Volume 18, No. 3, Art. 1 – September 2017
Zum Verhältnis von Gender Studies und Diskursforschung: Synergien, Spannungsfelder, Fallstricke
Bettina Kleiner & Cornelia Dinsleder
Tagungsessay:
Gender Studies meets Diskursforschung meets Gender Studies: Berührungspunkte, Spannungsfelder, Problematiken. 18. DiskursNetz-Tagung an der Universität Paderborn; 8.-9. September 2016; organisiert von Antje Langer, Felicitas MacGilchrist, Juliette Wedl & Daniel Wrana
Zusammenfassung: Die interdisziplinäre Tagung "Gender Studies meets Diskursforschung meets Gender Studies" widmete sich der wechselseitigen Beziehung von Gender- und Diskursforschung. In dem vorliegenden Tagungsessay wollen wir einen Einblick in die Debatten auf der Tagung geben und diese bezogen auf drei methodologische Schwerpunktsetzungen rekonstruieren und weiterführen: 1. theoretische Perspektiven auf das Verhältnis von Diskurs-Macht-Subjekt im Zusammenhang mit Geschlecht und Sexualität; 2. diskursanalytische Perspektiven auf Geschlecht und Sexualität in Textkorpora und 3. empirische Arbeiten am Schnittpunkt von Diskurs- und Geschlechterforschung – Analyse von Interviews, Dokumenten (und Gruppendiskussionen) sowie YouTube Videos. Bei der retrospektiven Betrachtung und Weiterführung der Tagungsbeiträge legen wir ein besonderes Augenmerk auf die Frage, wie Diskurs und Geschlecht jeweils konzeptualisiert und ins Verhältnis gesetzt wurden und welche (Probleme oder welcher Mehrwert der) Gegenstandskonstitution damit verknüpft war(en). Abschließend betrachten wir die Ergebnisse der Tagung und versuchen einen Ausblick. Übergreifendes Ziel unseres Beitrags ist es, Möglichkeiten einer konsequenten Verknüpfung von Diskurs- und Geschlechterforschung aufzuzeigen.
Keywords: Diskursforschung; Gender Studies; Queer Studies; Diskursanalyse; Gouvernementalität; Dispositiv; diskursive Praktiken; Subjektivation; Performativität; Materialisierung; widerständige Handlungsfähigkeit
Inhaltsverzeichnis
1. Zur Konzeption der Tagung
2. Theoriebeiträge zum Verhältnis von Diskurs-Macht-Subjekt im Zusammenhang mit Geschlecht und Sexualität
3. Diskussion der Beiträge mit theoriebezogenem Fokus
4. Diskursanalytische Perspektiven auf Geschlecht und Sexualität in Textkorpora
5. Systematisierung und Diskussion der Beiträge mit empirischem Fokus
6. Empirische Arbeiten am Schnittpunkt von Diskurs- und Geschlechterforschung – Analyse von Interviews, Dokumenten und Gruppendiskussionen
7. Empirische Untersuchung von Diskursen in Kombination mit visuellen Daten
8. Fazit
Die Beobachtung, dass Geschlechterforschung und -forscher*innen auf Tagungen der Diskursforschung nur wenig oder kaum vertreten sind, bildete einen Ausgangspunkt der 18. DiskursNetz1)-Tagung. Die Referent*innen der Tagung "Gender Studies meets Diskursforschung meets Gender Studies" (8.-9. September 2016, Universität Paderborn) waren deshalb eingeladen, Beiträge zu der Konzeption sozialer Konstruktion (von Geschlecht und Sexualität), der Theoretisierung und Analyse von Materialitäten, dem Verhältnis von Dekonstruktion und Differenzen sowie zu sozialen Bewegungen und der politischen Dimension von Wissenschaft einzureichen. Im Mittelpunkt standen Fragen nach Berührungspunkten, Verhältnissen und Spannungsfeldern zwischen Gender Studies und Diskursforschung. [1]
In den Vorträgen des ersten Tages wurden nach einer Keynote von Juliette WEDL, die die komplexe Beziehung von Gender Studies und Diskursforschung in ideengeschichtlicher Perspektive erläuterte, von Hannelore BUBLITZ theoretisch-konzeptionelle Überlegungen zur Materialisierung von Diskursen im Geschlecht diskutiert. Sophie KÜNSTLER erörterte dann Anrufungen als mögliche Konstruktionen von Zugehörigkeit im Verhältnis von Aneignung und Widerstand. Gabriele DIETZE stellte eine Neukonzeption des Sexualitätsdispositivs im Kontext migrationsfeindlicher Sexualpolitik vor. Am selben Tag fanden nachmittags Parallelvorträge in den thematisch gegliederten Panels "Gender in Schule und Arbeit" (Anna CARNAP, Cindy BALLASCHK, Lena CORRELL & Lena SCHÜRRMANN) sowie "Normalisierung und Antifeminismus" (Ann-Kathrin STOLTENHOFF, Matthias FUCHS, Sandra SMYKALLA) statt. [2]
Nach einem Zwischenresümee eröffnete am nächsten Morgen Kerstin JERGUS die Perspektive auf Kritik und Transformationen von Geschlechterdiskursen im Zusammenhang mit universitären Gleichstellungspolitiken. Darauf folgten zuerst Vorträge, die sich Konstruktionen von Geschlechtspersonen bzw. Weiblichkeiten widmeten (Frauke GRENZ, Susanne RICHTER) und danach solche, die methodisch-konzeptionelle Überlegungen in Bezug auf das Verhältnis von Diskurs- und Geschlechterforschung vornahmen (Anna KASTEN, Tina SPIES). [3]
Organisiert wurde die 18. DiskursNetz-Tagung von einem interdisziplinär arbeitenden Forscher*innen-Netzwerk (Antje LANGER, Juliette WEDL, Felicitas MACGILCHRIST und Daniel WRANA). An der Ausrichtung der Tagung waren das Zentrum für Geschlechterstudien in Paderborn, das Braunschweiger Zentrum für Gender Studies und das DiskursNetz beteiligt. [4]
1.1 Subjektkonstitution am Schnittpunkt von Diskurs- und Geschlecht(erforschung)
Poststrukturalistische Theorien stellen insofern einen möglichen Schnittpunkt von Diskurs- und Geschlechterforschung dar, als sie Subjekte und Wirklichkeiten nicht als vordiskursiv gegebene, sondern als diskursiv hervorgebrachte verstehen. Aus poststrukturalistischer Perspektive wird das Subjekt als ein diskursiver Effekt untersucht und die Illusion einer inneren Einheit des Subjekts verworfen. Diese Erkenntnisposition führt zum Interesse am Ausgegrenzten, den Brüchen, Widersprüchen und Transformationen. Das vergeschlechtlichte Subjekt tritt als durch Sprache, diskursive Praktiken und Macht konstituierter Untersuchungsgegenstand in den Blick. Zentrale Bezugspunkte für Analysen der diskursiven Hervorbringung von Geschlechtern und Sexualitäten stellen Michel FOUCAULTs (1926-1984) Untersuchungen zur Sexualität als nicht von Machtfragen zu trennendem Prinzip der Regulierung (FOUCAULT 1988, 1989a, 1989b; FOUCAULT, HONNETH & SAAR 2008) und Judith BUTLERs Theorie der Subjektkonstitution im Rahmen der heterosexuellen Matrix (1991) oder heterosexuellen Hegemonie (1997) dar. FOUCAULTs Arbeiten haben vor allem dazu beigetragen, die Geschichte der "Sexualität als Erfahrung" (FOUCAULT et al. 2008, S.1157-1158) nachzuzeichnen und sexuelle Identitäten nicht als natürlich, sondern als Formen der Subjektivation zu begreifen (S.1158). BUTLER betont im Anschluss an FOUCAULT die regulierenden Effekte des Verweisungszusammenhangs von sex-gender-desire (zugewiesenes Geburtsgeschlecht, soziales Geschlecht, Begehren) der heterosexuellen Hegemonie (vgl. BUTLER 1997, S.24-41; 1991, S.22-24). Mit dem Konzept der heterosexuellen Hegemonie beschreibt und kritisiert sie das Raster kultureller Intelligibilität, also der Normen der sozialen Les- und Anerkennbarkeit (2009, S.9-12), das in Verbindung mit weiteren Differenzordnungen wie etwa der rassistischen spezifische geschlechtlich-sexuelle Subjektpositionen als anerkennbare (bei BUTLER: weiße heterosexuelle Männer und Frauen) und andere als abweichende oder verworfene hervorbringt. [5]
Die Konstitution von vergeschlechtlichten Subjekten ist dabei nicht als determinierender, sondern als offener und ambivalenter Prozess zu verstehen: Das Subjekt konstituiert sich zugleich im Unterworfensein durch die Macht und im Sinne der Entstehung von (potenziell widerständiger) Handlungsfähigkeit. Als "Urszene der Subjektivierung" beschreibt Martin SAAR (2013, S.18) im Rekurs auf Louis ALTHUSSER die "Anrufung": Ein Individuum wird demzufolge zum Subjekt gemacht, indem es von einer Instanz der Macht als Subjekt adressiert wird. ALTHUSSERs Beispiel dafür ist ein Mensch, der auf der Straße von einem Polizisten mit den Worten "Hallo Sie da!" angesprochen und zum (Bürger*innen-) Subjekt wird, indem er bzw. sie sich zu dem Polizisten umdreht. Dieser Vorgang lässt sich nach BUTLER (1997, S.29) mit dem Ausruf des Arztes "Es ist ein Mädchen!" bei der Geburt eines Kindes vergleichen, der das Kind zu einem weiblichen Wesen macht und so der herrschenden Geschlechterordnung unterwirft. Die Reaktion des Individuums auf diese Anrufung lässt sich dabei als Unterwerfung unter die Macht begreifen, die z.B. darin besteht, dass sich das Individuum nach dem Polizisten umdreht und damit dessen Macht anerkennt, oder darin, dass die Materialisierung des (weiblichen) Körpers, der (weiblichen) Geschlechtsidentität und des (heterosexuellen) Begehrens den Anrufungen (als Mädchen oder Frau) im Zuge wiederholter performativer Akte folgt (vgl. KLEINER & KOLLER 2014 im Rekurs auf BUTLER). Die Matrix der geschlechtsspezifischen Beziehungen geht, so BUTLER, dem Zum-Vorschein-Kommen des Menschen voraus, der mit der ärztlichen Anrufung von einem "es" zu einem "er" oder "sie" wechsle (1997, S.29). Nach BUTLER hat demnach der Rekurs auf das "biologische Geschlecht" einen Zwangs- bzw. regulierenden Charakter – der allerdings auch unterlaufen werden kann, denn die performativen Wiederholungen der durch die Anrufungen transportierten Normen erfolge nie identisch, sondern immer einhergehend mit Verschiebungen, denen eine spezifische Handlungsmacht innewohne. Handlungsmacht und Subversion haben ihren Lokus folglich nicht im Subjekt, sondern in der wiederholenden und variierenden Struktur seiner Konstitution (vgl. BALZER & LUDEWIG 2012, S.102). [6]
Die von BUTLER entwickelte Performativitätstheorie der Wirklichkeitskonstitution durch iterative zeichenförmige Handlungen wurde zu einem wesentlichen theoretischen Feld, in dem sich Gender- und Diskursforschung verschränken. Durch Sprechakte positioniert sich das Subjekt und wird durch ein Bündel an Beziehungen in unterschiedlichen sozialen und institutionellen Praktiken positioniert. Das Neugeborene wird durch die Äußerung des Arztes oder der Hebamme einer Seite der bipolaren und hierarchischen Geschlechterordnung zugewiesen. Gleichzeitig wird damit die zweigeschlechtliche Ordnung in ihrer Gültigkeit aufgerufen. Wenn der Ausruf "Pi ist da!" lauten würde, wäre die inaugurale Zuordnung durch die Wahl eines uneindeutigen Namens zunächst nicht möglich. Weil aber (begründende) Anrufungen von verschiedenen Autoritäten über die Zeit wiederholt werden müssen, um die (das Geschlecht) naturalisierende Wirkung zu verstärken oder anzufechten, hängt es letztlich von den weiteren Benennungen und ihren performativen Effekten ab, ob die heteronormative Ordnung im Lauf der Zeit weiter unterlaufen oder doch gefestigt werden kann. [7]
Am Beispiel der hier nur kurz skizzierten Überlegungen BUTLERs und FOUCAULTs lassen sich Konzeptionen des Verhältnisses von Macht-Wissens-Ordnungen, geschlechtlich-sexuellen Subjekten und Handlungsmacht aufzeigen, die auch viele der nachfolgend dargestellten Vorträge informiert haben. Interessant erscheint uns in der Diskussion der Beiträge vor allem die Herausarbeitung des Zusammenhangs von konkreten Fragestellungen, Theoriebezügen und Methoden sowie der damit einhergehenden Gegenstandskonstruktionen. [8]
Sabine HARK (2001, S.353) beschreibt als Gemeinsamkeit diskurstheoretischer und dekonstruktivistischer Herangehensweisen, dass sie sich vor allem auf Sprache, Wissen, Diskurse und deren Bedeutung für Gegenstandskonstitutionen beziehen. In Bezug auf Fragestellungen feministischer Theorie ermöglichen diese Perspektiven, so HARK, Modi der Herstellung und Unterscheidung von Geschlecht(erverhältnissen) zu untersuchen, und darüber hinaus lieferten sie auch die Instrumente für die kritische Befragung der Erkenntnismittel und der Gegenstandskonstitution (S.354). HARKs Überlegungen betonen den erkenntnistheoretischen Mehrwert, der sich aus der Verbindung von Diskurs- und Geschlechtertheorie ergeben kann. Geschlecht stellt nach HARK, diskurstheoretisch gedacht, eine variable Konfiguration diskursiv erzeugter Positionierungen (z.B. bezogen auf Sexualität, Klasse, Nationalität und ethno-kulturelle Zugehörigkeit) dar, die innerhalb von Bezeichnungspraxen entsteht und sowohl Erfahrungen als auch Wissen organisiert, das dann wiederum in Institutionen und Arbeitsabläufen hierarchische (Geschlechter-) Verhältnisse festlegt. Von diesem Verständnis ausgehend lasse sich ein Programm avisieren, wie Geschlechterdifferenzen kontextualisiert gedacht werden können, ohne diese an einen natural gedachten Grund zurückzubinden (S.361). [9]
Mithilfe von HARKs hier nur kurz dargestellten Überlegungen skizzieren wir neben den produktiven Möglichkeiten der Verbindung von Geschlechter- und Diskurstheorie auch erste Herausforderungen: Wie können (welche) variablen diskursiven Positionierungen gegenstandsangemessen berücksichtigt und nachgezeichnet werden? Inwiefern und wie werden die mit Diskursen verknüpften Ein- und Ausschlusskriterien reflektiert? Und wie verhalten sich etwa Diskurse, soziale Praktiken und institutionelle Logiken zueinander? Wie lassen sich hierarchische Geschlechterverhältnisse rekonstruieren, ohne Heterosexualität und normative Zweigeschlechtlichkeit als machtvolle Ordnungsprinzipien auszublenden und damit (unbeabsichtigt) zu reproduzieren? [10]
Neben theoretisch angelegten Untersuchungen haben insbesondere empirische Studien das Potenzial, durch konkrete Analysen von diskursiven Praktiken, die Geschlechter und Sexualitäten innerhalb von gesellschaftlichen Bedingungsgefügen hervorbringen, die Kontingenz kategorialer Vorannahmen sichtbar zu machen und ihr konstruktiv zu begegnen. Der Einbezug von empirischen Daten wird als erkenntnispolitischer Akt beschreibbar, wenn Untersuchungsgegenstände nicht als der empirischen Arbeit vorausgesetzt verstanden werden, sondern als hergestellt: durch die Auswahl empirischer Materialien, in denen Gegenstände als diskursive Praktiken hervorgebracht werden, ebenso wie durch die angewandten Methoden und Theorien (vgl. FEGTER & LANGER 2008). [11]
1.2 Vorgehensweise bei der Rekonstruktion und Diskussion der Tagungsbeiträge
Bei der nachfolgenden Diskussion der Beiträge gehen wir so vor, dass wir die einzelnen Vorträge zunächst rekonstruieren. Anschließend werden deren Erträge für die Fragestellung der Tagung erläutert und die (nicht) angesprochenen Verhältnisse zwischen Gender und Diskursforschung ggf. weiter ausgeführt. Dies umzusetzen stellte einen bisweilen nicht ganz einfachen, in vielen Punkten aber anregenden und sogar vergnüglichen Arbeitsprozess dar: Da eine von uns einen ihrer Arbeitsschwerpunkte in der erziehungswissenschaftlichen Geschlechterforschung hat, wird auf gender- und queertheoretische Fragestellungen fokussiert. Die andere verortet sich u.a. in der Diskursforschung und bringt diskurstheoretische Fragestellungen und Reflexionen ein. Unseren Perspektiven und Arbeitsweisen ist gemeinsam, dass die Bearbeitung methodologischer Fragen einen Schwerpunkt darstellt. Gleichwohl musste die Betrachtung, Einordnung und Bewertung der Vorträge kontinuierlich ausgehandelt werden. [12]
2. Theoriebeiträge zum Verhältnis von Diskurs-Macht-Subjekt im Zusammenhang mit Geschlecht und Sexualität
2.1 "Gender Studies meets Diskursforschung meets Gender Studies" (WEDL)
Den Auftakt der Tagung bildete der Vortrag "Gender Studies meets Diskursforschung meets Gender Studies" zur Einordnung des Tagungsthemas: Juliette WEDL erkundete mit einem breiten Lektüredurchgang in wissenschaftsgeschichtlicher Perspektive die komplexe Beziehung von Gender Studies und Diskursforschung, indem sie Erzählungen der Theoriegeschichten der Gender Studies und der Diskursforschung nachzeichnete. Sie problematisierte dabei die häufig vertretene These, dass die Poststrukturalismusrezeption in den Gender Studies erst mit Judith BUTLERs Arbeiten einsetzte: Diese hätten zwar einen Wendepunkt dargestellt, jedoch stelle sich trotzdem die Frage, welche Narrationen und Kontexte dazu beitrugen, dass der Poststrukturalismus erst mit BUTLER eine solche Prominenz erlangen konnte. [13]
WEDL arbeitete beispielsweise heraus, dass die Geschichte der Gender Studies häufig einer Fortschrittserzählung folge; diese bringe die Illusion hervor, die zumeist durch poststrukturalistische Ansätze informierten Gender Studies hätten im Vergleich zu der "vorhergehenden" feministischen Geschlechterforschung und den damit verbundenen Debatten (Gleichheit, Differenz und Sozialkonstruktivismus) an Differenziertheit, Komplexität und analytischer Tiefenschärfe gewonnen. In solchen Narrativen träten jedoch widerstreitende feministische Problematisierungen zugunsten einer eindimensionalen Progressionsgeschichte in den Hintergrund. Letztere lasse die Dekonstruktion von Geschlecht als einen ganz neuen und anderen Forschungsansatz erscheinen, anstatt Verbindungen mit feministischen Theorietraditionen aufzuzeigen. WEDL betonte jedoch auch, dass anders als im Rahmen solcher meist disziplinübergreifender und metatheoretischer Narrative in einzelnen disziplinären Erzählungen, etwa der Kultur-, Kunst- und Literaturwissenschaften, mit Judith BUTLERs Geschlechtertheorie zwar eine Radikalisierung und Dynamisierung der Poststrukturalismusrezeption im deutschsprachigen Raum stattgefunden habe, dass aber auch zuvor schon poststrukturalistische Ansätze rezipiert worden seien. Als Rezeptionskontext verwies sie auf die Krise der sprachlichen Repräsentation, vor deren Hintergrund alternative Konzeptualisierungen von Sprache an Bedeutung gewonnen hätten. [14]
Im Vergleich zu der ausführlichen Rekonstruktion von Theoriegeschichten der Gender Studies wurden Narrationen der Diskursforschung im Vergleich knapper dargestellt. Danach diskutierte WEDL, warum die ausdifferenzierten Debatten der Gender Studies im Kontext der Diskursforschung relativ wenig rezipiert wurden. Als Gründe nannte sie die geringe Auseinandersetzung innerhalb der Gender Studies mit methodischen und methodologischen Fragen der Diskursforschung sowie die geringe Präsenz von Geschlechterforscher*innen bei Tagungen und Publikationen im Feld der Diskursforschung. [15]
2.2 "Diskurse materialisieren sich – im Geschlecht" (BUBLITZ)
Hannelore BUBLITZ thematisierte in ihrem Beitrag die spannungsreiche Beziehung zwischen Diskursforschung und Gender Studies, aber auch die Synergien, die hergestellt wurden. Die Entnaturalisierung des Geschlechts identifizierte BUBLITZ als einen ersten Einsatzpunkt der Verschränkung von Diskurs- und Geschlechterforschung: Beide Forschungsdisziplinen verbinde der Zugang einer kritischen Ontologie, die in einer historisierenden Perspektive die Veränderbarkeit einer binären Geschlechtskonstruktion freilege. Als Spannungsfeld benannte sie die methodologisch problematische Perspektive auf "Materie" als "das ganz Andere" des Diskurses, an der sich methodologische Vorwürfe im wechselseitigen Bezug zwischen Gender Studies und Diskursforschung entzündeten. Ausgangspunkt war, dass beispielsweise Körper oder materielle Dinge separiert vom Diskurs konzeptionalisiert und so die Annahme einer einseitigen Vereinnahmung durch den Diskurs kritisch diskutiert wurde. Diskurstheoretische Konzepte kämpften mit einem Holismusvorwurf: Wenn alles Diskurs sei, rückten materielle Ordnungen (z.B. Architekturen, Körper) aus dem Blickfeld. Nach dieser Skizzierung der Spannungen zwischen Geschlechter- und Diskursforschung ging BUBLITZ zur Thematisierung der Verschränkung über die zentralen Paradigmen durch Konstruktion und Performativität von Geschlecht über. BUTLERs Theorie der "performativen Sprechakte" habe die gemeinsame Grundlage eines nicht essentialistisch gedachten Diskurs- und Geschlechterbegriffs erweitert: BUTLER habe den Konstitutionsprozess der Herstellung von geschlechtlich markierten Körpern durch das Aufrufen und Zitieren von (Geschlechter-) Normen beschrieben. Gender werde diskurstheoretisch als Wahrheitsregime bzw. als ein Apparat der Produktion von Normalisierung definiert, der sich historisch kontingent herausgebildet habe. In einer Seitenbemerkung verwies BUBLITZ auf eine noch gering ausgeprägte Berücksichtigung gouvernementalitätstheoretisch orientierter Studien zur Konstruktion von Geschlecht, die am Kreuzungspunkt zwischen individuellen Geschlechtskörpern und dem "Bevölkerungskörper" untersucht werden könnten: An der Schnittstelle des Individual- und "Bevölkerungskörpers" verortet sie die Diskursstelle des Geschlechts, das die Produktion der "Geschlechts-Subjekte" mit den gesellschaftlichen Sicherungssystemen der Bevölkerungsplanung, der Für- und Vorsorge, verbindet (vgl. dazu ausführlich (BUBLITZ 2009, S.269-272). [16]
Die Theorieperspektiven führte BUBLITZ in der "Materialisierung diskursiver Macht" zusammen. Mit BUTLER fasste sie das Biologische als regulierendes Ideal, das sich im Geschlecht materialisiere. Die Materialität der Körper sei dabei jedoch weder als ein Außen noch als ein dem Diskurs Vorgängiges zu betrachten. Die Materialisierung von Diskursen und Normen stelle stattdessen einen Prozess dar, "der im Laufe der Zeit stabil" werde und somit die "Festigkeit" von Materie gewinne. Durch die ständige performative Wiederholung lagerten sich Diskurse als eine zwingende – beschränkende Form in den Körpern ab, indem sie sie durchzögen, wobei Körper in Diskursen nicht vollständig aufgingen, sondern ihnen ein Rest an Unverfügbarkeit bleibe. Diese Unverfügbarkeit bilde den Bruch, sodass die Körper sich nie völlig den Normen fügten, mit denen laut BUTLER Materialisierung erzwungen wird. [17]
2.3 "Die Konstruktion von 'Zugehörigkeit' und die Relation von Zuordnung, Aneignung und Widerstand" (KÜNSTLER)
Im Mittelpunkt des Vortrags von Sophie KÜNSTLER standen dann Möglichkeiten einer Verbindung von Diskurs-, Subjekt- und Geschlechterforschung anhand der Konzepte "Anrufung" und "Umdeutung". "Anrufungen" beschreiben machtvolle Anredeformen, die Effekte auf die damit adressierten Personen haben, unabhängig davon, ob diese Personen die Anrufung annehmen. Die Macht der Anrufung speist sich aus Diskursen, und die wiederholte diskursive Anrufung bringt nach BUTLER hervor, was sie benennt (z.B. die "Migrantin"). "Umdeutungen" wiederum rekurrieren auf Wieder- oder Neuaneignungen solcher Anredeformen bzw. auf eine Verschiebung von Bedeutungen. So führt Judith BUTLER (1997, S.307-320) etwa die Neuaneignung ehemals abwertender Begriffe wie "queer" an, um aufzuzeigen, dass Bedeutungen nicht stabil sind, sondern verändert werden können und dass die Intention von abwertenden Anredeformen scheitern kann, wenn die Angesprochenen sie (kollektiv) mit anderen Bedeutungen belegt haben. [18]
In systematischer Perspektive wurde von KÜNSTLER das Verhältnis von Anrufung, Aneignung und Widerstand hinsichtlich der Konstruktion von Zugehörigkeit beleuchtet. Vorrangig im Rekurs auf Judith BUTLERs Theorie der Subjektivation und auf ihre Reartikulation des ALTHUSSERschen Anrufungsbegriffs ging KÜNSTLER der Frage nach, welche verschiedenen aneignenden und verwehrenden Umgänge mit (verletzenden) Anrufungen möglich seien und inwiefern diese widerständige Potenziale beinhalteten. Da die Überlegungen vorrangig auf der Ebene der Theorie verblieben, wurden solche widerständigen Potenziale und ihre (Un-) Möglichkeitsbedingungen nicht konkretisiert – der Vortrag endete jedoch mit methodologischen Implikationen für Diskurs-, Subjekt- und Geschlechterforschung: Relationen von Anrufung und Umdeutung bzw. Zuordnungs- und Aneignungsprozesse im Subjektivierungsgeschehen seien systematisch und im Zusammenhang mit Anerkennungsordnungen zu untersuchen, wobei der Gleichzeitigkeit von hegemonialen Ordnungen und Subjektpositionen Rechnung zu tragen sei. [19]
2.4 "Sexualitätsdispositiv revisited. Migrationsfeindliche Sexualpolitik" (DIETZE)
Das Sexualitätsdispositiv2) wurde im Vortrag von Gabriele DIETZE an der Schnittstelle zwischen Sexualität und Ethnisierung neu gefasst. Ihre These war, dass die von FOUCAULT bereits dekonstruierte Repressionshypothese insofern aktualisiert werden müsse, als in westlichen Ländern mittlerweile die Unterdrückung der Sexualität als überwunden gilt. DIETZE problematisierte mit BRACKE (2011) und PUAR (2007) den sexuellen Exzeptionalismus3), der durch den westlichen Befreiungsdiskurs eine Zivilisationsüberlegenheit gegenüber angeblich weniger aufgeklärten muslimischen Gesellschaften markiere. Sie ergänzte das FOUCAULTsche Sexualitätsdispositiv (das sich den Vorwurf des Eurozentrismus gefallen lassen müsse) um die Dimension race. [20]
DIETZE entwickelte diese Aktualisierung des Sexualitätsdispositivs basierend auf ihren Vorarbeiten zu Whiteness und Okzidentialität, die die sexualisierte Gewaltpraxis des Lynchens (rape-lynching-complex) nach der Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs beschreiben: Ende des 19. Jahrhunderts sei der versklavte Schwarze4) Mann als triebgesteuerte sexuelle Bedrohung gegenüber der (hysterischen) weißen Frau in Erscheinung getreten. In der Bevölkerung sei eine "Scheidelinie" gezogen worden, indem die Sexualität des Schwarzen Mannes mit Triebhaftigkeit und Aggressivität in Verbindung gebracht wurde. Die Generativität des Schwarzen Mannes wurde als Bedrohung eingestuft. Diese diskursive Verknüpfung habe die Verhinderung einer "Durchmischung" der weißen Bevölkerung intendiert. Aus dieser historisch kontextualisierten Perspektive auf US-amerikanische Ausgrenzungsmechanismen warf DIETZE den Blick auf neuere europäische Phänomene der migrationsfeindlichen Sexualpolitik. Dabei arbeitete sie neben einer Aktualisierung des Sexualitätsdispositivs eine Ergänzung heraus: Zum einen müsse die abendländische Rhetorik einer befreiten Sexualität berücksichtigt werden, bei der Generativität nicht mehr so wichtig sei; im Kontext der Aktualisierung des Sexualitätsdispositivs werde beispielsweise die Gewährung von Entwicklungshilfe an den Grad von sexueller Selbstbestimmung gebunden. Zum anderen schlug DIETZE eine Ergänzung um die Dimension von race vor – ein ethnisiertes Sexualitätsdispositiv, das am Beispiel des Bedrohungsszenarios durch muslimische Männer weiter ausgeführt wurde. DIETZE analysierte dann die Ereignisse um die (berichtete) Vergewaltigung von jungen Frauen durch muslimische Männer in der Kölner Silvesternacht und die vermehrten Ausweisungen von muslimischen Männern in diesem Zusammenhang. Sie bezeichnet die diese Praxis begründende Macht-Wissens-Ordnung als rape-expulsion-complex. [21]
2.5 "Differenzlinien und Machtverhältnisse – Intersektionalität im diskursiven Kontext" (SPIES)
Tina SPIES diskutierte den Theoriebeitrag der Intersektionalität5) in einer Verschränkung mit dem Konzept der Artikulation nach Stuart HALL am Beispiel des Coming-out eines Ex-Profi-Fußballers Thomas Hitzelsberger. HALLs Definition von Artikulationen resultiert aus seiner Kritik daran, dass mit dem FOUCAULTschen Subjektbegriff keine Vorstellung von Intentionalität und Handlungsmacht verknüpft sei: Artikulationen beschreiben dann nach HALL (2000, 2004) das Verhältnis von Subjekten und diskursiven Formationen als eines, bei dem Subjekte zwar mit Diskursen verbunden sind, jedoch auch in diese investierten und sie bearbeiteten. [22]
Intersektionalität wurde von SPIES als machtdurchwirktes Zusammenspiel unterschiedlicher Differenzkategorien vorgestellt, das über das "race-class-gender-Mantra" (CASTRO-VARELA & DHAWAN 2010, S.313) hinausgreife. Aus einer Vielzahl möglicher Differenzlinien analysierte sie fallspezifisch Kreuzungspunkte, wobei sie im Fall Hitzelsbergers Sexualität, beruflichen Status und (Berufs-) Alter in Beziehung setzte. Das Hinzuziehen des diskurstheoretischen Konzepts der Artikulation dynamisiere die kategorial angelegte Auswertung des Fallbeispiels, da Veränderungen von Subjektpositionierungen in einem diskursiven Raum sichtbar würden: So habe Hitzelsberger sein Coming-out – seine Subjektpositionierung als homosexueller Profifußballspieler – strategisch nach Beendigung seiner Fußballkarriere vorgenommen. [23]
2.6 "Kritik und Transformationen von Geschlechterdiskursen" (JERGUS)
Kerstin JERGUS postulierte zu Beginn eine Unausweichlichkeit der eigenen vergeschlechtlichten Positionierung in einer heteronormativen Matrix. Die Thematisierung der Kritik und Transformation von Geschlechterdiskursen finde ihren Dreh- und Angelpunkt im hochschulpolitischen Raum: Nach einer Skizzierung der institutionellen Verankerung der Disziplin der Gender Studies führte JERGUS die geringe Vertretung von Frauen in der Karriereleiter bis zur vollen Professur an. Diese Kritikform, ein Verweisen auf eine zahlenmäßige Unterrepräsentation von Frauen an der Hochschule, hinterfragte JERGUS gleichwohl auch, indem sie die damit einhergehende Herstellung bzw. Reifizierung der Geschlechterdichotomie thematisierte. [24]
Im weiteren Verlauf des Vortrags wurde das Problem der Anerkennbarkeit als weibliches wissenschaftliches Subjekt im Kontext von Gleichstellungspolitik und den materiellen Bedingungen der Universität weiterverfolgt. Das Ziel der Gleichstellung von Frauen in Forschung, bei Tagungen und Denominationen arbeite einer Normalisierung zu, die JERGUS als Entpolitisierung kritisiert: Dethematisiert würden strukturelle und prekäre Bedingungen des wissenschaftlichen Arbeitens; stattdessen werde das Frausein naturalisiert. Das Problem der Unterfinanzierung werde auf individuelle Karrieren übertragen, indem Förderlogiken, die Wissenschaftler*innen zur Selbstoptimierung aufrufen, Verbreitung fänden. Das Scheitern werde dann Individuen zugerechnet, wobei Strukturlogiken aufrechterhalten würden, die Benachteiligung fortschrieben. Gleichstellungsarbeit sei in Programmatiken wie die der Karriereförderung von Frauen übersetzt worden, wodurch ein weiteres Streiten über adäquate Maßnahmen einer Gleichstellung ausgesetzt worden sei. [25]
3. Diskussion der Beiträge mit theoriebezogenem Fokus
In den hier rekonstruierten Theoriebeiträgen wurden Anrufung, Materialisierung, Sexualitätsdispositiv und Intersektionalität/Artikulation als theoriebezogene Anschlussstellen zwischen diskurstheoretischen und geschlechtertheoretischen Perspektiven und Konzepten markiert. In der Weiterführung der Beiträge werden wir auf die Diskussion um Materialisierung eingehen, den Theoriebeitrag der Performativität am Schnittpunkt der Geschlechter- und Diskursforschung aufgreifen, das Konzept der Gouvernementalität als ausbaufähige theoretische Anschlussstelle der Gender Studies an die Diskursforschung thematisieren und auch auf die Bedeutung von intersektionalen Untersuchungen in der Verschränkung mit Dispositivanalysen eingehen. [26]
Der Stellenwert von Sprache, Materialität und Praxis ist bei Diskursforscher*innen umstritten, was mitunter auch zu Schwierigkeiten in der Rezeption der Diskursforschung durch die Gender Studies geführt hat. Eine Diskursontologie – "alles ist Diskurs" (DYK, LANGER, MacGILCHRIST, WRANA & ZIEM 2014, S.348) – wurde innerhalb der Diskursforschung und vonseiten der Geschlechterforschung, die von einer Diskurshegemonie spricht (siehe Abschnitt 2.2), kritisiert für die Marginalisierung der Untersuchung von körperbezogenen oder materialisierten Praktiken. An diesem Punkt drängen die Verhältnisbestimmungen von Diskurs und Materialität (BARAD 2007, 2012) oder die Konzeptualisierung von Diskurs bzw. Praktiken (WRANA 2012)6) auf eine Klärung. Hannelore BUBLITZ arbeitete in ihrem Vortrag die "Materialisierung von Diskursen" als eine mögliche Schnittstelle von Gender- und Diskursforschung heraus, die es vermag, Macht, Wissen, Körper und Dinge aufeinander zu beziehen und dabei der Materialität von Körpern und Dingen Rechnung zu tragen. Dabei materialisiert sich, so BUBLITZ im Rekurs auf BUTLER, der Diskurs auch in Körpern, wobei sich diese der Norm nie vollständig fügten. [27]
Die in den hier aufgeführten Beiträgen vor allem mit Judith BUTLER in Verbindung gebrachten Arbeiten zu Anrufungen, Performativität und Materialisierung (KÜNSTLER, BUBLITZ) stellen insofern eine Verbindung zwischen Geschlechter- und Diskursforschung dar, als sie Subjektkonstitution als Ergebnis wiederholter performativer Praktiken im Zusammenhang mit (geschlechtlich-sexuellen) diskursiven Ordnungen denken. Die BUTLERsche Performativitätstheorie ermöglicht folglich, eine Brücke zwischen Diskurs und Geschlechter(körper)n zu schlagen, indem damit die Aufführung und Materialisierung von Normen und Diskursen und deren Effekte auf und in Körpern und körperlichen Praktiken beschreibbar wird; ebenso die Destabilisierung von Geschlechterordnungen im Zuge iterativer Wiederholungen und Verschiebungen. [28]
Ein Problem stellt u.E. der Rekurs auf Judith BUTLERs theoretische Überlegungen zur heterosexuellen Matrix dann dar, wenn gleichzeitig keine kritische Reflexion von Heterosexualität als von Macht durchzogenem gesellschaftlichem Ordnungsprinzip stattfindet und somit die Vorstellung von zwei gegensätzlichen Geschlechtern fortgeschrieben wird (vgl. HARK 2001, S.357). HARK hat problematisiert, wie "Frau" eine begründende Kategorie feministischer Theoriebildung darstellen kann, wenn mit BUTLER davon ausgegangen wird, dass "Frau" eine regulatorische Fantasie darstellt, durch die normative Beziehungen zwischen sex, gender und Begehren aufgerufen werden (HARK 2001, S.357).7) Zum einen wiederholt sich so die von BUTLER immer wieder kritisierte Verwerfung queerer Subjekte, wenn beispielsweise vorrangig "Frauen" als Subjekte von Gleichstellungspolitik (JERGUS) dargestellt werden, ohne dass die Effekte von Heterosexualität und Zweigeschlechtlichkeit als hegemonialen Ordnungen durchgängig reflektiert werden. Im weiteren Sinne wäre also zu untersuchen, welche verschiedenen Verwerfungen das vielen Gleichstellungsmaßnahmen zugrundeliegende Verständnis von "Frauen" hervorbringt, wenn man ein intersektionales Verständnis von Geschlecht voraussetzt – denn "eine Frau zu 'sein', ist sicherlich nicht alles, was man ist" (BUTLER 1991, S.18). [29]
Blickt man aus einer feministischen und geschlechtertheoretisch informierten Perspektive auf systematische Überlegungen zur Subjektivation (KÜNSTLER), fällt überdies auf, dass BUTLERs Überlegungen zur Bedeutung der Anrufung für die Subjektkonstitution gewissermaßen aus dem geschlechtertheoretischen Kontext (ihrer Entstehung) gelöst werden. BUTLER entwickelte ihre Überlegungen zur Anrufung des Geschlechts jedoch schon im Rahmen ihrer ersten geschlechtertheoretischen Arbeiten (1991, S.15-62; 1997, S.21-40;) und arbeitete sie erst später in "Psyche der Macht" (2001) systematisch aus. Ihre Arbeiten machen durchweg deutlich, dass Geschlecht in Verwobenheit mit Sexualität und weiteren Differenzkategorien (Rassifizierung, Klasse, Gesundheit/Befähigung) Subjekte konstituiert und klassifiziert. Das Nicht-Benennen dieses Zusammenhangs suggeriert ein geschlechtsloses und neutrales Subjekt, bei dem die heteronormative Vergeschlechtlichung verschwindet und das mit BUTLER gerade nicht zu denken ist. [30]
BUBLITZ plädiert für eine Verbindung des Konzepts der Materialisierung mit dem der Gouvernementalität, da dieses erlaube, Zusammenhänge von Geschlecht und Gesellschaft stärker zu berücksichtigen. Diese Überlegung ist anschlussfähig für feministische Perspektiven und vor allem politische Theorie und u.E. vielversprechend, um sie weiterzuentwickeln. So haben BARGETZ, LUDWIG und SAUER (2015, S.15) auf der Grundlage ihrer Kritik, dass FOUCAULT (2004) in seinen Gouvernementalitätsvorlesungen einen expliziten Bezug zu Geschlecht aus dem Blick verloren habe, systematische Überlegungen dazu angestellt, wie "Regierungskunst", also das Regieren durch das (unauffällige, geschickte) Lenken von bzw. Einwirken auf Handlungen der Subjekte8) (Gouvernementalität), im Zusammenhang mit Geschlecht zu denken sei: Insofern das mit Gouvernementalität angesprochene Machtverständnis ein Modus sei, der Bevölkerung und Subjekte forme, müsse in den Blick genommen werden, wie die Regierungskunst vergeschlechtlicht ist und welche spezifischen Machtverhältnisse sie hervorbringe und befördere (BARGETZ et al. 2015, S.15). Dazu schlagen sie vor, drei Ebenen der Wirkweisen von Geschlecht zu fokussieren:
Geschlecht ordne Gesellschaft in spezifischen Weisen und naturalisiere diese Ordnung zugleich durch biologische Geschlechterkonstruktionen (S.15-16). So sei Geschlecht konstitutiv mit der kapitalistischen Produktionsweise und mit dem modernen westlichen Nationalstaat verwoben. Wie können diese Überschneidungen beschrieben werden?
Geschlecht forme Subjekte in Verschränkung mit race, class, ability und Sexualität und klassifiziere und konstituiere sie durch eine "heteronormative Vergeschlechtlichung" (S.17). Welche politischen Institutionen und Techniken sind an solchen Prozessen beteiligt?
Wissen sei zentral für die Ermöglichung und Festigung von geschlechtlichen Macht- und Herrschaftsverhältnissen. Welche vergeschlechtlichten und vergeschlechtlichenden Mechanismen und Ordnungen lassen sich in modernen Gesellschaften/Staaten ausmachen? [31]
Die Herausarbeitung der Ebenen, auf denen vergeschlechtlichende Effekte eintreten, stellt u.E. eine entscheidende Voraussetzung für empirische Studien dar. Theoriebezüge fungieren so als analytische Instrumente für Daten, was bedeutet, dass die Sphären der Empirie und Theorie ineinandergreifen: In der empirischen Analyse wirken Theoriebezüge an der Gegenstandskonstruktion und somit beispielsweise an der Konzeptualisierung von (vergeschlechtlichten) Subjektkonstitutionen mit9). Gleichzeitig soll die Empirie aber nicht bloß dazu dienen, die Theorie zu reflektieren und illustrieren, sondern die theoretischen Konzepte und dadurch informierten Fragestellungen sollen "sich auch von den empirischen Dokumenten belehren" lassen (KOLLER 1999, S.165; siehe auch KALTHOFF 2008). Wir gehen hier folglich nicht von einer einseitigen Wirkung, sondern von einer Wechselwirkung aus. [32]
Ähnlich wie der Rekurs auf Gouvernementalität ermöglicht auch der Rekurs auf Dispositive, spezifischen geschlechter- und diskurstheoretischen Erkenntnisinteressen nachzugehen, indem Bedingungen des Erscheinens von Diskursen in Verbindung mit Machtverhältnissen untersucht werden. Mit dem dispositivanalytischen Zugang wird der Fokus in aktuellen Studien der Diskursforschung auf Hervorbringungs- und Formierungsweisen des modernen Individuums bzw. auf seine Subjektivierungsweise gerichtet (vgl. BRÖCKLING 2007). Mit dem Dispositivbegriff werden in der wissenssoziologischen Diskursforschung machtvolle gesellschaftlich formierte Regelungsstrukturen, institutionelle Praktiken bzw. auch Formationen von Diskursen beschrieben, die Räume der Sagbarkeit eröffnen und verschließen (vgl. KELLER 2001). Mit FOUCAULT gesprochen bezeichnet das Dispositiv
"erstens ein entschieden heterogenes Ensemble, das Diskurse, Institutionen, architekturale Einrichtungen, reglementierende Entscheidungen, Gesetze, administrative Maßnahmen, wissenschaftliche Aussagen, philosophische, moralische oder philanthropische Lehrsätze, kurz: Gesagtes ebenso wohl wie Ungesagtes umfaßt. Soweit die Elemente des Dispositivs. Das Dispositiv selbst ist das Netz, das zwischen diesen Elementen geknüpft werden kann" (1978, S.119-120). [33]
Der Vortrag von DIETZE zeigte auf, wie mithilfe des Dispositivansatzes Verschränkungen von Differenzlinien in ihrer Funktion nachgezeichnet werden können, die die jeweiligen historischen und kulturellen Ordnungen aufrechterhalten. Im Rückgriff auf koloniale Vorstellungen von Geschlecht und Sexualität wurden so Politiken der Exklusion in Bezug auf historische Ereignisse rekonstruiert. [34]
In den Vorträgen von Gabriele DIETZE und von Tina SPIES wurden intersektionale Herangehensweisen in den Mittelpunkt gestellt. Diese zeigen sich anschlussfähig an diskurstheoretische Konzepte wie etwa das Dispositiv (DIETZE), die Überschneidungen von Diskursen in den Blick nehmen können. Verschränkungen von Geschlecht und Sexualität mit anderen gesellschaftlich relevanten Dimensionen ermöglichen eine Perspektivenerweiterung hinsichtlich möglicherweise zu eng gehaltenen Gegenstandskonstruktionen. Tina SPIES betonte, dass die Theorie der Intersektionalität die Analyse einer Vielzahl von Kreuzungspunkten erlaube und hielt diese Qualität sowie die Aufnahme des Konzepts der Artikulation nach HALL dem Vorwurf eines unflexiblen Theoriegerüsts entgegen. Die analysierten Artikulationen könnten unterschiedliche Positionen in einem intersektional gegliederten Diskursraum besetzen. Dabei würden die Positionierungen vorgedachten Kreuzungspunkten zugeordnet. Die "Struktur" der verfügbaren Positionierungen wird jedoch unserem Verständnis nach nicht in der Dimension einer performativen Herstellbarkeit bzw. Veränderbarkeit gedacht. In dieser Perspektive gerät der Einfluss der Subjekte auf die performative Hervorbringung der Kreuzungspunkte und der Struktur nicht in den Blick – die Struktur ist in gewissem Sinne starr konzipiert und dem Subjekt übergeordnet. Damit bleibt der Ansatz u.E. einem in der Gegenstandskonstruktion angelegten Schematismus und Determinismus zu einem gewissen Grad verhaftet. [35]
Am Beispiel der nachfolgend besprochenen empirischen Diskursanalysen von Textkorpora soll insbesondere darauf eingegangen werden, wie Diskurs, Geschlecht und Sexualität methodologisch verbunden und welche Gegenstände durch spezifische methodisch-theoretische Zuschnitte hervorgebracht werden können. [36]
4. Diskursanalytische Perspektiven auf Geschlecht und Sexualität in Textkorpora
4.1 "Diskurs und (De-) Normalisierung am Beispiel Homosexualität" (FUCHS)
Ein Beispiel für die Anwendung der Diskursanalyse zur empirischen Untersuchung medialer Repräsentationen von Homosexualität im Zusammenhang mit Debatten über den Bildungsplan in Baden-Württemberg zeigte der Vortrag von Matthias FUCHS. Im Mittelpunkt seiner diskursanalytischen Untersuchung eines Korpus von Zeitungsartikeln stand die Frage, unter welchen Bedingungen schwule und lesbische Subjektivitäten in die Normalität aufgenommen und öffentlich repräsentiert werden können. Den theoretischen Bezugsrahmen bildeten Jürgen LINKs Theorie des Interdiskurses (1997) und Normalismus (2009) sowie queertheoretische Überlegungen zur Normalisierung. Mithilfe einer Keywordanalyse, mit der zunächst semantische Felder bestimmt werden konnten und einer darauffolgenden qualitativen kodierenden Untersuchung arbeitete FUCHS verschiedene Diskursstrategien heraus: In Bezug auf Kritiker*innen der Reformen des Bildungsplans habe sich die protonormalistische Strategie als zentral erwiesen, die zwar mit dem Anspruch einhergehe, nicht diskriminieren zu wollen, aber doch eine spezifische Normalität in den Mittelpunkt stelle. Im Zusammenhang mit den befürwortenden Positionen habe sich eine flexibel normalistische Strategie als dominant herauskristallisiert, mit der Abweichungen bis zu einem bestimmten Grad inkludiert würden, wobei die Normalisierung an spezifische Voraussetzungen geknüpft sei. [37]
4.2 "Diskursstrategien im Antifeminismus – Effekte für die sozialpädagogische Arbeit" (SMYKALLA)
Der Vortrag von Sandra SMYKALLA drehte sich vorrangig um methodologische Fragen und stellte am Beispiel von Diskursstrategien im Antifeminismus konzeptionelle Überlegungen zur Verschränkung von dekonstruktivistischen Gendertheorien mit diskursanalytischen Forschungsfragen im Hinblick auf Potenziale für eine machtkritische Forschung in den Mittelpunkt. Mithilfe der wissenssoziologischen Diskursanalyse wurden Diskursfelder im Antifeminismus beleuchtet, Diskursstrategien herausgearbeitet und methodische Fragen hinsichtlich einer kritischen Praxisforschung erörtert. Als zentrale Diskursstrategien antifeministischer Texte benannte SMYKALLA die Diffamierung gleichstellungspolitischer Akteur*innen, die Delegitimierung von Gender und Queer-Forscher*innen, verschwörungstheoretische Bedrohungsszenarien sowie De-Kontextualisierungen, Pauschalisierungen und Tatsachenverdrehungen. Der neue Antifeminismus komme familienzentriert daher und nutze den "Schutz des Kindes" als Legitimierungsstrategie. Als Spannungsfeld markierte SMYKALLA dabei abschließend die Frage nach dem jeweiligen Subjektverständnis in Forschung und Politik: Während politische Debatten, die auch in der Sozialen Arbeit geführt werden, meist von einem starken Subjekt ausgingen, gehe der diskurstheoretische Ansatz mit einem postsouveränen Subjektverständnis einher. Gleichzeitig sei es aber notwendig, in der Sozialen Arbeit praktische Umgangsweisen mit Angriffen zu entwickeln, etwa auf der Ebene von partizipativen Deutungsmusteranalysen, mit denen für antifeministische Diskurse sensibilisiert bzw. Umgangsformen damit entwickelt werden könnten. [38]
4.3 "Heteronormativität dekonstruieren und dann ...? Von der Unmöglichkeit der Gender Studies, "Geschlecht" nicht zu denken" (STOLTENHOFF)
Der Vortrag von Ann-Kathrin STOLTENHOFF widmete sich dann der Frage des politisch aktivierenden Potenzials einer diskurstheoretischen Genderforschung am Beispiel von Überlegungen, wie Wissenschaftler*innen dem Antigenderismus begegnen können. Im Anschluss an hegemonietheoretische Arbeiten und die kritische Diskursanalyse wurden hier politische Potenziale der Diskursforschung diskutiert, allerdings ohne systematisch auf zentrale Begriffe und Denkfiguren der Diskursforschung einzugehen. [39]
4.4 "Das Konzept der Anrufung als Strategie der Korpusreduktion: Herausforderungen einer heteronormativitätskritischen Analyse von Konstruktionen alleinerziehender Mutterschaft in Deutschland und Polen" (KASTEN)
Anna KASTEN präsentierte das Forschungskonzept einer kulturvergleichenden wissenssoziologischen Diskursanalyse von Rechtstexten aus Deutschland und Polen mit dem Blick auf juristische und finanzielle Lebensbedingungen von alleinerziehenden Müttern (z.B. wie die finanzielle Mittelgewährung an die Feststellung des Vaters gebunden wird). Diskutiert wurden insbesondere Herausforderungen bei der Korpusbildung unter Fragestellungen der queer-feministischen Theorie und unter Verwendung des Konzepts Anrufung zur Korpusreduktion. Heteronormativität wurde dabei als Ordnung gesetzt, die Anrufungen hervorbringe und auf der Grundlage dieser Anrufungen wurde eine theoriegeleitete Reduktion des Materials vorgestellt. [40]
4.5 "Von einer deutschen 'Zuchtmeisterin' und einer französischen 'Superkrankenschwester'. Wie Angela Merkel und Ségolène Royal über geschlechtlich konnotierte Zuschreibungen auf- bzw. abgewertet werden" (GRENZ)
Frauke GRENZ stellte in ihrem Vortrag Ergebnisse einer diskursanalytischen Untersuchung der medialen Konstruktion von Politiker*innen als Geschlechtspersonen vor. Mithilfe der wissenssoziologischen Diskursanalyse hatte sie geschlechtlich konnotierte Zuschreibungen herausgearbeitet, mit denen Politiker*innen (Segolene Royal und Angela Merkel) in Bezug auf ihre Eignung als Kandidat*innen für dieses Amt bewertet wurden. Während Segolene Royal nur vereinzelt männliche Attribute zugeschrieben worden seien und diese dann auch positiv bewertet würden, werde Merkel häufig als zu männlich abgewertet. [41]
5. Systematisierung und Diskussion der Beiträge mit empirischem Fokus
Nach der Diskussion von theoriebezogenen Beiträgen rücken hier diskursanalytische Arbeiten zu Geschlecht und Sexualität mit Fokus auf die Analyse von Textkorpora in den Blick. Im Abschnitt 6 werden anschließend empirische Beiträge – diskursanalytische Untersuchungen zur Konstruktion von Geschlecht – auf der Grundlage von Interviews und Gruppendiskussionen diskutiert. Diese von uns hergestellte Ordnung ist inspiriert durch die historische Herausbildung methodologischer Zugänge der Diskursforschung seit den 1960er Jahren: Die französischsprachige sprachwissenschaftlich orientierte Diskursforschung interessierte sich für öffentliche diskursive Ordnungen, die makrosoziologisch untersucht wurden und meist auf ein schriftbasiertes Verständnis von Diskurs (discours) zurückgriffen. In der an der amerikanischen qualitativen Sozialforschung orientierten Diskursforschung werden hingegen auch die "'kleinen' Praktiken alltäglicher Kommunikation" (ANGERMULLER & WEDL 2014, S.163) analysiert. [42]
In den im Abschnitt 4 besprochenen Beiträgen wurde sowohl das Potenzial der Diskursanalyse in Bezug auf eine empirische Untersuchung von schriftbasierten "Texten" im Kontext Geschlecht-Sexualität als auch das einer diskurstheoretisch geleiteten Auswahl von Material aufgezeigt. In den Untersuchungen von Texten und Textkorpora wurden vorrangig Diskursstrategien zur (De-) Legitimierung spezifischer geschlechtlich-sexueller Subjekt-Positionen (FUCHS, SMYKALLA) und vergeschlechtlichte Zuschreibungspraktiken (GRENZ) rekonstruiert. [43]
So arbeitete Matthias FUCHS mithilfe der von Jürgen LINK (2009) weiterentwickelten Interdiskursanalyse anhand von Normalisierungstheorien diskursive Strategien medialer (Re-) Präsentationen heraus, mit denen spezifische lesbische und schwule Subjektivitäten (nicht) in die Normalität aufgenommen bzw. anerkennbar gemacht werden. Gerade vor einem gender- und queertheoretischen Hintergrund ließe sich hier aber die Frage des Gegenstands auch kritisch diskutieren: Die Fokussierung auf schwul/lesbisch verbleibt im binären Geschlechter- und Sexualitätenschema (Männer/Frauen und hetero/homo) und vernachlässigt darüber hinaus auch Verschränkungen mit anderen Differenzkategorien. Eine ähnliche Kritik lässt sich für die Untersuchung von Frauke GRENZ formulieren: Auch sie verbleibt im binären Schema männlich-weiblich, wobei unklar ist, wie männlich und weiblich definiert werden – sei es in Form einer Vorab-Theoretisierung oder in Form der Herausarbeitung einer gegenstandsbezogenen Theorie oder eines Modells. Wenn keine der beiden Möglichkeiten aufgegriffen wird, läuft die empirische Untersuchung Gefahr, alltagsweltliche und stereotype Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit zu reproduzieren, auch wenn (Männlichkeits-) Zuschreibungen weiblich klassifizierte Politiker*innen adressieren. [44]
Aus unserer Sicht ist dann auch gerade die von FUCHS verwendete Methode der qualitativen Inhaltsanalyse (MAYRING 2000) nicht geeignet, um für Brüche und Widersprüche im Material oder aber auch für Unsichtbarkeiten zu sensibilisieren, weil die Vergabe von Kodes und Kategorien zwar erlaubt, größere Textmengen zu untersuchen, dabei aber durch das Subsumieren von Textpassagen unter Kodes auf einer (notwendigen) Komplexitätsreduktion fußt. Demgegenüber haben rekonstruktive und sequenzanalytische Verfahren zwar den Vorteil, dass sich aufgrund der feinanalytischen Vorgehensweisen Widersprüche, Brüche und Ungesagtes leichter auffinden lassen. Zugleich lassen sich durch das "unpraktische Verfahren" (REICHERTZ 1999, S.59)10) aber nur sehr viel kleinere Mengen an Text bewältigen. Hier wäre eventuell eine Kombination beider Ansätze (Kodieren und Rekonstruieren) im Sinne der Grounded-Theory-Methodologie (vgl. MEY & MRUCK 2009) eine gewinnbringende Option. [45]
Mit einer offeneren Fragestellung in Bezug auf Geschlechter und Sexualitäten operierten die Untersuchungen von Sandra SMYKALLA und Ann-Kathrin STOLTENHOFF zu Diskursstrategien auf der Grundlage von Textkorpora zum Antifeminismus. Insbesondere SMYKALLAs Gegenstandskonstruktion und Forschungsfrage nach Diskursstrategien im Antifeminismus aus der Perspektive der dekonstruktivistischen Geschlechterforschung erlaubte das Denken von geschlechtlich-sexuellen Sprechpositionen, ohne diese von vornherein festlegen zu müssen. Untersucht wurde vielmehr offen, wie der Antifeminismus funktioniert bzw. welche diskursiven Legitimierungsstrategien sich als grundlegende erwiesen bzw. es auch erschwerten, Antifeminismus überhaupt als solchen zu identifizieren. [46]
Ein anderes Ziel verfolgte Anna KASTEN: Sie wollte mithilfe des Konzepts der Anrufung das empirische Material – Rechtstexte aus Deutschland und Polen zu alleinerziehender Mutterschaft – ihrer wissenssoziologischen Diskursanalyse reduzieren bzw. sich auf die Untersuchung spezifischer Textpassagen konzentrieren. Für KASTEN war eine Auseinandersetzung mit BUTLERs Anrufungsbegriff zentral. Man müsse nach BUTLER die Anrufung von der Figur der Stimme ablösen, "damit sie als Instrument und Mechanismus von Diskursen hervortritt, deren Wirksamkeit sich nicht auf den Augenblick der Äußerung reduzieren läßt" (BUTLER 2006, S.57)11). KASTEN legte eine kulturvergleichende Perspektive auf Heteronormativität an, wobei sie eine Programmatik von Diskursen, Performativitäten, Wissen und Macht untersuchen wollte, die Genderbinarität bzw. Gendervarianz produziert. Unklar blieb bei diesem ausschnitthaften Einblick in die Forschungsarbeit jedoch, wie die soziale Rolle der Mutterschaft im Zusammenhang mit Geschlechtern gedacht (auch Männer können die Mutterrolle einnehmen) bzw. wie Mutterschaft in den Rechtstexten definiert wird. [47]
Insgesamt lässt sich bei den Untersuchungen, die in der Fragestellung eine Vorab-Setzung geschlechtlich-sexueller Subjektpositionen (lesbisch, schwul, Mütter) vornehmen und diese mit inhaltsanalytischen Verfahren verbinden, eine Tendenz zur Konzeption von Geschlecht und Sexualität als quasi-natürlichen Größen beobachten. Wenn also der queertheoretische Theorierahmen nicht mit einem methodischen Verfahren kombiniert wird, mit dem auch nach Brüchen, Widersprüchen und Zwischenräumen gesucht werden kann – mithin also nach dem, was sich den Kategorien gerade entzieht – kann die empirische Analyse mit dem Risiko einhergehen, den Theorierahmen zu konterkarieren.12) [48]
Ebenso wichtig wie eine ausreichende theoretische Konzeptualisierung von Geschlechtern und Sexualitäten ist die des Diskursbegriffs. Wird der angesetzte Diskursbegriff nicht theoretisiert und spezifiziert, wird die methodologische Relevanz der Diskurskonzeption für die Gegenstandskonstruktion und die damit einhergehende Wissensproduktion außer Acht gelassen. In Bezug auf den Gegenstand der Konstruktion von Geschlecht und Sexualität ist es insbesondere bedeutsam, wie damit verbunden die Handlungsmacht des Subjekts gedacht wird. Die Konzeptualisierung von "Diskurs" hat in den diskursanalytischen Zugängen Konsequenzen für die Fassung seiner Wirkkraft in Bezug auf die Subjektivierung.
Diskurse können als eigenständige Entitäten (z.B. Textkorpora als Diskursobjekte) untersucht werden. Wenn Diskursanalyse in der Gegenstandskonstruktion auf der Ebene von Texten und Sprache verbleibt, werden beispielsweise (körpergebundene) Praktiken als das "Andere von Diskursen" (siehe auch Vortrag von BUBLITZ) nicht in diskursanalytische Untersuchungen miteinbezogen (vgl. RECKWITZ 2003; problematisierend dazu WRANA 2012, S.185). Darüber hinaus können widerständige Sprechhandlungen oder Körperpraktiken und damit verbundene Subjektivierungsweisen in diesem Untersuchungsdesign nicht in den Blick geraten.13)
Macht kann als Dispositiv – als Infrastruktur von Diskursen (vgl. BRÖCKLING 2007; BÜHRMANN & SCHNEIDER 2007; KELLER 2001) –oder als den Diskursen immanent angenommen werden (vgl. DYK et al. 2014). Wenn Macht auf der Ebene von (institutionellen) Praktiken verortet wird, folgt aus dieser Konzeptualisierung, dass den Praktiken gegenüber dem Diskurs und der Subjektkonstitution ein dominanter Charakter zugesprochen wird. Die (machtvollen) Praktiken werden als das "Andere von Diskursen" gefasst. Der Dispositiv-Begriff bildet für viele gouvernementalitätstheoretische Studien ein wichtiges Fundament, da damit die "Infrastruktur" der Herstellung von Macht und machtvollen Diskursen gefasst wird. BRÖCKLING (2007) bezeichnet Gouvernementalität als strategische Konstellation. Die Form der Gouvernementalität, die zum Beispiel Technologien des Selbst befördert, wird im Zusammenhang mit einer bestimmten Subjektivierung konzeptionalisiert. Aber das Konzept der Gouvernementalität kann auch durch eine praxeologisch angelegte Diskursanalyse auf der Ebene der performativen Hervorbringung durch unterschiedliche Praktiken untersucht werden (vgl. die ethnografisch angelegte Machtanalyse von OTT 2011).14)
Ein weiterer methodologischer Zuschnitt ist, dass Diskurse in materialisierter Form beispielsweise durch visuelle Daten (z.B. Videos) als diskursive Praktiken analysiert werden. Eine Herausforderung ist, Körper und Materialität nicht als das "Andere von Diskursen" zu konzeptualisieren. Nur ein Verständnis von Diskursen, das diese als getrennt von Körpern und Praktiken begreift, ermöglicht den Vorwurf der Hegemonie des Diskurses.15) [49]
In der Diskussion von diskursanalytischen Zugängen erfolgt eine spezifische Grenzziehung, was Diskurs und was außerhalb "des Diskurses" ist (vgl. WRANA & LANGER 2007). Wichtige Frage in diesem Zusammenhang sind: Wo wird Macht verortet? Innerhalb des Diskurses? In den Dispositiven? Wann ist das Subjekt ermächtigt? Die Grenzziehung von Diskurs, Macht und außerdiskursiven Kontexten präfiguriert die Möglichkeit der Konzeption von widerständigem Handeln und der damit verbundenen Form, das Subjekt zu denken und erscheinen zu lassen. Diese Grenzziehungen sind folgenreich für das Fassen-Können einer (widerständigen) Handlungsmacht und haben Konsequenzen für die Akzentuierung der Kraft von hegemonialen Ordnungen – wie der der Heteronormativität – auf das Subjekt. [50]
6. Empirische Arbeiten am Schnittpunkt von Diskurs- und Geschlechterforschung – Analyse von Interviews, Dokumenten und Gruppendiskussionen
6.1 "Zum Umgang von Lehrer*innen mit heterogenen Inszenierungen von Geschlecht" (CARNAP)
Anna CARNAP hat in ihren empirischen Analysen zu fotobasierten heterogenen Inszenierungen von Geschlecht die dokumentarische Bildinterpretation (BURKARD 2015) mit der Analyse von Rezeptionsgesprächen verbunden, welche eine Perspektive auf Diskurse eröffnen sollte. Im Zentrum standen Gruppendiskussionen von Lehrer*innen zu fotobasierten Inszenierungen von Geschlechtlichkeit, die als "Genderfiktionen" bezeichnet wurden. Geschlechtsbezogene Heterogenität trete in den Fotografien, so CARNAP, durch syntagmatische Offenheit in Erscheinung: Die Bilder wiesen eine erhöhte Polysemie auf, die u.a. Irritationen in Bezug auf eine binäre geschlechtliche Zuordenbarkeit hervorrufen könnte. In der Analyse der Fotogruppendiskussionen erfolgte zuerst eine dokumentarische Bildinterpretation durch die Forscherin selbst, in der eine "objektive" Sinnebene des Bildes sowie eine sich dokumentierende Genderfiktion beschrieben wurde. Sie habe (analytische) Narrationen der "abgebildeten" Genderfiktionen hergestellt. In der Diskussion eingebrachten Bildern lag der Fokus u.a. auf Körpermerkmalen. In der ersten exemplarisch vorgestellten fotobasierten Gruppendiskussion seien Berufstätigkeit und Mutterschaft als widerstreitende Lebensentwürfe (re-) konstruiert worden. Die Thematisierung der Norm der Heterosexualität sei mit einer Abwertung der mit einem Kleinkind porträtierten berufstätigen Person einhergegangen. Das zweite Bild habe eine erhöhte Irritation durch Veruneindeutigung einer binären Geschlechtlichkeit eingebracht. Die Sprachlosigkeit – die fehlende Sagbarkeit – der Diskussionsteilnehmer*innen resultierte nach CARNAP aus der relativen lebensweltlichen Distanz zur abgebildeten "Genderfiktion". [51]
6.2 "Diskursive Anrufungen zu Geschlecht und Sexualität im schulischen Sexualkundeunterricht" (BALLASCHK)
Der Vortrag von BALLASCHK gewährte einen Einblick in das empirische Material eines Dissertationssprojekts zu diskursiven Anrufungen von Geschlecht und Sexualität in der Schule als Ort geschlechtlicher Subjektivierung. Im Zentrum stand die Frage "Welches Wissen wird in Schulbüchern und weiteren Unterrichtsmaterialien sowie Lehrer*innenerzählungen zu Geschlecht und Sexualität hergestellt?" Geschlecht und Sexualität wurden im Zusammenhang mit weiteren Kategorien wie race, class, und ability basierend auf dem Forschungsprogramm der wissenssoziologischen Diskursanalyse und kombiniert mit einer hermeneutisch angelegten sequenziellen Feinanalyse untersucht, um Sagbarkeiten und Unsagbarkeiten zu Geschlecht und Sexualität (Möglichkeitsbedingungen des Sprechens) sichtbar zu machen. Als Untersuchungsfeld diente der Sexualerziehungsunterricht in Schulen in Berlin. Aus dem Datenmaterial von zehn Interviews mit Lehrer*innen sowie der Analyse von Schulbüchern und weiteren Unterrichtsmaterialien in unterschiedlichen Schulformen und -fächern brachte BALLASCHK den Interpretationsvorschlag einer ausgewählten Interviewsequenz mit einer Lehrerin ein. In der ausgewählten Passage berichtete die Lehrerin über ein Gespräch mit 14-15-jährigen Schüler*innen ihrer Klasse über deren Verständnis von Freundschaft und Liebe. Die befragte Lehrerin habe eine heteronormative Vorstellung von Sexualität reproduziert, indem sie beispielsweise Sexualität in Verbindung mit Reproduktion darstellte und eindeutige Vorstellungen davon vermittelte, wo Sexualität gelebt werden müsse und wo sie nicht gelebt werden dürfe. [52]
6.3 "Geschlechtsbezogene Zuschreibungsmuster und empirische Subjektivierungswirkungen: Diskursanalyse meets Biographieforschung" (CORRELL & SCHÜRMANN)
Untersuchungsgegenstand der Studie von CORRELL und SCHÜRMANN waren vergeschlechtlichte Lebensentwürfe von gewollt kinderlosen Frauen aus Stadtverwaltungen (CORRELL) und männlichem Reinigungspersonal (SCHÜRMANN). Mithilfe der Subjektivierungsanalyse der wissenssoziologischen Diskursanalyse wurden Sagbarkeiten des individuellen Vollzugs von geschlechtlich abweichenden Lebensentwürfen erforscht. CORRELL und SCHÜRMANN führten jeweils über 30 Interviews. Ähnlich dem zuvor vorgestellten Forschungsprojekt wurde neben der wissenssoziologischen Diskursanalyse auch mit der hermeneutischen Sequenzanalyse gearbeitet, wodurch Narrationen zur Biografisierung des eigenen (Berufs-) Lebens stärker in den Blick getreten seien. [53]
Neben den diskursiven Programmatiken, gesellschaftlichen Zuschreibungen und den Ordnungen des Wissens bestimmter sozialer Felder rückten somit die Weisen der Anwendung des diskursiv generierten Wissens in der Deutung der Subjekte ins Zentrum der Untersuchung und zeigten die Beharrlichkeit geschlechtlich konnotierter Positionen: Die "Mutter" sei zur Normfrau geworden, und bewusst kinderlos gehaltene Lebensentwürfe von Frauen seien an Grenzen gestoßen: Die Interviews hätten gezeigt, so CORRELL, dass diese Lebensentwürfe zwar lebbar, jedoch oft nicht sagbar seien. Für die zweite empirische Studie stellte Lena SCHÜRMANN die Ergebnisse der Subjektpositionierungen von Männern in der Reinigungsindustrie vor. Rekonstruierbar seien narrative Strategien der Aufwertung und Distinktion gewesen, um sich beispielsweise von weiblichen Kolleginnen abzugrenzen, indem zwischen härterer körperlicher Arbeit in Außenräumen und weniger fordernden Tätigkeiten in Innenräumen unterschieden worden sei. Ein weiteres Scharnier für die Subjektivierung bildeten Normkonstruktionen der Relevanz der Erwerbsarbeit. [54]
6.4 Kommentierung und Weiterführung der Beiträge
In allen bisher vorgestellten Beiträgen war von der Kombination diskursanalytischer Ansätze mit anderen Methodologien berichtet worden, um sich so diskursiven Praktiken empirisch zu nähern. So hat Anna CARNAP die dokumentarische Methode zur Analyse von Fotos und Gruppendiskussionen mit einer Perspektive auf Geschlechterdiskurse in Interviews mit Lehrer*innen verbunden. Cindy BALLASCHK und auch Lena CORRELL und Lena SCHÜRMANN verknüpften die wissenssoziologische Diskursanalyse mit Sequenzanalysen von Interviewtexten, um die Herstellung von Wissen über Geschlecht und Sexualität in schulischen Diskursen zu untersuchen (BALLASCHK). SCHÜRMANN und CORRELL analysierten Legitimierungsstrategien und (Un-) Sagbarkeiten in biografischen Interviews mit Personen, deren berufliche Tätigkeiten oder Lebensentwürfe Geschlechterstereotypen nicht entsprechen. Die zuletzt dargestellte Herangehensweise schloss somit an Verbindungen von Biografie- und Diskursforschung an, die seit Längerem systematisch ausgearbeitet werden (TUIDER 2007; VÖLTER, DAUSIEN, LUTZ & ROSENTHAL 2009). Eine Kombination von diskurstheoretischen und biografischen Ansätzen ist insofern vielversprechend, als damit die Frage nach der Ordnungs- und Strukturierungsfunktion von Diskursen mit der Frage nach dem "Wie" von Subjektpositionierungen und danach, wie diese gefühlt und gelebt werden, verbunden werden kann (vgl. TUIDER 2007). Die Frage ist dann einerseits, wie Diskurse biografische Erzählungen beeinflussen und andererseits, wie die Erzählungen diskursive Regime unterlaufen. Die Beziehung von Subjekten und Diskursen wird dabei als relationale aufgefasst, gleichzeitig aber auch als ein Verhältnis, in dem Subjekt und Diskurs nicht ineinander aufgehen (a.a.O.). Im ersten Teil der Diskussion von Beiträgen mit empirischem Fokus (Abschnitt 6) wurde bereits eine kritische Perspektive auf die Konzeptualisierung von widerständiger Handlungsfähigkeit in der wissenssoziologischen Diskursanalyse formuliert. Eine Problematik besteht demzufolge darin, dass Diskurse als relativ homogene Entitäten (Diskursformationen) den Sprechhandlungen von Subjekten gegenübergestellt werden, und somit eine Analyse der performativen Hervorbringung von (widerständiger) Handlungsfähigkeit in wissenssoziologischen Untersuchungen nicht angelegt ist. [55]
In der praxeologisch angelegten Diskursanalyse (vgl. FEGTER et al. 2015b) treten durch die Analyse von unterschiedlichem empirischem Material die Brüche und Verschiebungen von kategorialen Konstrukten wie z.B. Geschlecht und Sexualität in den Blick. Wissensordnungen werden in ihrer subjektbestimmenden Machtförmigkeit durch den Fokus auf die Ebene der Praxis, die sich nur durch Iteration und Resignifizierung vollziehen kann, in ihren instabilen Anteilen sichtbar. Wenn aber dem theoretisch postulierten Verschiebungspotenzial und der damit einhergehenden Handlungsmacht in den empirischen Untersuchungen nicht systematisch nachgegangen wird, hat dies zur Folge hat, dass die referierten diskursiven Ordnungen manchmal eher starr und determinierend erscheinen. [56]
In der Arbeit von Lena SCHÜRMANN wurde deutlich, dass die interviewten, in der Reinigungsbranche tätigen Männer Männlichkeit herzustellen versuchten, indem sie die harte Arbeit und die geringe Bedeutung von Erwerbsarbeit betonten. Die von Lena CORRELL interviewten kinderlosen Frauen folgten der Verweigerung diskursiver Legitimität in gewissem Sinne, wenn sie nicht über ihren Lebensentwurf sprachen, ihn aber doch ausleben. In beiden Fällen bleibt – wie auch bei RICHTER – die Frage offen, inwiefern hier von widerständiger Handlung(sfähigkeit) gesprochen werden kann, da diese entweder theoretisiert oder aber eine gegenstandsbezogene Theorie bzw. ein empirisches Modell dazu entwickelt werden müsste. Gleichzeitig birgt eine theoretische Vorab-Konzeption zentraler Begriffe die Gefahr, dass andere als die definierten Formen (bspw. der Subversion oder Handlungsfähigkeit) dem forschenden Blick entgehen und auch die, dass sich die Ergebnisse von empirischen Untersuchungen zu stark an der zugrundeliegenden Theorie orientieren. Das hier beschriebene Dilemma lässt sich mithilfe des Konzepts der theoretischen Sensibilität16) beschreiben: Während eine sehr hohe oder dichte theoretische Sensibilität den offenen Blick auf empirische Daten verstellen kann, führt eine zu geringe theoretische Sensibilität unter Umständen dazu, dass Rekonstruktionen oder Interpretationen zu sehr dem alltagsweltlichen Verständnis der Forscher*innen verhaftet bleiben, ohne dass dies hinlänglich reflektiert wird. [57]
In Bezug auf das von BALLASCHK untersuchte schulische Wissen über Geschlecht und Sexualität und auch in den Interviews von Anna CARNAP erscheint der heteronormative Diskurs determinierend: In der Analyse des empirischen Materials wurde die Reproduktion von heteronormativen Konzepten von vergeschlechtlichter Subjektivation rekonstruiert, und dabei wurden Brüche und Verschiebungen weniger deutlich, wobei unklar blieb, wie dies mit dem jeweiligen Gegenstand der aufgezeichneten Gespräche (Fotos, Lehrmaterialien) oder mit der Auswahl der Interviewpassagen selbst zusammenhängt. In den analysierten Gruppendiskussionen, die mit der dokumentarischen Methode (BOHNSACK 2008) arbeiteten, kann das Sprechen in der Gruppe in Bezug auf Heteronormativität reflexiv in den Blick genommen werden. [58]
7. Empirische Untersuchung von Diskursen in Kombination mit visuellen Daten
7.1 "Lidschattenboxen gegen die symbolische Ordnung: Weiblichkeitsperformances in YouTube Beauty Videos" (RICHTER)
Susanne RICHTERs Vortrag stellte erste Ergebnisse einer Untersuchung von YouTube-Beauty-Videos vor. Im Rekurs auf Arbeiten von Simone de BEAUVOIR, Pierre BOURDIEU und Jacques LACAN analysierte sie die Arbeit der Akteur*innen an der symbolischen Geschlechterordnung mittels durch Zuschauer*innen kommentierter Videos. Im Mittelpunkt ihrer Diskursanalyse stand die Frage, wie die diskursive Verbindung von Weiblichkeit und Schönheit hergestellt, problematisiert und verhandelt wird, wobei RICHTER davon ausging, dass Weiblichkeit im kulturellen Wissen nach wie vor minoritär besetzt ist: Die symbolische Kopplung von Weiblichkeit und Schönheit naturalisiere die symbolische Ordnung und schreibe Weiblichkeit darin auf einen subordinierten Status fest. Jedoch könne Schönheitshandeln auch subversiv sein, was sie an Videobeispielen illustrierte. Die Videos und die Kommentare der Rezipient*innen wurden dabei sowohl als eigenständige Zugänge zu dem Wissen der Akteur*innen als auch als mediale Artefakte analysiert. RICHTER kam bezogen auf die Videos zu dem Ergebnis, dass der Widerspruch zwischen dem Videotitel #nicht schön, der das Thema Schönheit zugleich negiere und aufrufe, und den Inszenierungen selbst auf ein Spannungsverhältnis verweise, das die jungen Frauen thematisieren: Im Video zeige sich, so RICHTER, das Bearbeiten des Spannungsverhältnisses von Weiblichkeit und Schönheit, indem sich die Frauen z.B. mithilfe von Selbstverortungen (wie etwa "ich bin klug", "awesome", "kreativ" – "nicht schön") widerständig zur Reduktion auf Schönheit positionierten. In den Kommentaren zu den Videos habe sich hingegen eher Beharrungstendenz gezeigt, wenn die Verknüpfung zwischen Weiblichkeit und Schönheit wiederhergestellt würde. [59]
Der Vortrag von Susanne RICHTER trug als einziger der Verbindung von Sprache und Visualität Rechnung. Ihr Vorgehen ermöglichte z.B., den Widerspruch zwischen Titel/Text und Performance sichtbar zu machen; nicht sprachliches Handeln an sich stand hier im Vordergrund, sondern das Verhältnis von Sprache (in Form von Filmtitel und Aussagen der Akteur*innen) und (Selbst-) Inszenierung. Unklar blieb allerdings, wie Diskurse und Handlungsfähigkeit, mithin also auch Subjekte und Widerständigkeit bzw. Subversion verstanden wurden. Infolgedessen ist etwa zu fragen, inwiefern die Selbstpositionierungen von jungen Frauen, deren Weiblichkeit, Performanz, Mimik und Gesten an junge, mobile und konventionell als attraktiv gelesene Körper gekoppelt bleibt, als subversiv gelesen werden können, da sie der (Schönheits-) Ordnung verhaftet bleiben, die sie nach RICHTER infrage stellen wollen. Sicherlich kann so einer Reduktion auf Schönheit etwas entgegensetzt werden, ob sich so aber eine subversive Neubesetzung von nicht ontologisch verstandener Weiblichkeit nachzeichnen lässt, ist aus unserer Sicht offen. [60]
In unserer hier skizzierten Auseinandersetzung mit den Tagungsbeiträgen haben sich mehrere Punkte herauskristallisiert, die bei einer konsequenten Verbindung von Diskursforschung und poststrukturalistisch informierter Geschlechterforschung zu berücksichtigen wären. Diese Punkte führen wir im Folgenden vor dem Hintergrund der sukzessiv entwickelten These aus, dass sowohl die Konzeption von Geschlecht und Sexualität als auch die Konzeptualisierung des Diskursbegriffs zentrale Kriterien für die Bestimmung des Verhältnisses zwischen Gender/Queer Studies und Diskursforschung darstellt. [61]
Wenn nun theoretische und empirische Untersuchungen eine Fundierung in der Geschlechter- und Diskursforschung anstreben, lassen sich aus unseren Überlegungen drei Reflexionsvorschläge ableiten:
die konsequente und durchgängige Berücksichtigung und Theoretisierung von Geschlecht und Sexualität in der Diskursforschung (denn eine theoretisch basierte Reflexion von selbstverständlich erscheinenden kategorialen Zuschreibungen erlaubt das Durchbrechen einer unhinterfragten Reproduktion von Heterosexualität und Zweigeschlechtlichkeit);
die konsequente und durchgängige Berücksichtigung und Theoretisierung von Diskurs, Subjekt und Handlungsmacht in der Geschlechterforschung (denn die Auswahl von bestimmten diskursanalytischen Zugängen hat Konsequenzen für die Möglichkeiten der Gegenstandskonstruktion: Diskurs kann als ein eher festes Wissensgefüge gedacht werden, das Subjektpositionierungen ermöglicht bzw. verunmöglicht oder als diskursive Normen, die mit dem Subjekt gewissermaßen gleichursprünglich hervorgebracht werden);
die Wahl von empirischen Forschungsmethoden, die es erlauben, auch das zu beschreiben, was einem kategorialen Zugriff entgeht. [62]
Ein Ergebnis unserer Reflexion von methodologischen Grundlegungen am Schnittpunkt der Diskurs- und Geschlechterforschung ist, dass praxeologisch angelegte Diskursforschung in Verbindung mit einem diskurstheoretischen Verständnis von Geschlecht und einem rekonstruktiven Design in besonderem Maße erlaubt, Brüche, Widersprüche und Verschiebungen in den empirischen Daten nachzuzeichnen. [63]
8.1 Konsequente und durchgängige Berücksichtigung und Theoretisierung von Geschlecht und Sexualität in der Diskursforschung
Wie zuvor herausgearbeitet wurde, gehen diskurstheoretisch informierte Untersuchungen von Subjektivationsprozessen oder von Gouvernementalität nicht unbedingt mit systematischen Überlegungen zur Vergeschlechtlichung oder mit einer Theoretisierung von Geschlecht und Sexualität einher. In der von uns eingenommen Perspektive wäre die Bedeutung von Geschlecht und Sexualität erstens in Bezug auf die Konstitution von Subjekten und ihre (sexuellen) Beziehungen, zweitens in Bezug auf gesellschaftliche, politische und nationalstaatliche Ordnungen sowie auf Produktionsweisen und drittens in Bezug auf Macht- und Wissensformen zu reflektieren (vgl. dazu auch BARGETZ et al. 2015; HARK 2009; ENGEL 2009). Im Zusammenhang mit Geschlecht und Sexualität gilt es insbesondere in der Perspektive der Queer Studies die Normsetzung und Privilegierung von Heterosexualität und Zweigeschlechtlichkeit – Stichwort: Heteronormativität (HARK 2009; KLEINER 2016) – als relevante Diskursformation stärker zu berücksichtigen. Konkret impliziert diese Perspektive, nach den diskursiv organisierten Normalisierungsverfahren zu fragen, in denen Geschlecht und Sexualität in Verschränkung mit anderen Ungleichheitsdimensionen hervorgebracht und reguliert werden (HARK 2009, S.323-324). Weiter wäre ein Verständnis von geschlechtlich-sexuellen Subjekten zu entwickeln, das Geschlechter nicht auf Männer und Frauen reduziert (sondern auch Trans* und Inter*geschlechtlichkeiten sowie queere Subjekte mitberücksichtigt), Geschlechter und Sexualitäten erlaubt, unabhängig voneinander zu betrachten und das zugewiesene Geschlecht nicht als determinierend bzw. geschlechtliche Selbstverhältnisse als wandelbar versteht. Das Zusammendenken von Heteronormativität als hegemonialer diskursiver Ordnung, die hierarchisch positionierte Subjekte hervorbringt und von vielfältigen geschlechtlich-sexuellen Subjektpositionen ermöglicht es, Subjekte, Lebensweisen und Handlungsmöglichkeiten im Spannungsfeld von Fremd- und Selbstpositionierungen zu untersuchen. [64]
8.2 Konsequente und durchgängige Berücksichtigung und Theoretisierung von Diskurs, Subjekt und Handlungsmacht in der Geschlechterforschung
Aufgezeigt wurde darüber hinaus, dass in Untersuchungen von Geschlechterverhältnissen und Sexualitäten nicht selten eine systematische Diskussion des Diskursbegriffs vernachlässigt wird. Eine Spezifizierung des Diskursbegriffs ist aus folgenden Gründen bedeutsam: Die Subjektivierungswirkung von Diskursen kann unterschiedlich angenommen werden: Der Diskurs wirkt (vermittelt über das Dispositiv) auf das Subjekt ein (vgl. BRÖCKLING 2007), das sich kreativ auf ihn bezieht, oder Diskurs und Subjekt stehen im relationalen Verhältnis (BUTLER 2001). Komplexitätserweiternd kommt hinzu, dass verschiedene Theoretiker*innen Grenzen von Diskursen unterschiedlich bestimmen (WRANA & LANGER 2007). Für die Konzeption eines sozial konstruierten Geschlechts in Verbindung mit Sexualität ist relevant, dass Diskurs sich über die "Grenze" von Sprache und Text hinwegsetzt. Der Körper wird etwa von BUTLER (1997, S.24-41) als Materialität gedacht, die an der diskursiven Bedeutungskonstitution beteiligt ist. In den Tagungsbeiträgen wurden BUTLERs Konzepte der Performativität und Materialisierung von Diskursen als mögliche Schnittstelle von Diskurs und Körper(lichkeit) eingeführt. Einschränkend ist hier allerdings anzumerken, dass Performativität und Materialisierung nicht ohne Weiteres erlauben, Körpererfahrungen zu untersuchen (SCHIRMER 2010, S.26-32, 240), weshalb hierfür weitere Theorien heranzuziehen wären. [65]
Auch auf der Ebene der Empirie stellt sich die Frage des Einbezugs von Materialität. Oft wird diskursanalytisch mit wissenssoziologischen Zugängen gearbeitet, die Diskurse bezogen auf Texte (Textkorpora) oder Artikulationen (z.B. mündlich in Interviews oder Gruppendiskussionen) untersuchen, während (das Verhältnis von Sprechen und) Körperlichkeit meist nicht oder nur auf der erzählten Ebene in den "Blick" gerät. Hier scheint uns ein Einbezug von unterschiedlichen Materialsorten wie z.B. Interviews und audiovisuellen Daten vielversprechend. [66]
8.3 Wahl empirischer Forschungsmethoden
Wenn man als ein zentrales gemeinsames Anliegen der sozialwissenschaftlichen Diskursforschung und der poststrukturalistischen Geschlechterforschung die Untersuchung der Hervorbringung von Kategorien und deren Bedeutungen für Wissensordnungen und Subjektivierungsweisen begreift, impliziert dies entsprechend eine Wahl von Forschungsmethoden, die solche Prozesse zu beschreiben vermögen, ohne Kategorien unhinterfragt zu reproduzieren. Bei der Diskussion der Tagungsbeiträge wurde deutlich, dass gerade empirische Untersuchungen großer Textkorpora, die sich bei der Analyse ausschließlich kodierender Verfahren bedienen, in der Tendenz (binäre) Kategorisierungen reifizieren. Hier wäre entweder über eine Priorisierung von rekonstruktiven Zugängen oder aber über eine Kombination von kodierenden und rekonstruktiven Verfahren nachzudenken. Rekonstruktive Verfahren ermöglichen aus unserer Sicht stärker, das nicht so Offensichtliche, das Ungesagte und das, was über fixe Kategorien hinausgeht zu erfassen. Allerdings ist als eine Einschränkung zu nennen, dass mit rekonstruktiven Verfahren nur deutlich geringere Datenmengen zu bewältigen sind und dass das Rekonstruieren von Texten hohe Anforderungen an Ungewissheitstoleranz und Vorstellungsfähigkeiten der Forscher*innen stellt. [67]
Eine abschließende These ist, dass ein performatives Verständnis von Geschlecht und Sexualität zusammen mit dem Konzept der diskursiven Praktiken eine Brücke zwischen Diskurs- und Geschlechterforschung darstellen kann. Dem linguistic turn folgend betont Judith BUTLER (1997, 2006) die Macht performativer Akte, die soziale Wirklichkeit konstituieren, indem sie produzieren, was sie benennen. Die Konstitution von so verstandener Wirklichkeit und von Subjekten ist dabei an machtförmige Diskurse gebunden, die Handeln, Vorstellungsvermögen sowie Sicht- und Sagbarkeiten regulieren, aber nicht vollständig bestimmen. Die Erzeugung von sozial anerkennbaren Subjekten ist demnach mit Prozessen des Ausschlusses dessen verbunden, was sich in einem bestimmten Kontext als undenkbar und unsagbar erweist. BUTLER (1997, S.30) verknüpft die Konstruktion mit der Konstitution, indem sie situative Handlungen und Positionierungen mit den längerfristigen materialisierenden (psychischen und leiblichen) Effekten von Diskursen verbindet. Im Zuge performativer und zitatförmiger Akte17) materialisieren sich Diskurse demnach – und ermöglichen doch gleichzeitig andere Formen und Verknüpfungen von Zitaten (BUTLER 1991, 1997). [68]
Bezieht man nun Performativität auf geschlechtlich-sexuelle Positionen, wird die Kette sex-gender-desire (die sich z.B. mit der heteronormativen Gleichung: Frau=weiblich=begehrt Mann illustrieren lässt) als ein oftmals (auch in der Forschung) unreflektierter Verweisungszusammenhang sichtbar, der Vorstellungen und Wahrnehmungen von Geschlechtern organisiert. Die Glieder der Kette können im Zusammenhang mit performativen Praktiken auch anders kombiniert gedacht und gelebt werden, sodass Selbstverhältnisse und Beziehungen nicht oder weniger der heteronormativen Ordnung entsprechen. [69]
Sprechhandlungen und "Körperhandeln" können im Sinne eines performativen Verständnisses von Handlung oder Handlungsmacht als diskursive Praktiken untersucht werden. Es sind solche Praktiken des Wahrnehmens, des Denkens und des (körperbasierten) Agierens, die nicht außerhalb von Bedeutungszuschreibungen – also eines diskursiven Raums – stattfinden können. Der Körper tritt somit in seiner zeichentragenden Dimension als bedeutsamer Aspekt einer Gegenstandskonstruktion von empirischen Untersuchungen am Schnittpunkt zwischen Geschlechter- und Diskursforschung in den Blick. [70]
Ein performatives Verständnis von Geschlecht im Zusammenhang mit einer empirischen Untersuchung (diskursiver) sprachlich-körperlicher Praktiken würde den Blick folglich auf Brüche und Widersprüche, auf das zunächst ungewöhnlich Erscheinende und auf das Verhältnis von "Aufführung" und Wahrnehmung solcher Praktiken lenken. Diese Blickrichtung bedarf nicht zuletzt der Reflexion der Begrenztheit des eigenen Denkens und Blickens. Dieser Herausforderung lässt sich zum einen mit Theoriebildung begegnen, zum anderen aber auch damit, dass Forscher*innen mit unterschiedlichen Perspektiven und biografischen Erfahrungen an Untersuchungen beteiligt werden. [71]
1) DiskursNetz ist ein internationales Netzwerk von sozial-, geistes- und sprachwissenschaftlich arbeitenden Diskursforscher*innen. Es ist aus dem von 2007 bis 2010 geförderten DFG-Netzwerk "Methodologien und Methoden der Diskursanalyse" (MeMeDa) hervorgegangen. Ein bedeutsamer Kommunikationsweg von DiskursNetz ist die Website http://www.diskursanalyse.net/ als Informations- und Arbeitsplattform für Diskursforscher*innen. Die DiskursNetz-Plattform hatte im August 2017 knapp 4.700 Mitglieder. Darüber hinaus ist aus einem Gemeinschaftsprojekt von mehr als 50 Diskursforscher*innen nach langjähriger Zusammenarbeit das zweibändige interdisziplinäre Handbuch "Diskursforschung" (ANGERMÜLLER et al. 2014) herausgegeben worden. <zurück>
2) FOUCAULT (1988, S.98) fragt in "Sexualität und Wahrheit": "Wozu diese große Jagd auf die Wahrheit des Sexes, auf die Wahrheit im Sex?" Ihn interessiert, wie für eine bestimmte Zeit wahrheitsfähige Diskurse produziert werden und welche Funktion sie haben. Ein Ergebnis von FOUCAULTs Arbeit zur Sexualität ist, dass der Befreiungsdiskurs zum "Sex" eine weitaus größere Machtwirkung in Bezug auf biopolitische bzw. gesellschaftliche Steuerungsformen hat als die Repression des Sexes. Mit dem Befreiungsdiskurs zur Sexualität werden Regungen und Bewegungen von Sex und Sexualität vermehrt besprochen und sichtbar gemacht. <zurück>
3) Damit meinte DIETZE das abendländische Narrativ, über das fortschrittlichste und freiheitlichste Sexualregime der Welt zu verfügen und diese Überzeugung kritisch gegen angenommene muslimische sexuelle Rückständigkeit zu behaupten. <zurück>
4) Wir schreiben hier "Schwarz" groß und "weiß" klein und kursiv, um auf den Konstruktionscharakter der Kategorien hinzuweisen und damit verbunden auch zu markieren, dass die eine Kategorie (Schwarz) eher mit Abwertungen einhergeht und von Schwarzen und PoC-Communities (person of color oder persons/people of color, siehe HA 2013) neu angeeignet wurde; die andere (weiß) stellt ein Privileg dar, das mit der Kursivierung sichtbar gemacht werden soll. Vergleiche dazu auch den Leitfaden der AG Feministisch Sprachhandeln der Humboldt-Universität zu Berlin: http://feministisch-sprachhandeln.org/ [Datum des Zugriffs: 22. August 2017]. <zurück>
5) Intersektionale Analysen und Studien konzeptualisieren soziale Kategorien wie Gender, Ethnizität, Nation oder Klasse nicht isoliert voneinander, sondern in ihren "Verwobenheiten" oder "Überkreuzungen" [intersections]. "Es geht demnach nicht allein um die Berücksichtigung mehrerer sozialer Kategorien, sondern ebenfalls um die Analyse ihrer Wechselwirkungen" (WALGENBACH 2012, S.81). Die Herkunft des Begriffs der Intersektionalität liegt im Black Feminism und der Critical Race Theory (CRENSHAW 1989). <zurück>
6) Daniel WRANA (2012) verortet Diskursivität diesseits der Praktiken. Die Analyse diskursiver Praxis "untersucht demnach nicht einen homogenen Diskurs in seiner gegenwärtigen gesellschaftlichen Streuung oder seiner historischen Entwicklung, sondern diskursive Praktiken in ihren Funktionsweisen. Auf die analytische Gegenüberstellung von 'den Diskursen' und 'den Praktiken' wird dabei verzichtet und damit auch darauf, das Zeichenförmige als einen von den kulturellen Praktiken differenten Forschungsgegenstand zu begreifen" (S.198). <zurück>
7) "Wenn das Projekt, die Erfahrungen von Frauen in feministischer Perspektive und herrschaftskritischer Absicht zu rekonstruieren, dennoch Gefahr läuft, in den eigenen Begrifflichkeiten die hierarchische Dichotomie der Geschlechter zu wiederholen, die es zu verändern gilt, wie begegnet man dann der 'Neigung, Wahrnehmungs- und Denkkategorien als Erkenntnismittel zu verwenden, die [...] als Erkenntnisgegenstand zu behandeln wären'? (Bourdieu 1997, S.153)" (HARK 2001, S.357). Dieser Verweis auf die Problematik des unhinterfragten Einsatzes von Denkkategorien (z.B. "die Frau") kann als Appell der Reflexion für die Gegenstandskonstruktion von Geschlechter-, aber auch von Diskursforschung betrachtet werden. <zurück>
8) Das unauffällige, geschickte Lenken bzw. Führen der Handlungen von Subjekten findet in Praktiken an verstreuten Orten statt. In der Analyse von Regierungsformen bzw. (aktueller) Regierungskunst müsste im Sinne FOUCAULTs (1996, S.118) "die Gesamtheit der Institutionen und Praktiken, mittels deren man die Menschen lenkt", einbezogen werden. <zurück>
9) KALTHOFF (2008) weist auf die Unausweichlichkeit einer theoriegeladenen Perspektivierung von Empirie hin, was konsequenterweise bedeutet, dass kontingente Theorieanschlüsse bei empirischen Studien wirkmächtige Effekte erzeugen: "Die soziale Welt erscheint im Lichte derjenigen Theorie, in die man investiert hat, genauso wie die Theorie sie darstellt und sichtbar macht, weil sonst die Investition in diese Theorie sinnlos würde. [...] Theorien sind keine wörtlichen Übersetzungen gesellschaftlicher Wirklichkeit, sondern Vorschläge, diese mit der theoretischen Begrifflichkeit zu sehen und zu begreifen" (S.15; siehe auch FEGTER et al. 2015a, S.27). <zurück>
10) REICHERTZ betont in seinem Aufsatz zur Abduktion allerdings gerade die Stärke, die in der Umständlichkeit sequenzieller Analysen liegt: Die sequenzielle Analyse von Daten ist ihm zufolge zusammen mit einem abduktiven Verfahren besonders geeignet, theoretische Vorannahmen ins Straucheln zu bringen, weil im Zuge der schrittweisen und präzisen Lektüre des Textes sukzessive verschiedene und auch widersprüchliche Lesarten gebildet würden. Im Zuge der systematischen Sinnauslegung würden so Selbstverständlichkeiten der eigenen Perspektivik zerstört. <zurück>
11) BUTLER reformulierte ALTHUSSERs Anrufungsbegriff, der auf die Anrufung durch eine göttliche Stimme rekurriert. Sie schlägt vor, die Anrufung von der Figur der Stimme zu lösen, denn sie geht nicht von einer Allmacht aus, sondern bezieht sich auf FOUCAULTs Machtbegriff (der auch Umdeutungen der Anrufung zu denken erlaubt). Demzufolge gehen Anrufungen von vielen Orten aus und nicht von einem einzigen, z.B. auch von schriftlichen Texten oder medialen Präsentationen. <zurück>
12) Eine Herangehensweise, mit der Brüchen und Widersprüchen im (Text-) Material stärker Rechnung getragen werden könnte, skizziert Susan FEGTER (2015) im abschließenden Teil ihrer Untersuchung "Die doppelte Krise der Jungen". Nachdem sie die mediale Rede von der Krise der Jungen mithilfe einer durch FOUCAULTs Konzept der diskursiven Formation modifizierten wissenssoziologischen Diskursanalyse untersucht hatte, verweist FEGTER auf Potenziale einer praxeologischen Perspektive auf diskursive Praktiken als potenziell weiterführende Analyseperspektive (vgl. FEGTER 2015, S.342). <zurück>
13) LANGER (2008) hat die Konstruktion von Körpern unter systematischer Berücksichtigung der Konstruktion von Geschlecht in einer ethnografischen Diskursanalyse zu Disziplin und Disziplinierung von Schüler*innen- und Lehrer*innenkörpern erforscht. Die Gegenstandskonstruktion erfolgte unter Verwendung von unterschiedlichen Materialsorten (Textkorpora, Interviews, Beobachtungen). <zurück>
14) In der Studie von OTT (2011) wurden beispielsweise institutionelle Praktiken der Zuschreibung von (In-) Kompetenz bei Arbeitssuchenden u.a. durch Assessmentverfahren und Interviews untersucht. <zurück>
15) Würde umgekehrt der Materialität bzw. dem Körper zugesprochen, ursprünglicher als der Diskurs zu sein und diese/r somit als definite Kategorie gefasst werden, wäre man wieder am Punkt seiner Naturalisierung angelangt, was ein binäres und eindeutig festlegbares vergeschlechtlichtes Subjektverständnis nach sich zieht. <zurück>
16) Theoretische Sensibilität wird hier im Anschluss an STRAUSS und CORBIN (1996 [1990], S.25f.,152) als eine Art "Brille" verstanden, die dazu dienen soll, "unser Denken über die untersuchten Phänomene zu öffnen" (S.56). Die Konzepte, die dabei an das Material herangetragen werden, sind allerdings weit offener als die zu prüfenden Hypothesen im Falle quantitativer Forschung und können im Zuge der Auseinandersetzung mit dem Material angereichert, modifiziert oder verworfen werden. <zurück>
17) Um das Performative zu beschreiben, bezieht sich BUTLER auf DERRIDA, "der die Illusion eines intentionalen, vorgängigen Subjekts zeichentheoretisch erklärt. Er geht davon aus, dass ein Zeichen nur dadurch zum Zeichen wird, indem es iteriert, d.h. beständig, aber nie identisch wiederholt wird. […] Damit entsteht Bedeutung und Autorität des Zeichens nicht durch den Bezug auf einen diesem vorangehenden Referenten, sondern durch wiederholtes Zitieren" (LOREY 2017, S.162). <zurück>
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Bettina KLEINER ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fakultät für Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg. Arbeitsschwerpunkte: Geschlechterforschung/Heteronormativitätskritik im Kontext Schule und Adoleszenz; soziale Ungleichheit und Differenz; Subjektivation und Bildungsprozesse; Diskursforschung und rekonstruktive Sozialforschung
Kontakt:
Dr. Bettina Kleiner
Fakultät für Erziehungswissenschaft
Fachbereich 1, Allgemeine Erziehungswissenschaft
Von-Melle-Park 8
D- 20146 Hamburg
Tel.: +49 40 42838 9165
E-Mail: bettina.kleiner@uni-hamburg.de
URL: https://www.ew.uni-hamburg.de/ueber-die-fakultaet/personen/kleiner.html
Cornelia DINSLEDER ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Pädagogischen Hochschule Fachhochschule Nordwestschweiz und promoviert an der Universität Basel zu diskursiven Praktiken der Kooperation bei Lehrer*innen. Ihr Arbeitsschwerpunkt liegt in der Diskursforschung und qualitativen Sozialforschung sowie in Gegenstandsfeldern der Professionsforschung, Schulentwicklung und am interdisziplinären Schnittpunkt zwischen Architektur und Pädagogik
Kontakt:
Cornelia Dinsleder
Institut Primarstufe
Professur für Unterrichtsentwicklung und Unterrichtsforschung
Pädagogische Hochschule Fachhochschule Nordwestschweiz
Benzburweg 30
CH-4410 Liestal
Tel.: +41 61 925 77 77
E-Mail: cornelia.dinsleder@fhnw.ch
URL: https://www.fhnw.ch/de/personen/cornelia-dinsleder
Kleiner, Bettina & Dinsleder, Cornelia (2017). Tagungsessay: Zum Verhältnis von Gender Studies und Diskursforschung: Synergien, Spannungsfelder, Fallstricke [71 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 18(3), Art. 1, http://dx.doi.org/10.17169/fqs-18.3.2935.