Volume 18, No. 2, Art. 2 – Mai 2017
Über die Grenzen von Scham. Eine qualitative Studie zu (scham-) grenzüberschreitenden Situationen im Sportunterricht aus der Perspektive von Schüler/innen
Ina Hunger & Nicola Böhlke
Zusammenfassung: Das Unterrichtsfach Sport stellt wie kein anderes die Körperlichkeit in den Fokus der Aufmerksamkeit aller am Unterricht Beteiligten: Im Sportunterricht ist der Körper der Schüler/innen Ausgangspunkt von unterrichtlichen Handlungen und Bezugspunkt von Bewertungen: Er wird berührt, beobachtet und in Szene gesetzt; die Schüler/innen messen gegenseitig ihre juvenilen Körper an normativen Kriterien wie Gewicht, Proportionalität, Fitness etc. Vor diesem Hintergrund scheint der Sportunterricht auch ein besonderes neuralgisches Potenzial für das Erleben von (Scham-) Grenzen überschreitenden Situationen zu bergen. In diesem Beitrag fokussieren wir auf eine Untersuchung zum Unterrichtsfach Sport, welche retrospektiv nach Situationen im Sportunterricht fragte, die von Schüler/innen als die eigene Scham- oder Intimgrenze überschreitend wahrgenommen wurden. Die Datenerhebung erfolgte mithilfe von schriftlichen Kurznarrationen, die Auswertung orientierte sich an sequenzanalytischen Verfahren. Die Befunde zeigen, dass aus der Sicht von Schüler/innen Scham- oder Intimgrenzen im Kontext von Sportunterricht in vielfältiger Weise überschritten werden: durch die Tatsache der Exponierung des (fast nackten) Körpers im Schwimmunterricht, die regelmäßige Berührung des Körpers durch die Lehrkraft u.Ä. Dabei besteht aufseiten der Schüler/innen ein Wissen darüber, dass die als grenzüberschreitend erlebten Situationen prinzipiell didaktisch plausibilisiert oder durch den Verweis auf Gepflogenheiten im Sport als "normal" gekennzeichnet werden könn(t)en. An die Darstellung der Befunde schließt sich ein didaktisch bilanzierender Ausblick an.
Keywords: Unterrichtsforschung; Sportunterricht; Schulsport; Schüler/innensicht; Schüler/innenperspektive; Grenzüberschreitungen; Scham; Schamgrenze; Übergriffe; Schulsporterlebnisse; schriftliche Kurznarrationen; sequenzanalytische Verfahren
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Sportunterricht und sein neuralgisches Potenzial für erlebte Grenzüberschreitungen
3. Zur Anlage der Studie
3.1 Grundlegungen zum Gegenstandsbereich "Scham- bzw. Intimgrenzüberschreitung"
3.2 Grundlegungen zur Erhebungsmethode
3.3 Untersuchungssituation und -teilnehmer/innen
3.4 Auswertungsverfahren
4. Phänomene der Grenzüberschreitung
4.1 Körperliche Exponiertheit: "Dass man sich fast nackt zeigen muss"
4.2 Körperliche Berührungen: "belohnte ... mit einem Klaps auf den Po"
4.3 Körper- und geschlechtsbezogene Bemerkungen: "Das sieht bei dir aus wie Wackelpudding auf Beinen"
5. Kommentierungen und Verortungen der Grenzüberschreitungen
5.1 Hinweis auf die Möglichkeit von Mehrfachdeutungen der Situation: "Kann man so sehen, muss man aber nicht!"
5.2 Deklaration als sexuell intendierte Grenzüberschreitung: "der dafür bekannt war, dass er die Mädchen im Sportunterricht gerne mal angrabbelte"
6. Schlussbemerkungen
Überschreitungen von Scham- oder Intimgrenzen werden nur selten zum Gegenstand von Schul- und Unterrichtsforschung erhoben1), sind sie doch pädagogisch-didaktisch nicht vorgesehen oder gemeinhin nur als zufällige und subjektbezogene Ausnahmen vorstellbar. In diesem Sinne tauchen solche einschlägigen Erlebnisse eher sporadisch in biografisch orientierten Forschungen zum Schüler/innenerleben oder innerhalb eines größeren thematischen Kontextes auf, wie dem der Rekonstruktion "besonderer" – sprich nachhaltig wirksamer – Situationen im Rahmen des unterrichtlichen Geschehens aus Schüler/innensicht2) (auf internationaler Ebene z.B. CARDINAL, YAN & CARDINAL 2013; STREAN 2009; auf nationaler Ebene z.B. BEHRENS 2012; BREIDENSTEIN & RADEMACHER 2011; FICHTEN 1993; FROMM 1987; HEINZEL 2014; HUNGER 2000; KLINGE 2009; MARKS 2013; MIETHLING & KRIEGER 2004; RABENSTEIN 2014; SOBIECH & MARKS 2008).3) [1]
Was aber zeigt sich empirisch, wenn man das Interesse wissenschaftlicher Forschung auf genau diesen (Wahrnehmungs-) Aspekt der "Grenzüberschreitungen" richtet bzw. genauer – wenn man Personen auffordert sich zu erinnern, welche Momente sie in der Schulzeit als die persönliche Scham- oder Intimgrenze überschreitend erlebten? Der folgende Beitrag stellt dieses Thema in den Mittelpunkt. Er fokussiert auf eine Untersuchung zum Unterrichtsfach Sport und fragt – aus der Perspektive von ehemaligen Schüler/innen – nach einschlägigen Situationen der erlebten Grenzüberschreitungen. [2]
Im Folgenden legen wir zunächst dar, inwiefern schulischer Sportunterricht ein neuralgisches Potenzial für (Scham-) Grenzüberschreitungen birgt (Abschnitt 2) und konturieren im Anschluss die Untersuchung im Hinblick auf den konzeptualisierten Gegenstand und den methodischen Zugriff (Evozierung schriftlicher Kurznarrationen und Durchführung von Sequenzanalysen; Abschnitt 3). Im Fortgang werden erste Befunde dargestellt (Abschnitt 4). Hierbei werden zunächst die Situationen skizziert, die typischerweise als grenzüberschreitend gekennzeichnet wurden (körperliche Exponiertheit, Berührungen sowie körperbezogene Bemerkungen). Im nächsten Schritt wird darauf fokussiert, welchen Wahrnehmungs- und Deutungsaspekt die Untersuchungsteilnehmer/innen selbst im Kontext der erlebten Situationen hervorheben bzw. inwiefern die Untersuchungsteilnehmer/innen ihre Wahrnehmungsperspektive im Hinblick auf deren (soziale) Vorstrukturiertheit oder Subjektgebundenheit kommentieren (Abschnitt 5). Der Darstellung der Befunde folgt abschließend ein didaktischer bilanzierender Ausblick (Abschnitt 6). [3]
2. Der Sportunterricht und sein neuralgisches Potenzial für erlebte Grenzüberschreitungen
Ausgangspunkt unseres Forschungsinteresses war die Annahme, dass gerade im Fach Sport die Wahrscheinlichkeit des Erlebens von als Scham- bzw. Intimgrenzen überschreitende Situationen (im Folgenden abgekürzt als "erlebte Grenzüberschreitungen") im Vergleich zu anderen Schulfächern eine besondere ist. Denn Sport stellt wie kein anderes Fach die Körperlichkeit in den Fokus der Aufmerksamkeit aller am Unterricht Beteiligten und gilt in diesem Sinne in Bezug auf den Umgang mit dem eigenen Körper als besonders voraussetzungsreich. So ist der Körper der Schüler/innen Ausgangspunkt von unterrichtlichen Handlungen und Bewertungen, er wird berührt und beobachtet sowie durch Kleidung und bewegungsbezogene Aufgaben in Szene gesetzt. Ein Rückzug der Schüler/innen aus den sportunterrichtlichen Situationen ist im Vergleich zu Situationen im Klassenzimmer zudem deutlich erschwert. Während sich Letzterer in der Regel innerlich bzw. mental vollzieht und vielfach unentdeckt bleibt, fällt das körperbezogene "Nicht-Mitmachen" im Sportunterricht umgehend auf und zieht ggf. Sanktionen nach sich. [4]
Zugleich unterliegen der Körper und das Bewegungskönnen außerschulischen Ansprüchen, insofern Sportivität als ein Leitwert vieler Schüler/innen untereinander gilt und diese vielfach gegenseitig ihre juvenilen Körper an normativen Kriterien wie Gewicht, Proportionalität, Fitness etc. messen und bewerten. Schließlich wird durch den Fokus auf die Körperlichkeit in diesem Fach auch das Geschlecht der Schüler/innen in besonderer Weise thematisiert, so dass diese Exponiertheit potenziell auch eine sexuelle Dimension birgt. [5]
Es scheint naheliegend, dass diese auf den Körper bezogene Vermengung aus unterrichtlichen Ansprüchen, sozialer Erwartung und biografisch begründeter Empfindsamkeit ein besonderes neuralgisches Potenzial für einzelne Schülerinnen und Schüler mit sich bringt und die Wahrscheinlichkeit des Erlebens von Grenzüberschreitungen unter Umständen erhöht. [6]
Dass die empirische Beschäftigung mit diesem Thema im Zusammenhang mit der Schüler/innenperspektive bisher jedoch weitgehend ausblieb, verweist unseres Erachtens u.a. auf Folgendes: Körperbezogene Interaktionen unterliegen – als das Konstitutive von Sport (-unterricht) – im Allgemeinen einer unhinterfragten Selbstverständlichkeit.4) Die gezielte Thematisierung und die mit der Frage nach der erlebten Grenzüberschreitung einhergehende Problematisierung verleiten dazu, das Fach im Kontext des gesellschaftlichen Diskurses über sexuelle Übergriffe zu diskutieren und es (sowie die Fachkräfte) im ungünstigen Fall unter einen Generalverdacht zu stellen.5) [7]
Eine assoziierte Nähe zu "Übergriffsdebatten" würde dem Fach keineswegs gerecht werden. Nicht grundlos ist Sportunterricht bei vielen Schüler/innen besonders beliebt (z.B. GERLACH, KUSSIN, BRANDL-BREDENBECK & BRETTSCHNEIDER 2006). Darüber hinaus werden an den Sportunterricht – trotz oder wegen seiner (von vielen Menschen) assoziierten Nähe zum Freizeitbereich – die psychosozial umfassendsten Zielsetzungen herangetragen (vgl. u.a. BRÄUTIGAM 2009; KURZ 2001; SCHERER 2009). Hiernach bietet der Sportunterricht im Vergleich zu anderen Fächern, in denen der Unterricht weitestgehend bewegungsarm im Klassenraum stattfindet, besondere Möglichkeiten der individuellen Selbstwertstärkung (CONZELMANN, SCHMIDT & VALKANOVER 2011), aber eben auch aufgrund der im Mittelpunkt stehenden Körperlichkeit vielfältige Momente, die die Grenzen der/des Einzelnen in einer unangenehmen Weise überschreiten können (HUNGER 2000). [8]
Im Folgenden geht es also keineswegs darum, den Sportunterricht als solchen zu problematisieren oder zu diskreditieren und sein Ansehen bzw. das Ansehen seiner Protagonist/innen zu schwächen. Vielmehr sollen diejenigen Schüler/innenwahrnehmungen, die nicht intendiert und schon gar nicht gewünscht sind, sichtbar gemacht und als neuralgische Momente reflektiert werden, um sie perspektivisch im Sinne einer Sensibilisierung für alltägliche sportunterrichtliche Handlungen didaktisch aufgreifen zu können. [9]
Im Fokus der Untersuchung stehen Situationen des Sportunterrichts, die von Schüler/innen als die eigene Scham- oder Intimgrenze tangierend bzw. überschreitend wahrgenommen wurden. In diesem Abschnitt wird konturiert, aus welcher theoretischen Perspektive "Scham- bzw. Intimgrenzüberschreitung" konzeptualisiert wird und wie (und warum) sich mit welchen Erhebungsmethoden dem Gegenstandsbereich genähert wurde. Eine Beschreibung des konkreten Untersuchungssettings und der Auswertungsmethoden schließt sich an. [10]
3.1 Grundlegungen zum Gegenstandsbereich "Scham- bzw. Intimgrenzüberschreitung"
Der Gegenstandsbereich wird pragmatisch und zunächst größtmöglich offen als das Erleben einer subjektiv unangenehm empfundenen Tangierung oder Überschreitung dessen gefasst, was gemeinhin als Scham- oder Intimbereich umschrieben wird. Es wird davon ausgegangen, dass im Untersuchungsfeld ein spontanes und weitestgehend konsensuelles Verständnis von dem Begriff vorliegt. [11]
Gemäß der hier eingenommenen sozialkonstruktivistischen Perspektive (in Anlehnung an BERGER & LUCKMANN 1993) vollzieht sich die subjektive Wahrnehmung einer Situation als "Grenzüberschreitung" vor dem Hintergrund des individuellen Scham- bzw. Intimempfindens. Dieses gründet wiederum – grob konturiert – auf im Sozialisationsprozess6) des Individuums zum Niederschlag kommenden sozialen und kulturellen Erfahrungen sowie auf sehr persönlichen Erlebnissen. Insoweit verstehen wir die Wahrnehmung einer Situation als eine den Scham- oder Intimbereich grenzüberschreitende stets als eine Konstruktionsleistung des Individuums: Sie verweist einerseits auf verinnerlichte soziale Übereinkünfte darüber, was in einem jeweiligen gesellschaftlichen und kulturellen Kontext konsensuell als den Scham- oder Intimbereich überschreitend definiert wird.7) Hierzu zählen u.a. auch rechtsbezogenes Wissen, Wissen über rollenspezifisches Agieren, Wissen über kulturelle und gruppenspezifische Usancen etc.8) Andererseits verweist die entsprechende Wahrnehmung auch auf individuelle Sinnhaftigkeiten und "biografisch begründeten Empfindsamkeiten" (S.141).9) [12]
3.2 Grundlegungen zur Erhebungsmethode
Um uns dem Phänomen der erlebten Grenzüberschreitung situationsbezogen zu nähern, haben wir methodisch das Verfahren der "schriftlichen Kurznarration" (weiter-) entwickelt.10) Mittels einer knappen Erzählaufforderung versuchen wir hier, die Aufmerksamkeit der Untersuchungspersonen auf ein nachhaltig erlebtes Geschehen, einen einprägsamen zurückliegenden Moment zu lenken (hier: eine konkrete Situation im Kontext des Schulsports, welche subjektiv als grenzüberschreitend wahrgenommen wurde). Dieses Erlebnis soll dann – in einem zeitlich begrenzten Rahmen – fokussiert so geschildert werden, dass es im Kern (und in der jeweiligen Relevanzsetzung) für andere nachvollziehbar wird. Die gewonnenen Daten sind dabei stets als Bestandteil einer sozialen Interaktion zu verstehen. [13]
Im erkenntnistheoretischen Sinne gehen wir davon aus, dass individuell eindrückliche Situationen im Gedächtnis quasi episodisch gespeichert und im Hinblick auf subjektiv bedeutsame Rahmenbedingungen und Akteur/innen, situative Empfindungen etc. von den Beteiligten mehr oder weniger "abrufbar" sind. Unsere Methode der Kurznarration soll nun bei den Untersuchungsteilnehmer/innen eben diese Bewusstheit über ein zurückliegendes grenzüberschreitendes Erlebnis im Sport evozieren, also die Erinnerung an eine Situation aktualisieren, die sich zum Zeitpunkt der Wahrnehmung (s.o.) offensichtlich bereits von dem Fluss des Alltagsgeschehens abhob und mit einem affektiven Gewicht einherging.11) [14]
Die Erzählaufforderung hebt nun darauf ab, dass die Untersuchungsteilnehmer/innen ein Ereignis, welches sie für thematisch relevant und erzählenswert erachten, sequenziell und logisch in eine geschlossene – für andere grundsätzlich nachvollziehbare – schriftliche Form bringen. Dabei wird das Erlebte in eine sprachliche Aussage transformiert; es wird gewissermaßen "vergegenständlicht" bzw. reformuliert, indem die Schreibende/der Schreibende es sich selbst (neu) zugänglich macht:
"Ich äußere mein eigenes subjektives 'Meinen', wodurch es mir selber zugänglicher und dadurch 'wirklicher' wird. [...] So wie ich [...] mein eigenes 'Da'-Sein mittels Sprache objektiviere, wird es mir selbst konkret und in seiner Kontinuität zugänglich – zur gleichen Zeit und im gleichen Zug, wie es dem Anderen zugänglich wird" (BERGER & LUCKMANN 1993, S.40).12)
"Das Schreiben ist ein rekursiver Prozess des Semiotisierens, Ordnens und Überarbeitens von Inhalten und als solcher komplex und präzise zugleich. Hierbei können Erfahrungen und Gefühle bewältigt und in Form gebracht und auch wieder gelöscht oder reformuliert werden" (SCHIEK 2014, S.384). [15]
Bei dem hier im Mittelpunkt stehenden Schreibprozess werden in der Regel spontan nur die Informationen gegeben, die aus Sicht der Schreibenden relevant für das intendierte Gesamtverständnis der Situation sind. In diesem Sinne variieren die produzierten Informationen also je nach "Bedürfnislage" der/des Schreibenden. Das heißt, über die Beschreibung des Moments der Grenzüberschreitung hinaus kann es für die Schreibenden von subjektiver Bedeutung sein, weitere Hinweise zum Verhalten der Beobachtenden der Situation, Hinweise auf eigene Gefühlsstände, Hinweise für die Leser/innen zur Einordnung der Situation etc. zu geben. Diese narrativen Bezüge sind keineswegs als zufällig zu werten; sie folgen vielmehr einer (mehr oder weniger unbewussten) Relevanzsetzung der Schreibenden in der Erhebungs- bzw. sozialen Kommunikationssituation.13) Insgesamt erfolgt die Darstellung des Ereignisses also unter kommunikativ-funktionalen Aspekten und aus einer subjektiv gewichteten und bewertenden Perspektive heraus (CARROLL & TIMM 2003, S.694) [16]
Die gewählte Erhebungsmethode begründet sich insbesondere durch die angestrebte Fokussierung der Teilnehmer/innen auf die Thematik. Im Gegensatz zu beispielsweise auf Narration hin angelegte Interviews geht es uns bei diesem methodischen Vorgehen um die dezidierte Reduzierung auf das subjektiv Wesentliche der erlebten Situation durch die/den Teilnehmer/in. Die Methode eignet sich unseres Erachtens besonders für Fragestellungen, die auf Themen abzielen, welche in einer Face-to-Face-Situation nicht ohne Weiteres kommuniziert werden können bzw. die man nicht kommunizieren möchte – beispielsweise Themen, die in spezifischer Weise die Privatsphäre der Befragten berühren, die Grenzbereiche sozialer Interaktion und/oder – wie im vorliegenden Fall – intime und persönliche Erfahrungen tangieren. [17]
3.3 Untersuchungssituation und -teilnehmer/innen
Die an unsere Untersuchungsteilnehmer/innen gestellte Aufforderung lautete: "Bitte schildern Sie ein konkretes Erlebnis aus dem schulsportlichen Bereich, in dem es aus Ihrer Sicht zu einer (körperlichen, sexuellen oder sonstigen Art der) persönlichen Grenzüberschreitung gekommen ist." Die Teilnehmenden, die in universitären Veranstaltungen aufgesucht wurden, sollten ihre Erinnerung spontan und anonym auf bis zu einer halben DIN A4-Seite niederschreiben. Die Erhebungen fanden dabei zu fünf verschiedenen Zeitpunkten an der Universität Göttingen statt. Aufgesucht wurden Grundlagenveranstaltungen, die in großen Hörsälen ausgerichtet wurden, um möglichst große Datenmengen zu erheben. Teilnehmende waren Studierende der Fachrichtungen Sportwissenschaft, Germanistik, BWL, Geschichte, VWL und Medizin. Die Auswahl der Veranstaltungen erfolgte dabei unter vorwiegend pragmatischen Aspekten, z.B. der Bereitschaft der Dozierenden, die Erhebung im Rahmen ihrer universitären Veranstaltungen durchführen zu lassen.14) Mit der angestrebten breiten Varianz hinsichtlich der fachdisziplinären Ausrichtung der Studierenden sollte dazu beigetragen werden, Unterschiedlichkeit der Untersuchungsteilnehmer/innen hinsichtlich ihrer "sportsozialisatorischen Herkunft" herzustellen. Uns ist bewusst, dass infolge des praktizierten Samplings von einer weitestgehenden Einheitlichkeit bezüglich der besuchten Schulformen (Gymnasium bzw. Schulformen, deren Abschluss mit einer Qualifikation zum Studium einhergeht) der Befragten auszugehen ist.15) [18]
Das Altersspektrum der Befragten lag bei 19 bis 25 Jahren, das heißt, die Schreiber/innen berichteten aus einer u.U. mehrjährigen Retrospektive über ihr Erlebnis. Die Erhebung erfolgte jeweils zu Beginn der Lehrveranstaltungen, zunächst ohne dass wir die Teilnehmer/innen über unser Forschungsinteresse informierten: Nach einer kurzen Begrüßung und der Bitte, sich an der Studie zu beteiligen, wurden die Studierenden sogleich mit der Schreibaufforderung konfrontiert. Durch die Aussparung einer Erläuterung des Forschungsinteresses sollte gewährleistet werden, dass die Untersuchungsteilnehmer/innen wie intendiert ihre Verschriftlichungen auf Grundlage des eigenen Verständnisses von Scham- bzw. Grenzüberschreitung niederlegten. Aus dem gleichem Grund wurde darauf geachtet, dass die Schreiber/innen möglichst wenig Gelegenheit hatten, sich mit ihren Sitznachbar/innen auszutauschen. Auch sollten sie die Schreibaufforderung bestmöglich ungestört und geschützt vor Blicken anderer bearbeiten können. Die niedergeschriebenen Erzählungen wurden nach einer kurzen Bearbeitungszeit (circa zehn Minuten) wieder eingesammelt. Bislang wurden ca. 300 der erhobenen Kurznarrationen ausgewertet. In 80% davon wurde ein Erlebnis entsprechend der Erzählaufforderung skizziert. Im Schnitt umfassten die geschilderten Erlebnisse fünf bis sieben Zeilen. [19]
Unser Auswertungsvorgehen schließt an die theoretischen Vorüberlegungen zum Untersuchungsgegenstand und zur Erhebungsmethode an und lässt sich wie folgt skizzieren: Wir folgen konsequent der Perspektive der Schilderungen, d.h., wir entscheiden nicht, ob es tatsächlich eine Grenzüberschreitung war, sondern gehen davon aus, dass es sich aus der jeweiligen Perspektive um eine Grenzüberschreitung handelt, da die geschilderten Erlebnisse gemäß der Schreibaufforderung entsprechend assoziiert wurden. Wir kategorisieren ferner nicht, wie die erlebte Grenzüberschreitung zu verorten ist (z.B. sexualisierte Grenzüberschreitung o.Ä.). Vielmehr versuchen wir auch hier, der Erzählperspektive der Untersuchten zu folgen, indem wir zunächst auf vornehmlich induktivem Weg Kategorien bilden. Im Rahmen der Auswertungsprozesse ist es zunächst unser Ziel zu rekonstruieren, welches Phänomen unter welcher Perspektive und unter Heranziehung welcher Informationen als grenzüberschreitend beschrieben wird. Dabei orientieren wir uns an sequenzanalytischen Verfahren (SOEFFNER 2004; SOEFFNER & HITZLER 1994a, 1994b) im Sinne einer hermeneutischen Wissenssoziologie und gleichsam an einschlägigen Verfahren der Sprechakttheorie16) (WUNDERLICH 1972). [20]
Die Feinanalyse erfolgt (in der Regel) Wort für Wort und Zeile für Zeile und gestaltet sich konkret wie folgt: Zunächst wird die erste Bedeutungssequenz des vorliegenden Textes selegiert und (unter bestmöglicher Ausblendung des Kontextwissens) versucht, gedankenexperimentell eine Vielzahl an Lesarten für diese aufzuwerfen. Dabei werden diese hinsichtlich ihres impliziten Bedeutungsgehaltes (der subjektgebundenen bzw. sozial vorgedeuteten Sinnbezüge der Aussagen) expliziert bzw. ausdifferenziert. Das analytische Augenmerk liegt neben der Erfassung der Situationsdarstellung (auf wen und was wird in welchem situativen Kontext rekurriert) auf den von den Schreiber/innen vorgenommenen Generalisierungen, normativen Statements, moralisch deskriptiven Hinweisen, sozialen Zuschreibungs- und Erklärungsmustern, quasi-theoretischen Wissensmustern, unhinterfragten "Wahrheiten" etc. Folgend werden die konstruierten hypothetischen Lesarten der ersten Sequenz des Textes anhand der Folgesequenzen, die derselben Prozedur unterzogen werden, überprüft, also bestätigt, modifiziert bzw. verworfen. [21]
Diese Detailanalyse erfolgt in einem mehrmaligen Wiederholungszirkel, um immer wieder neu nach Deutungsalternativen zu suchen, die Plausibilität der Interpretation zu überprüfen etc. (SOEFFNER & HITZLER 1994b, S.45). In Form dieser Mikroanalyse versuchen wir so, "methodisch kontrolliert durch den oberflächlichen Informationsgehalt des Textes hindurchzustoßen zu tieferliegenden (d.h. eben: in gewisser Weise 'latenten' bzw. 'verborgenen') Sinn- und Bedeutungsschichten" (HITZLER & HONER 1997, S.23). Im Anschluss kategorisieren wir die einzelnen Erlebnisse fallübergreifend nach Phänomenbezügen und untersuchen, welche übereinstimmenden Strukturen (z.B. unterrichtliches Setting) in den Daten ausfindig gemacht werden können. Alles in allem zielt die Auswertung der Daten also darauf ab, die Phänomene der erlebten Grenzüberschreitungen herauszuarbeiten und sie anhand der interpretierten Hinweise auf subjektive Verarbeitungen, Zuschreibungsmuster, kontextuelle Einbettungen etc. im Hinblick auf ihren sozialen Bedeutungsgehalt auszulegen. [22]
Die folgenden Ausführungen – zu verstehen als vorläufige Erkenntnisse aus der Untersuchung – sind im ersten Schritt (Abschnitt 4) in Bezug auf die Differenzkategorien "Körperliche Exponiertheit", "Körperliche Berührungen" sowie "Körperbezogene Bemerkungen" geordnet. Die Kategorien wurden mit Blick auf die Phänomene der erlebten Grenzüberschreitungen generiert. Im Anschluss (Abschnitt 5) gehen wir explizit darauf ein, welche "Situationsdeutungsangebote" die Untersuchungsteilnehmer/innen selbst mitlieferten. Grund hierfür ist, dass sie sich in einer auffälligen Weise nicht auf die Schilderung des Erlebten beschränkten, sondern darüber hinaus vielfach die eigene Wahrnehmungsperspektive kommentierten, beispielsweise indem sie sich dafür rechtfertigten, dass oder warum sie die geschilderte Situation unter dem Stichwort "Grenzüberschreitung" gefasst hatten. [23]
4. Phänomene der Grenzüberschreitung
Die im Folgenden beschriebenen Kategorien sind realiter selbstverständlich vielfach miteinander verwoben und an dieser Stelle lediglich analytisch getrennt voneinander dargestellt. Im Kontext dieser Ordnungsstruktur wird gleichsam auf Hinweise der unterrichtlichen Einbettung bzw. auf den didaktischen Kontext der erlebten Situation eingegangen und deren Bedeutsamkeit für die Betroffenen analysiert. [24]
4.1 Körperliche Exponiertheit: "Dass man sich fast nackt zeigen muss"
Als ein regelmäßig wiederkehrendes Thema in den Daten erweist sich der Aspekt "Körperliche Exponiertheit" im Sportunterricht. Die Tatsache, dass der eigene Körper – durch Sportkleidung bzw. durch die geforderten Bewegungen in Szene gesetzt – Ausgangs- und Bezugspunkt von unterrichtlichen Handlungen ist, wird von einem Teil der Schüler/innen grundsätzlich als eine Überschreitung persönlicher Grenzen erlebt. In dem Wissen, dass ihr Körper exponiert ist sowie inoffiziell und offiziell beobachtet, bewertet und kommentiert wird, geht also bereits die bloße Teilnahme am Sportunterricht für manche Schüler/innen mit einer Überwindung der eigenen Schamgrenzen einher. Der Grad und die Nachhaltigkeit der situativen Beschämung verweisen dabei auf individuelle Empfindsamkeiten, unterrichtliche Inszenierungen und Ausmaß der Öffentlichkeit gleichermaßen. [25]
Paradebeispiel und häufig genanntes Setting hierfür ist der schulische Schwimmunterricht, bei dem der eigene Körper über eine längere Zeitspanne hinweg anderen nahezu unbedeckt gezeigt werden muss. Individuelle Empfindsamkeiten zeigen sich hier auf breiter Ebene, z.B. in Bezug auf pubertären Entwicklungsstand, Gewicht, Körperproportionen, Haut und ausgewählte (neuralgische und sonst verdeckte) Körperteile. Aber auch unabhängig von selbst konstatierten "Schwachstellen" ruft die Tatsache als solche, "dass man sich fast nackt zeigen muss" und intime Körperteile bzw. -konturen in unterrichtlichen und den Unterricht flankierenden Situationen sichtbar werden, Scham und Unsicherheiten hervor: "Ich fühlte mich im Schwimmunterricht häufig nicht wohl, da ich mich im Badeanzug oft von anderen angestarrt fühlte, quasi 'Nacktheit' auch vor dem Lehrer" (3/34).17) [26]
Virulent wird hier auch der unmittelbare Kontrast zwischen erzwungener Intimität und der (sonstigen) offiziellen Rolle als Schüler/in: Im Schwimmunterricht geht es nicht nur um das Präsentieren von Leistung, sondern in besonderer Weise auch immer um das (fast vollständige Zeigen) der eigenen körperlichen Materialität. Damit ist die sonst vorstrukturierte körperliche Distanz vornehmlich zur Lehrkraft (aber auch zu anderen Akteur/innen der Schule) eigentümlich (und peinsam) gebrochen ("Ich wolle nicht, dass der mich so sieht" [2/70]). Der Umstand, den fast nackten Körper hier regelmäßig zeigen zu müssen, wird von den Schüler/innen offensichtlich als eine diesem Unterrichtsfach per se eingelagerte potenzielle Beschämung betrachtet, der man sich aufgrund der institutionellen Verbindlichkeit nicht entziehen kann. [27]
Allerdings können hier, auch das wird im Gesamt der Kurznarrationen deutlich, über das peinsame Erleben der Badekleidung als solche hinaus besondere intime Grenzen verletzt werden, je nachdem, inwiefern das didaktische Arrangement den Blick auf neuralgische Körperstellen freigibt oder fokussiert.
"Schwimmunterricht: Wir Schüler wurden angeleitet mit dem Bauch auf dem Boden liegend vor der männlichen Lehrkraft die typische 'Froschbeinbewegung' vorzumachen. Bei dieser Übung hatte der Lehrer freie Sicht auf die Geschlechtsmerkmale. Wir Mädchen hatten zwar alle Badeanzüge an, aber dadurch, dass der Lehrer hinter uns stand, um genau die Beinbewegung zu beobachten, war es für mich eine grenzüberschreitende Situation" (3/11). [28]
Die Scham körperlicher Exponiertheit gilt (unter Einschränkung) auch für den "normalen" Sportunterricht, in welchem der Blick auf Körper (-teile) ebenfalls freigegeben bzw. regelmäßig fokussiert wird. Geschildert werden hier Situationen, in denen die Kleidung verrutscht und unfreiwillig den Blick auf Körperteile freilegt (Überkopfbewegungen, bei denen Bauch bzw. Oberkörper sichtbar werden, verrutschte Hosen bei Grätschbewegungen der Beine etc.). Als weiteres Thema erweist sich bei den Mädchen auch die Sportkleidung, die vielfach aus knappen Shorts, engen Sport-Tights und körpernahen Sport-Tops besteht und die Körperkonturen deutlich sichtbar macht. Der Aspekt der Unfreiwilligkeit der körperbetonten Bekleidung konkretisiert sich hier insofern, als einerseits eine weite Sportkleidung unter Schülerinnen als unmodern gilt, diese andererseits aber auch von den Lehrkräften vielfach im Hinblick auf die Dysfunktionalität nicht gewünscht ist. Auch die explizite verbale Thematisierung körperlicher Exponiertheit durch die Lehrkraft wird als grenzüberschreitend erlebt.
"Ich war in der 11. Klasse und trug 'ganz normal' ein Sport-Top und lange Hose. Mein Sportlehrer ließ mich beim Turnen einer Übung vormachen und sagte anschließend vor der ganzen Klasse, dass ich mich in Zukunft anders kleiden sollte, da meine weiblichen Rundungen ja nicht zu übersehen seien und ich deshalb selbst schuld bin, wenn Jungs/Männer dorthin schauen würden und schaute demonstrativ auf meine Rundungen" (5/65). [29]
Auch Körperreaktionen in mehr oder weniger "gewöhnlichen“ Bewegungssituationen wie Laufen oder Springen können ein grenzüberschreitendes Gefühl körperlicher Exponiertheit hervorrufen. Als situativ erinnerbare Erlebnisse werden von Frauen solche erwähnt, in denen intim besetzte Körperteile wie Gesäß oder Brust "wackeln" und somit Schamgefühle hervorrufen: "Ein Mädchen wurde im Sportunterricht der 9. Klasse wiederholt aufgefordert, Lauf- und Dehnübungen vor der gesamten Klasse zu machen. Es wurden bewusst Übungen ausgewählt, die die weibliche Körperform betonen" (2/4). [30]
Von männlichen Teilnehmern werden im Falle starken Übergewichts unkontrollierbare Bewegungen des Bauches oder der Brust benannt. Auch übermäßiges bzw. an bestimmten Körperstellen sichtbares Schwitzen, auftretende Rötungen der Haut etc. werden als die Intimgrenzen überschreitend beschrieben.
"Ich weiß noch, dass ich es in der 5./6. Klasse immer total peinlich fand, dass sich beim Sport in der Schule so Schweißflecken am T-Shirt abgezeichnet haben. Ich habe mich immer, um das zu vermeiden, extra nicht so stark angestrengt und die Arme unten gelassen" (5/14). [31]
Die Intensität der Beschämung ist in allen Punkten nochmals nachhaltiger, wenn die Körper durch das didaktische Arrangement in Szene gesetzt werden. So werden z.B. methodische Entscheidungen der Lehrkraft, die gezielt den Fokus auf den eigenen Körper legen ("Alle schauen jetzt mal auf Tim") oder zum Exponieren intimer Körperteile auffordern ("Spann dein Gesäß an"; "Drück deine Brust raus") oder auch Situationen körperlicher Exponiertheit, die auf organisatorischen Maßnahmen beruhen, regelmäßig erwähnt.
"Ich erinnere mich noch genau an eine Turnstunde mit Reckturnen. Wir mussten hintereinander am Reck hochstützen und dann da oben was turnen. Als ich (= etwas übergewichtig) dran war, spürte ich den Blick der anderen auf meinem Hintern, und ich wusste, was die Mitschüler dachten. Da half auch kein Anspannen. Ich konnte mich nicht aus der Situation befreien" (1/36). [32]
In einigen Fällen wird auch die körperliche Exponiertheit des Lehrers als grenzüberschreitend beklagt, insofern dieser die Mindestgrenze an Intimzonenbedeckung unterschreitet. So wird z.B. von Sportlehrern berichtet, deren Genitalien sich deutlich in der (engen) Kleidung abzeichneten oder durch das Spreizen der Beine vor allen Schüler/innen sichtbar wurden.
"Mein Sportlehrer am Gymnasium hatte immer eine sehr knappe und enge Sprintershorts im Unterricht an und setzte sich dann auch manchmal breitbeinig vor uns hin, wenn er etwas ansagte. Man wollte gar nicht dahin schauen. Ob er das selbst so realisiert hat, weiß ich nicht" (2/87). [33]
4.2 Körperliche Berührungen: "belohnte ... mit einem Klaps auf den Po"
Ein weiterer Phänomenbereich grenzüberschreitender Situationen betrifft "Körperliche Berührungen". Verortet wird er zum einen in Mannschaftssportarten sowie in "kleinen Spielen", in denen das gegenseitige Sich-Berühren Bestandteil erfolgreichen Handelns ist. Die Teilnehmer/innen berichten von Ekelgefühlen bei der Berührung der Körper der Mit- oder Gegenspieler/innen sowie von unangenehmer Wahrnehmung von Körpergerüchen aufgrund der körperlichen Enge. Zum anderen werden Inhalte des Sportunterrichtes, die konstitutiv auf Berührungshandeln ausgelegt sind, wie "Raufen und Ringen", "Akrobatik" oder auch Spiele zu den Themen "Kooperation" und "Sinnesförderung" als persönlich grenzüberschreitend gekennzeichnet:
"Spiele zur Sinnesförderung. Aufgabe: im Zuge des Verbindens der Augen und des Ertastens anderer als 'Blinder' durch eine Gruppe von MitschülerInnen durchzukommen. Beim Versuch, die Aufgabe zu erfüllen, kam es zu absichtlichen wie unabsichtlichen Berührungen" (3/12). [34]
Einen besonderen Stellenwert nehmen die körperliche Nähe und die Berührungen durch die Sportlehrer/innen ein. Auch wenn den Schüler/innen bewusst ist, dass die Lehrkraft in einem offiziellen didaktischen Rahmen handelt, empfinden sie das körperbezogene Agieren als einen Widerspruch zu der sonstigen professionellen Distanz. So werden vielfach Momente erwähnt, in denen die Lehrkräfte körperlich nah an den Schüler/innen agieren und diese mit deren körperlicher Anstrengung sinnesnah in Berührung kommen (z.B., als der "schweißnasse Sportlehrer im Mannschaftsspiel gedeckt" [5/78] werden oder ein Schüler in Handfassung mit der Lehrkraft eine Bewegung demonstrieren sollte). Vor allem aber werden Situationen geschildert, in denen die Berührungen proaktiv von der Lehrkraft ausgehen. Als typisches Beispiel zeigt sich hier die von der Lehrkraft getätigte "Sicherheitsstellung" beim Turnen:
"Da hat er beim Bockspringen den Mädchen als 'Hilfestellung' an den Hintern gefasst – den Jungs aber nicht" (3/32). [35]
Es werden aber auch zahlreiche andere Berührungshandlungen der Lehrkraft aufgeführt, die nicht der Unfallsicherung der Schüler/innen, sondern vielmehr der Verbesserung von Bewegungsabläufen, der Optimierung der Haltung etc. dienen sollen. Als "peinlich", "unangenehm" oder "ekelerregend" werden z.B. erlebt: das Anfassen der nackten Haut ("fasste mir, [während er erklärte] mit seiner Pranke die ganze Zeit an meinen Nacken" [2/36]), die Berührung von Körperteilen wie Gesäß oder Oberschenkel z.B. bei der Unterstützung von Turnbewegungen ("In der Schule [6. Klasse] haben wir geturnt und unser Sportlehrer hat den Mädchen beim Umschwung geholfen und immer zu extrem an den Po gepackt" [1/11]), das Führen von normierten Bewegungsabläufen z.B. bei Spreizbewegungen der Beine, bei der Dehnung der Brustmuskulatur, bei der Ausholbewegung ("stellte sich der Lehrer immer direkt hinter uns und führte 'mit uns', d.h. unseren Arm führend, die Bewegung aus" [5/24]), die Korrektur körperlicher Haltung durch das Anfassen der Hüfte, des Kopfes, der Schultern oder auch die Nutzung von Berührungen als Geste der Anerkennung bzw. Motivation ("Ein Sportlehrer in der Schule belohnte einen erfolgreichen Schlag beim Badminton im Nachhinein mit einem Klaps auf den Po" [3/30]). [36]
4.3 Körper- und geschlechtsbezogene Bemerkungen: "Das sieht bei dir aus wie Wackelpudding auf Beinen"
Ein weiteres in den Daten regelmäßig auftretendes Thema ist das der verbalen Grenzüberschreitungen. Hierzu zählen beispielsweise Äußerungen der Lehrkraft, insofern sich diese in kritisierender Weise auf den Körper (Größe, Form) der Schüler/innen beziehen:
"Thema der Stunde war Joggen. Ich teilte meinem Sportlehrer Knieschmerzen mit, worauf dieser vor allen entgegnete: 'Das ist ja auch kein Wunder bei deinem Gewicht. Du musst langsam wirklich mal abnehmen.' Ich wusste nicht, was ich sagen sollte" (1/24). [37]
Des Weiteren wird als Grenzüberschreitung erlebt, dass die Lehrkraft in verunglimpfender Form Körperhaltungen der Schüler/innen thematisiert ("Das sieht bei dir aus wie Wackelpudding auf Beinen" [4/57]). Neben diesen abwertenden Bemerkungen über den Körper werden von weiblichen Betroffenen Äußerungen der Lehrkraft aufgeführt, die auf intime Körperteile wie Brust, Gesäß oder Beine abzielen.
"Zu dieser Zeit waren die Sport-Tops sehr in Mode, von denen ich auch eins im Sportunterricht trug. ... Mein Trainer gab mir Hilfestellung, was auch in Ordnung war. Aber dann brachte er den Kommentar: 'Da hast du aber ein sehr sportliches Oberteil an, [Name]!'. In Kombination mit der Hilfestellung kam ich zu einigen mir unangenehmen Interpretationen. Er war mir eindeutig zu nahe getreten, obwohl er mir vielleicht auch nur ein Kompliment machen wollte" (3/6).
"Bei der Vorbesprechung meiner Abiturprüfung Badminton sagte der Prüfer (männlich) zu mir: 'Das sollte schon alles klappen, wenn du morgen noch ein knappes Shirt trägst'. War zwar als Scherz gemeint und von mir auch so aufgefasst aber trotzdem eine extreme Grenzüberschreitung des Sportlehrers" (5/52). [38]
Ähnliches gilt für Aussagen, die das Geschlecht der Schüler/innen in abwertender Weise betreffen:
"Es war nicht mein direkter Lehrkörper, doch trafen wir bei schulisch arrangierten Wettkämpfen aufeinander. Mit seiner forschen Art sowie mit verbalen Ausfällen fühlte man sich innerlich angegriffen, doch äußerlich tat man (eher gesagt wir alle) dies mit einem Lachen ab. Zu sagen, wir Mädchen würden aussehen wie 'Affen' beim Fußball oder 'ob wir überhaupt etwas können', empfinde ich als Verletzung" (2/45).
"Sportlehrerin: 'Im Tanzen seid ihr Jungs eh Bewegungslegastheniker' " (4/23).
"Sein Witz war es zu sagen: 'Gemischtes Doppel beim Tennis ist Tennisspielen mit Damenbehinderung' " (2/8). [39]
Auch wenn derartige Bemerkungen durchgängig als Überschreitungen deklariert werden, erweisen sich deren emotionale Bilanzierungen und Bewertungen doch als sehr different: Während bei Negativ-Konnotierungen der Körperlichkeit bzw. der motorischen Leistung aufseiten der Schüler/innen Gefühle der Scham und der persönlichen Gekränktheit überwiegen, stellt sich bei vermeintlichen "Komplimenten" zumeist eine Mischung aus Geschmeichelt-Sein, Irritation und unsicherer Verlegenheit ein ("Das fand ich schon ein bisschen komisch"; "wusste ich erst gar nicht, wie das gemeint ist" [2/76]; "fand ich irgendwie dann doch nicht so toll" [1/17]). Man freut sich zwar "irgendwie" über eine positive Kommentierung, allerdings wird sie in der hierarchisch strukturierten Situation als nicht vorgesehen bzw. unangemessen erlebt. [40]
5. Kommentierungen und Verortungen der Grenzüberschreitungen
Wie bereits erwähnt, haben sich viele Untersuchungsteilnehmer/innen bei den Kurznarrationen thematisch nicht nur auf die Situationsschilderung beschränkt, sondern darüber hinaus vielfach das Geschehen oder die eigene Wahrnehmungsperspektive kommentiert. Im Folgenden beschäftigen wir uns mit zwei auffälligen Mustern:
der Deklaration der Mehrdeutigkeit der geschilderten Situation: Dieses Muster ist insofern von Bedeutung, als es auf ein dem Sportunterricht eingelagertes strukturelles Problem verweist, nämlich dass eine Berührung durch die Lehrkraft potenziell als didaktische Notwendigkeit und/oder als individuelle Begehrlichkeit ausgelegt werden kann;
der Deklaration des Geschehens als sexuellem (bzw. sexuell motiviertem) Übergriff: Hier tritt die oben angedeutete Möglichkeit der Mehrdeutigkeit zugunsten der Einschätzung als vorsätzlich sexuell motivierte Handlung zurück. Dieses Muster betont zudem die hierarchisch vorstrukturierte Beziehungsebene "Schüler/in – Lehrer/in" und verdeutlicht das Problem der Schüler/innen, die, obwohl sie den intimen Übergriff benennen können, sich nicht in der Position sehen, sich zu widersetzen.18) [41]
5.1 Hinweis auf die Möglichkeit von Mehrfachdeutungen der Situation: "Kann man so sehen, muss man aber nicht!"
Als wiederkehrendes Muster fällt in den Kurztexten der flankierende Hinweis auf, dass es sich bei der Schilderung um eine Wahrnehmungsperspektive handele, die sich von denen der anderen durchaus unterscheiden könne bzw. man mit der Schilderung nicht (zwangsläufig) eine Anklage verbinde oder ein Motiv unterstelle. Hinzugezogen zu dem im Mittelpunkt stehenden "Übergriffserlebnis" werden explizit Hinweise auf didaktische Notwendigkeiten, Gepflogenheiten im Sport oder "andere Einstellungen". Vielfach wird die einschlägige Art der Wahrnehmung des Ereignisses auch mit eigenen charakterlichen "Schwachstellen" oder einem Defizit an "Lockerheit" begründet bzw. ergänzt. [42]
In diesem Sinne zeigt sich in vielen Schilderungen eine gewisse Ambivalenz in der Bewertung der Situation. Die Berichte machen zwar zunächst deutlich, dass aus der eigenen Perspektive eine Grenzüberschreitung stattgefunden hat, in der Bilanzierung geht man jedoch vielfach einen Schritt zurück, insofern verschiedene Deutungsperspektiven der Situation angeboten werden:
"In der elften Klasse im Schulsport mussten wir Handstand üben für eine Prüfung. Während das also zehn oder elf Mädchen geübt haben, hat der Sportlehrer mir als einzige auf den Hintern gehauen und laut gesagt: 'Na, der ist aber nicht fest!' Kann man mit Humor sehen, hätte aber nicht sein müssen" (3/7). [43]
Durch das Aufzeigen von Deutungsvarianten wird die Zwangsläufigkeit der eigenen Wahrnehmung bzw. Kategorisierung als Grenzüberschreitung relativiert. Durch diese Argumentationsfigur wird die im Mittelpunkt stehende Situation zu einer eher "privaten Sache" und einer "individuellen Empfindung" deklariert; gleichermaßen werden die Personen entlastet, von denen die erlebte Grenzüberschreitung ausging. Im obigen Fall wird dem Lehrer etwas potenziell Humorvolles unterstellt: Wenn die Berührungen intimer Körperteile schon nicht als fachlich zwingend notwendig erscheinen, dann können sie also immerhin noch als humorvolle oder als "normale Geste im Sport" deklariert werden. [44]
Ein weiteres Muster ist die Relativierung der als Grenzüberschreitung wahrgenommenen Situation durch den Hinweis auf die "Normalität des Sports". Diese Möglichkeit der Deutungsperspektive ergibt sich aus der unmittelbaren Nähe des Sportunterrichts zum Handlungsfeld Sport, wie er medial vermittelt bzw. außerschulisch erlebt wird. Das Wissen um den "im Sport" bestehenden Verhaltenskodex bzw. Habitus, der sich in betonter "Lockerheit", einem direkten, zuweilen aggressiven Umgangston oder auch sehr körpernahen Interaktionen konkretisiert, relativiert die individuelle Einschätzung einer Situation als grenzüberschreitend: So rückt die Kenntnis darüber, dass ein anerkennender Klaps auf den Po im Kontext des Sports eine gängige Umgangsform darstellt, die persönliche Wahrnehmung einer solchen Situation als unangenehm und grenzüberschreitend in das Licht einer persönlichen "Steifheit" oder auch "Überempfindlichkeit". Ein gängiges Phänomen in diesem Kontext ist, die erlebte Situation zwar als potenziell grenzüberschreitend zu benennen, die persönliche Interpretation jedoch unter Bezugnahme auf die eigene Sportsozialisation davon abzugrenzen:
"Beim Fußballspielen in der Schule kam es zu verbalen und körperlichen Auseinandersetzungen. Einige könnten es persönlich nehmen und denken, man wäre ihnen zu nahe getreten, bei mir als Vereinssportler trifft dies aber nicht zu, da ich denke, dass es zum Fußball dazu gehört" (4/14).
"Unser Sportlehrer ist öfter mal bei uns Mädchen durch die Umkleidekabine gegangen, um zur Sporthalle zu gelangen. Manche haben das als Grenzüberschreitung gesehen und sich auch beschwert, aber ehrlich gesagt, habe ich das nie als störend erlebt, da ich derartige Situationen aus dem Handballsport kenne, wo so etwas ganz normal ist" (4/1). [45]
Eine weitere Form der Versprachlichung der wahrgenommenen Mehrdeutigkeit einer Situation besteht darin, diese ganz von einer möglichen intendierten Absicht "freizusprechen", was wiederum einer Entlastung des "Urhebers" gleichkommt:
"Als ich in der Grundschulzeit Tischtennis hatte, stellte sich mein Lehrer zur Verinnerlichung der Schläge immer direkt hinter uns und führte 'mit uns', unseren Arm führend, die Bewegung aus. Ich fühlte mich nicht direkt bedrängt, aber die Nähe fand ich im Grunde schon nicht angenehm, auch wenn die Übung an sich viel gebracht hat" (4/46). [46]
Die körperliche Nähe des Lehrers wird in diesem Beispiel zwar als unangenehm empfunden, der Situation wird aber proaktiv das potenzielle Motiv des Bedrängens abgesprochen, und sie wird stattdessen durch einen didaktischen Hinweis legitimiert. Der Deutungsfokus des Geschehens wird also von der eigenen Empfindung auf die professionelle Notwendigkeit des Handelns der Lehrkraft verlagert. [47]
Die Art und Weise der individuellen Kommentierungen der erlebten Situationen im Sportunterricht verweisen auf ein Dilemma, in dem sich die Betroffenen befinden: Das Gefühl der Grenzüberschreitung kann in dem Moment ihrer Realisierung nur schwerlich kommuniziert oder beklagt werden, da die Situationen in der Regel didaktisch legitimiert sind oder sich durch die "Normalität des Sports" plausibilisieren lassen.19) Die Schüler/innen wissen offensichtlich selbst, dass die von ihnen als grenzüberschreitend erlebten Blicke und Berührungen jederzeit mit Blick auf den Lerngegenstand, die angestrebten Lehrziele, die Wahrung von Sicherheit etc. als didaktische Notwendigkeit ausgelegt bzw. die körperliche Exponiertheit durch den Verweis auf Gepflogenheiten im Sport als "normal" gekennzeichnet werden könnten. Damit wird die erlebte Grenzüberschreitung vielfach zu ihrem persönlichen Problem im doppelten Sinne: einerseits, weil die Situation als solche belastend wirkt; andererseits, weil die Ursache ihrer Reaktion (zum Teil) auch in sich selbst begründet gesehen wird, insofern sie sich, wie bereits erwähnt, mitunter ein Defizit an "Lockerheit" attestieren. [48]
5.2 Deklaration als sexuell intendierte Grenzüberschreitung: "der dafür bekannt war, dass er die Mädchen im Sportunterricht gerne mal angrabbelte"
Im Datensatz werden auch Grenzüberschreitungen beschrieben, die jenseits von Uneindeutigkeit und Auslegbarkeit als vorsätzlich sexuell motiviert deklariert werden. Geschildert werden hier Situationen (fast ausschließlich von weiblichen Teilnehmerinnen), die vonseiten des männlichen Lehrers auf die Herstellung einer intimen körperlichen Nähe abzielen, z.B. in denen Lehrkräfte die Schüler/innen im Umkleideraum oder in der Dusche beobachten bzw. mitduschen, sie sich im persönlichen Gespräch nach dem Menstruationszyklus von Schülerinnen erkundigen, einschlägig körperliche Nähe anbieten, Fotos von den Schüler/innen machen, sich körperlich exponieren etc. Vielfach werden auch Situationen erwähnt, die durch eine exklusive persönliche Kontaktaufnahme der Lehrkraft mit einzelnen Schüler/innen gekennzeichnet sind:
"Ein Lehrer zeigte sich durchaus wissbegierig in Bezug auf die Unterwäsche des weiblichen Geschlechts" (2/66).
"In meiner Schulzeit hatte ich einen Lehrer, der im Sommer Bilder von den Schülern beim Schwimmen gemacht hat" (2/24).
"Im Kanusportkurs machten wir eine Exkursion mit Zelten. Der Sportreferendar meinte zu einer Freundin im Scherz, dass sie sich ja ein Zelt teilen könnten und der Ausflug dann ja für sie auch nicht mehr so langweilig sein würde" (1/34).
"Ein Sportlehrer von uns kam des Öfteren in die Umkleidekabine von uns Mädchen, um zu schauen, 'ob alles ok sei'. Außerdem hat er öfter verbale sexuelle Andeutungen gemacht, und die hübschen Mädchen wurden auch immer am besten benotet" (4/45). [49]
Die Möglichkeit einer expliziten sexualisierten Dimensionalisierung des Erlebnisses wird vornehmlich dann gewählt, wenn eine Interpretation der erlebten Grenzüberschreitung unter den Deutungsvarianten "didaktische Legitimität" bzw. "Normalität im Sports" kaum möglich erscheint und/oder das Erlebnis auch von anderen als sexuell konnotiert gedeutet wird. So lassen sich in den Kurznarrationen, die das Geschehen als "sexuell motiviert" deklarieren, immer wieder Hinweise darauf finden, dass auch andere Mitschüler/innen die beschriebene Situation in ähnlicher Weise als grenzüberschreitend wahrnahmen. Oder die Schilderungen sind durch den Hinweis flankiert, dass die Lehrkraft an der Schule bereits einen einschlägigen Ruf hatte bzw. bereits mit anderen, ebenfalls sexualisiert intendiert anmutenden Handlungen in Verbindung gebracht wurde: "Es gab an unserer Schule einen Lehrer, der dafür bekannt war, dass er die Mädchen im Sportunterricht gerne mal angrabbelte" (5/78). [50]
Das den Kurznarrationen innewohnende Muster, die eigene Wahrnehmung durch fremde Wahrnehmungen zu stützen, verweist u.E. darauf, dass es den Betroffenen in der Erwägung einer geteilten Einschätzung leichter fällt, die Eindeutigkeit der Grenzüberschreitung zu benennen bzw. der Verweis auf die geteilte Wahrnehmung die eigene Glaubwürdigkeit erhöht. [51]
Auffällig im Gesamt der Beispiele ist zudem, dass einige Schreiber/innen explizit darauf hinweisen, dass sie die wahrgenommenen Grenzüberschreitungen erst in der Retrospektive – und mit größerer Reflexionsfähigkeit – als sexualisiert intendiert einordneten, während sie die jeweiligen Situationen im Vollzug mit der "Normalität im Sports" plausibilisierten: "Von meinem Lehrer wurde ich im Sportunterricht beim Turnen öfter an der Hüfte angefasst. Habe es immer als harmlos wahrgenommen, doch irgendwie ist es ja immer noch in meinem Kopf" (3/13). [52]
Dabei wird das Wissen um die bewusste Ausnutzung des schützenden Deckmantels der beruflichen Stellung als Lehrkraft von den Schreiber/innen vielfach in der Nutzung von Anführungszeichen wie "rein zufällig" oder "angeblich" oder "nicht mit Absicht" ironisch angezeigt ("Bei der Hilfestellung rutschte seine Hand 'ganz zufällig' an die nackten Oberschenkel" [5/63]). Ähnlich wie im vorangegangenen Abschnitt bilanziert, deutet sich bei den Schülern/innen im Kontext der als "sexuell motiviert" erlebten Situationen eine emotionale Langzeitwirkung an: zum einen hinsichtlich der Gewahrwerdung, dass sie als Objekt sexueller Ambitionen fungierten, zum anderen im Hinblick auf die Tatsache, dass sie in ihrer Rolle als Schüler/innen den Situationen mehr oder weniger hilflos ausgesetzt waren. [53]
Folgt man den Befunden der Untersuchung, so werden aus der Perspektive von Schüler/innen offensichtlich immer wieder Scham- oder Intimgrenzen im Kontext von Sportunterricht überschritten: sei es durch die Tatsache der fast nackten Exponierung des eigenen Körpers im Schwimmunterricht, das Spüren von gelenkten Blicken auf ausgewählte Körperteile, die Berührung des Körpers durch die Lehrkraft oder auch durch erlebte sexuell motivierte "Anmache". Die Situationen haben vielfach ein affektives Gewicht und werden nicht selten als scham- oder schmachvoll beschrieben. Die Evidenz der Situationen begründet sich (auch) durch das in ihnen zum Tragen kommende Außerkraftsetzen ihrer Rolle als Schüler/in, insofern die Situationen primär ihre körperliche Materialität (inklusive Geschlecht) fokussieren. [54]
Insgesamt verdeutlichen die Beispiele eine – aus Schüler/innensicht – schwierige Lage. In dem Wissen, dass die als grenzüberschreitend erlebten Blicke und Berührungen fast durchgängig didaktisch plausibilisiert oder durch den Verweis auf Gepflogenheiten im Sport (z.B. "lockerer Umgang mit Körper") als "normal" gekennzeichnet werden könn(t)en, ist es den betroffenen Schüler/innen kaum möglich, sich zu widersetzen. Auch in Situationen, die jenseits didaktischer Legitimationsmöglichkeiten als sexuell übergriffig empfunden werden, ist ein Sich-Wehren aufgrund der hierarchischen Vorstrukturiertheit der Situation bzw. der grundsätzlichen Möglichkeit der Falschinterpretation nur bedingt möglich. Die Langzeitwirkung, die die Situationen gegebenenfalls entfalten, verweist sicherlich auch auf den Aspekt der erlebten Hilflosigkeit bzw. des Souveränitätsverlusts. [55]
Wie eingangs erwähnt, geht es in diesem Beitrag nicht um die Frage von Verantwortlichkeiten, Wahrheiten oder (sport-) didaktischen Notwendigkeiten, sondern um die Perspektivität von Schülerinnen und Schülern, um die Sichtbarmachung ihrer persönlichen Erlebnismomente. Auch die Frage danach, wie häufig die geschilderten Phänomene bei Schülerinnen oder Schülern auftreten bzw. als den Scham- und Intimbereich grenzüberschreitend erlebt werden, kann hier nicht beantwortet werden.20) Wir machen vielmehr nochmals darauf aufmerksam, dass die Schilderungen der Situationen gezielt durch uns als Außenstehende evoziert wurden: Es sollten aus dem Fluss der Sportunterrichtsgeschehnisse einschlägige Erlebnisse herausgefiltert werden. [56]
Wie ist mit diesen Befunden nun umzugehen? Wie sind die Einblicke in das Erleben von Scham didaktisch zu bilanzieren? Im Folgenden möchten wir, wenn auch keine Lösung, so doch ein paar Denkanstöße und didaktische Anschlussmöglichkeiten darlegen. Dabei sind ausdrücklich nicht Situationen gemeint, die daraufhin hinweisen, dass bei den Lehrkräften eine Haltung, ein Motiv oder eine Routine jenseits professioneller Zuwendung und didaktischer Notwendigkeit vorliegt. Diesem Verhalten ist nicht didaktisch zu begegnen, es ist vielmehr konsequent zu verurteilen und im Alltag zu sanktionieren. Dazu bedarf es nicht nur ein Klima, das Schüler/innen ermutigt, Grenzen aufzuzeigen, sondern (u.a.) auch ein Umfeld, das eindeutig grenzüberschreitendes Verhalten anzeigt (vgl. RULOFS 2015). [57]
Bündelt und bilanziert man Teile der Befunde unter der Perspektive, dass individuelle Schamgrenzen von Schüler/innen mit Strukturen von Sportunterricht kollidieren, dann deutet sich ein grundsätzliches Problem an: Die Fokussierung auf den Körper gilt als konstitutiver Ausgangspunkt von Sportunterricht, körperliche Nähe zu anderen ist vielen sportunterrichtlichen Inhalten (z.B. Zweikampf) implizit, Körperberührungen zwischen Lehrkräften und Schüler/innen sind nicht immer vermeidbar (z.B. Hilfestellungen), Kleiderordnungen (im Schwimmbad) scheinen wenig variabel u.v.m. Möchte man die (üblichen) Grundstrukturen von Sportunterricht weitgehend unberührt lassen und nach Möglichkeiten einer psychischen Entlastung für vulnerable Schüler/innen suchen, so ergeben sich diese primär durch einen didaktisch-reflexiven Umgang seitens der Lehrkraft mit den für einzelne Schüler/innen hier aufgeführten potenziell belastenden Momenten. So können z.B. körperexponierende Unterrichtssituationen durch organisatorische Maßnahmen dezentralisiert werden, körpernahe Situationen können durch freie Wahlmöglichkeiten der Partnerin/des Partners oder der Hilfestellung vielfach in ihrem grenzüberschreitenden Potenzial entschärft werden, als fast nackt empfundene Situationen im Schwimmbad können durch Begrenzung der Aufenthaltszeit am Beckenrand oder durch die Möglichkeit der Bedeckung mit einem Handtuch gemildert werden. In diesem Sinne erscheint es möglich, das belastende Potenzial vieler der in den Befunden aufgezeigten grenzüberschreitenden Situationen durch den Versuch eines (sensibilisierenden) Perspektivwechsels und mittels mehr oder weniger einfacher didaktischer Maßnahmen abzusenken. Auch die regelmäßige Einholung von anonymem Feedback zu schamgrenzüberschreitenden Situationen im eigenen Unterricht kann beitragen, das beschämende Potenzial von didaktischen Maßnahmen (Methoden, Organisationen, Angebote) zu erkennen. Nicht zuletzt kann eine höhere Selbstaufmerksamkeit der Lehrkräfte im Hinblick auf unterrichtlich nicht zwingend notwendige körperbezogene Bemerkungen und Berührungen zu einer Minderung des grenzüberschreitenden Potenzials beitragen.21) [58]
Bündelt man die Befunde – nicht wie in den vorangegangenen Ausführungen unter der Perspektive, dass individuelle Empfindsamkeiten mit unterrichtlichen Strukturen kollidieren, sondern – unter dem Fokus, dass sich bestimmte Strukturen von Sportunterricht von den Strukturen anderer Fächer unterscheiden, dann ergibt sich ein nochmals anderes Bild. Dann erweisen sich nämlich die körperliche Nähe zwischen Lehrkraft und Schüler/in, die von den Schüler/innen geforderte Exponierung der eigenen körperlichen Materialität etc. als fachspezifische Herausforderungen, die von sonstigen schulischen Routinen und vorstrukturierten Interaktionen zwischen Lehrkräften und Schüler/innen abweichen bzw. im Widerspruch dazu stehen. Die strukturellen Besonderheiten bzw. fachspezifischen Erwartungen können ggf. vorzugsweise diejenigen gut bewältigen, die im außerschulischen Sport sozialisiert sind und für die – aus der Logik des Freizeitsports heraus – dieser Umgang mit Körperlichkeit (qua Amt fasst ein Erwachsener eine/n Heranwachsende/n an, der Körper wird spärlich bekleidet gezeigt etc.) vertraut ist. [59]
Vor diesem Hintergrund wäre es angezeigt, Sportunterricht unter einer ethnografischen Perspektive daraufhin zu befragen, welche Körpersozialisation seine Strukturen eigentlich voraussetzen und – angesichts zunehmender Diversität – zu prüfen, bei welchen Schüler/innengruppen eben diese Körpersozialisationseffekte (selbstverständlich) vorausgesetzt werden können bzw. ob die in die Unterrichtspraxis eingespeisten Normalitätserwartungen an die Schüler/innen überhaupt angemessen und gewollt sind. Perspektivisch wäre es auch sinnvoll, eben diese (routinemäßig in den Sportunterricht eingelassenen) normativen Erwartungen den Lehrkräften und Schüler/innen reflexiv verfügbar zu machen22) und damit insbesondere letztgenannten zumindest die Chance zu geben, sich dazu zu positionieren. [60]
1) Siehe hierzu die quantitative Untersuchung von WIESCHE (2013). <zurück>
2) Erwähnt sei an dieser Stelle auch die fallrekonstruktive Studie von WEIGELT (2010). Diese setzt sich mit Körperberührungen zwischen Lehrkräften und Schüler/innen auseinander, fokussiert dabei jedoch ausschließlich auf die Perspektive von Lehrkräften. <zurück>
3) Mitte Mai 2017 erscheint der Herausgeberband "Scham und Beschämung im Schulsport: Facetten eines unbeachteten Phänomens" von KLINGE und WIESCHE. Leider war der Band zum Zeitpunkt dieser Veröffentlichung noch nicht einsehbar. <zurück>
4) Vgl. hierzu auch die Analysen spezifischer Bedingungen der Begünstigung sexualisierter Gewalt im Sport (z.B. BRACKENRIDGE 2001). <zurück>
5) Vgl. hierzu die in der Zeitschrift sportunterricht wie auch auf der Homepage des Deutschen Sportlehrerverbandes (DSVL) im Jahr 1998 veröffentlichte Debatte "Üble Verleumdung aller Sportlehrer" als Reaktion auf die Veröffentlichung der Ergebnisse der Studie "Gewalt gegen Frauen und Mädchen im Sport" von KLEIN und PALZKILL (1998). <zurück>
6) Dieser schließt die sport- und körperbezogene Sozialisation ein, welche in der Entwicklung körperbezogener Normalitätsvorstellungen, der Ausbildung von Bewegungsstilen etc. wirksam wird (vgl. u.a. BAUR & BURRMANN 2008). <zurück>
7) Siehe hierzu auch SCHÄFER und THOMPSON (2009). <zurück>
8) Wissenschaftliche Versuche, die darauf abzielen, Scham- und Intimgrenzen überschreitende Situationen zu definieren, engen das Phänomen zumeist auf eine sexualisierte Dimension ein. Auch in der juristischen Auslegung wird das Problemfeld eng im sexualisierten Sinne ausgelegt (z.B. §177, Abs.1 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998, das durch Artikel 1 des Gesetzes vom 4. November 2016 geändert worden ist (http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/stgb/gesamt.pdf [Datum des Zugriffs: 14. Mai 2017]. <zurück>
9) Aus soziologischer Sicht sind selbstverständlich auch individuelle Erfahrungen selbst immer schon sozial gedeutete, insofern die Deutung der Erfahrung mithilfe sozial vorgefundener Muster geschieht (SCHÜTZ & LUCKMANN 1979, S.293ff.). <zurück>
10) Wertvolle Hinweise konnten den Ausführungen von SCHIEK (2014) entnommen werden, auch wenn SCHIEK primär auf das schriftliche Interview abhebt. Die Methode der erzählgenerierenden Schreibaufforderung wird im Rahmen qualitativer Sozialforschung ansonsten bislang u.E. selten eingesetzt bzw. method(olog)isch reflektiert. <zurück>
11) Die Frage, inwiefern durch die Erzählaufforderung möglicherweise auch traumatische Erlebnisse aufgerufen werden könnten, wurde im Team immer wieder mit Blick auf ethische Verantwortbarkeit diskutiert. <zurück>
12) In diesem Sinne handelt es sich bei den geschilderten Erlebnissen stets um eine mehrfache (Re-) Konstruktionsleistung der Untersuchungsteilnehmer/innen: als Konsequenz der subjektiven Verarbeitung sozialer Realität (zum Zeitpunkt des Erlebens einer Situation als Grenzüberschreitung), als gedankliche Zuwendung auf das zurückliegende Erlebnis bzw. in Form des Bildens einer Gestalt aus Empfindungen (anlässlich der Erzählaufforderung in der Untersuchungssituation) und als schriftliche Aufbereitung (in der Umsetzung der Erzählaufforderung). <zurück>
13) Vgl. hierzu auch die von SCHÜTZE (z.B. 1984) im Rahmen der Narrationsanalyse erwähnten "Zugzwänge" (Gestaltschließungszwang, Detaillierungszwang, Kondensierungszwang) bzw. den daraus resultierenden Strukturierungs- und Gestaltungsaktivitäten der/des Befragten innerhalb narrativer Darlegungen. <zurück>
14) Das heißt, der jeweilige Studiengang spielte bei dem Sampling keine Rolle. Eine Ausnahme stellt lediglich die Fachrichtung Sportwissenschaft dar, insofern hier – im Gegensatz zu anderen Studiengängen – davon ausgegangen werden kann, dass die Studierenden (in der Tendenz) ihre Erfahrungen mit Sport insgesamt positiv bilanzieren. <zurück>
15) Dass ausschließlich junge Erwachsene mit einem formal hohen Schulabschluss an der Untersuchung teilnahmen, gilt es sicherlich noch mit Blick auf die Grenzen der Studie zu reflektieren. Wir tragen ihm hier insofern Rechnung, als wir im Fazit die Befunde vornehmlich im Hinblick auf die besonderen Strukturen von Sportunterricht bilanzieren. <zurück>
16) Die Sprechakttheorie konzeptualisiert Äußerungen als sprachliche Handlungen: "Die Grundeinheit der sprachlichen Kommunikation ist nicht ... das Symbol-, Wort- oder Satzzeichen, sondern die Produktion oder Hervorbringung des Symbols oder Wortes oder Satzes im Vollzug des Sprechaktes" (SEARLE 1983, S.30). Die Sprechakttheorie geht davon aus, dass Sprechende mit jeder Äußerung etwas "tun"; dass sie Absichten verfolgen, die darüber hinausgehen, dass die/der Andere lediglich merken soll, dass sie oder er etwas sagt. Sprechakte, so die Grundannahme, werden dabei in Übereinstimmung mit Systemen konstitutiver Regeln vollzogen. In unserem Kontext wurde unter Heranziehung dieser regelgeleiteten Ansätze der intentionale und kommunikative Aspekt der Aussagen untersucht. <zurück>
17) In den Klammern bezieht sich die erste Ziffer auf den Erhebungszeitpunkt (insgesamt fünf), die zweite identifiziert das Dokument (alle Schriftstücke wurden nummeriert). <zurück>
18) Zum Thema und Forschungsstand zur sexualisierten Gewalt im Sport siehe aktuell RULOFS (2016). <zurück>
19) Eine Auslegung der beschriebenen Problematik vor der Folie der Rollentheorie GOFFMANs (2003 [1959]) wäre hier sicherlich sehr erkenntnisbereichernd, kann jedoch in diesem Rahmen nicht erfolgen. <zurück>
20) Eine Quantifizierung von Befunden wäre im Hinblick auf das gewählte methodische Setting und weitere Untersuchungen perspektivisch umsetzbar. Eine Analyse der Daten im Hinblick auf das Geschlecht der betroffenen Schüler/innen und Lehrkräfte ist sicherlich noch angezeigt. <zurück>
21) Didaktische Anknüpfungspunkte bestehen hier zum Beispiel an Diskurse um Lehrer/innen-Professionalität (z.B. MIETHLING & GIEß-STÜBER 2007), allgemeine Unterrichtsqualität (z.B. BALZ 2010; WOLTERS, EHNI, KRETSCHMER, SCHERLER & WEICHERT 2000), inklusiven Schulsport (z.B. SCHEID & FRIEDRICH 2015) oder auch geschlechtergerechte Fachdidaktik (z.B. GRAMESPACHER 2013). <zurück>
22) Sehr wertvolle Anschlussmöglichkeiten bieten hier die Arbeiten zur Fallarbeit im Kontext der Sportlehrer/innenbildung. Siehe vor allem LÜSEBRINK (2006, 2013), LÜSEBRINK, MESSMER und VOLKMANN (2014), SCHIERZ (2012) sowie SCHIERZ und THIELE (2002). <zurück>
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Prof. Dr. Ina HUNGER (geb. 1965) ist seit 2008 Leiterin des Arbeitsbereiches Sportpädagogik und -didaktik am Institut für Sportwissenschaften der Georg-August-Universität Göttingen. Ihre aktuellen Forschungsschwerpunkte betreffen das Thema "(Früh)Kindliche Bildung und Bewegung" und "Bewegungssozialisation im Kindesalter" (unter den Forschungsaspekten Geschlecht, soziale Benachteiligung, sozial-kulturelle Herkunft, Entwicklungsauffälligkeiten/Behinderung) sowie das Handlungsfeld "Schulsport " (Forschungsthemen sind hier u.a. Handlungsorientierungen von Lehrkräften, Schulsporterlebnisse, Schüler/innenperspektiven und Inklusion).
Kontakt:
Prof. Dr. Ina Hunger
Georg-August-Universität Göttingen
Institut für Sportwissenschaften
Sprangerweg 2, 37075 Göttingen
E-Mail: ina.hunger@sport.uni-goettingen.de
URL: http://www.uni-goettingen.de/de/111235.html
Nicola BÖHLKE (geb. 1982) ist seit 2011 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sportwissenschaften (Arbeitsbereich Sportpädagogik und -didaktik) der Georg-August-Universität-Göttingen. Sie promoviert zum Thema "Zum Erleben von Sport und Bewegung aus der Perspektive psychisch erkrankter Jugendlicher" und forscht ferner zum Thema "Schulsporterlebnisse".
Kontakt:
Nicola Böhlke
Georg-August-Universität Göttingen
Institut für Sportwissenschaften
Sprangerweg 2, 37075 Göttingen
E-Mail: nicola.boehlke@sport.uni-goettingen.de
Hunger, Ina & Böhlke, Nicola (2017). Über die Grenzen von Scham. Eine qualitative Studie zu (scham-) grenzüberschreitenden
Situationen im Sportunterricht aus der Perspektive von Schüler/innen [60 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 18(2), Art. 2,
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