Volume 20, No. 2, Art. 4 – Mai 2019
Health Literacy und die Konstruktion von Gesundheit und Krankheit aus der Perspektive von älteren Menschen mit geistiger Behinderung
Cornelia Geukes
Zusammenfassung: Health Literacy bezeichnet die Zusammenhänge zwischen Gesundheitsinformationen und deren alltäglicher Beurteilung sowie Anwendung bei gesundheitsbezogenen Entscheidungen. Damit auch ältere Menschen mit geistiger Behinderung Entscheidungen möglichst selbstbestimmt und förderlich für die eigene Gesundheit treffen können, sind Erkenntnisse aus dieser Zielgruppe in Bezug auf Health Literacy dringend erforderlich. Perspektiven älterer Menschen mit geistiger Behinderung wurden in Diskussionen über die Konzeptualisierung von Health Literacy bisher nicht berücksichtigt. Mit der hier vorgestellten Studie soll die Bedeutung des Health Literacy-Konzepts für ältere Menschen mit geistiger Behinderung und deren alltägliche gesundheitsbezogene Lebenswelt exploriert werden. Es wurden 31 qualitative phasendynamische Interviews mit Personen über 50 Jahren geführt und mit dem integrativen Basisverfahren nach KRUSE (2014) analysiert. Hierbei konnten drei Kategorien zum gesundheitsbezogenen Alltag identifiziert werden: Konzepte von Gesundheit und Krankheit, Determinanten von Gesundheit und Krankheit sowie gesundheitsbezogene Sinn- und Relevanzstrukturen. Die Ergebnisse zeigen, dass ältere Menschen mit geistiger Behinderung spezifische Vorstellungen in Bezug auf Gesundheit und Krankheit entwickelt haben. Für die weitere Forschung und Konzeptentwicklung erweist es sich m.E. als bedeutsam, diese Erkenntnisse in das Health Literacy-Konzept einzuarbeiten und insbesondere auf die Determinanten der einzelnen Gesundheitsstadien einzugehen sowie relevante Aspekte der Lebenswelt von älteren Menschen mit geistiger Behinderung zu integrieren.
Keywords: gesundheitsbezogene Informationen; Health Literacy; Gesundheitsfürsorge; integratives Basisverfahren; Nutzer/innenperspektive, qualitative phasendynamische Interviews, alltägliche Lebenswelt
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Methodologie
2.1 Ethik, informierte Einwilligung und Datenschutz
2.2 Datenerhebung
2.3 Datenanalyse: das integrative Basisverfahren nach KRUSE
2.4 Gütekriterien
3. Ergebnisse
3.1 Konzepte von Gesundheit und Krankheit
3.2 Determinanten von Gesundheit und Krankheit
3.3 Gesundheitsbezogene Sinn- und Relevanzstrukturen
4. Diskussion
Das Health Literacy-Konzept (oft synonym mit dem Begriff Gesundheitskompetenz verwendet) beinhaltet die allgemeinen Lese- und Schreibfähigkeiten in Bezug auf gesundheitsbezogene Informationen. Durch Wissen, Motivation und Kompetenz sollen der Zugang zu diesen Informationen und deren Verstehen, Bewerten und Anwenden so gestaltet werden, dass auf dieser Grundlage förderliche Entscheidungen für die eigene Gesundheit getroffen werden können (SØRENSEN et al. 2012). [1]
Menschen mit einem niedrigen Health Literacy-Niveau sind einem höheren Erkrankungsrisiko ausgesetzt, haben eine geringere Lebenserwartung, fordern oftmals nicht ausreichend Unterstützung und Pflege ein und zeigen im Falle einer Erkrankung ein schlechteres Krankheitsmanagement (DAVIS et al. 2006; NIELSEN-BOHLMAN, PANZER & KINDIG 2004). WILLIAMS, BAKER, PARKER und NURSS (1998) untersuchten in einer Querschnittsbefragung das Wissen über krankheitsspezifische Symptome von 402 Patienten und Patientinnen mit Diabetes und Bluthochdruck. Dabei zeigte sich ein stark reduziertes Wissen bei Patienten und Patientinnen bei denen das Health Literacy-Niveau ebenfalls sehr gering war. Bei einer Querschnittsbefragung, an der insgesamt 3.260 Menschen teilnahmen, wurde eine erhöhte Hospitalisierungsrate in Verbindung zu einem inadäquaten Health Literacy-Niveau ermittelt (BAKER et al. 2002). Das Health Literacy-Niveau wurde in diesen Studien durch die Anwendung des Short Test of Functional Health Literacy in Adults (S-THOFLA, siehe BAKER, WILLIAMS, PARKER, GAZMARARIAN & NURSS 1999) gemessen. Obwohl der Begriff Health Literacy seit den 1980 Jahren Verwendung findet und es eine Vielzahl an Studien über die weitreichenden klinischen Auswirkungen von Health Literacy gibt (KICKBUSCH, WAIT & MAAG 2005), existiert ein dringender Bedarf nach zielgruppenspezifischer und konzeptueller Klarheit (RUDD 2017; SCHAEFFER & PELIKAN 2017). [2]
Personengruppen, die aufgrund von herabgesetzten sprachlichen oder kognitiven Fähigkeiten oder eines stark beeinträchtigten Gesundheitszustandes als vulnerabel gelten, werden in der Health Literacy-Debatte bisher kaum oder nur zögerlich und sehr punktuell berücksichtigt. Zugleich wird bei Menschen mit einem von der Allgemeinbevölkerung abweichenden persönlichen, kulturellen oder sprachlichen Hintergrund ein herabgesetztes Niveau an gesundheitsbezogenen Kompetenzen angenommen (ACKERMANN RAU, SAKARYA & ABEL 2014; MESSER, VOGT, QUENZEL & SCHAEFFER 2017). Gleiche Ergebnisse zeigen sich für Menschen mit einem niedrigen Sozialstatus, geringem Einkommen und niedrigem Bildungsniveau (PROTHEROE et al. 2017). Sie alle legen ein problematisches bis inadäquates Health Literacy-Niveau nahe, das oftmals dazu führt, dass das Gesundheitssystem nicht gesundheitsförderlich genutzt wird (HLS-EU CONSORTIUM 2012). Dazu kommt, dass besonders ältere Menschen (46 Jahre und aufwärts) innerhalb der europaweiten Befragung massive Probleme dabei aufwiesen, gesundheitsbezogene Informationen zu erhalten, zu verstehen, zu bewerten und anzuwenden (a.a.O.). [3]
Die genannten Merkmale wie geringer Sozialstatus, geringes Bildungsniveau, sprachliche, kognitive, persönliche und kulturelle Besonderheiten und ein beeinträchtigter Gesundheitsstatus treten innerhalb der Gruppe der älteren Menschen mit geistiger Behinderung gebündelt auf. Umso notwendiger ist es, dass diese Menschen bzw. ihre Perspektiven und Erfahrungen in der Health Literacy-Forschung empirisch und konzeptuell Berücksichtigung finden. Bemühungen, diese Erkenntnislücken zu schließen, sind vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention von 2006 und den politischen und gesellschaftlichen Bestrebungen nach Inklusion und Empowerment besonders wertvoll. [4]
CHINN (2014) leistet Pionierarbeit, Health Literacy mit Blick auf die Gruppe der Menschen mit geistiger Behinderung auf konzeptueller Ebene zu diskutieren und geht dabei über ein funktionales Verständnis (reine Lese- und Schreibfähigkeiten) hinaus. Dabei bezieht CHINN sich auf das erweiterte Health Literacy-Modell von NUTBEAM (2000). Es unterscheidet drei Bereiche der Gesundheitskompetenz: funktionale Gesundheitskompetenz, interaktive Gesundheitskompetenz und kritische Gesundheitskompetenz. Annahmen über einen Mangel an gesundheitsbezogenem Wissen von Menschen mit geistiger Behinderung basieren häufig auf der Zuschreibung eingeschränkter kognitiver Leistungsfähigkeiten (CHINN 2014). Interventionen zur Förderung von deren Gesundheitswissen reichen daher oft nicht über ein funktionales Verständnis der Gesundheitskompetenz hinaus. Dies hat zur Folge, dass gesundheitsbezogene Informationen in der Regel in reduzierter Sprache bereitgestellt werden und für diese Personengruppe so leichter zugänglich zu sein scheinen (HURTADO, JONES & BURNISTON 2013). Zusätzlich beziehen sich Interventionen zur Förderung des Gesundheitswissens oftmals auf sehr spezielle Settings oder einzelne Situationen, die für das Individuum zeitlich limitiert sind, d.h. sie wechseln sehr schnell (z.B. werden Medikamente nur für einen kurzen Zeitraum eingenommen oder Dosierungen ändern sich). Dabei werden mitunter individuelle Unterstützungsbedürfnisse übersehen und die Besonderheiten von älteren Menschen mit geistiger Behinderung nicht berücksichtigt. Interventionen zur Förderung von gesundheitsbezogenem Wissen resultieren nicht wie gewünscht in selbstbestimmten Entscheidungen, sondern können im Gegenteil den Mangel an Selbstbestimmung noch verstärken (CHINN 2014). [5]
Es wäre möglich, dass ältere Menschen mit geistiger Behinderung besonders von einer besseren Gesundheitskompetenz profitierten. Jedoch fehlen grundlegende Erkenntnisse zur Entwicklung von Gesundheitskompetenz innerhalb dieser Gruppe (MARKS, SISIRAK & HSIEH 2008; SANDFORTH & HASSLER 2014). Aufgrund eingeschränkter kommunikativer und kognitiver Fähigkeiten haben sie häufig nur begrenzt Zugang zu gesundheitsrelevanten Themen und können diese schwer selbstständig anwenden (EMERSON & HATTON 2014). Dadurch haben ältere Menschen mit geistiger Behinderung besondere gesundheitsbezogene Unterstützungsbedürfnisse, die mit steigendem Alter tendenziell zunehmen. Sie sollten daher befähigt werden, ihre verbliebenen Fähigkeiten bestmöglich zu nutzen. Dafür ist es erforderlich, dass sie eine Unterstützung erhalten, die ihren individuellen Ressourcen und Fähigkeiten angemessen ist, um fundierte und selbstbestimmte Entscheidungen in Gesundheitsfragen treffen zu können. [6]
Es besteht die Notwendigkeit, ein Health Literacy-Konzept für ältere Menschen mit geistiger Behinderung zu entwickeln und sich dabei auf individuelle gesundheitsbezogene Fähigkeiten und verbleibende Ressourcen zu konzentrieren. Zugleich wird somit ein Diskurs initiiert bzw. ausgeweitet, der seit den 1990er Jahren in Deutschland für das Konzept Health Literacy geführt wird: Eine in Relation zu anderen Ländern spät einsetzende Auseinandersetzung über die konzeptionelle Anbindung von Health Literacy hat zu diesen parallelen nationalen Diskursen beigetragen (VOGT, MESSER, QUENTZEL & SCHAEFFER 2016). Zum einen wird das Konzept nach dem Vorbild der erziehungswissenschaftlichen Tradition auf Basis der gesundheitsbezogenen Literalität diskutiert. Die Gefahr eines eher funktionellen Verständnisses von Health Literacy liegt hierbei in einer defizitorientierten Perspektive, der zufolge Personen immer nur so gut oder schlecht selbstbestimmte Entscheidungen treffen können, wie sie (zumeist) schriftsprachliche Informationen verstehen und verarbeiten können. Zum anderen kann Health Literacy als die Kompetenz eines Individuums gesehen werden, Informationen so zu nutzen, dass selbstbestimmte Entscheidungen möglich werden. Dabei werden allerdings nicht nur die individuellen Fähigkeiten in den Mittelpunkt gestellt, sondern auch die die Lebenswelt bestimmenden sozialen (demografische Situation, Kultur, Sprache, politische Kräfte, gesellschaftliche Systeme) und persönlichen Determinanten (Alter, Geschlecht, Rasse, sozioökonomische Faktoren, Ausbildung, Beruf, Beschäftigung, Einkommen, Alphabetisierung) werden berücksichtigt (SØRENSEN et al. 2012). Die Definition von Health Literacy auf Basis dieser Informationskompetenz kann dazu beitragen, dass veraltete paternalistische Strukturen (im Sinne eines ärztlichen All-und Alleinwissens) im Gesundheitswesen aufgelöst werden, und ein Konzept des "Individuums" an die Stelle des bisherigen "Patienten" tritt (SCHAEFFER & PELIKAN 2017). Dieses Individuum soll durch eine optimierte und individuell angepasste Umwelt sowie durch zugänglichere und verständlichere Informationen in seinen alltäglichen gesundheitsbezogenen Entscheidungsfindungen unterstützt werden. [7]
Die hier vorgestellte Studie ist Teil meiner Promotion mit dem Titel "Health Literacy bei älteren Menschen mit geistiger Behinderung"1). Das Forschungsziel bestand darin, empirisch-qualitativ erste Erkenntnisse über die Health Literacy von älteren Menschen mit geistiger Behinderung zu generieren. Die Forschungsfragen der Studie lauteten:
Wie konstruieren ältere Menschen mit geistiger Behinderung ihre Gesundheit und Krankheit?
Welche Bedeutung hat die Gruppe der älteren Menschen mit geistiger Behinderung für das Konzept Health Literacy?
Welche Konsequenzen entstehen aus der Beantwortung der Fragen 1 und 2 für die (Weiter-) Entwicklung eines zielgruppenspezifischen Health Literacy-Konzeptes? [8]
Für den Diskurs über das konzeptionelle Verständnis von Health Literacy bei älteren Menschen mit geistiger Behinderung war es wichtig, nutzer/innen- und nutzer/innengruppenspezifische Wahrnehmungen und Vorstellungen von Gesundheit und Krankheit zu berücksichtigen. Im Fokus dieser Studie standen daher die Perspektiven von älteren Menschen mit geistiger Behinderung in Bezug auf die genannten Aspekte. [9]
Im Folgenden werde ich zunächst den methodologischen Zugang und das methodische Vorgehen beschreiben sowie den Umgang mit ethischen Aspekten, die bei dieser Zielgruppe sensibel und kritisch behandelt werden müssen (Abschnitt 2). Ich gebe sodann einen Überblick über die Datenerhebung und -auswertung, welche anschließend in Bezug auf die wissenschaftliche Güte kritisch diskutiert werden (Abschnitt 2.2 bis 2.4). Darauf folgt die Darstellung der Ergebnisse eingeteilt in drei Kategorien (Abschnitt 3), die dann zu einer Diskussion der Ergebnisse überleiten (Abschnitt 4). [10]
Um das Forschungsziel zu erreichen und die Forschungsfrage methodisch angemessen zu beantworten, wurde ein qualitativer Forschungsansatz realisiert. [11]
2.1 Ethik, informierte Einwilligung und Datenschutz
Das Forschungsvorhaben wurde von der unabhängigen Ethikkommission der Universität Bielefeld (EUB) genehmigt. Die Studienteilnehmenden wurden über die bestehenden Datenschutzmaßnahmen sowie die Inhalte der Studie in Gesprächen vor der Datenerhebung informiert. Es wurde den Teilnehmenden ausreichend Zeit zur Verfügung gestellt, die Inhalte, die Möglichkeit eines Rücktritts sowie die Löschung der Daten zu erfassen, zu verstehen und darauf zu reagieren. Auch eine Unterbrechung der Untersuchung in Form einer Pause war jederzeit möglich und wurde den Teilnehmenden in regelmäßigen Abständen angeboten. Um zu gewährleisten, dass die Teilnehmenden alle Dokumente zur Information sowie zur Einwilligung verstehen konnten, wurden alle Texte von professionellen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen eines Büros für leichte Sprache in selbige übersetzt. [12]
Dies stellte sicher, dass die Einverständniserklärung und die Informationen über die Studieninhalte verstanden werden konnten. Es liegen von allen Studienteilnehmenden informierte Einwilligungen vor. Die Dauer der Untersuchung richtete sich nach dem Belastungszustand der Teilnehmenden und war deshalb individuell unterschiedlich. Das Risiko einer Überlastung (u.a. durch Konzentrationsmangel oder sensible Themen) besteht besonders bei älteren Menschen mit geistiger Behinderung, da frühe Symptome die eine Überlastung andeuten nicht erkannt werden könnten. Durch häufige Rückfragen zur Belastungsempfindung und genaue Beobachtung der Teilnehmenden wurde dieser Problematik vorgebeugt. Sobald innerhalb des Gesprächs Belastungserscheinungen auftraten, wurde eine Pause eingelegt oder die Untersuchung unterbrochen und an einem anderen Tag weitergeführt (ROTH 2005). [13]
Die Audioaufzeichnungen wurden in kodierter Form auf digitalen Endgeräten gespeichert und nach Projektende vollständig gelöscht. Zur Gewährleistung des Datenschutzes wurden die Kriterien des Landesdatenschutzgesetzes NRW § 10 Abs. 2, Nr.1-6 und § 28 Nr. 1-5 eingehalten. [14]
Um Personen für die Studie zu gewinnen, wurden Träger der Eingliederungshilfe für Menschen mit geistiger Behinderungen im Wohn- und Arbeitsbereich im Land Nordrhein-Westfalen als Gatekeeper genutzt. Bekundeten die kontaktierten Gatekeeper Interesse an einer Studienteilnahme, habe ich ein persönliches Gespräch vereinbart, die Studie erläutert und Fragen, Ängste sowie Wünsche der Teilnehmenden besprochen. Hätte sich in diesem Gespräch die Sprach- und Kommunikationsfähigkeit der Person als nicht ausreichend dargestellt, wäre diese von der Studie ausgeschlossen worden. Alle angefragten Personen entsprachen den Einschlusskriterien, sodass keine der angefragten Personen von der Studie ausgeschlossen wurde. Die Samplingstrategie folgte der Logik einer homogenen Fallauswahl (KRUSE 2014, S.253). Um die Vergleichbarkeit der Fälle zu gewährleisten, wurden Personen in die Erhebung aufgenommen, die folgenden Einschlusskriterien entsprachen: Alter über 50 Jahre, Vorliegen einer geistigen Behinderung, Einwilligung der betroffenen Person und/oder der rechtlichen Betreuerinnen und Betreuer sowie aktiv-motivierte Interessensbekundung mit einer ausreichenden Sprach- und Kommunikationsfähigkeit für Interviews. [15]
Um das Vorliegen einer geistigen Behinderung zu validieren, wurde ein System zur Pflegebedarfsermittlung (HMB = Hilfeplanung von Menschen mit Behinderung nach METZLER, siehe SCHULZE-HÖING 2012) hinzugezogen, das den Unterstützungsbedarf von zu pflegenden Personen in Leistungstypen kategorisiert. Die Ermittlung dieses Hilfebedarfs für Menschen mit Behinderung erfolgt hinsichtlich der Vereinbarkeit der aktuellen Lebenssituation einer Person inklusive der individuellen Selbsthilfemöglichkeiten mit der geplanten Zielsetzung der Unterstützung (LANDESFACHBEIRAT BREMEN 2016). Diese Unterstützungseinschätzung erfolgt bei Einzug in die Einrichtungen der Eingliederungshilfe durch ausgebildete Pflegekräfte. Nach diesem System werden Menschen, die eine geistige Behinderung aufweisen, den Leistungstypen 9 und 10 zugeordnet. Andere Syndrome oder Erkrankungen wie eine psychische Störung werden mit diesen Leistungstypen ausgeschlossen. Ausschließlich Personen des Leistungstyps 9 und 10 wurden von den Gatekeepern für diese Studie angesprochen. Um das Vorliegen einer geistigen Behinderung zusätzlich zum ermittelten Unterstützungsbedarf validieren und absichern zu können, wurde der Intelligenzquotient der Teilnehmenden2) durch den Raven's Coloured Progressive Matrices Test (RPM) (RAVEN, RAVEN & COURT 1998; VAN DER ELST et al. 2013) erhoben. Bei keinem der Teilnehmenden lagen Ergebnisse dazu aus anderen Testungen vor. Dieser Test wurde von mir nach den Eingangs- bzw. Kennenlerngesprächen durchgeführt. Da der Test in kurzer Zeit (ca. 4Min.) durchgeführt werden kann, wurde die Aufmerksamkeitsspanne der Teilnehmenden nicht stark belastet. Alle Teilnehmenden dieser Studie erreichten Rohwerte, die zu Perzentil-Rankings zwischen 0 und 4 führten, anhand derer sie in das Level V ("intellektuell behindert") eingestuft wurden. Keiner der Teilnehmenden hat die Studie abgebrochen oder wurde von der Studie ausgeschlossen. Entsprechend des in der Literatur angegebenen frühzeitig einsetzenden Alterungsprozesses von Menschen mit geistiger Behinderung (HAVEMAN & STÖPPLER 2010; HAVEMAN et al. 2011) und in Anlehnung an andere wissenschaftliche Studien mit derselben Zielgruppe (EVENHUIS, HERMANS, HILGENKAMP, BASTIAANSE & ECHTELD 2012; LEHMANN et al. 2012; McCARRON, CARROLL, McCALLION, McGLINCHEY & BURKE 2013) wurde das Mindestalter der Teilnehmenden auf 50 Jahre festgelegt, die älteste Teilnehmerin war 81Jahre alt. Es wurden 18 Frauen und 13 Männer befragt. Zur Zeit der Datenerhebung befanden sich die Teilnehmenden in einer erwerbstätigen Anstellung in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe oder waren im Ruhestand. In einem Vorgespräch lernte ich die Teilnehmenden kennen und konnte dabei spezielle sprachliche und kommunikative Besonderheiten der Gesprächspartner und Gesprächspartnerinnen (z.B. verbessertes Sprachverständnis in einer ruhigen Umgebung, viele Redepausen oder das besondere Eingehen auf persönliche Gegenfragen) identifizieren, die für die Durchführung der Interviews hilfreich waren. Somit wurden die Interviews spezifisch auf die Kommunikationsfähigkeiten und -vorlieben der Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner und deren aktuelle Aufmerksamkeit abgestimmt. [16]
Insgesamt fanden 31 phasendynamische Interviews (KRUSE 2014) mit älteren Menschen mit geistiger Behinderung in Einrichtungen der Eingliederungshilfe des Landes NRW statt. Phasendynamische Interviews können situationsspezifisch – phasendynamisch – an die kommunikativen Fähigkeiten der Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner und deren aktuelle Aufmerksamkeitskonstitution angepasst werden. Es handelte sich um leitfadengestützte Interviews, welche allerdings im Verlauf jeder Durchführung situationsspezifisch modifiziert wurden und sowohl narrative als auch problemzentrierte Aspekte der Interviewführung beinhalteten (GEUKES & LATTECK 2018). Ich führte alle Interviews selbstständig durch. Die häufig beschriebene reduzierte Diskursbereitschaft, minimierte sprachliche Kapazität und ebenso minimierte Aufmerksamkeits- und Konzentrationsspannen (BARRON & WINN 2009; SARIMSKI 2003) von Menschen mit geistiger Behinderung stellen eine besondere Herausforderung für Forschungsarbeiten dar. Bei der Erhebung dieser Daten waren mehrere Aspekte zu berücksichtigen: Aufgrund der besonderen kognitiv-kommunikativen Kompetenzen dieser Personengruppe ist eine umfangreiche Narration selten zu verzeichnen (BOARDMANN, BERNAL & HOLLINS 2014). Dies galt auch für die vorliegende Forschungsstudie. Die durchschnittliche Interviewdauer betrug 16 Minuten (4-25 Min). Kurze Erzählstränge sollten idealerweise unter Berücksichtigung des spezifischen Kontextes analysiert werden. Darüber hinaus musste die persönliche Perspektive von einer oft voreingenommenen "institutionellen" Perspektive getrennt werden (BEAIL & WILLIAMS 2014; FINLAY & LYONS 2001; KRUSE 2009a). Laut TROST und SCHMIDHAMMER (2008) bilden Menschen mit geistiger Behinderung sehr spezifische Hypothesen über die Realität aus, die sie auf besondere Weise wahrnehmen und kommunizieren. Dazu kommt, dass sie selten eine differenzierte verbale Sprache verwenden und ihren intuitiv-beschreibenden Zugang zur Welt mit abstrakt-logischer Sprache ausdrücken, die für Menschen mit anderen Realitätshypothesen oft schwer nachzuvollziehen ist (TROST & SCHMIDHAMMER 2008). Diese Form der Kommunikation für die besondere Wahrnehmung der Umwelt und Realität bedurfte einer differenzierten Methodik. Erstens waren die komplexen kommunikativen Situationen, die in diesem Kontext behandelt wurden, sehr vielschichtig und dynamisch und zweitens erforderte das Primat der Verwendung einer adäquaten Methodik, dass verschiedene Interviewtypen in einer "phasen-dynamischen" Art kombiniert wurden (KRUSE 2014). Der Interviewleitfaden orientierte sich an den Dimensionen des Modells der Gesundheitskompetenz nach SØRENSEN et al. (2012): Zugang und Umgang mit gesundheitsbezogenen Informationen, Determinanten für gesundheitsförderliche Alltagshandlungen, Motivation und Wissen, sowie Barrieren im gesundheitsbezogenen Alltag. [17]
Um den kognitiv-kommunikativen Beeinträchtigungen der Teilnehmenden angemessen zu begegnen, wurde bei den Interviews besonderer Wert auf eine einfache und leicht verständliche Sprache gelegt (BARRON & WINN 2009). Fachausdrücke, Fremdwörter und lange sowie komplexe Sätze wurden vermieden (BEAIL & WILLIAMS 2014; FINLAY & LYONS 2001). Die erhobenen Daten wurden nach den Regeln des Diskursanalytischen Transkriptionssystems 2 (GAT 2) (SELTING et al. 2009) transkribiert. [18]
2.3 Datenanalyse: das integrative Basisverfahren nach KRUSE
Die angewendete Analysemethode nach KRUSE (2014) – das integrative Basisverfahren – stellt einen engen methodologischen Bezug zur Phänomenologie von Alfred SCHÜTZ (1974) her, der sich für "den Sinn hinter dem Sinn" interessiert (KRUSE 2014, S.25). Das integrative Basisverfahren legt einen besonderen Schwerpunkt auf das der qualitativen Sozialforschung zugrundeliegende Prinzip der Offenheit gegenüber den Untersuchungspersonen, -situationen sowie -methoden (LAMNEK 1995). Zugleich betont es die hohe Relevanz eines Prozesses des Fremdverstehens, der für die Analyse von qualitativem Interviewmaterial unabdingbar ist (KRUSE 2009b). [19]
Das integrative Basisverfahren ist eine Methode der rekonstruktiven Sozialforschung, das in einem ersten Schritt die Formulierungen als "sprachlich-kommunikative Phänomene" (KRUSE 2014, S.474) untersucht. Es stellt Methoden zur Verfügung, um Sinnverstehen zu ermöglichen. Dabei spielen sprachlich-kommunikativ verwendete Methoden der Mitglieder einer Gruppe eine entscheidende Rolle. Wie bereits dargestellt, ist das sprachliche Kommunikationsverhalten von Menschen mit geistiger Behinderung geprägt durch eine reduzierte Diskursbereitschaft, limitierte sprachliche Differenzierungsfähigkeit und eine herabgesetzte Aufmerksamkeits- und Konzentrationsspanne (KEELEY 2015), und ist nur schwer mit üblichen Daten aus qualitativen Interviews vergleichbar. Deshalb war es notwendig, die linguistischen Besonderheiten des Datenmaterials zu fokussieren und in die Interpretation zu integrieren, um so den dahinterliegenden Sinn verstehen und rekonstruieren zu können (GEUKES & LATTECK 2018). Dies wurde durch die hier eingesetzte Methode möglich, da sowohl auf die generelle Indexikalität von menschlicher Sprache unter Einbeziehung der Kontextsensitivität (KRUSE 2009a) als auch auf die sprachlichen Besonderheiten der Zielgruppe (über die drei Aufmerksamkeitsebenen Pragmatik, Syntax und Semantik s. Abb. 1) eingegangen werden konnte.
Abbildung 1: Verfahrens- und Prozessdimensionen des integrativen Basisverfahrens (nach KRUSE 2014, S.476) [20]
In einem ersten Schritt wurden sprachlich-kommunikative Phänomene beschrieben. Dies wurde über textlinguistische Verfahren realisiert. Sie ermöglichen es, forschungsgegenständliche Selektivität so lange wie möglich zu vermeiden, um dem Prinzip der Offenheit gerecht zu werden. Diese textlinguistische- bzw. (mikro-) sprachliche Deskription wurde durch drei sprachliche Aufmerksamkeitsebenen vollzogen (s. Abb. 1, Punkt 1), die die Ebenen Pragmatik, Syntax und Semantik abbilden. Dieser Schritt war deskriptiv. Im Sinne einer kognitiven Linguistik werden so Sprachhandlungen als Phänomene beschrieben, deren Bedeutungen in einem zweiten Schritt näher analysiert werden können. [21]
Der zweite Schritt bestand aus forschungsgegenständlichen (s. Abb. 1, Punkt 2a) und/oder methodischen Analyseheuristiken (s. Abb. 1, Punkt 2b). Sie folgten einem speziellen Erkenntnisinteresse. Dabei wurde das eigene Vorverständnis am Gegenstandsbereich herausgearbeitet und mithilfe von Rahmenkonzepten näher beschrieben, die als so genannte Kodierfamilien im Sinne von GLASER und STRAUSS (1979 [1967]) bzw. GLASER (1978) bezeichnet werden. Die Analyseheuristiken wurden in Bezug auf den Forschungsgegenstand ausgewählt und waren jederzeit flexibel erweiterbar. Dieser Schritt war interpretativ. [22]
Für die methodische Strukturierung der innerhalb der drei Aufmerksamkeitsebenen herausgearbeiteten sprachlich-kommunikativen Phänomene können heuristische Werkzeuge wie Agencyanalyse, Positioninganalyse, Metaphernanalyse, Argumentationsanalyse (KRUSE 2014) genutzt werden (s. Abb. 1, Punkt 2b). Für die Beantwortung der in dieser Studie fokussierten Forschungsfragen war eine Auswertung in Anlehnung an die Agencyanalyse ein Bestandteil dieses Interpretationsschrittes. Mittels Agencyanalyse wurden Handlungs- und Wirkmächtigkeit herausgearbeitet, die Personen, Artefakten oder Geschehnissen zugeschrieben werden (BETHMANN, HELFFERICH, HOFFMANN & NIERMANN 2012). Die methodischen Analyseheuristiken (siehe Abb. 1, Punkt 2b) wurden mit Bezug auf das Erkenntnisinteresse ausgewählt. Bei der Datenanalyse wurde der Schwerpunkt auf die Analyse von Interpretationsmustern, Selbstverständlichkeit und sozialen Regeln gelegt. [23]
Um in einem dritten Schritt interpretatorisch den Sinn der sprachlich-kommunikativen Elemente herauszuarbeiten, war es nötig, Motive und Thematisierungsregeln zu einem homologen Muster im Sinne von Karl Mannheim zu verdichten (s. Abb. 1, Punkt 3). Dieser Prozess startete zunächst innerhalb eines Falles und fand in der weiteren Analyse fallübergreifend statt. Hier wurde das komparative Grunddesign methodisch deutlich. Daraus ergab sich ein iterativ-zyklischer Prozess, in dem verschiedene Sinngehalte über unterschiedliche Dokumente zu einer einzigen Sinntotalität synthetisiert werden konnten (KRUSE 2014). [24]
Forschungspraktisch wurde das integrative Basisverfahren so umgesetzt, dass die linguistischen Besonderheiten in einem ersten Schritt losgelöst von der Forschungsfrage deskriptiv an einem Fall analysiert wurden. In einem zweiten Schritt wurde das analysierte Material mit Bezug auf die Forschungsfrage selektiv interpretiert. Dabei wurden die in der deskriptiven Analyse gefundenen Phänomene bereits in die inhaltliche Interpretation einbezogen, z.B. das sehr auffällig wiederkehrende linguistische Phänomen einer Wenn-Dann-Satzkonstruktion bei der inhaltlichen Beschreibung von gesundheitsbezogenen Abläufen. Anschließend wurden weitere Fälle in gleicher Weise analysiert und in einem nächsten Schritt fallübergreifend auf wiederkehrende homologe Muster und Thematisierungsregeln überprüft. Diese konnten dann zu den in Abschnitt 3 beschriebenen drei Kategorien und ihren Unterkategorien zusammengefügt werden. [25]
In der Studie wurden die Gütekriterien für die qualitative Forschung nach STEINKE (2007) zu Grunde gelegt. Zentrale Bewertungskriterien für die qualitative Forschung sind hiernach die Indikation des verwendeten methodischen Ansatzes, die Nutzung von Daten als empirische Basis der gewonnenen Theorien, die Thematisierung der Generalisierbarkeit der Befunde und die intersubjektive Nachvollziehbarkeit. Die hier vorgestellte Studie orientierte sich an diesen Gütekriterien. Dies wird nachfolgend erläutert. [26]
Das integrative Basisverfahren stellte ein offenes Vorgehen dar und ermöglichte eine Rekonstruktion des subjektiven Sinns. Damit konnte der Forschungsgegenstand der gesundheitsbezogenen alltäglichen Lebenswelt von älteren Menschen mit geistiger Behinderung in den Vordergrund gestellt werden. Die Datenerhebung wurde durch einen situationsspezifisch angewendeten Interviewleitfaden gestützt. Die Textbeispiele innerhalb der Darstellung der Ergebnisse sollen einer empirischen Verankerung nachkommen. Die entwickelten Kategorien sind umfänglich belegt. Zudem fanden während des gesamten Analyseprozesses regelmäßige Treffen mit Forschenden der Arbeitsgruppe "Health Literacy und Selbstmanagement in vulnerablen Zielgruppen" der Universität Bielefeld und der Fachhochschule Bielefeld und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Instituts für Bildungs-und Versorgungsforschung im Gesundheitsbereich der Fachhochschule Bielefeld statt, um mögliche Lesarten und den Prozess der Datenverdichtung und Kategorienentwicklung zu diskutieren. So wurde auch die kritische Prüfung der generierten Hypothesen durch die explizite Suche nach negativen Fällen, Gegenbeispielen und alternativen Lesarten gewährleistet. Der Anspruch auf Verallgemeinerbarkeit wurde durch eine dichte Beschreibung der Phänomene umzusetzen versucht. Durch die zentrale Abstrahierung von Mustern und Thematisierungsregeln und deren Analyse konnten spezifische Kontexte aus den Mustern herausgefiltert werden. So erschien eine Transferierbarkeit der hypothetischen zentralen Muster und Regeln möglich. Die Forderung nach intersubjektiver Nachvollziehbarkeit wurde primär durch die Dokumentation des methodischen Vorgehens verfolgt. Das Samplingverfahren und seine Kriterien sowie der Prozess der Datenerhebung und -auswertung wurden ausführlich dokumentiert. Weiterhin wurden Anforderungen an die Qualitätssicherung qualitativer Forschung (z.B. nach FLICK 2010; LAMNEK 2010) im integrativen Basisverfahren bestmöglich berücksichtigt (KRUSE 2014). So wurde bei dem integrativen Basisverfahren der Grundsatz der Offenheit gegenüber Forschenden, Situationen und Methoden (LAMNEK 2010) in den Vordergrund gestellt. Gleichzeitig wurde die hohe Relevanz eines Prozesses des Fremdverstehens, der für die Analyse qualitativen Interviewmaterials unverzichtbar ist, betont. Da beim integrativen Basisverfahren kontinuierlich zwischen immanentem (dem faktisch Gesagtem) und konjunktiven (dem Inhalt des Gesagten in Verbindung mit Kontextwissen) Sinngehalt differenziert wird, kann sowohl dem Prinzip der Offenheit als auch dem Prinzip des Fremdverstehens Rechnung getragen werden. Wie in Abschnitt 2.3 beschrieben, wurde dies je nach Analyseebene differenziert umgesetzt. Innerhalb der mikrosprachlichen Feinanalyse kam dem immanenten, während der interpretativen Analyseschritte dem konjunktiven Sinngehalt mehr Bedeutung zu. Durch die individuellen und systematischen Analyseschritte und deren detaillierte Dokumentation konnte eine hohe Qualität der Transparenz erreicht werden (KRUSE 2014). Die Ergebnisse und Interpretationen wurden intersubjektiv nachvollziehbar unter Berücksichtigung der verschiedenen Ebenen der Interpretationsschritte (mikrosprachliche Feinanalyse, Analyseheuristik und synoptischer und kondensierender Ansatz zu thematischen Regeln und zentralen Motiven). [27]
Die Analyse des erhobenen Datenmaterials führte in einem rekonstruktiv-induktiven Interpretationsprozess zur Herausbildung von drei Kategorien:
Zielgruppenspezifische Konzepte von Gesundheit und Krankheit
Determinanten von Gesundheit und Krankheit
Gesundheitsbezogene Sinn- und Relevanzstrukturen. [28]
Im Folgenden werden diese Kategorien und ihre Subkategorien dargestellt und exemplarisch mit Zitaten belegt. [29]
3.1 Konzepte von Gesundheit und Krankheit
Die Teilnehmenden konstruieren eine gesundheitsbezogene Ordnung, in der Gesundheit und Krankheit deutlich getrennte Konzepte sind. Zwischen beiden gibt es keinen Übergang und keine sich überschneidenden Zeitpunkte. Sie werden durch eine allgemeine Form präsentiert (man). Die Konzepte erhalten einen persönlichen Charakter (ich), sobald von eigenen Erfahrungen berichtet wird. Sie bilden die Grundlage des Wissenserwerbs, indem Phänomene bzgl. Gesundheit und Krankheit durch in der Vergangenheit liegende Ereignisse erklärt und konstruiert werden: "Wenn man krank ist, [...] und wenn man wieder gesund ist" (INT.5)3); "Seitdem ich die Tablette kriege" (INT.1). Das Konzept der Krankheit bekommt für die Teilnehmenden Gültigkeit, sobald eine Erkrankung einsetzt. Existiert bei ihnen die Diagnose einer chronischen Erkrankung, wird der Startpunkt einer Erkrankung mit der Diagnose gleichgesetzt ("Als ich noch kein Diabetiker war" [INT.13]). Tritt der Erkrankungsfall ein, ist es für die Teilnehmenden selbstverständlich, dass es einen Genesungsprozess gibt und außenstehende Personen (z.B. Ärztinnen und Ärzte) diesen Genesungsprozess planen. Dieser Prozess verläuft linear und hat ein vordefiniertes Ende. Es besteht aus einem punktuellen Einsetzen der Gesundheit. Eine Alternative zu diesem Ende (z.B. die Dauerhaftigkeit einer Krankheit) besteht für die Personen nicht: "Wenn man krank ist, muss man krankschreiben lassen und dann, wenn man krankgeschrieben ist, muss man im Bett bleiben. Und wenn man wieder gesund ist, geht man ja wieder arbeiten" (INT.5). [30]
Das Erlangen von Gesundheit erfolgt durch das Einhalten dieses beschriebenen Prozesses und ist nicht durch andere Faktoren (diese könnten z.B. die Einnahme von Medikamenten oder eine Therapie sein) beeinflussbar. Das Konzept der Gesundheit bekommt erst Gültigkeit, sobald das Konzept der Krankheit seine Gültigkeit verliert. Eine Phase des Übergangs gibt es nicht. Das Konzept der Gesundheit zeichnet sich dadurch aus, dass Menschen arbeiten gehen dürfen: "Ich bleibe lieber gesund, gehe lieber arbeiten" (INT.8). [31]
Gesundheit ist positiv besetzt. Die hier interviewten Personen sehen Gesundheit als eine Art Zustand an, der durch die eigene Handlungs- und Wirkmacht erhalten, aber parallel dazu auch durch eine außenstehende Kraft beeinflusst werden kann: "Gott kann ja auch Menschen gesund machen. Der ist so ein Typ dafür, der den Menschen gesund machen kann" (INT.19). Des Weiteren orientiert sich das Konzept von Gesundheit an krankheitsbezogenen Konzepten. Dies kann daran liegen, dass Gesundheit als die Abwesenheit von Krankheit definiert wird. Fällt aber der emotionale Anteil des sich Wohlfühlens, wie oben beschrieben, weg, kann das Konzept Gesundheit nur über das Konzept der Krankheit definiert werden: "Zu Krankheit da gehören/gehören Operationen zu, da gehören Zahn/Zahn/zahnmedizinische Versorgung/Versorgungen zu. Da gehören verschiedene Ärzte zu" (INT.12). [32]
Gesundheit ist die zentrale Voraussetzung, um den Alltag aufrecht zu erhalten. Ihr kommt deshalb eine sehr hohe Priorität zu. Das Verdienen von Geld ist z.B. ein alltagspraktisches Ziel der Arbeit, das durch den Erhalt von Gesundheit erreicht wird. Dabei scheint die gesetzlich geregelte Sicherheit der Weiterzahlung des Gehaltes im Krankheitsfall keine Rolle zu spielen: "Dann darf ich wieder Geld verdienen" (INT.5). [33]
Der Zustand von Gesundheit wird sehr zweckgebunden wahrgenommen und weniger als erhaltungswürdig aufgrund von emotionalen Anteilen (wie z.B. Wohlbefinden und Zufriedenheit) dargestellt. Der Zweck besteht in der Aufrechterhaltung der Erwerbstätigkeit4). Die Konzepte von Gesundheit und Krankheit haben selten einen emotionalen Anteil und werden in ganz allgemeiner Form betrachtet (Benutzung des Begriffes man). Dies ändert sich, sobald über die eigenen Erfahrungen mit einer Erkrankung oder einer Situation berichtet wird. Dabei stellen die Interviewten ihre eigene Person in den Mittelpunkt der Erzählung: "Da musste ich so lange im Krankenhaus liegen bleiben, bis ich wieder fit war, und dann, wenn ich wieder gesund war, bis die Anfälle wieder besser waren, dann kann ich ja wieder rauskommen" (INT.16). [34]
3.2 Determinanten von Gesundheit und Krankheit
Die Teilnehmenden ordnen die Gesundheit und Krankheit beeinflussenden Determinanten in drei verschiedenen Stadien des Gesundheitszustandes ein, welche im Folgenden durch drei Subkategorien (Gesundheitserhaltung, Krankheitsvermeidung und Krankheitsbekämpfung) dargestellt sind. Zur besseren Verständlichkeit sind diese zusammenfassend in Abbildung 2 dargestellt. Zum einen existieren für sie Aspekte, die positiv auf Gesundheit wirken. Sie werden der Gesundheitserhaltung (Abschnitt 3.2.1) zugeordnet als einem Stadium, in dem keine Erkrankung vorliegt. Zum anderen gehen sie davon aus, dass andere Aspekte Einfluss auf die Gesundheit nehmen, um Krankheiten zu vermeiden. Es liegt dabei keine konkrete Erkrankung vor, aber durch bereits getätigte Erfahrungen bekommen einige Erkrankungen ein konkretes Bild und werden nicht abstrakt betrachtet (Abschnitt 3.2.2). Die ersten beiden Subkategorien zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass das Individuum sich selbst eine beeinflussende Wirkung und Handlungsmacht zuschreibt. Des Weiteren werden für das Stadium, in dem eine konkrete Krankheit vorliegt, gesundheitsbeeinflussende Determinanten differenziert benannt (Abschnitt 3.2.3). Die Handlungsmacht liegt in diesem Stadium ausschließlich bei anderen Personen. [35]
Um Gesundheit zu erhalten, bewerteten die Teilnehmenden die ärztlichen Vorsorgeuntersuchungen als sehr relevant. Sie nehmen die Vorsorgeuntersuchungen als Determinante zur Gesundheitserhaltung wahr und formulierten gleichzeitig den darin enthaltenen Sinn: "Vorsorge macht man damit man gesund bleibt" (INT.7). Des Weiteren wird einer körperlichen Aktivität eine gesundheitsbeeinflussende Wirkung zugeordnet: "Vor allen Dingen regelmäßig Bewegung, ne. Viel Spazierengehen" (INT.12). [36]
Nutzung und Konsum des Fernsehens stellt eine Kompensation von körperlicher Aktivität dar, obwohl das Wissen um die gesundheitsbeeinflussende Wirkung von körperlicher Aktivität vorhanden zu sein scheint. So ist der Konsum des Fernsehens ein adäquater Ersatz zur körperlichen Aktivität für diese Zielgruppe. "Nee habe ich noch keinen Sport gemacht. Ich gucke ja Fernsehen. Weißt du?" (INT.13) Teilnehmende geben an, durch das Medium Fernsehen aktiv dazu beizutragen, ihre Gesundheit zu erhalten: "Um gesund zu bleiben, guck ich auch mal Fernsehn so" (INT.7). Ebenso benennen sie den gewohnten und ungestörten Tagesablauf als eine gesundheitsbezogene Determinante. Die Datenauswertung ergibt, dass der alltägliche und vertraute Tagesablauf ein gesundheitliches Maß darstellt. Es kann Auskunft über den Gesundheitsstatus geben, ist aber auch gleichzeitig einzuhalten, damit Gesundheit überhaupt bestehen kann: "Gesundheit, das ist hier richtig mit dem Bett zudecken, richtig dick warm anziehen im Winter, das man nicht friert. Man sollte man Gesundheit, die Haare kämmen, Ohren sauber machen, Ohren waschen, sauber putzen" (INT.5). [37]
Auf der Basis von früheren biografisch geprägten Erfahrungen konstruieren die Teilnehmenden Determinanten für die Vermeidung von Krankheiten. Für sie existieren Faktoren, die eine Erkrankung verhindern können. Die eigene Erfahrung mit Krankheitszuständen wird genannt, indem Symptome derselben beschrieben werden. Um die Wiederholung dieses Leidens zu vermeiden, gibt es ein einzuhaltendes Verhalten: "Ich hatte ja schon mal Allergie gehabt. Ich darf nicht in die Sonne und darf nicht immer ohne Sonnenhut nicht rumlaufen" (INT.5). [38]
Als Determinante zur Krankheitsvermeidung wird z.B. auch der Nicht-Konsum von Zigaretten bewertet. Allerdings wird diese Annahme von den Befragten nicht immer in das eigene Verhalten zugunsten von Krankheitsvermeidung umgesetzt. Das vorhandene gesundheitsbezogene Wissen wird nicht in alltäglichen Handlungen realisiert:
"Ja, ich weiß das Rauchen krank macht. Ich weiß, wo, wo, wo du hinaus willst. Erstmal, das fällt mir unheimlich schwer, das Rauchen. [...] Wenn man von heute auf morgen, also das, das wäre ein Ding, was, was bei mir nicht zutrifft, ne" (INT.14). [39]
3.2.3 Krankheitsbekämpfung und Genesungsprozess
In dem Bereich der Krankheitsbekämpfung ist eine bestimmte Erkrankung bereits akut oder aktuell aufgetreten, und dies kann von den Befragten konkret benannt werden. Ärztinnen und Ärzte sind eine feste Instanz, die im Fall einer Erkrankung die Gesundheit wieder herstellt. Dazu existieren keine Alternativen. Ein Besuch beim Arzt oder der Ärztin wird oft als einzige Maßnahme im Genesungsprozess genannt: "Dann gehe ich nach dem Doktor und der macht das wieder gesund. Dann gehe ich nach dem Arzt" (INT.8). [40]
Einerseits ordnen einige der Befragten die Behandlung mit Medikamenten als eine sehr relevante Determinante zur Bekämpfung einer bestimmten Erkrankung ein. Die Medikamententherapie wird dann als einziges Mittel angesehen, den Genesungsprozess zu starten: "Und das/und dann muss man mir eine Spritze geben. Tabletten muss ich ja nur dann nehmen, wenn, wenn der Rücken kaputtgeht" (INT.16); "Ich muss meine Tropfen haben. Sonst geht es einfach nicht" (INT.9). [41]
Konträr dazu kann es vorkommen, dass der Medikamenteneinnahme keine besondere Relevanz beigemessen wird. Sie wird dann nur beiläufig erwähnt und nicht genauer differenziert: "Ach, Tabletten und so" (INT.16). Die Einnahme von Medikamenten wird in den Ablauf des Lebensalltages eingebettet, sodass dieser situativen Handlung keine besondere Relevanz zukommt:
"Zieh mich dann auch noch an, äh, wasche mich im Gesicht, dann um viertel nach sechs geh ich aus der Tür, und vorher ham die Betreuer Übergabe, dann um viertel nach sechs raus und denn nach vorne ins, in Tagesraum Kaffee trinken Joghurt essen, Kaffee trinken und Tabletten nehmen Fenster aufmachen, dass da Luft reinkommt wieder zujemacht nu hin, nachher Heizung, n bisschen Heizung anmachen dass es nachher nich so kalt ist, nja" (INT.5). [42]
Der körperliche Zustand nimmt im Genesungsprozess eine große Rolle ein. Dabei scheint es besonders relevant, sich auszuruhen und keiner körperlichen Aktivität nachzugehen. Dies stellt ein dringend einzuhaltendes Verhalten dar, damit eine aufgetretene Erkrankung bekämpft werden kann: "Wenn man krank wird, muss man zu Hause bleiben" (INT.3). [43]
Zusammenfassend wird in Abbildung 2 eine Übersicht der Subkategorien bzw. Determinanten von Gesundheit und Krankheit für die Zielgruppe dargestellt.
Abbildung 2: Überblick über die drei Subkategorien der Determinanten von Gesundheit und Krankheit [44]
3.3 Gesundheitsbezogene Sinn- und Relevanzstrukturen
Die Auswertung der Interviews zeigt, dass konsolidierte Regeln für die Stiftung von gesundheitsbezogenem Sinn eine tragende Rolle spielen. Sie entstehen über die gesamte Lebensspanne und werden durch eigene Erfahrungen konstruiert. Zugleich können Erfahrungen von dritten Personen wie engen Familienmitgliedern oder Betreuungspersonen als eigene Erfahrung erinnert werden. Des Weiteren konstruieren die Teilnehmenden Regeln über Lernprozesse. Dabei werden gesundheitsbezogene Informationen sowie gesundheitsbezogenes Verhalten zunächst angeeignet und dann als aktives und selbstbestimmtes Handeln bezeichnet. Das Lernen wird hiernach von außen an die Einzelnen herangetragen und nicht aktiv eingefordert: "Das hat man mir, das hat man/hat man mir auch schon beigebracht und das klappt ganz gut, dass ich zum Arzt, Zahnarzt gehe" (INT.17). Die erstellten Regeln beschreiben Prozesse, die wiederum gesundheitsbezogenen Sinn erklären können: "Wenn man viel isst, dann wird man dick" (INT.7). Diese Regeln scheinen besonders bedeutsam zu sein, um Handlungen begründen, Prozesse kognitiv speichern und neue Informationen in bestehendes Wissen einbetten zu können sowie eine gesundheitsbezogene Wirklichkeit erklärbar zu machen. Sie sind ausschließlich in eine Wenn-Dann-Struktur eingebettet, d.h., wenn ein Bedingungsteil (Wenn) vorliegt, gibt es dazu auch einen Aktionsteil (Dann): "Und wenn man wieder gesund ist, geht man ja wieder arbeiten" (INT.5). Je nach Komplexität des Prozesses können sich mehrere Aktionsteile anschließen. "Wenn man Cola trinkt, setzt auch an. Cola. Und da musst du immer gespritzt werden. Und das ist gefährlich. Wenn man was hat. Kannst du Zuckerkrank werden" (INT.14). [45]
Aus der Perspektive der Teilnehmenden existieren zu einer Regel oder zu Prozessen keine alternativen Möglichkeiten. Die Realität stellt dadurch für die Teilnehmenden oft ein Problem dar, das durch die vorhandenen Regeln nicht gelöst werden kann. So werden Regeln für Prozesse konstruiert, die die Realität erklärbar machen sollen: "Aber wenn ich da mal nachts immer so am Schreien bin, dann muss ich nachts immer auf Klo" (INT.10). Für die Handlung des Schreiens in Verbindung mit dem nächtlichen Toilettengang wird hier eine Wenn-Dann-Regel verwendet. Diese Verbindung scheint konstruiert worden zu sein, um einen Zusammenhang zwischen zwei eigentlich (in der Realität) getrennten Vorgängen herzustellen und diesen einen scheinbar logischen Sinn zu verleihen. Zusätzlich verstärkt wird der Zusammenhang durch die Verwendung des Adverbs "immer". Es wäre möglich, dass damit der Wahrheitsgehalt der Aussage unterstrichen werden soll. Den einmal konstruierten Regeln wird eine sehr hohe Relevanz zugeschrieben, sodass nicht die Regeln modifiziert werden, sondern eher die Wirklichkeit (hier der sinnvolle Zusammenhang in einer Argumentationsstruktur) den Regeln untergeordnet wird. [46]
Gesundheitsbezogene Relevanzen werden über die Ursachenzuschreibung von Gesundheit und Krankheit konstruiert. Die Ursache von Gesundheit oder Krankheit kann dem Schicksal zugeordnet werden. Teilnehmende, die das Schicksal oder den Zufall als Ursache für Gesundheit oder Krankheit annehmen, integrieren Gesundheitsvorsorge und Genesung nicht in ihr eigenes Relevanzsystem: "Und wenn man krank ist, kann man, da kann man auch nichts gegen machen" (INT.18). [47]
Es gibt eine Verbindung zu der Dimension der Entscheidungsmacht. Denn wird die Entscheidungsmacht über Gesundheit und Krankheit an das Schicksal abgegeben, ist das Individuum selbst frei von Macht. Damit scheint die Relevanz innerhalb der gesundheitsbezogenen alltäglichen Lebenswelt für die Gesundheitsvorsorge und den Genesungsprozess stark zu sinken. Wird allerdings die Handlungsmacht im Bereich Krankheit und Genesung an eine außenstehende Person, z.B. eine Betreuungsperson oder die Ärztin/den Arzt abgegeben, erhält dieser Bereich eine erhöhte Relevanz. Die Entscheidungsmacht liegt bei der Betreuungsperson oder der Ärztin/dem Arzt, jedoch werden die ausführenden Handlungen selbst übernommen: "Wenn ich se [Tabletten] nehm muss ich se ja nehm und wenn ich se nich nehm, nehmen würde, äh dann is eben so, dann das muss man machen" (INT.27). [48]
Wird die Ursache von Gesundheit oder Krankheit dem eigenen Verhalten zugesprochen, nimmt die Gesundheitsvorsorge eine hohe Relevanz innerhalb der gesundheitsbezogenen alltäglichen Lebenswelt ein. Die Relevanzstrukturen werden durch die oben beschriebenen Regeln ausgedrückt. An das Individuum herangetragene Informationen werden in Wenn-Dann-Regeln formuliert und in einen Prozess integriert, der im alltäglichen Bedeutungssystem einen hohen Stellenwert einnimmt. Insbesondere der Ernährung wird eine hohe Relevanz zugeschrieben. Dies drückt sich in einer detaillierten Beschreibung innerhalb einer Erzählung aus:
"Und dann nehm wer auch Äpfel schon mal mit in die Firma [...] wenn will auch zwischendurch auch mal n Apfel schon mal da kann man das aufn Nachmittag verschieben und dann kann man davon mal Äpfel in ne, in Kühlschrank legen" (INT.22). [49]
Ernährung steht in direkter Verbindung mit Gesundheit und Krankheit. Sie kann durch die eigene Handlungsmacht gesteuert werden. In den Erzählungen zeigt sich die hohe Relevanz der Ernährung innerhalb der Gesundheitsvorsorge und während einer Krankheitsphase. "Da trinke ich mir ab und zu mal eine Flasche Fruchtsaft." "Da muss ich Frucht Frucht essen. Gemüse. [...] Weil es einfach gesund ist" (INT.12). [50]
Zusammenfassend folgen aus der Datenauswertung erste wissenschaftliche Erkenntnisse zu Überlegungen und Relevanzen, die gesundheitsbezogene Entscheidungen von Menschen mit geistiger Behinderung beeinflussen könnten. Zugleich ergeben sich Hinweise auf gesundheitsbezogene Prioritäten, Erwartungen an präventive Gesundheits- oder Behandlungsprozesse und abstrakt-kognitive Vorstellungen von Gesundheit und Krankheit. Diese Aspekte könnten die Art und Weise beeinflussen, wie Menschen alltägliche gesundheitsbezogene Entscheidungen treffen (DENIZ, ÖZER & SONGUR 2018). Im Folgenden werde ich die Ergebnisse in Bezug zum Health Literacy-Konzept diskutieren. [51]
Im Zentrum des Health Literacy-Konzeptes steht die Verknüpfung zwischen gesundheitsbezogenen Informationen und Entscheidungen, die das diesbezügliche Verhalten zur Gesundheitsförderung beeinflussen. Persönliche, situative und sozial-umweltliche Determinanten beeinflussen wiederum den individuellen Zugang zu diesen Informationen und deren Verstehen, Bewerten und Anwenden (SØRENSEN et al. 2012). Ich habe deutlich gemacht, wie ältere Menschen mit geistiger Behinderung gesundheitsbezogene Informationen in ein Sinn- und Relevanzsystem einordnen und dazugehörige Deutungsmuster konstruieren. Dadurch kann der Bereich des Health Literacy-Modells von SØRENSEN et al. (2012) der die persönlichen, situativen und sozial-umweltlichen Determinanten abbildet, für diese Zielgruppe nun differenziert dargestellt werden. Dies ist mit Blick auf die konzeptionelle zielgruppenspezifische Ausrichtung von Health Literacy grundlegend. [52]
Die interviewten Personen in dieser Studie konstruieren ihre soziale Ordnungsstruktur, basierend auf dem Ziel, ihre Arbeitsfähigkeit zu erhalten. Sie stufen daher gesundheitsbezogene Informationen zum Arbeitskontext als hochrelevant ein (die Motivationskomponente der persönlichen Determinanten wird weiter unten diskutiert). Solche Informationen können nach SØRENSEN et al. weitreichende Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung, Krankheitsprävention, Gesundheitsvorsorge und gesundheitsbezogenes Verhalten und damit auf Partizipation oder Empowerment haben. Genauso scheint es im Falle der Motivation zu sein. Motivation, die zusammen mit Wissen und Kompetenz Auswirkungen auf die individuelle Interpretation und Nutzung gesundheitsbezogener Informationen hat, zeigt sich bei den Gesprächspartner/innen als besonders bedeutsam, wenn es um die Erhaltung ihrer Arbeitsfähigkeit geht. Durch diese Ergebnisse wird erstmalig eine empirische Grundlage für die Weiterentwicklung des Health Literacy-Konzepts für die Gruppe der älteren Menschen mit geistiger Behinderung gegeben, die über ein funktionelles Verständnis hinausgeht und nahelegt, Determinanten und Kompetenzen im Konzept individuell und bedarfsorientiert zu formulieren. [53]
Die von mir befragten älteren Menschen mit geistiger Behinderung scheinen ihre eigene Handlungsmacht ausschließlich in der Gesundheitsvorsorge zu sehen. Sowohl bei eingetretenem Erkrankungsfall als auch bei der Genesung schreiben sie anderen Akteur/innen eine Handlungswirkung zu. Die Entwicklung eines zielgruppenspezifischen Health Literacy-Konzeptes sollte dementsprechend die Selbstwirksamkeit berücksichtigen und fördern. [54]
Bei der Vermittlung von gesundheitsbezogenen Informationen sollte perspektivisch berücksichtigt werden, dass die Motivation, sich gesundheitsbezogene Informationen anzueignen und sie anzuwenden, in der Gesundheitsvorsorge wahrscheinlich am größten ist. Gesundheitsbezogene Informationen werden im Erkrankungsfall und während des Genesungsprozesses hingegen als weniger relevant betrachtet. Das Health Literacy-Konzept für Menschen mit geistiger Behinderung sollte daher zwischen den verschiedenen Gesundheitsstadien differenzieren, um gezielt die Handlungsmacht und die von der Zielgruppe angenommenen Handlungswirkungen berücksichtigen zu können. [55]
Durch die Ergebnisse meiner Forschungsarbeit wird deutlich, dass der individuelle Zugang und der Umgang mit gesundheitsbezogenen Informationen älterer Menschen mit geistiger Behinderung stark von deren Sinn- und Relevanzsystem abhängig sind, das auf die Erhaltung der Erwerbstätigkeit fokussiert. Die Zugangswege zu neuen gesundheitsbezogenen Informationen sowie deren Einbindung in bereits bestehendes Wissen scheinen bei dieser Gruppe durch individuelle Deutungsmuster geprägt zu sein. Hier ergeben sich aus meiner Studie Hinweise auf notwendige Kommunikationsstrategien für Gesundheitsinformationen. Beispielsweise sollten Informationen variationsreich, in leichter Sprache und auf der Grundlage von Wenn-Dann-Logiken vermittelt werden, um den Kommunikationsstrukturen und Rezeptionsgewohnheiten der Zielgruppe zu begegnen. Wenn möglich, sollte dies bereits in einem jüngeren Alter geschehen, um festgefahrenen Regeln vorzubeugen und diese Regeln flexibel zu gestalten, damit sie an Wirklichkeitsformate angepasst werden können und starren Annahmen im Wenn-Dann-Format vorgebeugt werden kann. Außerdem sollte die Entwicklung von zielgruppenspezifischen Gesundheitsinformationen gefördert werden. Dazu kann z.B. der Zugang über den Fernsehkonsum der Zielgruppe genutzt werden, der von den Teilnehmenden ausgleichend zur Bewegungsförderung angegeben wird (vgl. Abschnitt 3.2.1). Angepasste Bewegungsförderungsprogramme könnten so durch Fernsehprogramme initiiert und zum Nachahmen angeboten werden. Ein explizit auf die Zielgruppe abgestimmtes Programm könnte die Motivation weiter befördern. [56]
Ich hoffe, die Debatte um die konzeptionelle Ausrichtung von Health Literacy durch diese Ergebnisse zu bereichern. Ein rein funktionales Verständnis, welches auf der Basis schriftsprachlicher Fähigkeiten beruht, kommt bei dieser Zielgruppe zu kurz. Denn es stellt Defizite in den Vordergrund, die in doppelter Hinsicht den voreiligen Schluss zulassen, ältere Menschen mit geistiger Behinderung könnten aufgrund von herabgesetzten schriftsprachlichen und anderen kognitiven Fähigkeiten gesundheitsbezogene Informationen nicht verstehen und diese nicht so nutzen, dass eine informierte selbstbestimmte Entscheidung möglich wäre. Meine Forschungsergebnisse verweisen hingegen auf das Potenzial von älteren Menschen mit geistiger Behinderung, sich an gesundheitsbezogenen Entscheidungen und medizinischen Behandlungsverläufen selbstbestimmt zu beteiligen. Werden zielgruppenspezifische Kontextfaktoren und lebensweltliche Strukturen und Ordnungen mit in die konzeptionelle Ausrichtung des Health Literacy-Konzeptes für Menschen mit geistiger Behinderung aufgenommen, können unausgeschöpfte Ressourcen und Potentiale genutzt werden. Bei einer Anlehnung an die Health Literacy-Perspektive im Sinne der beschriebenen Informationskompetenz ist zu beachten, dass die gesundheitsbezogene alltägliche Lebenswelt der Zielgruppe durch die individuelle Unterstützungsleistung der professionellen Betreuungspersonen sowie deren persönlichen Umgang mit gesundheitsbezogenen Informationen beeinflusst wird. Weiter bieten Ressourcen innerhalb von Informations- und Kommunikationsstrukturen, die den Sinn und die Relevanz der Erwerbstätigkeit für ältere Menschen mit geistiger Behinderung berücksichtigen, Potenzial für die Entwicklung geeigneter Interventionsprogramme in Bereichen wie Ernährung, Bewegung etc. Interventionsprogramme zur Erhöhung des gesundheitsbezogenen Wissens könnten die Kommunikationsstruktur der Wenn-Dann-Formulierung in Verbindung mit einer inhaltlichen Anbindung z.B. an die Gesundheit am Arbeitsplatz nutzen, um die Motivation zu erhöhen und die Denkmuster der Betroffenen mitaufzunehmen. [57]
Zielgruppenspezifische Auffassungen und abstrahierende Vorstellungen über Gesundheit und Krankheit werden in den Gesundheitswissenschaften unter der Forschungstradition der subjektiven Theorien von Gesundheit und Krankheit diskutiert (FALTERMEIER 2005). Der Diskurs geht über die Erkenntnisse aus meiner Forschungsarbeit weit hinaus. Um Ergebnisse zu generieren, die subjektive Theorien von Gesundheit und Krankheit von älteren Menschen mit geistiger Behinderung abbilden, bedarf es weiterer Forschungsbemühungen. Bereits bestehende Modelle zur Beschreibung der Vorstellungen von Gesundheit und Krankheit (FRANKE 2010; KOLIP, ACKERMANN, RUCKSTUHL & STUDER 2012) decken die Perspektive von älteren Menschen mit geistiger Behinderung nicht hinreichend ab. Letztere formen ihr gesundheitsbezogenes Denken, so die Ergebnisse dieser Untersuchung, größtenteils auf Grundlage des traditionellen biomedizinischen Modells. Im Hinblick auf deren eigene gesundheitsbezogene Entscheidungs- und Handlungsmacht deutet dies eine eher passive Rolle an. Auch scheint diese Personengruppe eher traditionellen, hierarchischen Ordnungsstrukturen zu unterliegen. So spielten für die Befragten direkte Bezugs- oder Pflegepersonen, die im hierarchischen Sinne innerhalb von Wohn- oder Arbeitsgruppen den Bewohner/innen übergeordnet sind, eine bedeutsame Rolle. Konzepte zur Gesundheitsförderung, die die Informationsbeschaffung und -verarbeitung beinhalten, sollten deshalb in jedem Fall die Bezugs- oder Pflegepersonen mit einbeziehen. Zukünftige konzeptionelle und klinische Forschungen zum Health Literacy-Konzept bei älteren Menschen mit geistiger Behinderung sollten die unterstützenden Personen einbeziehen und auch deren Health Literacy-Niveau berücksichtigen. [58]
Qualitative Interviews sind für die beschriebene Zielgruppe in der Forschungspraxis selten. Im Rahmen vorliegender qualitativer Arbeiten in diesem Themenfeld wurden größtenteils die Bezugspersonen oder Pflegenden über Menschen mit geistiger Behinderung befragt. Die Nutzer- und Nutzerinnenperspektive kann so nur indirekt berücksichtigt werden. Durch die hier vorgestellte Forschungsarbeit wird deutlich, dass es wichtig und vor allem möglich ist, ältere Menschen mit geistiger Behinderung mittels zielgruppenspezifischer Interviewgestaltung und Gesprächsführung einzubinden (GEUKES & LATTECK 2018). [59]
Zudem zeigte sich, dass das rekonstruktive integrative Basisverfahren nach KRUSE (2014) geeignet ist, das spezielle verbale Datenmaterial zu analysieren. Der primäre Fokus auf linguistische Dimensionen und die darauffolgende Auseinandersetzung mit fallinternen und fallübergreifenden forschungsgegenständlichen Mustern ermöglichten in einem ersten Schritt eine Analyse auf abstraktem Niveau (in weiteren Schritten interpretativ und deskriptiv, siehe Abschnitt 2.3), die für die Interviews erforderlich war und zielführend zur Beantwortung der Forschungsfragen beitrug. [60]
Kritisch müssen die Quantität und in der Folge die Qualität des Datenmaterials hinterfragt werden. Da die einzelnen Interviewsequenzen aufgrund von Aufmerksamkeit und Konzentration der Teilnehmenden eher kurz waren, könnten wichtige Aspekte in den Gesprächen nicht präsent gewesen sein. Eine Begleitung der Teilnehmenden über einen längeren Zeitraum mit vielen Pausen zwischen den Gesprächssequenzen könnte hier hilfreich sein. Auch könnten andere Methoden wie teilnehmende Beobachtung die Daten vervollständigen. [61]
Obwohl die Analyse der Daten im Austausch mit anderen Forscherinnen und Forschern stattgefunden hat und Interpretationen als Vorschläge mit diesen diskutiert wurden, beruhte die Auswertung und Interpretation am Ende auf meiner subjektiven Perspektive. Dem kann begegnet werden, indem vor allem betroffene Nutzerinnen und Nutzer mit in den Analyseprozess einbezogen werden: Erst seit kurzer Zeit gewinnt der Ansatz der partizipativen Forschung innerhalb der Forschung mit Menschen mit geistiger Behinderung mehr an Beachtung (BERGOLD & THOMAS 2012). Auch für die konzeptionelle Forschung im Themenfeld Health Literacy könnten durch diesen Ansatz wertvolle Erkenntnisse generiert werden. [62]
Bis mit der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ältere Menschen mit geistiger Behinderung in die Lage versetzt sind, fundierte und selbstbestimmte gesundheitsbezogene Entscheidungen zu treffen, sind weitere Forschungsarbeiten anzustreben. Um die Betroffenen so zu unterstützen, dass verbleibende Ressourcen und Fähigkeiten erhalten und adäquat genutzt werden können, sind Konzepte erforderlich, die diese Ressourcen berücksichtigen und eine diskriminierungsfreie, selbstbestimmte Entscheidung ermöglichen. Durch die hier vorgestellte Studie wird deutlich, dass es unabdingbar ist, in Zukunft noch tiefergehendes Wissen über die verfügbaren gesundheitsbezogenen Ressourcen von und für ältere Menschen mit geistiger Behinderung zu generieren, um gesundheitsfördernde Konzepte wie Health Literacy für diese spezielle Zielgruppe zu modifizieren und zu entwickeln. [63]
In Anbetracht der beschriebenen Ergebnisse ist es essenziell, in einem nächsten Schritt Menschen mit geistiger Behinderung in den oben beschriebenen verschiedenen Gesundheitsstadien differenzierter zu betrachten. Besonders sollten Diskussionen angeregt werden, die auf die Förderung und Stärkung von sowohl jungen als auch älteren Menschen mit geistiger Behinderung abzielen. Nach soziodemografischen Merkmalen differenzierte Forschung ist nötig, um herauszuarbeiten wie diese Merkmale mit divergierenden Verständnissen von Gesundheit und Krankheit zusammenhängen. Dies ist insbesondere für die Ausbildung der Handlungsmacht innerhalb verschiedener Gesundheitszustände wichtig. Ältere Menschen mit geistiger Behinderung sehen ihre Handlungsmacht und -wirkung, so die Ergebnisse meiner Studie, lediglich im Bereich der Gesundheitserhaltung. Hier sind Konzepte erforderlich, die darauf abzielen, die Wahrnehmung der eigenen Handlungswirkung auf die Gesundheitsstadien, Krankheitsvermeidung und Krankheitsbekämpfung auszuweiten. Langfristig kann dadurch ein Beitrag zur Erfüllung der Forderungen nach Empowerment und Partizipation für Menschen mit geistiger Behinderung geleistet werden. [64]
Ich danke Frau Prof. Dr. Änne-Dörte LATTECK von der Fachhochschule Bielefeld für ihre wertvolle Mitarbeit an diesem Artikel. Sie hat ihre Expertise innerhalb des Projektes "Health Literacy bei älteren Menschen mit geistiger Behinderung" bei der Ergebnisdiskussion und deren Validierung sowie der Konzeptionierung des methodisches Vorgehens eingebracht. Durch die Arbeit von Frau Prof. Dr. LATTECK flossen umfangreiche Erfahrungen mit Menschen mit geistiger Behinderung gewinnbringend in das Projekt mit ein.
1) Dieses Forschungsprojekt ist ein Teilprojekt des Forschungsverbundes "Nutzerorientierte Versorgung bei chronischer Krankheit und Pflegebedürftigkeit" zwischen der Universität Bielefeld und der Fachhochschule Bielefeld. <zurück>
2) Die Definition einer geistigen Behinderung über den IQ wird seit Jahren diskutiert. Die IQ-Testung erfolgte in der hier vorgestellten Studie lediglich im Sinne einer weiteren Absicherung zum Vorliegen einer geistigen Behinderung. Im englischen Sprachraum wird der IQ vor allem in klinischen Studien gemessen (AMERICAN ASSOCIATION ON INTELLECTUAL DEVELOPMENTAL DISABILITIES 2010). Da die Durchführung des Tests wenig aufwendig war, wurde er hinzugezogen, um zumindest annäherungsweise einen Vergleich zu klinischen Studien ziehen zu können. <zurück>
3) Die 31 Interviews (INT.) wurden aus Gründen der Anonymisierung nummeriert. <zurück>
4) Die eine Person, die sich bereits im Ruhestand befand, erklärte retrospektiv die hohe Priorität der Aufrechterhaltung der Erwerbsfähigkeit. Sie gab an, dass es für sie wichtig war, gesund zu bleiben, um möglichst lange arbeiten zu können. <zurück>
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Cornelia GEUKES ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fachhochschule Bielefeld. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Menschen mit geistiger Behinderung, Health Literacy und Gesundheitsfürsorge. Ihr Forschungsprojekt "Health Literacy bei älteren Menschen mit geistiger Behinderung" ist Teil des Forschungsverbundes NuV – "Nutzerorientierte Versorgung bei chronischer Krankheit und Pflegebedürftigkeit" und wurde vom Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes NRW gefördert.
Kontakt:
Cornelia Geukes
Fachhochschule Bielefeld
Institut für Bildungs- und Versorgungsforschung im Gesundheitsbereich
Interaktion 1
D-33619 Bielefeld
Tel.: +49 (0)521-106 70068
E-Mail: cornelia.geukes@fh-bielefeld.de
URL: https://www.fh-bielefeld.de/personenverzeichnis/cornelia-geukes
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