Volume 17, No. 3, Art. 18 – September 2016
Techniken des Selbst in der Politik – Ansatzpunkte einer dokumentarischen Subjektivierungsanalyse
Steffen Amling & Alexander Geimer
Zusammenfassung: Der Artikel präsentiert am Beispiel des Handlungsbereichs der Politik die Möglichkeiten einer empirischen Subjektivierungsanalyse, die auf der dokumentarischen Methode beruht. Im Einzelnen werden Formen der Aneignung von normativen Erwartungen durch die AkteurInnen bzw. deren Bezugnahme auf diese Erwartungen analysiert, und zwar insbesondere auf solche, die sich als Identitätsnormen bezeichnen lassen. Anhand von Interviews mit Abgeordneten des deutschen Bundestages kann zunächst gezeigt werden, dass sich die AkteurInnen in der professionellen Politik der Erwartung ausgesetzt sehen, authentisch zu sein, und das heißt, nicht nur Kontinuität und Kohärenz im beruflichen Handeln, sondern auch ein widerspruchsfreies Verhältnis zwischen beruflichem Handeln und privater Lebensführung herzustellen. Darüber hinaus macht das empirische Material deutlich, dass die PolitikerInnen dieser Erwartung durch Selbstidealisierungen nachkommen, die sich als Verschränkung von Reflexionsprozessen mit habituellen Orientierungen darstellen und als eine (für den Handlungsbereich der Politik charakteristische) Technik des Selbst gelten können.
Keywords: implizites Wissen; Habitus; dokumentarische Methode; Subjektivierung; Authentizität; Politik; narrative Interviews; Gruppendiskussionen; dokumentarische Subjektivierungsanalyse, Techniken des Selbst
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung und Anliegen
2. Ein rekonstruktiv-praxeologischer Zugang zur Analyse von Subjektivierungsprozessen
2.1 Die Analyse von Regimen des Selbst und ihrer Wirkmächtigkeit
2.2 Das Programm einer dokumentarischen Subjektivierungsanalyse
3. Projektkontext: Untersuchungsdesign und Datenbasis
4. Konjunktion und Authentizität in der Politik – Empirische Befunde
4.1 Konjunktion durch Authentizität als primäre normative Erwartung an PolitikerInnen
4.2 Formen des Umgangs mit normativen Erwartungen – Techniken des Selbst in der Politik
4.3 Selbstidealisierungen als Techniken des Selbst
5. Fazit und Ausblick
Anhang: Richtlinien der Transkription
Gegen die Annahme, dass Normen unmittelbar handlungsleitend sind und ihre Analyse der Untersuchung jeglicher sozialer Ordnung zugrunde zu liegen habe, richtet sich schon seit den frühen 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die grundsätzliche Kritik einer Reihe von Ansätzen der qualitativen bzw. interpretativen und rekonstruktiven Sozialforschung – gerade das interpretative Paradigma (WILSON 1970) entstand nicht zuletzt aus der Auseinandersetzung mit dieser Annahme (CICOUREL 1970, S.139; WILSON 1970, S.59). Heutzutage wird allerdings in erstaunlich wenigen Feldern über die Frage gestritten, in welcher Weise alltägliche Praktiken sozialer AkteurInnen und Normen oder Regelsysteme zusammenhängen. Vielmehr scheinen sich weitgehend unabhängige Forschungsstränge etabliert zu haben: So zeugen zwar auf der einen Seite Konjunkturen der Diskursanalyse und der Governmentality Studies (und teils auch der Cultural Studies) von einem starken Interesse an normativen Wissensordnungen (vgl. etwa die Untersuchungen zum "unternehmerischen Selbst" von BRÖCKLING 2007; DU GAY 1997; HALL 1997; ROSE 1992, 1996). Diese werden allerdings in relativer Unabhängigkeit von der Frage in den Blick genommen, welche AkteurInnen dadurch in welcher Weise im Einzelnen beeinflusst werden. Auf der anderen Seite wird in interpretativ oder rekonstruktiv angelegten Arbeiten der Blick beinahe ausschließlich auf die alltäglichen Praktiken der gesellschaftlichen AkteurInnen bzw. auf die regelmäßigen Strukturen dieser Praktiken oder die diesen zugrunde liegenden impliziten Handlungsorientierungen gerichtet, ohne dass dabei die Frage, inwiefern sich die Praktiken auch in der Auseinandersetzung mit Normen entwickeln, gestellt oder gar beantwortet würde. Es wäre dabei insbesondere auch zu überlegen, ob und in welcher Form eine handlungsrelevante Bezugnahme auf die Erwartungen erfolgt, die mit Normen verbunden sind, und zwar mit Blick auf die von den AkteurInnen dazu in Anschlag gebrachten Wissensbestände: So interessieren in der französischen Schule zur Soziologie der Kritik um BOLTANSKI (2010), aber auch in den Governmentality Studies vor allem "practices of self-constitution, recognition and reflection" (HALL 1996, S.13; siehe auch BARKER 2002, S.89; BARKER & GALASINSKI 2001, S.45). Diesen Forschungsperspektiven, die ihre Aufmerksamkeit auf reflexiv verfügbare Wissensbestände und ihre Relation zu Normensystemen richten, stehen dann solche gegenüber, deren Gemeinsamkeit in der Annahme der Existenz latenter bzw. präreflexiver Wissensstrukturen liegt (vgl. den Überblick in LOENHOFF 2012). Hier wird nicht nur angenommen, dass die präreflexiven Wissensstrukturen für die Handlungspraxis von entscheidender Prägekraft seien, es wird auch im Wesentlichen die implizite Logik der Praxis entschlüsselt, während Bezugnahmen der AkteurInnen zu Norm- und Wertesystemen weitgehend ausgeklammert bleiben. [1]
Die im Weiteren vorgestellten empirischen Ergebnisse des DFG-geförderten Forschungsprojekts "Aporien der Subjektivierung" sind vor diesem Hintergrund geeignet, am Beispiel von Material aus dem beruflichen Handlungsbereich der professionellen Politik der Frage nachzugehen, ob eine praxeologisch-rekonstruktive Analyse nicht vor allem die Anschlussfähigkeit normativ-hegemonialer Ordnungen an die Alltagspraxis der AkteurInnen in den Fokus rücken und dabei von der Gleichzeitigkeit verschiedener kultureller Regulierungsformen sozialer Praxis ausgehen muss (vgl. hierzu GEIMER 2012, 2013; HALL 1997, S.233ff.; RECKWITZ 2000, S.623ff.). Die vorgestellten Analysen basieren auf einer Modifikation der dokumentarischen Methode (BOHNSACK 2014a), die sich im Kontext der qualitativ-rekonstruktiven Sozialforschung als ein höchst fruchtbarer Zugang für verschiedene Disziplinen und Fragestellungen etabliert hat (vgl. als Überblick http://www.dokumentarischemethode.de/). Die Methode lässt sich denjenigen Ansätzen zuordnen, die die Logik der Praxis über die Rekonstruktion impliziter, präreflexiver und als handlungsleitend angesehener Wissensbestände fokussieren (vgl. z.B. BOHNSACK 2014a; NOHL 2012; PRZYBORSKI & WOHLRAB-SAHR 2009). Diese starke (Vor-) Annahme ist für die vorliegenden Analysen allerdings kontextbezogen so zu relativieren, dass es die dokumentarische Methode, wie im Folgenden zu zeigen ist, auch ermöglicht zu rekonstruieren, dass und wie durch die Bezugnahme auf ein implizites, aber kommunikatives Wissen und dessen Verarbeitung in Selbstentwürfen und Auslegungen der eigenen Identität Subjektivierungseffekte entstehen können, die gleichfalls von handlungsleitender Relevanz sind (vgl. hierzu GEIMER 2012, 2013, 2014; GEIMER & AMLING 2016). [2]
Im Folgenden werden zunächst die grundlagentheoretischen und methodologischen Überlegungen, die mit unserer Studie verknüpft sind, erläutert (Abschnitt 2). Danach skizzieren wir den gegenstandsbezogenen Projektkontext und erläutern das Sampling und die Methoden der Erhebung und Auswertung (Abschnitt 3), bevor ausführlich die empirischen Analysen der normativen Erwartungen in der professionellen Politik und der Formen ihrer Bearbeitung dargestellt werden (Abschnitt 4). Es folgt ein Fazit, das insbesondere auf methodologische Fragen hinweist, deren Klärung weitere empirische Forschung voranzustellen wäre (Abschnitt 5). [3]
2. Ein rekonstruktiv-praxeologischer Zugang zur Analyse von Subjektivierungsprozessen
2.1 Die Analyse von Regimen des Selbst und ihrer Wirkmächtigkeit
Ähnlich den internationalen Beiträgen der Governmentality und Cultural Studies (z.B. DU GAY 1997; HALL 1997; ROSE 1992, 1996) hat Ulrich BRÖCKLING im deutschsprachigen Raum in einer diskurstheoretisch informierten Perspektive die Funktionsweise von "Regimen des Selbst" (2007, S.61) in den Blick genommen (siehe zusammenfassend auch BRÖCKLING 2012). Dabei wurden, ausgehend von Michel FOUCAULTs Konzept der "Gouvernementalität" (2006a [1994], 2006b [1994]) und anhand von zeitgenössischen Materialien (wie psychologischen Theorien, Managementprogrammen, Kommunikations- und Kooperationstechniken, populären Ratgebern usw.) die darin für die AkteurInnen bereitgestellten Formen und Techniken zur Selbstbeschreibung und Selbstführung untersucht. BRÖCKLING (2007) konstatiert, dass sich diese Formen und Techniken in der Figur eines "unternehmerischen Selbst" bündeln lassen. Das "unternehmerische Selbst" steht insofern für ein Ensemble von "vielfältigen (Selbst-) Steuerungsmechanismen, die das Selbstverständnis und Handeln der sozialen Akteure regulieren" (S.43; siehe auch BÜHRMANN 2004). Eine diskursive Subjektivierung, wie sie BRÖCKLING an diesem Beispiel herausgearbeitet hat, wird in diesen Analysen – im Anschluss an FOUCAULT – als ein Modus der Regulierung der Alltagspraxis gedacht, der gerade nicht auf Ge- und Verboten bestimmter Verhaltensweisen bzw. auf Formen der externen Kontrolle beruht. Vielmehr werden Subjekte in den diskursiven Anrufungen immer erst hervorgebracht, und die Kontrolle erfolgt durch so genannte techniques de soi [Techniken des Selbst] (FOUCAULT 1986 [1984], S.315). [4]
Wie GEIMER (2014) allerdings hervorhebt, konzentrieren sich die Arbeiten, die sich im Kontext der Gouvernementalitätsforschung bewegen, nahezu ausschließlich auf die Frage nach dem Diskurs der Subjektivierung und analysieren gerade nicht eine Wirkmächtigkeit der herausgearbeiteten diskursiven Anrufungen in der Alltagspraxis bzw. interessieren sich gerade nicht für die theoretische Fassung und empirische Beschreibung des Subjektivierungsprozesses.1) Mit Blick auf diese Leerstelle fordern auch Lisa PFAHL und Boris TRAUE (2012) eine Subjektivierungsanalyse, in der die konkrete "Erfahrung des Diskurses" (unsere Herv.) zu berücksichtigen sei, wodurch ggf. auch "widerständige Selbstdeutungen und Selbsttechniken" (S.444) in den Blick gerieten. Andrea BÜHRMANN und Werner SCHNEIDER (2007, 2008) führen zur empirischen Umsetzung einer solchen Analyse zwei unterschiedliche Konzepte ein, nämlich "einerseits Subjektformierungen und Subjektpositionierungen, andererseits Subjektivierungsweisen" (S.30) und markieren mit dieser Differenzierung den Unterschied zwischen der Identifikation von Subjektfiguren (Diskurs) und der Anwendung dieses Wissens auf sich selbst durch die AlltagsakteurInnen (Alltagspraxis). [5]
Selbst wenn sich nun allerdings der Fokus der empirischen Analyse auf die Subjektivierungsweisen richtet, stellt sich das Problem, dass davon ausgegangen wird, dass es Subjektfiguren im Sinne von "hegemonialen Anforderungsprofilen" (BRÖCKLING 2012, S.131) gibt (oder eben "Subjektideale" [KOPPETSCH 2006, S.677] bzw. "Identitätsnormen" [GOFFMAN 1967 [1963], S.132]), die als Teil eines weitgehend anonymen Aussagesystems verstanden werden können, mithin als Teil einer hegemonialen, normativen Wissensordnung oder eines Diskurses. Die Frage, ob und wie sich dieser Diskurs über die Rekonstruktion der Perspektive der AkteurInnen analysieren lässt, wird dabei allerdings nicht beantwortet, und hierbei handelt es sich nicht nur um ein theoretisch-konzeptionelles Problem (vgl. RECKWITZ 2008), sondern vielmehr um ein methodologisches. Es reicht also nicht aus, darauf hinzuweisen, dass die in diskursanalytisch informierten Ansätzen zentrale Unterstellung der Wirkmächtigkeit von Diskursen mit Blick auf die zahlreichen Einwände und theoretischen Überlegungen in einer Reihe von Arbeiten aus dem Bereich der qualitativen Sozialforschung relativiert werden muss, da es systematischer empirischer Analysen bedarf, um eine solche Wirkmächtigkeit zu belegen. Es muss auch bedacht werden, dass die Auseinandersetzung mit der Perspektive der AkteurInnen zu Ergebnissen führt, von denen nur über einige Umwege auf die Makro-Ebene sozialer Diskurse geschlossen werden kann. Für den vorliegenden Artikel kann vor dem Hintergrund dieser Überlegungen festgehalten werden, dass wir uns keineswegs der Analyse von Diskursen selbst widmen, sondern Praktiken des Selbst oder Techniken der Selbstführung in der professionellen Politik in den Blick nehmen, die sich als Verschränkung von Reflexionsprozessen mit habituellen Prozessen vor dem Hintergrund offenbar hochrelevanter, normativer Erwartungen darstellen, die in diesem Handlungsbereich präsent sind. Insofern lassen sich in unseren Analysen der Stellungnahmen und Selbstpräsentationen von PolitikerInnen Spuren von Diskursen finden, wie es Arnd-Michael NOHL ausgedrückt hat2), die mit impliziten Rahmungen des Alltagshandelns zusammentreffen. [6]
2.2 Das Programm einer dokumentarischen Subjektivierungsanalyse
Die dokumentarische Methode ist im Kontext einer rekonstruktiven Sozialforschung angesiedelt. Der Fokus empirischer Analysen, die mit der Methode arbeiten, liegt also darauf, die Perspektive oder genauer die "Relevanzsysteme" (BOHNSACK 2014a, S.22ff.) der Befragten zu rekonstruieren – es wird auch von "Orientierungsrahmen" (BOHNSACK 2014b, S.35) gesprochen. Die Methode legt diesen Rekonstruktionen die Annahme einer fundamentalen Differenz zwischen präreflexiven/impliziten und reflexiven/expliziten Wissensstrukturen zugrunde (vgl. z.B. BOHNSACK 2014a; NOHL 2012; PRZYBORSKI & WOHLRAB-SAHR 2009) und greift diesbezüglich auf Begriffe von Karl MANNHEIM (1980 [1922-25]) zurück: Es ist daher die Rede von einem "kommunikativ-generalisierten" und einem "konjunktiven Wissen".3) Bei dem Typ des kommunikativ-generalisierten Wissens handelt es sich um institutionalisierte, verallgemeinerte und stereotypisierte Wissensbestände. Wie BOHNSACK feststellt, betrifft ein solches Wissen "das Rollengefüge der Gesellschaft und ist zu einem Teil auch rechtlich kodifiziert" (2014a, S.166). Der Typ des kommunikativ-generalisierten Wissens umfasst im Einzelnen die "von den AkteurInnen als exterior erfahrenen Normen", das "gesellschaftliche Identifiziertwerden im Sinne der Fremdzuschreibung einer sozialen Identität" und die "theoretischen (Selbst-)Reflexionen (Common-Sense-Theorien)" der AkteurInnen (BOHNSACK 2014b, S.35). Das kommunikativ-generalisierte ermöglicht also zwar eine wechselseitige Verständigung, setzt jedoch die Herstellung von Intersubjektivität durch explizite Typisierung voraus. Demgegenüber ermöglicht konjunktives Wissen das "Einanderverstehen im Medium des Selbstverständlichen" (GURWITSCH 1976, S.148) und wird als präreflexiv oder atheoretisch gedacht. Während das kommunikativ-generalisierte Wissen zudem als vornehmlich begriffliches Wissen im gesellschaftlichen Kontext entsteht, wird das handlungspraktisch konjunktive Wissen über die Einbindung der AkteurInnen in "konjunktive Erfahrungsräume" (MANNHEIM 1980 [1922-25], S.276) generiert: Grundlage der Entstehung des konjunktiven Wissens sind Gemeinsamkeiten oder Strukturidentitäten der Sozialisations- und Lebensgeschichte, und es strukturiert nicht nur die Praktiken der AkteurInnen, es verbindet diese auch miteinander.4) [7]
Im Modell des "Orientierungsrahmens" (BOHNSACK 2014b), das den dokumentarischen Analysen wie angedeutet vorangestellt wird, finden sich nun beide Wissensebenen berücksichtigt. Der Fokus der Analysen liegt allerdings auf der Rekonstruktion der als primordial geltenden Sozialität, die sich im konjunktiven Wissen dokumentiert, denn, wie BOHNSACK festhält, das kommunikativ-generalisierte Wissen oder die "Orientierungsschemata [erhalten] ihre eigentliche Bedeutung erst durch die Rahmung, d.h. die Integration und 'Brechung' in und durch die fundamentale existentielle Dimension der Handlungspraxis [...], wie sie sich im modus operandi des Habitus oder eben Orientierungsrahmens vollzieht" (S.35). [8]
Gerade eine eingehendere Analyse des kommunikativ-generalisierten Wissens vor dem Hintergrund einer Diskussion um die Notwendigkeit einer kontextbezogenen Relativierung der etablierten Leitdifferenz scheint allerdings für die Möglichkeit einer Analyse der Bezugnahme der AkteurInnen auf gesellschaftliche Normsysteme von zentraler Relevanz. Überlegungen hierzu finden sich u.E. vor allem in drei aktuellen Kontexten5): Erstens findet sich ein interessanter Impuls, der die genannte Leitdifferenz zu relativieren erlaubt, ohne sie ganz aufzugeben, in einigen empirischen Arbeiten aus dem Kontext der dokumentarischen Bildanalyse. Hier wird deutlich, dass kommunikativ-generalisiertes Wissen durchaus auch implizite Anteile haben kann. Genauer geht es um Imperative der Selbstregulierung, die in der Bildanalyse einer Burberry-Werbung6) bei Ralf BOHNSACK und Aglaja PRZYBORSKI (2015) sichtbar werden. In diesen Analysen wird weder der "Habitus" (vgl. das Konzept des Orientierungsrahmens im engeren Sinne bei BOHNSACK 2014b, S.37) als implizites und handlungsleitendes Wissen rekonstruiert, noch die "Common Sense-Theorien über die Handlungspraxis" (a.a.O.) der BildproduzentInnen als explizites und von der Handlungspraxis abgelöstes Wissen, sondern ein "propagierter Lifestyle" (BOHNSACK & PRZYBORSKI 2015, S.352). BOHNSACK und PRZYBORSKI konstatieren, dass dieser Lifestyle "Entwürfe virtualer sozialer Identität im Sinne von Erving Goffman" beinhalte, die mit einem "gesellschaftlichen Identifiziertwerden" verbunden seien, d.h. mit Fremdidentifizierungen, in denen "Identitätsnormen" impliziert sind (a.a.O.). Der rekonstruierte "Lifestyle" stellt also ohne Zweifel ein institutionalisiertes und stereotypisiertes, mithin ein kommunikativ-generalisiertes Wissen dar, er hat aber zugleich Appellcharakter und regt die AkteurInnen an, an die implizierte normative Erwartung gemäß ihrer habituellen Dispositionen anzuschließen.7) Durchaus im Anschluss an diese empirischen Arbeiten arbeitet zweitens Arnd-Michael NOHL (2016) die Analyse von gesellschaftlichen Diskursen mithilfe der dokumentarischen Methode aus und argumentiert insbesondere dafür, dass das kommunikativ-generalisierte Wissen immer auch als ein implizites gedacht werden muss/kann. NOHL fokussiert hier genauer die Analyse des "modus operandi der öffentlichen Bearbeitung eines Themas" (S.131) bzw. die Analyse von "Denkstilen" (S.122). Es handelt sich somit zwar um eine Weiterentwicklung, durch die die dokumentarische Methode auf andere Ebenen des Sozialen angewendet werden kann. Würde dieser Zugang allerdings auf die Analyse von Subjektivierungsprozessen übertragen, so ginge es gerade nicht mehr um Subjektivierungsweisen oder die Techniken des Selbst, sondern um die Analyse von "Subjektformierungen und Subjektpositionierungen" (BÜHRMANN & SCHNEIDER 2007, §30) bzw. um eine Analyse der (impliziten) Logik, nach denen diese in einem bestimmten Denkstil artikuliert werden. Die oben erläuterte Schwierigkeit jedoch, von der Analyse dieser Positionen bzw. von Diskursen im Allgemeinen auf ihre Wirkmächtigkeit (in der Alltagspraxis) zu schließen, bliebe bestehen. In einem dritten aktuellen Ansatz wird hingegen an die Perspektive der AkteurInnen angeschlossen, die Leitdifferenz zwischen den zwei Wissensebenen aber zugunsten einer in der empirischen Analyse z.T. schwer zu fassenden Figur im Grunde aufgegeben: So formulieren JANSEN, VON SCHLIPPE und VOGD (2015) die Idee einer "Polykontextur-Analyse" (vgl. auch JANSEN & VOGD 2013), in der sie im Anschluss an die Idee einer mehrwertigen Logik Gotthard GÜNTHERs8) die Wirksamkeit der "Kopräsenz unterschiedlicher logischer Räume" (JANSEN et al. 2015, §23) annehmen. Es bleibt allerdings die Frage, ob hier das explizite Wissen tatsächlich handlungsleitend wird9) und in welcher Relation es dann zum Modus Operandi steht bzw. ob die praxeologische Grundannahme der Primordialität des inkorporierten impliziten Wissens vollkommen aufgegeben wird. [9]
Ausgehend von diesen Überlegungen lässt sich das Programm einer dokumentarischen Subjektivierungsanalyse genauer konturieren. Gegenstandsbezogen geht es zunächst darum, in einer komparativen Analyse mehrerer Fälle die normativen Erwartungen zu rekonstruieren, die sich für ausgewählte, gesellschaftliche Handlungsbereiche (exemplarisch in unserem Projekt: der Bereich der professionellen Politik) als besonders wirksam erweisen. Dabei steht die Analyse der Form/en der Bezugnahme auf diese Erwartungen durch die infrage stehenden AkteurInnen im Fokus. Methodologisch gesehen sind diese Analysen dann in zweifacher Weise aufschlussreich: erstens mit Blick auf die Frage, auf welcher Wissensebene die Bezugnahmen greifen, ob sie also (nur) auf einer Seite der Leitdifferenz der dokumentarischen Methode ansetzen oder ggf. jenseits dieser Dichotomie von kommunikativ-generalisiertem und konjunktivem Wissen und der damit verbundenen Parallelisierung von explizit/nicht handlungsleitend und implizit/handlungsleitend angesiedelt sind.10) Und zweitens hinsichtlich der Frage, ob nicht nur je milieuspezifische Formen der Bezugnahme auf Normen in den Blick genommen werden müssen, sondern ob die gemäß der Selbstthematisierung erfolgende Relationierung von unterschiedlichen Wissensbeständen auch als "modus operandi des Verhältnisses zu sich selbst" (GEIMER 2013, S.107) verstanden werden kann, der eine eigene Wirksamkeit entfaltet. [10]
3. Projektkontext: Untersuchungsdesign und Datenbasis
Um die aufgeworfenen Fragen zu beantworten, wurden in dem Projekt "Aporien der Subjektivierung" KünstlerInnen und PolitikerInnen in Berlin und Hamburg befragt – die folgenden Ausführungen konzentrieren sich allerdings mit Blick auf den Stand der bisherigen Auswertungen und den Fokus des Artikels (die Darstellung der Möglichkeiten einer dokumentarischen Subjektivierungsanalyse) ausschließlich und exemplarisch auf die Erhebungen und Auswertungen im Bereich der Politik. [11]
Die Fokussierung auf den Handlungsbereich der professionellen Politik basierte auf der Annahme, dass sich insbesondere hier zwar berufsbezogene, aber tendenziell totalisierende Identitätsnormen11) finden, die an die in diesem Bereich handelnden AkteurInnen herangetragen werden und mit denen diese sich auseinandersetzen müssen (vgl. hierzu die Arbeiten von LAUX & SCHÜTZ 1996; SARCINELLI 2004; WENTZ 2005). Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang Authentizitätsnormen, die den Anspruch, sich treu zu bleiben, mit sich führen. Die Politik kann in dieser Hinsicht als "Wahlstimmenmarkt" (WEBER 2012 [1919], S.39) gelten, der mittels der Währung "Authentizität" funktioniert, sowie als Bühne, auf der um die Authentizität von Darstellungen mehr oder weniger explizit gerungen wird. Empirische Studien zu Identitäts- und Authentizitätsnormen in der Politik und zu Varianten ihrer Wahrnehmung und Realisierung liegen jedoch nicht vor. [12]
Die Auswahl der zu befragenden PolitikerInnen folgte der Strategie der Suche nach starken Kontrasten (vgl. GLASER & STRAUSS 1967; NOHL 2013a, S.37ff.). Die Gemeinsamkeit bestand darin, dass alle Befragten Mitglieder des Deutschen Bundestages (MdB) sind, und auch bezüglich der Kontaktaufnahme in Hamburg und Berlin wurde angenommen, dass der Wohn- und Arbeitsort in einer der beiden größten Metropolen Deutschlands keinen relevanten Einfluss auf die Wahrnehmung von und den Umgang mit identitätsbezogenen Normen hat (hier spielten zudem forschungspragmatische Erwägungen eine Rolle). In Bezug auf die Kontraste wurden zum einen Abgeordnete rekrutiert, die Parteien angehören, die sich in mehreren Hinsichten unterscheiden (etwa hinsichtlich der Zahl ihrer Mitglieder und Sitze im Bundestag, ihrer inneren Organisation, ihrer Wahlerfolge, ihres Vertretungsanspruch etc.; vgl. hierzu JANDURA 2007; OLZOG & LIESE 1999).12) Zum anderen wurden in diesen Parteien jeweils AkteurInnen in einer frühen Karrierephase und etablierte PolitikerInnen adressiert, denn nicht zuletzt mit Blick auf die Expertiseforschung (etwa GRUBER 1999) ist anzunehmen, dass die unterschiedliche Dauer der Auseinandersetzung mit beruflichen Anforderungen und damit verbundenen normativen Erwartungen zu unterschiedlichen Formen des Umgangs mit diesen Anforderungen und Erwartungen führt.13) [13]
Als Erhebungsverfahren kamen narrativ fundierte Interviews (NOHL 2012) und Gruppendiskussionen (BOHNSACK, PRZYBORSKI & SCHÄFFER 2010) zur Anwendung. Gruppendiskussionen haben sich in verschiedenen Kontexten als geeignet erwiesen, kollektiv geteilte und implizite Wissensbestände der AkteurInnen zu rekonstruieren (vgl. auch BOHNSACK 1989, 2007; LOOS & SCHÄFFER 2001; PRZYBORSKI 2004). In unserem Projekt dienten sie allerdings vor allem der Rekonstruktion des kommunikativ-generalisierten Wissens der Befragten, also des Common-Sense-Wissens, und hier insbesondere der Rekonstruktion der berufsbezogenen Normen oder normativen Erwartungen, die die Befragten an sich richten oder gerichtet sehen. Die Diskussionen waren daher thematisch vorrangig auf die Karriere, den professionellen Alltag und das (berufliche) Selbstverständnis der Befragten ausgerichtet. Narrative Interviews hingegen wurden und werden im Rahmen dokumentarischer Analysen insbesondere dazu eingesetzt, nicht nur Perspektiven und Orientierungen, sondern auch die Erfahrungen der Befragten im Detail einzufangen, und hier insbesondere jene Erfahrungen, die zur Entstehung von Perspektiven und Orientierungen geführt haben (vgl. etwa NOHL 2006; SCHONDELMAYER 2010; VON ROSENBERG 2011). In unserem Projekt zielte die Analyse der Interviews daher auf die detaillierte Rekonstruktion der Aneignung und Aushandlung der normativen Erwartungen, denen sich PolitikerInnen gegenüber sehen, vor dem Hintergrund (berufs-) biografischer und milieuspezifischer Rahmungen.
Name |
Partei |
Mandatsträger seit |
Mitglied des Bundestags (MdB) seit |
Alter |
Theo Richter |
Großpartei14) |
2001 – 15 Jahren |
2012 – 4 Jahren |
ca. 50 Jahre |
Pit Franke |
Großpartei |
2013 – 3 Jahren |
2013 – 3 Jahren |
ca. 60 Jahre |
Betty Azizi |
Kleinpartei |
1998 – 18 Jahren |
1998 – 18 Jahren |
ca. 45 Jahre |
Frank Lopau |
Kleinpartei |
2007 – 9 Jahren |
2011 – 5 Jahren |
ca. 35 Jahre |
Tabelle 1: Übersicht über die Befragten [14]
Es wurden bisher insgesamt 10 Gruppendiskussionen und 25 Interviews geführt, von denen wir bisher drei Gruppendiskussionen bzw. sechs Interviews detailliert mittels der Dokumentarischen Methode ausgewertet haben (BOHNSACK 2014a). Da die Analysen im Rahmen des Projekts noch nicht abgeschlossen sind, werden wir, um die Möglichkeiten und Schwierigkeiten einer dokumentarischen Subjektivierungsanalyse auszuloten und zu diskutieren, nur auf vier Interviews im Detail eingehen (siehe Tabelle 1) und daher auch die Erhebung und Auswertung der Gruppendiskussionen nicht im Einzelnen erläutern – diese werden im vorliegenden Artikel nicht zur Veranschaulichung herangezogen. Die Auswahl der vier Fälle begründet sich zunächst über die Kontraste, die der Suchstrategie zugrunde lagen, dann aber auch mit Blick auf die Vielfalt der vorliegenden Textsorten (siehe dazu auch die folgenden Ausführungen). [15]
Die Interviews können als narrativ fundiert (vgl. auch NOHL 2012, S.13ff.) bezeichnet werden, insofern sie eine Mischung aus biografischen, Experten- und leitfadengestützten Interviews darstellen. Generell zeichnen sich die Interviews dadurch aus, dass sie dem Prinzip der Offenheit der Kommunikation (vgl. HOFFMANN-RIEM 1980) dadurch Rechnung tragen, dass wir keinerlei Vorgaben für die Antworten der befragten Personen machten. Die Interviews waren in verschiedene thematische Abschnitte gegliedert (Biografie, zunächst allgemein, dann berufliche Karriere/n; Berufsalltag; professionelles Selbstverständnis). Indem die beiden ersten Abschnitte mit einem allgemeinen Erzählstimulus eingeleitet wurden, der auf die Erfahrungen der Befragten abzielte, wurde den PolitikerInnen die Gelegenheit gegeben, ihre eigenen Schwerpunkte in Bezug auf den (beruflichen) Werdegang und den Arbeitsalltag zu setzen. Im ersten Abschnitt wurde zudem nicht unmittelbar auf die politische oder berufliche Karriere fokussiert, sondern auf die Biographie insgesamt.15) Im zweiten Abschnitt hingegen wurden die PolitikerInnen auch als ExpertInnen für ihr eigenes Handlungsfeld (MEUSER & NAGEL 2005) adressiert, insofern es um ihre Erfahrungen im Arbeitsalltag als PolitikerIn ging.16) Um in den empirischen Analysen der Auseinandersetzung mit den (berufsbezogenen) Normen des Subjektseins, also mit der Art und Weise, wie die normativen Anforderungen erfahren und dann auch bearbeitet oder bewältigt werden, einen größeren Raum einräumen zu können, wurden in der Erhebung in jedem dieser Abschnitte nach einer offenen, narrativen Phase und einer zweiten Phase der immanenten Nachfragen auch Selbst-Positionierungen bzw. Argumentationen erfragt. Im letzten Abschnitt spielte zudem dieser Aspekt, also die Selbst-Positionierungen, Einschätzungen und Argumentationen der Befragten, eine zentrale Rolle17); insofern lässt sich davon sprechen, dass der letzte Abschnitt stärker den Charakter eines leitfadengestützten oder problemzentrierten Interviews (vgl. auch WITZEL 1982, S.90ff.) hatte, insofern die Themen, zu denen Positionierungen und Erfahrungen berichtet werden sollten, auch von den InterviewerInnen vorgegeben wurden, sich die Nachfragen nach Positionierungen also nicht nur an den Interviewten selbst aufgebrachten Themen und Aspekten orientierte. Allerdings war hier auffällig, dass wir mit den von uns vorab festgelegten, exmanenten Fragen in nahezu allen Fällen so auf im Verlauf des Interviews bereits von den Befragten angesprochene Aspekte ihrer beruflichen Praxis oder ihres Werdegangs Bezug nehmen konnten, dass die Fragen gleichsam als immanente gelten konnten. Auch im letzten Interviewabschnitt wurde zudem darauf geachtet, die Erfahrungen der Befragten einzufangen und also nicht nur Argumentationen, sondern auch Beschreibungen und Erzählungen eigener Handlungspraxis zu generieren. [16]
Die Erhebung und Auswertung der Interviews folgt zwei wesentlichen Prinzipien: Der Unterscheidung verschiedener Textsorten (im Wesentlichen nach SCHÜTZE 1987) und dem Prinzip der komparativen Sequenzanalyse (vgl. NOHL 2013a, S.16ff. und 2013b; BOHNSACK 2013). Die Unterscheidung der Textsorten diente zum einen dazu, die Passagen zu identifizieren, in denen Erzählungen und Beschreibungen eigener Handlungspraxis vorkommen. Diese gelten in der dokumentarischen Methode als primäre Grundlage der Rekonstruktion von impliziten und handlungsleitenden Wissensbeständen. Über sie erschließt sich mit anderen Worten ein Zugang zum konjunktiven Wissen der AkteurInnen (vgl. NOHL 2012, S.20ff.). Da unser Vorhaben aber auch auf die Analyse der Selbstpositionierungen und des Common-Sense-Wissens der Befragten abzielte, also auf das kommunikativ-generalisierte Wissen, rückten auch Passagen, in denen Argumentationen, Selbstpositionierungen, Selbstentwürfe usw. dominierten, in den Fokus der Analyse. Diese wurden mit Blick auf die sich darin äußernden normativen Erwartungen, Fremdidentifizierungen usw. analysiert, und dann in Relation zu jenen Passagen gesetzt, in denen Erzählungen oder Beschreibungen eigener Handlungspraxis vorlagen. Das Prinzip der Sequenzanalyse ermöglichte es, die Kontextuierung der Begriffe durch die Befragten herauszuarbeiten und damit deren Indexikalität aufzulösen. Komparativ war diese Analyse in mehrfacher Weise angelegt: Erstens wurden innerhalb eines Falles nach Homologien in Bezug auf das konjunktive Wissen gesucht, das sich, so die zentrale Annahme der dokumentarischen Methode, in mehreren Passagen mit Erzählungen und Beschreibungen in gleichartiger Weise dokumentiert. Zweitens wurden die Relationen zwischen diesen konjunktiven und den kommunikativ-generalisierten Wissensbeständen der Befragten rekonstruiert, wobei wir letztere anhand der argumentativen Textteile herausgearbeitet haben – hier wurde also eine komparative Analyse vorgenommen, die Passagen, in denen unterschiedliche Textsorten dominieren, in den Fokus rückt. Drittens wurde der Vergleich der konjunktiven und kommunikativ-generalisierten Wissensbestände und ihrer Relationierung in einem Fall zu den Formen eines anderen Falls bzw. mehrerer, anderer Fälle in den Blick genommen. (Schließlich wird viertens der Vergleich von bereichsspezifischen Fallgruppen im Fokus stehen, hier aus den Bereichen der Politik und der Kunst.) [17]
Ziel der Analysen war bzw. ist dann die Identifizierung und Typisierung fallübergreifender Aspekte in Bezug auf 1. die von den AkteurInnen wahrgenommenen normativen Erwartungen, 2. die Form/en ihres Umgangs mit diesen Erwartungen, aber auch 3. die die eigene berufliche Handlungspraxis strukturierenden impliziten Wissensbestände, die von den Erwartungen auch relativ oder weitgehend unabhängig sein können. Es geht dabei nicht um die Erschließung des Einzelfalls in seiner Totalität (vgl. BOHNSACK 2010), sondern um eine Typisierung konjunktiver Wissensbestände auf der einen und der Relation zwischen konjunktiven und kommunikativ-generalisierten Wissensbeständen auf der anderen Seite (zur Typenbildung in der dokumentarischen Methode vgl. BOHNSACK 2013; NOHL 2013a). Auch weil es eben nicht um die Rekonstruktion individueller Biographien bzw. individueller Habitus ging, wurden die von den Befragten verwendeten Eigennamen (Orte, Personen usw.) im Zuge der Interpretation ebenso durch andere Namen ersetzt wie die Namen der Befragten selbst. Nur wenn Personen des öffentlichen Lebens erwähnt wurden, die gerade durch ihre Bekanntheit für die Interpretation von Bedeutung sind, wurden die Namen beibehalten. [18]
4. Konjunktion und Authentizität in der Politik – Empirische Befunde
4.1 Konjunktion durch Authentizität als primäre normative Erwartung an PolitikerInnen
Die bisherigen Analysen führten zunächst zur Rekonstruktion der normativen Erwartungen, die an die AkteurInnen im institutionalisierten Handlungsbereich der professionellen Politik herangetragen werden. Es ist dabei auffällig, dass nahezu alle Befragten von sich aus auf zwei Aspekte zu sprechen kamen: die Bedeutung der Herstellung einer Verbindung zu den BürgerInnen und die damit verknüpfte Bezugnahme auf die Kategorie der Authentizität. Die Analysen weisen zudem darauf hin, dass diese Erwartungen von den Interviewten in auffällig gleichartiger Weise erfahren werden. Es scheint sich also um Erwartungen zu handeln, von denen PolitikerInnen glauben, sich damit auseinandersetzen müssen. So berichtet der Abgeordnete Theo Richter18) im Kontext einer Erzählung über seinen beruflichen Werdegang Folgendes:
"Ähm das war ich in der Form (.) ich sage was das Thema Wahlkampf et cetera angeht natürlich nicht gewohnt, ich habe mich in der Stadt wohl gefühlt, (glauber) ähm das ha- war letztendlich auch äh für meinen Wahlerfolg mitentscheidend, äh ne gewisse Authenzität bei allem zu haben, //°Hmm.°// mich dann auch wieder in dem Ort also in meinem neuen Wohnort in den Vereinn zu engagieren, an der Stelle, ähm (.) aber auch ähm direkt dort hinzuziehen, also zu zeigen ich stehe hier auch zu diesem Ort und egal (.) wie mein berei- weiterer beruflicher Weg ist, ich bin jetzt Pattenburger und möchte Pattenburger werden (Interview Richter, Passage 2, Zeilen 6-10)."19) [19]
Theo Richter beschreibt hier seinen Wahlkampf als Oberbürgermeister in einer kleinen Stadt im Osten Nordrheinwestfalens. Bei dem Versuch, seinen Erfolg zu erklären, verweist er unter anderem darauf, es sei "mitentscheidend"20) gewesen, "ne gewisse Authenzität bei allem zu haben". In seinen weiteren Beschreibungen wird deutlich, dass Herr Richter sich hier in erster Linie der Erwartung der Herstellung einer Verbindung zu den Wählerinnen und Wählern gegenüber sieht, die nicht nur auf einer kommunikativ-rationalen Ebene verläuft, denn Herr Richter stellt mehrfach heraus, wie er vor Ort Präsenz zeigt: Er habe sich in seinem neuen Wohnort "in den Vereinn zu engagieren" versucht und, wie er mehrfach konstatiert, entschieden, auch "direkt dort hinzuziehen", wo er sich als Kandidat aufgestellt hatte, auch um zu zeigen, dass er zu dem Ort "steht". Diese Entscheidung sei zudem unabhängig von seinem weiteren Erfolg als Politiker ("egal (.) wie mein berei- weiterer beruflicher Weg ist"). [20]
Das Pattenburger-Sein ist allerdings durch den Umzug, das Engagement in Vereinen und die Ankündigung, eine langfristige und vom Erfolg in der Politik entkoppelte Verpflichtung gegenüber dem Ort eingehen zu wollen, nicht einfach zu bewerkstelligen, sondern komplexere Prozesse des Pattenburger-Werdens scheinen dadurch erst ermöglicht zu werden. Auffällig ist dabei, dass das Konzept der "Authenzität" für Herrn Richter eine Art Lösung beinhaltet: Obwohl er noch kein Pattenburger ist, die Verbindung zu den BürgerInnen also noch nicht in der Weise etabliert ist, wie es wünschenswert wäre, deutet sich an, dass der Bezug darauf, "ne gewisse Authenzität bei allem zu haben", ihm diese Perspektive eröffnet, also auch die Perspektive einst wirklich ein (vollständig anerkannter) Pattenburger zu werden. Mit anderen Worten: Um der Erwartung der Etablierung einer Verbindung mit den BürgerInnen wie oben skizziert zu entsprechen, muss Herr Richter für Authentizität sorgen, und das heißt dafür, dass das beruflich-professionelle Verhalten mit dem als übereinstimmend wahrgenommen wird, wie Herr Richter sich als Person sieht und von den BürgerInnen gesehen wird. An anderer Stelle spricht er zudem davon, er habe "nur eine Leitlinie die heißt Authenzität" (Interview Richter, Passage 8, Zeile 4). Im Kontext der entsprechenden Passage wird deutlich, dass es ihm dabei um den Anspruch geht, sich so, wie er ist, der Wahrnehmung anderer auszuliefern, und nicht zu versuchen, diese so zu steuern, dass er ein falsches Bild von sich abgäbe (und zwar auch, weil er, würde er sich "verbiegen", mit sich selbst nicht "klarkommen" könnte, wie er es in derselben Passage ausdrückt). [21]
Auffällig ist nun, dass nicht nur dieses Verständnis von Authentizität auch in anderen Interviews sichtbar wird, sondern auch dessen Relevanz für die Entsprechung mit der Erwartung, eine Verbindung zu den WählerInnen herzustellen. Das lässt sich etwa anhand einer Passage herausarbeiten, die entsteht, nachdem ein anderer Abgeordneter, Herr Pit Franke, gefragt wurde, ob es Parallelen zwischen von ihm angeführten Vorbildern und seinem Leben gebe:
"Interviewer: Also würden Sie sagen dass (.) es Parallelen zwischen dem Leben dieser Menschen (.) oder z- vielleicht eher zwischen dem wie Sie es tun wie Sie das tun was Sie machen (.) und ihrem
Franke: Sie können nur (.)
Interviewer: eigenen Leben,
Franke: Ja. Sie können nur, (.) überzeugen wenn sie authentisch sind. (3)
Interviewer: Hmm. Was (.) °was heißt das?°
Franke: Also wenn die Leute: ihnen glauben; (2) was (.) sie sagen. (.) Authentisch (.) sie selber (.) die Meinung sind sie si- @(.)@ @sie sind die Meinung@ die Leute sagen (.) kauf ich ihm ab, (.) //Hmm.// versteh ich. (.)" (Interview Franke, Passage 8, Zeilen 1-9). [22]
Auch Herr Franke bezieht sich an dieser Stelle auf Authentizität als Norm und Bedingung der Möglichkeit, als Politiker zu wirken, und zwar indem er als er selbst wirke, sich also als Person in die Politik einbringe. Auch hier geht es zudem darum, dass er eine Verbindung zu den "Leuten" zu etablieren anstrebt: Diese sollen ihm "glauben", und das geht in seiner Perspektive nur, wenn er "authentisch" seine Meinung "ist", also diese möglichst vollkommen verkörpert. Nur dann "kauf[en]" die Leute ihm bzw. den PolitikerInnen ihre Meinungen auch ab, was Herr Franke auch als Verstehensprozess konkretisiert. Damit rückt das "Verkaufen" auch in einen metaphorischen Zusammenhang und wird auf die Ermöglichung von Verstehen bzw. Überzeugen als positiven Horizont der Selbstverortung bezogen und nicht etwa auf eine Logik der Vermarktung als negativen Gegenhorizont. Auch bei Herrn Franke geht es also um die Etablierung (und Aufrechterhaltung) einer Beziehung zu den WählerInnen, die nicht nur auf rationaler Kommunikation beruht oder auf "überzeugen", sondern darauf, die WählerInnen etwas "glauben" zu machen. [23]
Deutlich wird anhand dieser (und vieler nicht aufgeführter) Äußerungen ganz unterschiedlicher PolitikerInnen zunächst, dass diese einerseits in überraschend gleichartiger Weise die Erwartung an sich gerichtet sehen, eine Form der Beziehung zu den WählerInnen zu etablieren und aufrechtzuerhalten, die gerade nicht nur rationalen und kommunikativen Charakter hat. Im Anschluss an die im vorangehenden Abschnitt entwickelten Begriffe Karl MANNHEIMs ließe sich auch von der Erwartung einer Konjunktion mit den BürgerInnen sprechen, der die PolitikerInnen sich hier gegenüber sehen.21) Damit ist andererseits verbunden, dass nahezu alle PolitikerInnen sich in diesem Zusammenhang mit der Norm des Authentischen auseinandersetzen. Diese Norm beinhaltet, darauf weist die Sequenzanalyse der entsprechenden Passagen hin, für die PolitikerInnen die Erwartung, eine gewisse Stabilität eigener Haltungen und Verhaltensweisen zu gewährleisten, und zwar insbesondere durch die Herstellung eines widerspruchsfreien Verhältnisses oder einer Passung zwischen beruflichen Anforderungen (Rolle/Funktion) und privater Lebensführung (Person).22) [24]
Mit der Rekonstruktion der normativen Erwartung der Konjunktion (mit den BürgerInnen) durch Authentizität (der PolitikerInnen) ist nun allerdings noch nicht die Frage adressiert, inwiefern diese für die AkteurInnen handlungsleitende Kraft gewinnt. So ließe sich etwa behaupten, dass es sich gerade bei den aufgeführten Verweisen auf Authentizität um Rationalisierungen der PolitikerInnen handelt, die als "Schutzwand sekundärer Legitimationen" (SCHÜTZE 1983, S.286) zu verstehen sind (womit SCHÜTZE Eigentheorien der Beforschten weitgehend aus der empirischen Analyse ausklammerte). Ein Zusammenhang zu den handlungsleitenden Wissensbeständen, die die (berufliche) Praxis der PolitikerInnen strukturieren, wäre damit grundsätzlich infrage gestellt. Das vorliegende Interviewmaterial legt allerdings nahe, dass die Bezugnahmen der PolitikerInnen auf die genannte Erwartung gerade nicht nur den Charakter einer reflexiven oder strategischen Inszenierung hat (und zwar auch in Fällen, in denen Authentizität als Lösung zurückgewiesen wird, siehe auch Abschnitt 4.2). Wir nutzen zur Kennzeichnung dieser, über die bisher analysierten Fälle hinweg gleichartigen Form der Bezugnahme den Begriff der Selbstidealisierung, und hierüber geraten komplexe Relationen zwischen verschiedenen Wissensebenen und -beständen in den Blick. [25]
4.2 Formen des Umgangs mit normativen Erwartungen – Techniken des Selbst in der Politik
Es geht im Folgenden also um die Frage, wie die befragten PolitikerInnen mit der Erwartung der Konjunktion mit den BürgerInnen durch Authentizität umgehen und das heißt auch darum, herauszuarbeiten, in welcher Relation insbesondere die Norm der Authentizität mit (auf unterschiedliche Aspekte der alltäglichen Praxis bezogenen) Formen konjunktiver Wissensbestände steht oder gebracht wird, die die (berufliche) Handlungspraxis der Befragten strukturieren. Um dies zu verdeutlichen, greifen wir zunächst auf die drei bereits diskutierten Fälle zurück, die sich durch eine Auseinandersetzung mit der Norm auszeichnen, und ergänzen dann einen weiteren Fall, in dem sich eine solche Auseinandersetzung nicht findet, anhand dessen sich aber dennoch eine Entsprechung mit der Norm rekonstruieren lässt. [26]
So spricht Pit Franke, der als "Spätberufener" erst nach einer erfolgreichen Karriere als Wissenschaftsunternehmer Politiker wurde, von seinen ersten (und zu Beginn der Passage als negativ markierten) Erfahrungen in der Politik:
"Also sich selbst als ein Produkt zu haben logischerweise deswegen weil der Gegenüber wissen will (.) wen entsende ich denn da als mein=n Volksvertreter (.) das heißt es geht ja weniger darum hier das es bei mir ne witzige Besonderheit, (.) dass ich halt (.) in Phase meiner Profession eingesetzt werde, (.) ähm aber eigentlich is=es=so man sendet einen (.) aus dem Wahlkreis aus dem (.) Volk heraus als Volksvertreter, (.) dem man vertraut; also insofern steht die Person (.) stärker als die Sache (.) im Vordergrund, (.) daran musst ich mich °auch erstmal gewöhnen;° (.) weil ein Wissenschaftler der steht für seine Theorie für sein Modell für seine: Ergebnisse, (.) und nicht äh=äh für seine Person; (.) //Hmm.// so. (.)" (Interview Franke, Passage 2, Zeilen 7-15). [27]
Herr Franke sieht sich in seiner Zeit als Politiker, die er mehrfach mit seinen Erfahrungen als Wissenschaftler/Wissenschaftsunternehmer kontrastiert, der Erwartung ausgesetzt, sich nicht nur als Person in die Politik einzubringen, sondern "sich selbst als ein Produkt zu haben".23) Das heißt, er ist nicht nur eine Person, die für etwas steht, sondern er sieht sich als jemanden, der für eine Person steht, die für etwas steht. Der "Volksvertreter", von dem andere wissen wollen, wer das ist, ist in dieser Logik also immer auch ein Selbstvertreter – eben deshalb steht Herr Franke nicht mehr für ein Produkt, sondern hat "sich selbst als ein Produkt zu haben". Von Herrn Franke wird diese Erwartung nun nicht zurückgewiesen, sondern vielmehr als Ausdruck des legitimen Interesses des "Gegenübers" bzw. der BürgerInnen markiert: Diese wollten "logischerweise" wissen, "wen entsende ich denn da als mein=n Volksvertreter". Die Übereinstimmung von Person und Funktion/Amt scheint für ihn hier Grundlage der Möglichkeit für die Etablierung eines "Vertrauens" der BürgerInnen in ihn zu sein (mithin Grundlage für die Konjunktion), denn dieses Vertrauen beruht in seiner Perspektive gerade nicht auf seiner fachlichen Eignung oder expliziten Expertise: Es sei vielmehr nur eine "witzige Besonderheit", dass er als Politiker für Bereiche verantwortlich ist (etwa für Wissenschaft und Bildung oder für Gesundheit), in denen er sich aufgrund seiner Berufserfahrung auskennt (dass er also "in Phase meiner Profession" eingesetzt werde). [28]
Herr Franke kommt der an ihn gerichteten Erwartung nun nicht nur dadurch nach, dass er sich daran "gewöhnt", den BürgerInnen von sich bzw. von seiner Person zu erzählen, sondern auch dadurch, dass bereits eine weitgehende Passung zwischen den (impliziten) beruflich-professionellen Orientierungen und den Orientierungen im Bereich privater Lebensführung besteht, auf der diese Erzählungen aufruhen. Hier geht es also um die Relation zwischen sich dokumentierenden, konjunktiven Wissensbeständen, welche die berufliche Handlungspraxis von Herrn Franke strukturieren, und seinem professionellen Selbstverständnis oder seinen Selbstpositionierungen, mithin den kommunikativ-generalisierten Wissensbeständen, die sich anhand der argumentativen Passagen herausarbeiten lassen. Diese Passung lässt sich an einer weiteren Passage aufzeigen, in der Herr Franke sein Verständnis der Schuldenkrise in Zypern erläutert. Es geht dabei darum, dass einige seiner PolitikerkollegInnen sich darüber empörten, dass die ZyprerInnen "undankbar" seien. Herr Franke bringt, um das Verhalten der ZyprerInnen zu erklären, das Beispiel einer Schuldenkrise seines Sohnes und erläutert im folgenden Abschnitt, wie diese von ihm (und seiner Frau) gelöst worden sei:
"Dann ham wir uns zusammengesetzt. (3) Und dann ham wir entschieden, (.) von seinem Sparkonto, (.) nehmen wa mal: dreißich Euro runter, (.) und damit sind=s nur noch dreißich Euro Schulden; (.) an sein Sparkonto durft er sonst nicht ran so; (.) //Hmm.// dreißich Euro weg; (.) so. (.) Und die dreißich Euro da ham wa dann ne Rückzahlungsplan gemacht, (.) bis Weihnachten, (.) musst ma halt n Taschengeld bisschen reduzieren und n Geburtstag halt von dem Geld was er von Oma kricht dann so=und=so viel gibt und=so=weiter=und=so=fort. (.) Ham wa gemacht (.) (°is=er=gegangen°) (.) (°ich=sach=gut.°) (.) °So°. (.) Dann is er Treppe hochgegangen hat er gesacht da äh=frag=ich=mal=hab ich die Leute im Publikum gefragt sag und was glauben sie als er die Treppe alle- erst bis dahin ja da steh ich vor meinem Enkel //Hmm.// das kenn ich von meinem Sohn haha: hab ich auch gehabt; (.) und jetzt mh-mh, (.) so:.(.) und=was=glauben=sie als=er=die=Treppe=hochgegangen= ist=in=sein=Kinderzimmer=hat=er=gesacht oh mein Vater ist ein weiser Mann hat mir gerade wirklich beigebracht wie man mit Schulden umgeht und dergleichen mehr=glauben=sie=dass=er=das=gesagt= hat, (.) nö. (.) Na was meinen sie was er gemacht hat als er nach oben gegangen is; (.) gemotzt (.) ich sach natürlich=hat er gesacht Scheiße (.) @blöd@ (.) @Kacke@ (.) @Kohle is weg@ (.) und so weiter und so fort aber als er dann Weihnachten wieder schuldenfrei war; und sich wieder bewegen konnte (.) und keiner sich mehr bei ihm reingeredet hat=so weiter =war natürlich glücklich und zufrieden" (Interview Franke, Passage 5, Zeilen 18-36). [29]
In der Passage dokumentiert sich erstens, dass Herr Franke sich implizit an der Annahme orientiert, dass es für die beschriebene Schuldenkrise seines Sohnes – und durch den exemplarischen Charakter dieser Geschichte für Krisen oder Probleme überhaupt – jeweils eine objektiv richtige Lösung gibt. Das zeigt sich u.a. darin, dass die "Entscheidung" nicht einfach nur von den Eltern gegen den Willen ihres Sohnes durchgesetzt wurde. Sie ist durch die Pointe, der Rückzahlungsplan sei gelungen und der Sohn nicht nur schuldenfrei, sondern auch noch "glücklich und zufrieden" gewesen, auch als vernünftige markiert. In der ausführlichen Schilderung der einzelnen Schritte der Umsetzung der Entscheidung und auch in der Adressierung des Publikums zeigt sich zweitens, dass diese vernünftige Lösung auf dem Wege des logischen und systematischen Schlussfolgerns zustande kam und Herr Franke hier offenbar der (impliziten) Annahme folgt, dass sie entsprechend allen eingesehen werden kann, die diesen Weg nachvollziehen. Gerade ein solches Vorgehen ist – und das ist der dritte wichtige Punkt, der sich anhand der Passage herausarbeiten lässt – ein zentraler Aspekt von Herrn Frankes (impliziter) Haltung oder Handlungsorientierung im Beruf, aber auch im Bereich der privaten Lebensführung: Nicht zufällig bringt er in der Passage ja einen privaten Konflikt zur Sprache, um zu erläutern, wie sich aus seiner Perspektive auch politische Konflikte lösen lassen. [30]
Herr Franke nimmt zudem immer wieder auf die Bedeutung einer "wissenschaftlichen" Haltung Bezug, etwa im Kontext der Abgrenzung von "ideologischen" Positionen, die er wiederum am Beispiel des Puzzlespiels seiner Tochter illustriert ("die hat n Puzzleteil genommen hat gesacht wo das in=en Puzzleteil=wo das im Puzzle hin soll hat=s hinlegt und da drauf rumgedroschen bis es passte") und von denen er sich abgrenzt, oder auch in der Beschreibung des politischen Stils seines Vorbilds Angela Merkel ("Problemstellung, (.) Motivation (.) Datenerhebung (.) Modellbildung (.) Umsetzung zack=also (.) zack wie wir das gelernt haben im Studium rauf und runter"). Damit geht einher, dass Herr Franke sich auch selbst explizit als Wissenschaftler und Methodiker bezeichnet und darstellt. Und hierin dokumentiert sich ein Wissen, das insofern den Charakter einer Selbstidealisierung hat, als es zwar eine reflexive Selbstpositionierung ist, die aber auf einer impliziten Haltung oder Handlungsorientierung aufruht. Herr Franke nimmt also in seiner Selbstdarstellung Bezug auf bestimmte, ihm reflexiv verfügbare Aspekte seiner habituellen Orientierungen, die im Bereich der beruflichen Praxis wie auch in der privaten Lebensführung relevant sind, und überhöht diese im Bild des "Wissenschaftlers" bzw. des Methodikers. Die Pointe seines Übergangs in die Politik scheint damit zu sein, dass er gelernt hat, sich selbst als Wissenschaftler und Methodiker darzustellen (und damit auch "als ein Produkt zu haben"). [31]
Es lässt sich mithin festhalten: Herr Franke setzt sich mit der Erwartung, dass man "sich selbst als ein Produkt" habe (und das heißt auch: sich als Person in die Politik einzubringen und damit auch eine Widerspruchsfreiheit von privaten und beruflichen Verhaltensweisen und Haltungen zu repräsentieren), um das "Vertrauen" der BürgerInnen zu gewinnen, explizit auseinander, nimmt sie also auch als exteriore wahr und bezieht sich dann insofern positiv darauf, als er darauf verweist, dass dies sein "Job" sei. Es gelingt ihm zudem, der Erwartung zu entsprechen, weil die impliziten Wissensbestände, die seine berufliche Praxis (als Wissenschaftler) angeleitet haben, ganz offenbar auch im Bereich der privaten Lebensführung von Relevanz sind. Diese werden nun in die Politik überführt, wobei die Auseinandersetzung mit den Erwartungen dieses Handlungsbereichs ein partielles Reflexivwerden entsprechender konjunktiver Wissensbestände mit sich bringt, was sich in der metaphorisch verdichteten Selbstdarstellung als Methodiker und wörtlich als "Wissenschaftler" (Interview Franke, Passage 4 und 7) äußert. Allerdings bleiben andere Aspekte seiner beruflichen Haltung, etwa die Orientierung an der Annahme der Existenz einer einzigen und objektiven Wahrheit und entsprechend jeweils einer vernünftigen Lösung, implizit (ebenso wie im Übrigen die Passung zwischen beruflichen und privaten Orientierungen). [32]
Auch in einem anderen Fall, dem von Frank Lopau, wird die Erwartung wahrgenommen, als PolitikerIn authentisch zu sein, um eine Verbindung mit den WählerInnen zu etablieren. In der Kontextuierung des Begriffs wird deutlich, dass es dabei darum geht, sich zu geben, "wie man ist", und gerade nicht zu inszenieren. Herr Lopau kritisiert aber die positive Bezugnahme seiner KollegInnen auf Authentizität als Verschleierung der Tatsache, dass PolitikerInnen jederzeit ein Bewusstsein davon hätten, dass sie öffentliche Personen seien – wodurch ihre Auftritte notwendiger Weise immer auch einen inszenierten Charakter hätten. Allerdings kommt er selbst der Authentizitätserwartung dann insofern doch nach, als er sich nicht nur ihr entsprechend inszeniert. In seinen Aussagen deutet sich (ähnlich wie bei Herrn Franke) vielmehr eine Übereinstimmung dieser Inszenierung mit der Logik seiner beruflichen Handlungspraxis und auch seiner persönlichen Handlungsorientierungen an. So verweist Herr Lopau in Reaktion auf die Frage nach der Bedeutung des Image für PolitikerInnen darauf, dass es wichtig sei, "sich selbst zu reflektier=n":
"Interviewer: Man: ähm (.) weiß oder glaubt zu wissen dass das Image: eines Politikers ähm: besonders wichtich is; (.) ham Sie diesbezüglich (.) Erfahrungen gemacht oder können Sie davon mal erzählen?
Lopau: Mir is lange geraten worden mein Feld zwischen sch-Akzent in Reden und meine starke Mimik in Reden abzutrainier=n; (.) //Hmm.// da ham wir uns dann im Team hier dagegen entschieden; (.) also wir ham (.) halt diskutiert soll ich jemand sein der Ecken und Kanten hat der n regionalen Spracheinschlag hat ja nein. (2) Ich lauf bewusst mit Anzug und Krawatte rum auch wenn ich weiß dass es langwieri- äh langweilig und bieder wirkt; (.) aber es passt natürlich zu dem Typus (.) des Zahlenmenschen des Haushälters; (.) //Hmm.// also (.) i- ich reflektier schon sozusagen, (.) was sind deine Assets was kannste nie erreichen ich werd nie der Hippe sein können des bin ich net; (.) also mach ich lieber (.) den Zahlenkrämer und den und sozusagen den @Schatzmeister@ (.) weil des A zu dem passt was ich tu und weil des B (.) weil ich des seriös verkörpern kann" (Interview Lopau, Passage 7, Zeilen 16-25). [33]
Herr Lopau macht in der Passage deutlich, dass er seine Außenwirkung als Politiker (und damit sein Image) nicht nur reflektiere, sondern "im Team" auf Grundlage entsprechender Überlegungen bewusste und gewissermaßen strategische Entscheidungen getroffen würden, wie er sich darzustellen habe (etwa: "soll ich jemand sein der Ecken und Kanten hat der n regionalen Spracheinschlag hat ja nein"). Die Inszenierung als "Zahlenmensch" und "Haushälter", die durch den bewussten Einsatz textiler Elemente unterstrichen wird, resultiert nun aber ganz offenbar nicht nur aus der Überlegung, dass sie zu seiner Funktion im Politikbetrieb passt (also "zu dem Typus des Zahlenmenschen des Haushälters"; Herv. von uns), sondern zugleich aus einem partiellen Reflexivwerden des eigenen Habitus: Denn Ergebnis des Prozesses der Reflexion des eigenen Image ist es in Herrn Lopaus Perspektive zu wissen, "was sind deine Assets was kannste nie erreichen". Die Form der Selbstdarstellung als PolitikerIn muss also in dieser Perspektive immer auch zu dem passen, was als Handlungsorientierungen im Bereich der privaten Lebensführung bezeichnet werden könnte. Das Image wird hier genauer gesagt an zwei unterschiedlichen Aspekten ausgerichtet, wie es Herr Lopau am Ende der Passage dann auch selbst formuliert: Einerseits geht es um die Passung zu einer bestimmten Funktion innerhalb des politischen Systems oder eher: zu den stereotypen Annahmen, die mit dieser Funktion verbunden werden (es passt "zu dem Typus", "zu dem was ich tu"); andererseits um die implizite Passung der Selbstdarstellung zu den eigenen "Assets" oder zur eigenen Person (ich kann "des seriös verkörpern"). [34]
In der Auseinandersetzung mit der Erwartung, authentisch zu sein, also eine Übereinstimmung der Selbstdarstellung mit der Existenzweise der Person oder der persönlichen Haltung zu gewährleisten, um mit den WählerInnen zu konjugieren, etablieren sowohl Herr Franke als auch Herr Lopau eine bestimmte Form der idealisierenden Selbstdarstellung (dort: das Ideal des "Wissenschaftlers", hier: das Ideal des "Haushälter[s]" bzw. "Zahlenkrämer[s]" und "Schatzmeister[s]"). Dabei werden Aspekte des eigenen habituellen Charakters reflexiv (und das heißt nicht nur die für die berufliche Praxis relevanten impliziten Handlungsorientierungen, sondern auch die Handlungsorientierungen im Bereich der privaten Lebensführung). Herrn Lopau werden allerdings (anders als Herrn Franke) nicht nur Aspekte dieses eigenen Stils bewusst, sondern partiell auch die Übereinstimmung von privaten und beruflichen Orientierungen, die der Inszenierung zugrunde liegt. [35]
Wie schon in den Analysen in Abschnitt 4.1 erwähnt, wird auch in einem dritten Fall, bei Theo Richter, die Erwartung, authentisch zu sein, als exteriore Norm erfahren, die eng mit der Erwartung der Etablierung einer nicht nur rationalen oder kommunikativen Verbindung zu den BürgerInnen verknüpft ist. So bezieht sich Herr Richter in seinem Interview an mehreren Stellen propositional darauf, wie wichtig es sei, "Authenzität in allem" zu haben. Dass es ihm aber gelingt, die damit an ihn gestellte normative Erwartung einer Widerspruchsfreiheit zwischen beruflichen Orientierungen und privater Lebensführung zu erfüllen, wird gerade nicht wie in den Fällen von Herrn Franke und Herrn Lopau durch eine weitgehende Passung der Orientierungen in beiden Bereichen gewährleistet. Stattdessen bemüht sich Herr Richter, sein Privatleben aus der politischen Praxis auszublenden, überzieht Ersteres aber mit beruflichen Ansprüchen. Das wird etwa in einer Passage deutlich, in der er von einer geplanten Kindergartenschließung in dem Ort spricht, in dem er Bürgermeister ist:
"Und ähm (.) das hat schon sehr belastet; weil ähm die Gespräche die (.) die=ich dazu mit=mit Eltern geführt habe die vermeintlich um ihren Kindergarten gekämpft haben, äh die waren ja ich sag mal nicht sehr einfach. //Hmm.// Ne das=das da muss man aufpassen dass=es da nicht in den persönlichen Bereich auch auch reingeht, ähm das haben wir aber ganz gut geschafft; jetzt ist meine Frau auch ne Kommunikative äh:m die wird natürlich auf solche Themen auch angesprochen. Also es war nicht unüblich dass sie mir dann ähm abends dann erzählt hat was ihr alles im Laufe des Tages beim Einkaufen et cetera //°Hmm.°// zugetragen wurde (.) ähm zu diesem Thema; und äh es war dann auch üblich dass abends bei mir Eltern äh in Sorge; (.) äh und deswegen ähm auch in Ordnung im Grunde bei mir abends vor der Tür gestanden haben. //Hmm.// So und natürlich hab ich die reingelassen; hab mich mit denen auch nochmal ne Stunde unterhalten abends um neun. Obwohl mir vielleicht der Sinn nicht danach war weil ich=n schweren Arbeitstag hinter mir hatte in irgendeiner Form" (Interview Franke, Passage 6, Zeilen 19-31). [36]
Theo Richters Haltung als Politiker impliziert in ganz unterschiedlichen Belangen, dass sich private Lebensführung und die Persönlichkeit den beruflichen Anforderungen unterzuordnen haben. In der zitierten Passage stellt sich die Situation für ihn so dar, dass er und seine Angehörigen damit rechnen mussten, jederzeit auf die Problematik der Kindergartenschließung angesprochen zu werden, und er bemüht sich, sich permanent als Politiker verfügbar zu halten. An anderer Stelle resümiert er zudem, dass sich "Privat- und Berufsleben eigentlich zu hundert Prozent [vermischen]" (Interview Richter, Passage 5, Zeilen 15-17), bezeichnet damit aber, wie in seinen weiteren Beschreibungen deutlich wird, letztlich nur die Ausweitung der Arbeitszone auf den Privatraum. Mehr noch beschreibt er sich selbst idealisierend als "Kommunikator" (Interview Richter, Passage 8, Zeile 8), wobei das, was er kommunizieren will, gerade keine eigenen politischen (oder gar persönlichen) Positionen sind (auf die er im ganzen Interview ohnehin an keiner Stelle eingeht). Er folgt hier vielmehr strikt der Logik rationaler Kommunikation. Der Problematik dieser Ausweitung der Verfügbarkeitserwartungen ist sich Herr Richter allerdings durchaus bewusst, worauf in der oben zitierten Passage etwa die Formulierung verweist, dass man "aufpassen muss, dass es nicht in den persönlichen Bereich auch reingeht". Dass er aber dennoch davon spricht, dass er und seine Frau dies "ganz gut geschafft" hätten, bedeutet im Kontext der Passage offenbar, dass er sich trotz einer zeitlichen (die Eltern kommen abends um neun bei ihm vorbei) und räumlichen (sie sprechen nicht nur seine Frau während ihrer Erledigungen, sondern auch ihn zu Hause an) Entgrenzung der Verfügbarkeitserwartung an ihn (und mittelbar auch an seine Familie) eine persönliche Distanz zu der Entscheidung (der Schließung von Kindergärten) gewahrt hat, also nicht emotional (und damit auch persönlich) involviert war. Herr Richter setzt sich also mit der Erwartung auseinander, authentisch zu sein, um eine nicht nur rationale oder kommunikative Verbindung zu den BürgerInnen zu etablieren, und er bemüht sich, Konflikte oder Widersprüche zwischen Berufsrolle und Privatleben auszuräumen oder sich immerhin selbst so zu präsentieren. Dabei wird aber die Tendenz deutlich, dass das Privatleben dem Amt in mehreren Hinsichten untergeordnet wird. Diese Unterordnung wird insofern partiell reflexiv, als Herr Richter sich selbst als "Kommunikator" beschreibt, also als Knotenpunkt im Netz politisch-rationaler Kommunikation. [37]
In den drei diskutierten Fällen lässt sich die Auseinandersetzung mit einer gleichartigen normativen Erwartung (Konjunktion durch Authentizität) rekonstruieren, und trotz unterschiedlicher Bewertungen dieser Norm dokumentiert sich in allen drei Interviews die Bemühung, ihr zu entsprechen. In einem weiteren Fall zeichnet sich eine Entsprechung zu dieser Norm ab, obwohl sich die Befragte gerade nicht detailliert mit ihr auseinandersetzt. So nimmt Betty Azizi, wie alle angeführten Befragten ohne darauf hingewiesen zu werden, zwar von sich aus propositional auf den Begriff der Authentizität Bezug, den auch sie in den Kontext ihrer Selbstdarstellung gegenüber den BürgerInnen setzt. Sie spricht in einer Passage, in der es auf Nachfrage des Interviewers um die Charakteristika von guten bzw. schlechten PolitikerInnen geht, vom Beispiel ihres Kollegen "Herrn Maurer" und schreibt ihm zu, dass er lediglich "verkauft", also ein Geschäft zu seinem Vorteil machen wolle und zu diesem Zweck Äußerungen tätige, zu und hinter denen er dann nicht stehe. Dies entspricht in Frau Azizis Perspektive nicht der Logik des politischen Handlungsbereichs und den Erwartungen, die PolitikerInnen erfüllen sollten und welche Frau Azizi mit dem Begriff "authentisch sein" fasst (vgl. Interview Azizi, Passage 9). Sie reflektiert aber nicht wie Herr Lopau auf die Grenzen der Möglichkeit, authentisch zu sein (insbesondere mit Blick auf die Bedeutung der Repräsentation im Politikbetrieb). Und sie beschreibt anders als Herr Franke nicht den Prozess der Gewöhnung an die Erwartung, "sich selbst als ein Produkt zu haben" bzw. sich als Person in die Politik einzubringen und darüber auch eine Widerspruchsfreiheit von beruflichem Handeln und privater Lebensführung her- und darzustellen. Vielmehr dokumentiert sich in ihrem Interview eine Passung zwischen impliziten beruflich-professionellen Handlungsorientierungen und den Handlungsorientierungen im Bereich privater Lebensführung (hier auch im Kontrast zu Herrn Richter). Diese Passung zwischen auf unterschiedliche Praxisdimensionen gerichteten konjunktiven Wissensbeständen, die sich anhand der Erzählungen und Beschreibungen zu ihren beruflichen Tätigkeiten und privaten Erfahrungen rekonstruieren lassen, ermöglicht es Frau Azizi, der genannten normativen Erwartung gerecht zu werden, und zwar auch ohne, dass sie sich damit ausführlich auseinandersetzen müsste. So berichtet sie gleich zu Beginn des Interviews von biografischen Erfahrungen, die eine wichtige Rolle bei der Entstehung relevanter Orientierungen gespielt hätten, die dann in die berufliche Sphäre und dabei auch in die Politik hineinwirkten:
"Der Glaube daran dass sie durch Leistung etwas (.) erreichen können; (2) der wird ihnen ziemlich schnell entzaubert; //Hmm.// weil sie immer wieder an Grenzen kommen; un ich bin ja offensichtlich einer dieser Leistungsmenschen gewesen, die sozusagen; (.) bereits zwei Jahre nach Deutschland das Gymnasium (.) betreten hat dort Abitur gemacht hat studiert hat, und ich war immer ne Minderheit egal wo ich war=war ich war immer ne Minderheit; (.) u:nd genau dann erwartet man eigentlich wenn man durch Leistung sozusagen sich nach oben arbeitet, und das ist ja Arbeit das is ja nicht geschenkt, ähm hat man dann das Gefüh:l dass dann manche Wege sich öffnen müsst=n; un=dann stellt man fest dass=das keine Rolle spielt sondern dass dann trotzdem Mauern aufgebaut wird=n, die sind zwar nicht sichtbar=aber sie sind da: sie sind präsent, und Leistung alleine führt sie da nicht rüber. (.) Dann kommt das Gerechtigkeitsgefühl ins Spiel un- das Gerechtigkeitsgefühl is das was mich hierher geführt hat" (Interview Azizi, Passage 1, Zeilen 15-29). [38]
Betty Azizi erzählt hier homolog zu der im Interview bereits kurz zuvor geschilderten Erfahrung, in den in ihrer Biografie für sie relevanten Kollektiven (die "Türkei", die "türkische Community", die "Deutschen") nicht anerkannt oder integriert worden zu sein, von einer Enttäuschung, nämlich, dass der "Glaube", "dass sie durch Leistung etwas (.) erreichen können", "ziemlich schnell entzaubert" werde, weil man "immer wieder an Grenzen" komme. Sie thematisiert also ihre eigene Erfahrung, (immer wieder) als Angehörige einer Minderheit wahrgenommen zu werden, und betont zudem die Diskrepanz zwischen ihrer individuellen Leistung oder Leistungsfähigkeit und der Unmöglichkeit, sich damit "nach oben" zu arbeiten, weil man dann doch einem Kollektiv zugeschlagen werde. Ausgehend von diesen Erfahrungen habe sie ein "Gerechtigkeitsgefühl" entwickelt, das den Einsatz für die Anerkennung des oder der Einzelnen in ihrer Individualität und auch ihrer Leistungsfähigkeit beinhalte und sich dabei gegen "Mauern" richte, die "aufgebaut werden". [39]
Die biografischen Erfahrungen Frau Azizis führen also zu einer Haltung, die im Kontext der privaten Lebensführung relevant wird, diese ragt dann aber auch in die berufliche Sphäre hinein. Im Verlauf des Interviews wird in dieser Hinsicht nicht nur deutlich, dass ein wichtiges Element ihrer privaten wie beruflichen Alltagspraxis das Eintreten für diskriminierte Minderheiten ist. Gerade in der komparativen Analyse mit den anderen Fällen wird sichtbar, dass ihre Handlungspraxis einer anderen impliziten Logik folgt: Denn anders als etwa bei Herrn Richter oder bei Herrn Franke, die sich in ihrer Arbeit an einer authentisch zu vermittelnden Objektivität orientieren, scheint Frau Azizis Haltung durch einen – in persönlichen biografischen Erfahrungen fundierten – Gegenstandsbezug gekennzeichnet zu sein. Es geht hier also um eine wertrationale Handlungslogik, in der Frau Azizi auf einen spezifischen und politisch wie privat und biografisch relevanten Inhalt bezogene Arbeit leistet.24) [40]
Es dokumentiert sich im Interview nun nicht nur, dass diese Handlungsorientierung sowohl den beruflichen wie den privaten Bereich strukturiert, Frau Azizi ist diese für die berufliche und auch private Praxis relevante Orientierung auch partiell reflexiv gegenwärtig: So bezeichnet sie sich an einer Stelle des Interviews, an der es um Vorbilder geht, als "kleine Heldin". Dieses Ideal elaboriert sie nach einer Erzählung über ihren persönlichen Kontakt zu Frauen in einem Militärregime, die dort als Hebammen unersetzliche Arbeit leisteten. Es konturiert sich hier die Vorstellung, dass "kleine HeldInnen" für klare inhaltliche Ziele kämpfen, die auf die Verbesserung der Situation von gesellschaftlich Schwachen oder Schutzbedürftigen gerichtet sind, und dass sie in der Lage sind, sich auch gegen größeren Widerstand durchzusetzen (vgl. Interview Azizi, Passage 8). Dass und inwiefern sich Frau Azizi auch selbst als eine solche Heldin versteht, zeigt sich dann in einer weiteren Passage, in der sie ihren Beitrag zu einem neuen Gesetzentwurf schildert:
"Am Ende waren=s natürlich alle gewesen nur ich nich. (2) //Hmm.// (.) A:ber (.) das Gesetz ist da:, (4) und ich wars; ich war diejenige die die Idee hatte ich weiß es. (.) //Hmm.// Und ohne mich wär die Bernheimer Erklärung paar Mal auf der Strecke geblieb=n und ohne dass ich mich (.) irgendwann mal Frau Hellermeiers Handy geschnappt hätte um sie anzurufen zu sagen jetzt bitte reinspringen sonst stirbt das Ganze und so; (.) //Hmm.// wär das nie Gesetz gewes=n; aber (.) die Geschichte wird mich nicht dafür feie:rn (.) vielleicht irgendwann mal irgend n Wissenschaftler der dann versucht rauszukriegen und dann wird irgendjemand zugeben (.) dass es entstanden mit Frau (Azizi)=aber- (.) Gott. (.) die Geschichte; die verfälscht ohnehin so viel. //Hmm.// (3) Ich weiß es und das Gesetz gibt=s" (Interview Azizi, Passage 7, Zeilen 33-41). [41]
Die Strukturlogik dieser Heldengeschichte (deren Wahrheitsgehalt hier nicht zur Debatte steht) besteht in dem Durchsetzen des Ziels der Verbesserung der Situation von gesellschaftlich Schwachen oder Schutzbedürftigen gegen alle Widrigkeiten: Zum richtigen Zeitpunkt, unter Aufbieten aller Kräfte und mit dem Glück des Zufalls auf ihrer Seite kann Frau Azizi, so ihre Darstellung, ihre eigenen Wertvorstellungen verwirklichen und helfen, ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das die Lebenssituation benachteiligter Gruppen erheblich verbessert. Sie wird zwar für ihren Beitrag beim Zustandekommen des Gesetzes nicht angemessen gefeiert, so vermutet sie, sondern von der Geschichte als "kleine Heldin" eher vergessen werden (ganz ähnlich wie die Hebammen im Militärregime); dennoch weiß Frau Azizi selbst um diesen Beitrag und die Wirkung ihres individuellen Einsatzes. [42]
Es lässt sich mithin festhalten, dass Frau Azizi zwar von der Bedeutung, authentisch zu sein, spricht und damit auch auf eine bestimmte Form der Kommunikation mit den BürgerInnen abhebt. Sie präsentiert dies aber nicht als exteriore Norm, sondern es bleibt bei einer begrifflichen Bezugnahme auf das Authentische, die offenbar keiner weiteren Klärung bedarf. Man könnte insofern argumentieren, dass hier ein unmittelbares "Verstehen" (BOHNSACK 2014a, S.61; vgl. auch MANNHEIM 1980 [1922-25], S.272) der Norm vorliegt bzw. eine Passung, durch welche die Norm als selbstverständlich erscheint. Durch diese Entsprechung von beruflichen und privaten Orientierungen scheint es Frau Azizi zu gelingen, einer Norm gerecht zu werden, ohne sich an ihr abarbeiten zu müssen. [43]
4.3 Selbstidealisierungen als Techniken des Selbst
Die Ergebnisse der vorgestellten Analysen aus unserem laufenden Projekt machen deutlich, dass sich Bundestagsabgeordnete mit hochwirksamen Identitätsnormen konfrontiert sehen, die insbesondere beinhalten, eine Konjunktion mit den BürgerInnen zu etablieren, indem sie authentisch sind. Dieser Erwartung kommen die PolitikerInnen durch eine Form der Selbstthematisierung nach, die wir Selbstidealisierung nennen (vgl. GEIMER & AMLING 2016). Kern dieser Selbstidealisierungen ist die (metaphorisch verdichtete) Darstellung zentraler Aspekte der beruflich-professionellen Orientierungen der PolitikerInnen einerseits und der Widerspruchsfreiheit zwischen diesen und den Orientierungen im Bereich privater Lebensführung andererseits. Die Selbstidealisierungen fußen auf einem Wissen der PolitikerInnen von sich selbst, das es ihnen erlaubt, Kohärenz und Kontinuität ihrer Haltungen und Verhaltensweisen für sich selbst und andere (vor allem die BürgerInnen) her- und darzustellen und sich insofern nicht nur als sich selbst treu zu verstehen bzw. zu präsentieren, sondern dies auch zur Grundlage zu machen, um eine nicht nur rationale oder kommunikative Verbindung zu den BürgerInnen zu begründen. [44]
Die Selbstidealisierungen stellen nun zwar in erster Linie Formen der Selbstthematisierung oder Selbsttypisierung dar, die den PolitikerInnen in ihrer orientierungsstiftenden Relevanz durchaus bewusst sind (was sich nicht zuletzt darin dokumentiert, dass sie von ihnen immer wieder hervorgehoben werden). Allerdings strukturieren die Selbstidealisierungen zugleich auch die Praxis der PolitikerInnen implizit, eben weil sie (reflexiv gewordenen) Aspekten des eigenen Habitus aufruhen. Sie können in diesem Sinn als eine für den Bereich der professionellen Politik relevante "Technik des Selbst" (FOUCAULT 1986 [1984], S.315) verstanden werden, also ein Know-how-Wissen, durch welches das Individuum auf sich selbst, seine eigene Praxis, seinen Habitus einwirkt. Die Praktiken des Selbst in der Politik stellen sich damit als eine Selbsttechnik der Verschachtelung von implizitem und explizitem Wissen dar, denn bei den Selbstidealisierungen handelt es sich nicht einfach um Common-Sense-Theorien über die eigene Handlungspraxis, die von dieser weitgehend gelöst sind, da hier in metaphorischer Verkürzung Aspekte habitueller Dispositionen und/oder von Passungsverhältnissen reflexiv werden. Die Selbstidealisierungen operieren weder ausschließlich auf der Ebene theoretischer Selbstreflexion noch auf der Ebene eines impliziten Orientierungswissens, sondern auf beiden zugleich. [45]
Die Analysen deuten weiter an, dass sich nicht alle PolitikerInnen in gleicher Weise selbst thematisieren und idealisieren, sondern sie bringen Aspekte oder Dimensionen ihres Habitus in je spezifischer Weise in Übereinstimmung mit den Identitäts- und Authentizitätsnormen des beruflichen Handlungsbereichs. Den hierin sich abzeichnenden komplexen Relationen zwischen verschiedenen Wissensebenen (explizites, implizites, konjunktives, kommunikatives) und unterschiedlichen Formen handlungsleitenden Wissens (d.h. Wissensbeständen, die sich auf jeweils unterschiedliche Gegenstände richten, wie z.B. auf die berufliche Praxis oder auf die private Lebensführung) sollte weiter nachgegangen werden. Insbesondere über soziogenetische Analysen können auf diese Weise auch die Verschränkungen zwischen normativen Ordnungen oder dem diskursiven Wissen auf der einen und den auf "konjunktive Erfahrungsräume" zurückgehenden milieuspezifischen Wissensbeständen auf der anderen Seite in den Blick geraten: Bei Betty Azizi spielen wie gezeigt die biografischen Erfahrungen und die daraus resultierende persönliche Betroffenheit eine Rolle bei der Entstehung relevanter Orientierungen, die dann in die berufliche Sphäre und somit auch in die Politik hineinwirken. Bei Pit Franke deutet sich hingegen die Relevanz der Einsozialisierung in einen bestimmten Beruf bzw. in die Haltung als Wissenschaftler an, die dann im Weiteren für seine berufliche Praxis in der Politik, aber auch für seine private Lebensführung von Bedeutung ist. [46]
Ausgangspunkt des Artikels war die Frage, wie sich die Handlungspraxis der AkteurInnen (exemplarisch: im Bereich der professionellen Politik) in der Auseinandersetzung mit hegemonialen Normen gestaltet. Dabei ging es uns insbesondere darum, exemplarisch zu zeigen, ob und in welcher Form eine handlungsrelevante Bezugnahme auf normative Erwartungen erfolgt. Unsere Analyse empirischen Materials konnte hierbei die Anschlussfähigkeit normativ-hegemonialer Ordnungen an die Alltagspraxis der AkteurInnen aufweisen. Die vorgestellten Beispiele zeigen erstens, dass im Bereich der professionellen Politik eine primäre normative Erwartung vorliegt, die von allen Befragten wahrgenommen und adressiert wurde; dies wurde als Konjunktion mit den BürgerInnen durch Authentizität verstanden. Wenn Stuart HALL konstatiert, dass das heutige "postmoderne Subjekt" "zu verschiedenen Zeiten verschiedene Identitäten an[nimmt], die nicht um ein kohärentes 'Ich' herum vereinheitlicht" (1994, S.183) werden könnten, so deuten die dargestellten Analysen darauf hin, dass PolitikerInnen sich durchaus darum bemühen müssen, die Kontinuität und Kohärenz der eigenen Identität mindestens zu behaupten, und zwar nicht nur in einer rein instrumentellen Selbstdarstellung zu Zwecken der Distinktion, sondern auch in den genannten Selbstidealisierungen, die sich als Verschränkung von Reflexionsprozessen mit habituellen Orientierungen und als partielles Reflexivwerden des Habitus darstellen. Nach GEIMER handelt es sich bei diskursiven Subjektfiguren um "hegemoniale Adressierungen bzw. dominante Typisierungen, die den Akteuren ein spezifisches Verhältnis zu sich selbst nahelegen" (2014, S.116). Hiervon ausgehend und im Lichte der vorgestellten Analysen lässt sich behaupten, dass die von uns befragten PolitikerInnen eine solche Adressierung erfahren und in den Selbstidealisierungen ein spezifisches Mittel finden, um das ihnen nahe gelegte Verhältnis zu sich selbst zu realisieren. Allerdings ist mit den vorliegenden Analysen noch nicht der Nachweis erbracht, dass sich in der (gleichartigen) Bezugnahme der PolitikerInnen auf (gleichartig erfahrene) exteriore Erwartungen tatsächlich ein sozialer Diskurs manifestiert. Arnd-Michael NOHL hat im Zusammenhang mit seinen Überlegungen zur Analyse gesellschaftlicher Diskurse mit Hilfe der dokumentarischen Methode (s.o.) vorgeschlagen, von "Diskursspuren"25) zu sprechen, die sich in den Äußerungen der AkteurInnen niederschlagen. Für die Analyse von Diskursen müsste allerdings ein alternativer/ergänzender Zugang und Triangulationskonzept bzw. eine Multi-Level-Analyse gewählt werden.26) [47]
Ein zweiter Punkt, auf den die vorliegenden Analysen verweisen, ist der Ertrag der vorgenommenen Modifikationen der dokumentarischen Methode für eine dokumentarische Subjektivierungsanalyse. Mithilfe der hier vorgestellten Analysen lässt sich nicht nur an Diskussionen um die Relevanz von Selbsttechniken für die Konstitution von Subjekten und Prozesse der Subjektivierung (vgl. etwa die Beiträge in KELLER, SCHNEIDER & VIEHÖVER 2012; aber auch: BÜHRMANN & SCHNEIDER 2007, 2008; FOUCAULT 1986 [1984]) anschließen, sondern sie zeigen vor allem einen Weg auf, wie empirisch herauszuarbeiten ist, welche Form/en diese Techniken im Einzelnen annehmen können (und zwar ganz unabhängig davon, welche Diskurse sich in dem Material niederschlagen, was erst eine Triangulation mit Diskursanalysen zeigen kann). Dabei muss insbesondere der Beobachtung weiter nachgegangen werden, dass die Selbstidealisierungen in der für eine Reihe von Forschungsperspektiven zentralen Leitdifferenz zwischen präreflexiven/impliziten und reflexiven/expliziten Wissensstrukturen nicht aufgehen. Die Analysen weisen vielmehr auf die Bedeutung des von Hartmut ROSA (2013, S.118) allerdings nur theoretisch gefassten "Wechselspiels zwischen impliziten und expliziten Selbstdeutungen" hin und werfen damit die Frage auf, ob sich eine scharfe Differenzierung zwischen exterioren Erwartungen im Sinne von Normen, sozialen Identitäten und Subjektcodes einerseits und habitualisiertem Handeln andererseits aufrechterhalten lässt oder ob methodologische Kategorien nicht stärker kontextuell in unterschiedlichen Relationen verwendet werden sollten, die a priori nicht zu bestimmen sind. In den bereits erwähnten Arbeiten zur Bedeutung von "Kontexturen" (u.a. JANSEN & VOGD 2013; JANSEN et al. 2015; VOGD 2014) wird von einer ganz ähnlichen Beobachtung ausgegangen und mit Blick auf die dokumentarische Methode konstatiert, dass hier eine "Passung zwischen Gegenstand [gemeint ist hier der praxeologisch fundierte sozialtheoretische Fokus auf konjunktive Erfahrungsräume bzw. Milieus] und Methode" vorliege, die zum Problem würde, "wenn ein bestimmter Gegenstand der metatheoretischen Anlage des gewählten methodologischen Zugangs nicht voll entspricht" (JANSEN et al. 2015, §2). Während JANSEN et al. ihr Argument am Beispiel von Organisationen entwickelt und entsprechend konstatieren, dass deren Modus Operandi "weniger einem eindeutig bestimmten und homogen erscheinenden konjunktiven Erfahrungsraum [entspringt], sondern [...] sich vielmehr in der Art und Weise [manifestiert], wie diese verschiedenen Räume gegen- und miteinander prozessiert werden" (§8), geht VOGD an anderer Stelle in einer ganz ähnlichen Argumentation auf die "Reflexionsverhältnisse" (2014, S.9) einzelner AkteurInnen ein, die abschließend nochmals auch das Anliegen einer dokumentarischen Subjektivierungsanalyse erläutern lassen: VOGD fokussiert in seinen Überlegungen zur qualitativen Therapieforschung als Rekonstruktion von Reflexionsverhältnissen die Verschränkung von drei Relationen, "die Relation des Klienten zu sich selbst (Ich vs. Selbst), die Relation des Therapeuten zu dieser Relation und die Relation beider zu den kulturell geprägten Semantiken, in denen Therapie stattfindet (Gesellschaft)" (a.a.O.). In ganz ähnlicher Weise ließe sich die rekonstruierte Technik der Selbstidealisierung von PolitikerInnen als eine Verbundkontextur begreifen, in der sich die Relation zwischen PolitikerInnen und BürgerInnen, die Relation zwischen PolitikerInnen und "kulturell geprägten Semantiken" oder auch hegemonialen normativen Erwartungen und die Beziehung der PolitikerInnen zu sich selbst überlagern und sich in allen diesen Relationen zudem implizite und explizite Wissensanteile verschränken. Solche Verschränkungen kontextuell in den Blick zu nehmen, ist eine zentrale Herausforderung für die dokumentarische Methode und zugleich eine Chance, die oben genannte Gleichzeitigkeit verschiedener kultureller Regulierungsformen sozialer Praxis (HALL 1997, S.233ff.) methodisch-methodologisch in den Griff zu bekommen. [48]
Anhang: Richtlinien der Transkription27)
⌊
|
Beginn einer Überlappung, d.h. gleichzeitiges Sprechen von zwei DiskussionsteilnehmerInnen oder direkter Anschluss beim Sprechwechsel |
⌋ |
Ende einer Überlappung |
(.) |
kurze Pause bis zu einer Sekunde |
(3) |
Pause, Dauer in Sekunden |
nein |
betont |
nein |
laut (in Relation zur üblichen Lautstärke des Sprechers/der Sprecherin) |
°nein° |
leise (in Relation zur üblichen Lautstärke des Sprechers/der Sprecherin) |
. |
stark sinkende Intonation |
; |
schwach sinkende Intonation |
? |
stark steigende Intonation |
, |
schwach steigende Intonation |
viellei- |
Abbruch eines Wortes |
ja=ja |
schneller Anschluss, Zusammenziehung |
nei::n |
Dehnung, die Häufigkeit vom ":" entspricht der Länge der Dehnung |
(kein) |
Unsicherheit bei Transkription, schwer verständliche Äußerung |
( ) |
Äußerung ist unverständlich, die Länge der Klammer entspricht etwa der Dauer der unverständlichen Äußerung |
((stöhnt)) |
Kommentare bzw. Anmerkungen zu parasprachlichen, nicht verbalen oder gesprächsexternen Ereignissen |
@nein@ |
Text wird lachend gesprochen |
@(.)@ |
kurzes Auflachen |
@(3)@ |
drei Sekunden Lachen |
1) BRÖCKLING verzichtet bspw. explizit darauf, "in vergleichbarer Weise zu überprüfen, welche Reichweite die Anrufung eines unternehmerischen Selbst besitzt" (2007, S.49). <zurück>
2) Mündliche Kommunikation. <zurück>
3) Vgl. SCHÜTZEICHEL (2012) zu Ähnlichkeiten und Unterschieden zu anderen Traditionen, die auf implizites Wissen abstellen. <zurück>
4) Ein solcher Zusammenhang im Sinne eines kollektiven Habitus lässt sich auch als Milieuzusammenhang bezeichnen (vgl. BOHNSACK 2014c). Die Analysen unter Einsatz der dokumentarischen Methode setzen zwar in der Regel auf der Ebene der Befragung von Einzelnen oder Gruppen oder auch der Beobachtung von Interaktionen an, schließen dann aber auf die Ebene dieser Milieus. <zurück>
5) Ein weiterer systematischer Versuch, die Parallelisierung von kommunikativ-explizit und konjunktiv-implizit aufzubrechen, wird zudem von Ralf BOHNSACK (in Vorbereitung) unternommen, der in einer Monografie zur praxeologischen Wissenssoziologie verschiedene Schichten des impliziten Wissens differenziert. <zurück>
6) Burberry ist eine britische Modemarke. Die Analysen von BOHNSACK und PRZYBORSKI greifen auf Werbefotografien zurück, in denen die Firma ihre Produkte anpreist und damit, wie BOHNSACK an anderer Stelle (2007, S.31) festhält, einen "Burberry-Style" zu etablieren versucht. <zurück>
7) Ähnliches zeigt sich auch in MICHELs (2015) Analyse der Vorstandsporträts der Deutschen Bank im Vergleich mit den Bildern anderer DAX-Konzerne. MICHEL arbeitet heraus, dass sich darin der "Lifestyle einer Business–Elite" ausdrücke, der auf gesellschaftliche Erwartungen antworte und der die "virtuelle soziale Identität" darstelle, die den Vorstandsmitgliedern "als Subjektposition zugewiesen wird" (S.140) und mit der sie sich dann auseinandersetzen (müssten). <zurück>
8) Wie JANSEN et al. erläutern, stellt GÜNTHER fest, "dass die klassische Logik letztlich nur zwischen wahren und falschen Aussagen unterscheiden kann, was zur Folge hat, dass keine Aussagen über eine Welt möglich sind, in der verschiedene Reflexionspositionen zugleich vorherrschen" (JANSEN et al. 2015, §19). In Auseinandersetzung mit dieser binären Logik entwickelt GÜNTHER den Begriff der Kontextur, den er als "zweiwertigen logischen Raum" (JANSEN et al. 2015, §19) konzipiert. Dieser Begriff soll es ermöglichen, (Reflexions-) Operationen der AkteurInnen zu analysieren, die in Bezug auf einen Gegenstand nicht nur eine einfache Entgegensetzung, sondern mehrfache und sich überlagernde Entgegensetzungen in Stellung bringen, die auf unterschiedlichen Ebenen angesiedelt sind (etwa auf der Ebene der Diskussion einer Seinskategorie oder aber des Kategoriensystems), sodass eine Analyse einer Binäropposition nicht hinreichen würde, um diese Operationen zu fassen. <zurück>
9) So schreiben JANSEN et al. mit Blick auf die Analyse von Organisationen, dass diese gerade davon lebten, "dass explizite Wissensstrukturen wie etwa Verfahren [...] oder Wissensbestände einer Profession [...] oder spezifischen Berufsgruppe (beispielsweise betriebswirtschaftlich ausgebildete Verwaltungskräfte) eine besondere Rolle spielen" (2015, §3). Und an gleicher Stelle wird darauf hingewiesen, dass "kommunikatives Wissen, Common-Sense-Konstruktionen und Um-Zu-Motive [...] hier eine weit höhere Bedeutung [bekommen] und [...] nicht nur eine Art Schritt auf dem Weg zum eigentlichen, konjunktiven Wissen [...] [sind]" (a.a.O.). <zurück>
10) Ralf BOHNSACK (in Vorbereitung) deutet in seinen aktuellen, noch nicht abgeschlossenen Überlegungen eine etwas andere Differenzierung an: Er spricht erstens von einem korporierten/habitualisierten Wissen, das sich etwa in der Form der Diskurs- oder Interaktionsorganisation oder auch im performativen Akt des Knotenknüpfens manifestiere. MANNHEIM (1980 [1922-25], S.73ff.) erläutert an diesem Beispiel, dass der Dokumentsinn unmittelbar an die Handlungspraxis geknüpft ist. BOHNSACK unterscheidet davon zweitens ein atheoretisches Wissen, unter das sowohl ein atheoretisch-konjunktives Wissen falle (das etwa in Form von Bildern oder auch Erzählungen und Beschreibungen vorliegt) als auch das atheoretisch-kommunikative Wissen (das als imaginative oder imaginäre Verbegrifflichung vorliegt). <zurück>
11) Mit totalisierenden Identitätsnormen ist hier gemeint, dass anzunehmen ist, dass sich die im Bereich der Politik präsenten normativen Erwartungen nicht eindeutig auf die berufliche Rolle (die Art und Weise der Ausführung der Arbeit als PolitikerIn) beziehen, sondern tendenziell auch auf die persönliche Identität der Abgeordneten. Die Identitätsnormen stellen insofern, so die Annahme, Erwartungen dar, der die PolitikerInnen nicht nur in der Ausführung ihrer berufsbezogenen Tätigkeiten, sondern auch mit Blick auf ihre private Lebensführung entsprechen müssen. <zurück>
12) Aus Gründen der Anonymisierung werden die Parteien hier nicht genannt. <zurück>
13) Hinsichtlich dieser zweiten Kontrastdimension wurde im Einzelnen sowohl darauf geachtet, seit wann die Befragten in der Politik als MandatsträgerInnen tätig sind, als auch, seit wann sie als MdBs tätig sind. <zurück>
14) Während die Kleinpartei um die 50.000 Mitglieder hat und bei den letzten vier Bundestagswahlen einen Anteil von jeweils knapp unterhalb von 10 Prozent der Stimmen erzielte, verfügt die Großpartei über etwa 400.000 Mitglieder und erhielt einen Stimmenanteil von jeweils um die 30 Prozent. Zur genaueren Differenzierung siehe insbesondere JANDURA (2007). <zurück>
15) Der Erzählstimulus lautete: "Erzählen Sie mir doch mal bitte von Ihrem Leben, wie so eins zum anderen gekommen ist. Sie können beginnen, wo Sie möchten." <zurück>
16) Die Frage lautete: "Beschreiben Sie mir doch bitte möglichst genau Ihren letzten Arbeitstag als PolitikerIn." <zurück>
17) Der Abschnitt wurde eingeleitet mit der Frage: "Erzählen Sie doch mal von dem Leben irgendeines Menschen, der Sie besonders beeindruckt hat." <zurück>
18) Die Namen der Befragten wurden im Zuge der Interpretation ebenso durch andere Namen ersetzt wie die von den Befragten verwendeten Eigennamen (Orte, Personen usw.). Nur wenn Personen des öffentlichen Lebens erwähnt wurden, die gerade durch ihre Bekanntheit für die Interpretation von Bedeutung sind, wurden die Namen beibehalten. <zurück>
19) Siehe den Anhang für die verwendeten Transkriptionszeichen. <zurück>
20) Zitate in doppelten Anführungsstrichen sind, sofern nicht anders vermerkt, direkt den Interviews entnommen. <zurück>
21) In einer Veröffentlichung von JANSEN et al. ist in einem ähnlichen Sinne auch von "Tendenzen zur Konjugation" (2015, §13) der organisationalen AkteurInnen die Rede, die in der Organisation allerdings verhindert werden müsse, "da es um die Funktion geht, nicht jedoch um Fragen wie Geschlecht, Bildungshintergrund oder ethnische Herkunft" (a.a.O.). In Anschluss an BOHNSACK (2014a, S.69ff.) bzw. NOHL (2010, S.148), die im Zusammenhang mit der Rezeption MANNHEIMs von Konjunktion sprechen, nutzen wir diesen Begriff zur Kennzeichnung einer auf habituellen Gemeinsamkeiten beruhenden Verbindung. <zurück>
22) In der Analyse der ersten Gruppendiskussionen unseres Samples wurden zudem eine Reihe anderer Erwartungen sichtbar, die die PolitikerInnen an sich gerichtet sehen, etwa Ehrlichkeit, Glaubwürdigkeit oder die Erwartung der Fähigkeit zu einer Kommunikation, die prinzipielle oder graduelle Perspektivendifferenzen in Rechnung stellt. Diese Erwartungen kreisen aber erstens alle um ein ähnlich gelagertes Grundproblem, nämlich um die Frage, wie das Verhältnis der PolitikerInnen zu den BürgerInnen gestaltet werden kann, sowohl in Bezug auf die Kommunikation mit diesen, als auch hinsichtlich der (Selbst-) Darstellung der PolitikerInnen gegenüber den BürgerInnen. Zweitens wurde in den Gruppendiskussionen deutlich, dass gerade die Bezugnahme darauf, authentisch zu sein, eine Lösung zu bieten scheint, die z.T. widersprüchlichen Erwartungen erfüllen zu können, die die TeilnehmerInnen an sich und PolitikerInnen im Allgemeinen gerichtet sehen. Das zeigt sich etwa darin, dass die theoretischen Reflexionen auf diese Widersprüche in allen Gruppen durch die Bezugnahme auf einzelne PolitikerInnen unterbrochen oder aufgelöst wurden, die als vorbildhaft eingeführt wurden, weil es ihnen gelinge, den vielfältigen Erwartungen durch Authentizität zu entsprechen. <zurück>
23) Dieser Anspruch wird auch deutlich, wenn Herr Franke im weiteren Verlauf des Interviews von seinem ersten Jahr als Bundespolitiker berichtet. Zunächst und über Monate hinweg sei seine politische Expertise gar nicht gefragt gewesen, Auf verschiedensten politischen Veranstaltungen sei ihm vielmehr nahegelegt worden, von sich selbst zu berichten, wie es ihm als neuem Mitglied des Bundestags gehe, wie er generell seine private Lebensführung in Berlin gestalte usw. Erst mit zunehmender Erfahrung habe er sich von diesem Erwartungsdruck lösen können bzw. je mehr von ihm als Person bekannt gewesen sei, desto mehr habe dieser Druck nachgelassen. <zurück>
24) Die hier nur angedeuteten Analysen fokussieren also im Sinne der klassischen Vorgehensweise der dokumentarischen Methode das konjunktive Wissen, das sich, so die Annahme, in den Erzählungen und Beschreibungen der Befragten über ihre eigene Handlungspraxis dokumentiert. Davon ist die Analyse der Selbstpositionierungen und Argumentationen bzw. allgemeiner der Common-Sense-Theorien über diese Handlungspraxis zu unterscheiden, die in den Abschnitten des vorliegenden Artikels im Fokus steht, in dem es um die Rekonstruktion der Erwartungen geht, denen sich die befragten PolitikerInnen gegenüber sehen oder die sie selbst an sich richten. <zurück>
25) Mündliche Kommunikation. <zurück>
26) Denkbare Perspektiven in dieser Hinsicht sind 1. die Analyse der diskursiven Adressierungen selbst, jenseits ihrer Formen der Auseinandersetzung damit (ganz im Sinne der Analyse von Subjektpositionen in den Governmentality und Cultural Studies, s.o.). Authentizitätsbezogene Identitätsnormen finden sich bspw. in der Ratgeberliteratur, die etwa im privaten Rahmen den "Weg zur authentischen Persönlichkeit" (HILLE 2011), in beruflichen Kontexten eine "professionelle Authentizität" (MOESSLANG 2010) nahelegt. Diesbezüglich wären zunächst insbesondere Texte zu und über politische Karrieren relevant. Dies auch deshalb, weil 2. die ersten komparativen Analysen der hier exemplarisch angeführten Interviews mit Fällen aus dem Bereich der Kunst darauf hinweisen, dass das Authentizitätsgebot nicht nur für den Bereich der Politik zu bestehen scheint, aber in diesem besonders affirmativ aufgegriffen wird (während es in der Kunst erheblich kontrastreicher verhandelt wird). Durch einen Vergleich "typologisch situierter Fallgruppen" (NOHL 2013a, S.113) ließe sich daher nicht nur die Genese der Selbstidealisierungen zur Diskussion stellen (vgl. auch GEIMER & AMLING 2016), sondern auch die Frage beantworten, ob und wie sich durch eine solche komparative Analyse eine Möglichkeit eröffnen ließe, die Analyse anonymer Aussagesysteme in den empirischen Rekonstruktionen zu berücksichtigen und damit einer Form der qualitativen Mehrebenenanalyse den Weg zu bahnen (vgl. HELSPER, HUMMRICH & KRAMER 2010). <zurück>
27) Richtlinien für "Talk in Qualitative Social Research" (TiQ) in Anlehnung an BOHNSACK, NENTWIG-GESEMANN und NOHL (2013, S.399f.). <zurück>
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Dr. Steffen AMLING, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften/Fachbereich Sozialwissenschaften/Fachgebiet Soziologie. Er promovierte in 2014 mit einer Studie zur Herstellung von Zugehörigkeit und sozialer Differenz in jugendlichen Peergroups an der Freien Universität Berlin. Seine aktuellen Arbeitsschwerpunkte sind die Pädagogische Organisationsforschung und Organisationspädagogik, die sozialwissenschaftliche Kindheits- und Jugendforschung sowie Theorie und Methodologie rekonstruktiver Sozialforschung.
Kontakt:
Dr. Steffen Amling
Universität Hamburg
Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
Fachbereich Sozialwissenschaften/Fachgebiet Soziologie
Sedanstr. 19, Raum 422, 20146 Hamburg
E-Mail: steffen.amling@wiso.uni-hamburg.de
Prof. Dr. Alexander GEIMER, Junior-Professor für Soziologie, insbesondere Methoden qualitativer Sozialforschung an der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften/Fachbereich Sozialwissenschaften/Fachgebiet Soziologie. Er promovierte 2009 an der Freien Universität Berlin mit einer Arbeit über Praktiken der Rezeption und Aneignung von Spielfilmen und deren Bedeutung für Habitustransformationen. Seine aktuellen Arbeitsschwerpunkte liegen im Bereich der Wissens-, Kultur- und Mediensoziologie und beziehen sich besonders auf Fragen der Analyse von Prozessen der Subjektivierung.
Kontakt:
Prof. Dr. Alexander Geimer
Universität Hamburg
Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
Fachbereich Sozialwissenschaften/Fachgebiet Soziologie Allende-Platz 1, Raum 333, 20146 Hamburg
E-Mail: alexander.geimer@wiso.uni-hamburg.de
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