Volume 17, No. 2, Art. 19 – Mai 2016
Rezension:
Ulrike Schröder
Jens Loenhoff & H. Walter Schmitz (Hrsg.) (2015). Telekommunikation gegen Isolation. Kommunikationswissenschaftliche Studien aus einem Modellprojekt in einer Klinik. Wiesbaden: Springer Fachmedien; 379 Seiten; ISBN 978-3-658-10645-4; 69,99 EUR
Zusammenfassung: Der Sammelband "Telekommunikation gegen Isolation" vereint auf der Grundlage ethnografisch-kommunikationsempirisch erhobenen Datenmaterials insgesamt acht Beiträge, die auf ein Modellprojekt zurückgehen, das an der Universität Duisburg-Essen (Campus und Klinikum) durchgeführt wurde. Dokumentiert werden sowohl die Ergebnisse der ersten Studie, bei der es um die Entwicklung und Evaluation eines Modells für "Videokonferenzen zwischen isolierten, krebskranken Kindern und ihren Freunden und Familienangehörigen" ging, als auch die Resultate der daran anschließenden interaktionsanalytischen Untersuchungen zur Erforschung dieser spezifischen technisch vermittelten und multimodalen Kommunikationsform. Obwohl es in einigen Punkten an einer angemessenen Einbettung der Ergebnisse in die aktuelle wissenschaftstheoretische Diskussion fehlt, stellt das Buch vor allem in ethnografischer Hinsicht einen äußerst gelungenen Beitrag zu einem bisher von kommunikationswissenschaftlicher Warte aus kaum betrachteten Themenfeld dar und kann damit als Vorreiter für zukünftige Arbeiten auf dem Gebiet der Videokonferenz als eigenständiger Kommunikationsform betrachtet werden.
Keywords: Telekommunikation; Interaktion; Multimodalität; Kommunikationswissenschaft; Ethnografie; Videokonferenz
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Aufbau und Inhalt
3. Bewertung
Seit mehr als fünfzehn Jahren beschäftigt sich die Kommunikationswissenschaft an der Universität Duisburg-Essen mit der Videokonferenz als eigenständiger Kommunikationsform. Im Anschluss daran hat sie damit begonnen, diesen Untersuchungsgegenstand konkret mit der Frage danach zu verknüpfen, wie krebskranken Kindern, die aufgrund einer Knochenmarktransplantation für zwei bis drei Monate in einem Isolierraum verbringen müssen, durch das Medium der Videokonferenz ein Zugang zu ihrer gewohnten Lebenswelt ermöglicht werden kann. [1]
Die in dem hier besprochenen Band zusammengestellten kommunikationsempirischen Studien sind aus dem Projekt "Qualitative Längsschnittanalysen von Videokonferenzen zwischen isolierten, krebskranken Kindern und ihren Freunden und Familienangehörigen. Eine Studie zu forcierter Mediatisierung interpersonaler Kommunikation" hervorgegangen, das an der Universität Duisburg-Essen von 2012-2013 von der DFG gefördert wurde. Die Datengrundlage wiederum bildet ein kommunikationswissenschaftlich-medizinisches Modellprojekt, das zuvor von 2006-2009 auf dem Campus und zusammen mit dem Klinikum Essen realisiert wurde. Im Zentrum des Forschungsinteresses stand in diesem Vorgängerprojekt mit dem Titel "Telekommunikation von Kindern im Krankenhaus mit Eltern, Lehrern und Freunden – TKK-ELF"1), das der sog. Aktionsforschung zuzuordnen ist, die Entwicklung und Evaluierung eines Modells für eine solche Telekommunikation, während im Nachfolgeprojekt, dessen Resultate in dem vorliegenden Buch präsentiert werden, ethnografische und interaktionsanalytische Arbeiten an dem erhobenen Datenmaterial vorgenommen wurden. [2]
In acht Kapiteln stellen die insgesamt vier Autorinnen und Autoren, die alle aktiv in das Projekt eingebunden waren, Untersuchungen zu verschiedensten kommunikationsempirisch und ethnografisch relevanten Phänomenen aus dem Feld vor. Den acht Kapiteln vorangestellt ist eine Einleitung der Herausgeber Jens LOENHOFF und H. Walter SCHMITZ, in der sie das Projekt nach einer kurzen Vorstellung in einen theoretisch-methodologischen Kontext einbetten, mit dem sie zugleich einige Kernparadigmen der Essener Kommunikationswissenschaft berühren. Als Erstes wird der Status quo hinsichtlich der Videokonferenzforschung skizziert, wobei die Herausgeber kritisch anmerken, dass sowohl die Synchronizität als auch der interaktive Charakter der Videokommunikation bisher gegenüber vornehmlich quantitativen Studien noch keinerlei Beachtung gefunden hätten, sodass hier in wissenschaftlicher Hinsicht großer Nachholbedarf bestehe. Es folgen eine Betrachtung und historiografische Einordnung des für das Projekt höchst relevanten Konzepts der "Multimodalität": LOENHOFF und SCHMITZ (S.11) sprechen vor dem Hintergrund des scheinbar neu erwachenden Interesses an dem Thema in Linguistik und Konversationsanalyse von deren "Wiederentdeckung" und verweisen auf die damit einhergehende Verkennung der langen Tradition einer Beschäftigung mit Multimodalität seit der Antike, wie sie u.a. durch die Begründung der Paralinguistics (George L. TRAGER), Proxemics (Edward T. HALL) und Kinesics (Ray L. BIRDWHISTELL) ab den 1950er Jahren belegt sei. Bedenken hegen die beiden Autoren auch gegenüber dem immer noch vorherrschenden Gedanken, Multimodalität beziehe sich auf das Vorhandensein unterschiedlicher – etwa prosodischer, visueller und lexiko-syntaktischer – "Kanäle". Dem müsse ein ganzheitlicher Kommunikationsbegriff entgegenhalten werden, der Multimodalität als Zusammenspiel aller sensomotorischen Systeme verstehe, weshalb die Herausgeber den Band auch als "Beitrag zur Theorie und zur methodischen Erforschung technisch vermittelter (multimedialer) interpersonaler Kommunikation und ihrer oft multiplen Multimodalität" (S.2) begreifen. Ein drittes Themenfeld betrifft die Frage nach der angemessenen Transkription, die die Herausgeber erneut mit einer Kritik an den bestehenden gesprächs- und konversationsanalytischen Transkriptionssystemen zu erörtern beginnen, die ihnen zu exklusiv im Verbalen verankert sind. Angesichts der großen Unterschiede, die sich bereits zwischen einer Transkription auf der Grundlage bestehender Transkriptionssysteme finden lassen – etwa zwischen den von Gail JEFFERSON etablierten Konventionen (vgl. z.B. JEFFERSON 2002) und denen des Systems GAT 2 (SELTING et al. 2009) – werfen sie die Frage auf, ob die von vielen Gesprächsanalytiker/innen konstatierte Unzuverlässigkeit hinsichtlich der Transkription visueller Phänomene nicht auch für das Verbale gelte. Auch in diesem Zusammenhang geben die Herausgeber Aussicht auf eine Umorientierung an für die Interaktant/innen relevanten Kategorien. Abschließend stellen LOENHOFF und SCHMITZ die einzelnen Beiträge vor. [3]
Einen detaillierten Einblick in das Gesamtprojekt TKK-ELF gewinnen die Lesenden durch den ersten, ganze 120 Seiten umfassenden Beitrag Thomas BLIESENERs mit dem Titel "Das Modellprojekt TKK-ELF: Telekonferenzen für Patienten in Isolation. Anlage, Durchführung, Ergebnisse, Empfehlungen". So bündig, wie der Titel es bereits anklingen lässt, so komprimiert und aufgereiht werden auch die Daten zu den technischen Möglichkeiten für die Entwicklung und Bereitstellung der Telekommunikation sowie für den technischen und sozialen Support der Patient/innen und Angehörigen präsentiert. Man spürt einen deutlichen Stilbruch gegenüber der Einleitung und gewinnt zuweilen den Eindruck, es handle sich eher um einen Abschlussbericht als um ein wissenschaftliches Buchkapitel, was aber an dieser Stelle auch schon der einzige Kritikpunkt bleiben soll. Denn BLIESENER gelingt andererseits ein dichter Einblick in ein wahrlich komplexes und spannendes Projekt: Er beginnt mit einem Grundriss des Modellprojekts, dessen Zielsetzung die Schaffung einer synchronen audiovisuellen Kommunikationsform war, welche die krebskranken Kinder während ihrer zwei- bis dreimonatigen Zeit in einem keimfreien Isolierraum zwecks Behandlung mit einer Knochenmarktransplantation mit sozialen Kontakten zur Außenwelt versorgen sollte. Ziel war demnach eine Überschreitung des Isolierraums. Über den Zeitraum von drei Jahren entstanden dabei über zweitausend Aufnahmen, darunter rund 200 Stunden mit stabilem Bild und Ton von beiden beteiligten Orten (Patient/innen und Angehörige bzw. Freunde und Freundinnen). Die Feldstudie, die aufgrund ihrer verschiedenen Örtlichkeiten auch als Netzwerkstudie beschrieben wird, ordnet BLIESENER mit Blick auf sich fortwährend entwickelnde Randbedingungen und Variablen sowie ihren explorativen Charakter der Aktionsforschung zu. Zu den Erhebungsmethoden zählten 1. die filmische Dokumentation der Raumverhältnisse, 2. Gruppeninterviews mit dem Pflegepersonal, 3. Begleitgespräche mit Benutzer/innen im Behandlungszeitraum, 4. audiovisuelle Mitschnitte der computervermittelten Telekommunikation und 5. Nachgespräche mit Benutzer/innen über die gesammelten Erfahrungen mit der Telekommunikation, womit der holistische Anspruch dieser ethnografischen Untersuchung abgesteckt ist. [4]
BLIESENER steigt dann in eine umfassende Beschreibung des Feldes ein und skizziert grundlegende Strukturen und Prozesse sowie deren Beziehungen untereinander, bevor die Lage der Beteiligten selbst, insbesondere die psycho-soziale und räumliche Verfasstheit von Patient/innen und Angehörigen bzw. Freund/innen geschildert wird. Für die Auswertung zieht BLIESENER in Bezug auf Zeiten, Orte, Teilnehmende, Aktivitäten, Bedürfnisse und Zwecke u.a. das Fazit, dass die Nutzung von Telekommunikation nicht zwangsläufig als Ausdruck eines Kontaktbedürfnisses verstanden werden könne, sondern eher als komplexe Kompromissbildung zwischen unterschiedlichen äußeren und inneren Voraussetzungen und Bedingungen betrachtet werden müsse, da z.B. ihr Einsatz auch proportional mit der Erweiterung und Verbesserung des Supports anstieg. [5]
Im Anschluss daran zeigt BLIESENER die Leistungen von Telekommunikation auf und illustriert z.B., wie Objekte vorgeführt und Menschen und Räume verbunden werden können, aber auch, wie ein Kind, das sich seiner verlorenen Haare schämt, von der erlernten Möglichkeit Gebrauch machen kann, zwar zu sehen, aber bei Bedarf ebenso mehr oder weniger ungesehen zu bleiben. Schließlich fasst BLIESENER noch die Wirkungen von Telekommunikation zusammen: Die negativen Auswirkungen zeigten sich etwa dann, wenn Druck zu mehr Kommunikation gemacht werde; die positiven Auswirkungen spiegelten sich u.a. darin wider, dass Handlungsfreiheiten stabilisierend und ermutigend wirken könnten. Schließlich treten ambivalente Seiten der Telekommunikation zutage, wenn ein Kind z.B. virtuell an der Karnevalsfeier seiner Schule teilhaben kann, gerade dadurch jedoch zugleich gewahr wird, dass es im Abseits steht. [6]
In "Etappen auf dem Weg zum Patienten in der stationären Isoliereinheit" gibt Angelika WIRTZ einen ethnografischen Einblick in das Klinikumfeld und die Arbeitsweise der beiden für den technischen und sozialen Support zuständigen Kommunikationswissenschaftler/innen vor und während der Besuche in den Isolationsräumen. Ihre Darstellung umfasst eine detaillierte Beschreibung inklusive einer visuell aufbereiteten Dokumentation der Arbeitsorte und Aufgaben der Supporter/innen, der Aufgabenverteilung und der Arbeitstage sowie der Knochenmarktransplantation-Station mit Patient/innen-Schleuse und dem Isolationsraum. Dabei werden auch die Konsequenzen der gesamten Kommunikationssituation für die unmittelbare Face-to-Face-Interaktion und die Teilnehmendenkonstellation sichtbar. WIRTZ beschreibt z.B. detailliert, in welcher Weise die Sterilkleidung den eigenen Aktionsradius einschränkte. Oder sie berichtet von einem Vorfall, bei dem die Supporterin vor Ort feststellen musste, dass der Arzt die Internetverbindung eines Kindes gekappt hatte, ohne Kind oder Supporterin angemessen zu informieren. [7]
Mit Tino MINAS tauchen die Lesenden aus ethnografischer Warte in einen Kliniktag ein. Fokus ist der räumlich-zeitliche Blickwinkel der Besuche all jener Personen, die im Isolierraum ein- und ausgehen. In "Zwischen Raum- und Patientenbesuch: Eine Studie über die Häufigkeit und Verteilung von Öffnungen der Türen einer Isoliereinheit im Verlauf eines Tages" protokolliert MINAS die Häufigkeit, mit der die Tür der Schleuse von Akteur/innen auf der Station benutzt worden ist. Am Ende des Tages hat MINAS 320 Einträge vorliegen und konstatiert in seiner Auswertung zwei Typen von Raumbesuchen: Transitbenutzung und Besuche. Von Putzfrauen über Lehrer/innen, Clowns, Ärzt/innen, Pflegepersonal und Angehörige vermerkt der Autor verschiedenste Personengruppen, von denen insbesondere Putzkräfte und Schwestern/Pfleger zwei episodisch anwesende Gruppen darstellen, die zwar am selben physikalischen Ort präsent sein können, diesen jedoch mit ganz unterschiedlichen Sinnzuschreibungen versehen. Dadurch kann es auch zu Konflikten kommen, wenn etwa die innere Türe der Schleuse offen stehen geblieben ist und die Putzfrau ihre Arbeit nicht fortsetzen kann, weil sie die Schleuse nicht betreten darf. Am Ende seines Beitrags fragt MINAS mit Blick auf die zum Teil sehr lang andauernden Besuche durch Angehörige nach den tatsächlichen Erlebnishorizonten der beiden Anwesenden (Patient/in und Besucher/in): Inwieweit wird den Patient/innen durch die langen Besuche eine Normalität vorgespielt, durch die letztlich gerade die Abnormität der Situation zutage gefördert wird, und wie erleben diese die Kommunikation gerade vor dem Hintergrund ihrer körperlichen Eingeschränktheit? Interessant wäre an dieser Stelle eine kommunikationstheoretische Einbettung der ethnografisch erhobenen Daten in entsprechende Zeit-, Raum-, sowie Erlebniskategorien gewesen – unter Umständen auch auf der Grundlage von Nachbefragungen zu den entsprechenden Erlebnishorizonten der Teilnehmenden. [8]
Im vierten Kapitel "Kodierung von Bildinhalten in Videokonferenzen" gibt BLIESENER den Lesenden einen methodischen Leitfaden an die Hand, anhand dessen nachgezeichnet wird, unter welchen Maßgaben die aufgezeichneten Videokonferenzen transkribiert bzw. annotiert worden sind. Ohne grundlegend auf bestehende Transkriptions-, Notations- und Kodierungssysteme oder deren Status in aktuellen Debatten Bezug zu nehmen, postuliert BLIESENER lediglich seine eigene Abgrenzung zur herkömmlichen Transkription von Sprache in Sprache, da es sich, so BLIESENER, in dem erweiterten Sinne der Videokonferenz, der für die vorliegende Studie unter kommunikationswissenschaftlichem Vorzeichen zutreffend sei, um eine Prozedur der Deskription handle. Hier schließt BLIESENER nahtlos an die Argumentation von LOENHOFF und SCHMITZ in ihrer Einführung an, auch wenn der theoretisch-methodologische Reflexionsrahmen der Herausgeber in BLIESENERs Kapitel ausgespart bleibt. Zunächst werden einige Beispiele kreativer Prozesse der Semiotisierung angeführt wie etwa Annäherungen an die Kamera als Ausdruck persönlicher Nähe, großräumiges Winken quer durchs Bild oder der Einsatz regnender Kristallkugeln zur Freude des Partners bzw. der Partnerin – Handlungen, die allesamt zeigen, dass hier neue Maßgaben des Notierens vonnöten sind. BLIESENERs einzige Referenz, auf die er sich beruft, ist das "Berner System" (FREY, HIRSBRUNNER, POOL & DAW 1981). Es habe den Vorzug, Einheiten zu definieren, die so klein sind, dass sie noch keine funktionale oder psychologische Bedeutung repräsentierten. Trotz dieser knappen Referenz vermisse ich hier eine umfassendere methodologische Orientierung in Bezug auf eine klare Verortung und Abgrenzung nicht nur zu anderen Systemen, sondern auch zu deren theoretischer Fundierung, sowie eine klare Explizierung der methodologischen Zielsetzung des eigenen Vorhabens.2) Auch wenn sich BLIESENER in seinem Beitrag auf praktische Fragen zur Kodierung von Bildinhalten beschränkt, wäre es zum einen aufschlussreich gewesen zu erfahren, wo er (oder das Projekt generell?) grundsätzlich steht: Gibt es noch irgendwelche Berührungspunkte zu den gängigen Transkriptionssystemen der Gesprächsanalyse (JEFFERSON, HIAT, GAT etc.), oder werden diese aus generellen epistemologischen Überlegungen heraus abgelehnt? Wie positioniert sich die erarbeitete Methodologie im Hinblick auf andere Kodiersysteme, die zur Beschreibung nonverbaler Kommunikationsformen eruiert wurden, z.B. gegenüber dem "Facial Action Coding System" (FACS; vgl. WALLER & SMITH PASQUALINI 2013), dem Beschreibungssystem von Handbewegungen NEUROGES (LAUSBERG 2013) oder dem "Linguistic Annotation System for Gestures" (LASG; vgl. BRESSEM, LADEWIG & MÜLLER 2013)? Wie ordnet sich BLIESENER abseits seiner Nähe zum "Berner System" zu den aktuellen Fragen auf dem Gebiet der Beschreibung von Körperhaltungen ein (vgl. für einen Überblick BRESSEM 2013, S.1053f.)? [9]
BLIESENER beginnt dann mit einer Beschreibung, wie die Bildobjekte in Videokonferenzen in verschiedene Kategorien aufgegliedert wurden und liefert ein Modell, das – wenngleich ausdrücklich auf die spezifische Feldstudie zugeschnitten – dennoch gerade hinsichtlich seiner Berücksichtigung der multiplen Faktoren, die hier zum Tragen kommen, für zukünftige Studien im Bereich der de facto in Mode gekommenen "Multimodalität" von großer Bedeutung sein kann. Denn die Beschreibungskategorien zielen nicht auf statische Repräsentationen, sondern auf dynamische Teilnehmende als Interagierende koordinierter Handlungen. Konkret bedeutet das: Anstelle einer detaillierten Beschreibung einer Handbewegung findet man heraus – so wie es in diesem Fall durch Nachbefragung geschehen ist –, welcher Sinn einer bestimmten Geste zugeschrieben wurde, und notiert dann etwa nur noch "Sondenprüfung" (das Kind prüft, ob die Sonde richtig sitzt) mit einer Zahl oder einem Icon im Transkript. Durch den Vorzug solch semantisierter Beschreibungen geht es BLIESENER (S.206f.) um die Erarbeitung "intrakommunikativer Kategorien". Ein anderes Beispiel: "[Kind] zeigt Bildkarte, benutzt sie wie Vorhang im Kasperletheater, zeigt sich überraschend selbst". In Übereinstimmung mit diesem Prinzip orientieren sich seine Grundkategorien für Bildinhalte nur an dem, was für die Videokonferenz am Krankenbett relevant ist bzw. an dem, was sich in diesem Projekt als relevant herausgestellt hat. So unterscheidet er zwischen 1. Bildinhalten (Raum, Einzelobjekt, Tier, Mensch), 2. geometrischer Charakteristik (Position, Größe, Achse), 3, Haltungen (Stehen, Sitzen, Liegen) und 4. Stützunghaltungen (für Kopf, Oberkörper, Kopf und Oberkörper, Beine). Auch in diesem Beitrag erleichtern die zahlreichen Abbildungen – etwa die Variationen für die Kopfstützungen (vorn, hinten, unten seitlich) – das Verständnis hinsichtlich der Bandbreite an Möglichkeiten, wie ein krankes Kind eine Videokonferenz realisieren kann. [10]
Die Fallanalyse einer siebeneinhalb-minütigen Skype-Konferenz zwischen einer krebskranken Patientin im Krankenhaus und ihrer Schwester zu Hause, bei dem sie das Hörspiel "Hier kommt Ponyfee" (ZOSCHKE 2006)3) als Fantasiespiel umsetzen, präsentiert Daniela RUDZINSKI im fünften Kapitel. In "Wie spielen Kinder über Skype ein Fantasiespiel? Eine Analyse von Koordination via Telekommunikation" steht die wechselseitige Koordination im Zentrum der Aufmerksamkeit, womit ein in der Tat in den letzten Jahren wieder häufiger studiertes Phänomen ins Blickfeld gelangt (vgl. u.a. DEPPERMANN & SCHMITT 2007; GOODWIN 2007; MONDADA 2014; STUKENBROCK 2014). RUDZINSKI zeigt, wie die wechselseitige Steuerung einerseits vokal insbesondere über die verschiedenen Geräusche der nachgespielten Tiere verläuft, andererseits durch das Vorwissen im Hinblick auf die Geschichte. Interessanterweise benutzen die beiden Teilnehmerinnen die Sichtverbindung über die Kamera so gut wie gar nicht zur wechselseitigen Steuerung ihrer Handlungen, sondern in erster Linie zur Sicherstellung, dass ihre getrennten Orte zu einer Bühne verschmolzen sind. Dieses Resultat ist bemerkenswert und wirft durchaus spannende Fragen zur aktuell laufenden Debatte um die Relevanz räumlicher, gestischer und perzeptorischer Mikrodetails und ihrer Entfaltung in der Interaktion auf, deren Verschiebung an dieser Stelle vor dem Hintergrund der Kommunikationsform "Videokonferenz" stärker hätte thematisiert werden können. Auch vermisst man mikroanalytische Verfahren sowie entscheidende methodische Hinweise zur Transkription im Text selbst – im Anhang findet sich lediglich das Transkript mit einer knappen Legende zu den Konventionen, allerdings ohne Erläuterungen. Insbesondere mit Blick darauf, dass für die Analyse wechselseitiger Handlungskoordination u.U. auch die Transkription prosodischer Merkmale hätte wertvoll sein können, wäre es für Lesende aufschlussreich gewesen zu erfahren, warum darauf verzichtet wurde, zumal RUDZINSKI selbst zum dem Schluss gelangt, die visuelle Ebene habe letztlich nur als "Bühne" fungiert. [11]
Angelika WIRTZ’ zweiter Beitrag "Multimodale Kommunikation im Interaktionsverbund" untersucht zwei kommunikative Verfahren in einem Interaktionsverbund mit simultan ablaufenden Kommunikationsprozessen: 1. antizipatorische Initiativen und 2. Partner/innenadressierung und -selektion. Während antizipatorische Initiativen eine Form strategischen zielorientierten Handelns konstituieren, zeigen die Prozesse der Partner/innenadressierung und -selektion, wie die jeweiligen Sprecher/innen- und Hörer/innenaktivitäten den Kommunikationsprozess konstituieren und wie Kooperation, Teilhabe und Transparenz gewährleistet werden. Anders als die vorangegangenen Kapitel beginnt WIRTZ mit einer umfangreichen theoretischen Situierung ihrer Untersuchung, bei der sie ihrerseits einen Bogen zu den Theorien schlägt, die auch in der Einleitung erwähnt wurden. So weist sie ebenfalls auf die irrtümliche Vorstellung von "Multimodalität" als Ansammlung kommunikativer Ressourcen hin, die vermittels eines je eigenen Kanals operieren. Diesem Bild, so WIRTZ, liege immer noch die klassische Übertragungsmetapher von Kommunikation zugrunde, die einer ganzheitlichen Sicht des Kommunikationsprozesses diametral entgegenstehe. Allerdings sieht sie im Gegensatz zu LOENHOFF und SCHMITZ eine Überwindung des klassischen Modells zum Teil in neueren Ansätzen der interaktionalen Linguistik und multimodalen Konversationsanalyse eingelöst (etwa bei DEPPERMANN, SCHMITT & MONDADA 2010; MONDADA & SCHMITT 2010; STIVERS & SIDNELL 2005). WIRTZ geht dennoch über solche Ansätze hinaus und zieht die kommunikationsfundierenden Prozesse hinzu, wie sie als sensomotorische Rückkopplungsprozesse der Wahrnehmung und Bewegung etwa von LOENHOFF (2010) beschrieben wurden. In Kommunikationssituationen unter Bedingungen getrennter Wahrnehmungsräume wie der Videokommunikation ist diese Fundierungsebene nun durch das Fehlen direkter Rückkopplungen auf der Raumachse in Bezug auf präsymbolische Abstimmungsprozesse stark eingeschränkt, was die Kommunikationsbedingungen inkonstant werden lässt. Der von WIRTZ untersuchte Interaktionsverbund umfasst einen krebskranken Patienten und dessen Freund in der Küche seiner Verwandten (beide sind per Videokonferenz verbunden und spielen ein Online-Spiel), weitere Online-Spieler/innen sowie einige Angehörige des Freundes, die im gleichen Raum anwesend sind. Die synchron ablaufenden Interaktionsformen in diesem Verbund sind Audiokonferenz, Videokonferenz, spontane Fernkommunikation, Face-to-Face-Kommunikation, vier Chats (mit den Online-Spielenden), Telefonate und E-Mails. Die zentrale Frage, die WIRTZ aufwirft, betrifft die wechselseitige Orientierung in dieser multiplen Teilnehmer/innenkonstellation. Ihre Analyseergebnisse zeigen, dass der Freund eine Reihe von orientierenden Hinweisen mit Handlungsanweisungen (z.B. "wart mal kurz, ich geh ebend an die Tür") nicht etwa reaktiv, sondern insbesondere initiativ vornimmt, die bereits die Wahrnehmungsbedingungen und -möglichkeiten des fernen Partners (des kranken Patienten) implizieren und somit potenzielle Wahrnehmungsdefizite ausgleichen. So mischen sich beispielsweise des Öfteren die Angehörigen im Hintergrund in das Gespräch ein, und der Freund macht an einer passenden Stelle das Lachen seiner Großmutter verfügbar, indem er den Lautsprecher einschaltet und dem Patienten damit Teilhabe an der Lebenswelt in der Wohnküche verschafft. Gleichzeitig zeigt sich darin, wie das ablaufende Geschehen die Partneradressierung mitselektiert. [12]
In "Telesupport und Fernhandeln" stellt Thomas BLIESENER die verschiedenen Settings für Support vor, die er nach Örtlichkeiten, Hilfsmitteln und personellen Ressourcen unterscheidet. BLIESENER geht es zum einen darum zu zeigen, welchen Gewinn jedes Setting mit sich bringt und welche besonderen Schwierigkeiten es in sich birgt, zum anderen auch darum, spezifische Probleme zu thematisieren, etwa inwieweit die Latexhandschuhe das Bedienen des Touchpads einschränken, ab wann beim Telesupport Dritte – z.B. der lokale Freundeskreis – eingeschaltet werden müssen, und an welche Grenzen diese in ihrem Aktionsradius stoßen können. [13]
Beim letzten Beitrag von BLIESENER "Eine Nacht im Leben von Kevin Kaminsky. Kommunikation über Compliance, Schmerz und Todesangst" handelt es sich um einen zufälligen Desktopmitschnitt (ohne Video) eines zusammenhängenden Zeitraums von 18 Stunden, der dadurch zustande gekommen ist, dass der Anrufer vergessen hatte, die Verbindung zu trennen, wodurch ein exemplarischer Einblick in die Nahkommunikation und die klinische Lebenswelt des Patienten ermöglicht wurde.4) Die Aufnahme gibt alle akustischen Ereignisse im Isolierraum und im Schleusenraum für diesen Zeitraum wieder. Der neun Jahre alte Patient kam gerade auf die Isolierstation und bei einem ersten Gespräch, das BLIESENER einer Analyse unterzogen hat, werden die Hörenden Zeug/innen des Ringens der Mutter und einer Krankenschwester um die Compliance des Patienten, der gegenüber der einsetzenden Behandlung starken Widerstand zeigt, was, so BLIESENER, dazu beigetragen haben könnte, dass der Patient im Laufe der Nacht manifeste Todesangst entwickelte. Im Hinblick auf die von der Mutter und der Krankenschwester verwendeten Argumentationsstrukturen arbeitet BLIESENER Strategien wie Umstimmung, Mahnung, Moralisierung, Unterstellung, Schaffung von Anreizen, Erzeugung von Schuldgefühlen, Suggerieren eines Tauschgeschäfts, Umdeutung, Relativierung, Beschwichtigung, Personalisierung und Appell heraus. Im zweiten Teil analysiert BLIESENER die Reaktionen des Pflegepersonals auf Kevins Todesäußerungen, -ängste und -wünsche, die sich während der Nacht entwickelten. Diese Reaktionen beinhalten u.a. Bestätigungen, Abschwächungen, Schutzzusagen, Vermittlung guter Aussichten, Zuversicht geben sowie Motivationsappelle und Schwanken zwischen unpersönlichen Generalisierungen und persönlicheren Beziehungsangeboten. Unklar bleibt, ob BLIESENER sich bei seiner Kategorisierung auf Vorarbeiten stützt oder ob die Kategorien im Zuge der Analyse aus den Daten generiert wurden. BLIESENER gelangt zu dem Schluss, dass alle Reaktionen seitens des Pflegepersonals letztlich auf das generische Repertoire der "Umstimmung" hinausliefen. In seinem Fazit resümiert er, dass trotz des breiten Angebots von Face-to-Face- und Videokommunikation das Problem letztlich häufig gerade darin bestehe, dass es dem Patienten an angemessener Anteilnahme und Zuwendung fehle, da er sich unverstanden oder verlassen fühle. Daher schlägt er komplementär zum einen Pflegesupervision und Angehörigenarbeit vor und zum anderen Telekommunikation als Dauerverbindung zu einer (durchaus wechselnden) Vertrauensperson wie auch einen speziellen Sorgendienst über Skype. [14]
Schon alleine die Thematik an sich wie auch die Tatsache, dass die Studie als kooperatives Projekt zwischen dem Campus und dem Klinikum der Universität Essen entstanden ist, zeigen seine interdisziplinäre Relevanz und Aktualität. Daneben sind aber auch die in diesem Band publizierten und hier nur knapp skizzierten Resultate in hohem Maße von interdisziplinärem Interesse, was nicht zuletzt dem methodischen Vorgehen geschuldet ist, das sich als Summe aus den verschiedenen Beiträgen herauskristallisiert. So heterogen die einzelnen Beiträge auch sein mögen, so zeigt sich in dieser Diversität zugleich das breite Spektrum möglicher Untersuchungen, die von der detaillierten Beschreibung der Voraussetzungen, dem Gelingen und den Problemen des technischen Supports über die Eruierung eines intrakommunikativen Notationssystems bis hin zu ethnografischen und kommunikationsempirischen Studien zu konkreten Interaktionssituationen reichen. [15]
Innovativ ist dabei nicht nur, dass das Feld und damit auch der Raum nicht traditionell konzipiert werden, sondern dass der Raum schon alleine durch seine Überschreitung via Telekommunikation aufgelöst und somit als lebensweltlich relevanter Raum interaktional (re-) konstituiert wird. Auch das Feld selbst kristallisierte sich, wie BLIESENER sehr anschaulich in seinem ersten Beitrag darlegt, im Laufe der Forschung erst heraus. Der gesamte Sammelband wird außerdem von Bilddokumenten begleitet, die den Lesenden eine unverzichtbare Hilfe zum besseren Verständnis sowohl des komplexen Feldgeschehens leisten, als auch verschiedenste intrakommunikativ generierte Kategorien wie etwa die der Positionierungen und Haltungen, die Patient/innen bei der Videokommunikation einnehmen können, zugänglich machen. Damit bietet der Band eine Fülle ethnografischer und kommunikationsempirischer Methoden, die für zukünftige Studien neue Horizonte eröffnen. [16]
Gerade an dieser Stelle jedoch liegt auch ein Schwachpunkt der Publikation. Die methodologischen Fragen, die im vierten Kapitel aufgeworfen werden und die Vorschläge, die hier für "intrakommunikative Kodierungen" gemacht werden, scheinen mir von so großer Bedeutung zu sein, dass man sich dieses Kapitel nicht nur an prominenterer Stelle gewünscht hätte, sondern auch expliziter in Bezug auf seine theoretischen und methodologischen Voraussetzungen und Implikationen. So bleibt unklar, ob das entworfene Modell Vorgabe für alle präsentierten Studien gewesen ist und sein sollte, da auch die meisten anderen Beiträge, die eine eigene Fallstudie präsentieren, zu wenig über ihre Methodologie oder ein dem Projekt zugrunde liegendes Transkriptionsmodell berichten. [17]
Das führt gleichzeitig zum Kernstück meiner Kritik: Während die Stärke des Bandes eindeutig in der Reichhaltigkeit des Materials liegt und der daraus geronnenen vorgestellten empirischen Praxis, fehlen den Beiträgen häufig die darüber hinausgehenden Reflexionen in Bezug auf die Bedeutung ihrer Ergebnisse für aktuelle Forschungsfragen sowie eine umfassendere Einbettung der Analysen in einen theoretisch-methodologischen Hintergrund. Dabei bieten die ergiebigen Befunde eine ganze Reihe von Anknüpfungspunkten, von denen in der Einleitung der Herausgeber auch gesprochen wird. Man denke nur an die Debatte um die Unzulänglichkeit und die inneren Widersprüchlichkeiten der Konversationsanalyse, die tief in methodologische Fragestellungen hineingreifen und die nicht nur in der Einleitung angerissen wurden, sondern auch auf dem Gebiet der Interaktionsforschung diskutiert werden, etwa von DEPPERMANN (2000), bei dem sie in seine Forderung nach einer stärkeren Hineinnahme ethnografischer Methoden in die Gesprächsforschung münden. DEPPERMANN kritisiert in seinem Aufsatz z.B., dass die Konversationsanalyse den spezifisch interpretativen Charakter von Gesprächen und die daraus folgenden gegenstandstheoretischen und methodischen Fragen wenn nicht gar explizit negiere, so doch zumindest weitgehend aus ihrem Forschungsparadigma ausklammere. Da jede Interpretation auf gesprächsexternem Vorwissen basiere, was dann auch für die von der Konversationsanalyse veranschlagte Rekonstruktion der Interpretationen und Kontexte der Gesprächsteilnehmer/innen gilt, habe dies epistemologische Konsequenzen, da letztlich auch die Konversationsanalyse selbst mit unausweichlich perspektivischen, also historisch und kulturell relativen, selektiven und gestalteten Rekonstruktionen arbeite. Daher sei eine Ablehnung ethnografischer Verfahren nicht mehr haltbar, sondern deren Einbezug unbedingt notwendig, um die Systematik von Interaktionspraktiken in ihrer Ganzheitlichkeit zu rekonstruieren. An dieser Schnittstelle ist der Band zur Telekommunikation gegen Isolation entstanden, und in diesem Geiste sind auch die methodischen Verfahren entwickelt und die Analysen vorgenommen worden, was praktisch vorbildlich dokumentiert wurde. Wissenschaftstheoretisch oder metakommunikativ allerdings hätten die Autorinnen und Autoren expliziter darauf hinweisen müssen, dass sie eben dies tun, wie sie es tun und vor allem: was sie damit leisten. Dadurch hätte eine übergreifende theoretisch-methodologische Kohärenz geschaffen werden können, um den Bogen zurückzuspannen zu den äußerst spannenden Fragen und Kritikpunkten, die in der Einleitung von den Herausgebern aufgeworfen wurden. In diesem Sinne wäre ein abschließendes Kapitel hilfreich und wünschenswert gewesen, um den Band abzurunden und ihm einen gebührenden Platz in der aktuellen Theoriediskussion einzuräumen. [18]
Dieser Kritikpunkt tut der Qualität und innovativen Kraft des Buchs jedoch keinen Abbruch, denn der Sammelband gibt ungewohnte Einblicke, stellt eine Vielfalt an empirischen Analysen vor, verweist allerorts auf weiteres Potenzial und macht damit neugierig auf mehr, weshalb ich hoffe, dass es zukünftige Arbeiten auf der Grundlage des reichhaltigen Datenmaterials dieses Projekts auf dem Gebiet der Forschung zu Telekommunikation in Isolation geben wird. [19]
1) Das Projekt lief von 2006-2009 und wurde von folgenden Förderern unterstützt: Stifterverband für die deutsche Wissenschaft, Dr.-Werner-Jackstädt-Stiftung, Bethe-Stiftung, Angela-Havers-Stiftung, A. und N. Iber-Stiftung, IT-Brücke, von Maxdata, Microsoft Deutschland, Polycom Deutschland und CyberLink Corp; vgl. https://www.uni-due.de/kitt/tkk-elf/index.htm [Zugriff: 19. Februar 2016]. <zurück>
2) Zieht man an dieser Stelle Vorarbeiten der Essener Forschungsgruppe und im weiteren Sinne das Paradigma der Essener Kommunikationswissenschaft heran, wird deutlich, welche methodologischen Vorüberlegungen hier eine Rolle gespielt haben mögen. KÖRSCHEN, POHL, SCHMITZ und SCHULTE (2002, Abstract) eröffnen ihren Beitrag über computergestützte Transkription von Videokonferenzen mit der programmatischen Aussage: "Jede qualitative Gesprächsforschung muss mit einer präzisen Bestimmung der zu untersuchenden Ereignisse und Prozesse beginnen, und dieser sind dann die Verfahren der Beobachtung und Beschreibung, der Aufzeichnung und der Transkription anzupassen, und nicht umgekehrt." Auf die hier anklingende und für die Essener Kommunikationsforschung so grundlegende Differenzierung von "extrakommunikativ" und "kommunikativ", die auf Gerold UNGEHEUER (2004 [1972]) zurückgeht, macht BLIESENER (S.222) lediglich in einem kurzen Literaturverweis aufmerksam, obwohl gerade für die mit diesem Paradigma nicht vertrauten Lesenden eine vertiefende Diskussion angemessen gewesen wäre, denn diese Differenzierung hat auch für BLIESENERs Eruierung "intrakommunikativer Kategorien" höchste Relevanz. So gehen etwa LOENHOFF und SCHMITZ (2012, S.42ff.) in ihrem Beitrag zu den Folgen dieser Kernunterscheidung für die Theoriebildung und empirische Forschung davon aus, dass bereits jede segmentale Transkription, die sich letztlich auf die artikulatorischen Phänomene aufseiten des Sprechers/der Sprecherin gründet, einer extrakommunikativen Betrachtungsweise folgt, indem sie ihre Kriterien einer einseitig artikulationsphonetisch begründeten Distinktionsphonologie verdankt. <zurück>
3) Die Geschichte handelt von einer Fee namens Ponyfee, welche zwei Pferde, "Mondmädchen" und "Sternschnuppe" besitzt. In der Skypesitzung, die von RUDZINSKI analysiert wird, spielen die beiden Pferde mit einem weiteren Pony, das "Nero" heißt. <zurück>
4) Zu diesem Mitschnitt, zu dem Lesende auch kurze Audioausschnitte über einen Link abrufen können, gibt der Autor keine gesonderten Hinweise bezüglich des Umgangs mit dem Datenschutz. Im ersten Kapitel jedoch, in dem BLIESENER in das Projekt einführt, weist der Autor darauf hin, dass die Betroffenen zur Erstellung und Nutzung der audiovisuellen Mitschnitte aller Telekonferenzen nach detaillierter Aufklärung eine schriftliche Einverständniserklärung gegeben hatten (S.33). Daneben erwähnt BLIESENER auch, dass die Beteiligten über die Möglichkeit aufgeklärt wurden, die Mitschnittfunktion bei Bedarf abzuschalten oder einzelne Mitschnitte später löschen zu können, dass sie allerdings davon nie Gebrauch machten (S.48). <zurück>
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Ulrike SCHRÖDER ist Professorin für Germanistik und Linguistik an der Universidade Federal de Minas Gerais in Brasilien.
Kontakt:
Ulrike Schröder
Faculdade de Letras
Área de Alemão/Programa de Pós-Graduação em Estudos Linguísticos
UFMG – Universidade Federal de Minas Gerais
Av. Antônio Carlos, 6627
31270-901 Belo Horizonte
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Tel.: +55 31 3409 6031
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E-Mail: schroederulrike@gmx.com
URL: http://www.letras.ufmg.br/profs/ulrike/
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