Volume 8, No. 2, Art. 24 – Mai 2007
Die französische Epistemologie und ihre Revisionen. Zur Rekonstruktion des methodologischen Standortes der Foucaultschen Diskursanalyse
Rainer Diaz-Bone
Zusammenfassung: Der Beitrag rekonstruiert die von Gaston BACHELARD begründete Tradition der französischen Epistemologie als eine zentrale methodologische Grundlage der FOUCAULTschen Diskursanalyse. Grundkonzepte und die Methodologie der französischen Epistemologie bilden eine Kontinuität in den Arbeiten Michel FOUCAULTs. Die Epistemologie von BACHELARD (und seinem Nachfolger Georges CANGUILHEM) kann für Rekonstruktionen der FOUCAULTschen Methodologie herangezogen werden und die Forschungspraxis der FOUCAULTschen Diskursanalyse als einer eigenständigen Form der qualitativen Sozialforschung anleiten. Die französische Epistemologie ist insbesondere in kritischer Distanz zur Phänomenologie von Edmund HUSSERL und als Gegenprogramm zu dessen phänomenologischer Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie entwickelt worden. Da die HUSSERLsche Phänomenologie auch eine methodologische Grundlage der Sozialphänomenologie bereitstellt, zeigt sich in der Rekonstruktion der Einflüsse der französischen Epistemologie auf die FOUCAULTsche Diskursanalyse deren paradigmatische Distanz zu sozialphänomenologischen Ansätzen. Die Epistemologie BACHELARDs wird als eine Protoversion der Diskursanalyse aufgefasst. Diskurse als auch Diskursanalysen werden als sozio-epistemologische Praxisformen begriffen. Die zentralen Konzepte und Strategien der französischen Epistemologie werden eingeführt und auf die Diskursanalyse bezogen. Insbesondere die Folgerungen für eine selbstreflexive Methodologie und deren Praxis werden diskutiert.
Keywords: Diskursanalyse, Michel Foucault, Gaston Bachelard, Georges Canguilhem, Edmund Husserl, Epistemologie, Phänomenologie, epistemologischer Bruch, epistemologisches Hindernis, Phänomenotechnik, Michel Pêcheux, Pierre Bourdieu, Struk-turalismus, Poststrukturalismus, Sozio-Epistemologie, interpretative Analytik
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Warum Rekonstruktion von Methodologie?
3. Grundkonzepte der Epistemologie BACHELARDs
3.1 Der epistemologische Bruch ("rupture épistémologique")
3.2 Das epistemologische Hindernis ("obstacle épistémologique")
3.3 Phänomenotechnik: ein holistischer Instrumentalismus
3.4 Revisionen der Phänomenologie
4. Die FOUCAULTsche Diskursanalyse als Transformation und Erweiterung der Epistemologie
4.1 Der Bruch und das Hindernis in der Diskursanalyse
4.2 Analyse des Systemcharakters und der Tiefenstruktur
"Man darf nichts auf Gewohnheiten geben, wenn man beobachtet. Die Methode ist stets eins mit ihrer Anwendung. Selbst auf der Ebene des reinen Denkens muß die methodologische Reflexion stets aktiv bleiben. […] Wir müssen uns daher fragen, ob die Psychologie des wissenschaftlichen Geistes nicht ganz einfach eine bewußte Methodologie ist." (BACHELARD 1988, S.135f., Herv. i. Orig.)
"Die Epistemologie entfaltet sich jenseits des Subjekt-Objekt-Schematismus, der die Einsicht in die Diskursivität aller Erkenntnisprozesse, der 'alltäglichen' wie der wissenschaftlichen, versperrt." (BALKE 1993, S.239, Herv. i. Orig.)
1. Einleitung1)
Die diskurstheoretischen Arbeiten Michel FOUCAULTs und die Anwendung seines Diskurskonzeptes in sozialhistorischen Analysen haben seit einigen Jahrzehnten in den deutschsprachigen Sozialwissenschaften breite Rezeption erfahren. In der Soziologie zählt die Theorie FOUCAULTs mittlerweile zum anerkannten Bestand der "aktuellen Theorien der Soziologie".2) Seit einigen Jahren intensiviert sich nun auch die sozialwissenschaftliche Forschung zu einer Methodologie, die an die FOUCAULTsche Diskurstheorie nicht nur anknüpft, sondern die versucht, die besondere Form der FOUCAULTschen Analyse als einen aktuellen Ansatz der qualitativen Sozialforschung aus den FOUCAULTschen Arbeiten zu rekonstruieren bzw. daran anschließend zu entwickeln. [1]
Einem Vorschlag von Hubert DREYFUSS und Paul RABINOW (1987) folgend kann man die besondere (post-) strukturalistische methodologische Position, die durch die FOUCAULTschen Arbeiten projektiert wurde, als "interpretative Analytik" bezeichnen, um die Eigenheit ihrer analytischen Logik im Unterschied sowohl zu den Analyseformen des frühen Strukturalismus in Linguistik und Ethnologie als auch zu denen der Hermeneutik sowie Phänomenologie herauszustellen. Die interpretative Analytik ist damit die spezifische Methodologie der durch die FOUCAULTschen Arbeiten instruierten Form der Diskursanalyse. [2]
Es hat sich gezeigt, dass die interpretative Analytik keine standardisierte Vorgabe für nur eine mögliche Schrittfolge und auch keine standardisierte Methode für die Analyse von Diskursen liefert (JÄGER 1999). Sie ist demnach weder eine Methodik im Sinne eines Arsenals von Instrumenten aus einem Werkzeugkasten noch eine Methode für die Erhebung und/oder Auswertung qualitativer Daten. Sie ist eine Methodo-Logie und nimmt eine Zwischenstellung zwischen Diskurstheorie und den Methoden der Diskursanalyse ein. Als reflexive Instanz vermittelt sie die FOUCAULTsche Diskurstheorie an die technische Praxis der Diskursanalyse. Sie liefert Strategien für den diskursanalytischen Forschungsprozess und sie ist zugleich die interpretatorische Position, die nicht nach dem Verstehen und nach dem Meinen von Subjekten fragt, sondern die nach den überindividuellen Regeln sucht, die in einem Feld die kontinuierliche Aussagenproduktion strukturieren und der "diskursiven Praxis" einen eigenen Systemcharakter und eine spezifische Dauerhaftigkeit verleihen. Dennoch bleibt sie aufmerksam einmal für diejenigen (ereignishaften) Momente der diskursiven Aussagenproduktion, die zu bruchhaften Regeländerungen führen können, zum anderen gilt der interpretativen Analytik ein Diskurs immer nur virtuell als geschlossen. Eine Diskursanalyse ist ein reflektierter methodologischer Versuch, solche "Zonen" der Aussagenproduktion mit höherer diskursiver Kohärenz auszumachen. Zentral für die interpretative Analytik ist, dass sie mit dem Denken, dem Wahrnehmen der Akteure, insgesamt mit Evidenzen der "an Diskursen beteiligten Sprecher" brechen muss, für die die Diskursordnungen vorgefundene und selbstverständliche Wissensordnungen sind. [3]
Eine FOUCAULTsche Diskursanalyse ist also keine Nacherzählung davon, was in einem Feld zu einer Zeit von wem gesagt wurde, was er oder sie mit dem Gesagten gemeint hat, "was eigentlich passiert" ist etc., sondern der Versuch einer Rekonstruktion der Systematik einer "diskursiven Praxis", die Rekonstruktion der Regeln, die eine Wissensordnung hervorbringen, in der Begriffe eine spezifische Bedeutung erhalten und einen Platz in einem Begriffssystem einnehmen, in der Sachverhalte als klassifizierte, und bewertete "Objekte" hervortreten, in der "Sprecherpositionen" in spezifischer Weise eingenommen werden können und durch die Handlungsstrategien und Denkperspektiven eröffnet bzw. verstellt werden. Dass die in dem Aussagenstrom beschriebene Welt geordnet erscheint und in ihr Positionen, Kategorien, Bewertungen, Möglichkeiten (und Unmöglichkeiten) evident sind, gilt der Analyse als Resultat. Die Aussagen in dieser Welt betrachtet sie nicht als Aussagen über die Welt, sondern als performative Elemente der systematischen Erzeugung dieser Welt. Sie bricht mit dem Referenzdenken und dem Anspruch der Aussagen, diese Welt abzubilden. Dieser Bruch ermöglicht damit die besondere diskursanalytische Interpretationshaltung, die ein System von Aussagen auf die in ihnen existenten Hervorbringungsregeln hin untersucht, die sich der Praxis des Aussagens systematisch oktroyieren und daher in den Aussagen selbst systematisch ihre Spuren hinterlassen. [4]
Dieser (hier nur skizzierte) Umriss mit zentralen Positionen der interpretativen Analytik lässt sich einmal aus den Arbeiten FOUCAULTs erstellen, die wie die "Archäologie des Wissens" (FOUCAULT 1981) sowohl theoretische Ausführungen zur Theorie des Diskurses und der diskursiven Praxis als auch Hinweise und Prinzipien für die Praxis der Diskursanalyse beinhalten. Zum anderen kann man versuchen, die verallgemeinerbare Methodologie aus solchen Passagen der sozialgeschichtlichen Analysen FOUCAULTs zu erschließen, in denen er Elemente einer Mikrophysik der jeweiligen Diskursanalyse, d.h. sein konkretes Vorgehen vorführt, und in denen er in der analytischen Praxis mit Materialien nach und nach eine Interpretation "vor den Augen" der methodologisch interessierten Leser und Leserinnen errichtet. All dies sind erste Strategien sowohl für Rekonstruktionen (der Vorgehensweisen aus den materialen Arbeiten FOUCAULTs) als auch für Konstruktionen (Vervollständigungen) der Methodologie im Sinne einer möglichst vollständigen Logik der empirischen diskursanalytischen Praxis. [5]
2. Warum Rekonstruktion von Methodologie?
Wenn von Rekonstruktion einer Methodologie die Rede ist, dann wird deutlich, dass die Existenz einer vollständigen und identifizierbaren Methodologie eigentlich noch in Frage steht. Man findet in einigen Arbeiten, die durch die Theorie FOUCAULTs "inspiriert" sind, daran anschließen oder "mit FOUCAULT arbeiten", die Feststellung, dass es keine FOUCAULTsche Methode gebe, dass eine diskursanalytische Methode nicht existiere oder sogar, dass sie nicht möglich sei.3) Die Skepsis ist eine für empirische Forschung immer angebrachte Haltung, wenn sie als reflexive Ressource das Design der Methode und ihre Handhabung kritisch im Auge behält. Die wird aber problematisch, wenn sie sich gegen die Rekonstruktion einer methodologischen Position wendet. Anfragen nach dem Wie des diskursanalytischen Vorgehens wird dann entgegengehalten, dass man das nicht nur nicht angeben könne, sondern auch nicht dürfe.4) Aber auch hier geht man – zumindest wenn "empirische" Diskursanalysen unternommen werden – dann nach impliziten Prinzipien und impliziten Regeln vor. [6]
Das Wie bleibt dann "implizites Wissen", die Evidenz der Resultate muss "gesehen", d.h. hier: geglaubt werden. Angesichts der Schwierigkeit, eine Methodologie nicht nur im Anschluss an FOUCAULT, sondern auch nach den methodologischen Folgerungen FOUCAULTs zu entwickeln, kann man nachvollziehen, dass ein Rückzug auf eine solche a-methodologische Position zunächst als Option erscheint. Aber diese Option hat Folgen. Denn mit einer rein positivistischen Methodologie, die die Objekte als gegeben und die methodische Vorgehensweise als reine Beschreibung sieht, teilt eine solche a-methodologische Skepsis das Resultat: das Kollabieren der Unterscheidung zwischen konstruiertem Gegenstand und der Praxis der Konstruktion selbst. Die positivistische Position kann die Konstruktivität der eigenen Vorgehensweise nicht reflektieren und deswegen nicht den praktischen Beitrag der Forschungstätigkeit an der Konstruktion des Gegenstandes erkennen. Die a-methodologische Position erkennt zwar sowohl das Vorgehen als auch die Gegenstandsbeschreibung als zusammenhängende Konstruktion an, sie kann aber das Wie ihrer eigenen Konstruktion kaum selbst reflektieren und damit nicht unterscheiden, was die zu untersuchenden Diskurse sind und wie die "Diskursanalyse" der zu untersuchenden Diskurse an deren Konstruktion beteiligt ist. [7]
FOUCAULT hatte die analytische Perspektive auf die vermeintliche Einheit wissenschaftlicher Diskurse eingeführt, indem er skeptisch unterstellte, dass ihre Einheit ein Resultat einer ihnen innewohnenden und konsistenteren Logik sei, die es zu untersuchen gelte.
"[…] gewiß, ich werde als anfängliche Bezugspunkte ganz gegebene Einheiten (wie die Psychopathologie oder die Medizin oder die politische Ökonomie) nehmen; aber ich werde mich nicht in diese zweifelhaften Einheiten stellen, um deren innere Konfiguration oder geheime Widersprüche zu untersuchen. Ich werde mich nur für die Zeit auf sie stützen, die ich brauche, um mich zu fragen, welche Einheiten sie bilden; mit welchem Recht sie ein Gebiet, das sie im Raum spezifiziert, und eine Kontinuität in Anspruch nehmen können, die sie in der Zeit individualisiert; nach welchen Gesetzen sie sich bilden; auf dem Hintergrund welcher diskursiver Ereignisse sie sich zerlegen; und ob sie schließlich nicht in ihrer akzeptierten und quasi institutionellen Individualität die Oberflächenwirkung von konsistenteren Einheiten sind." (FOUCAULT 1981, S.41) [8]
Müssen diskursanalytische Berichte, die aus diskursanalytischen Forschungen hervorgehen, nicht ebenso als Diskurse, also als "Diskurs über Diskurse" aufgefasst werden? (BUBLITZ 1999, S.19f.) Dann müsste die diskursanalytische Praxis notwendig reflexiv werden und damit die FOUCAULTsche Analyseperspektive auch auf die unterliegende konsistente Praxis der Diskursforschung selbst angewendet werden. Denn das gerade beschriebene Kollabieren der analytischen Differenz kann nur dauerhaft "aufgeschoben" werden, wenn die diskursanalytische Praxis durch ihre Selbstanwendung zugleich beobachtbar gemacht wird.5) Dann ist zu fragen, mit welchem Recht sie nun ein methodologisches Gebiet einnimmt und hier nun einen Raum spezifiziert, und eben auch: nach welchen Prinzipien (Regeln, Strategien) sie vorgeht und sie so darlegen kann, dass es die Prinzipien der interpretativen Analytik sind, die die "Oberflächenwirkung" einer konsistenteren Einheit hervorbringt, die nun die reflexive Analyse der diskursiven Praxis ist. Solche Prinzipien wären diejenigen einer interpretativen Analytik, die nicht die Methodik im Sinne der einzusetzenden Instrumente, Techniken und Schrittfolgen wäre, die einfach nur einzusetzen bzw. abzuarbeiten wären, sondern diese Prinzipien wären Metaprinzipien, die auf der "Zwischenebene" der Methodologie einmal für die Reflexion des Forschungsprozesses relevant sind. Sie wären weiter Metaprinzipien für die Strategie, wie in den einzelnen Diskursanalysen die notwendigen Freiräume und Freiheitsgrade für die Entwicklung als auch für den Einsatz von Instrumenten und Techniken in der praktischen Arbeit so gehandhabt werden können, dass eine kohärente Passung zwischen Diskurstheorie und Praxis der Diskursanalyse zustande kommt. Ein Vergleich zur Veranschaulichung: Anselm STRAUSS hat die Methodologie der Grounded Theory durchaus als eine solche methodologische Position verstanden, deren Techniken und Instrumente einerseits flexibel auf einzelne Forschungsprozesse anwendbar und für diese abänderbar sind, so lange sie die Logik der Grounded Theory und die Theoriebasis des Symbolischen Interaktionismus nicht in Frage stellen. Aber er hat auch darauf hingewiesen, dass die Praxis des Kodierens, des theoretischen Samplings und des Vergleichs unverzichtbare Bestandteile sind und dass die Methodo-Logie der Grounded Theory sich in ihnen artikuliert (LEGEWIE 2004 & SCHERVIER-LEGEWIE, Abs. 59). [9]
Die Diskussionen über die Möglichkeit und die Grenzen für die Entwicklung einer Methodologie der FOUCAULTschen Diskursanalyse sind letztlich – und unter Beibehaltung des nicht-positivistischen Standpunktes – fruchtbar gewesen. Die Zahl der sich als empirisch verstehenden sozialwissenschaftlichen Arbeiten und Projekte hat gerade im deutschsprachigen Raum in den letzten zehn Jahren zugenommen (siehe die Beiträge in BUBLITZ, BÜHRMANN, HANKE & SEIER 1999; KELLER, HIRSELAND, VIEHÖVER & SCHNEIDER 2001, 2003; KERCHNER & SCHNEIDER 2006 und den Überblick von KELLER 2004). Und hier finden sich viele Forscherinnen und Forscher, die in ihren Projekten eine Passung zwischen der FOUCAULTschen Theorie und den elementaren Entscheidungen ihres diskursanalytischen Vorgehens entwickeln mussten, und die in der rekonstruktiven Herstellung dieser Passung die Instanz der Methodologie praktisch ausgeführt und dargelegt haben. Dabei waren diejenigen Arbeiten FOUCAULTs Orientierung stiftend, in denen FOUCAULT nicht nur dargelegt hat, was sein theoretisches Konzept von "Diskurs" oder von "diskursiver Praxis" ist, sondern in denen er – darauf aufbauend – auch negative Heuristiken (was für die Analyse ausgeschlossen und zu vermeiden ist) und positive Heuristiken (wie prinzipiell vorgegangen werden kann) für die Analyse von Diskursen und die Entwicklung von konkreten Vorgehensweisen für die Analyse von Diskursen entwickelt hat. Damit konnte versucht werden, die Richtung herzuleiten, in die das diskursanalytische Vorgehen zu entwickeln war. Die damit ausgearbeiteten Techniken und Instrumente erscheinen dann zunächst sehr heterogen zu sein, aber in dieser Heterogenität auf der Ebene der Techniken und Instrumente zeichnet sich die darin wie ein Wasserzeichen enthaltene interpretative Analytik als spezifische Position der FOUCAULTsche Diskursanalyse auf der methodologischen Ebene ab. [10]
Das Gelingen solcher Rekonstruktionen ist also über den Weg der praktischen Reflexion auf die Funktion der Methodologie als organisierende Zwischeninstanz für empirische Forschung ermöglicht worden. Die Methodologie wird hierbei nicht als das Resultat, also als der "Besitz" oder die Ordnung einer erfolgreich angewandten Methodik (Sammlung von Techniken und Instrumenten) aufgefasst. Sie ist im Gegenteil die Voraussetzung für die diskursanalytische Entwicklung durchaus je spezifischer, aber dennoch zur Diskurstheorie kompatibler Methodiken. Im vorliegenden Beitrag soll ein Ansatzpunkt für einen Rekonstruktionsversuch der Methodologie der FOUCAULTschen Diskursanalyse aufgezeigt werden, der bisher zumindest in der Sozialforschung noch nicht systematisch verfolgt wurde. Die These ist, dass er geeignet ist, nicht nur die Eigenständigkeit der FOUCAULTschen methodologischen Perspektive im Kontext der etablierten qualitativen Forschungsparadigmen aufzuzeigen, sondern auch Strategien ihrer Reflexion (Selbstbeobachtung) und ggfs. ihrer methodologischen Selbstkritik oder ihrer Vervollständigung eine Grundlage bieten kann. Zentral ist dabei die Einsicht in die Notwendigkeit der Selbstbezüglichkeit der Diskursanalyse als Selbstanwendung des diskursanalytischen Verfahrens auf sich selbst. [11]
Grundlegende theoretische Konzepte der Diskurstheorie und insbesondere auch die methodologischen Positionen der Diskursanalyse FOUCAULTs lassen sich aus der Einbettung FOUCAULTs in den Kontext der französischen Epistemologie verstehen, die durch die Arbeiten von Gaston BACHELARD und Georges CANGUILHEM begründet wird. Bereits die Epistemologie BACHELARDs trägt Züge einer Protoversion der FOUCAULTschen Diskursanalyse: BACHELARD führt das Konzept des epistemologischen Bruchs ein, der eine bruchhafte Reorganisation der wissenschaftlichen Erkenntnispraxis ist, die diese von der alltäglichen Erkenntnispraxis absetzt und damit die Möglichkeit für eine wissenschaftliche Konstruktion begründet. BACHELARD analysiert Wissenschaften im Grunde als Diskursordnungen, die mit der Episteme eine eigene Tiefenstruktur aufweisen. Die These ist, dass die FOUCAULTsche Diskursanalyse aus einer (oder aus mehreren) Transformation(en) der französischen Epistemologie entsteht und eine Rekonstruktion der FOUCAULTschen Methodologie hier ansetzen kann, nicht einfach um diese erneut werkgeschichtlich zu interpretieren, sondern um für die Landschaft der qualitativen Sozialforschung die Eigenlogik einer FOUCAULTschen Diskursanalyse, die Eigenständigkeit ihrer Konzepte und Strategien herauszustellen und die bisherige Skizzenhaftigkeit ihrer Wahrnehmung zu vervollständigen. [12]
Epistemologische Konzepte BACHELARDs wie das des "epistemologischen Bruchs" werden durch FOUCAULT aufgegriffen und nun nicht nur in wissenschaftsgeschichtlichen Untersuchungen, sondern in sozialhistorischen Studien auch anderer Felder eingesetzt. Epistemologische Konzepte werden so zu methodologischen Strategien. Es findet mit den Arbeiten FOUCAULTs eine Selbstanwendung der epistemologischen Perspektive auf die eigene Vorgehensweise statt: dazu zählt, dass der epistemologische Bruch ein notwendiges Anfangsmoment von Diskursanalysen wird. Und erst durch die nachholende Rezeption dieses Kontextes der französischen Epistemologie in Frankreich werden die Anschlüsse an FOUCAULT (wie mit den Arbeiten von Michel PÊCHEUX) bzw. das Vorliegen von methodologischen Gemeinsamkeiten (wie dies etwa für die Arbeiten FOUCAULTs und BOURDIEUs gilt) einsichtig. Behauptet wird, dass die französische Epistemologie damit als methodologische Grundlage der FOUCAULTschen Diskursanalyse gerade für die Versuche der Rekonstruktion und Reflexivwerdung sowohl ihrer Praxis als auch ihrer Prinzipien ("Methodologisierung") Aktualität beanspruchen kann. [13]
3. Grundkonzepte der Epistemologie BACHELARDs
In Frankreich zählt Gaston BACHELARD bis heute zu den einflussreichsten Wissenschaftsphilosophen des zwanzigsten Jahrhunderts.6) Seine grundlegenden Arbeiten zur Wissenschaftsgeschichte aus der Zeit der späten 1920er bis in die 1940er Jahre haben immer wieder neue Auflagen erlebt.7) Es ist diese für Frankreich spezifische Form von historischer Wissenschaftsphilosophie, die die Auffassung von Wissenschaft tief greifend beeinflusst hat und bis heute Bezugspunkt im französischen Wissenschaftsdiskurs ist (WUNENBERGER 2003; PESTRE 2006). Die transdisziplinäre Wissenschaftsbewegung, die durch BACHELARDs Arbeiten wohl am meisten geprägt wurde, ist der französische Strukturalismus. Über die Vermittlung des Strukturalismus und die Lehrtätigkeit von Georges CANGUILHEM,8) des Nachfolgers von BACHELARD, werden die Grundbegriffe der französischen Epistemologie zu strukturalistischen und poststrukturalistischen Grundbegriffen. Wichtiger in dem Kontext dieses Beitrages ist, dass die Vorgehensweisen und Analyseperspektiven, die BACHELARD in der Untersuchung der Wissenschaften anwendet, Analysetechniken der französischen Strukturalist(inn)en werden. So irritierend widersprüchlich der Strukturalismus und der sogenannte Poststrukturalismus erscheinen, so sehr zeigt sich die Epistemologie BACHELARDs als ein integrierender Bezug, denn er ist im Grunde die "wissenschaftstheoretische Basis" des Strukturalismus (LEPENIES 1978, S.27; BOURDIEU 1970) und damit des Poststrukturalismus. Für die Rezeption des Strukturalismus/Poststrukturalismus auf dieser "Seite des Rheins" ist diese strategische Bedeutung der Epistemologie BACHELARDs kaum mehr sichtbar bzw. zunehmend in Vergessenheit geraten.9) [14]
Das Anliegen der französischen Epistemologie ist zu unterscheiden von einem "reinen" philosophischen Anliegen, das nach den "Möglichkeiten der Erkenntnis" (KANT) oder nach den logischen Strukturen der Wissenschaft fragt. BACHELARD bricht mit einer solchen universalistisch und a-historisch argumentierenden Philosophie. Mit BACHELARD hält eine Analysehaltung in die Wissenschaftsphilosophie Einzug, die wissenschaftliche Theorien als Objekte betrachtet, die auf ihre interne Begriffsarchitektur hin analysiert werden, nicht im Sinne der Forschung nach der logischen Deduktion von Begriffen oder dem, was die Begriffe an Abbildungen der Empirie vorgeben zu sein, sondern daraufhin, wie diese Begriffe in den Theorien praktisch verwendet, wie sie praktisch untereinander in Beziehung gesetzt werden und so eine theoriespezifische Verwendungsweise erhalten. BACHELARD analysiert keinen vollständigen Korpus, sondern fokussiert die Analyse auf die zentralen wissenschaftlichen Konzepte, daraufhin, welche "metaphorische Energien" sie zeigen, indem sie Theorien von ihrem Inneren her organisieren. BACHELARD wendet erstmals Denkweisen, die er der Psychoanalyse entlehnt in der Analyse von Theorien an. So wie Psyche nicht allein durch rationale Prinzipien erklärbar ist, so zeigen die Arbeiten BACHELARDs eine unbewusste Struktur in Theorien als eine metaphorische Organisation um zentrale Konzepte auf.10) [15]
Wie dies auch für seinen Zeitgenossen Edmund HUSSERL gilt, sind es zunächst die Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts aufkommenden Neuerungen in den Naturwissenschaften, deren philosophische Implikationen und Konsequenzen, welche BACHELARD und HUSSERL sich gleichermaßen zu untersuchen vornehmen. HUSSERL fragt um die Jahrhundertwende kritisch, ob die Gesetze der Logik tatsächlich den Gesetzen des Denkens, also denen der Psyche, entsprechen und kommt in den "Logischen Untersuchungen" (HUSSERL 1993) zu einem negativen Ergebnis. Das von HUSSERL aufgezeigte Auseinanderfallen der Eigenheiten der (formalen) Logik und des (intentionalen) Denkens eröffnet den Raum, in dem die HUSSERLsche Phänomenologie entsteht. BACHELARDs Arbeiten seit den 1920er Jahren befassen sich mit den Entwicklungen in Mathematik, Physik und Chemie. Insbesondere von der (speziellen) Relativitätstheorie EINSTEINs aus dem Jahre 1905 ist BACHELARD geradezu fasziniert, weil hier sein Wissenschaftskonzept eine ideale Veranschaulichung erfährt. Es ist nun bemerkenswert, dass Mitte der 1930er Jahre Gaston BACHELARD und Edmund HUSSERL aus ihren Analysen fast zeitgleich zwei gegensätzliche Folgerungen ziehen: hier tritt erstmals die zentrale Opposition zwischen französischer Epistemologie und HUSSERLscher Phänomenologie klar zu Tage. HUSSERL (1936) beklagt in dem Krisis-Aufsatz die Differenz zwischen den Erkenntnisformen der neuen Wissenschaften und denen der Erfahrung des Alltagsmenschen.11) Hier ist es die Geometrie, die er kritisiert, denn diese habe sich in der Antike zunächst entwickelt, um den Menschen in der Alltagspraxis dienlich zu sein, aber sich dann – beginnend mit GALILEI – von der lebensweltlichen Anschauung losgelöst. In diesem Aufsatz führt HUSSERL das Konzept der "Lebenswelt" nicht nur als Relevanzkontext, sondern als Grundlage für Evidenz überhaupt, zunächst für das Alltagsleben ein, um dann auch die wissenschaftlichen Neuerung daran zu messen. HUSSERLs Anliegen, die Wissenschaftlichkeit der Philosophie in der phänomenologischen Grundlegung von moderner Philosophie als Theorie der subjektiven und intersubjektiven Erkenntnis zu begründen, wird mit den Entwicklungen der modernen Wissenschaften infrage gestellt. Diese modernen Wissenschaften haben – insbesondere durch Mathematisierung und Technisierung vorangetrieben – ihren Bezug zum Sinn der Alltagswelt, also ihre lebensweltliche Verankerung dadurch verloren, dass ihre Methoden sich – so HUSSERL – verselbständigt und von ihrem lebensweltlichen Zweck entfernt haben. Letzterer besteht für HUSSERL darin, die eine Welt, die letztlich die von allen geteilte Lebenswelt ist, besser zu beschreiben und (zumindest mittelfristig) praktischen Zwecken zu dienen, die für HUSSERL nur lebensweltliche und erklärtermaßen vorwissenschaftliche Zwecke sein können (HUSSERL 1996, S.53f.). Was HUSSERL hier kritisiert, ist die "Seinsvergessenheit" der Methode.12) [16]
Ganz anders Gaston BACHELARD. Dieser proklamiert 1934 diesen Bruch der wissenschaftlichen Denkweisen mit der Lebenswelt als den Beginn des neuen wissenschaftlichen Geistes. Für BACHELARD gibt es zunächst einmal nicht länger die eine Philosophie, die als wissenschaftliche Philosophie den Anspruch erheben kann, die allgemeinen Formen der Erkenntnis zu untersuchen.13) BACHELARDs Arbeiten beenden die Vorherrschaft der so verstandenen Philosophie über die angewandten Wissenschaften, da erstere bis dahin beansprucht hat, für alle empirischen Wissenschaften die Grundlagen der Erkenntnis und der methodischen Vorgehensweise zu untersuchen, zu definieren und ihnen danach zur Verfügung zu stellen (BACHELARD 1980, S.25f.; 1993, S.121ff.). Eine Folge aus den methodologischen Diskussionen, die sich auf BACHELARD beziehen, ist, dass sich für die Strukturalist(inn)en ein Raum eröffnet, in dem sie sich von den philosophischen Vorgaben und von der – Erkenntnisgrundlagen und Methoden definierenden – Vormundschaft durch die Philosophie befreien können und nun selbst zuständig sein wollen für die epistemologische Reflexion auf ihre wissenschaftliche Praxis. Die Erkenntnistheorie sowie die Entwicklung und Reflexion der Methoden wird nun von den Praktiker(inne)n der Wissenschaft selbst "übernommen".14)
"Für den Wissenschaftler gehört auch die Wissenschaftstheorie noch zum Reich der Fakten. […] Der Philosoph, der außerhalb des wissenschaftlichen Geistes bleibt, glaubt, die Philosophie der Wissenschaften könne sich auf die Prinzipien der Wissenschaft beschränken oder auf ihre allgemeinen Themen; oder aber er glaubt bei einer strikten Beschränkung auf die Prinzipien, daß es Aufgabe der Philosophie der Wissenschaften ist, die Prinzipien der Wissenschaften mit den Prinzipien des reinen Denkens in Verbindung zu bringen, das von den Problemen der faktischen Anwendung absehen könnte. Für den Philosophen gehört die Philosophie der Wissenschaften nie vollständig zum Reich der Fakten." (BACHELARD 1980, S.18/19; Herv. i. Orig.) [17]
Und hier geht BACHELARD seit Mitte der 1930er Jahre einflussreich voran. Er präsentiert die "Entdeckungen" der relativistischen Physik EINSTEINs sowie diejenigen der entstehenden Quantenphysik als "Nachrichten aus einer anderen Welt" (BACHELARD 1993). Für BACHELARD ist die Einheit versichernde Behauptung, dass es eine geteilte Lebenswelt gebe, durch diese neuen Wissenschaften nicht nur fraglich geworden, sondern schlichtweg überholt. Die durch Relativitätstheorie und Quantenphysik "beschriebenen" Welten sind nicht nur weit von einer Alltagswelt entfernt, sie zeigen, dass Theorien, die sich beide auf eine behauptete (physikalische) Welt beziehen, zu ganz anderen (und bis heute inkommensurablen) Weltbeschreibungen führen. Anstatt von einer Welt auszugehen, an der sich alles messen lassen muss, dreht BACHELARD die erkenntnistheoretische Richtung (den metaphysischen Vektor, BACHELARD 1988, S.9) um – durchaus mit kritischem Bezug zu HUSSERL. Es gibt hiernach verschiedene "Welten", die Resultat verschiedener wissenschaftlicher Weltbeschreibungen sind.15) Möglich geworden sind diese neuen Weltbeschreibungen nur dadurch, dass sie mit dem lebensweltlichen Denken gebrochen haben. BACHELARD konstatiert 1940 gegen die Phänomenologie polemisierend "Die Welt in der man denkt, ist nicht die Welt in der man lebt." (BACHELARD 1980, S.30)16) Der Bruch, der bei HUSSERL noch als Krisis beschrieben wird, wird von BACHELARD nicht nur befürwortet, er wird bei ihm zur Voraussetzung für wissenschaftliches Denken. Die Lebenswelt und ihre Evidenzen werden zum Erkenntnishindernis für Wissenschaft. Nur die Infragestellung lebensweltlicher Begriffe (wie sie EINSTEIN mit der Neubestimmung der physikalischen Konzepte "Masse", "Zeit" und "Raum" realisiert hat) sowie die Konstruktion und reflektierte Verwendung von Instrumenten ermöglicht aus Sicht BACHELARDs, das "Gefängnis" der lebensweltlichen Evidenzen, die die wissenschaftliche Evidenz auf die Alltagsevidenz begrenzen und die sich als Vorurteile erweisen können, zu verlassen und neue Perspektiven zu eröffnen. An die Stelle der phänomenologischen Erkenntniseinstellung, die gegebene Welt (Phänomene) "rein" (unbeeinträchtigt von Theorie, vorurteilsfrei) erkennen zu wollen, treten die Innovation neuer theoretischer Konzepte und Instrumente, die Reflexion auf die so ermöglichte neue wissenschaftliche Praxis und der Versuch der Verifizierung neuer Theorien. Damit tritt in die Wissenschaftsgemeinschaft auch das Bewusstsein von der Konstruktivität der Theorie und der Erfahrung. Die Erfahrung der Phänomene ist nicht nur theoriegeleitet, sondern methodisch organisiert, Phänomene werden "realisiert". An die Stelle der Lebenswelt tritt nun dieses reflexive Bewusstsein einer wissenschaftlichen Gemeinschaft um die Konstruktivität der wissenschaftlichen Praxis als Begründungs- und Rechtfertigungskontext.17) [18]
3.1 Der epistemologische Bruch ("rupture épistémologique")
Der epistemologische Bruch wird bei BACHELARD beschrieben als eine kollektive, kognitive Reorganisation der Wissensordnung.18) Diese realisiert sich nicht einfach nur in der Einführung von "Fachtermini", sondern in einem systematisch anderen Gebrauch von Begriffen, die in Vorläufertheorien oder in der Alltagssprache bereits benutzt wurden. Der epistemologische Bruch führt zu einer "Neo-Sprache".
"Die szientifische Sprache ist prinzipiell Neo-Sprache. Um im wissenschaftlichen Gemeinwesen gehört zu werden, muß man die wissenschaftliche Sprache sprechen, das heißt: die Ausdrücke der Umgangssprache in wissenschaftliche Sprache übersetzen. Wenn man die Aufmerksamkeit auf diese häufig maskierte Übersetzungstätigkeit richten würde, würde man bemerken, daß es in der naturwissenschaftlichen Sprache eine große Anzahl von Ausdrücken in Anführungszeichen gibt. Das In-Anführungszeichen-Setzen könnte nun mit dem In-Klammern-Setzen der Phänomenologen konfrontiert werden. Es würde die spezifische Haltung des szientifischen Bewußtseins enthüllen. Denn es ist solidarisch mit einer Kundgabe von Methodenbewußtsein. Der Ausdruck in Anführungszeichen erhebt die Stimme. Er nimmt, oberhalb der Umgangssprache, den wissenschaftlichen Ton an. Sobald ein Wort der alten Sprache vom wissenschaftlichen Denken solcherart in Anführungszeichen gesetzt wurde, ist es zum Zeichen der Veränderung der Erkenntnismethode geworden, die einen neuen Erfahrungsbereich berührt. Wir können, aus der Perspektive des Epistemologen, mit Recht sagen, daß es Zeichen eines Bruches geworden ist, einer Diskontinuität der Sinne, einer Reform des Wissens." (BACHELARD 1993, S.216). [19]
Will man die neuen Bedeutungen analysieren, die Konzepte in der Neo-Sprache erhalten, muss der neue Gebrauch als eine systematische Praxis beobachtet werden. Diese Praxis ist nicht nur auf einen einzelnen Begriff bezogen, sondern sie ist systematisch, insofern sie einen Begriff in eine Praxis integriert, die ein Begriffssystem organisiert.
"Unablässig müssen die neuen Ausdrücke in die Perspektive der Theorien zurückversetzt werden. Das ist zum Beispiel bei dem Bild der Fall, das Niels Bohr vorführte, um gewisse Gesetze des Atomkerns unter dem Namen des 'Wassertropfens' zu verdichten. Dies Bild, […] 'hilft wundervoll, das Wie und Warum der Spaltung zu verstehen'. Unter der Hülle jenes Bildes vom 'Tropfen', darin die Nukleonen sich anhäufen, kann man sagen, daß die Einverleibung eines zusätzlichen Neutrons die innere Energie des Kerns erhöht, anders gesagt: die 'Temperatur' des Kerns. Infolge dieser 'Temperatur'-Erhöhung kann die Aussendung einer Korpuskel geschehen, gemäß dem Prozeß, den man 'Verdunstung' nennen könnte. Die Wörter Tropfen, Temperatur, Verdunstung aber müssen natürlich in Anführungszeichen gesetzt werden. Für den Nuklearphysiker sind diese Wörter stillschweigend und neu definiert. Sie stellen Konzepte dar, die vollständig von den Konzepten der klassischen Physik verschieden sind, a fortiori ganz verschieden von den Konzepten der gewöhnlichen Erkenntnis. Wer von der Nuklearphysik verlangen würde, ein Thermometer zur Messung der 'Temperatur' eines Kerns zu fabrizieren, würde einen wunderschönen Heiterkeitserfolg haben!" (BACHELARD 1993, S.215, Herv. i. Orig.) [20]
Der Wassertropfen ist das Bild (die Metapher), das die Atomphysiker(innen) auf die Beschreibung der nicht lebensweltlich erfahrbaren Vorgänge in Atomen anwenden, um diese Vorgänge selbst zu verstehen und um ihrem Wissen eine Einheit, eine Integration zu ermöglichen. Von nun an denkt eine kleine Gruppe von Atomphysiker(inne)n in den bildlichen, also metaphorischen Kategorien des Tropfens. Und diese Metapher organisiert von nun an die Vernetzung der Erfahrung der "gemessenen Phänomene" und ihres Zusammenhangs. Sowohl die Erfahrung der Einzelphänomene als auch die Erfahrung des Zusammenhangs sind somit durch die Metapher und die von ihr organisierten Begriffe diskursiv geordnet. Die Tropfen-Metapher ist als organisierende Metapher Teil der Wahrnehmungsstruktur der Atomphysiker(innen). Es ist diese Wahrnehmungsstruktur, die unter dem Begriff "Episteme" dann später in den Texten FOUCAULTs und DERRIDAs Karriere machen wird. Hierbei von Struktur zu sprechen hat sich eingebürgert (und auch zur Namensgebung des Strukturalismus mit beigetragen). Aber der Begriff "Struktur" ist ungünstig gewählt. Denn er hebt – man könnte hier sagen: vereinseitigend – die Ordnung als Resultat hervor, die die organisierende Funktion, die Metapher, in der Wissenschaftspraxis hat. [21]
Zudem könnte man meinen, diese Ordnung sei anhand eines Prinzips logisch-rational und a-historisch konstruiert, zum Beispiel indem angenommen wird, wissenschaftliche Theorien seien deduktiv aus Definitionen entwickelt (oder herleitbar). Gerade hier wendet BACHELARD ein, dass Definitionen bereits ein "Definitionsgebiet" voraussetzen, in dem sie dann als Bedeutungseinschränkungen möglich sind, und in dem sie Anwendung finden (BACHELARD 1980, S.46). Das wissenschaftliche Wissen ist eben nicht deduktiv, sondern metaphorisch organisiert. Die von BACHELARD in den wissenschaftlichen Theorien identifizierten Metaphern müssen für Performanzen (des Aussagens oder des Handelns) notwendige Allgemeinheit und Unbestimmtheit haben, um als Schemata eine Praxis organisierend fungieren zu können.19) Die wissenschaftlichen Theorien sind nicht fundiert auf einfachen ersten "Grundbegriffen", die eine sichere Basis böten, um darauf ein Gebäude zu errichten. Die Idee, es gäbe erste sichere Begriffselemente oder erste Erfahrungselemente, von denen Theorie bildend ausgegangen werden könnte, ist die cartesianische Vorstellung der Architektur einer Wissenschaft, die heutzutage die Alltagsvorstellung von der Ordnung des Wissens ist (BACHELARD 1988, S.160ff.). Die Eigenschaft des wissenschaftlichen, metaphorischen Denkens, die hier für BACHELARD in den modernen Wissenschaften zum Tragen kommt, ist, dass das metaphorische Denken ein bereits zusammengesetztes und relationales Denken ist. [22]
Das wissenschaftliche Denken bezieht Konzepte wechselseitig aufeinander. Es relationiert sie in der wissenschaftlichen Praxis in einer Weise, dass sie in ihrer Bedeutung und Anwendbarkeit durch ihre Stellung im System und ihre Vernetzung mit den anderen Konzepten bedingt sind. Konzepte müssen damit auf die anderen Konzepte bezogen sein. In diesem Bezug (auf dann: Gegenkonzepte in der Theorie) erhalten sie ihre Einschränkung und ihre Präzisierung, was BACHELARD anhand des Konzepts der Gärung verdeutlicht.
"In jedem Fall muss ein wissenschaftliches Konzept ein Gegenkonzept besitzen. Wenn alles gärt, ist die Gärung nahe daran, ein völlig uninteressantes Phänomen zu werden. Es ist darum wichtig zu bestimmen, was nicht gärt und was die Gärung zum Stillstand bringen kann." (BACHELARD 1978, S.125) [23]
Konzepte erhalten so erst eine theorieabhängige Bedeutung, Reichweite und Verwendungsweise durch die diskursive Praxis, die keine erfahrungsabhängige Bedeutung ist. Am Anfang des wissenschaftlichen Denkens steht für BACHELARD (1988) damit das System der Konzepte, in dem die einzelnen Konzepte hervortreten; am Anfang stehen nicht – wie noch bei DESCARTES (1960) – die einfachen Einzelelemente, die die Grundbegriffe wären, aus denen die wissenschaftliche Theorie hervortritt und aus denen wissenschaftliches Denken entsteht. Der epistemologische Bruch mit der Alltagserfahrung wird damit wesentlich durch die Voranstellung eines Begriffsystems ermöglicht, mit dem (1) die "Gegenrichtung" der wissenschaftlichen Erfahrung (im Vergleich zur Erfahrungsrichtung der Alltagserfahrung) und (2) der synthetisierende Charakter der wissenschaftlichen Erfahrung möglich werden.
"Eine wissenschaftliche Erfahrung ist also eine Erfahrung, die der gewohnten Erfahrung widerspricht. […] Die gewöhnliche Erfahrung ist nicht wirklich zusammengesetzt; sie besteht vielmehr aus nebeneinander gesetzten Beobachtungen, und es ist sehr erstaunlich, das die alte Epistemologie einen kontinuierlichen Zusammenhang zwischen der Beobachtung und der Erfahrung sah, während doch die [wissenschaftliche, RDB] Erfahrung die gewöhnlichen Bedingungen der Beobachtung hinter sich lassen muss." (BACHELARD 1978, S.44; Herv. i. Orig.) [24]
Weiter ruft der Begriff der Struktur häufig die Assoziation hervor, dass sie abgeschlossen ("vollständig") und unveränderlich sei. BACHELARD betont, dass die epistemische Ordnung der Wissenschaften ein historisches Resultat ist, oder anders ausgedrückt: ein historischer Zwischenstand und damit kein a priori, erst recht keine universelle Ausstattung des menschlichen Erkenntnisvermögens. Die Episteme ist kein abstraktes metaphysisches Prinzip, es ist – um eine BOURDIEUsche Wendung heranzuziehen – ein Praxisprinzip, es hat seine Realität in der Materialität der wissenschaftlichen Praxis selbst. Die Episteme strukturiert so die konkrete (materiale und kognitive) Praxis und Wissen(schaft)skultur. [25]
Die Episteme einer Wissenschaftsgemeinschaft ist das praktische Prinzip, das die Kompetenz eines Mitglieds dieser Gemeinschaft ausmacht.20) Diese Kompetenz besteht darin, diese organisierende Funktion der Episteme praktisch umzusetzen: "Wissenschaftlich denken heißt, sich in den epistemologischen Bereich versetzen, der zwischen Theorie und Praxis […] liegt." (BACHELARD 1980, S.20) Pointiert ließe sich folgern: Wissenschaftsgemeinschaften sind sozio-kognitive Gemeinschaften, die durch eine Episteme organisiert werden. Die Episteme eines solchen Kollektivs ist zugleich eine Sozio-Episteme, eine sozio-kognitive Erkenntnisstruktur, die praktisch eine Diskursgemeinschaft konstituiert. [26]
3.2 Das epistemologische Hindernis ("obstacle épistémologique")
Das Konzept des epistemologischen Bruchs wird von BACHELARD auf ein anderes Konzept bezogen, auf dasjenige des epistemologischen Hindernisses. Der epistemologische Bruch mit dem Alltagsdenken ist die Überwindung des ersten epistemologischen Hindernisses.
"Die primäre Erfahrung, oder genauer gesagt, die erste Beobachtung ist immer ein erstes Hindernis für die wissenschaftliche Bildung. In der Tat bietet sich diese erste Beobachtung mit einer Fülle von Bildern dar; sie ist malerisch, konkret, natürlich, einfach. Man braucht sie nur zu beschreiben. Schon glaubt man sie zu verstehen. Wir beginnen unsere Untersuchung mit der Kennzeichnung dieses Hindernisses; wir werden zeigen, daß zwischen Beobachtung und Erfahrung nicht Kontinuität, sondern ein Bruch besteht." (BACHELARD 1978, S.54) [27]
Aber die erste Erfahrung (Alltagserfahrung) ist nur das erste aus einer Reihe von epistemologischen Hindernissen. In "Die Bildung des wissenschaftlichen Geistes" führt BACHELARD (1978) eine Analyse der bruchhaften Wissensdynamik (der Naturwissenschaften) vor, die darin besteht, dass sie nicht nur mit der Absetzung von der Alltagserfahrung zu ringen hat, um sich zu konstituieren, sondern auch mit den verschiedenen Metaphern, die die Wissenschaft in ihren Frühformen selbst hervorbringt und die in verschiedenen Epochen jeweilige innerwissenschaftliche epistemologische Hindernisse sind. Dazu zählen die Metaphoriken von der Einheit der Erfahrung, des Animismus, des Substanzdenkens, die "missbräuchliche" Ausweitung von veranschaulichenden Bildern und andere. "Die Bildung des wissenschaftlichen Geistes" ist eine Abrechnung mit dem vorwissenschaftlichen Geist des 18. und 19. Jahrhunderts. BACHELARD unterlegt seiner Kritik ein Fortschrittsdenken (das seine Nachfolger CANGUILHEM und FOUCAULT nicht übernehmen), anhand dessen er die verschiedenen Etappen der Bildung des wissenschaftlichen Geistes als eine schrittweise Überwindung der verschiedenen epistemologischen Hindernisse beschreibt. In Anlehnung an das Dreistadiengesetz des Positivisten August COMTE – und gedacht als dessen Präzisierung – formuliert BACHELARD sein Dreistufengesetz des wissenschaftlichen Geistes (wobei er die konkrete Stufe, die konkret-abstrakte Stufe und die abstrakte Stufe benennt), das eine diskontinuierliche Transformation beschreibt. Anfangs ist Wissenschaft naiv-realistisch: eine beschreibende, sammelnde, aufzählende Wissenschaft, die von einer gegebenen Welt ausgeht, die es abzubilden gilt. Am Ende ist die Wissenschaft abstrakt und von der unmittelbaren Erfahrung abgelöst, die von einer reflektierten Konstruktion von Phänomenen ausgeht, die methodisch-instrumentelle Realisationen (Verifikationen) der Theorie sind. [28]
Auch wenn das Fortschrittsdenken BACHELARDs aus heutiger Sicht fraglich ist und wohl als ein Erbe des positivistischen Denkens in Frankreich zu verstehen ist, so ist die Sichtweise BACHELARDs auf die Wissensdynamik wegweisend geworden, die in der Entwicklung der Wissenschaften nicht einfach eine stetige Akkumulation von Wissen oder eine kontinuierliche Eliminierung einzelner Irrtümer sieht, sondern die die Wissensdynamik als eine jeweils bruchhafte und tief greifende Reorganisation der Wissensformation selbst begreift. Die wissenschaftliche Innovation ist eine, die das System der Konzepte verändert. Das epistemologische Hindernis besteht nicht einfach in einem falschen Faktum, das als Irrtum erkannt werden muss, sondern in der Koordination vielfältiger Irrtümer: die Irrtümer hängen zusammen, sie sind koordiniert (BACHELARD 1980, S.22). Das epistemologische Hindernis hat damit ebenso Systemcharakter wie das Wissen selber. BACHELARDs Analyse der Entwicklung des wissenschaftlichen Geistes ist einmal eine, die die Innovation als theorieimmanente Dynamik begreift, die dann eine bruchhafte (diskontinuierliche) Dynamik ist und die BACHELARD ex post analysieren kann. Hier nimmt er die Analyseperspektive des Wissenschaftshistorikers in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein, der auf das 18. und 19. Jahrhundert rückblickend zwischen verschiedenen Wissensformationen vergleichen kann, wie die unterschiedlichen Systeme sich durch eine bruchhafte radikale Neuformierung und eine damit einhergehende Neubestimmung der wissenschaftlichen Konzepte voneinander absetzen. Ein und dasselbe Wort, das für ein wissenschaftliches Konzept steht (wie "Kraft", "Masse", "Elektrizität", "Temperatur"), kann dann in einem neuen Begriffsystem eine völlig verschiedene Bedeutung haben, einen anderen Platz im Wissenssystem einnehmen, mit ganz neuen wissenschaftlichen Praktiken verknüpft sein. Was BACHELARD an dem Beispiel vorführt, ist seine epistemologische Analysetechnik des (diachronen) Vergleichs von Wissenspraktiken und Wissensorganisationen ex post, die hier – aus diskursanalytischer Sicht – hervorgehoben werden soll, weil BACHELARD hierin prototypisch für die FOUCAULTsche Diskursanalyse geworden ist.
"Das empirische Denken ist erst klar im nachhinein, wenn der Apparat der Erklärung zum Zuge gekommen ist. Im Rückblick auf eine Vergangenheit von Irrtümern findet man die Wahrheit in einer echten intellektuellen Reue. Man erkennt gegen früheres Wissen, indem man schlecht gegründete Erkenntnisse zerstört. Und das überwindet, was im Geist selbst sich der Vergeistung widersetzt." (BACHELARD 1978, S.46) [29]
Der wissenschaftliche Fortschritt erfolgt also nicht durch Irritation durch eine "Empirie", sondern durch eine rückblickende Kritik der vorherigen Denksysteme. BACHELARD ist nun auch kritisch gegenüber der Organisation des Wissens durch Metaphern, wenn diese der transformierenden Wissenschaftsdynamik vom Realismus zum Rationalismus als epistemologische Hindernisse im Weg stehen: "Eine Wissenschaft, die die Bilder hinnimmt, wird mehr als jede andere Opfer von Metaphern. Auch der wissenschaftliche Geist muß unablässig gegen die Bilder, gegen die Analogien, die Metaphern ankämpfen". (BACHELARD 1978, S.80) [30]
Aus der rückwärts gewandten Perspektive des Wissenschaftshistorikers wird für BACHELARD sichtbar, warum eine falsche Metaphorik zu einer irrigen wissenschaftlichen Erkenntnispraxis führt. Und hierin liegt die Strategie der analytischen Vorgehensweise BACHELARDs: er betrachtet die Erkenntnis organisierende Funktion der Metaphern daraufhin, welche (in den Naturwissenschaften: experimentellen) wissenschaftlichen Praktiken sie einerseits ermöglicht, welche sie andererseits verstellt. Solange die Substanzmetapher die Wahrnehmung "infiltrierte", waren Eigenschaften des elektrischen Stroms solche, die mit einer Substanz prinzipiell gedacht werden konnten. An einem "elektrisierten" Gegenstand bleibt Staub "kleben", damit wurde es möglich, den Strom in einer naiven und bildlichen Anschauung als einen Klebstoff zu denken. Solange der elektrische Strom als eine Substanz gedacht wurde, erschienen Experimente sinnvoll, die dem Versuch galten, Strom, der durch verschiedene andere Substanzen geleitet wurde, schmecken zu wollen, weil Substanzen eben Geschmack als eine substanzielle Eigenschaft zuerkannt wurde.21) Wenn das wissenschaftliche Denken sich in dieser Weise unreflektiert solchen Metaphern "überlässt", dann wird die Metapher, so BACHELARD, zum wissenschaftlichen Unbewussten, das als epistemologisches Hindernis fungiert.
"Ohne die rationale Gestaltung des Experimentes, das eine Problemstellung bestimmt, ohne diesen beständigen Rückgriff auf eine sehr explizite rationale Konstruktion wird man es zur Herausbildung einer Art Unbewußten des wissenschaftlichen Geistes kommen lassen, zu dessen Austreibung es dann einer langen und mühsamen Psychoanalyse bedarf. […] Die Metaphern stellen für die Vernunft, ob man es will oder nicht, eine Verführung dar. Es sind sonderbare und abgelegene Bilder, die da unmerklich zu allgemeinen Schemata werden. Eine Psychoanalyse der objektiven Erkenntnis muss diesen naiven Bildern darum ihre Farbigkeit nehmen, vielleicht muß sie sie gar auslöschen. […] Tatsächlich tragen nach unserer Auffassung die Metaphern stets das Zeichen des Unbewußten; sie sind Träume, deren zufälliger Anlass ein Gegenstand ist." (BACHELARD 1978, S.83/134/285) [31]
Aber wie kann diese Revision (als kritische Zurückweisung) der unbewussten Tätigkeit der wissenschaftlichen Metaphorik haltmachen vor den neuen Wissenschaften wie der Relativitätstheorie oder der "neuen Atomphysik" (Quantenphysik), die doch BACHELARD geradezu als Inkarnationen des neuen wissenschaftlichen Geistes gelten? Auch hier ist die Organisation des Wissens metaphorisch, und die Metaphorizität des Denkens ist unhintergehbar. In der "Philosophie des Nein" formuliert BACHELARD (1980) nun das "Recht der Metapher", das darin besteht, dass sie – nachdem sie von ihrer vorbewussten bildhaften Funktion "befreit" wurde, indem sie in den Fokus der bewussten Theorieentwicklung gerückt wird – nun reflexiv in den Dienst der vorempirischen und theoretischen Darstellung gestellt wird, wo sie dem bewussten theoretischen Experimentieren und Veranschaulichen dient. In dieser Weise hat die Metapher immer noch die Funktion, die wissenschaftliche Erfahrung zu organisieren, aber diese Erfahrung muss nun den "Umweg über die Theorie" nehmen und zwingt damit den wissenschaftlichen Geist zu einer Kritik der Wahrnehmung (BACHELARD 1978, S.164), die durch diese theoretische Metapher organisiert wird. Damit wird diese Kritik der Wahrnehmung zugleich eine Untersuchung (Revision nun als Inspektion) der Metapher. BACHELARD führt anhand des Konzepts der "chemischen Flugbahn" des Chemikers Paul RENAUD vor, worin er dieses Recht der Metapher konkret sieht. RENAUD bezeichnet mit der "chemischen Flugbahn" eine grafische Darstellung einer Abfolge von chemischen Operationen durch eine Kurve. Das Recht der Metapher äußert sich nun darin, der Darstellung und der kohärenten Organisation einer Theorie durch die Metapher einen Vorrang gegenüber der Realität einzuräumen. Gerade dass die chemische Flugbahn offenkundig keine wirklich Flugbahn ist, zeigt auf, dass die Metapher hier reflexiv zum Zweck der Organisation einer Theorie und der Synthese der Erfahrung der durch sie hergeleiteten Phänomene eingesetzt wird.22)
"Das wissenschaftliche Phänomen ist in Wirklichkeit vorgestellt, es vereinigt in sich einen Komplex von Beobachtungen, die sich in der Natur in dieser Weise nicht antreffen lassen. […] Die Metapher hat dieselben allgemeinen Eigenschaften wie die Realität. Die Realität kann nicht anders als in der Metapher gedacht und verstanden werden." (BACHELARD 1980, S.91f.) [32]
Die Metapher wechselt damit ihren Ort, sie wechselt von der Seite des Unbewussten auf die Seite der Theorie, wo sie nun als eine rationale Konstruktion mit eigener Realität begrüßt wird, in der sich das Voranschreiten der Theorie gegenüber der durch sie organisierten Erfahrung ausdrückt. Die Tropfenmetapher, die von den Atomphysiker(inne)n für die Beschreibung des Atoms verwendet wird, ist von diesen in eben diesem Sinne rationalisiert worden. Sie ist keine lebensweltliche Metapher mehr: niemand glaubt, dass ein Atom tatsächlich die substanziellen Eigenschaften eines Tropfens hat oder dass die "Temperatur des Atoms" eine sinnlich erfahrbare Qualität eines Atoms bezeichnet. Die Tropfenmetapher so zu ent-substanzialisieren und von der lebensweltlichen Anschauung "gereinigt" für die Modellierung eines nicht sinnlich erfahrbaren "Objekts" zu verwenden, ist eine epistemologische Theorietechnik. [33]
Dass der Gang dieses "Reinigungsprozesses" des wissenschaftlichen Geistes nicht so reibungslos erfolgt, und dass die verschiedenen Bedeutungsstadien, die ein Konzept durchläuft, wenn es der Serie der epistemologischen Brüche unterworfen wird, nicht spurlos an ihm vorbeigehen, hat BACHELARD mit dem Konzept des epistemologischen Profils zum Ausdruck gebracht. Auch die rational verwendete Metapher zeigt noch (in ihrem praktischen Bedeutungsgehalt) Spuren der epistemologischen Hindernisse, die im Laufe ihrer Transformation von einem bildlich-realistischen Konzept zu einem rationalen Konzept zu überwinden waren (BACHELARD 1980, S.61ff.). Dennoch begreift BACHELARD epistemologische Hindernisse, die wissenschaftlichen Fortschritt blockieren, zugleich als notwendig für den wissenschaftlichen Fortschritt. Nur durch die Abarbeitung an den Hindernissen schöpft der wissenschaftliche Geist seine Innovationskraft für die Theoriedynamik, mit der sich die neue Theorie nicht nur gegenüber der Alltagserfahrung, sondern auch gegenüber den Vorgängertheorien absetzen kann. Diese erhalten damit nicht den Status eines Vorläufers, aus dem sich die neue Theorie "entwickelt" hat. Der Bruch ist auch einer mit der eigenen Herkunft, er führt zu einem Selbstbewusstsein von Wissenschaft als "Wissenschaft ohne Ahnen" (BACHELARD 1993, S.212). [34]
3.3 Phänomenotechnik: ein holistischer Instrumentalismus
Epistemologischer Bruch und die Reflexion auf die verwendete Metaphorik und deren Reinigung wären als Grundkonzepte für eine Epistemologie nicht ausreichend. Denn diese Absetzungsbewegung der Theorie von einem unmittelbaren Kontakt zur "Realität" und die dann einsetzende diskontinuierliche Theoriedynamik (Abarbeitung von Irrtümern und das Reflexivwerden der Metaphorik) werfen die Frage auf, wie nun der Bezug zur "Empirie" erfolgt und eine zwar rationale, aber dennoch nicht-solipsistische, nicht-idealistische Wissenschaft möglich ist. Das dritte zentrale Konzept, das den rationalen Zugang der neuen Wissenschaften zur Realität bezeichnet, ist das der "Phänomenotechnik".23) Anstatt eine Bereinigung als Ent-Theoretisierung der Erkenntnishaltung (wie die "Ausklammerung" in der Phänomenologie) zu versuchen, geht es der Phänomenotechnik um die theoriegeleitete Konstruktion der "Phänomene". Hier formuliert BACHELARD in den 1930er und 1940er Jahren einen radikalen, dennoch zugleich theoretisch reflektierten Konstruktivismus, der sich dessen bewusst ist, dass (1) die noch scheinbar naivste und unmittelbarste empirische Erfahrung immer eine bereits vermittelte und auch immer nur indirekt mögliche ist, und dass (2) – um eine diskursanalytische Wendung heranzuziehen – die neuen Wissenschaften nun systematisch die Phänomene mit hervorbringen müssen, von denen sie "sprechen". Die Phänomenotechnik begreift die zu beobachtenden Phänomene als durch Instrumente mit generiert, die selbst wiederum eine Materialisierung der Theorie sind, unter deren Voraussetzung und für deren Zielsetzungen sie konstruiert wurden.
"Ein Meßinstrument ist letztlich immer eine Theorie, und man muß begreifen, daß das Mikroskop mehr eine Verlängerung des Geistes ist als des Auges. […] Die Dualität von Universum und Geist erscheint, untersucht man sie auf der Ebene einer persönlichen Erkenntnisanstrengung, als Dualität zwischen einem schlecht präparierten Phänomen und einer nicht korrigierten Wahrnehmung. Betrachtet man den gleichen Dualismus auf der Ebene einer wissenschaftlichen Erkenntnisanstrengung, so erscheint er als Dualismus von Apparat und Theorie […]" (BACHELARD 1978, S.348). [35]
Das weiter oben eingeführte Beispiel der Tropfenmetapher in der Atomphysik endet in dem Amüsement BACHELARDs, dass die Atomphysiker(innen) wohl kein Thermometer als angemessenes Instrument zur Messung der "Temperatur eines Atoms" ansehen würden. An die Stelle des Thermometers tritt eine komplizierte Apparatur, die die "Temperatur des Atoms" als Phänomen hervortreten lässt (das nichts mit Wärme zu tun hat), das als Phänomen faktisch ein organisiertes Netzwerk aus Technologien und Praxisformen ist – und keine Erscheinung einer davon unabhängigen Ontologie. Das sozio-epistemische Kollektiv ist nun für die Entwicklung und die Kritik der Apparatur die Diskursgemeinschaft, die dafür Verantwortung trägt, den wissenschaftlichen "Geist" in die Apparatur einzubringen und die Kohärenz (die Passung) der Vernetzung von Diskursivem und Nicht-Diskursivem herzustellen. [36]
Die Phänomenotechnik ist ein holistischer Instrumentalismus: die Instrumente werden unter der Ägide der Theorie und unter der Kritik der Diskursgemeinschaft entworfen, entwickelt und gehandhabt. Sie enthalten in sich daher wie ein Wasserzeichen die Theorie als ihre "Blaupause", die Instrumente stehen in einem Passungsverhältnis zur Theorie, und sie sind im BACHELARDschen Sinn Instrumente für die "Realisierung" der Theorie. Damit ist gemeint, dass sie für den Versuch entwickelt und eingesetzt werden, die vorangehende Theorie anzuwenden und in der empirischen Forschung durch eine reflektierte Methodologie systematisch die Phänomene zu rekonstruieren, deren Existenz sie vorab selber postuliert hat. Und gerade hier – in der Betonung der Konstruktionsleistung der theoretischen Praxis – ist die Epistemologie BACHELARDs für den sozialwissenschaftlichen Strukturalismus/Poststrukturalismus einflussreich geworden (DIAZ-BONE 2002, 2005b, 2006b).
"Wissenschaftliche Beobachtung ist stets polemisch; sie bestätigt oder verwirft eine im voraus gefasste Hypothese, ein vorgängiges Schema, einen Beobachtungsplan; sie zeigt, indem sie beweist; sie schafft eine Hierarchie der Erscheinungen; sie geht über das unmittelbar Gegebene hinaus, sie rekonstruiert die Realität, nachdem sie ihre eigenen Schemata rekonstruiert hat. Natürlich tritt der polemische Charakter der Erkenntnis noch deutlicher zutage, wenn man von der Beobachtung zum Experiment übergeht. Dann muß man die Phänomene sortieren, filtrieren, reinigen, in die Gußform der Instrumente gießen; ja sie werden auf der Ebene der Instrumente erzeugt. Nun sind Instrumente nichts anderes als materialisierte Theorien. Daraus resultieren Phänomene, die allenthalben die Prägemale der Theorie zeigen. […] Die wahre wissenschaftliche Phänomenologie ist daher ihrem Wesen nach eine Phänomenotechnik. Sie verstärkt das, was hinter dem Erscheinenden durchscheint. Sie lernt aus dem, was sie konstruiert." (BACHELARD 1988, S.18) [37]
Aus dem Primat der Theorie folgert BACHELARD nicht, dass sie sich den Anforderungen, die aus ihrem Einsatz in der praktisch-empirischen Forschung entstehen, entziehen kann. Er folgert im Gegenteil vielmehr, dass ihr nun neue Pflichten zukommen. Denn sie hat detailliert ihre eigenen Anwendungsbedingungen mit auszuarbeiten, also die Art und Weise, wie sie selbst – und nun reflexiv vorgegeben und diskursiv – zur "Empirie" in Beziehung gesetzt werden kann und auch muss. Der neue wissenschaftliche Geist, den BACHELARD so emphatisch begrüßt, ist keiner, der sich in den Elfenbeinturm eines Theoretizismus zurückziehen könnte.
"Die klassische Trennung der Theorie von ihrer Anwendung missachtete diese Notwendigkeit, die Anwendungsbedingungen in das Wesen der Theorie selbst einzubringen. […] An diesem Punkt merkt man, daß die Wissenschaft ihre Objekte verwirklicht, ohne sie jemals ganz fertig vorzufinden. Die Phänomenotechnik erweitert die Phänomenologie. Ein Konzept wird in dem Maß wissenschaftlich, wie es technisch wird, wie mit ihm eine Technik der Verwirklichung einhergeht." (BACHELARD 1978, S.111) [38]
Damit ist der BACHELARDsche Imperativ formuliert, der von einer rationalen und reflexiven Wissenschaft verlangt, dass diese auch dafür sorgen solle, dass die Konzepte mit einer Strategie verkoppelt werden, wie sie in empirischer Forschung zur reflexiven Realisierung der Theorie beitragen. Ein theoretisches Konzept, das nicht von der Theorie mit einer zugehörigen, theoriekontrollierten und theoriekonsistenten Strategie des "Zugangs zur Empirie" ausgestattet wurde, ist für BACHELARD letztlich unwissenschaftlich. [39]
3.4 Revisionen der Phänomenologie
Wenn hier die BACHELARDsche Epistemologie nicht nur als Grundlage der FOUCAULTschen Diskursanalyse, sondern auch als Gegenentwurf zur Erkenntnistheorie der Phänomenologie vorgestellt wird, so geschieht dies nicht, um an eine (nur indirekt und über die Distanz geführte) Auseinandersetzung zwischen zwei Philosophen in den 1930er Jahren zu erinnern. Es geschieht auch nicht, um die HUSSERLsche Phänomenologie zu diskreditieren, die für die – insbesondere deutsche – qualitative Sozialforschung (über die Vermittlung des Werks von Alfred SCHÜTZ) einflussreich geworden ist. Die systematischen Revisionen der Phänomenologie durch BACHELARD zu vergegenwärtigen ist die Voraussetzung, um die FOUCAULTsche Diskursanalyse als einen Ansatz mit konturierendem Bezug zur Phänomenologie zur Kenntnis zu nehmen, der aus einer radikal anderen als der phänomenologischen Theoriewelt stammt. Daher werden die eigenen Strategien und Denkweisen, aber auch die Notwendigkeit eigenständiger diskursanalytischer Kriterien in der qualitativen Sozialforschung erklärlich. Konsequent kann es bei dem Versuch, die FOUCAULTsche Diskursanalyse als Ansatz der qualitativen Sozialforschung zu verorten, nicht darum gehen, sie unter Anwendung solcher Diskurse und Kriterien zu evaluieren, die letztlich aus phänomenologisch-lebensweltlichen (Sozialphänomenologie) oder hermeneutischen Ansätzen stammen, die die Evidenzen des Verstehens und Erlebens in einem starken Subjektmodell und Lebensweltmodell verankern. Es kann nur unter Verkennung der französischen Epistemologie als Teil der Genealogie der FOUCAULTschen Diskursanalyse "gelingen", diese an solche sozialphänomenologische Ansätze zu "vermitteln", sie damit zu "integrieren". Wird das versucht, wird die Eigenständigkeit des methodologischen Standortes der FOUCAULTschen Diskursanalyse übersehen. [40]
Kann eine mit Blick auf die Neuerungen der Naturwissenschaften entwickelte Epistemologie denn überhaupt Relevanz haben für die qualitative Sozialforschung? Die Skepsis, die der Epistemologie in Form des "Szientismus"-Vorhalts entgegengebracht wird, hat ihre Genealogie gerade in der phänomenologischen Kritik an der Entfernung und Entfremdung der naturwissenschaftlichen Disziplinen, mitsamt ihrer Denkweisen und ihren Methodologien, von der Lebenswelt als Relevanzrahmen. Mit BACHELARD müsste man nun argumentieren, dass dieser phänomenologische Bruch mit den neuen Wissenschaften nicht nur irrtümlich, sondern für einen Komplex epistemologischer Hindernisse verantwortlich ist, weil HUSSERL sich weigert, den faktisch von den neuen Wissenschaften vollzogenen epistemologischen Bruch zu akzeptieren. Die HUSSERLsche Phänomenologie verstellt so die Bewusstmachung der bereits seit Beginn des 20. Jahrhundert in den angewandten neuen Wissenschaften praktizierten Theoretizität und Reflexivität der Konzepte, der Instrumente und der Konstruktion der Phänomene selbst sowie ihre Umsetzung in einer neuen sozialwissenschaftlichen Methodologie. Der "Szientismus" BACHELARDs ist gerade in den Sozialwissenschaften mit den (hierzulande vielbeachteten) Arbeiten FOUCAULTs, BOURDIEUs, ALTHUSSERs und den (hierzulande wenig beachteten) Arbeiten CANGUILHEMs und PÊCHEUXs als neues methodologisches Programm angewandt worden. Die szientistische Haltung BACHELARDs (Bruch und Phänomenotechnik) erscheint gerade für sozialwissenschaftliche empirische Forschung als Strategie vielversprechend, um eine epistemologische Distanz zum Gegenstand und die Möglichkeit der Beobachtung der eigenen konstruierenden Praxis zu gewinnen. Ein solcher Szientismus ist nicht zu verwechseln mit der Anwendung von Formeln, der Suche nach "Gesetzen" oder dem Einsatz des Experiments, also einer Wissenschaftskarikatur, die Wissenschaftler(innen) als Experimentator(inn)en in weißen Kitteln sieht und Forschung nur im Labor für möglich hält. Eine Realisierung eines solches Szientismus, die keine Karikatur, sondern wegweisend geworden ist, liegt mit den Arbeiten BOURDIEUs vor, der – im Unterschied zu FOUCAULT – den Einfluss BACHELARDs auch in einer expliziert sozialwissenschaftlichen methodologischen Vorgehensweise umgesetzt hat. Der Bruch mit dem Alltagsdenken ist bei BOURDIEU das begründende Moment für die Möglichkeit einer soziologischen Analyse, und die methodische Konstruktion des sozialen Raums ist hier das Äquivalent zur Phänomenotechnik BACHELARDs.24) [41]
Wenn sich die sozialwissenschaftliche empirische Analyse in die Lebenswelt hineinstellt und diese zu ihrem "Objekt" macht, darf sie sich ihr – was die Erkenntnispraxis angeht – nicht "überlassen" und die Erkenntnispraxis der Lebenswelt nicht zum Vorbild nehmen, indem sie sie imitiert. Zudem ist die Epistemologie – so wie sie dann von FOUCAULT, ALTHUSSER, PÊCHEUX und BOURDIEU in den Sozialwissenschaften angewendet wird25) – eine kritische Analyse nicht nur des Lebenswelt-Konzepts, sondern der Lebenswelt selbst: deren Evidenz und Erkenntnisstrukturen sind selbst Resultat von sozialen Praktiken und damit kein sicherer Grund für wissenschaftliche Erkenntnis – zumindest nicht aus Sicht der französischen Epistemologie und des Strukturalismus/Poststrukturalismus. [42]
HUSSERL setzt nicht nur die Lebenswelt als Bezug und Referenzrahmen, sondern eben auch das Subjekterleben in der je eigenen Lebenswelt als praktischen Anfang für das Prozessieren von Erkennen. Seine späte Phänomenologie versteht sich in diesem Sinne als "transzendental" und schließt damit an die cartesianische Begründungsstrategie (des sich in der bekannten Formel "ich denke, also bin ich" selbst vergewissernden und damit selbst setzenden cogito, DESCARTES [1960, S.26]) für Wissenschaft wieder an.
"Ich selbst gebrauche das Wort 'transzendental' in einem weitesten Sinne, für das – […] originale Motiv, das durch Descartes in allen neuzeitlichen Philosophien das sinngebende ist und in ihnen allen sozusagen zu sich selbst kommen, die echte und reine Aufgabengestalt und systematische Auswirkung gewinnen will. Es ist das Motiv des Rückfragens nach der letzten Quelle aller Erkenntnisbildungen, des Sichbesinnens des Erkennenden auf sich selbst und sein erkennendes Leben, in welchem alle ihm geltenden wissenschaftlichen Gebilde zwecktätig geschehen, als Erwerbe aufbewahrt und frei verfügbar geworden sind und werden. Radikal sich auswirkend, ist es das Motiv einer rein aus dieser Quelle begründeten, also letztbegründeten Universalphilosophie. Diese Quelle hat den Titel Ich-Selbst mit meinem gesamten wirklichen und vermögenden Erkenntnisleben, schließlich meinem konkreten Leben überhaupt." (HUSSERL 1996, S.108) [43]
Damit wird nicht nur die Verankerung in der Lebenswelt aus epistemologischer Sicht problematisch, sondern auch die mit ihr für HUSSERL notwendig verbundene subjektive Erlebensperspektive in einem "konkreten Leben" (das später als "Alltagsleben" bezeichnet werden soll). Die Folge ist, dass im Anschluss an HUSSERL für die Sozialphänomenologie das Subjektmodell zum Erkenntnismodell wird und daran ein methodologischer Subjektivismus anschließt, an dem sich die Forschung ausrichten soll: relevant ist, was das jeweilige Subjekt erlebt. Wie das subjektive Erleben durch nicht-subjektive Praktiken, überindividuelle Realitäten (DURKHEIM) und Strukturen (Metaphern/Konzepte, Instrumente, diskursive und nicht-diskursive Praktiken) möglicherweise erst organisiert und zustande gekommen ist, ist eben bei HUSSERL nicht die Frage, weil das subjektive Erleben erkenntnistheoretisch an den Anfang gesetzt wird. Dass es auf das subjektive Erleben als ersten Grund und die lebensweltliche Relevanz nicht nur nicht ankommt, sondern dass diese philosophischen Forderungen selbst problematisch sind, das ist die Folgerung der BACHELARDschen Epistemologie. Wissenschaft ist nicht mehr dafür zuständig, für Alltagssubjekte begreiflich, erst recht nicht: sinnstiftend und in der Lebenswelt verankert zu sein. Das ist der eben mit den neuen Wissenschaften (Relativitätstheorie und Quantenphysik) manifest gewordene, aber bereits vorher eingetretene "Sündenfall" der Ausdifferenzierung des Wissenschaftssystems, den HUSSERL gesehen, aber nicht akzeptiert hat. [44]
Die französische Epistemologie revidiert nun nicht einfach das Anliegen, dass das Erleben von Alltagssubjekten und deren auf der Lebenswelt basierende Relevanzstruktur auch als Evidenz für die modernen Wissenschaften gelten sollen. Die Epistemologie BACHELARDs liefert für die neuen Wissenschaften genau die eigenen theoretischen Grundlagen, wie dort Erleben, Wissen, Relevanzstrukturen und Sinn möglich sind und durch Praxisformen zustande kommen, ohne dabei auf eine subjektbasierte Theorie und auf das "Subjekt"-Modell als ein Erkenntnismodell zurückzugreifen. Damit stellt sich diese Tradition der Epistemologie als Alternative zur Phänomenologie für die Analyse aller sozialen Wissens- und Praxisformen dar – nicht nur derjenigen der hoch spezialisierten "Apparate-Wissenschaft". [45]
An die Stelle des einzelnen Subjekts, um dessen vermeintlich direkte, unmittelbare und ursprüngliche sinnhafte Erlebens- und Handlungsvollzüge in einer ihm unhinterfragt gegebenen Lebenswelt es der Phänomenologie geht, tritt ein sozio-epistemisches Kollektiv. Dessen Erfahrungen werden durch eine Episteme vororganisiert, und es konstruiert aktiv seine "Welt der Phänomene"– sowohl über die diskursive Fokussierung auf Theorie als auch durch die Entwicklung und Diskursivierung von Instrumenten (Techniken und Praktiken des Zurichtens und Wahrnehmens von Phänomenen). Was hier die generalisierbare Folgerung ist, ist die Zugrundelegung eines diskursiven Kollektivs und seiner diskursiven und nicht-diskursiven Erkenntnis- und Konstruktionspraktiken als methodologischen Ausgangspunkt, sowie die Rückweisung eines naiv erlebenden Individuums namens "Ich-Selbst" (HUSSERL). Diese theoretischen Revisionen der cartesianisch-phänomenologischen Tradition durch die französische Epistemologie haben ihre konkreten methodologischen Implikationen. Wenn eine Episteme sowohl als kollektive Struktur als auch als kollektives Praxisprinzip begriffen wird, kann es nicht länger darum gehen, den analytisch-interpretierenden Nachvollzug subjektiven Erlebens zu unternehmen. Dieses ist ein Resultat einer vorgängigen und eigentlich zu erklärenden Realität. Das "Was", das erlebt wird, gilt der Epistemologie nicht länger als gegebenes "Phänomen", sondern als kollektiv durch Praktiken und Techniken des Wahrnehmens mit hergestellte "Realität". Die Richtung des Erkenntnisvollzugs dreht sich damit um, und das Erkenntnisinteresse der Analyse verlagert sich. Statt der einen Frage: wie ist ein rein subjektives Erleben der Phänomene möglich, sind zwei verbundene Fragen zu stellen: (1) Wie kann kollektiv in der Analyse ein wissenschaftliches Phänomen (wie ein Diskurs als Re-Konstruktion) in reflexiver Weise realisiert werden? und Wie kann die kollektive Konstruktion des "Phänomens" beobachtet werden, so dass die darin involvierten Praxisformen und Strukturen der Analyse (wie der Diskursanalyse als Diskurs über Diskurse) reflektiert werden können? [46]
Eine erste methodologische Konsequenz ist, dass die Begriffsbildung der Epistemologie sich absetzt vom Subjektmodell und der Begriffsbildung der Phänomenologie (und der Sozialphänomenologie): statt Sinnadäquanz des subjektiven Erlebens und Kausaladäquanz von an Sinn orientierten Handlungsvollzügen zu rekonstruieren und nach Idealtypen und Routinisierungen des Alltagshandelns zu fragen wie in der WEBER-HUSSERL-SCHÜTZ Tradition (SCHÜTZ 1974), ist die Ebene, auf die die Analyse nun erklärend abzielt, eine andere. Das wird wohl am Deutlichsten, wenn man das so prominente Konzept des Sinns aus Sicht der französischen Epistemologie theoretisiert. Bereits die französische Epistemologie ist im Grunde ein Sinn rekonstruierendes Verfahren, das aber den Ort der Sinnproduktion weder in einer Subjektontologie, noch vereinseitigend allein in einer "Strukturmetaphysik" verankert. Sinn "leuchtet" aus dieser Warte nicht einem Individuum "ein", er entsteht auch nicht durch das "Ausstrahlen von Intentionalität", ein "Rückstrahlen des Phänomens" und eine verstehende Subjektleistung, noch ist die Realität des Sinns epistemologisch wirklich analytisch begriffen als bewusster und unmittelbarer Effekt für ein erlebendes Individuum. Die volle Realität des Sinn konstituierenden Prozesses hinterlässt auf der "Ebene" von Individuen nur ihren "Nachhall". Sollen Sinnprozesse analysiert werden, muss man die Ebene des Subjekts verlassen. Denn dass diese erleben, dass es für sie Sinn in der Welt gibt, bedeutet nicht, dass ihnen der Sinn und die Praxis der Sinnproduktion der Welt vollständig begreiflich ist. Stattdessen ist Sinn ein den Individuen vorlaufendes und die Individuen transzendierendes, für diese vorreflexives, kollektives Resultat einer sozialen Praxis der Sinnproduktion. "Sinn" entsteht in der vorreflexiven überindividuellen sozio-epistemologischen Praxis der Organisation von Erfahrung und deren (Mit-) Konstruktion der "Welt". Für Akteure ist im Moment des intentionalen Erlebens die sozio-epistemologische Praxis, die zeitgleich und instantan den intentionalen Vollzug des individuellen Erlebens (mit)organisiert, nicht sichtbar. (Erst die zeitversetzte nachträgliche Reflexion dieser praktischen Ordnungsleistung, kann diese Praxis in den Blick nehmen.) Das Erleben, das im Moment intentional auf die "Welt" ausgerichtet ist, ist damit zugleich ein nur indirektes und nicht-reflexives Erleben der organisierenden sozio-epistemologischen Praxis selbst – nicht dagegen das Erleben einer "vor-epistemischen" Welt. [47]
Die Begriffsbildung der sozio-epistemologischen Methodologie läuft analytisch damit der erlebten Erfahrung entgegen. Die wissenschaftliche Erkenntnis erfolgt nicht nur nicht aus der lebensweltlichen Erfahrung, sondern sie erfolgt gegen sie. Gerade in dieser Gegenrichtung der Erfahrung sieht BACHELARD (und sehen später PÊCHEUX und BOURDIEU) die Wissenschaftlichkeit ermöglicht. Die Begriffsbildung der Epistemologie fragt nach den Prinzipien der Wissensorganisation, dabei sowohl – wie mit der Analyse der organisierenden Metaphern – nach den Funktionsweisen als auch den Ordnungen, also gleichzeitig nach Praxis und Struktur. Weiter ist bei BACHELARD aber die Aufgabe der Epistemologie nicht nur die Wissensorganisation zu einem Zeitpunkt zu analysieren, sondern die damit einhergehenden Praxisformen der (1) Regulation der Erkenntnisformen und der (2) darauf erwachsenden Praxis der Konstruktion von "Objekten". Diese Praxis ist nicht nur nicht mehr Subjektpraxis, sie ist auch nicht mehr nur Interpretationspraxis! [48]
Aber auch die methodologische Position ist betroffen, wenn die methodologischen Konsequenzen aus diesen Überlegungen zugelassen werden. Wenn die Analytikerin und der Analytiker selbst als erkennende und erlebende Subjekte dem Zweifel ausgesetzt sind, dass auch ihre Erkenntnis und ihr Erleben durch eine kollektive sozio-epistemische Praxis "infiltriert" und vororganisiert sind, dann hat dies Folgen für die interpretative Sozialforschung. Nach BACHELARD muss die Folgerung sein, dass eine epistemologisch nicht kontrollierte Teilhabe an der untersuchten Lebenswelt genauso verzerrte Analysen zur Folge hat wie die Illusion, man könne die die Erfahrung/Erkenntnis organisierende Tätigkeit der Episteme "aussetzen", indem man sich "naiv" stellt und in der zu untersuchenden Welt einfach nur Gegenfragen zu stellen habe. Hier sind der epistemologische Bruch, die Reflexion auf diesen und die damit erzwungene Phänomenotechnik die notwendigen Voraussetzungen für die Konstruktion einer selbstreflexiven Beobachtung. Hiernach ist die erste methodologische Sorge, wie man sich selbst systematisch durch den Einsatz von methodologischen Strategien, Techniken und Praktiken in die beobachtende Distanz setzt, um dann die zweite methodologische Sorge zum Zuge kommen zu lassen, ob die Strategien, Techniken und Praktiken nun ihrerseits eine Realisierung derselben Theorie sind, die eingesetzt werden soll, um die Phänomene mit zu konstruieren. Die BACHELARDsche Epistemologie bereitet damit die Selbstanwendung der Analyseprinzipien auf sich selbst vor: der epistemologische Bruch wird reflexiv. [49]
4. Die FOUCAULTsche Diskursanalyse als Transformation und Erweiterung der Epistemologie
In den 1960er Jahren legt Michel FOUCAULT als noch junger Philosoph seine ersten umfangreicheren Arbeiten vor, die ihn nicht nur zu einem der bekanntesten Repräsentanten der französischen Epistemologie, sondern auch des französischen Strukturalismus werden lassen (1971, 1973, 1988a).26) Hier ist nun zu zeigen, nicht nur dass, sondern wie weitgehend der Einfluss der Epistemologie BACHELARDs in die Methodologie der Diskursanalyse hineinreicht. Auch wenn FOUCAULT die Vorlesungen BACHELARDs gehört hat und mit ihm persönlichen Kontakt hatte (PARINAUD 1996), erfolgt die Vermittlung der BACHELARDschen Epistemologie an FOUCAULT (und auch an BOURDIEU) insbesondere durch dessen Nachfolger Georges CANGUILHEM (FOUCAULT 1988b, 2003; BOURDIEU 1998; BOURDIEU, CHAMBOREDON & PASSERON 1991), der die Epistemologie fortführt und der unmittelbaren Einfluss auf die Ausbildung der neuen Sozialwissenschaften in Frankreich hat.27) Er setzt methodologisch wie BACHELARD an den Brüchen und Diskontinuitäten der Wissenschaftsentwicklung an. (Auch wenn er dabei die Analyse der Genealogie einzelner Konzepte statt der Analyse der Organisation ganzer Theorien in den Vordergrund rückt.) CANGUILHEMs Arbeitsgebiete sind die Wissenschaften vom Leben, Medizin, Biologie und Psychologie (CANGUILHEM 1989, 1991, 2002, 2006). FOUCAULT legt 1963 mit "Die Geburt der Klink. Eine Archäologie des ärztlichen Blicks" (dt. FOUCAULT 1988a) eine Arbeit zur Medizin vor, die an diese Tradition anschließt, aber gleichzeitig das Programm der Diskursanalyse ankündigt.
"Wäre nicht eine Diskursanalyse möglich, die in dem, was gesagt worden ist, keinen Rest und keinen Überschuß, sondern nur das Faktum seines historischen Erscheinens voraussetzt? Man müsste dann eben die diskursiven Tatsachen nicht als autonome Kerne vielfältiger Bedeutungen behandeln sondern als Ereignisse und funktionelle Abschnitte, die ein sich allmählich aufbauendes System bilden. Der Sinn einer Aussage wäre nicht definiert durch den Schatz der in ihr enthaltenen Intentionen, durch die sie zugleich enthüllt und zurückgehalten wird, sondern durch die Differenz, die sie an andere und wirkliche und mögliche, gleichzeitige oder in der Zeit entgegengesetzt Aussagen anführt. So käme die systematische Gestalt der Diskurse zum Vorschein." (FOUCAULT 1988a, S.15) [50]
Bereits "Die Geburt der Klinik" weist sich als Versuch aus, eine Methode für die Analyse von Wissensordnungen (hier noch: der Ideengeschichte) zu entwerfen (S. 206). Im Kern beinhaltet dieses Buch auch schon die Einbeziehung der Beziehungen zwischen Institutionen (ihren Formen), institutionellen Praxisformen (den später so genannten nicht-diskursiven Praktiken) und Diskursen.28) Grundzüge der Analyse von Diskursdynamiken (der später so genannten "Genealogie") und der Gouvernementalitätsthematik (FOUCAULT 2004) sind hier bereits enthalten. Und diese Arbeit beginnt mit einer methodologischen Kritik der Interpretation (des Kommentars). [51]
Die Diskursanalyse wird mit dieser Arbeit und den folgenden Arbeiten der 1960er Jahre weitgehend vollständig entworfen und so gut wie abgeschlossen. Diese Arbeiten können als eine Serie der Transformationen und Erweiterungen der epistemologischen Perspektive verstanden werden, die die Diskursanalyse seit Anfang der 1960er Jahre kontinuierlich ausarbeiten.29) Die Bezeichnung "Archäologie" wird von FOUCAULT für die Diskursanalyse programmatisch verwendet und steht im Titel oder Untertitel aller drei Hauptwerke zu diesem Programm der 1960er Jahre. Die FOUCAULTsche Diskursanalyse lehnt einerseits eine Reihe der Grundkonzepte ihrer Vorgänger – der Epistemologien BACHELARDS und CANGUILHEMs – ab, aber sie übernimmt bzw. transformiert anderseits zentrale Haltungen, insbesondere aber methodologische Prinzipien und Strategien ihrer Vorläufer. [52]
Diese Begriffsumstellung lässt auch zutage treten, dass FOUCAULT eine eigenständige Version einer erweiterten Epistemologie als solche auch zu erkennen geben will. Und diese Begriffsumstellung bereitet vor, was Anfang der 1960er Jahre angelegt, aber in den 1970er Jahren dann noch deutlicher werden wird: dass die Diskursanalyse auf die Kopplungen wissenschaftlicher und nicht-wissenschaftlicher Diskurse in sozialen Räumen und weiter auf die Analyse sozio-epistemischer Wissenspraktiken angewendet wird, die die diskursive Praxis im Zusammenhang mit materiellen, technischen Praxisformen untersucht.30) [53]
Die methodologische Position der Diskursanalyse kann von hier aus und rückblickend rekonstruiert werden. In der Methodendiskussion zur FOUCAULTschen Diskursanalyse, aber auch in der Rezeption der FOUCAULTschen Arbeiten wird die hier behauptete Kontinuität der Diskursanalyse weitgehend ausgeblendet oder stattdessen der Bruch zwischen dem epistemologischen Werk FOUCAULTs und dem Aufkommen einer diskursanalytischen Perspektive konstatiert.31) Denn oberflächlich besehen, ist 1966 in "Die Ordnung der Dinge" (FOUCAULT 1971) von "Episteme" und "Bruch" die Rede, der Begriff des Diskurses spielt so gut wie keine Rolle – so dass man meinen könnte, es gehe um eine allein wissenschaftshistorische Studie – während 1969 in der "Archäologie des Wissens" (FOUCAULT 1973) ein verändertes FOUCAULTsches Begriffsinventar auftritt, bei dem die Rede ist von "Aussagensystemen", "diskursiver Praxis" und "Regeln", wohingegen der Begriff der "Episteme" peripher wird. Die Rezeption der FOUCAULTschen Arbeiten insbesondere im englischsprachigen und deutschsprachigen Raum hat sich an diese Begriffsumstellung gehalten. Anstatt die Genealogie der Diskursanalyse aus der Epistemologie zu untersuchen, wurde nun postuliert, dass es einen großen Bruch zwischen 1966 und 1969 gegeben habe. Seitdem ist die Rede davon, dass der "frühe" FOUCAULT bis zum Erscheinen der "Ordnung der Dinge" noch ein Strukturalist (und Epistemologe) gewesen sei, der Wandel und Praxis kaum anerkenne, während der FOUCAULT der "Archäologie des Wissens" die Wende zur Praxis vollzogen habe (und später, in den 1970er Jahren mit der Einbeziehung der Arbeiten NIETZSCHEs, eine weitere Wende zum Poststrukturalismus). Weiter wird konstatiert (z.B. BRIELER 1998) – und so wird die Rezeption zum eigenen Hindernis – dass FOUCAULT in dem als "Methodenbuch angekündigten Werk" nur eine Diskurstheorie und keine Methode vorgelegt habe, womit es bis zur folgenden Diagnose nur noch ein kleiner Schritt ist: es gäbe eben keine Methodologie bei FOUCAULT. Auf diese Weise wird die Entwicklungsphase der Methodologie der FOUCAULTschen Diskursanalyse unsichtbar gemacht. Denn die Zwischenebene der diskursanalytischen Methodologie, die zwischen der Diskurstheorie und der methodischen Praxis die reflexive Instanz ist, verschwindet. Die Prinzipien der diskursanalytischen Methodologie sind nur voll begreiflich, wenn man ihre Genealogie aus der französischen Epistemologie freilegt. [54]
Die diskursanalytische Methodologie bleibt aber eine den konkreten Operationalisierungen und Techniken übergeordnete, allgemeinere Ebene. Wenn man auch versuchen kann, Heuristiken, Prinzipien und Unvereinbarkeiten (Revisionen) für eine diskursanalytische Praxis aufzuzeigen, so führt die Rekonstruktion nicht auf die Herleitung einer einzigen möglichen Vorgehensweise. Dennoch ist eine solche – notwendig kollektive – Arbeit an der Rekonstruktion der Ausgangspunkt für die Etablierung der FOUCAULTschen Diskursanalyse, die sich von wissenssoziologischen, konversationsanalytischen oder rahmenanalytischen Diskursanalysen unterscheidet. [55]
4.1 Der Bruch und das Hindernis in der Diskursanalyse
"What Foucault radicalized was the break." (DELAPORTE 1998, S.292)
Das BACHELARDsche Konzept des Bruchs wird von FOUCAULT methodologisch und in transformierter Weise eingesetzt: Es sind die Revisionen und Radikalisierungen, die FOUCAULT in den 1960er Jahren vornimmt, und die den Unterschied zwischen der Epistemologie BACHELARDs und der Archäologie FOUCAULTs ausmachen. (François DELAPORTE [1998] hat hier eine systematische Analyse der Bruchpunkte vorgelegt.) BACHELARD versucht als Wissenschaftshistoriker die aktuelle Perspektive einer Wissenschaft (wie die der Physik EINSTEINs) einzunehmen, um (1) deren Wissenschaftlichkeit als Bruch mit der Alltagserfahrung und (2) den Bruch mit den vorangehenden vorlaufenden wissenschaftlichen Theorien aufzuzeigen. Die Richtung der Entwicklung ist für BACHELARD die des wissenschaftlichen Fortschritts (s.o.). FOUCAULT distanziert sich davon, die aktuelle Wissenschaft oder einen aktuellen Diskurs als "state of the art" und als normativen Referenzrahmen heranzuziehen.32) Aber wie BACHELARD setzt er methodologisch bei dem Vergleich von verschiedenen Diskursen in der Zeitdimension an. Alle materialen Arbeiten FOUCAULTs (1969, 1971, 1976, 1977, 1988a) beginnen mit der Konfrontation (mindestens) zweier Wissensordnungen in einem Feld als einem evidenten Bruch, einer nur im Vergleich sichtbar werdenden bruchhaften Reorganisation der Diskursordnungen. Aber die zeitlich später vorliegenden Diskurse sind für ihn ebenso zu erklärende Ordnungen wie die vorangehenden. Der epistemologische Bruch muss (1) diskursanalytisch also auch gegenüber dem aktuelleren Diskurs erfolgen: FOUCAULT vollzieht diesen epistemologischen Bruch mit einer methodologischen Selbstpositionierung zwischen (!) (mindestens) zwei Diskursordnungen. Zudem erfolgt (2) der epistemologische Bruch mit einer Radikalisierung des BACHELARDschen Bruchkonzeptes: die Archäologie untersucht detaillierter die vielfältigen Transformationen, die in einem Feld die Reorganisation der Wissenspraktiken ermöglicht haben. Anstatt einen großen Bruch auszumachen, betont FOUCAULT, dass ein Diskurs (als System von Aussagen) in einer Serie von Diskontinuitäten transformiert wird. Die Archäologie betont damit die Diskursdynamik, anstatt komparativ-statisch nur zu vergleichen. Weiter betrachtet die Archäologie die Transformation von Diskursen in einem umgebenden Feld, das aus dem weiteren kulturellen Kontext für Aussagen aus anderen Diskursordnungen besteht (dem "Archiv"), das aber auch mit einem Raum zusammenhängt, in dem materielle Praxisformen (insbesondere institutionelle Praktiken), Formen (Organisationsformen) und Ressourcen angesiedelt sind, mit denen diskursive Praktiken in einem wechselseitigen Ermöglichungszusammenhang stehen. Damit überschreitet die Archäologie die Epistemologie in mehrfacher Hinsicht und wird allgemeiner eine sozialwissenschaftliche Theorie der sozio-epistemischen Praxisformen. Anstatt einfach nur die Diskursivität sozialer Wissensformen aufzuzeigen, ist die Archäologie an den Prozessen der Diskursdynamik interessiert. [56]
Diese Rekonstruktion der Diskursdynamik richtet in der diachronen Analyse die Position ein, von der aus die jeweilige diskursive Praxis sowohl vorangehender als auch gegenwärtiger Wissensordnungen sichtbar werden. Im Unterschied zum Bruch mit der Lebenswelt, wie ihn BACHELARD vollzieht, setzt sich die Diskursanalyse in einen Zwischenraum ab (von dem aus zugleich die Wechselwirkungen diskursiver Praxisformen mit einem Kontext als auch die Transformationen in der Analyse zum Gegenstand gemacht werden), um von hier aus einen Bruch mit allen Wissensordnungen anzustrengen. Denn diese sind nur die in einer Epoche je evident gewordenen "Oberflächen" und Resultate der (für in diese verwickelte Akteure) vorreflexiven diskursiven Praxis.
"Man sucht unterhalb dessen, was manifest ist, nicht das halbverstummte Geplapper eines anderen Diskurses; man muss zeigen, warum er nicht anders sein konnte, als er war, worin er gegenüber jedem anderen exklusiv ist, wie er inmitten der anderen und im Verhältnis zu ihnen einen Platz einnimmt, den kein anderer besetzen könnte. Die für eine solche Diskursanalyse charakteristische Frage könnte man folgendermaßen formulieren: Was ist das also für eine sonderbare Existenz, die in demjenigen zutage tritt, was gesagt wird – und nirgends sonst?" (FOUCAULT 2001b, S. 900) [57]
Das hat Folgen für diskursanalytische Untersuchungsanlagen: (1) Diskursanalysen beschreiben idealerweise nicht einzelne Wissensordnungen, sondern die Serie der Transformationen (und Schwellenbildungen) zwischen verschiedenen Diskursordnungen in einem Feld. Damit erst wird der methodologische Zugang zum Nachweis der Diskursivität einzelner Diskurse möglich. (2) Die Analyse der Transformationen von Diskursordnungen bezieht auch die weiteren sozialen Kontexte mit ein. Das heißt die Analyse untersucht hier, wie diese Kontexte mit den Transformationen interagieren und die diskursive Praxis mit ihrem (nicht-diskursiven) Kontext in einem wechselseitigen Ermöglichungszusammenhang steht (FOUCAULT 1973, S.67ff.). Die Erklärungslogik diskursanalytischer Forschung besteht dann in dem empirischen Nachweis, warum Konstellationen von Beziehungen (zwischen Elementen eines Diskurses, Elementen verschiedener Diskurse sowie nicht-diskursiver Praktiken) für eine gewisse Zeit stabilisiert werden konnten, um dann von einer neuen Konstellation abgelöst zu werden.
"Mir geht es vor allem darum, zwischen all diesen Transformationen das Spiel der Abhängigkeiten zu definieren:
- intradiskursive Dependenzen (zwischen den Objekten, den Operationen, den Begriffen ein und derselben Formation);
- interdiskursive Dependenzen (zwischen verschiedenen diskursiven Formationen: so wie die Korrelationen zwischen der Naturgeschichte, Ökonomie, Grammatik und der Theorie der Repräsentationen, die ich in Les mots et les choses [dt. "Die Ordnung der Dinge"] untersucht habe);
- extradiskursive Dependenzen (zwischen diskursiven Transformationen und anderen, die außerhalb des Diskurses stattfinden: von dieser Art waren die Korrelationen, die in Histoire de la folie [dt. "Wahnsinn und Gesellschaft"] und Naissance de la clinique [dt. "Die Geburt der Klinik"] zwischen dem medizinischen Diskurs und einem ganzen Spiel von ökonomischen, politischen und sozialen Veränderungen untersucht wurden).
Dieses ganze Spiel der Dependenzen möchte ich an die Stelle der uniformen Simplizität von Kausalzuordnungen setzen; und durch Aufhebung des endlos verlängerten Privilegs der Ursache das polymorphe Bündel von Zusammenhängen hervortreten lassen." (FOUCAULT 2001a, S.867f., Herv. i. Orig.) [58]
Bislang sind die synchron vergleichenden Diskursanalysen die Ausnahme. Aber sie sind gerade für soziologische und politikwissenschaftliche Forschung bedeutsam. Hier kann es nicht um die Analyse von Transformationen in der Zeit gehen. Und die (oben beschriebene) Einnahme einer Zwischenposition zwischen zwei Diskursformationen ist nun keine Strategie für die Einrichtung des epistemologischen Bruchs. Die Analyse von interdiskursiven Dependenzen (FOUCAULT 1971) hat aber das Konzept der Episteme in der Diskursanalyse wieder aktualisiert. Hier ist nun die Frage, ob und warum sich in koexistierenden Diskursen die gleiche (oder eine ähnliche) Episteme findet. Die Analyse dieser übergreifenden Tiefenstruktur ersetzt hierbei die Analyse der Transformationen. Michel PÊCHEUX (1988) hat eine Strategie aufgezeigt, wie Diskursformationen vergleichend analysiert werden können (siehe für eine kritische Bewertung PÊCHEUX 1995, für die Arbeiten PÊCHEUXs insgesamt den Beitrag von HELSLOOT & HAK 2007).33) [59]
Eine diskursanalytische Erklärung stellt damit diesen "systemischen" Charakter in Rechnung, der die mikrosoziologischen Ebene von Interaktionsordnungen, subjektiven Interpretationen und Situationen nicht nur überschreitet, weil eine Diskursanalyse diskursive Praktiken in umfassenderen (Wissens-) Feldern und Räumen analysiert, sondern auch weil die FOUCAULTsche Diskurstheorie das "Bündel" von intra-, inter- und extradiskursiven Dependenzen als den in der Mikrosoziologie analysierten Situationen und Prozessen als vorgängig, d.h. diese vorstrukturierend ansieht. Diskursanalytische Forschung ist also nicht darauf angewiesen, den subjektiven Sinn und die Prozesse der Interpretationen auf der Ebene der Akteure einzubeziehen. Diese werden möglich, nachdem die diskursive Praxis Sinn konstituierend vorausgelaufen ist, und sie sind nicht das eigentliche Explanandum der Diskursanalyse.34) [60]
Die Kritik an dem Subjektmodell, die BACHELARD einflussreich eingeführt hatte, wird in der diskursanalytischen Methodologie fortgeführt. Diskurse sind nicht reduzierbar auf die Intentionen von Akteuren. In der Diskursanalyse können Diskurse nicht einfach "gelesen werden" (PÊCHEUX 1969). Der epistemologische Bruch mit dem Subjektmodell führt zu einem Bruch mit der phänomenologischen Interpretation von subjektivem Sinn. FOUCAULT hat verschiedentlich seine Kritik an der subjektverstehenden Interpretation als Kritik des Kommentars formuliert (FOUCAULT 1988a, 1991; DIAZ-BONE 2006a). Methodologisch gesehen wird die Unterstellung, dass Diskurse eine Artikulation subjektiver Intention und Erfahrung sind, dann zum Erkenntnishindernis. [61]
4.2 Analyse des Systemcharakters und der Tiefenstruktur
Fast drei Jahrzehnte vor Thomas S. KUHNs Theorie der Paradigmen (1976) – und fast zeitgleich mit der Theorie der Denkstile von Ludwik FLECK (1980) – hat BACHELARD Theorien als Systeme analysiert. Die FOUCAULTsche Diskurstheorie begreift – wie oben dargelegt – Diskurse als Aussagensysteme und zugleich als Wissensstrukturen, die Resultat der diskursiven Praxis sind. Die Analyse kann sich dann nicht damit begnügen, ein Inventar der "Begriffe", der "Sprecher", der "Themen" oder der "Objekte", welche in einem Diskurs an der Oberfläche auftreten, zu erstellen und diese dann als Resultat einer Praxis anzusehen. Gegenstand der Analyse ist der Nachweis der diskursiven Praxis und der innewohnenden Regeln dieser Praxis.
"Man hatte die Einheit des Diskurses in den Gegenständen selbst, ihrer Distribution, dem Spiel ihrer Unterschiede, ihrer Nähe oder Entfernung gesucht – kurz, in dem, was dem sprechenden Wesen gegeben ist: und man wird schließlich verwiesen auf die Herstellung von Beziehungen, die die diskursive Praxis selbst charakterisiert; und man entdeckt auf diese Weise keine Konfiguration oder Form, sondern eine Gesamtheit von Regeln, die einer Praxis immanent sind und sie in ihrer Spezifität definieren." (FOUCAULT 1973, S.70f.) [62]
Diese Regeln sind eben nicht die Häufigkeiten der Begriffe oder Korrelationen zwischen den an der Oberfläche des Diskurses auftretenden Elementen – was inhaltsanalytische Techniken wie Kookurrenz-Analysen35) oder als "Diskursanalyse" vorgestellte inhaltsanalytische Vorgehensweisen als adäquate Verfahren fraglich werden lässt.36) Das gilt auch für sequenzanalytische Vorgehensweisen oder Kodierstrategien der Grounded Theory, deren Voraussetzung jeweils soziologische Theorien sind, die als Metaphysiken in diese Verfahren eingegangen sind (wie die Ethnomethodologie bzw. die objektive Hermeneutik im ersten und der Symbolische Interaktionismus im zweiten Fall). Die Sequenzanalyse erfasst die in den Interaktionen erfolgende Strukturierung der Situation bzw. das Konstruieren und Hineinreichen von Deutungsmustern. Die Kodierstrategie der Grounded Theory – wie sie von STRAUSS (1991; STRAUSS & CORBIN [1996]) ausgearbeitet wurde – bildet entsprechend das interaktionistische Kodierparadigma ab. Alle diese Verfahren – mitsamt ihrer Technologien wie dem Einsatz von Analysesoftware (DIAZ-BONE & SCHNEIDER 2003) – haben ihre eigene Phänomenotechnik, die a priori mit der FOUCAULTschen Diskursthorie inkommensurabel sind. Werden diese Verfahren nicht diskurstheoretisch reflektiert und von den in sie eingegangenen Theoremen anderer Ansätze "bereinigt" (was immer nur in Grenzen möglich ist), verletzt ihr Einsatz den holistischen Instrumentalismus. Diesen zu respektieren bzw. herzustellen, d.h. Instrumente aus anderen Paradigmen kontrolliert umzuarbeiten und sie entgegen ihres ursprünglichen Charakters reflektiert zu "miss"-brauchen, ist ein entstehendes Terrain der FOUCAULTschen Diskursanalyse (DIAZ-BONE & SCHNEIDER 2003; GLASZE 2007; KELLER 2007). [63]
Der Systemcharakter des Aussagenssystems manifestiert sich gerade auch darin, dass die Herstellung der Beziehungen die von FOUCAULT unterschiedenen vier Bereiche (Formation der Begriffe, Objekte, Sprechermodalitäten und Strategien) untereinander vernetzt (FOUCAULT 1973, 2001a). Damit reicht es nicht aus, allein Regeln für einen der Bereiche zu identifizieren – etwa indem man Prinzipien für die Klassifikation von Objekten oder rhetorische Strategien der Sprechermodalitäten rekonstruiert. Der Systemcharakter entsteht aus der die Vernetzung (der vier Bereiche) herstellenden Praxis. [64]
Eine Korpuserstellung für Diskursanalysen kann im Grunde nur vorläufig die Existenz einer kohärenten diskursiven Praxis für ein zu untersuchende Feld unterstellen, um hiernach die Aussagen daraufhin zu untersuchen, ob sich einheitliche Formen einer Praxis tatsächlich beschreiben lassen. Ob sich ein Aussagensystem intelligibel als Materialisierung einer Tiefenstruktur erarbeiten lässt, ist dann das Realisierungsinteresse der Diskursanalyse.37) Das heißt, zu zeigen ist in der Rekonstruktion, dass Tiefenstrukturen der Grund sind für die Einheitlichkeit der Praxis des Vernetzens von "Objekten", "Begriffen", "Strategien" und "Sprechermodalitäten" und wie weit diese Tiefenstrukturierung reicht, wo ihre Grenzen (Grenzen ihrer Reichweite und ihrer Kohärenz) sind. Diskursanalysen zielen also – und hierin ist die Kontinuität der epistemologischen Perspektive in der Methodologie FOUCAULTs zu sehen – ab auf die Rekonstruktion der Tiefenstrukturen der diskursiven Praxis und darauf, wie deren Transformationen in der diachronen Analyseperspektive bzw. deren Äquivalenzen in der synchronen Analyse zu Tage treten. [65]
1) Für kritische Hinweise zu einer vorangehenden Fassung dieses Beitrages danke ich Werner SCHNEIDER und Bernt SCHNETTLER. <zurück>
2) So der Titel des von Dirk KAESLER (2005) herausgegebenen Bandes, mit dem Beitrag zur Theorie FOUCAULTs von Reiner KELLER (2005). <zurück>
3) Diese Skepsis gegenüber einer FOUCAULTschen Methodologie findet sich typischerweise bei Geschichtswissenschaftler(inne)n, so etwa bei dem Historiker Ulrich BRIELER (1998), der versucht, FOUCAULT als "genuinen Historiker" zu interpretieren, welcher radikal wie kaum ein anderer Historiker die Historizität allen Wissens gedacht und sich daran ausgerichtet habe. Dieser Historizität ist dann – so die Argumentation BRIELERs – auch die Ausarbeitung der Methodologie zum Opfer gefallen: in dem Moment, in dem sie sich ansatzweise (als "Begriffs- und Definitionsdschungel", S.4) zu formieren begann, hätten (neben theorieimmanenten Gründen) die politischen Wirren des Mai 1968 ihr Recht gefordert (S.194f.). BRIELER muss das Problem nicht lösen zu rekonstruieren, wie FOUCAULT die diskursanalytische Methodologie in seinen Analysen praktisch realisiert hat oder wie andere dies realisieren könnten. Die Arbeit von BRIELER ist eine werkgeschichtliche Ausarbeitung, die die Bewegungen der FOUCAULTschen Theorie aus dem zeit- und ideenhistorischen Kontext zu "deuten" versucht. Sie ist eine Geschichtsbiografie der FOUCAULTschen Theorie, die in der Wechselwirkung der Person FOUCAULT mit dem historischen Kontext die Theoriebewegungen zu erklären versucht. Diese "Deutung" ist selbst keine Diskursanalyse und kommt daher als historische Arbeit ohne den Bezug auf eine empirische Methode aus. Philipp SARASIN arbeitet als Historiker nun über die "Geschichte" selbst. Dort findet sich die Methodenskepsis in anderer Weise: "Diskursanalyse beziehungsweise Diskurstheorie ist keine Methode, die man 'lernen' könnte, sondern sie erscheint mir eher als eine theoretische, vielleicht sogar philosophische Haltung" (SARASIN 2003, S.8). Diese Position übersieht die Zwischenebene der Methodologie und ihre methodenpraktische Funktion. Die Lösung ist dann – zumindest methodologisch – wieder die historische, verstehende Interpretation, die das Verstehen in der Anerkennung ansiedelt, dass die konstruierende diskursive Praxis am Werk ist. Die Frage aber, wie die historische Analyse Diskurse "sieht", die Frage nach dem Wie der Analyse und danach, wie sie ihre eigene konstruierende Vorgehensweise im Blick behält, bleibt dann offen. <zurück>
4) Siehe für einen Versuch, gerade die Ereignishaftigkeit als Ansatzpunkt für die empirische Analyse zu nehmen DIAZ-BONE (2005a). Das Konzept der Ereignishaftigkeit des Diskurses wurde eingeführt, um die eigene Realität der diskursiven Praxis hervorzuheben, die nicht rückführbar ist auf andere Ontologien (wie Sprecherabsichten), siehe auch FOUCAULT (2001b). <zurück>
5) In diesem Akt der Selbstanwendung wird diese Beobachtungsposition zugleich auch konstruiert. Die Zirkularität wird dabei nicht als Problem, sondern als Lösungsvorschlag betrachtet. In einer "Münchauseniade" wird so die diskursanalytische Position per fiat eingerichtet und die Differenz zwischen Diskurs und Diskurs über den Diskurs praktisch etabliert. Damit handelt sich nicht um das Problem des unendlichen Regresses, sondern um die Frage, ob eine solche Selbsterschaffungsstrategie der Diskursforschung möglich ist. Von hier aus zeigt sich eine Verwandtschaft zur methodologischen Selbstgründung der systemtheoretischen Analysen von Niklas LUHMANN (1997), der an die operative Logik von George SPENCER-BROWN (1999) der praktischen Unterscheidung und des Wiedereintritts (Re-entry) in diese anschließt. <zurück>
6) Gaston BACHELARD wird 1884 in Bar-sur-Aube in der Champagne geboren. In der Zeit zwischen 1903 bis 1913 ist er als Postbeamter tätig. Zwischenzeitlich absolviert er 1906-1907 seinen Militärdienst in einer Telegraphieeinheit der französischen Armee. Parallel zu seiner Arbeit als Postbeamter studiert er und absolviert 1912 das Staatsexamen in Mathematik. BACHELARD nimmt als Soldat am ersten Weltkrieg teil und ist danach von 1919 bis 1930 Lehrer für Physik und Chemie an einem Gymnasium in seiner Geburtsstadt Bar-sur-Aube. In dieser Zeit absolviert er 1927 seine Promotion an der Sorbonne (Paris). 1930 wird er zunächst an die Universität Dijon auf einen Lehrstuhl für Philosophie und von da aus 1940 an die Sorbonne auf den Lehrstuhl für die "Geschichte und Philosophie der Wissenschaften" berufen. Er wird in Paris zugleich Direktor des Institut d'Histoire des Sciences et des Techniques, das 1932 gegründet worden war und übernimmt dessen Leitung bis zu seiner Emeritierung 1955. Georges CANGUILHEM wird dann sein Nachfolger sowohl auf dem Lehrstuhl an der Sorbonne als auch als Leiter des Institut d'Histoire des Sciences et des Techniques. BACHELARD stirbt 1962 in Paris. (Siehe zu CANGUILHEM ROSE 1998; zu BACHELARD die Biografie von PARINAUD 1996 und die biografische Skizze in LIBIS und NOUVEL 2002.) Eine Bibliographie der Arbeiten von BACHELARD und von Arbeiten über ihn findet sich in LIBIS und NOUVEL (2002). Systematische französische Darstellungen zur Epistemologie BACHELARDs bieten LECOURT (1974), PARIENTE (2001) und LECOURT (2002). Gerade LECOURT (1974) argumentiert, dass der Einfluss BACHELARDs nach seinem Tod im Frankreich der 1970er Jahre nicht nur zugenommen, sondern einen strategischen Platz in allen zeitgenössischen französischen Theoriediskussionen eingenommen hat (für die Bewertung BACHELARDs nach 1962 siehe CANGUILHEM 1979a, 1979b, 1979c). In den Sozialwissenschaften haben neben den Arbeiten FOUCAULTs auch diejenigen von Pierre BOURDIEU (sowie seiner Mitarbeiter[innen]) und von Michel PÊCHEUX die Epistemologie BACHELARDs praktisch als wissenschaftstheoretische Grundlage etabliert (s.u.); anzuführen sind weiter die Arbeiten von Louis ALTHUSSER (1968, 1972), der den wissenschaftlichen Status der späten Arbeiten von Karl MARX mit dem BACHELARDschen Konzepten des epistemologischen Bruch beschrieben hat (BALIBAR 1994; DOSSE 1996b, S.216ff.). Siehe für eine Bewertung der Rolle BACHELARDs für die Soziologie VANDENBERGHE (1999), für Einführungen die Beiträge von LEPENIES (1978) und CANGUILHEM (1979a, 2002, S.173-207). Eine Darstellung des Strukturalismus, die – wenn auch sehr oberflächlich – versucht, BACHELARDs und CANGUILHEMs Einfluss darzulegen, bieten die beiden Bände von DOSSE (1996a, 1996b). Für eine philosophische Rezeption in Deutschland siehe WALDENFELS (1983, S.380ff.). Hier wird – wenig überraschend – die anti-phänomenologische Epistemologie BACHELARDs von dem Phänomenologen WALDENFELS kritisch beurteilt. <zurück>
7) 1934 erscheint das erste Hauptwerk "Le nouvel esprit scientific" (dt. BACHELARD 1988), das derzeit in der 6. Auflage vorliegt, dann 1938 "La formation de l'esprit scientific" (dt. BACHELARD 1978), mittlerweile in der 8. Auflage veröffentlicht, dann 1940 "La philosophie du non" (dt. BACHELARD 1980), das bisher zwei Auflagen erlebt hat. Diese drei Bände legen die Entwicklung der Epistemologie BACHELARDs vollständig dar. Mit zwei späteren Arbeiten, die bislang nicht ins Deutsche übersetzt sind, wird die Theorie der rationalen Wissenschaftsentwicklung von BACHELARD (1990, 1998) vertiefend angewendet, sie zählen zum Spätwerk. Wichtige frühe Aufsätze BACHELARDs sind 1970 in einer Aufsatzsammlung erneut veröffentlicht worden (BACHELARD 1970). Die posthum von LECOURT zusammengestellte und sehr einflussreich gewordene Auswahl von Texten BACHELARDs, die 1971 in Frankreich unter dem Titel "Épistémologie" erschienen ist, ist bereit 1974 ins Deutsche übertragen worden und hat auch hier mehrere Ausgaben erlebt (BACHELARD 1993). BACHELARD hat zudem viele Arbeiten zur Literatur vorgelegt, so dass die BACHELARD-Forschung ein epistemologisches und ein poetologisches Werk unterscheidet, siehe PARINAUD (1996), LIBIS und NOUVEL (2002). <zurück>
8) Dass der Einfluss von BACHELARD durch die Vermittlung CANGUILHEMs erst richtig über Generationen hinweg vermittelt wurde, zeigen die biografischen Arbeiten von BOURDIEU (1998, 2002) und ERIBON (1991, 1998). <zurück>
9) Wie selbstverständlich und allgegenwärtig die Theorie BACHELARDs und CANGUILHEMs für den französischen Strukturalismus ist, zeigt sich an Äußerungen wie denen von Jean WAHL: "In dieser Hinsicht bin ich ein Kind des Strukturalismus. In bin mit der Lektüre von Bachelard und Canguilhem, mit der französischen Epistemologie groß geworden." (WAHL, zitiert nach DOSSE 1996a, S.287) Begriffe der französischen Epistemologie "epistemologischer Bruch" oder "Episteme" werden in den grundlegenden strukturalistischen Texten der 1960er Jahre selbstverständlich verwendet, ohne dass BACHELARD (noch) zitiert werden muss; siehe beispielsweise WAHL (1973, S.12), FOUCAULT (1971, S.25) oder DERRIDA (1974, S.13). Die epochale Bedeutung der Epistemologie BACHELARDs und CANGUILHEMs stellt FOUCAULT (1988) heraus. <zurück>
10) Liest man die Arbeiten BACHELARDs aus heutiger Perspektive und nach mehr als einem halben Jahrhundert strukturalistischer und poststrukturalistischer (Re-) Lektüren der Vorläufer und Klassiker (wie SAUSSURE, ROUSSEAU), so lässt sich die (Re-) Lektüre wissenschaftlicher Theorien durch BACHELARD durchaus als Vorläufer der "symptomatischen" bzw. "dekonstruktivistischen Lektüren" auffassen, anhand derer die ersten (post-) strukturalistischen Arbeiten ihre Position einzuführen versuchen. Beispiele sind die These vom epistemologischen Einschnitt zwischen dem "frühen humanistischen Marx" und "dem späten wissenschaftlichen Marx" in der Lektüre von Das Kapital durch ALTHUSSER (1972), oder die dekonstruktive Lektüre eines Textes von Claude LÉVI-STRAUSS durch Jacques DERRIDA, in dem LÉVI-STRAUSS einen Text von Jean-Jacques ROUSSEAU analysiert (1974, S.178ff.). <zurück>
11) Der Aufsatz ist 1936 zunächst in der Belgrader Zeitschrift Philosophia erschienen. Ihm liegt ein Vortrag zugrunde, den HUSSERL 1935 in Wien gehalten hat. Eine erweiterte Fassung des Aufsatzes liegt mit der Ausgabe der "Husserliana" aus dem Jahr 1954 vor. Erst in dieser wird die "Lebenswelt-Problematik" voll ausgebreitet. <zurück>
12) Der lebensweltliche Bezug ist für HUSSERL der Rechtfertigungsbezug von Methoden: "An sich ist der Fortgang von sachhaltiger Mathematik zu ihrer formalen Logifizierung, und ist die Verselbständigung der erweiterten formalen Logik als reine Analysis oder Mannigfaltigkeitslehre etwas durchaus Rechtmäßiges, ja notwendiges; desgleichen die Technisierung mit dem sich zeitweise ganz Verlieren in ein bloß technisches Denken. Das alles aber kann und muß vollbewußt verstandene und geübte Methode sein. Das ist es aber nur, wenn dafür Sorge getragen ist, daß hierbei gefährliche Sinnverschiebungen vermieden bleiben, und zwar dadurch, daß die ursprüngliche Sinngebung der Methode, aus welcher sie den Sinn einer Leistung für die Welterkenntnis hat, immerfort aktuell verfügbar bleibt" (HUSSERL 1996, S. 50, Herv. i. Orig.). Da, wo dieser Bezug verloren geht, ist für HUSSERL die Eigenlogik der Methoden letztlich sinnlos: "Das Ideenkleid 'Mathematik und mathematische Naturwissenschaft', oder dafür das Kleid der Symbole, der symbolisch-mathematischen Theorien, befaßt alles, was wie den Wissenschaftlern, so den Gebildeten als die 'objektiv wirkliche und wahre' Natur die Lebenswelt vertritt, sie verkleidet. Das Ideenkleid macht es, daß wir für wahres Sein nehmen, was eine Methode ist, – dazu da, um die innerhalb des lebensweltlich wirklich Erfahrenen und Erfahrbaren ursprünglich allein möglichen rohen Voraussichten durch 'wissenschaftliche' im Progressus in infinitum zu verbessern: die Ideenverkleidung macht es, daß der eigentliche Sinne der Methode, der Formeln, der 'Theorien' unverständlich blieb und bei der naiven Entstehung der Methode niemals verstanden wurde." (HUSSERL 1996, S.55f., Herv. i. Orig.) <zurück>
13) "Die oft behauptete Einheit der Wissenschaft, und das hat uns oft überrascht, stellt keinen stabilen Zustand dar; deshalb ist es gefährlich, eine einheitliche Epistemologie zu postulieren." (BACHELARD 1988, S.20) <zurück>
14) BACHELARD spricht (hier dann gegen die cartesianische Selbstbegründung der Philosophie) polemisierend auch von der "Philosophenphilosophie", die sich nicht an der empirischen Wissenschaftspraxis und den dort auftretenden praktischen Vorgängen und Problemen orientiert, sondern die "von Berufs wegen die Grundwahrheiten in sich selbst findet" (BACHELARD 1980, S.23). LEPENIES schreibt dazu: "Bachelard warf der Philosophie seiner Zeit vor, den Kontakt zu einer Wissenschaft nie hergestellt zu haben, die die Distanzierung von der alltäglichen Erfahrung zu ihrer Leitidee gemacht hatte. Der Wissenschaft die Philosophie zu geben, die sie verdient, lautete die Maxime Bachelards. Seine Epistemologie war der groß angelegte und radikale Versuch, die Philosophie zur Magd der Wissenschaft zu machen – weil die Philosophie nur noch in dieser dienenden Funktion mit Würde überleben konnte." (LEPENIES 1978, S.9) <zurück>
15) Die Pluralität verschiedener Welten im subjektiven Erleben wird später von Alfred SCHÜTZ (auch durch dessen Rezeption des Pragmatismus von William JAMES) einbezogen. <zurück>
16) Siehe für diese Argumentationslinie die prägnante Darstellung bei BALKE (1993). <zurück>
17) Interessanterweise ist es hier gerade die nacheuklidische moderne Geometrie, deren Ablösung von der Lebenswelt HUSSERL als Ansatz für seine Krisis-Diagnose verwendet hatte, die BACHELARD daraufhin analysiert, was sie für das wissenschaftliche Denken ermöglicht, weil sie mit EUKLID bricht (BACHELARD 1988, S.24ff.). <zurück>
18) Siehe für eine systematische Darstellung des epistemologischen Bruchs ("rupture épistémologique") zwischen Alltagsdenken und wissenschaftlichem Denken BACHELARD (1998, S.102ff.). In Auszügen ist dieser Text ins Deutsche übersetzt zu finden in BACHELARD (1993, S.20f.). <zurück>
19) Siehe die Metapherntheorie ("Metaphorologie") von Hans BLUMENBERG (1998), der mit dem Begriff der "absoluten Metapher" ebenfalls diese Dualität von Metapher als organisierende Funktion und Tiefenstruktur theoretisiert. <zurück>
20) BACHELARD verwendet unterschiedliche Bezeichnungen, er spricht von der "Gemeinschaft der Wissenschaftler" (BACHELARD 1978, S.55/157), vom "szientifischem Gemeinwesen" oder von "Schulen" (BACHELARD 1993, S.158f.). Diese sind wie bei Ludwik FLECK (1980) als wissenschaftliche Denkkollektive zu verstehen, als epistemologische Gemeinschaften. <zurück>
21) "Würde man diese Metaphern nicht verinnerlichen, wäre es nur halb so schlimm; man könnte sich immer noch retten, indem man sagte, es handele sich hier lediglich um ein Mittel, das Phänomen zu übersetzen, es auszudrücken. Tatsächlich aber beschränkt man sich durchaus nicht darauf, mit Hilfe eines Wortes eine Beschreibung zu finden; man erklärt dadurch einen Gedanken. Man denkt so, wie man sieht; man denkt, was man sieht; Staub klebt an der elektrisierten Fläche, also ist die Elektrizität ein Leim, ein Klebstoff. So ist man dann auf die falsche Spur geraten, auf der die falschen Problemstellungen zu wertlosen Experimenten führen, deren negative Resultate nicht einmal mehr zur Warnung dienen, so sehr blendet das erste, naive Bild, so entscheidend ist seine Zuordnung zu einer Substanz. […] versuchen wir zu ergründen, wie man dazu kam, dem elektrischen Strom einen Geschmack zu unterstellen. Das konnte nur geschehen, wenn man substantialistischen Suggestionen erlag. Das elektrische Fluidum wurde als ein wirklicher materieller Geist, als eine Ausdünstung, ein Gas angesehen. Wenn dieser feine Stoff eine mit Urin, Milch oder Essig gefüllte Röhre durchquert, so muß er dort den Geschmack dieser Substanzen annehmen; Nähert man nun zwei Elektroden der Zungenspitze, so wird man diesen bei seinem Durchgang durch verschiedene Stoffe modifizierten materiellen elektrischen Strom schmecken […]" (BACHELARD 1978, S.165f./168; Herv. i. Orig.). <zurück>
22) "Der erste Einwand gegen den von Paul Renaud vorgeschlagenen Begriff der chemischen Flugbahn, der einem einfällt, besagt, daß dieser Begriff einer einfachen Metapher entspricht. Auf diesen Einwand wollen wir in der vorliegenden Digression antworten. Unsere Antwort erfolgt in zwei Etappen: in der ersten Etappe werden wir allzu realistische Behauptungen hinsichtlich der realen mechanischen Flugbahnen (trajectoires) angreifen; in der zweiten Etappe werden wir das Recht auf die Metapher verteidigen, wir werden dem metaphorischen Sinn eine solche Konsistenz geben, bis er fast alle Charakteristika hat, die dem realen Sinn zugeschrieben werden." (BACHELARD 1980, S.88f.) <zurück>
23) Siehe dazu BALKE (1993) und für eine Beurteilung im Rahmen zeitgenössischer Wissenschaftsphilosophie CASTELAO-LAWLESS (1995). <zurück>
24) Siehe zur Methodologie BOURDIEUs BOURDIEU, CHAMBOREDON und PASSERON (1991), BOURDIEU und WACQUANT (1996), VANDENBERGHE (1999), CALLEWAERT (2006). <zurück>
25) Siehe für die Rezeption der Theorie BACHELARDs durch Louis ALTHUSSER ALTHUSSER (1968,1972) und BALIBAR (1994). <zurück>
26) Genau genommen muss das Jahr 1970 hinzugezählt werden, in dem FOUCAULT seine Inauguralvorlesung "Die Ordnung des Diskurses" (FOUCAULT 1991) und eine Vorlesung mit Diskussion über die Episteme der Biologie bei CUVIER hält (FOUCAULT 2001a, 2002b) hält. <zurück>
27) Einen weiteren zentralen und für den Strukturalisten FOUCAULT spezifischen Einfluss stellen die Arbeiten von George DUMÉZIL dar. Der genauere Einfluss CANGUILHEMs und derjenige DUMÉZILs auf die Methodologie der FOUCAULTschen Diskursanalyse kann hier aber nicht in derselben Weise bearbeitet werden wie der Einfluss BACHELARDs; dies soll in einer folgenden Arbeit näher untersucht werden. Für den Einfluss DUMÉZILs gibt es nur wenige Hinweise, siehe FOUCAULT (1991, 1993, 2002c), DOSSE (1996a,1996b), ERIBON (1998) und DIAZ-BONE (2002). <zurück>
28) Diese Einbeziehung institutioneller Formen und der Wechselbeziehung zwischen Wissensformen und institutionellen Praktiken hatte sich 1961 bereits in "Wahnsinn und Gesellschaft" (FOUCAULT 1969) abgezeichnet. <zurück>
29) Oder sollte man mit FOUCAULT (2001a) sagen, dass eine Transformation alternativ aufgefasst werden kann, als Serie vielfacher kleiner Diskontinuitäten? Dass hier eine stete Transformationsarbeit an der Epistemologie vorliegt, ist anhand der in den Dits et Ecrits vorliegenden Texte FOUCAULTs (2001a, 2001b, 2001c, 2002a, 2002b) aus der Zeit zwischen 1966 und 1970 zu erkennen (diese Texte haben das Genreformat von Interviews, Vorträgen oder "Antworten auf Fragen" in Zeitschriften, und sie sind auch vielleicht daher nicht so beachtet worden wie die früh ins Deutsche übersetzten Bücher). In diesen versucht FOUCAULT, genau diese kontinuierliche Transformationsarbeit gegen eine Rezeption des Bruchs (die es auch in Frankreich gibt) hervorzuheben, und er betont damit den Zusammenhang zwischen den materialen Untersuchungen "Die Geburt der Klinik" (FOUCAULT 1988a) und "Die Ordnung der Dinge" (FOUCAULT 1971) einerseits und der "Archäologie des Wissens" (FOUCAULT 1973) andererseits. Auch im Vorwort zur deutschen Ausgabe von "Die Ordnung der Dinge" (1971, S.15) erläutert FOUCAULT das Anliegen, in seiner "epistemologischen" Studie die Theorie der diskursiven Praxis zu analysieren. <zurück>
30) Hier wird der Einfluss von Georges DUMÉZIL deutlich (FOUCAULT 2002c). <zurück>
31) Das gilt zuerst und einflussreich für die Arbeit von DREYFUSS und RABINOW (1987); siehe die Kritik an dieser Rezeption bei DELAPORTE (1998). Wie konnte die Rezeption der Genealogie der methodologischen Position FOUCAULTs aus der französischen Epistemologie so abreißen? Wenn man die Situation in Frankreich zunächst einmal ausnimmt, so zeigt die Rezeption außerhalb Frankreichs durchaus, dass es philosophische Arbeiten gibt, die die kontinuierliche Präsenz der Epistemologie und ihrer Transformationen bei FOUCAULT darstellen; für die USA siehe GUTTING (1989), für Deutschland MARQUES (1988), MARTI (1988) und PRIVITERA (1990). Die sozialwissenschaftliche Rezeption im deutschsprachigen Raum hat die Epistemologie der Philosophie überlassen und nicht wirklich daran gedacht, dass die Strategien der französischen Epistemologie auch als methodologische Option betrachtet werden können. Die wichtige Arbeit von DREYFUSS und RABINOW (1987) hat gerade in dem Übersehen dieser Grundlage ihre Schwäche. Auch die sonst so präzise Arbeit von FRANK (1983) überspringt die französische Epistemologie und ihre strategische Bedeutung für die FOUCAULTsche Diskursanalyse. <zurück>
32) Damit verbunden ist auch die Aufgabe der Prüfung von Wahrheitsansprüchen von wissenschaftlichen Theorien (FOUCAULT 1991). <zurück>
33) Die Interdiskurstheorie PÊCHEUXs betrachtet das "Hineinreichen" von Bedeutungen in Diskurse, die aber in anderen Diskursen hervorgebracht wurden. Die Analyse von solchen interdiskursiven Effekten ist aber noch nicht operationalisiert. <zurück>
34) Siehe zu Aspekten diskursanalytischer Erklärungen auch DIAZ-BONE (2005a). <zurück>
35) Kookkurrenz-Analysen sind eine besondere Form der standardisierten Inhaltsanalyse. Sie untersuchen im Unterschied zu Frequenzanalysen nicht einfach die Häufigkeiten einzelner Textelemente (so genannter "Indikatoren"), sondern das gemeinsame Auftreten (die Kookurrenz) von Textelementen (innerhalb von Textsegmenten) in einem Korpus. Die Zielsetzung ist hierbei, aus der Häufigkeit der Kookkurrenz Wortfelder und semantische Beziehungen zu erschließen. <zurück>
36) Siehe für die Kritik an der Inhaltsanalyse PÊCHEUX (1969, 1982, 1995), die Beiträge in HAK und HELSLOOT (1995) sowie HELSLOOT und HAK (2007). <zurück>
37) Hier zeigt sich auch, dass man keine Diskursanalyse mit nur wenigen Aussagen – wie dies zuweilen in linguistischen Analysen erfolgt – machen kann; siehe die Kritik in DIAZ-BONE (2005a, 2006a). <zurück>
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Rainer DIAZ-BONE, Dr. phil., Dipl. Soz.-Wiss., 1991 bis 1996 Studium der Sozialwissenschaft (Schwerpunkt: angewandte Sozialforschung) an der Ruhr-Universität Bochum, von 1996 bis 2001 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung (Hochschule für Musik und Theater Hannover), seit 2002 Wiss. Assistent am Institut für Soziologie (Freie Universität Berlin) im Lehrgebiet Methodenlehre und Statistik. Forschungsschwerpunkte: angewandte Diskursanalyse, empirische Kultur- und Sozialstrukturanalyse, Wirtschaftssoziologie, Methoden der empirischen Sozialforschung, Wissenschaftstheorie, sozialwissenschaftliche Statistik und Netzwerkanalyse. Rainer DIAZ-BONE hat in FQS bereits die Sammelbesprechung Entwicklungen im Feld der foucaultschen Diskusanalyse, die Artikel Milieumodelle und Milieuinstrumente in der Marktforschung und Zur Methodologisierung der Foucaultschen Diskursanalyse veröffentlicht. Außerdem wurden die beiden Interviews Operative Anschlüsse: Zur Entstehung der Foucaultschen Diskursanalyse in der Bundesrepublik. Jürgen Link im Gespräch mit Rainer Diaz-Bone und Kritische Diskursanalyse: Zur Ausarbeitung einer problembezogenen Diskursanalyse im Anschluss an Foucault. Siegfried Jäger im Gespräch mit Rainer Diaz-Bone sowie der Review-Essay Gibt es eine qualitative Netzwerkanalyse? veröffentlicht.
Kontakt:
Dr. Rainer Diaz-Bone
Freie Universität Berlin
Institut für Soziologie
Garystraße 55
D-14195 Berlin
Tel.: (49) 030-838-57620
E-Mail: diazbone@zedat.fu-berlin.de
URL: http://www.rainer-diaz-bone.de/
Diaz-Bone, Rainer (2007). Die französische Epistemologie und ihre Revisionen. Zur Rekonstruktion des methodologischen Standortes der Foucaultschen Diskursanalyse [65 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 8(2), Art. 24, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0702241.