelt auch die Normen, nach denen wir uns gegenseitig als Bürger dieser Republik zu achten willens sind" (1998, S.60). Die historische Debatte setzt hiernach also nicht die Produktionsmechanismen des strategischen Wissens in Gang, sondern ermöglicht das Entstehen eines Raums für politische Diskussionen bzw. eines Raums, in dem gesellschaftlich relevante Probleme diskutiert werden. [56]
Trotz der weitreichenden Unterschiede, die die Ansätze von FOUCAULT und HABERMAS im Hinblick auf das kollektive Gedächtnis, die Demokratie und öffentliche Debatten voneinander trennen, lohnt es sich, sie stets aufs Neue miteinander zu konfrontieren und sie aufeinander zu beziehen. So bleiben Forschende nicht bei der Diagnose stehen, sondern können die Dynamik von Auseinandersetzungen um das kollektive Gedächtnis und die sie regierenden Prozeduren rekonstruieren. Die Foucaultsche Perspektive sensibilisiert für die Begrenzungen solcher Streits, für die Generierung von Brüchen und Vereinfachungen im Streitverlauf sowie im Resultat für die Reglementierung des Diskurses des kollektiven Gedächtnisses. HABERMAS' Sichtweise wiederum geht über die Frage nach der Diagnose hinaus und wendet sich einer normativen Vorstellung der öffentlichen Kommunikation zu. Sie fragt danach, wie das kollektive Gedächtnis und die öffentliche Debatte einander determinieren bzw. welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit öffentliche Krisen des kollektiven Gedächtnisses (also die Rivalität zwischen verschiedenen Vergangenheitsvisionen und Streit um die rechtsgültige Form der kollektiven Identifikation mit der Geschichte) konstruktiven Charakter für die gegenwärtige Demokratie gewinnen können. Dabei gilt es zu beachten, dass man nicht automatisch die Perspektive FOUCAULTs neben die von HABERMAS stellt bzw. die von ihnen benutzten Begriffe in einem Atemzug nennt, da sie auf unterschiedlichen Annahmen über die gesellschaftliche Realität basieren (vgl. dazu ALLEN 2009; CZYŻEWSKI 2013). Es scheint, dass diese beiden einander entgegengesetzten Ansätze in Untersuchungen zum kollektiven Gedächtnis vielmehr einen deutlichen, polemischen Kontrapunkt bilden können. Positioniert man sich diesem gegenüber reflektiv, so wird möglicherweise die Distanzierung sowohl gegenüber radikal kritischen als auch gegenüber kontrafaktischen Forschungsperspektiven erleichtert. [57]
Ungeachtet der Frage, welche der beiden Sichtweisen einzunehmen ist, scheinen Debatten um das kollektive Gedächtnis ein Prüfstein für moderne Demokratien und Mediokratien zu sein. Einerseits spräche die dominante Rolle von Mechanismen, die Auseinandersetzungen normalisieren, dafür, dass FOUCAULTs Zugang den öffentlichen Umgang mit der Vergangenheit besser erklären kann. Andererseits aber antworten weder FOUCAULT noch HABERMAS zufriedenstellend auf die Frage danach, was sich an den Rändern der Debatte tut. Sind auch diejenigen, die sich nicht an der Diskussion beteiligen und sich keine Meinung zum Diskussionsgegenstand bilden, ein Element des Dispositivs? Profitieren auch sie von den eventuellen produktiven Ergebnissen der Auseinandersetzung? Eine Antwort auf diese Fragen, die immerhin die Mehrheit der Bevölkerung betreffen, wäre für WissenschaftlerInnen sehr wertvoll. [58]
Ich bedanke mich herzlich bei Marek CZYŻEWSKI für hilfreiche Kommentare und Hinweise.
1) Übersetzung aus dem Polnischen von Yvonne BELCZYK-KOHL. <zurück>
2) Mit FOUCAULT (1992, S.39) "ist wohl anzunehmen, dass (...) Macht und Wissen einander unmittelbar einschließen; dass es keine Machtbeziehung gibt, ohne dass sich ein entsprechendes Wissensfeld konstituiert, und kein Wissen, das nicht gleichzeitig Machtbeziehungen voraussetzt und konstituiert". Über die Kategorie Wissen werden bestimmte Inhalte gesellschaftlich als Element von Wissen legitimiert, andere dagegen als Nicht-Wissen delegitimiert. Wissen bedeutet Macht sowie die Kontrolle über das gesellschaftlich Akzeptierte und Nicht-Akzeptierte. Aus diesem Grund sprich FOUCAULT von Macht/Wissen. <zurück>
3) Er hatte sowohl linke Studierenden- und ArbeiterInnenbewegungen (und in den 1980er Jahren die Solidarność) als auch zuvor die Revolution im Iran aktiv unterstützt. <zurück>
4) Die genannten Positionen, d.h. der Dokumentarfilm und die erwähnten Bücher, thematisieren Zeugnisse antisemitischer Haltungen, darunter auch die Auslieferung von Jüdinnen und Juden an FaschistInnen während der Okkupation Frankreichs durch das Dritte Reich. Die Werke lösten in Frankreich eine Debatte um die moralische Beurteilung der Kriegsvergangenheit der Franzosen und Französinnen aus. <zurück>
5) Mit dem Begriff "Historikerstreit" wird eine öffentliche Debatte zwischen 1986 und 1988 bezeichnet, in der vor allem über die historische Einzigartigkeit des Holocaust sowie die Bedeutung der Zeit des Dritten Reiches für die deutsche kollektive Identität diskutiert wurde. Teilnehmer an der Debatte waren deutsche Historiker und Intellektuelle, u. a. Ernst NOLTE, Jürgen HABERMAS, Hans-Ulrich WEHLER, Hans MOMMSEN und Joachim FEST. <zurück>
6) Zu den Symbolen des nationalen MärtyrerInnentums gehören u.a. Lieder, Fahnen, Denkmäler zur Erinnerung an Nationalhelden, Feierlichkeiten zum Gedenken an Kriegsopfer, Gefallenengräber oder historische Kampfstätten bzw. Sterbeorte von Angehörigen der eigenen ethnischen Gruppe, die häufig zu Museen umgestaltet oder deren Fläche bzw. Raum BesucherInnen zugänglich gemacht werden. <zurück>
7) Die von CHARMAZ (2006) vorgeschlagene Prozedur des Kodierens unterscheidet sich von der klassischen Konzeption von STRAUSS, die das offene, axiale und selektive Kodieren umfasst (vgl. STRAUSS 1991; siehe auch MEY & MRUCK 2011, S.38ff.) <zurück>
8) Im Original: "Od powstania 'Solidarności' nie informowano tak intensywnie w Niemczech o żadnym wydarzeniu w Polsce: w ostatnich miesiącach przez niemieckie media przetoczyła się fala publikacji, poświęconych pogromowi w Jedwabnem i polskiej debacie wokół książki 'Sąsiedzi' Jana Tomasza Grossa. A głosy te oraz niemiecka edycja książki Grossa sprowokowały nawet niemiecko-niemiecki spór: czy i jak pisać o antysemityzmie w Polsce i innych krajach?" <zurück>
9) Im Original: "Jest to dyskusja historyków o faktach, a nie polityków, moralistów czy publicystów o takich czy innych interpretacjach." <zurück>
10) Im Original: "Gdyby autor ograniczył się do roli historyka, otrzymalibyśmy pracę ważną i choć zapewne w wielu momentach kontrowersyjną, to przecież w swym zasadniczym zrębie prawdziwą.
Niestety. Jan Tomasz Gross nie jest historykiem. Z zawodu jest socjologiem, a z pasji publicystą. I w tym miejscu zaczyna się problem (...)." <zurück>
11) Im Original: "Gross przestał być naukowcem, a stał się przedstawicielem kultury popularnej, kimś jakim jak Doda-Elektroda." Doda-Elektroda ist das Pseudonym einer in Polen populären Popsängerin, die vor allem mit dem Mittel der Provokation arbeitet. <zurück>
12) Im Original: "To poczucie podwójnej tożsamości ma istotny wpływ na jego pisarstwo. Dzięki niemu Janek [GROSS] nie postrzega świata jednowymiarowo. Wydaje się, że tożsamość Polaka i Żyda stały mu się jednakowo bliskie." <zurück>
13) HABERMAS prangert seit den 1960er Jahren das autoritäre Unterfutter von irrationalen Haltungen an, die mit Gewalt und Emotionen auf abweichende Weltanschauungen antworten (bspw. 1993). Zugleich spricht er ihnen zwar das Potenzial der direkten positiven Umgestaltung der Öffentlichkeit ab, doch er erkennt in den in Emotionen kumulierenden Debatten auch deren indirekte Rolle bei der Objektivierung gesellschaftlich relevanter Themen und Erscheinungen. <zurück>
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Magdalena NOWICKA, Dr. phil., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung für Soziale Kommunikation an der Universität Lodz. In ihrer Dissertation beschäftigte sie sich mit öffentlichen Debatten über das kollektive Gedächtnis und mit der Rolle der Intellektuellen in der Öffentlichkeit. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Post-Foucaultsche Diskurstheorie und -forschung, Mediendiskursanalyse und die diskursive Konstruktion des Fremden.
Kontakt:
Magdalena Nowicka
Abteilung für Soziale Kommunikation
Institut für Soziologie
Universität Lodz
Rewolucji 1905 r. nr 41
90-214 Lodz, Polen
Tel.: +48 42 635-52-52
Fax: +48 42 635-53-09
E-Mail: m.a.nowicka@tlen.pl
URL: http://www.eksoc.uni.lodz.pl/is/nowicka.html
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Krisenzustand. Zwischen Habermas und Foucault [58 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 15(2), Art. 15,
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs1401228.