Volume 8, No. 1, Art. 8 – Januar 2007
Rezension:
Rudolf Schmitt
Nicole Hroch (2005). Metaphern des Umweltmanagements. Marburg: Tectum Verlag, ISBN 3-8288-8856-9, 250 Seiten, 24.90 €
Zusammenfassung: Die metaphernanalytische Studie von Nicole HROCH untersucht als Teilbereich betriebswirtschaftlichen Denkens und Handelns die Rolle des Umweltmanagements in Betrieben anhand von Interviews und theoretischen Texten. In einer Hauptuntersuchung, drei Teilstudien und zwei Fallstudien wird eine Fülle von Einsichten entwickelt, welche metaphorischen Strukturierungen das unternehmerische Handeln beeinflussen. Davon lassen sich für zukünftige Arbeiten methodische Überlegungen für die Definition von Metaphern, das Sampling und für Gütekriterien ableiten.
Keywords: Metaphernanalyse, Umweltmanagement
Inhaltsverzeichnis
1. Darstellung
1.1 Metapherntheorien und betriebswirtschaftliche Metaphernanalysen
1.2 Empirischer Teil
1.3 Fazit der empirischen Studie
2. Kommentar
Rezensenten können nicht immer für alle Themen der besprochenen Texte zuständig sein – für den Autor der folgenden Zeilen ist die wirtschaftswissenschaftliche Frage nach Stellung des Umweltmanagements im Kontext von Betriebswirtschaft und unternehmerischer Praxis ein unvertrautes Thema. Im Kontext der auf Forschungsmethoden orientierten Zeitschrift FQS liegt daher der Schwerpunkt der folgenden Rezension auf dem forschungsmethodischen Ertrag der metaphernanalytischen Dissertation von Nicole HROCH. [1]
1.1 Metapherntheorien und betriebswirtschaftliche Metaphernanalysen
Nach einer den Kontext der Arbeit vorstellenden Einleitung wird die Forschungsfrage in einer ersten Näherung bestimmt: In welchem Maß geht von Metaphern eine handlungsleitende Wirkung für das Umweltmanagement und das Unternehmen aus? [2]
Die Autorin gibt zunächst einen dreißig Seiten umfassenden Überblick über die bisherigen Theorien der Metapher, von ARISTOTELES (Vergleichs- und Substitutionstheorie der Metapher), über RICHARDS und BLACK (Interaktionstheorie) und WEINRICHs Bildfeldtheorie hin zur kognitiven Metapherntheorie nach LAKOFF und JOHNSON, deren Kritiken und Weiterentwicklungen. Eine Übersicht über die (widersprüchlichen) Typologien von Metaphern und eine Sammlung von Funktionen von Metaphern für die Wissenschaft runden diesen Teil ab. [3]
Ein ebenfalls knapp dreißigseitiges Kapitel diskutiert die Rolle von Metaphern in der Betriebswirtschaftslehre. Zunächst erfolgt eine Übersicht über vorhandene Studien, dann werden die umfassendsten Ansätze von MORGAN (eine Typologie von Unternehmensmetaphern) und CLANCY (eine historische Untersuchung zum Sprachgebrauch von Unternehmern) einander gegenübergestellt. Die Autorin diskutiert die aus beiden entnommenen, bisher für zentral gehaltenen Metaphern: Unternehmen als Maschine, Organismus, Kultur, Politik, Gehirn, psychisches Gefängnis, Fluss und Wandel, Machtinstrument, Reise, Spiel und Krieg. Anschließend werden beide (insbes. MORGAN) auf ihre begriffliche Klarheit und empirische Fundierung hin kritisiert; die Differenzen zwischen MORGAN und CLANCY zeigen sich als Problem einer unzureichenden empirischen Methodik. CLANCYs Übersicht von typischen metaphorischen Modellen ab 1770 zeigt eine epochenspezifische Verwendung von Modellen – ein Hinweis, der an die bibliometrisch-metaphernsuchenden Ansätze von MAASEN und WEINGART (2000) erinnert. [4]
Das vierte und knapp siebzig Seiten umfassende Kapitel stellt die erste Studie der Autorin dar. Ihre Forschungsfragen werden hier präzisiert: Welche Metaphern werden zur Strukturierung der einzelnen Themenbereiche des Umweltmanagements herangezogen? Welche Sichtweise auf das Umweltmanagement wird damit entwickelt, welche Aspekte werden hervorgehoben, welche treten in den Hintergrund? Welche Folgerungen ergeben sich daraus für die Ausgestaltung des Umweltmanagements im Unternehmen? [5]
Zur Auswertung stützt sich die Autorin auf nicht weniger als 38 halbstrukturierte Interviews, die, um die Menge zu bewältigen, selektiv transkribiert wurden; dazu kommen als zweite Materialquelle theoretische Literatur zum Umweltmanagement, DIN-Normen zur Implementation desselben und andere bereichstypische Materialien. Hier wählt HROCH aus über 1.000 Seiten in neun Quellen knapp 600 Seiten aus. Die Autorin stützt sich auf eine frühe Formulierung der systematischen Metaphernanalyse, konzentriert sich dabei auf Wortmetaphern (Lexem-Metaphern), legt Zielbereiche – von ihr "Analyseeinheiten" genannt – der Metaphernanalyse fest (Motivation zum Umweltmanagement, Rolle des Umweltverantwortlichen etc.) und skizziert kurz die Bildung von Metaphernmodellen. Das ist der schwierigste Schritt – hier könnten längere Beispiele zum Verständnis helfen. Als Gütekriterium diskutiert sie die Inter-Coder-Reliabilität mit der Gegenprobe der Metaphernerkennung durch einen Linguisten; als "kumulative Validität" beschreibt sie eine kommunikative Validierung der Interpretationen innerhalb des Projektteams. [6]
Bevor sie die für die UnternehmerInnen typischen Metaphern für den noch jungen Bereich des Umweltmanagements darstellt, beschreibt die Autorin eine Metaphorik, die außerhalb des Umweltmanagements vorkommt, und stellt damit den sozialen Gegenhorizont der Interpretation vor: Vor allem in Massenmedien wird Umwelt vor allem als "Patient", als "kranke" Umwelt gesehen, in deren Komplexität kaum förderlich und vor allem schädigend eingegriffen wird. Demgegenüber stellt "Umweltmanagement" selbst eine gegensätzliche Metapher dar, in der Umwelt das Objekt planenden Handelns und Eingreifens ist. [7]
Die in den Unternehmen deutlich zu rekonstruierenden metaphorischen Konzepte lauten: Das Umweltmanagement ist a) ein Bauwerk, b) eine Maschine, c) ein Organismus, d) ein Netz und e) ein Weg. Diese metaphorischen Konzepte und ihre Implikationen werden dargestellt für die einzelnen Bereiche: Implementierung des Umweltmanagements, Rolle desselben, seine Organisation, Rolle der Unternehmensführung, der MitarbeiterInnen und KundInnen, jeweiliges Highlighting/Hiding (Hervorhebung und Verbergen von Sinnzusammenhängen) des rekonstruierten metaphorischen Konzepts, Motivation zum Umweltmanagement sowie Rolle des/der Umweltverantwortlichen. Nicht alle dieser Auswertungseinheiten werden von allen metaphorischen Konzepten strukturiert. [8]
In einem weiteren Schritt werden Kombinationen dieser Metaphoriken gezeigt und ebenso, wie sich Nachteile einzelner Metaphoriken durch den Gebrauch unterschiedlicher und vor allem komplexerer Konzepte ausgleichen lassen (z.B. die Metaphorik der Spirale statt der des Wegs). Es gibt auf der Konzeptebene keine Unterschiede zwischen den Metaphern der Interviews und den Metaphern der theoretischen Texte – die "blumigeren" Interviews ergeben kein weiteres metaphorisches Modell. [9]
Die Analyse führt zu einer ersten empirischen Selbstkritik: Zum einen strukturieren die meisten metaphorischen Konzepte nicht nur das Umweltmanagement, sondern immer auch das Unternehmen. Zum anderen nivellieren die gebildeten Konzepte große Bedeutungsdifferenzen: So verdunkelt das metaphorische Konzept, dass z.B. das Unternehmen ein Organismus und das Umweltmanagement ein Teil davon sei, die deutlich divergenten Bedeutungsgebungen, ob das Umweltmanagement nun als "Herz" oder als "Kropf" des Unternehmens gesehen wird (S.131). Das Konzept des Organismus ist hier zu unspezifisch (diese Überlegung wird von der Autorin auf Seite 196 wieder aufgenommen – die Rezension geht auf diesen Befund noch einmal ein). Spannender wird nun für die Autorin, wie sich denn das Umweltmanagement zu dem Rest des Unternehmens verhält – diese spezifizierte Forschungsfrage ist Anlass zu weiteren Detailstudien der nächsten Kapitel. [10]
Dazu führt die Autorin drei Teiluntersuchungen durch, einen Vergleich mit metaphernanalytischen Arbeiten aus anderen Bereichen, einen quantitativen Metapherntest und eine Feinanalyse des Zielbereichs des Verhältnisses von Umweltmanagement und Betrieb.
HROCH unternimmt zunächst einen systematischen Vergleich mit den Befunden anderer metaphernanalytischer Arbeiten aus anderen Bereichen. Auf der Ebene allgemeiner Konzepte fallen die Metaphern des Umweltmanagements nicht auf, sie kommen auch anderweitig vor – allerdings hätte, so der Rezensent, das Fehlen von anderweitig vorkommenden Modellen geholfen, die Spezifik dieses Bereichs einzuschätzen. Jedoch ist die Reflexionsfolie, welche die Autorin hier entwickelt, begrüßenswert und sehr nahe an einer Überlegung, die BOHNSACK für die dokumentarische Methode formuliert: Es ist für eine sozialwissenschaftliche Interpretationen notwendig, einen "Gegenhorizont" (BOHNSACK 2003a, S.137) zu etablieren, vor dessen Hintergrund die Gestalt des zu untersuchenden Phänomens erst deutlich wird.
Um die Stellung des Umweltmanagements im Unternehmen zu erhalten, legt HROCH den Befragten einen quantitativ orientierten Fragebogen vor, in dem unterschiedliche Wertigkeiten für bestimmte metaphorische Konzepte, getrennt nach Umweltmanagement und Unternehmen, angekreuzt werden sollen. Die stärkste Differenz ergibt sich bei der vorgegebenen Metapher des "Ordnungshüters", die für das Umweltmanagement sehr viel stärker als für das Unternehmen bejaht wird, ein erstes Indiz für die nicht ganz unproblematische Stellung des Umweltmanagements in Betrieben.
Davon angeregt unternimmt die Autorin eine erneute Analyse der Interviews, beschränkt sich aber nun als Zielbereich auf die Metaphern, die das Verhältnis von Umweltmanagement und Betrieb beschreiben. Und dieser spezifizierten Analyse sind neue Bilder zu verdanken: Das Verhältnis von Umweltmanagement und Unternehmen wird als Krieg, als Weg mit Hindernissen, als Abwägungs- und Gleichgewichtsprozess, als Spiel und als Spannung geschildert. Der Konflikt, der in den zunächst zu allgemein gebildeten metaphorischen Konzepten kaum zu finden war, wird nun offensichtlich. In fast allen Metaphern sind dichotome Muster zu entdecken, was die prekäre Stellung des Umweltmanagements in den Betrieben verdeutlicht. Die anschließende Diskussion gibt erste Anregungen, wie diesem Zustand begegnet werden kann. [11]
Der Handlungsleitung von Metaphern in Unternehmen sind weitere 26 Seiten gewidmet: Zwei vertiefende Fallstudien entwickeln anhand der zentralen metaphorischen Modelle den jeweiligen mentalen Mikrokosmos und seine bildgesteuerte Logik; dazu werden nicht-metaphorische Aussagen der InterviewpartnerInnen, Feldnotizen und Beobachtungen während der Interviews (Raumgestaltung u.ä.), biografische Daten der Befragten und Materialien aus der Unternehmenskommunikation (Geschäftsberichte) etc. einbezogen. Das Ergebnis sind spannende (und in einem Fall beklemmende) "dichte Beschreibungen" (die Autorin nutzt den Terminus von GEERTZ nicht). Diesen Teil hatte die Autorin schon an anderer Stelle publiziert, dort wurden die Fallbeispiele auch schon besprochen (SCHMITT 2005a). In einem Fall war das Unternehmen eine Maschine, das Erreichen von Unternehmenszielen war Sport, Planung und Umsetzung waren Kampf. Die metaphorischen Konzepte ließen sich als Muster der biografischen Sinngebung wie der Gestaltung des Lebenskontextes sowohl im Interview wie auf der Ebene der Handlungspraktiken finden – bis hin zu irritierenden Details von Fotos auf dem Tisch eines Unternehmers und einem verschleißenden Umgang mit MitarbeiterInnen. Im zweiten Beispiel metaphorisierte der Unternehmer seinen Betrieb als Organismus und als Familie und sorgte sich um deren Wohlgefühl. HROCH kann zeigen, dass die Unternehmer mehrere metaphorische Konzepte verwenden, die sich jedoch jeweils ergänzen; keiner verwendet wirklich sich ausschließende oder komplementäre Konzepte. Wie die Autorin später (S.185) andeutet, handelt es sich in dieser Klarheit eher um Extremtypen; bei den anderen Befragten war eine solche Bezogenheit des Handelns auf wenige metaphorische Modelle weniger deutlich zu rekonstruieren.1) [12]
1.3 Fazit der empirischen Studie
Das letzte, zwölfseitige Kapitel bündelt zunächst Resultate für die Analysen von Metaphern: Die Autorin sieht eine Relativierung der Wichtigkeit der zunächst genannten allgemeinen Konzepte für Unternehmen, weil diese auch in anderen Bereichen gebraucht würden. Sie kehrt auf die Überlegung BALDAUFs zurück, mehr Genauigkeit durch "abstrakte Subkonzepte" zu gewinnen. Auch betont sie, dass Fragestellungen, die mit der Metaphernanalyse beantwortet werden sollen, einigermaßen spezifisch sein sollten. Für das Umweltmanagement ergibt sich, neben den bereits diskutierten Vor- und Nachteilen der einzelnen Metaphern, dass es keine zentrale Metapher gibt und dass insbesondere für die Implementation des Umweltmanagements in Unternehmen auf eine Passung der Metaphern von Umweltmanagement und Betriebskultur geachtet werden muss. Wenn auch die Metaphernreflexion zunächst die Aufgabe der (Betriebs-) Wissenschaft sei, so ist die Sensibilisierung für Erträge und Schattenseiten metaphorischer Sprache eine wissenschaftspraktische Aufgabe und es sollte versucht werden, die entsprechenden MultiplikatorInnen in den Betrieben zu erreichen. [13]
Zunächst ist hervorzuheben, dass die vorliegende Arbeit einen neuen Bereich für systematische Metaphernanalysen erschlossen, die bisher vorhandenen Studien breit gesammelt, auch entlegen erscheinende Literatur rezipiert und zentrale metaphernthematisierende Werke aus der Betriebswirtschaft differenziert und kritisch gewürdigt hat. Die umfassende und doppelte Materialerhebung der Hauptstudie (Interviews und theoretische Texte) lässt sicher gehen, dass der Bereich ausgeschöpft ist. [14]
Spannend sind vor allem die drei kleinen Zusatzstudien, welche die zunächst gewonnenen Konzepte und deren Einschätzung entscheidend differenzieren – hier lässt die Dissertation an einer empirischen Sensibilität teilhaben, die das Ungenügen an früheren Stadien der Auswertung ertragreich wendet. Neu und nachahmenswert sind für metaphernanalytische Fallstudien der Einbezug von Feldbeobachtung und Details des sozialräumlichen Kontextes zusammen mit biografischen Daten. [15]
Weiterführende Diskussionen lassen sich an diese Arbeit anknüpfen – weniger, dass sie schon in der Arbeit hätten geleistet werden können, sondern vielmehr in dem Sinn, dass mit dieser Arbeit zukünftige Aufgaben von Metaphernanalysen deutlicher werden.
Die Rekonstruktion valider metaphorischer Konzepte in sozialwissenschaftlicher Perspektive erweist sich als Prüfstein zukünftiger Metaphernanalysen. Hier zeigt die Autorin sehr schön mit ihrer Überwindung und Differenzierung der zunächst gefundenen sehr allgemeinen metaphorischen Modelle, dass eine Frühzeit der Metaphernanalysen beendet ist, in der die Dokumentation der inzwischen bekannten, kulturell üblichen und sehr allgemeinen metaphorischen Konzepte noch Wesentliches zum Wissensstand beigetragen hat. Damit ist auch eine Abkehr des Interesses von der Diskussion der allgemeinen linguistischen Konzepte nach LAKOFF und JOHNSON verbunden – nun interessieren sozialwissenschaftliche Feinanalysen, die auch BALDAUFs Vorschlag der Bildung abstrakter Subkonzepte erübrigen durch materialadäquate Konzeptbildungen. Mit der Spezifizierung der Forschungsfragen und der Forschungskontexte, wie sie auch von der Autorin gefordert wird (S.194), sind die Analysen großer Textkorpora kaum noch vereinbar. Nach dem Staunen über die unglaublichen Textmengen, die in anderen Studien genutzt werden (KOLLER 2005, WAGNER 2003, MAASEN & WEINGARTEN 2000), ist man dort beim Lesen enttäuscht, dass die Analyse und Rekonstruktion von Konstrukten an der Oberfläche, d.h. den von LAKOFF und JOHNSON schon bekannten und sehr allgemeinen und kulturell üblichen metaphorischen Modellen stehen bleibt. Darüber hinaus sind bei solchen Textvolumina Reduktionsprozesse notwendig, welche, vor allem, wenn sie mit Suchalgorithmen mit Hilfe von Computern vorgenommen werden, ganz eigene Selektionsgefahren bergen – hier können nur die metaphorischen Strukturierungen erkannt werden, die man schon vorher kannte und deren Kenntnis in die Programmierung der Suchbegriffe und -algorithmen einfloss: Über selbstbestätigende Allgemeinheiten ist so nur schwer hinauszukommen (von der Autorin auf Seite 139 gut pointiert). Diesen Schwierigkeiten kann mit einem intelligenten Sampling tatsächlich relevanter Materialien, einer nicht an der Wortebene verharrenden Definition von Metaphern und einer sorgfältig am Material probierenden Konzeptbildung begegnet werden.
Die Definition von Metaphern auf der Wortebene (Lexem-Metaphern) wird von LAKOFF und JOHNSON sehr oft vorgeführt. Dennoch ist es m.E. nicht zwingend, dass das Metaphernverständnis der kognitiven Linguistik wie in dieser Arbeit nur eine wortsemantische Definition zulässt – auch Beispielerzählungen, die keine einzige Metapher enthalten, als Allegorie jedoch Annahmen, Einstellungen und Handlungspraktiken aus einem Bereich von Phänomenen auf einen anderen übertragen, lassen sich als Metapher im Sinne von LAKOFF und JOHNSON deuten. Das macht es noch einmal notwendiger, an die eben formulierte Gefahr zu erinnern: Gerade solche allegorischen Beispielerzählungen, die BOHNSACK (2003b, S.67) "Fokussierungsmetaphern" nennt, lassen sich nicht in computerisierten Auswertungen erkennen, sondern sind auf das methodisch sensibilisierte Verstehen der InterpretInnen angewiesen.
Die Autorin thematisiert mehrfach mögliche Gütekriterien von Metaphernanalysen – das ist immer noch nicht selbstverständlich, hier integriert sie untersuchungskritische Überlegungen gut und vorbildhaft in den Prozess der Forschung. Ihre Überlegungen erscheinen für die Bildung der metaphorischen Konzepte nachvollziehbar und stimmig. Bei den beiden Fallstudien wird jedoch zugunsten der Präsentation der auffälligen Metaphorik das Gegensteuern anderer metaphorischer Konzepte ausgeblendet, die Darstellung gerät in die Gefahr des selektiven Plausibilisierens; das Aufspüren von Brüchen und Grenzen einer metaphorischen Strukturierung wie die Suche nach Gegenbeispielen fehlen. Es ist an der Zeit, spezifische Gütekriterien für Metaphernanalysen zu entwickeln (ein erster Versuch findet sich in SCHMITT 2005b).
Eine Frage wird in der Arbeit nicht thematisiert, da sie nicht in einem wirtschaftswissenschaftlichen Rahmen zu stellen ist: Was sind Metaphern – in den Sozialwissenschaften? Metaphern lassen sich als implizites Wissen im Sinne von POLANYI (MOSER 2000) diskutieren, als Deutungsmuster (SCHMITT 2005b) oder als Habitus (SCHACHTNER 1999). REICHERTZ (1999) rückt die kognitive Linguistik in die Nähe hermeneutischer Wissenssoziologie; weitere Anknüpfungspunkte erwähnt SCHMITT (2004). Die fehlende Anbindung der kognitiven Linguistik an eine bestimmte sozialwissenschaftliche Hintergrundtheorie ermöglicht eine breite Anschlussfähigkeit an unterschiedliche Theoriestränge der Sozialwissenschaften. Das verpflichtet allerdings auch immer wieder dazu, für die konkrete Forschungsfrage die spezifische theoretische Einbindung zu formulieren. [16]
Aber diese vier Themen greifen über diese Arbeit hinaus, die sehr schön demonstriert, was mit dem bisherigen methodischen Handwerkszeug möglich ist. Es drängt sich wieder einmal der Eindruck auf, dass Metaphernanalysen oft nicht aus dem Kernbereich der qualitativen – oder rekonstruktiven – Sozialforschung kommen, sondern aus anderen Wissenschaften, die eigenständige Wege suchen, die symbolische Vorstrukturierung ihres Gegenstandsbereichs zu durchdringen. Die Empfehlungen zur Lektüre gehen daher nach zwei Seiten: Für WirtschaftswissenschaftlerInnen dürfte das Buch eine Fundgrube für Ideen zur Implementation des Umweltmanagements und ein methodischer Wegweiser zum Studium von ge- und misslingender betrieblicher Kommunikation sein. Darüber hinaus wird es Alternativen für den zuweilen methodisch unbefangenen Umgang mit dem Phänomen Metapher (MORGAN, s.o.) zeigen. Für die metaphernanalytisch Forschenden aus anderen Disziplinen ist es unmittelbar anregend und vor allem in den drei kleinen Studien sowie den zwei Fallstudien eine wirkliche Empfehlung wert. [17]
Für Hinweise und Kritik danke ich Carola NÜRNBERG und Heike SCHULZE.
1) Mit der Steuerung des Handelns in unternehmerischen Situationen befasst sich auch HUBER (2005). Für ihn sind in experimentell-psychologischer Herangehensweise die Erkenntnisse zum gleichen Thema aus qualitativen Studien nur die abschätzende Bemerkung wert, "einigen kasuistischen post-hoc-Analysen und Interpretationen" (a.a.O. S.134) zu entstammen. Umgekehrt könnte man aus qualitativ-forschender Sicht die experimentelle Absicherung einer Handlungsleitung durch Metaphern abtun als Simulation, der die soziale und biografische Komplexität erfolgreich ausgetrieben wurde, deren Bezug zur Wirklichkeit recht fragwürdig ist, und die ganz nebenbei die Vielzahl wirkender Metaphern experimentell reduziert. Sieht man von diesen gegenseitigen Abwertungen qualitativer und quantitativer Herangehensweisen ab, lässt sich über die auch in Experimenten nachweisbare Handlungssteuerung durch Metaphern in HUBERs Studie viel Bestätigendes nachlesen. <zurück>
Bohnsack, Ralf (2003a). Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in qualitative Methoden (5. Auflage). Opladen: Leske + Budrich.
Bohnsack, Ralf (2003b). Fokussierungsmetapher. In Ralf Bohnsack, Wilfried Marotzki & Michael Meuser (Hrsg.), Hauptbegriffe qualitativer Sozialforschung (S.67). Opladen: Budrich + Leske.
Huber, Andreas (2005). Metaphorik und Handeln. Metaphorisches Priming am Beispiel der Vorgesetzten-Mitarbeiter-Kommunikation – eine experimentelle Unterstützung in virtuellem Setting. Dissertation am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften, Institut für Kognition und Kommunikation der Universität Duisburg-Essen. Verfügbar über: http://deposit.ddb.de/cgi-bin/dokserv?idn=979469112 [Zugriff: 2.08.2006].
Koller, Veronika (2005). Critical discourse analysis and social cognition: evidence from business media discourse. Discourse & Society, 16(2), 199-224.
Maasen, Sabine & Weingart, Peter (2000). Metaphors and the dynamics of knowledge. London: Routledge
Moser, Karin S. (2000). Metaphern des Selbst. Wie Sprache, Umwelt und Selbstkognition zusammenhängen. Lengerich: Pabst.
Reichertz, Jo (1999). "Navigieren" oder "Surfen" oder: Das Ende der Bedrohung? In Manfred Faßler (Hrsg.), Alle möglichen Welten (S.207-222). München: Fink.
Schachtner, Christina (1999). Ärztliche Praxis. Die gestaltende Kraft der Metapher. Frankfurt/M: Suhrkamp.
Schmitt, Rudolf (2004). Rezension: Diskussion ist Krieg, Liebe ist eine Reise, und die qualitative Forschung braucht eine Brille. Rezensionsaufsatz: George Lakoff & Mark Johnson (2003). Leben in Metaphern. Konstruktion und Gebrauch von Sprachbildern (Dritte Auflage) [54 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research [On-line Journal], 5(2), Art. 19. Verfügbar über: http://www.qualitative-research.net/fqs-texte/2-04/2-04review-schmitt-d.htm [Zugriff: 31.08.2006].
Schmitt, Rudolf (2005a). Rezension: Susan Geideck & Wolf-Andreas Liebert (Hrsg.) (2003). Sinnformeln. Linguistische und soziologische Analysen von Leitbildern, Metaphern und anderen kollektiven Orientierungsmustern [53 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research [On-line Journal], 6(3), Art. 4. Verfügbar über: http://www.qualitative-research.net/fqs-texte/3-05/05-3-4-d.htm [Zugriff: 31.08.2006].
Schmitt, Rudolf (2005b). Entwicklung, Prägung, Reifung, Prozess und andere Metaphern. Oder: Wie eine systematische Metaphernanalyse in der Entwicklungspsychologie nützen könnte. In Günter Mey (Hrsg.), Handbuch Qualitative Entwicklungspsychologie (S.545-584). Köln: Kölner Studien Verlag.
Wagner, Franc (2003). Metaphernszenarien in der Zwangsarbeiter-Kontroverse. In Susan Geideck & Wolf-Andreas Liebert (Hrsg.), Sinnformeln. Linguistische und soziologische Analysen von Leitbildern, Metaphern und anderen kollektiven Orientierungsmustern (S.309-322). Berlin: de Gruyter.
Prof. Dr. Rudolf SCHMITT, Dipl.-Psych., Germanist (M.A.), Schwerpunkt der Lehre: Beratung in der Sozialen Arbeit, Qualitative Forschungsmethoden, Sucht und Psychiatrie. Schwerpunkt der Forschung: Metaphernanalysen.
Rudolf SCHMITT hat in FQS weitere Bände zu Metaphernanalyse (BRÜNNER & GÜLICH 2002, GEIDECK & LIEBERT 2003, LAKOFF & JOHNSON 2003, KUPERBERG & GREEN 2005) besprochen sowie die Bände "Sozialwissenschaftliche Hermeneutik" (HITZLER & HONER 1997) und "Qualitative Forschung. Ein Handbuch (FLICK, VON KARDORFF & STEINKE 2000) rezensiert. Beiträge zur Metaphernanalyse von SCHMITT sind in FQS 4(2) – Methode und Subjektivität in der Systematischen Metaphernanalyse – und FQS 1(1) – Skizzen zur Metaphernanalyse – zu finden.
Kontakt:
Rudolf Schmitt
Fachbereich Sozialwesen
Hochschule Zittau/Görlitz
Brückenstr. 1, G1
D-02826 Görlitz
Tel.: 03581/ 4828-128
E-Mail: r.schmitt@hs-zigr.de
URL: http://de.groups.yahoo.com/group/Metaphernanalyse/, http://www.hs-zigr.de/~schmitt/
Schmitt, Rudolf (2006). Rezension: Nicole Hroch (2005). Metaphern des Umweltmanagements [17 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 8(1), Art. 8, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs070183.