Volume 18, No. 2, Art. 4 – Mai 2017
Das Paarinterview in der soziologischen Paarforschung. Method(olog)ische und forschungspraktische Überlegungen
Christine Wimbauer & Mona Motakef
Zusammenfassung: Paarinterviews erlauben die Erfassung von Interaktionen, Aushandlungen, Performances und Präsentationen des Paares und als Paar in situ. Sie liefern Einblicke in die konkrete Paarpraxis und in die Darstellung der Praxis im Interview als doing couple, aber auch als doing gender, doing family, doing recognition oder doing inequality. Mit dem Blick auf Individuen in Paarbeziehungen mittels Paarinterviews können Macht- und Ungleichheitsverhältnisse im Paar sowie die Prozesshaftigkeit und Dynamik des Sozialen ausschnitthaft beobachtet werden.
Paarinterviews werden in der nichtstandardisierten Sozialforschung zunehmend, jedoch weitaus seltener als Einzelinterviews verwendet. Bisher gibt es im deutschsprachigen Raum kaum systematische methodische und methodologische Überlegungen zum gemeinsamen Paarinterview. Basierend auf der Fassung von Paarbeziehungen als Realität sui generis und als eigenständigem Analysegegenstand zeigen wir – verortet im interpretativen Paradigma – Erkenntnisinteressen, Anwendungsbereiche und Stärken von Paarinterviews für die soziologische Paarforschung auf. Zudem präsentieren wir neben ausgewählten soziologischen Paarforschungen methodische Aspekte der Durchführung und Anwendung, method(olog)ische Grenzen von und offene method(olog)ische Fragen zum Paarinterview (nicht nur) in der soziologischen Paarforschung.
Keywords: Paarinterviews; qualitative Sozialforschung; qualitative Methodologie; soziologische Paarforschung; Paarbeziehungen; soziale Interaktionen; Geschlechterungleichheiten
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Warum und wozu Paarinterviews?
2.1 Die Entstehung einer deutschsprachigen Paarsoziologie seit den 1960er Jahren
2.2 Erkenntnisinteressen und -möglichkeiten von Paarinterviews
3. Forschungspraxis im deutschsprachigen Raum: bisherige Anwendungen von Paarinterviews
3.1 Empirisch begründete Grundlagentheorie zum doing couple
3.2 Wandel von Geschlechterverhältnissen
3.3 Transitionsphasen
4. Methodische Anforderungen und methodenpraktische Fragen
4.1 Sampling und Paarrekrutierung
4.2 Art des Interviews, Ablauf, Gesprächsorganisation
4.3 Durchführung des Interviews
4.4 Transkription, Auswertung und Ergänzung mit anderen Erhebungsformen
5. Grenzen des Instruments und Fazit
5.1 Erzähltheoretische Herausforderungen
5.2 Ausschlüsse und Einschränkungen durch die Erhebungsform Interview
5.3 Fazit
6. Method(olog)ische Forschungslücken und offene Fragen
1. Einleitung1)
Bereits in PLATONs berühmter Geschichte von den Kugelmenschen, die in grauer Vorzeit gewaltvoll voneinander getrennt wurden, kommt ein großes Paarnarrativ zur Geltung: Die Menschen sind seitdem auf der Suche nach ihrer einst verlorenen Hälfte, werden sie doch erst in der Paarvereinigung wieder vollständig (PLATON 2000, 189d-191d). Bis heute gilt das Leben in (zweigeschlechtlichen) Paarbeziehungen als eine zentrale westlich-kulturelle Selbstverständlichkeit.2) Dennoch wurden Paarbeziehungen aus soziologischer Perspektive lange vernachlässigt und allenfalls als "Randthema der Familienforschung" (LENZ 2009, S.11ff., 2014, S.54) betrachtet. Mitte der 1960er Jahre, im Golden Age of Marriage and the Family (vgl. SIEDER 1987, S.243ff.), rückten BERGER und KELLNER (1965) explizit das Ehepaar in den Fokus. Seit den 1980er Jahren wird in der Familiensoziologie eine Pluralisierung von Formen des (Zusammen-) Lebens konstatiert: Das in Westdeutschland in den 1960er und 1970er Jahre vorherrschende, geschlechterungleiche männliche Ernährermodell geht in seiner Verbreitung zurück; Doppelverdiener*innen- und Doppelkarrierepaare, Familienernährerinnen, Paare ohne Kinder, gleichgeschlechtliche Paare u.a. werden mehr, und Paarbeziehungsnormen verändern sich hin zu mehr Egalität zwischen den Partner*innen. Im Zuge dieses Wandels ist auch in der Soziologie das Interesse an Paaren gewachsen, und seit den 1990er Jahren begann sich in Deutschland eine Soziologie der Paarbeziehung zu institutionalisieren, bei der das Paar als eigenständige Analyseeinheit im Zentrum steht. Hier wird – in Abgrenzung zu einem methodologischen Individualismus, der soziale Phänomene aus individuellem Handeln aggregiert, oder einem methodologischen Kollektivismus, der individuelles Handeln makrosoziologisch ableitet – dafür plädiert, (sozial-) theoretisch und methodologisch von der intersubjektiven Konstitution und damit Relationalität des Sozialen auszugehen3) und entsprechend Individuen-in-Beziehungen zu erforschen. Wir bezeichnen diese Zwischenposition als "methodologischen Relationalismus" (vgl. LUDWIG-MAYERHOFER et al. 2001; SCHNEIDER, LUDWIG-MAYERHOFER, WIMBAUER, ALLMENDINGER & KAESLER 2002; WIMBAUER 2003, 2012). [1]
Wie wir ausführen werden, sind Paarinterviews insbesondere dann, wenn das Paar als eigenständige Analyseeinheit und die Paarebene als solche im Zentrum des Forschungsinteresses stehen, als Erhebungsinstrument sowohl nicht- als auch standardisierten Befragungen der einzelnen Partner*innen überlegen: Hier werden Daten erzeugt, die die Interaktionen im Paar (vgl. ALLAN 1980) und die (gemeinsamen) Wirklichkeitskonstruktionen und -deutungen von Paaren als ein "doing couple" (SCHNEIDER et al. 2002, S.3) in situ erfahrbar machen und Paarperformances (u.a. LAUER 2011; PRZYBORSKI & WOHLRAB-SAHR 2014, S.109; STEMPFHUBER 2012; WIMBAUER 2003, S.145), Aushandlungsprozesse sowie Macht- und Ungleichheitsverhältnisse erfassen können. Paarinterviews erlauben nicht zuletzt, Paare dabei zu beobachten, "wie sie kommunikativ darin kooperieren und konkurrieren, ihre Geschichte zu konstruieren" (HIRSCHAUER, HOFFMANN & STANGE 2015, §62). [2]
Dennoch werden Paarinterviews in der empirischen Sozialforschung weitaus seltener eingesetzt als Einzelinterviews und individuelle standardisierte Befragungen. In der standardisierten Sozialforschung ist ein Grund hierfür, dass – entsprechend einem methodologischen Individualismus – häufig Einzelne als "natural unit of investigation" (ALLAN 1980, S.206) vorausgesetzt werden. Wir plädieren hingegen dafür, "den Blick auf die Paarbeziehung als Realität sui generis, auf die Individuen in Beziehungen und auf deren wechselseitige Verflechtung" (WIMBAUER 2003, S.137) zu richten und verorten uns hierbei im interpretativen Paradigma und in dem bereits genannten methodologischen Relationalismus. In Tradition der verstehenden Soziologie WEBERs (1972 [1921]), des symbolischen Interaktionismus (BLUMER 1969; MEAD 1993 [1934]; THOMAS 1967) und wissenssoziologisch-hermeneutischer Ansätze (HITZLER, REICHERTZ & SCHRÖER 1999; SCHRÖER 1994; SOEFFNER 1999; SOEFFNER & HITZLER 1994) wird das Subjekt als sinnhaft handelnd konzipiert. Im Zentrum stehen die subjektiven Deutungen der Akteur*innen, wobei subjektiver Sinn interaktiv hergestellt und wechselseitig bestätigt wird. Fokussiert man aus dieser methodologischen Perspektive Paarbeziehungen, so sind diese mehr als die Summe ihrer Einzelteile: Im Paar wird von den Partner*innen in Interaktionen, Aushandlungen und alltäglichen (Routine-) Handlungen eine eigene, emergente Wirklichkeit (BERGER & KELLNER 1965; SIMMEL 1985 [1921/22]) geschaffen. Hierbei sind nach dem von uns vertretenen relationalen Ansatz verschiedene Ebenen und Beziehungen zu betrachten: Die intersubjektive und emergente Konstitution des Paares und seiner Wirklichkeit findet wechselwirkend zentral zwischen zwei Individuen (Paarebene) mit individuellen Eigenschaften und Deutungen (individuelle Ebene) statt und ist hierbei in organisationale (Mesoebene), rechtliche, ökonomische, kulturelle und weitere gesellschaftliche Kontexte (Makroebene) eingebunden. Alle diese Faktoren stellen subjekt-, handlungs- und paarkonstitutionsrelevante Rahmenbedingungen dar und sind daher bei einer relationalen Analyse nach dem interpretativen Paradigma zu berücksichtigen (vgl. WIMBAUER 2003, S.139f., 2012, S.167). [3]
Weiter sind Paarinterviews in der Regel methodisch voraussetzungsvoller als Einzelinterviews, u.a. da sich die Interviewsituation mindestens triadisch statt dyadisch gestaltet (siehe ausführlicher zu den methodischen Besonderheiten Abschnitt 4). Zudem liegen bis heute im deutschsprachigen Raum, aber auch in der englischsprachigen Literatur nur vereinzelte, kaum systematische methodologische und methodische Überlegungen zu diesem Erhebungsinstrument vor, und auch in Lehrbüchern werden Paarinterviews in der Regel nicht erwähnt. Nur bei PRZYBORSKI und WOHLRAB-SAHR (2014) sowie bei KRUSE (2015) finden sich (relativ kurze) Ausführungen. [4]
In unserem Beitrag stellen wir daher das Paarinterview als Erhebungsinstrument der soziologischen Paarforschung in Tradition der interpretativen Sozialforschung aus method(olog)ischer Sicht und in systematischer Weise ins Zentrum. Hierzu legen wir nach einem kurzen Blick auf die Anfänge der soziologischen Paarforschung als einen zentralen Punkt die spezifischen Erkenntnisinteressen und -möglichkeiten von Paarinterviews (Abschnitt 2) sowie exemplarisch deren bisherige empirische Anwendungen im deutschsprachigen Raum dar (Abschnitt 3). Es folgen methodische Überlegungen zur Anwendbarkeit und Durchführung des Paarinterviews (Abschnitt 4) und zu seinen Grenzen (Abschnitt 5). Wir schließen mit ausgewählten offenen methodischen und methodologischen Fragen (Abschnitt 6). Hierbei greifen wir auf die (wenige) vorhandene Literatur und auf unsere langjährigen Erfahrungen mit Paarbefragungen zurück (ausführlich: WIMBAUER & MOTAKEF 2017; zu aktuellen Projektkontexten siehe die Danksagung am Ende des Beitrags). Da der Beitrag auf methodische und methodologische Fragen zielt, ziehen wir inhaltliche Aspekte der soziologischen Paarforschung nur an einigen wenigen Stellen zur Veranschaulichung unserer methodischen Ausführungen heran. [5]
2. Warum und wozu Paarinterviews?
2.1 Die Entstehung einer deutschsprachigen Paarsoziologie seit den 1960er Jahren
Paarbeziehungen galten lange nicht als soziologischer Gegenstand, obwohl bereits Georg SIMMEL (1985 [1921/22]) die emergente Qualität von Liebesbeziehungen herausgestellt und Paarbeziehungen als eigenständigen soziologischen Gegenstandsbereich gefasst hat, ebenso Leopold von WIESE (1966 [1933]) in seiner Beziehungslehre. In der Familiensoziologie fand allenfalls die Ehe Aufmerksamkeit, die aber lange weitgehend in eins gesetzt wurde mit der Familie (SCHNEIDER 2002) als intergenerationaler Zusammenhang zweier (verheirateter) erwachsener Partner*innen und ihrer (leiblichen) Kinder. [6]
Im englischsprachigen Raum entwickelte sich bereits seit den 1980er Jahren eine Soziologie der "personal relationships" (LENZ 2009, S.30), im deutschsprachigen Raum sind erst seit den 1990er Jahren Anfänge einer Soziologie der Paarbeziehung zu verzeichnen (exemplarisch LENZ 2009). Ein Wegbereiter hierfür war der Aufsatz "Die Ehe und die Konstruktion der Wirklichkeit" von Peter L. BERGER und Hansfried KELLNER (1965), in dem die Autoren den Charakter der Ehe als zentrales "nomosbildendes Instrument" (S.220) herausarbeiten. Mit ihrem wissenssoziologisch-sozialkonstruktivistischen Ansatz verorteten sie sich in der Tradition von WEBERs sinnverstehender Soziologie, von MEADs Intersubjektivitätstheorie sowie der Phänomenologie von SCHÜTZ und MERLEAU-PONTY. Nach BERGER und KELLNER ist die Ehe ein "dramatischer Vorgang, bei dem zwei Fremde aufeinandertreffen und sich neu definieren" (1965, S.222); sie begründe eine neue Wirklichkeit und habe emergenten Charakter (S.227). Die Re-Definition dieser neuen, gemeinsamen Welt erfolge zwischen den Ehepartner*innen als den füreinander "'signifikanten anderen' par excellence", denn im ehelichen Gespräch müssten die "Definitionen der Wirklichkeit durch den einen (...) fortwährend in Korrelation zu denen des anderen gesetzt werden" (S.226). [7]
Der Aufsatz sei eine "wesentliche Ideenquelle" (LENZ 2014, S.53) für die in Deutschland entstehende soziologische Paarforschung gewesen und zeichne sich, so LENZ, durch drei Stärken aus: Er thematisiere erstens die Ehe als einen eigenständigen soziologischen Gegenstandsbereich; es werde zweitens in Anbetracht der Wirklichkeitskonstruktion in Ehen eine genuin soziologische Perspektive auf das Phänomen der Ehe entwickelt; und der Aufsatz weise drittens einen starken Theoriebezug auf, indem er sozialkonstruktivistisch fundiert einen Beitrag zu einer Soziologie der Ehe leiste (S.54). Zugleich lassen sich aber aus heutiger Sicht einige Leerstellen identifizieren (vgl. teils LENZ 2014, S.54ff.), die fraglos auch dem Entstehungskontext des Aufsatzes von BERGER und KELLNER geschuldet sind:
Es erscheint heute nicht mehr angebracht, nur verheiratete Paare zu fokussieren, sondern die angelegte Ehenormativität ist zu überschreiten (vgl. auch LENZ 2014, S.55).
Mit Blick auf die Heteronormativität ist eine Ausweitung auch auf nicht-heterosexuelle Paare angezeigt.
Selbst dann bleibt der Blick paarnormativ: Zum einen werden andere soziale Beziehungen dem (Ehe-) Paar in ihrer nomosbildenden Kraft untergeordnet. Dies entspricht dem heute nicht mehr durchweg leitenden Konzept der romantischen Liebe/Ehe, in dem die Ehepartner*innen füreinander wechselseitige Höchstrelevanz (LENZ 2009, S.275ff.) aufweisen. Zunehmend lässt sich eine Orientierung an der "Partnerschaft" (LEUPOLD 1983, S.297) oder der "confluent love" (GIDDENS 1992, S.62) (übersetzt als partnerschaftliche Liebe) ausmachen, wonach die Einzelnen normativ gehalten sind, sich auch außerhalb der Paarbeziehung mit und durch andere soziale Bezüge zu verwirklichen (vgl. WIMBAUER 2003, 2012). Zum anderen leben nicht alle Menschen in Paarbezügen.
Paarbeziehungen konkurrieren zunehmend mit alternativen Sinnangeboten. Zudem werden sie voraussetzungsvoller angesichts veränderter Geschlechterleitbilder, steigender Ansprüche an den/die Partner*in, vielfältigerer Formen des Zusammenlebens und der Veränderungen der Erwerbssphäre mitsamt den Anforderungen, Beruf und Familie zu vereinbaren. Damit steigt der Aushandlungsbedarf, und die alltäglichen Herstellungsleistungen im Paar werden komplexer.
Eine ausschließliche Fokussierung des (ehelichen) Gesprächs als wirklichkeitskonstituierend lässt sich hinterfragen (siehe hierzu bereits früh HAHN 1983): Ohne Zweifel spielt das Gespräch eine herausragende Rolle für Sinngenerierungsprozesse des Paares. Allerdings ist auch die Paarpraxis, sei sie reflektiert oder präreflexiv, wichtig hierfür, etwa Praxen gemeinsamer Sexualität, gemeinsamen Lebens mitsamt der Fragen nach (ungleicher) Arbeitsteilung, Kinderfürsorge usw. Damit sind zuletzt auch – angelehnt an GARFINKELs (1967) Ethnomethodologie und an sozialkonstruktivistische, interaktionstheoretische (Gender-)Theorien – Fragen diverser interaktiver Herstellungsleistungen adressiert, etwa das doing gender (WEST & ZIMMERMAN 1987), doing family (JURCZYK, LANGE & THIESSEN 2014), doing intersubjective recognition (WIMBAUER 2012, S.169f.) oder doing (in)equality (RUSCONI & WIMBAUER 2013, S.11), die allesamt neben verbalen auch nonverbale Aspekte umfassen.
Auch räumte der Ansatz von BERGER und KELLNER Konflikten und sozialen Ungleichheiten kaum Raum ein; er ist zudem weitgehend geschlechterblind: Den Autoren zufolge ist die Ehe zwar ein "dramatischer Vorgang", weil hier "zwei Fremde aufeinander treffen und sich neu definieren" (1965, S.222), Konflikte werden hierbei aber nicht explizit thematisiert. Dies mag einerseits daran liegen, dass BERGER und KELLNER keine mikrosoziologisch-interaktionistische Analyse des Paares vorlegten, sondern letztlich eine wissenssoziologische Makrosoziologie der Ehe. Andererseits mag dies der damaligen hohen Ehestabilität geschuldet sein. Bereits früh verwiesen aber feministische Forscherinnen auf geschlechterdifferente Ungleichheiten, die in der mit der bürgerlichen Ehe einhergehenden ungleichen Arbeitsteilung und ungleichen Anerkennungsordnung eingelassen sind (z.B. BECK-GERNSHEIM 1980; BECKER-SCHMIDT, BRANDES-ERLHOFF, RUMPF & SCHMIDT 1983; vgl. auch WIMBAUER 2003, 2012). Die gegenwärtigen Scheidungsquoten und Trennungsraten dürften Ausdruck dessen sein, dass kommunikativ und/oder praktisch eben keine gemeinsame Welt geschaffen werden konnte – etwa mit Blick auf ungleiche Arbeitsteilung, auf die Nichtanerkennung des/der anderen und auf das "doing (in)equality" (RUSCONI & WIMBAUER 2013, S.11) im Paar. Diesbezüglich sind BERGER und KELLNER nicht weiterführend. Paarbeziehungen sind aber ein zentraler Ort, an dem Geschlecht und Ungleichheiten zwischen den Partner*innen interaktiv hergestellt werden (RUSCONI & WIMBAUER 2013; RUSCONI, WIMBAUER, MOTAKEF, KORTENDIEK & BERGER 2013; WIMBAUER 2012), weshalb uns eine mikrosoziologisch-interaktionistische Perspektive notwendig erscheint.
An Ungleichheiten und Konflikte schließt sich die Frage an, ob es eine geteilte Wirklichkeit theoretisch geben kann und empirisch gibt – oder ob nicht von zwei, drei, vielen Wirklichkeiten auszugehen ist. Der Nachvollzug des subjektiven Sinns von Ego (die SCHÜTZschen Konstruktionen erster Ordnung) durch Alter sowie durch die Forschenden (Konstruktionen zweiter Ordnung nach SCHÜTZ 1971 [1962]), also Fremdverstehen (SCHÜTZ 2004 [1932]), ist nie vollständig, sondern allenfalls ansatzweise möglich. Hier schließen sich weitere grundlagentheoretische Fragen an, auf die wir unter anderem im letzten Abschnitt zurückkommen: Zwar kann das Paar als Realität sui generis (SIMMEL 1985 [1921/22]) und als eine eigenständige Sinngenerierungsinstanz (SPURA 2014) gefasst werden. Methodologisch ergibt sich gerade auf dieser sozialtheoretischen Grundlage das Paarinterview als angemessenes Analyseinstrument hierfür. Doch kann es eine gemeinsame Paarwirklichkeit geben? LUDWIG-MAYERHOFER et al. (2001, S.8) konstatieren mit Bezug auf ECKERT, HAHN und WOLF (1989), dass es keine "(völlig) gemeinsame Paarwirklichkeit" gebe. Auch HILDENBRAND (2006) argumentiert, dass es nur zu Ausschnitten einer gemeinsamen Welt (-sicht) komme, während andere Aspekte unterschiedlich blieben. HAHN (1983) entwickelte das Konzept der "Konsensfiktionen", wonach ein mangelnder realer Konsens durch eine Konsensunterstellung überbrückt wird, jedoch bleibt offen, wovon abhängt, wann es zu Konsensfiktionen, wann zu Konflikten kommt. Bei Konsensfiktionen wie bei Konflikten über die Geltung unterschiedlicher Deutungen ist eine zentrale ungleichheits- und paarsoziologische Frage diejenige nach der Deutungsmacht: Welche*r der Partner*innen kann seine*ihre Deutung diskursiv oder praktisch durchsetzen? Welche lässt sich als hegemonial rekonstruieren – und wie kommt diese Hegemonie zustande? Dies erforschen zu können, ist eine der größten Stärken des Paarinterviews (vgl. ALLAN 1980, S.208). [8]
2.2 Erkenntnisinteressen und -möglichkeiten von Paarinterviews
Mit der Würdigung der Klassiker BERGER und KELLNER und der Prüfung der Aktualität ihres Aufsatzes sind bereits einige zentrale Themen und Erkenntnisinteressen der interpretativen Paarforschung benannt, die in Abschnitt 2.2.3 systematisch skizziert werden. Die dargelegten Erkenntnismöglichkeiten beschränken sich aber nicht auf Ehepaare, sondern gelten ebenso für nicht verheiratete und nicht heterosexuelle Paare. Unter Paaren verstehen wir hier also zunächst "Liebes"-Paare im Sinne einer wie auch immer geschlechtlich zusammengesetzten intimen Zweierbeziehung (vgl. hierzu LENZ 2009), die sich auch selbst als Paare definieren (zur Übertragbarkeit auf andere Paare siehe Abschnitt 5). Zuvor werden jedoch noch kurz generelle Anmerkungen zu mündlichen Interviews gemacht (Abschnitt 2.2.1), zudem grenzen wir das Paarinterview von Einzelinterviews und kollektiven Erhebungsformen ab (Abschnitt 2.2.2). Abschließend benennen wir mögliche Schwachstellen von Paarinterviews (Abschnitt 2.2.4). [9]
2.2.1 Vorbemerkung zu Interviews generell
Mündliche Befragungen sind in der interpretativen Sozialforschung weit verbreitet und erprobt. Ihre Stärken liegen darin, verbale Darstellungen von Handlungen, Geschichten, Ereignissen oder Biografien und den darin verbalisierten subjektiven Sinn, subjektive Sichtweisen, Deutungen und Einstellungen zu erfassen (siehe u.a. KRUSE 2015; KÜSTERS 2009; LUCIUS-HOENE & DEPPERMANN 2004; PRZYBORSKI & WOHLRAB-SAHR 2014; ROSENTHAL 2015; SCHÜTZE 1983). Zudem können mit ihnen auch implizite, latente Sinnstrukturen erhoben werden, die die Befragten nicht explizit benennen (u.a. KÖNIG 2001; OEVERMANN, ALLERT, KONAU & KRAMBECK 1979; WERNET 2009). Jedoch sind sie als mündliche Erhebungsformen sprachzentriert, und sie sind immer subjektiv, kontext-, standort- und zeitgebunden. Sie liefern, geht man von der sozialen Konstruktion der Wirklichkeit (etwa: BERGER & LUCKMANN 1969) aus, keinen Aufschluss über "tatsächliche", "objektive" Sachverhalte, sondern über Ausschnitte der diskursiven Alltagspraxis (siehe auch Abschnitt 5.1 sowie NASSEHI 1994, S.57; NASSEHI & SAAKE 2002, S.70; zusammenfassend KÜSTERS 2009, S.28f.). Geeigneter zur Erfassung der umfassenden (Paar-) Praxis wären z.B. ethnomethodologisch inspirierte teilnehmende Beobachtungen (siehe etwa KAUFMANN 1994) oder Videoaufzeichnungen (von Paaren etwa ISEP 2014). Allerdings lassen sich manche Praktiken von Paaren (etwa Sexualität oder Streit) nur schlecht offen teilnehmend erforschen. Verdeckte teilnehmende Beobachtung ist, wenn es sich nicht um öffentliche und frei zugängliche Praktiken handelt, oft ethisch bedenklich. [10]
HIRSCHAUER et al. (2015, §7) betonen, dass – anders als "auch in einem Großteil der qualitativen Forschung" angenommen – Interviews keine "Auskünfte" (§5) geben würden. Vielmehr seien "Interviews verbale Darstellungen, mit denen unterschiedliche Handlungen vollzogen werden: behaupten, erzählen, rechtfertigen, belehren, anklagen, rationalisieren usw.". Mit Referenz auf SCHÜTZE (1987) bezeichnen HIRSCHAUER et al. jedenfalls das narrative Interview als eine "Sprechpraxis" (2015, §7), deren Analyse "verschiedene Darstellungsstile" differenziere. Interviews seien zudem "Versionen von Ereignisabläufen, die mit der biografischen Zeit changieren" (a.a.O.) und somit an den Zeitpunkt des Sprechens gebunden, von dem aus rück- und vorausblickend erzählt, bewertet etc. wird. Vor allem seien Interviews als "Interaktionszüge" zu fassen, die durch Fragen, Erwartungen und Kommunikationssignale gesteuert würden und in denen die Teilnehmenden aufeinander reagierten. Schließlich handele es sich um "Diskursfragmente", da die Befragten auf Narrationen in Diskursen zurückgriffen, in die sie auf Paarebene, im Freundes- und Familienkreis und auch massenmedial vermittelt verstrickt seien. Auch müsse die spezifische soziale Situation des Interviews reflektiert werden (vgl. auch DEPPERMANN 2013, §60), weil sie bestimmte Erwartungen seitens der Interviewten und der Interviewenden beinhalte. [11]
Wir schließen uns HIRSCHAUER et al. (2015) in diesen Punkten an, gehen aber anders als die Autor*innen gleichzeitig davon aus, dass Interviews – wie in diesem Abschnitt eingangs erwähnt – auch "Auskünfte" geben können über subjektiven Sinn, subjektive Sichtweisen, Deutungen und Einstellungen. Dies gilt für Einzel- wie für Paarinterviews. Den von HIRSCHAUER et al. herausgestellten Dimensionen der Sprechpraxis und der Interaktion kommt im Paarinterview nochmals besondere Bedeutung zu. [12]
2.2.2 Das Paarinterview in Abgrenzung zu Einzelinterviews mit beiden Partner*innen und weiteren kollektiven Erhebungsinstrumenten
BEHNKE und MEUSER konzipieren das Paarinterview als "Mischform aus dem autobiographisch-narrativen Interview ... und dem Gruppendiskussionsverfahren" (2013, S.77; ebenso KRUSE 2015, S.159). Nach PRZYBORSKI und WOHLRAB-SAHR handelt es sich "im Kern um eine erweiterte Form des biographischen Interviews, im Sinne eines familienbiographischen oder paarbiographischen Interviews" (2014, S.111). Schließlich beinhaltet das Paarinterview auch Elemente teilnehmender Beobachtung; dies trifft zwar für Einzelinterviews auch zu, aber in geringerem Umfang. [13]
Fasst man soziale (Nah-) Beziehungen als Ausgangspunkt soziologischer Analyse und Paarbeziehungen als eine eigenständige Analyseeinheit, so lässt sich dies weder einem methodologischen Individualismus noch Kollektivismus, sondern – wie in Abschnitt 1 ausgeführt – einem "methodologischen Relationalismus" zuordnen, der von der intersubjektiven Konstitution des Sozialen ausgeht. Innerhalb dieses größeren Rahmens eines methodologischen Relationalismus, in dem weite Teile der qualitativen Sozialforschung verortbar wären, kommt dem Paarinterview als Interview zweier Individuen-in-Beziehungen eine besondere Bedeutung zu. Paarinterviews können zwar, wie auch Familieninterviews oder Gruppendiskussionen, als "kollektive Erhebungsverfahren" (S.109) bezeichnet werden, in denen Elemente von biografischen und Gruppeninterviews zum Tragen kommen. Unserer Meinung nach ist es jedoch als eine eigenständige Interviewform mit eigenständigen Qualitäten zu betrachten. Die Eigenständigkeit der Erhebungsmethode resultiert aus den besonderen Charakteristika seines Forschungsgegenstandes, den Paarbeziehungen. Diese stellen eine emergente, eigenständige Analyseebene und Realität sui generis dar (u.a. BERGER & KELLNER 1965; SIMMEL 1985 [1921/22]) und weisen Spezifika auf, die sie sowohl von Individuen als auch von Familien, Gruppen, Generationen und anderen Kollektiven unterscheiden: Paarbeziehungen charakterisieren sich theoretisch-strukturell durch Exklusivität, Einmaligkeit und Mortalität der Paardyade und durch ihre (zumindest angenommene) Dauerhaftigkeit; zudem weisen sie einen hohen wechselseitigen Verpflichtungscharakter auf und zeichnen sich normativ durch ein Authentizitätsgebot, wechselseitige Höchstrelevanz sowie durch ihre ausgeprägte – theoretische wie subjektiv-empirische – identitätsstiftende Funktion aus (LENZ 2009, S.36ff.). Auch sind sie nach wie vor institutionell besonders abgesichert.4) Diesen Spezifika verdankt die Paarbeziehung letztlich ihr Vermögen zur intersubjektiven Konstitution einer gemeinsamen Paarwirklichkeit, welche angemessen nur mittels Paarinterviews rekonstruiert werden kann (siehe Abschnitt 2.3). [14]
Einzelinterviews eignen sich hingegen für Fragestellungen, die auf das einzelne Individuum, dessen individuelle Sicht oder Biografie (SCHÜTZE 1983, 1987) zielen. Dabei können durchaus auch kollektive Orientierungen und gemeinsame "Erfahrungsaufschichtungen" (SCHÜTZE 1987, S.237) aus biografischen Erzählungen abstrahiert werden. Beispiele sind BUDEs Studie zur "Flakhelfer-Generation" (1987, auch 2000) und ROSENTHALs Arbeit zur Hitlerjugend (1987). Auch für paarsoziologische Fragestellungen können die individuelle Sicht und sogar die kollektive Sicht der Partner*innen auf das Paar thematisiert werden. Ein methodisch individualzentriertes Design kann damit durchaus methodologisch relational sein, indem ein*e Partner*in (P1) oder beide getrennt voneinander nach der Situation und Sicht von Alter (P2) mit befragt wird. Sie kann auch relational sein, wenn die Befragten ihre Partner*innen in ihren Narrationen zum Sprechen bringen, wie etwa durch Zitate oder als "paraphrasierte Sprechende" (HIRSCHAUER et al. 2015, §19). Hierbei stellen sich jedoch zwei Probleme. Diese beziehen sich erstens auf die Sicht des/der Anderen: Die Befragung von P1 über P2 bringt womöglich Erkenntnisse bei Aspekten, die beiden bekannt und zwischen ihnen unstrittig sind. Aber oft verfügt P1 gar nicht über dieses Wissen. Mehr noch: Bei subjektiven Sichtweisen kann nicht eine Person über die andere mitbefragt werden, hierzu müssten zumindest beide einzeln befragt werden. Doch selbst dann können sich Inkongruenzen zeigen, womit unklar bleibt, ob sich beide unterschiedlich erinnern und/oder ob widersprechende Deutungen aufeinander treffen. Zweitens können Individualbefragungen nicht die Aushandlungen der intersubjektiven Sichtweisen erfassen, d.h., wie Deutungen und Ungleichheiten zwischen den Beteiligten hergestellt werden, wer sich wie und warum durchsetzen kann – also die gegenwärtige Interaktionsdynamik und das innere Geschehen der Paarbeziehung. Methodisch ist daher, wenn Paare Analysegegenstand sind, das gemeinsame Paarinterview am angemessensten. [15]
Nun ist das Paarinterview, wie das Familieninterview und die Gruppendiskussion, ein kollektives Erhebungsinstrument. Worin bestehen Gemeinsamkeiten, worin Unterschiede? Richtet sich das Forschungsinteresse nicht auf die Paarebene, sondern auf die ganze Familie, etwa auch in der Generationenfolge, ist der Einsatz von Familieninterviews und familiengeschichtlichen Gesprächen (HILDENBRAND & JAHN 1988) zu empfehlen. Wie in Paarinterviews findet auch hier gemeinsames Erzählen statt. Die Familie erzählt von sich als Familie, sodass die interaktive Performanz der Familienmitglieder rekonstruiert werden kann. Die Familienpräsentationen können dabei von den anderen Familienmitgliedern bestätigt oder infrage gestellt werden. Wie im Paarinterview ist dabei die Diskursorganisation zentral. Anders als beim Paarinterview, in dem es (neben der Beziehung zu den Interviewenden) lediglich die Paardyade gibt, existieren in Familieninterviews multiple Beziehungsebenen wie die Paar-, Eltern-Kind- und Geschwisterbeziehung oder die Beziehung zu den Interviewenden, weshalb die Interaktionsdynamik komplexer sein kann. Allerdings steigen damit auch die Tabuisierungsmöglichkeiten: Bestimmte Themen wie etwa der Umgang mit Armut sind nur schwer in Familieninterviews thematisierbar. Um solche tabuisierten Themen und Konflikte berücksichtigen zu können, lassen sich ebenfalls ergänzende Einzelinterviews hinzuziehen. Im Vergleich zum Paarinterview besteht eine größere Herausforderung in der Frage der Zugehörigkeit zur Familie (HILDENBRAND 2005), und vor allem unterscheidet sich die Art und Konstitution der kollektiven Orientierung. [16]
Gruppendiskussionen werden empfohlen, wenn kollektive Orientierungen im Zentrum stehen. Eine im deutschen Sprachraum prominente Variante des Gruppendiskussionsverfahrens wurde von BOHNSACK (2014) auf Grundlage der Wissenssoziologie von MANNHEIM entwickelt. Mit MANNHEIM sollen in diesem Verfahren die konjunktiven Erfahrungen von realen Gruppen oder von Milieus rekonstruiert werden (BOHNSACK 2014, S.61f.). Ausgangspunkt ist die Annahme, dass die Einzelnen in "Erlebnis- und Orientierungsmuster" eingebunden sind, die als "Konjunktion" (Verbindung) erscheinen, als "im gemeinsamen Erleben" fundiertes "Miteinanderverbundensein" (S.121). Reale Gruppen können hiernach Cliquen, Nachbarschaften, aber durchaus auch Familien und Paare umfassen. Die konjunktiven Erfahrungen von Milieus sind dagegen nicht an reale Gruppe gebunden, wie MANNHEIMs Begriff des "Generationszusammenhang" verdeutlicht (2009 [1928], S.133). Hier geht es nicht um gemeinsames Erleben in konkreten Beziehungen, sondern um die Existenz einer kollektiven "Erlebnisschichtung" (BOHNSACK 2014, S.65) wie etwa beim Erleben des "Mauerfalls" von 1989. Auch in Paarbefragungen können solche kollektiven Orientierungen rekonstruiert werden, weshalb, wie oben erwähnt, nach BEHNKE und MEUSER (2013, S.77) Paarbefragungen Elemente von Gruppendiskussionen beinhalten (können, aber nicht müssen) – und darüber hinaus noch anderes können (Abschnitt 2.2.3). Insbesondere das kollektive Erleben bzw. der konjunktive Erfahrungsraum unterscheiden sich in Teilen. [17]
Methodologisch grenzt sich das Paarinterview von Gruppendiskussionen, bei denen die Zusammensetzung der Gruppe offen ist und nach Forschungsinteresse je unterschiedlich ausfallen kann, und vom Familieninterview ab, weil hier eine einzigartige Paardyade im Zentrum steht, die sich durch die genannten Strukturmerkmale der Höchstrelevanz, Exklusivität, Authentizität, Dauerhaftigkeit und einer gemeinsamen Weltsicht (Nomosbildung) auszeichnet (siehe auch Abschnitt 2.1). Diese Strukturmerkmale brechen mit dem Wandel der Liebesleitbilder und der Deinstitutionalisierung der Ehe zwar auf, verlieren aber nicht grundsätzlich an Gültigkeit. Anders als im dyadischen Paar kann weder in Gruppen noch in Familien von einer entsprechenden Nomosbildung ausgegangen werden. Einerseits teilen Familien die "milieutypische[n] Selbstverständlichkeiten der Welt- und Selbstauffassung" (HILDENBRAND 2005, S.12), andererseits können diese auch stark auseinanderfallen (man denke an "schwarze Schafe" der Familie oder an divergierende Weltsichten als Abgrenzungsmöglichkeit zwischen den Generationen). Anders als bei Paaren bildet zudem die "Unkündbarkeit der Personen" (a.a.O.) ein Strukturmerkmal von Familien. Dies kann Konflikte im Vergleich zu Paaren mangels Exitoptionen erhöhen, es kann aber auch zu anderen Formen der Konfliktlösung (z.B. Schweigen oder Rückzug/Exit aus der Familie statt Ausdiskutieren) führen. Während schließlich das Authentizitätsgebot in Paarbeziehungen Geheimnisse im Paar delegitimiert, sind in Familien (und vollends in Gruppen) Geheimnisse und (Familien-)Tabus ausgeprägter Teil der Alltagspraxis. Mit der Generationendifferenz in Familien gehen spezifische Normen einher, etwa dass jüngere Familienangehörige nicht über alle belastenden Themen informiert werden. Auch wenn von einem "kollektive[n] Familiengedächtnis" (a.a.O.) ausgegangen werden kann, zeichnet sich dieses durch mehr Heterogenität aus als die teils gemeinsame Weltsicht der Paare. Durch das Prinzip der Elternschaft gestalten sich schließlich auch die normativen Erwartungen an die Familienmitglieder anders als in Paarbeziehungen, z.B. dass Eltern für ihre Kinder sorgen oder erwachsene Kinder für ihre Eltern im Alter. [18]
Durch die genannten Punkte einschließlich der gesellschaftlich vermittelten Paarnormativität erhält die Paarbeziehung eine deutlich privilegierte oder jedenfalls besondere Bedeutung gegenüber der Gruppe. Strukturmerkmale von Gruppen bilden "Zusammengehörigkeit" sowie "Unmittelbarkeit, Diffusität und relative Dauerhaftigkeit" (LENZ 2009, S.40). Die Verbindlichkeit und der Ausschnitt an Gemeinsamkeiten sind jedoch im Allgemeinen in Gruppen geringer, und anders als ein Paar kann eine Gruppe fortbestehen, wenn ein Mitglied die Gruppe verlässt. Gruppen können zudem an nur ein Thema gebunden sein und sonst kaum Gemeinsamkeiten aufweisen. Besonders gilt in (Erwachsenen-) Gruppen und Cliquen das normative Authentizitätsgebot von Paarbeziehungen nicht, und sie weisen in der Regel auch keine annähernd entsprechende Identitätsrelevanz auf. Die gemeinsame Erfahrungsaufschichtung ist also in Gruppen theoretisch immer weit mehr ausschnitthaft und weniger verbindlich, während in Paarbeziehungen theoretisch eine "Vollinklusion" leitend ist. Auch werden in Paarbeziehungen nicht nur gemeinsame Erfahrungen relevant, sondern wesentlich auch nicht gemeinsame Erfahrungen, die theoretisch-normativ zu einer gemeinsamen Weltsicht zu integrieren sind (oder jedenfalls miteinander vereinbart werden müssen). [19]
Das Paarinterview und die kollektiven Erhebungsverfahren Familieninterview/-gespräch und Gruppendiskussion weisen also Gemeinsamkeiten auf, als sie insbesondere gemeinsame Erfahrungsaufschichtungen und deren interaktive Herstellung im Interview erfassen können. Jedoch unterscheiden sich u.a. (methodologisch und theoretisch begründet) die Art der in Paaren, Familien und Gruppen je (potenziell) konstituierten kollektiven Identitäten und Sichtweisen und damit auch das oder die angemessene/n Instrument/e zu deren Rekonstruktion. [20]
2.2.3 Spezifische Erkenntnismöglichkeiten und Stärken des Paarinterviews
Was sind aber nun die spezifischen Stärken des Paarinterviews? Paarinterviews sind zunächst besonders geeignet zur Erfassung der intersubjektiven Konstruktion gemeinsamer (oder unterschiedlicher) Sinnwelten, Wirklichkeitsdeutungen und Sichten auf die Welt von Paaren. Weiter können die Interaktionen im Paar in situ eingefangen und damit die Eigenständigkeit und Dynamik des Interaktionsgeschehens untersucht werden, da das Paarinterview die konkreten, interaktiven Handlungsvollzüge in verschiedenen Situationen, das doing couple (WIMBAUER 2003, S.147) und die Paarperformanz (HIRSCHAUER et al. 2015, §4; LAUER 2011, S.299 mit Bezug auf PRZYBORSKI & WOHLRAB-SAHR 2014, S.109f.; STEMPFHUBER 2012; WIMBAUER 2003, S.145) jedenfalls in Ausschnitten aufzeigt. Das Paarinterview erlaubt also einen Einblick in die "Blackbox" Paar, in das innere Geschehen des Paares und in die Dynamik dieser sozialen Beziehung. [21]
Bei diesem interaktiven doing couple kommen, und dies ist eine der bedeutendsten Stärken, die Aushandlungsprozesse5) im Paar zur Beobachtung: einmal Aushandlungen zwischen den Partner*innen über den und im Alltag, die im Interview als reflexive oder präreflexive "Entscheidungen" und Paararrangements (etwa: wie kam es zur Elternzeitnahme oder zum gegenwärtigen Arbeitsteilungsarrangement?) sprachlich dargestellt werden. Zudem finden im Interview selbst Aushandlungen zwischen den Partner*innen statt, etwa über Rederechte und inhaltliche Zuständigkeiten, welche wiederum Erkenntnisse über den Alltag und die innere Ausgestaltung des Paares liefern. Hierbei zeigen sich nach BEHNKE und MEUSER (2013, S.78) "deutliche Entsprechungen zwischen der Praxis der Darstellung und der dargestellten Praxis". (Allerdings bleibt hier unklar, ob die Autor*innen von einer Homologie im strengen Sinne ausgehen oder nur von einer weitgehenden Homologie. Wir teilen das letztgenannte Verständnis, nachdem sich die Praxis der Darstellung und die dargestellte Praxis häufig, aber nicht immer entsprechen.) Kurz: Das Paarinterview liefert nicht nur verbale Darstellungen des Geschehenen, etwa von Aushandlungen, sondern Interaktionen und Aushandlungen können im Interview zudem direkt beobachtet werden.6) Das Paarinterview stellt damit auch eine teilnehmende Beobachtung der stattfindenden Aushandlungsprozesse dar, die wiederum Aufschluss über die innere Verfasstheit des Paares geben können. [22]
Auch lassen sich im Paarinterview Selbst- und Fremddarstellungen sowie Selbst- und Fremdpositionierungen beider Partner*innen von sich selbst und von dem/der anderen erfassen, ebenso Paardarstellungen und Paarpositionierungen sowohl gegenüber den Interviewenden als auch voreinander. Diese "Selbst- und Fremdpositionierungen werden sowohl auf der Ebene der Darstellung bzw. Geschichte als auch auf der Ebene der aktuellen Interaktion im Interview vollzogen" (DEPPERMANN 2013, §46). Analytisch aufschlussreich ist nicht nur der jeweilige Inhalt der Darstellung, sondern auch, ob die Inhalte zwischen den Partner*innen übereinstimmen oder voneinander abweichen. [23]
In der Rekonstruktion der Paardeutungen, der Darstellung der alltäglichen Aushandlungen und der tatsächlichen Aushandlungen im Interview sowie der Selbst-, Partner*innen- und Paardarstellungen lassen sich zudem besonders gut die Formen, Inhalte und Vollzüge der – dargestellten und der sich während des Interviews ereignenden – alltäglichen Herstellungsleistungen des Paares rekonstruieren: neben dem doing couple insbesondere auch das doing gender, doing family oder doing recognition im Paar. [24]
Weiterhin kann das Paarinterview als "performativer Raum symbolischer Machtausübung" (LAUER 2011, S.297) bezeichnet werden, weshalb Machtdifferenzen und die interaktive Re-/Produktion und Begründung von Ungleichheiten im Paar – das doing (gender) inequality (RUSCONI & WIMBAUER 2013) – erfasst werden können. Gerade in Paarbeziehungen werden, in Verbindung von und Auseinandersetzung mit individuellen Merkmalen und gesellschaftlichen Strukturen, maßgeblich Ungleichheiten zwischen den Partner*innen und zwischen den Geschlechtern interaktiv re-/produziert. Paarbeziehungen sind damit Schaltstellen der Ungleichheitsproduktion und verbinden zudem die sogenannte Mikro- und Makroebene, weshalb ein Blick in diese "Blackbox" sehr aufschlussreich und ein relationaler Ansatz zur angemessenen Analyse erforderlich ist. [25]
Hierbei lassen sich auch der Einfluss gesellschaftlicher Strukturen und institutioneller Rahmenbedingungen (etwa familienpolitischer Regelungen, der Anforderungen des Arbeitsmarktes u.a.) auf die paarinterne Wirklichkeits- und Ungleichheitsproduktion sowie die Wahrnehmung der Rahmenbedingungen durch die Befragten erfassen, wenn im Interview die jeweils relevanten institutionellen und gesellschaftlichen Kontexte adressiert werden (WIMBAUER 2012). [26]
Schließlich (und die in Abschnitt 2.2.4 genannte Schwachstelle einer möglichen Ausblendung von Konflikten teilweise ausgleichend) ist festzuhalten: Auch im Alltag treten Divergenzen zwischen den Partner*innen auf, und diese können auch in der konkreten Paarinteraktion in situ sichtbar werden. Es lässt sich also direkt beobachten, wie Differenzen konstituiert und prozessiert werden (vgl. HIRSCHAUER et al. 2015, §42). Das Paarinterview kann damit das auch im Alltag von Paaren in der Regel zu bearbeitende, mehr oder weniger ausgeprägte Spannungsfeld zwischen Einheitskonstitution als Paar und divergenten individuellen Sichtweisen erfassen (PRZYBORSKI & WOHLRAB-SAHR 2014, S.110). Zwar ist dieses Spannungsfeld im Interview meist weniger deutlich als im Alltag, aber bleibt doch meist sichtbar. Dies ist insofern aufschlussreich, als "gerade in den Glättungsversuchen (...) die Einheit stiftenden Leistungen" des Paares "in ihrer jeweiligen Besonderheit erkennbar" (S.111) werden. [27]
Zusammenfassend lässt sich also als größte Stärke festhalten, dass das Paarinterview vielfältige relationale Aspekte erfassen kann: Interaktionen, Aushandlungen und Ungleichheiten im Paar sowie Paarperformances und (Selbst-) Präsentationen des Paares und als Paar. Es liefert einen Einblick in die beobachtbare konkrete Paarpraxis und in die Darstellung der Praxis im Interview als doing couple, aber auch als doing gender, doing family, doing recognition und doing inequality. Mit dem relationalen Blick auf Individuen-in-Paarbeziehungen lässt sich also das doing sowie die Darstellung des doing in verschiedenen Facetten und damit die Prozesshaftigkeit und Dynamik des Sozialen ausschnitthaft beobachten. Empirisch lässt sich so nicht nur Macht- und Ungleichheitsverhältnissen nachspüren, sondern auch Zeitdiagnosen einer Neuformierung, Ökonomisierung oder Auflösung sozialer Beziehungen. Weitergehend lässt sich auch das Zusammenspiel von individuellem Handeln, sozialen Beziehungen und gesellschaftlichen Strukturprinzipien analysieren – und deren Veränderungen im Zeitverlauf. [28]
Weitere Erkenntnismöglichkeiten des Paarinterviews
Wie schon erwähnt, bietet das Paarinterview auch Gelegenheiten zur teilnehmenden Beobachtung. In Paar- und Einzelinterviews bezieht sich dies, wenn das Interview zu Hause geführt wird, beispielsweise auf die Wohnumgebung, auf die Wohnlage sowie auf die äußere und innere Erscheinung des Hauses oder der Wohnung. Im gemeinsamen Paarinterview kommen interaktive Beobachtungsmöglichkeiten hinzu, etwa emotionale Aspekte sowie die Stimmung im Paar und im Interview und wie die Partner*innen nonverbal miteinander umgehen, sich (nicht) ansehen oder berühren, was idealerweise in einem Protokoll festgehalten werden sollte. Weiter kann man sehen, wie sich die Partner*innen Raum nehmen und geben, sich körperlich inszenieren, sich adressieren und wie die Interviewenden adressiert werden: Manche Paare sprechen vorwiegend zu den Interviewenden und über Alter in der dritten Person, andere sprechen vorwiegend mit und zu sich und vergessen bisweilen die Anwesenheit der Interviewenden. Dies führt zu den Erkenntnismöglichkeiten des Paarinterviews auch für die Paare selbst (vgl. auch HIRSCHAUER et al. 2015). [29]
Vom "Nutzen" des Paarinterviews für die Paare
Wenngleich dies aus Sicht der Forschenden kein explizites Ziel ist, so kann das Paarinterview den befragten Paaren die Möglichkeit bieten, Dinge in Erfahrung zu bringen, die sie einander bisher noch nicht gesagt haben: "Im Paarinterview können manche Teilnehmende unter Umständen zum ersten Mal ihren PartnerInnen dabei zu hören, wie sie gegenüber Dritten über 'uns' sprechen. Insofern erforschen auch sie im Interview ihre Paarbeziehung" (HIRSCHAUER et al. 2015, §31). Auch in unseren Fällen7) finden sich Beispiele hierfür: Viele Befragte bedankten sich für das auch für sie "sehr interessante" Gespräch, äußerten nach dem Interview oder vor dem später folgenden Einzelinterview, dass sie selbst Neues erfahren, erstmals über bestimmte Dinge nachgedacht oder über sie gesprochen hätten. [30]
Zudem, und auch dies findet sich häufig in unserem Material, kann das Interview für eine/n Partner*in dazu dienen, Alter bestimmte, oft Unzufriedenheit erzeugende Sachverhalte oder Haltungen mitzuteilen. Auch kann ein/e Partner*in an den/die andere*n appellieren, die besagten Dinge wahrzunehmen oder zu ändern (vgl. auch HIRSCHAUER et al. 2015, §35, §41). Gerade in Anwesenheit Dritter soll dem womöglich größeres Gehör verschafft werden (in unseren Fällen wurden solche Handlungs- und Änderungsappelle von Alter allerdings häufig "nicht gehört"). [31]
Gerade wenn Paare das Interview nutzen, um ihre Beziehung zu reflektieren oder sich Mitteilungen zu machen, kann es bisweilen den Charakter eines quasi-therapeutischen Gesprächs annehmen. Dies ist für das Paar (und für die Interviewenden) nicht in allen Fällen nur positiv, etwa wenn in oder nach dem Interview tabuisierte Themen und Konflikte zutage treten. Ein (Paar-) Interview stellt immer einen Eingriff in das Leben der Befragten dar, weshalb seitens der Interviewenden grundsätzlich höchst sensibel mit allen offen oder latent angesprochenen Themen umzugehen ist. Dem Schutz der Forschungssubjekte muss immer höchste Priorität zukommen. [32]
Nachdem die besonderen Erkenntnismöglichkeiten des Paarinterviews im Vergleich zu Einzelinterviews und kollektiven Erhebungsinstrumenten im Zentrum standen, fragen wir im folgenden Abschnitt, worin seine (teils nur vermeintlichen) Schwächen bestehen. [33]
2.2.4 Schwachstellen des Paarinterviews
Dem Paarinterview wird oftmals eine spezifische Problematik attestiert.8) Diese bestehe in der "Anfälligkeit von Konsensfiktionen", so KRUSE (2015, S.162) mit Rückgriff auf HAHN (1983) und HILDENBRAND (2006), oder anders gewendet: Dissens und Konflikte würden im Paarinterview oft dethematisiert (vgl. LUDWIG-MAYERHOFER et al. 2001, S.9), also nicht angesprochen. Dies heißt nicht, dass sich keine (offenen) Konflikte zeigen, aber konfliktreiche Sachverhalte werden weniger wahrscheinlich oder weniger offen thematisiert als in Einzelinterviews. Dies liegt an der "Einheitskonstitution" im Paarinterview, wonach die Partner*innen als "primordialen Rahmen" ihre "kollektive Identität als Paar" entfalten und hierbei wenigstens ein "Mindestmaß von Einheit etablieren und dokumentieren", also "eine gewisse Präsentationsfassade errichten" (PRZYBORSKI & WOHLRAB-SAHR 2014, S.109f.). Eine solche Fassade kann nicht nur das Paar gegenüber den Befragenden errichten, sondern diese können auch "Teile des Paares voreinander" (HIRSCHAUER et al. 2015, §40) aufbauen. Bei bestimmten, etwa auf Machtdifferenzen, Ungleichheiten und konträre Ansichten zielenden Fragen kann daher eine Ergänzung durch nach- oder vorgeschaltete Einzelinterviews sinnvoll sein (vgl. LUDWIG-MAYERHOFER et al. 2001). Solche Einzelinterviews können in Kombination mit Paarinterviews zudem auch über das Verhältnis von Individuum und Paar zueinander sowie über die Art und das Ausmaß der "Einheitskonstitution" – oder eben auch über deren Fehlen – Aufschluss geben (siehe ausführlicher hierzu WIMBAUER & MOTAKEF 2017). [34]
Auch LAUER (2011, S.299) betont, "dass nur selten Divergenzen auftreten und so unterschiedliche Positionen nicht unbedingt verbalisiert" würden. Zum einen zeigen sich aber in einigen unserer eigenen Interviews sehr wohl Divergenzen und unterschiedliche Positionen, sodass dies nur tendenziell oder nur in bestimmten Fällen gilt. Zum anderen ist es gerade paar- und ungleichheitssoziologisch höchst aufschlussreich zu analysieren, an welchen Stellen Konflikte zutage treten oder Konsensfiktionen konstruiert werden (vgl. Abschnitte 2.1, 2.2.3, 4.2). [35]
Als weitere Grenze des Paarinterviews nennt LAUER (a.a.O.), dass Themen nicht so dargestellt würden wie in Einzelinterviews. Dies ist teils zutreffend, teils scheint der Einwand irreführend: Entscheidend über die Kategorisierung als Vorteil oder Grenze ist das Erkenntnisinteresse: Wenn die Paarwirklichkeit(skonstruktion) erhoben werden soll, ist es höchst aufschlussreich, wenn Themen im Paarinterview anders dargestellt werden als in Einzelinterviews (siehe Abschnitt 4.2). Allerdings wären dann vergleichende Einzelinterviews zielführend, um solche möglichen Differenzen oder Gemeinsamkeiten umfassender zu rekonstruieren (ausführlich WIMBAUER & MOTAKEF 2017). [36]
3. Forschungspraxis im deutschsprachigen Raum: bisherige Anwendungen von Paarinterviews
Welche paarsoziologischen Fragestellungen wurden im deutschsprachigen Raum bisher mit Paarinterviews bearbeitet? Hier lassen sich grob drei Perspektiven differenzieren, die anhand ausgewählter Studien vorgestellt werden. In wenigen Fällen referieren wir auch Studien, in denen keine Paarinterviews, sondern Einzelinterviews geführt wurden, die aber von herausgehobener Bedeutung sind. Damit möchten wir in knapper Form die thematische Breite der bisherigen Arbeiten skizzieren. [37]
3.1 Empirisch begründete Grundlagentheorie zum doing couple
Ein zentraler Bezugspunkt von Studien, die empirisch begründete, grundlagentheoretische Arbeiten zum doing (being) couple leisten, ist die Biografieforschung im Anschluss an SCHÜTZE. Grundlagentheoretische Überlegungen bietet DAUSIEN (1996) in ihrer Studie zum Verhältnis von "Biographie und Geschlecht", in der sie narrativ-biografische Einzelinterviews mit Frauen und Männern, aber auch mit einigen der Partner*innen von jenen führte. Sie entwickelte ein Konzept der biografischen Synchronisation als "Strategie der Verknüpfung zweier Biographien" (S.556). SPURA (2014) interessiert sich mit SIMMEL für Wechselwirkungen zwischen Paarbeziehungen und Biografien und für (nicht) gelingende paarbiografische Synchronisationsarbeit, was sie mittels narrativer Paarinterviews und biografischer Einzelinterviews mit Doppelkarrierepaaren rekonstruierte. MAIER (2008) entwickelte eine Typologie narrativer Paaridentitäten. Sie führte allerdings keine Paar-, sondern narrative Einzelinterviews mit beiden Partner*innen von homo- und heterosexuellen Paaren. [38]
Die Ethnografie bietet einen weiteren Bezugspunkt für Grundlagenforschung. Hier vorliegende Studien wie die von HIRSCHAUER, HEIMERL, HOFFMANN und HOFMANN (2014) verstehen ihren Einsatz von Paarinterviews als Formen teilnehmender Beobachtungen. HIRSCHAUER et al. (2015) plädieren dafür, eine größere Sensibilität dafür zu entwickeln, was die Befragten während der und mit den Interviews tun. Nach STEMPFHUBER (2012) werden "Paargeschichten" im Paarinterview performativ in Szene gesetzt, wodurch sich nicht nur ein doing couple, sondern vielmehr ein "doing doing couple"9) (S.168) offenbare. [39]
3.2 Wandel von Geschlechterverhältnissen
Weiter lassen sich Studien zusammenfassen, die den Wandel von Geschlechterverhältnissen ins Zentrum stellen und sich für Persistenzen und Veränderungen von Machtverhältnissen in Paaren interessieren. Häufig werden Perspektiven des doing couple mit denen des doing inequality kombiniert. [40]
Besondere Aufmerksamkeit haben bisher Doppelverdiener*innen- und Doppelkarrierepaare erhalten. Doppelkarrierepaare lassen sich durch hohe Bildung, hohes berufliches commitment sowie oft durch eine Orientierung an egalitären Beziehungsleitbildern charakterisieren (SOLGA & WIMBAUER 2005). WIMBAUER (2012) fragte in ihrer an HONNETH anschließenden Studie, wofür sich die von ihr befragten Doppelkarrierepaare wechselseitig anerkennen (doing intersubjective recognition) und wie in diesen Anerkennung institutionell und intersubjektiv ermöglicht und verhindert wird, was mittels Paarinterviews sowie darauf folgender Einzelinterviews mit beiden Partner*innen rekonstruiert wurde. BEHNKE und MEUSER (2003) fokussieren in ihrer Studie das "Vereinbarkeitsmanagement", also die "Verteilung der Lasten der Vereinbarkeitsarbeit hinsichtlich der beruflichen und familialen Anforderungen" (S.164) im Paar und führten biografische Paarinterviews mit Doppelkarrierepaaren aus Wissenschaft, Wirtschaft und mit Selbstständigen. Doppelkarrierepaare werden auch erforscht, um die Bedeutung der Paarebene für Barrieren in weiblichen Karriereverläufen zu untersuchen. Dazu führten BATHMANN, CORNELIßEN und MÜLLER (2013) narrativ-biografische Einzelinterviews und nach einem Jahr Paarinterviews mit ausgewählten Paaren aus einem Sample hochqualifizierter Paare sowie hetero- und homosexueller Paare mit und ohne Migrationshintergrund. [41]
Geldarrangements von Doppelverdiener*innenpaaren wurden in einer Reihe von Studien fokussiert, die im Teilprojekt B6 des SFB 53610) entstanden sind. Ihnen ist gemein, dass sie mit SIMMEL Paarbeziehungen als relationales Phänomen betrachten. Die Basis bilden narrative leitfadengestützte Paarinterviews und folgende Einzelinterviews mit beiden Partner*innen. WIMBAUER (2003) fragte nach dem Verhältnis von Geld und Liebe in Paarbeziehungen und nach der symbolischen Bedeutung von Geld und zeigt, dass "eigenes Geld" von Frauen nicht automatisch zu mehr Macht führt. HIRSELAND, HERMA und SCHNEIDER (2005) untersuchten die Chancen und Risiken, die sich für die Partner*innen ergeben können, wenn Paare versuchen, Geldarrangements und Beziehungskonzepte zu synchronisieren. RUINER (2010) zeigt in einer qualitativen Panelbefragung, wie diese Paare ihre Biografien über den Zeitverlauf abstimmen und wie sich dabei der Umgang mit Geld verändert. [42]
Die (ungleiche) Verteilung der Hausarbeit in heterosexuellen Paaren ist ein weiteres klassisches Thema, da Hausarbeit als weibliche Aufgabe mit dem Wandel der Geschlechterverhältnisse zwar begründungsbedürftig geworden ist, aber weiterhin überwiegend von Frauen geleistet wird. KAUFMANN (1994) interessierte sich in seiner Studie "Schmutzige Wäsche" für den Umgang mit eben dieser im Paar, also wer sie wäscht und wen sie (nicht) stört, um Spuren paarinterner Auseinandersetzungen zu rekonstruieren und tief sedimentierte Gewohnheiten als Erklärungen ungleicher Arbeitsteilung herauszuarbeiten. Er führte Einzelinterviews mit beiden Partner*innen und folgende Paarinterviews. KOPPETSCH und BURKART (1999) gingen methodisch ebenso vor. Sie nahmen dann einen Milieuvergleich vor, differenzierten das individualisierte, familistische und traditionale Milieu11) und interessierten sich für die Diskrepanz von Diskurs und Praxis mit Blick auf die Egalitätsnorm insbesondere im individualisierten Milieu. KOPPETSCH und SPECK (2015) untersuchen mittels ebenso milieuvergleichender Einzel- und Paarinterviews Familienernährerinnen, also jene Gruppe, bei denen Frauen den Haushaltsvorstand bilden, und fragten, ob hier ein Machtzuwachs zu verzeichnen sei. Anders als bei heterosexuellen Paaren kann die Geschlechterdifferenz für homosexuelle Paare eine ungleiche Arbeitsteilung nicht legitimieren. Wie schwule und lesbische Paare die Verteilung der anzufallenden Arbeit deuten, wurde von SCHÜRMANN (2005) untersucht. [43]
Zudem geraten auch Fragen nach Männlichkeitskonstruktionen, Leitbildern und Entwürfen von väterlichem Engagement ins Zentrum. BEHNKE und MEUSER (2013) interessierten sich im Milieuvergleich dafür, was Elternpaare unter aktiver Vaterschaft verstehen, während BEHNKE (2012) Ost-West-Unterschiede thematisiert. Grundlage der Studien bildeten biografische Paarinterviews mit heterosexuellen Eltern. [44]
Schließlich widmen sich verschiedene Forschungen den Herausforderungen von Transitionsphasen für Paare. Diese können durch körperliche Veränderungen hervorgerufen werden, wie etwa in der Studie von BEHRISCH (2014), die sich für Paare interessierte, deren Zusammenleben von einer Körperbehinderung irritiert wird. Hierzu führte sie Paar- und Einzelinterviews. Körperliche Veränderungen stehen auch in Untersuchungen über Schwangerschaften im Fokus. In der ethnografischen Studie von HIRSCHAUER et al. (2014, 2015) bildeten offene Paar- und Einzelinterviews mit hetero- und homosexuellen Paaren eine von mehreren Erhebungsmethoden. [45]
Eine weitere Transitionsphase ist etwa der Übergang in Elternschaft: PEUKERT (2015) rekonstruierte, mit welchen Begründungen Paare Elternzeitarrangements verhandeln und führte leitfadengestützte Paar- und Einzelinterviews. Der Übergang in den Ruhestand und vergeschlechtlichte Machtstrukturen standen in der Studie von GATHER (1996) im Zentrum, in der sie biografisch-narrative Paarinterviews führte. SOOM AMMANN (2011) interessierte sich für das Älterwerden in der Migration und führte biografisch-narrative Paarinterviews mit italienischen Arbeitsmigrant*innen in der Schweiz. [46]
Mit Paarinterviews lassen sich also eine Vielzahl an (soziologischen) Fragen bearbeiten, die am Wandel von Arbeit, Familie und Geschlechterverhältnissen ansetzen, Machtverhältnisse auf Mikroebene fokussieren und dabei die Rekonstruktion von Deutungen mit teilnehmenden Beobachtungen kombinieren. Mit ihrer Perspektivierung auf Individuen-in-Beziehungen können umfassendere Erkenntnisse erzielt werden, da etwa verhinderte berufliche Karrieren von Frauen, Schwangerschaften oder das Eintreten körperlicher Behinderungen eben nicht als Herausforderungen isolierter Einzelner, sondern als relational erscheinen. Der Blick auf die ausgewählten Arbeiten zeigt nicht zuletzt, dass vielfältige Gruppen betrachtet werden, wobei jedoch trotz einiger Ausnahmen (noch) ein heteronormativer Bias sowie ein Fokus auf Angehörige der sogenannten Mehrheitsgesellschaft konstatiert werden muss. [47]
4. Methodische Anforderungen und methodenpraktische Fragen
In diesem Abschnitt widmen wir uns einigen zentralen methodischen und methodenpraktischen Fragen bei der Durchführung von Paarinterviews (siehe ausführlich WIMBAUER & MOTAKEF 2017). Wir verzichten hierbei auf eine systematische Darlegung der Aspekte, die für alle Arten von Interviews gelten. [48]
4.1 Sampling und Paarrekrutierung
Mehr noch als bei standardisierten individuellen Befragungen und bei Einzelinterviews stellt sich bei Paarinterviews das Problem eines selektiven Samplings. Zwar kommt einer populationsbezogenen Repräsentativität in der qualitativen Forschung keine herausgehobene Stellung zu, aber auch die konzeptuelle Repräsentativität kann davon beeinträchtigt werden, was im Forschungsprozess zu reflektieren ist. Auch unsere eigene Erfahrung zeigt: Doppelkarrierepaare mit einem gelingenden Vereinbarkeitsmanagement, Väter in Elternzeit oder allgemein "glückliche Paare" erklären sich eher zu einem gemeinsamen Interview bereit als Paare, die etwa prekär beschäftigt sind oder Schwierigkeiten bei ihrer Alltagsgestaltung haben, z.B. mit Blick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder ihre finanzielle Situation. Zudem muss sowohl der potenzielle (Selbst-) Ausschluss mit Blick auf Paare, bei denen Konflikte im Paar existieren, als auch das Vermeiden möglicher konflikthafter Interviewthemen reflektiert werden. Letzteres kann teils dadurch verringert werden, dass konfliktträchtige Themen nicht prominent bei der Akquise erwähnt werden, ohne jedoch gezielt wichtige Informationen zurückzuhalten. [49]
Auch das Ausmaß der Selbstdarstellungskompetenz und -willigkeit kann zu Schwierigkeiten bei der Rekrutierung führen. Variierende Interviewbereitschaften lassen sich zwar nicht allein an der (Aus-) Bildung festmachen, doch ist es nach unseren Erfahrungen deutlich schwieriger, gering- und mittelqualifizierte Paare für ein Interview zu gewinnen als hochqualifizierte. Hierbei mag auch eine gewisse Nähe oder Distanz zur Wissenschaft eine Rolle spielen, ebenso soziale Erwünschtheit mit Blick auf die Ausgestaltung von Paarbeziehungen. [50]
Generell scheint uns, ohne einem Essentialismus Vorschub leisten zu wollen, bei Frauen eine höhere Interviewbereitschaft als bei heterosexuellen Männern feststellbar. Dies mag auf unsere spezifischen Fragen (Alltagsgestaltung und Vereinbarkeit von Arbeit und Leben bei Doppelkarriere-, Zweiverdiener*innen- und prekär beschäftigten Paaren) zurückzuführen sein, von denen sich Frauen aufgrund möglicher Ungleichheiten in den Paaren eventuell eher angesprochen fühlen. Männer, die sehr karriereorientiert, eher in der vorteilhaften Position oder beruflich und finanziell in eher prekären Situationen sind, scheinen – aus vermutlich unterschiedlichen Gründen – weniger Interesse an einem Paarinterview zu zeigen (ähnlich PRZYBORSKI & WOHLRAB-SAHR 2014, S.112f.). Umgekehrt lässt sich die Teilnahmebereitschaft gerade bei Paaren in weniger privilegierten finanziellen Situationen durch eine Aufwandsentschädigung erhöhen – wobei wiederum mögliche Ausschlüsse zu berücksichtigen sind. [51]
Partner*innen in Paar- oder Lebenskonstellation, die das Paar oder einer der Partner*innen aus eigener Perspektive gelungen "managen" kann, scheinen eher zu einem Interview bereit zu sein. Bisweilen gilt dies gerade auch, wenn eine solche Bewältigung schwer ist, aber die Befragten äußere Umstände hierfür als relevant erachten und (wissenschaftliches) Gehör finden möchten. Der Bereitschaft zum Interview kann es auch förderlich sein, wenn eine/r der beiden über das Paar sprechen oder dem/der anderen etwas in Anwesenheit Dritter kommunizieren möchte. [52]
Generell stellt sich bei Paarbefragungen das praktische Problem der zeitlichen Verfügbarkeit und Koordination besonders. Egal ob Doppelkarrierepaare, Paare mit Kindern oder prekär beschäftigte Paare mit unregelmäßigen Arbeitszeiten, nicht in einem Haushalt lebende Paare oder Paare, die pendeln: Häufig mangelt es an Zeit für ein mehrstündiges Interview. Selbst wenn diese Hürde genommen ist, gestaltet sich die konkrete Terminfindung bisweilen als Herausforderung. [53]
4.2 Art des Interviews, Ablauf, Gesprächsorganisation
In diesem Abschnitt beschäftigen wir uns mit der Art des Interviews und dessen Ablauf. Auch hier wollen wir vor allem Hinweise spezifisch für Paarinterviews geben. Es können jedoch keine allgemeingültigen Regeln aufgestellt werden, zumal es weder das Paarinterview noch ein bestimmtes Ablaufmuster gibt. [54]
Auch für Paarinterviews lassen sich unterschiedliche Interviewverfahren nutzen, die von stärker leitfadengestützten Varianten wie etwa dem problemzentrierten Interview (WITZEL 2000) bis zum weitgehend offenen narrativen Interview (SCHÜTZE 1983, 1987) reichen können. Um die spezifische Stärke des Paarinterviews – die (teilweise) Erfassung des doing couple und der (nicht) gemeinsamen Wirklichkeitskonstruktion – einlösen zu können, scheint eine Kombination aus teilleitfadengestützten Interviews und narrativem Interview besonders gut geeignet, wobei wesentlich ist, die Befragten zu gemeinsamen Erzählungen und zu Aushandlungen über das Erzählte und die Form des Erzählens anzuregen. [55]
Hierfür müssen die Interviewenden Situationen schaffen, in denen Paare "relativ selbstläufig miteinander kommunizieren", und sie müssen dabei "sehr genau darauf (...) achten, wo Differenzen aufkommen und wie sie verhandelt werden" (PRZYBORSKI & WOHLRAB-SAHR 2014, S.110). Hierfür bietet sich an, eine erzählgenerierende Eingangsfrage zu stellen, die Raum lässt für verschiedene Aushandlungen. In unseren Interviews (etwa WIMBAUER 2003, 2012; ähnlich auch z.B. PEUKERT 2015) lautet diese: "... Weil Sie als Paar im Mittelpunkt stehen, erzählen Sie uns bitte: Wie sind Sie zu einem Paar geworden?"). Diese Frage wird, wie alle erzählgenerierenden Paarfragen, an beide gemeinsam gerichtet, beide werden verbal und nonverbal adressiert. Fragen an die einzelnen Partner*innen sollten erst im Nachfrageteil oder, wenn sie ausführlicher sind, in vor- oder nachgeschalteten Einzelinterviews gestellt werden, da ja gerade die Aushandlungen interessieren.12) [56]
Durch die Eingangsfrage nach der Paarwerdung wird der Aushandlungsraum eröffnet, wer mit dem Erzählen der Geschichte anfängt: Ergreift eine/r von beiden unverzüglich oder nach einer Pause das Wort? Wird einer Person von der anderen freundlich oder nachdrücklich zugewiesen, die Geschichte zu erzählen (etwa, weil sie es besser könne, oder weil sie zuerst ihre Version erzählen solle), wird die Aufforderung angenommen? Ergreifen beide zur gleichen Zeit das Wort, und wessen Erzählung kann oder darf weiter geführt werden?13) Dies erlaubt Aufschlüsse über konsensuelle oder dissente Zuständigkeiten (vgl. BEHNKE & MEUSER 2013, S.80f.) und über Macht- und Ungleichheitsverhältnisse. Die Bitte oder Zuweisung, der/die andere möge erzählen, kann allerdings für weniger oder mehr Macht im Paar sprechen, abhängig vom weiteren Verlauf und Inhalt der Interaktion, was bei der Interpretation zu berücksichtigen ist. So kann die Frage von Partner*in 1 (P1) "Willst Du anfangen oder soll ich zuerst?" auf ein egalitäres Paarkonzept hindeuten, in dem beide ihre gleichen Redeanteile aushandeln, oder auf die stärkere Position von P2, der/die letztlich entscheidet, wer was wann erzählen darf. Ebenso kann die Bitte von P1 "Fang Du an" auf Unsicherheit und Zurückhaltung von P1 deuten oder darauf, dass P1 die Rederechte im Paar verteilt. Dies ist jeweils im weiteren Interviewverlauf zu erhellen. [57]
Weiter wird in der Regel deutlich, ob eine gemeinsame Geschichte oder ob unterschiedliche Geschichten erzählt werden und ob dies konsensuell oder dissent erfolgt. Dies wird indiziert, indem etwa eine*r für beide spricht (monologische Koproduktion), beide abwechselnd eine Geschichte (dialogische Koproduktion)14) oder verschiedene Geschichten erzählen. Es zeigt sich daran, was und wie erzählt wird, etwa ob P2 P1 bestätigt (z.B. zustimmend oder ratifizierend), P1 ergänzt (etwa einwerfend, abwechselnd oder nach Abschluss der Version von P1) oder P1 berichtigt, korrigiert oder widerspricht. Gibt es zwei unterschiedliche Geschichten, so können auch diese konsensuell erzählt werden (wenn etwa für beide das Kennenlernen unterschiedlich war oder zu unterschiedlichen Zeitpunkten begann, aber die Erzählung beider Geschichten konfliktfrei bleibt, was sich auch als Konsensfiktion äußern kann) oder aber dissent (etwa durch manifeste Meinungsverschiedenheiten oder Gegenreden). [58]
Es ist also höchst bedeutsam, die interaktive und inhaltliche Art und Weise des Sprecher*innenwechsels – des Turn-taking – zu beachten, da hierbei besonders Machtunterschiede und Ungleichheiten deutlich werden. Auch nach BEHNKE und MEUSER (2013) ist es zentral, nicht nur die Inhalte des Erzählten zu analysieren. Vielmehr sollten auch die Diskursorganisation ("wie die Partner in situ arbeitsteilig ihre Geschichte entwickeln" [S.77]) und der Erzählstil (nüchtern, anekdotisch,...) betrachtet werden. Dies sei deswegen relevant, weil Paarinterviews es erlauben, "Homologien (...) zwischen dem beschriebenen und dem in situ hergestellten Paararrangement" (a.a.O.) zu fokussieren. Weiter greifen BEHNKE und MEUSER (S.79) auf das Konzept der "Enaktierungspotentiale"15) nach BOHNSACK (2014, S.138) zurück. Es zeige sich an "der Reaktion des einen Partners auf vom anderen im Interview artikulierte Orientierungen" (BEHNKE & MEUSER 2013, S.79), an den zustimmenden oder ablehnenden Reaktionen sowie an der Art und Weise, wie die Orientierungen "Gegenstand der gemeinsamen Kommunikation im Interview werden" (a.a.O.). [59]
All dies gilt nicht nur für die Eingangssequenz, sondern für das gesamte Interview. Neben dem Turn-taking ist von Interesse, wer über welche Themen (nicht) spricht. So kann es sein, dass die Frau immer beim Thema Erwerbsarbeit und Geld (so eine befragte Familienernährerin) das Wort ergreift, was über Zuständigkeiten und Bedeutungen Aufschluss geben kann. Ebenso ist zu analysieren, ob und von wem Themen ausgespart werden, etwa, wenn der kaum Einkommen erzielende Mann die von seiner Partnerin oft eingebrachten Themen Geld und Erwerbsarbeit regelmäßig übergeht oder wenn eine Person häufig ihre hohe Belastung erwähnt und die andere Person dies durchwegs ignoriert (in unseren Fällen ein regelmäßig wiederkehrendes Beispiel für das Scheitern eines möglichen Appells der Partnerin an den Partner). Insbesondere ein Fallvergleich kann verdeutlichen, welche Themen von bestimmten Paaren "bemerkenswert ungesagt" bleiben und welche nicht (HIRSCHAUER et al. 2015, §63). [60]
Auch jenseits der Eingangserzählung können sich (nicht) geteilte Perspektiven auf das Paar – und damit in der Regel auch Bedeutungen und Paarkonzepte – zeigen, was durch unterschiedliche Erzählperspektiven zum Ausdruck kommen kann, die wiederum beispielsweise anhand der übereinstimmenden oder dissenten Verwendung von Pronomen wie "ich" vs. "wir" oder "uns" oder Bezeichnungen wie "mein Mann/meine Frau", "Theo/Tina" oder "er/sie" deutlich werden können. Fragen an das Material können sein: Wer bezieht sich wie auf das Paar, wer hat eine individuelle, kollektive oder unpersönlich-institutionelle (etwa: "unser Sohn", "meine Ehefrau") Perspektive? Ist dies ein durchgängiges Muster oder unterscheidet es sich nach Themen? Dabei können Sichtweisen der Vergemeinschaftung oder Individuierung deutlich werden, etwa wenn das Kind, um das sich vorwiegend P1 kümmert oder das Einkommen, das nur von P1 erwirtschaftet wird, von P2 regelmäßig als "unser" Kind oder "unser" Geld bezeichnet wird. [61]
Schließlich sprechen die Partner*innen im Interview nicht nur miteinander, sondern auch für- und übereinander, und dies in Anwesenheit von Dritten. Es werden also unterschiedliche Selbstdarstellungen (von P1 und P2 jeweils über sich selbst gegenüber dem/der anderen und gegenüber den Interviewenden), Fremddarstellungen (P1 stellt P2 und P2 stellt P1 gegenüber den Interviewenden dar) und Paardarstellungen (von P1 und/oder P2 gegenüber P2 und P1 und den Interviewenden) erzeugt. Dies ist bei der Interpretation zu reflektieren. [62]
Es gibt zahlreiche aushandlungsgenerierende Eingangsfragen, die wohl überlegt und auf das jeweilige Forschungsinteresse abgestimmt sein sollten – nicht zuletzt, weil sich bereits aus den ersten Äußerungen regelmäßig zentrale Aspekte der jeweils spezifischen Fallstruktur rekonstruieren lassen. Arbeitet man mit einem (teil-) leitfadengestützten Interview, das verschiedene Themenblöcke umfasst, bietet es sich an, jeden neuen Themenblock mit Erzählungen und Aushandlungen generierenden Eingangsfragen zu beginnen, z.B.: Wie sind Sie beruflich dahin gekommen, wo Sie heute sind? Wie ist es zu der Elternzeitaufteilung, der Hausarbeitsteilung etc., die Sie heute haben, gekommen? [63]
Wie im narrativen Interview nach SCHÜTZE (1983, 1987) sollten sich nach der Haupterzählung zunächst immanente erzählgenerierende Nachfragen und erst im dritten Teil exmanente und nicht notwendigerweise erzählgenerierende Fragen zu relevanten Themen anschließen. Das Interview endet mit bilanzierenden Fragen, etwa einer Gesamtbewertung oder einem Ausblick auf zukünftige Entwicklungen, Hoffnungen oder Wünsche. [64]
4.3 Durchführung des Interviews
4.3.1 Zusammensetzung des Interviewer*innenteams
Idealerweise wird das Paarinterview von zwei Interviewenden geführt. Dadurch wird eine numerisch symmetrische Situation hergestellt, die sich auch in einer Sitzordnung niederschlagen sollte, in der alle Beteiligten alle sehen können. Zudem dürfte die doppelte Paarkonstellation die Aufmerksamkeit vermehrt auf das Paar richten (LUDWIG-MAYERHOFER et al. 2001, S.10). Auch hat es praktische Vorteile, indem die Interviewenden sich abwechseln können, wodurch sich Aufmerksamkeitsdefizite nach längerer Interviewzeit verringern lassen. Ein Wechsel sollte jedoch nicht zu oft erfolgen. Weiter kann die je nicht aktive Interviewperson besondere Aufmerksamkeit auf Ergänzungen legen, und bei zwei Interviewenden steigt die Möglichkeit, latent Gebliebenes zu identifizieren und nachzufragen. [65]
Ob die Interviewer*innen gleich- oder verschiedengeschlechtlich sein sollten, ist bisher kaum erforscht. LUDWIG-MAYERHOFER et al. (2001, S.10) präferieren zweigeschlechtliche Teams, weil "in gemischtgeschlechtlichen Teams längere Narrationen mit offeneren Aussagen über Liebe, Sexualität, Status und Geld erzeugt wurden". Auch "beeinflusste ferner der token status eines Mannes unter drei Frauen, oder einer Frau unter drei Männern, die Datenqualität negativ" (a.a.O.). In unseren gemeinsamen Interviews, die mangels Interviewer durch zwei Interviewerinnen durchgeführt wurden, lässt sich keine explizite Beeinträchtigung der Erzählungen feststellen, jedoch fehlt der direkte Vergleich. Hier ist weitere Forschung notwendig. [66]
Wie auch SOOM AMMANN (2011) zeigt, ist Geschlecht nicht die einzige womöglich relevante Dimension. In ihrer Studie hätte es Zugänge erleichtern können, hätten die Interviewenden ebenfalls einen Migrationshintergrund, Generationen- oder Herkunftsähnlichkeiten. Nach HIRSCHAUER et al. (2015, §4) ist wichtiger als das Geschlecht, ob Interviewte und Befragte ähnliche Welten teilen, etwa bei Interviews über Schwangerschaft, ob die Interviewenden selbst Kinder haben. Wir können dies bestätigen und ergänzen: Wenn die Interviewenden anders als die Interviewten über etwas verfügen, was jene nicht "haben", aber sich sehr wünschen (in einem Fall: eine Familie und eine Hochschultätigkeit), kann dies die Interviewsituation für alle Beteiligten belasten. [67]
4.3.2 Störungen und Schwierigkeiten im Interview
Um ausreichend Zeit zu haben, empfiehlt es sich, das Interview am frühen Abend, an einem freien Tag oder Wochenende zu führen. Beginnt es zu spät, ist es zeitlich nach hinten begrenzt oder greift Müdigkeit um sich, kann es enden, bevor alle wichtigen Aspekte behandelt wurden. Selbst wenn die Paare gerne und länger erzählen würden, kann Zeitmangel das Interview vorzeitig beenden. [68]
Die Anwesenheit weiterer Personen, etwa (kleiner) Kinder, kann das Interview durch Ablenkungen, Störgeräusche und Gesprächsunterbrechungen beeinflussen. Es kann jedoch auch aufschlussreich sein, gerade wenn es um den Alltag nicht nur des Paares, sondern der Familie geht oder um Fragen darüber, wie Fürsorgearbeit praktisch bewältigt wird (etwa PEUKERT 2015). [69]
Verlässt ein*e Partner*in den Raum, sollte Beginn und Ende von den Interviewenden festgehalten werden, denn es ist bei der Analyse von Redeanteilen, Zuständigkeiten und Unterbrechungen relevant, wenn nur ein*e Partner*in anwesend ist, der/die andere somit gar nicht sprechen kann. [70]
4.4 Transkription, Auswertung und Ergänzung mit anderen Erhebungsformen
Für Fragen der Transkription (die üblicherweise anspruchsvoller ist als bei Einzelinterviews) verweisen wir auf WIMBAUER und MOTAKEF (2017). An dieser Stelle sei nur knapp festgehalten, dass generell die Genauigkeit der Transkription dem jeweiligen Erkenntnisinteresse angemessen sein muss. Ebenso können wir hier nicht mögliche Auswertungsmethoden wie die wissenssoziologische Hermeneutik oder die dokumentarische Methode und Spezifika der Auswertung, bei denen vor allem die Interaktionen und Aushandlungen im Paar besonderer Beachtung bedürfen, behandeln, wie auch nicht die Ergänzung und Triangulierung von Paarinterviews mit Einzelinterviews und anderen Erhebungsformen. Auch dies findet sich in WIMBAUER und MOTAKEF (a.a.O.). [71]
5. Grenzen des Instruments und Fazit
Zusammenfassend seien einige method(olog)ische Grenzen spezifisch für Paarinterviews nochmals skizziert. [72]
5.1 Erzähltheoretische Herausforderungen
Auch für Paarinterviews stellen sich grundlegende erzähltheoretische Probleme, die für narrative Einzelinterviews gut aufgearbeitet sind, etwa, dass narrative Kompetenzen (schicht- oder milieuspezifisch) ungleich verteilt sind (siehe etwa KÜSTERS 2009, S.30f.) und dass Sprachgrenzen nicht-kompetente Sprachgemeinschaftsmitglieder ausschließen. Auch "entfalten sich 'Zugzwänge des Erzählens' nicht in derselben ausgeprägten Weise wie beim Einzelinterview" (PRZYBORSKI & WOHLRAB-SAHR 2014, S.117), sondern eher für Themen, die für das kollektive Erleben des Paares relevant sind (S.82f.). Weiter können Zugzwänge des Erzählens außer Kraft gesetzt werden, wenn Befragte z.B. in psychotherapeutischer Behandlung waren oder bei "besonders gebildeten und eloquenten Personen in hohen Karrierepositionen", die "es gewohnt" sind, "ihren Lebenslauf an vielfältige situative Erfordernisse anzupassen, sozusagen marktabhängig auszugestalten" (KÜSTERS 2009, S.31f.). Auch ist die Homologieannahme zwischen Erlebtem und Erzähltem umstritten (siehe etwa NASSEHI 1994, S.57; NASSEHI & SAAKE 2002, S.70), jedoch bezieht sich SCHÜTZEs Homologieannahme nur auf die Übereinstimmung der "Strukturen der Erfahrungsaufschichtung mit denen des Erzählaufbaus" (ROSENTHAL 1995, S.17), nicht auf das tatsächliche damalige Ereignis. Ob die Homologieannahme selbst in dieser eingeschränkten Form so auf Paarinterviews übertragbar ist, ist bisher nicht abschließend geklärt. Nur BEHNKE und MEUSER beschäftigen sich spezifisch mit Paarinterviews und der dort zum Tragen kommenden Homologie als "deutliche[n] Entsprechungen zwischen der Praxis der Darstellung und der dargestellten Praxis" (2013, S.78). Diese Annahme bezieht sich aber nur auf die Praxis der Darstellung und auf die dargestellte Praxis (und ist auch hier umstritten, siehe Abschnitt 2.2.3 sowie WIMBAUER & MOTAKEF 2017), nicht auf ein paarbiografisches Erleben. Denn neben den angeführten Argumenten in der Auseinandersetzung über die Homologieannahme bei narrativen Einzelinterviews kommt bei Paarinterviews die Frage nach dem methodologischen Status einer gemeinsamen Erfahrungsaufschichtung und damit auch einer kollektiven Paarbiografie hinzu (siehe auch Abschnitte 2.2.2 und 5.3). [73]
5.2 Ausschlüsse und Einschränkungen durch die Erhebungsform Interview
Interviewdaten beruhen auf verschiedenen Ausschlüssen, nicht nur auf einem (bei Paarinterviews über das Maß von Einzelinterviews hinausgehenden) womöglich erschwerten Sampling, sondern zudem auch auf Ausschlüssen, die durch die Erhebungsform Interview erzeugt werden. Zum einen enthalten Interviews, wenn sie audioaufgezeichnet werden, nur sprachliche und keine nonverbalen Äußerungen; diese nonverbalen Aspekte können aber teilweise durch Beobachtungsprotokolle ergänzt werden. Zum anderen sind Interviews generell Selektionen des Erzählten inhärent, was durch die Paarsituation um mindestens eine Ebene erweitert wird: Präreflexives Wissen und grundlegende Selbstverständlichkeiten können nicht oder nur schwer expliziert und erfasst werden (allerdings bemüht sich z.B. die Tiefenhermeneutik gerade um die Analyse der latenten Sinngehalte individueller und sozialer Praxis; siehe z.B. KÖNIG 2001). Zusätzlich stellt eine in einem biografischen Interview erzählte Lebensgeschichte notwendigerweise eine durch die befragte Person vorgenommene Auswahl dar, eine Selbstdarstellung vor den Interviewenden, wobei immer bestimmte Aspekte hervorgehoben, andere unerwähnt bleiben und ausgelassen werden. [74]
Dies gilt im Paarinterview einerseits umso mehr, denn hier inszeniert sich das Paar als Paar, namentlich vor den Interviewenden und vor dem/der anderen Partner*in. Andererseits werden durch die gemeinsame Interviewinteraktion eventuell von P1 Aspekte thematisiert, die P2 im Einzelinterview nicht thematisiert hätte, weshalb der Ausschnitt des Dargestellten größer sein kann als in Einzelinterviews. Und schließlich können, wie oben dargelegt, auch ungesagte Dinge und Auslassungen analysiert und interpretiert werden. [75]
Insgesamt konstatieren HIRSCHAUER et al. (2015, §61) mit Blick auf die mehrfachen Selektionen im Interview und besonders im Paarinterview: "Entsprechende Vorsicht empfiehlt sich, falls irgendjemand wissen möchte, was 'wirklich' geschah". Dem ist einerseits zuzustimmen, andererseits würden die wenigsten interpretativ Forschenden mit dem Anspruch antreten, dies herauszufinden und damit von der Existenz einer objektiven Realität ausgehen. Eine solche kann es mit der von uns geteilten Annahme der sozialen Konstruktion und der immer schon durch die Subjekte mit subjektivem Sinn und Deutungen versehenen Wirklichkeit nicht geben, sondern es geht vielmehr um den versuchten Nachvollzug der subjektiven Realitätskonstruktionen – und im Fall von Paaren als Forschungsgegenstand um den versuchten Nachvollzug der intersubjektiv hergestellten Paarrealität. [76]
Hierbei ist schließlich nach wie vor unklar, ob das Paar als eine Realität sui generis und als eigenständiger, einheitlicher kollektiver Akteur gefasst werden kann. Mit guten Gründen lässt sich behaupten, dass Paare mehr sind als die Summe ihrer Teile. Ob sie aber eine einheitliche gemeinsame Wirklichkeit schaffen, darf theoretisch wie empirisch infrage gestellt werden. SPURA (2014) kommt mit Bezug auf DAUSIEN (1996) zu dem Schluss, dass ein Paar nur dann als eine emergente Ordnung ent- und bestehen kann, wenn die Partner*innen eine gemeinsame und wechselseitige Perspektivenübernahme vollziehen. Diese müsse aber als dynamischer Prozess immer wieder hergestellt werden und sich hierbei immer auch mit anderen relevanten, womöglich bedrohlichen gesellschaftlichen Verweisungszusammenhängen auseinandersetzen – etwa mit Verwertungs- und Leistungslogiken aus der Erwerbssphäre. Diese Ansicht teilen grundlagentheoretisch auch wir, denn "Bewusstsein" ist "stets an individuelle psychische Systeme gebunden, die grundsätzlich perspektivisch sind, da sie ihre Inhalte zumindest partiell autonom produzieren" (LUDWIG-MAYERHOFER et al. 2001, S.8). Damit scheint es sich, wie auch unsere empirischen Ergebnisse nahelegen, bei der sogenannten "Paarwirklichkeit" um eine mehr oder weniger große und durchaus fragile Annäherung im Paar an eine gemeinsame Wirklichkeits- und Sinnschaffungsinstanz zu handeln. Inwieweit hierbei eine gemeinsame Wirklichkeit erzeugt wird, ist abhängig von den subjektiven Deutungen der Partner*innen und den Herstellungsleistungen im Interview. Paare stehen angesichts zahlreicher weiterer Verweisungszusammenhänge als nur der Paarbeziehung heute mehr denn je vor der Herausforderung, zumindest in Ansätzen eine gemeinsame Weltsicht herzustellen. Ob und wie sie dies interaktiv im Paarinterview und in der dort dargestellten Paarpraxis – also in ihrem doing couple und in ihren individuellen und gemeinsamen, sinnhaften Herstellungsleistungen – versuchen, ob und wie ihnen dies gelingt, welche Divergenzen hierbei zutage treten, wie diese bearbeitet werden und nicht zuletzt, welche Geschlechterverhältnisse, Machtverhältnisse und Ungleichheiten sich dabei rekonstruieren lassen – all diese Fragen kann (nur) das gemeinsame Paarinterview adressieren. Nicht mehr, aber auch nicht weniger – und mehr als manch andere Erhebungsform. [77]
6. Method(olog)ische Forschungslücken und offene Fragen
Zuletzt sollen ausgewählte offene Fragen und Forschungslücken mit Blick auf Methodologie und Methode qualitativer Paarinterviews benannt werden, die teilweise bereits angesprochen wurden. [78]
Zunächst gibt es kaum umfassende systematische method(olog)ische Ausführungen besonders in deutschsprachigen Lehrbüchern und Handbüchern, aber auch in englischsprachigen. Entsprechend fehlen auch methodenpraktische Anleitungen weitgehend; vorhandene Lehrbücher können hierzu in Teilen verwendet werden, adressieren aber nicht spezifische Herausforderungen von Paarinterviews. Auch Veröffentlichungen aus empirischen Forschungen, die mit Paarinterviews arbeiten, enthalten kaum weitergehende Ausführungen. [79]
Mit Blick auf die Durchführung von Paarinterviews ist etwa die Frage nach der Zusammensetzung der Teams und nach den hieraus folgenden Effekten (etwa Geschlecht der Intverviewer*innen) noch offen. Kaum erforscht sind auch method(olog)ische Fragen nach der Reihenfolge von Paar- und Einzelinterviews, wenn beide kombiniert werden. Weiter zu eruieren wäre außerdem, ob es besondere tabuisierte oder intime Fragestellungen, bestimmte Paarmilieus oder Paarbeziehungskonzepte gibt, in denen Einzelinterviews vorzuziehen sind, weil im Paarinterview bestimmte Themen nicht angesprochen werden. [80]
Zudem sind die Möglichkeiten einer Triangulierung durch weitere Datenquellen bisher nicht systematisch aufgearbeitet. Weder sind uns explizite Ausführungen zur Verbindung qualitativer und quantitativer Paarinterviews in der Mixed-Methods-Literatur bekannt noch zu Daten- und Methodentriangulationen durch Tagebücher, Lebenslauftabellen, Fotoalben, Collagen, Videoaufzeichnungen etc.; lediglich zu teilnehmenden Beobachtungen gibt es Überlegungen (HIRSCHAUER et al. 2015). Auch ist eine Weiterentwicklung ergänzender grafischer und bildlicher Erhebungsinstrumente erforderlich für eine gegenstandsangemessene und kreative Daten- und Methodentriangulation. [81]
Bisher nur knapp erwähnt wurde die Erfassung von zeitlichen Paardynamiken. Hierzu bieten sich Wiederholungsbefragungen an, jedoch sind qualitative Paarpanels äußerst selten (eine Ausnahme ist z.B. RUINER 2010) und insofern kaum erforscht. [82]
Grundlagentheoretischer Forschungsbedarf besteht mit Blick auf die in den Abschnitten 5.1 und 5.3 genannten Fragen nach dem theoretischen und methodologischen Status einer gemeinsamen Paarbiografie und einer kollektiven Erfahrungsaufschichtung im Paar. [83]
Explizite Ausführungen fehlen zudem dazu, inwieweit das hier vorgestellte Paarinterview auch auf andere dyadische Beziehungsformen anwendbar ist, etwa auf (theoretisch) symmetrische Paare wie Geschwister- oder Freundespaare oder auf theoretisch asymmetrische wie alleinerziehende Eltern-Kind-Dyaden, Chef*in-Mitarbeiter*in, Arzt/Ärztin-Patient*in, Arbeitsvermittler*in-SGB-II-Empfänger*in oder Pflegebedürftige und Pflegepersonal. [84]
Auch ist die Übertragbarkeit auf mehr als dyadische Formen nicht ausreichend geklärt: Zum einen fehlt eine systematische Ausarbeitung der Gemeinsamkeiten mit und Unterschiede zu Familieninterviews oder Gruppendiskussionen (siehe hierzu z.T. WIMBAUER & MOTAKEF 2017) insbesondere hinsichtlich der jeweiligen Art der gemeinsamen Erfahrungsaufschichtung. Die methodische Diskussion zu Gruppendiskussionen ist bereits wesentlich fortgeschrittener, weshalb hier zu fragen ist, welche Aspekte auf das Paarinterview übertragbar oder modifiziert weiterführend wären (vgl. Abschnitt 2.2.2), ebenso im Vergleich mit Familieninterviews. Weitere vergleichende Arbeit ist hier auch deswegen notwendig, weil u.a. durch den Wandel von Familien- und Lebensformen die Bestimmung bisheriger Strukturmerkmale und normativer Anforderungen von Paaren, aber auch von Familien und womöglich auch von Gruppen – also der Gegenstandsbereiche – gesellschaftlichem Wandel unterliegen. [85]
Zum anderen stellt sich anschließend die Frage, welche Gemeinsamkeiten mit und Unterschiede zu Paarinterviews sich ausmachen lassen, wenn aus drei oder mehr Beteiligten bestehende Freundschaftsbeziehungen oder polyamoröse Beziehungen gemeinsam interviewt werden. Hier besteht auch Forschungsbedarf hinsichtlich tragfähiger Systematisierungen sowie empirischer Analysen von sozialen Beziehungen wie Freundschaften, Kolleg*innenbeziehungen oder Pflegenden-Beziehungen. Zudem ist die analytische Einbettung sozialer Beziehungen in gesellschaftliche Kontexte noch nicht hinreichend geleistet. Notwendig wäre, anhand der je konkret interessierenden Beziehungen und Phänomene empirisch begründet zu theoretisieren, welche Kontexte – etwa rechtliche Regelungen, organisationale Kontexte, Diskurse – für die Individuen-in-Beziehungen und für die Beziehungen wie relevant sind und wie sich deren Verhältnis je gestaltet. Und schließlich wäre zu systematisieren, bei welchen soziologisch relevanten Phänomenen soziale Nahbeziehungen wesentlich für die Konstitution sind und bei welchen womöglich andere soziale Phänomene und Einflussfaktoren bedeutsamer sind, etwa bei der globalen oder transnationalen (Re-) Produktion von (Geschlechter-) Ungleichheiten. [86]
Wir hoffen, mit unserem Beitrag – neben einer Systematisierung der Stärken und besonderen Erkenntnismöglichkeiten von Paarinterviews – auch einige Anregungen für eine breitere Diskussion und für die Weiterentwicklung von Paarinterviews in der soziologischen Paarforschung und der Methodendiskussion bieten zu können. [87]
Der grundlegende Ausgangspunkt dieses Beitrags war das Teilprojekt B6 "Gemeinsam leben, getrennt wirtschaften – Grenzen der Individualisierung in Paarbeziehungen" des SFB 536 "Reflexive Modernisierung", das an der LMU München durchgeführt wurde und in dem Christine WIMBAUER von 1999 bis 2002 mitarbeitete. Projektleiter*innen waren Jutta ALLMENDINGER, Werner SCHNEIDER und Wolfgang LUDWIG-MAYERHOFER, denen für ausführliche und erhellende Diskussionen gedankt sei. Weitere Projektkontexte sind die Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe "Liebe, Arbeit, Anerkennung – Anerkennung und Ungleichheit in Doppelkarriere-Paaren" (DFG Wi2142/1-1, 2-1, 3-1) sowie die Projekte "Ungleiche Anerkennung? 'Arbeit' und 'Liebe' im Lebenszusammenhang prekär Beschäftigter" (DFG Wi2142/5-1) und "Väter in Elternzeit" (Stiftung Mercator/MERCUR Pr-2013-0016). Wir danken zudem Almut PEUKERT, Michael MEUSER, Werner SCHNEIDER, unseren Kolloquiumsteilnehmer*innen, den anonymen FQS-Gutachter*innen und der FQS-Redaktion für konstruktive Hinweise.
1) Die hier vorgestellten Überlegungen finden sich in einer umfangreicheren, um verschiedene methodologische und methodische Ausführungen sowie um empirisches Material erweiterten Version in WIMBAUER und MOTAKEF (2017). <zurück>
2) Was sexual-politische Bewegungen seit den 1960er Jahren und die Queer Studies als paar- und heteronormativ kritisieren. <zurück>
3) Dies ist selbstverständlich kein Alleinstellungsmerkmal der soziologischen Paarforschung, sondern entspricht den grundlegenden Annahmen qualitativer Forschung. <zurück>
4) Einmal durch konkrete und wirkmächtige Institutionalisierungen wie die Ehe und deren rechtliche Privilegierungen; weiter durch die o.g., die gesamte gesellschaftliche Ordnung durchziehende Paarnormativität. <zurück>
5) Unter Aushandlungen subsumieren wir nicht nur verbale und reflexive, sondern auch nonverbale (etwa ignorieren, schweigen, Tatsachen schaffen) und präreflexive (etwa Routinen, Gewohnheiten, unhinterfragte Selbstverständlichkeiten) Formen, die bestimmten Ergebnissen (nicht nur rational-diskursiven "Entscheidungen") vorausgehen. <zurück>
6) Wir verstehen das Interview nicht (nur) als Text (DEPPERMANN 2013) und als Ort für "Auskünfte" (HIRSCHAUER et al. 2015, §1), sondern als Interaktion. DEPPERMANN (2013) betont, (in Einzelinterviews) methodologisch die Interaktion zwischen Befragten und Befragenden zu berücksichtigen. Wir fordern mit Blick auf Paarinterviews zudem, die Interaktionen zwischen den Interviewten explizit in den Blick zu nehmen (vgl. HIRSCHAUER et al. 2015). <zurück>
7) Unter anderem haben wir bisher Paare in den verschiedenen Forschungsprojekten befragt, die wir in der Danksagung am Endes des Beitrags nennen (eine komplette Übersicht findet sich in WIMBAUER & MOTAKEF 2017); ausgewählte Veröffentlichungen sind WIMBAUER (2003, 2012). <zurück>
8) Die aber auch teilweise zu einer Stärke werden kann, wie wir ausführlicher in Abschnitt 2.2.3 dargelegt haben. <zurück>
9) Damit meint der Autor, "dass selbst noch die Sichtbarkeit der Performativität performativ hergestellt werden muss, die Sichtbarkeit der Paarpraxis noch praktisch erzeugt werden muss" (S.169), was im Paarinterview ersichtlich werde. <zurück>
10) Das Teilprojekt "Gemeinsam leben, getrennt wirtschaften – Grenzen der Individualisierung in Paarbeziehungen" im Kontext des SFB 536 "Reflexive Modernisierung" an der LMU München forschte von 1999 bis 2009 in mehreren Phasen zur Geldverwaltung in Doppelverdiener*innenpaaren (siehe auch die Danksagung am Ende des Beitrags). <zurück>
11) Die drei Milieus unterscheiden sich nach KOPPETSCH und BURKART (1999, S.14ff.) in ihren Leitvorstellungen bezüglich des Geschlechterverhältnisses: Nur das individualisierte Milieu, das in der Regel höhere Bildung und einen urbanen Lebensstil aufweise, sei diskursiv an Gleichheit orientiert, die aber auch dort nicht eingelöst werde. Im familistischen Milieu sei eine komplementäre Geschlechterordnung leitend, die Frau also für Familientätigkeiten und der Mann für die Versorgung der Familie zuständig. Für das traditionale Milieu, vorrangig die ländliche Arbeiterschicht, sei eine hierarchische Sphärentrennung und ein ritueller Patriarchalismus, der auf diskursive Aushandlungen verzichte, konstitutiv. <zurück>
12) Allerdings ist es auch möglich, an eine Person Fragen zu stellen. So bat GATHER (1996), zuerst einzeln über sich zu erzählen. Auch hier ist auszuhandeln, wer beginnt. Unseres Erachtens kann aber eine gemeinsame Geschichte mehr über das Paar zutage fördern als zwei einzelne. <zurück>
13) Diese Aushandlungen können verbal oder nichtverbal, etwa mittels Blicken, erfolgen. Sind sie nichtsprachlicher Natur, so erscheinen sie nur im Transkript, wenn die Interviewenden sie wahrgenommen und notiert haben oder wenn zusätzlich Videoaufzeichnungen vorgenommen werden. Videoaufzeichnungen bieten also weitere Erkenntnismöglichkeiten, sind aber aufwendig und stellen eine zusätzliche Intervention dar. <zurück>
14) HIRSCHAUER et al. (2015, §23) beobachten bei vielen Paaren eine solche "dialogische Koproduktion von Äußerungen", die sich aus "Bestätigungssignalen, Einwürfen, Unterbrechungen und Entwendungen des Rederechtes" (a.a.O.) zusammensetzt. <zurück>
15) Damit ist innerhalb der dokumentarischen Methode die Möglichkeit der Umsetzung von Orientierungsmustern bzw. von positiven oder negativen Gegenhorizonten in Alltagshandeln gemeint (BOHNSACK 2014, S.138), was BEHNKE und MEUSER (2013, S.79) aber nicht explizit erläutern. <zurück>
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Christine WIMBAUER (Dipl.-Soz., Dr. phil.) ist Professorin für Soziologie der Arbeit und Geschlechterverhältnisse an der Humboldt-Universität zu Berlin. Von 2010 bis 2014 war sie Professorin für Soziologie, soziale Ungleichheit und Geschlecht an der Universität Duisburg-Essen und 2014 bis 2015 Professorin für Mikrosoziologie und Geschlechterverhältnisse an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Geschlechterforschung, Soziologie der Arbeit (Erwerbs- und Reproduktionsarbeit; u.a. Prekarisierung), Soziologie der Paar- und Nahbeziehungen, soziale Ungleichheit und Sozialstrukturanalyse, Sozial- und Familienpolitik, Anerkennungstheorie, Methoden der interpretativen Sozialforschung (insbesondere hermeneutische Verfahren) und Methodologie. Veröffentlichungen u.a.: "Wenn Arbeit Liebe ersetzt. Doppelkarriere-Paare zwischen Anerkennung und Ungleichheit" (Frankfurt/M.: Campus, 2012).
Kontakt:
Prof. Dr. Christine Wimbauer
Soziologie der Arbeit und Geschlechterverhältnisse
Institut für Sozialwissenschaften
Humboldt-Universität zu Berlin
Unter den Linden 6
10099 Berlin
Tel.: +49 (0)30/2093-66510
E-Mail: christine.wimbauer@hu-berlin.de
URL: https://www.sowi.hu-berlin.de/de/lehrbereiche/sag/mitarbeiterinnen/christine-WIMBAUER
Mona MOTAKEF (Dipl. Soz.-Wiss., Dr. phil.) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im DFG-Forschungsprojekt "Ungleiche Anerkennung? 'Arbeit' und 'Liebe' im Lebenszusammenhang prekär Beschäftigter" am Lehrstuhl Soziologie der Arbeit und Geschlechterverhältnisse an der Humboldt-Universität zu Berlin. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Geschlechtersoziologie, Soziologie der Arbeit (insbesondere Prekarisierung von Erwerbs- und Sorgearbeit), soziale Ungleichheit, Soziologie der Paar- und Nahbeziehungen, Soziologie der Körper und der Biopolitik, soziologische Theorie und qualitative Methoden der Sozialforschung. Aktuelle Veröffentlichung: "Prekarisierung" (Bielefeld: transcript, 2015).
Kontakt:
Dr. Mona Motakef
Soziologie der Arbeit und Geschlechterverhältnisse
Institut für Sozialwissenschaften
Humboldt-Universität zu Berlin
Unter den Linden 6
10099 Berlin
Tel.: +49 (0)30/2093-66510
E-Mail: mona.motakef@hu-berlin.de
URL: https://www.sowi.hu-berlin.de/de/lehrbereiche/sag/mitarbeiterinnen/mona-MOTAKEF
Wimbauer, Christine & Motakef, Mona (2017). Das Paarinterview in der soziologischen Paarforschung. Method(olog)ische und forschungspraktische
Überlegungen [87 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 18(2), Art. 4,
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs170243.