Volume 20, No. 2, Art. 9 – Mai 2019
Wenn die Lehrperson ins Spiel kommt. Das kindliche Rollenspiel und dessen Beeinflussung als soziale Praxis des Kindergartens
Mark Weißhaupt, Elke Hildebrandt & Tobias Leonhard
Zusammenfassung: In diesem Beitrag befassen wir uns qualitativ-rekonstruktiv mit der sozialen Praxis des Rollenspiels im Kontext eines (deutschschweizerischen) Kindergartens. Das Rollenspiel stellt eine häufig vorzufindende Interaktionsform von Kindern dar, die oftmals im Kindergarten in pädagogischer Absicht für die Förderung verschiedener Fähigkeiten von Lehrpersonen "begleitet" wird. Der Forschungsstand zur Rollenspielinteraktion und -begleitung wird dargestellt, und die Frage des Verhältnisses der Eigenlogik des Rollenspiels im Verhältnis zur pädagogischen Begleitung fokussiert. Anhand eines Falles wird sowohl die Interaktion der Kinder untereinander objektiv-hermeneutisch rekonstruiert als auch der Versuch der Einflussnahme durch eine Lehrerin. Dies führt zu zwei zentralen Befunden: Das kindliche Rollenspiel weist eine innere Strukturlogik der losen Kopplung von Handlungsanschlüssen der Spielenden auf, die ihre Eigendynamik durch die spielthematisch passende Umdeutung bzw. das aktive Ignorieren von Irritationen von außen, u.a. der Lehrerin, abgrenzt. Für diese performative Abgrenzung werden dramatologische Funktionselemente der Aufführung durch Kinder kompetent gehandhabt, wie z.B. Drehbuchautor*in, Chor etc. Die dokumentierte Einflussnahme der Lehrerin im Fall macht deutlich, dass sich die Praxis der Spielbegleitung, die sich im Spannungsfeld zwischen Nichteingreifstandard und Fördergebot bewegt, für die fragile Beteiligung der Kinder am Rollenspiel als gefährdend erweisen kann, wenn ein mangelndes Verstehen der Spielwirklichkeit vorliegt. Der Beitrag endet mit Schlussfolgerungen für die Kommunikationsstruktur im Kontext Rollenspiel.
Keywords: Rollenspiel; Fantasiespiel; pädagogisches Handeln; Spielbegleitung; Performanz; Interaktionssystem; Sozialisationstheorie; Kindheitssoziologie; Kindergarten; objektive Hermeneutik
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Merkmale, Potenziale, offene Fragen: das Rollenspiel in Forschung und Praxis
2.1 Das Rollenspiel in der Forschung
2.2 Pädagogisches Handeln im Kontext des Rollenspiels
3. Methodologische Begründung und methodisches Vorgehen
4. Die Reise nach Amerika: Aufbruch und Unterbruch
4.1 Die Selbstläufigkeit des kindlichen Rollenspiels
4.2 Kennzeichen der Beeinflussung durch die Lehrperson
5. Schlussfolgerungen
Anhang: angepasste Transkriptionsregeln
Zur Autorin und zu den Autoren
Rollenspiel ist eine gängige Interaktionsform in der pädagogischen Praxis, vor allem in Kindergärten. Empirische Befunde zur Entwicklung vieler kindlicher Fähigkeiten im Kontext des Rollenspiels legen nahe, dessen Potenzial pädagogisch nutzbar zu machen. Jedoch gilt es zunächst, das Rollenspiel in seinen internen Logiken, seiner Eigendynamik und den Mikroprozessen der Grenzziehung zwischen dem Spiel und der Wirklichkeit der Umgebung vertieft zu verstehen. Daran anschließend stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis das begleitende, fördernd-pädagogische Handeln der Lehrpersonen1) zum eigendynamischen und abgegrenzten Bereich des Rollenspiels stehen. Und schließlich: Was bedeutet dies in der Konsequenz für das pädagogische Handeln im Kontext des Rollenspiels? Auf der Basis eines gehaltvollen empirischen Materials wird im Beitrag beiden Fragen, erstens der inneren Abgrenzung und zweitens der pädagogischen Begleitung, nachgegangen. [1]
Das Rollenspiel stellt sich hiermit zugleich als ein weiteres Feld der Auseinandersetzung um das Verhältnis von pädagogisch-institutionellem Auftrag und dem Anspruch an kindliche (Selbst-) Bildung dar. Inwieweit zeigt sich eine teilweise Entkopplung der Interaktion beim Rollenspiel von der Rangungleichheit zwischen Kind und Lehrperson in der Bildungseinrichtung Kindergarten? Oder muss auch hier von einer konstitutiven Asymmetrie in der Interaktion zwischen Lehrperson und Kindern ausgegangen werden? [2]
Im Rahmen einer Studie wurden Audioaufnahmen bei gleichzeitiger passiver, teilnehmender Beobachtung in zwölf Kindergärten in deutschsprachigen schweizerischen Kantonen durchgeführt, transkribiert und objektiv hermeneutisch rekonstruiert. Anhand eines ausgewählten Transkripts veranschaulichen wir im Beitrag eine solche Rekonstruktion, anhand derer wir eine erste Hypothese zur Struktur des Rollenspiels entwickeln. Die Lehrperson versucht im Verlauf der Spielsequenz, das Rollenspiel zu begleiten bzw. zu beeinflussen, was wir anschließend mit demselben methodischen Zugriff rekonstruieren, um auch hier eine Hypothese zu den Wirkungen und Bedingungen der "Begleitung" von Rollenspielen zu generieren. [3]
Im Beitrag wird zuerst der Forschungsstand zum Rollenspiel im Hinblick auf die hier relevanten Struktur-, Entwicklungs- und Begleitungsaspekte des Rollenspiels erläutert (Abschnitt 2). Es folgen methodische Hinweise zur Analyse (Abschnitt 3), die dann im 4. Abschnitt ausführlich in den beiden Perspektiven des selbstläufigen Spiels und des Modus der "Begleitung" dargestellt werden. Im 5. Abschnitt werden Schlussfolgerungen im Hinblick auf die Fragen zur Struktur des abgegrenzten Interaktionsbereiches des Rollenspiels und Möglichkeiten seiner pädagogischen Begleitung gezogen. Dabei werden Beobachtungsinstrumente aus dem kommunikationstheoretischen und performativen Paradigma herangezogen. [4]
2. Merkmale, Potenziale, offene Fragen: das Rollenspiel in Forschung und Praxis
2.1 Das Rollenspiel in der Forschung
Um die hier thematisierte Spielform zu charakterisieren, wird eine Definition vorangestellt: Das Rollenspiel ist ein interaktives Spiel, in dem Rollen übernommen werden, aus denen heraus mit vorhandenen oder nicht vorhandenen Personen bzw. mit Materialien, welche auch dekontextualisiert werden können, sowohl reale als auch fiktive Handlungen unter Nutzung verbaler und nonverbaler Mittel inszeniert und entwickelt werden (HILDEBRANDT, GÜVENÇ & PAUTASSO 2015). Das kindliche Spiel mit Puppen oder ähnlichen Figuren ist mit dem interaktiven, sozialen Rollenspiel zwar verwandt, jedoch näher am Parallel- bzw. Alleinspiel (BOSE 2003; FOOKEN 2012). Das "Kasperletheater" wiederum steht dem fertigen, aufgeführten Werk für Zuschauer*innen näher als dem im Ablauf tendenziell offen verlaufenden Rollenspiel, das nicht notwendigerweise ein reales Publikum benötigt.2) [5]
Zu Beginn der Entwicklung des sozialen Spiels geschieht aus entwicklungspsychologischer Perspektive kein direkt beobachtbarer Bezug zwischen Kindern (OERTER 2011), sondern es wird parallel gespielt, wobei Kinder sich dabei zusehends gegenseitig imitieren können. Die Skripts und Handlungsabläufe gehen dabei oft von den zur Verfügung stehenden Utensilien aus (Puppen führen zum Familienspiel, Arztutensilien zum Arztpraxisszenario etc., vgl. ELKONIN 2010). Im Rollenspiel entwickelt sich der Wechsel von Perspektiven, der bei Kindern ab ca. vier Jahren festgestellt werden kann (RUSSELL, MAUTHNER, SHARPE & TIDSWELL 1991). Kinder beginnen in diesem Alter interaktiv und sprachlich zu verarbeiten, dass ein Unterschied zwischen der eigenen Perspektive und der des Gegenübers auf einen Gegenstand bzw. zwischen Wissensständen und Intentionen unterschiedlicher Personen bestehen kann (BISCHOF-KÖHLER 2011). Das Rollenspiel wird in der folgenden Entwicklung verstärkt komplementär und reziprok (ELKONIN 2010): Unterschiedliche Rollen werden voneinander abhängig und deshalb aufeinander abgestimmt, um eine Szene aufzuführen, wodurch auch die Komplexität des Sprach- und Interaktionsrepertoires zunimmt. Deshalb wird das Rollenspiel als besonderes Übungsfeld für Interaktions- und Sprachfertigkeiten angesehen (ANDRESEN 2002). [6]
Es wurden Strategien zur Förderung des Aspekts der Sprachförderung im Rollenspiel beforscht: Es sind vor allem positive Wirkungen durch das Einbringen einer elaborierten Sprache und der Ausweitung der Spielthemen durch Erwachsene belegt (LESEMAN, ROLLENBERG & RISPENS 2001; LILLARD et al. 2012; MORRISSEY & BROWN 2009). Der Sprachgebrauch wird beim Rollenspiel im Lauf der Entwicklung zunehmend unabhängiger von konkret vorhandenen Gegenständen oder Utensilien (ELKONIN 2010). Die gemeinsame Ko-Konstruktion und Abstimmung des Rollenspiels stellen dann zunehmend komplexe Anforderungen an die Spielenden: Mithilfe ihres Sprachgebrauchs werden die Gegenstände des Spiels ab dieser Phase regelmäßig nicht nur bezeichnet, sondern primär konstituiert. Ob und welche Gegenstände im Spiel welche Funktion einnehmen, wird interaktiv ausgehandelt. Dabei werden reale Objekte teilweise de- bzw. rekontextualisiert (ANDRESEN 2002, 2003, 2005) – sie können unterschiedliche Bedeutungen für das Spiel einnehmen. Die Kinder erfahren und üben dann im Spiel, wie ein Kontext allein über den Gebrauch sprachlicher Interaktion erzeugt wird. Das Rollenspiel ist kognitiv, sprachlich und interaktiv hoch komplex: Die Kinder antizipieren dabei die Normen, Handlungs- und Rollenerwartungen der anderen Kinder und versuchen, den Kontext der Spielwelt kohärent weiterzuführen im Wissen, dass es sich um Spiel handelt (WEISSHAUPT & CAMPANA 2014). Sie bringen ihre eigenen Vorstellungen ein und müssen dabei zugleich spätere Handlungen der verschiedenen Rollen über mehrere folgende Interaktionsturns hinweg antizipieren. Metakommunikation ist eines der sprachlichen Mittel, nicht nur um das Rollenspiel zu initiieren, sondern auch um es zu steuern (ANDRESEN 2002; FRIED 2004; GARVEY 1990), wobei die Entwicklung von expliziter äußerer Metakommunikation ("Du wärst jetzt der Feuerwehrmann") hin zu impliziter Metakommunikation verläuft. Implizite Metakommunikation ist anspruchsvoller, da die Sprechenden ihre Steuerungswünsche umgehend in passende Formen innerhalb des Spielkontextes kleiden müssen (GIFFIN 1984), ohne den Spielfluss explizit zu unterbrechen. Die Spielenden bleiben hierbei in der Rolle, im Spielkontext, auch wenn sie etwa Missverständnisse oder Synchronisierungsprobleme zu beheben oder Regieanweisungen zu geben suchen. [7]
Die Handlungen sind teilweise realen Erfahrungen nachgebildet, so z.B. Settings von alltäglichen Abläufen oder auch fantasiebezogen bzw. fiktiven Figuren aus Geschichten, Literatur und Medien entlehnt (thematic fantasy play; SALTZ & JOHNSON 1974). Beide thematische Settings – reale und fiktive – haben zeitliche Dimensionen von Erfahrungsverarbeitung (bezogen auf Vergangenheit) und auch Handlungsvorbereitung (bezogen auf Zukunft) (GÖNCÜ & GASKINS 2011). Die Erfahrungsverarbeitung bezieht sich auf das kognitive, körperliche und emotionale Verarbeiten von realen Erfahrungen bzw. von rezipierten fiktiven Welten unter den schützenden, teilweise kontrollierten Bedingungen des eigenen Rollenspiels. Die Handlungsvorbereitung wiederum bezieht sich auf das Ausüben von erwünschten zukünftigen (erwachsenen oder auch fiktiven) Rollen, die dem Kind real (noch) nicht möglich sind. Bei der Verarbeitung und der Vorbereitung im Rollenspiel ist die Handhabung von bestimmten Handlungsskripten von Rollen oder Situationen (Rollenskript des Arztes/der Ärztin, Rollen bei einer Beerdigung, Rollenrepertoires von Superheld*innen etc.) zentral, um Erfahrenes zu verstehen und fassbar zu machen. Die verschiedenen Rollen werden im Rollenspiel interaktiv so eingesetzt und variiert, dass überhaupt erfolgreich interagiert werden kann: Es besteht ein gemeinsames Interesse an einer sinnvollen Szene und Handlung sowie an anerkannten Rollen darin (GIFFIN 1984; GOFFMAN 2003 [1973]). [8]
Wie genau die Kinder im Rollenspiel ihre Rollen und ihre Kommunikation situativ anpassen bzw. dies lernen vor dem Hintergrund eines teilweise fiktiven Kontextes, der v.a. sprachlich hergestellt wird (ANDRESEN 2002), ist, was die fundierenden Mikroprozesse angeht, noch wenig untersucht. Insbesondere die Herausforderung, wie sich eine Rollenspielinteraktion gegenüber der Kommunikation in der Umgebung abgrenzt, wie mit Irritationen von außen umgegangen wird, soll im Weiteren insbesondere im Hinblick auf pädagogische Impulse im Kontext von Rollenspiel dargelegt werden. Diese Forschung zum Rollenspiel liefert mithin auch einen spezifischen Beitrag zur anhaltenden Debatte um agency von Kindern (BÜHLER-NIEDERBERGER 2011) in den Institutionen unserer Gesellschaften, welche "für die Kindheit" eingerichtet werden: Inwiefern sind Kinder dort wirklich aktiv als Akteur*innen an der Reproduktion des Sozialen und von (Kinder-) Kulturen beteiligt (HEINZEL, KRÄNZL-NAGL & MIERENDORFF 2012), ist dort Selbstbildung möglich (SCHÄFER 2014), oder sind diese Prozesse vor allem durch die generationale Ordnung bzw. Machtordnung in den Institutionen geprägt (BAADER 2004; BETZ 2008)? Die oben genannte Frage nach der Asymmetrie bei der Interaktion zwischen Kindern und Lehrpersonen werden wir dahingehend behandeln, inwiefern sie in der speziellen Situation des Rollenspiels im Kindergarten zum Tragen kommt. Dies spiegelt sich auch in den folgenden Ansätzen zum pädagogischen Handeln beim Rollenspiel wider. [9]
2.2 Pädagogisches Handeln im Kontext des Rollenspiels
Eine Grundfrage bei der pädagogischen Begleitung ist die des Grades des "Eingriffs" in das Spiel. Es gibt verschiedene Ansätze zur Unterscheidung des "freien" vom "geführten" Spiel (FISHER, HIRSH-PASEK, GOLINKOFF, SINGER & BERK 2011; STREIT, KÜNZLI DAVID & HILDEBRANDT 2016; WOOD 2014): Das Rollenspiel wird in der pädagogischen Perspektive oftmals als eine Art "Simulation" zu Lernzwecken angesehen. Hierbei wird v.a. auf den vorhandenen Lerneffekt bezüglich alltäglicher Abläufe abgezielt (socio-dramatic play, SMILANSKY 1968). Der eher fantasiebezogene Aspekt (thematic-fantasy play, SALTZ & JOHNSON 1974) mit Figuren u.a. aus Märchen und Superheld*innengenres wird, wenn überhaupt, dann eher in Zielrichtung auf eine geplante Theateraufführung genutzt, wobei der freiere Aspekt des Rollenspiels tendenziell reduziert wird. Das Rollenspiel wird in der Praxis auch als Lernumgebung pädagogisch genutzt, um dezidiert die Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen zu unterstützen (NEUMAN & ROSKOS 1992; SÖRENSEN, HAUSHERR & WEBER 2005). Zudem sind kulturelle Unterschiede in der Praxis des pädagogischen Handelns im Kontext von Rollenspiel wirksam (EINARSDÓTTIR 1998). [10]
Eine zentrale Position zur Rolle der Lehrperson, die paradigmatisch auf der Annahme basiert, dass das kindliche Rollenspiel unterstützungs- und begleitungsfähig bzw. -bedürftig ist, haben ENZ und CHRISTIE (1997) erarbeitet: Sie identifizieren verschiedene Spielinteraktionstypen je nach Grad der Spielbegleitung durch die Lehrperson (Unbeteiligte, Interviewer*in, Inszenator*in, Co-Spieler*in, Spielführer*in, Regisseur*in). Drei Stile zeigen demzufolge tendenziell einen positiven Effekt auf die Interaktion der Kinder: So bieten stage manager [Inszenator*innen] – bei Kenntnis des Spielgeschehens – von außen Unterstützung z.B. durch Zurverfügungstellung von Materialien und Ideen. Co-player [Mitspieler*innen] nehmen eine kleine Rolle im Spiel ein, werden so zu Spielpartner*innen und folgen der Planung der Kinder, während play leader [Spielleiter*innen] in das Spiel der Kinder eintreten und aktiv die Führung, ggf. die Moderation von Konflikten und auch eine Rolle übernehmen (a.a.O.). Beim "Spieltutoring" soll die Spielbegleitung Ideen und Begriffe modellieren, aus einer mitspielenden Rolle oder von außen (CHRISTIE 1983; JOHNSON, CHRISTIE & YAWKEY 1987). [11]
Hierbei stellen sich sowohl bei der Rolle der Lehrperson als play leader als auch als "Spieltutor*in" zwei Fragen: Wenn die Lehrperson nicht in die Spielwelt eingeladen ist, inwieweit kann sie positiv einwirken, ohne das Spiel aus einer dominanten Position heraus zugleich zu gefährden? Und: Gibt es, auch wenn die Lehrperson von Teilen der Kinder eingeladen werden sollte, Gefahren des Grenzübertritts von außen beim Rollenspiel, die sich aus der inneren Eigendynamik des Spiels ergeben? [12]
Neben dem Willen zur aktiven pädagogischen Nutzbarmachung des Rollenspiels gibt es in der Praxis des deutschschweizerischen Kindergartens auch eine Tradition, die einen "Nichteingreifstandard" hochhält. Das steuernde Unterscheidungsprinzip ist hier: Wenn ein Spiel "läuft", darf man als Lehrperson nicht "stören" und muss die Entwicklungen vor allem als Selbstentwicklungen behüten, indem man v.a. Raum, Zeit und ggf. Material zur Verfügung stellt. In der Spielpädagogik hat dies eine lange Tradition (HEIMLICH 2015). Die überwiegende Haltung in der Praxis ist potenziell gespalten zwischen dem traditionellen Nichteingreifstandard (ELKIND 1981) und der allgemeinen Tendenz der letzten Jahre zur Didaktisierung des Freispiels3) (LEUCHTER 2013; STAMM 2014). Es ist offen, inwiefern diese widersprüchlichen Anforderungen Lehrpersonen in die eine oder andere Richtung beeinflussen. [13]
Die verschiedenen Programmatiken der pädagogischen Begleitung von Rollenspiel stehen so teilweise in einem Spannungsfeld: zum einen bezüglich des angezielten "Realitätsgrades" des Rollenspiels, zum anderen in Bezug auf die Frage, wie "stark" die Lehrperson in das Spiel eingreifen sollte. Die Bandbreite bezüglich des "Eingreifens" in das Freispiel kann dabei gekennzeichnet werden zwischen von der Lehrperson "geführt", begleitungsbedürftig bzw. begleitungsfähig, dem Spiel als Selbstläufer und dem Spiel als Refugium des Kindes, in das man nicht eingreifen darf. Es stellen sich also bestimmte Grundspannungen in der Situierung des Rollenspiels im Kindergarten dar, die im konkreten sozialen Geschehen verarbeitet werden. [14]
Ausgehend vom Protokoll einer konkreten Rollenspielsituation in einem (deutschschweizerischen) Kindergarten wird im Folgenden an einem Beispiel zu rekonstruieren versucht, wie Kindergartenkinder in Rollenspielen miteinander agieren und was passiert, wenn Lehrpersonen zu dieser Interaktion hinzutreten und sich daran beteiligen. Wir stellen dabei die Frage danach, was "angemessene" Begleitung ausmacht, zunächst zurück. [15]
3. Methodologische Begründung und methodisches Vorgehen
Im Rahmen der Studie "Pädagogisches Handeln im Kontext von Rollenspiel" wurden 20 Transkriptionen von Rollenspielsituationen in 12 Kindergärten aus den Kantonen Aargau, Baselland und Basel-Stadt mit Aufnahmen erstellt, die bei gleichzeitiger passiver, teilnehmender Beobachtung von Studierenden eines Forschungsseminars entstanden. Die Fragestellungen der Studie waren: Welche latenten Sinnstrukturen emergieren beim Rollenspiel unter Kindern? Welche Begleitungsstrategien nutzen Lehrpersonen in Bezug auf das Rollenspiel? Und schließlich: Inwiefern werden beim Rollenspiel und durch die Begleitung die Kompetenzen der Kinder gefördert? (Siehe für Weiteres zur Studie HILDEBRANDT et al. 2015.) [16]
Das im Beitrag ausgewählte Transkript weist eine für das Sample exemplarische Dichte in Bezug auf die Fragestellungen auf. Die Frage danach, welche allgemeinen Strukturen sich an konkreten Beispielen kindlicher Rollenspiele und deren Begleitung im Kontext von Bildungsinstitutionen herausarbeiten lassen, verweist auf ein qualitativ-rekonstruktives Forschungsparadigma. Die methodologische Leistung desselben ist "gerade darin zu sehen, dass nicht nach einem gleichsam intimen Verständnis der Handlungssubjekte [gesucht wird], sondern nach der Sinnstruktur der Handlung auf dem Weg der Rekonstruktion ihrer Objektivationen" (WERNET et al. 2006, S.53). Statt also über Handlungsmotive und Intentionen der Kinder oder Lehrpersonen im Spielverlauf zu spekulieren, dient das Transkript als objektiviertes Protokoll, anhand dessen untersucht werden kann, welche latenten Sinnstrukturen in den manifesten Interaktionen der Kinder und der Lehrperson zum Ausdruck kommen. [17]
Wir untersuchen im vorliegenden Beitrag also, welche allgemeine Struktur des Rollenspiels – und seiner Begleitung – sich in der Besonderheit des vorliegenden Protokolls Ausdruck verschafft. Wir schließen damit an die Tradition einer qualitativ-rekonstruktiven Schul-, Unterrichts- und Professionsforschung an (COMBE & HELSPER 1994; GARZ & RAVEN 2015; OEVERMANN 2000; REICHERTZ 2004; SOEFFNER 1989; WERNET 2009). Als Auswertungsmethode kommt die Sequenzanalyse nach der objektiven Hermeneutik zum Einsatz, um "aus der detaillierten, unvoreingenommenen, nicht von vornherein selektiv verfahrenden Betrachtung eines Einzelereignisses (...) dessen allgemeine Struktureigenschaften zu erschließen" (OEVERMANN 2000, S.117). Ziel der Rekonstruktion der vorwiegend sprachlichen Interaktionen im Rollenspiel ist die Entwicklung einer Fallstrukturgeneralisierung, bei der es sich weder um eine
"Generalisierung im Sinne der quantitativen Forschung handelt, also um den Schluss von einer Stichprobe auf die Grundgesamtheit (...), noch um eine einfache Fallbeschreibung (im Sinne einer verkürzten Nacherzählung des vorliegenden Materials durch den Forscher). Fallrekonstruktionen im Sinne der Objektiven Hermeneutik beanspruchen einen anderen Status: Verallgemeinert werden hier Strukturen, die sich nach und nach in einem sequentiellen Ablauf, d.h. in der Öffnung und Schließung einer Lebenspraxis, ergeben haben" (GARZ & RAVEN 2015, S.152). [18]
So können Fälle in ihrer je spezifischen Ausdrucksgestalt rekonstruiert, aber zugleich auch allgemeine Strukturmerkmale des Kommunikationszusammenhangs von Rollenspiel und pädagogischer Einflussnahme entwickelt werden. [19]
Die Rekonstruktion der Rollenspielsituation "Die Reise nach Amerika" wird im Folgenden ausführlich in zwei Schritten dargestellt und zu zwei Fallstrukturhypothesen verdichtet. Die erste Hypothese beinhaltet Aussagen zu Strukturmomenten kindlichen Rollenspiels, die zweite Hypothese nimmt Kennzeichen der Beeinflussung selbstläufiger Rollenspielinteraktionen in den Blick. Da mit diesen beiden Perspektiven auch der Grad der Eigenständigkeit der Rollenspielinteraktion gegenüber dem institutionellen Hintergrund des Kindergartens in den Blick kommt, hier als Einfluss der Lehrperson auf das Interaktionssystem, das die Kinder aufgebaut haben, werden auch begriffliche Instrumente der Systemtheorie und ihrer Anwendung auf Interaktionssysteme heuristisch genutzt (KIESERLING 1999). Die Analyse der Interaktion und die daran entwickelten Fallstrukturhypothesen werden im Anschluss noch zusätzlich anhand von performativen bzw. dramatologischen Funktionen der Szene, an sozialtheoretische Beobachtungsinstrumente zur Performanz von sozialer Interaktion anschließend, reformuliert (ALEXANDER, GIESEN & MAST 2006). Diese Funktionen sind bislang in der Forschung zum Rollenspiel noch nicht angewandt worden und zeigen sich hier als sehr relevant, da die kindliche Aufführung des fiktiven Kontextes auf sie angewiesen ist. [20]
4. Die Reise nach Amerika: Aufbruch und Unterbruch4)
Die folgende Rollenspielsequenz ereignete sich während des Freispiels. Vier Kinder (Nuria, Sibil, Lars und Tim5)) spielten gemeinsam. Wir folgen dem Transkript sequenziell durch die für die Fragestellung relevanten Interaktionssequenzen. Entsprechend werden notwendige Auslassungen vermerkt. Wir beginnen bei Minute 01:25 des Freispiels, wo sich die Interaktion nach anderen Tätigkeiten neu verdichtet. Ausgehend von den manifesten Protokolläußerungen rekonstruieren wir die jeweils fundierende Strukturlogik, die wir zu Fallstrukturhypothesen verdichten. [21]
4.1 Die Selbstläufigkeit des kindlichen Rollenspiels
Zeit |
Interakt |
Beobachtungen |
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Tim nimmt einen Stuhl, stellt ihn neben den Stuhl, auf dem Lars sitzt. Anderes hinzukommendes Kind wird ignoriert. |
01:25 |
Lars: (?)6) mir wäret [wir wären]7) mit em Flügi (?) mit em Flugzüg [22] |
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Kontextfrei ermöglicht die konjunktivische Form "wir wären" zwei unterschiedliche Lesarten. Zum einen kann "wären" hier das Hauptverb sein und bezeichnet damit die Imagination eines Zustands. Bildet "wären" aber das Nebenverb und geht man davon aus, dass das Hauptverb fehlt, handelt es sich mit Konjunktiv II um die Form des Irrealis ("wir wären pünktlich gewesen, hätte der Bus nicht Verspätung gehabt" – Plusquamperfekt) und damit die sprachliche Kennzeichnung dessen, was möglich gewesen wäre, aber retrospektiv gerade nicht stattgefunden hat. Auch wenn formal die beiden Lesarten offen gehalten werden müssen, markiert die sprachliche Form kontextimmanent "wir wären" die Imaginativität der Situation. Mit wenigen Worten wird ein neuer Spielkontext konstituiert, eine Rolle übernommen und ein Definitionsanspruch für den neuen Plot erhoben. Die veränderte räumliche Anordnung der Stühle hat die Einführung des Spielkontextes möglicherweise unterstützt. [23]
Der Vorschlag wird dann ohne Widerspruch performativ aufgegriffen, denn Sibil und Nuria stellen anschließend ebenfalls Stühle hinter die Stühle der beiden Jungen. Nuria übernimmt dann (hier nicht dargestellt) die Rolle der Katze und bekommt einen Platz auf dem Boden hinter der zweiten Stuhlreihe zugewiesen.
Zeit |
Interakt |
Beobachtungen |
02.07 |
Tim: du (?) autogfahre [Auto gefahren] |
Lars macht mit einem Kartonsteuerrad Steuerbewegungen |
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Nuria: Wir müsset Chleider eipacke [Kleider einpacken] [24] |
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Tim konzeptualisiert die Situation hier anders als zuvor von Lars etabliert. Die Differenz bezieht sich zum einen auf das verwendete Verkehrsmittel. Zum anderen könnte sich das "Auto gefahren" sowohl um einen nachvollziehenden Kommentar eines neutralen Beobachters als auch um die imaginative Konstituierung eines Spielkontextes handeln. Die Aktivitäten der Kinder, die im zeitlichen Zusammenhang mit den sprachlichen Äußerungen der beiden Jungen stehen (Stühle umstellen und besetzen, Steuerbewegungen mit dem Kartonsteuerrad), verweisen jedoch darauf, dass die Äußerungen spielbezogene Aktivitäten begleiten bzw. initiieren und damit die Lesart "Imagination" stärken. [25]
Lars hat also demzufolge die Situation des Sitzens im Flugzeug im Spiel angedeutet ("wäret mit em Flügi"). Nun werden Lars Steuerbewegungen aber von Tim (evtl. auch als Missverständnis) mit einer Autofahrt (wahrscheinlich zum Flughafen) assoziiert – einer in der Spielhandlung dann bereits stattgefundenen oder gerade stattfindenden Autofahrt. Diese Deutung durch Tim wird dann wesentlich später als Fahrt zum Flughafen explizit wieder von den Kindern aufgegriffen werden (Lars: "Jetzt fahren wir – komm (...) Sonst verpassen wir noch den Flüge" [08.18]). Der Unterschied der Deutungen (noch im Auto oder schon im Flugzeug) wird aber weder hier noch später in der Situation direkt von den Kindern explizit thematisiert. [26]
Dies führt zu einer ersten tentativen Interpretation bezüglich Strukturmomenten des Rollenspiels: Das Spiel erweist sich bezüglich Differenzen der Rahmung als bemerkenswert "elastisch". Sofern die Kinder das grundlegende Thema einer gemeinsamen Reise als "roten Faden" beibehalten können, gelingt es ihnen, mit den Unschärfen der Handlung umzugehen und gemeinsam in einer mehr oder weniger geteilten Deutung der gemeinsamen Szene weiter zu improvisieren bzw. Skripts und Erfahrungen auszuagieren und auszuprobieren. [27]
Diese Elastizität – oder Ambiguitätstoleranz – der Kinder wird auch in der oben dargestellten Folgesequenz erprobt: Es kommt nach der Vorverlegung der Handlung in das Auto statt ins Flugzeug noch eine weitergehende Verzögerung ins Spiel: "Wir müsset Chleider eipacke" [02.07] ist, dem Wörtlichkeitsprinzip folgend, Ausdruck einer verbindlichen Setzung für ein Kollektiv. Nuria übernimmt an dieser Stelle also den sprichwörtlichen Lead in der Gestaltung des Spielkontextes, der der Reiseidee folgt und zugleich ein realistisches und vorsorgendes Moment einführt. Die Kompromisslosigkeit des "müsset" ist bezüglich der Fragestellung des Beitrags interessant, denn Nuria artikuliert ja weder Frage noch Vorschlag, sondern eine Setzung mit Aufforderungscharakter. Wie wird daran angeschlossen?
Zeit |
Interakt |
Beobachtungen |
Zeitgleich |
Tim: Ok, du kansch fahren |
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02.39 |
Sibil: Warten, warten (...) mir sind, mir sind ned fertig, mir müsset no (?) Sibil: (Müsset ned säge – müsset cho) |
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02.42 |
Tim: Du kasch mit der Katze schpiele da |
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02.43 |
Lars: Nä-ä – ich geh nach Hause |
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Nuria: MAU, mau, mau, mau |
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(...) |
(Intermezzo mit der Beobachterin) |
03.32 |
Lars: Ich brauche meine Schlafschuhe, die sind im K o fer (Sibil: Warte Katze) |
Lars geht in die Familienecke8) und packt Schuhe ein. Sibil und Nuria folgen ihm. Sibil legt Tücher zusammen. |
03.36 |
Tim: (?) die Täsche [Tasche], (Name eines Kindes) du brauchsch de (?) au di
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Tim geht zu Lars in die Familienecke. Beide Jungen laufen in der Familienecke herum.
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Sibil: Mir bruuchet au Chleider |
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Nuria: Mau, mau, mau |
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03.41 |
Tim: Mir bruuchet en (?) |
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03.45 |
Lars: Und noch meine S c h l a f schuhe (meine schönen neuen?) |
Lars nimmt Stöckelschuhe auf. [28] |
Zunächst steht Tims Deutung der Spielsituation ("kansch fahren") der vorigen von Nuria ("Wir müsset Chleider eipacke") entgegen: Ihre vorgängige Setzung wird von Tim ignoriert oder er hat sie beim eigenen Sprechen nicht gehört. Sibil versucht das Losfahren aber wieder zu bremsen und nimmt dabei wahrscheinlich Nurias Faden wieder auf: Sie versucht, der Kofferpackversion des Spielverlaufs Geltung zu verschaffen; dies mittels einer Metakommunikation ("Warten, warten (...) mir sind, mir sind ned fertig, mir müsset no"), die als innerhalb ihrer Rolle oder auch außerhalb der Rolle geäußert verstanden werden kann – spricht Sibil oder ihre Rolle im Spiel? Implizite und explizite Metakommunikation sind hier nicht unterscheidbar. Tim scheint sie daraufhin auf "ihren Platz" verweisen zu wollen ("Du kasch mit der Katze schpiele da"), vielleicht um dadurch ihre Deutungshoheit als Regisseurin, die sie mit der Metakommunikation beansprucht hat, performativ zu unterminieren, und um seiner Losfahrlosung doch noch zum Durchbruch zu verhelfen, vielleicht auch nur, weil er ihre Wendung der Handlung nicht nachvollziehen kann. Möglicherweise wendet sich Tim hier aber auch an Lars statt an Nuria, oder dieser versteht es möglicherweise so. Mit der darauffolgenden Äußerung von Lars ("Nä-ä – ich geh nach Hause") steht das Spiel am Scheideweg. Lars ist nicht einverstanden mit dem gegenwärtigen Lauf der Dinge und droht mit einem – rollenförmig vorgetragenen – Abbruch der Gesamtszene. Begleitet wird dies mit dem "Mau, mau, mau" der Katze, die als solche die Szene und ihre Kohärenz zu begleiten und zu stabilisieren scheint. [29]
Nach einem kurzen Intermezzo Nurias mit der Beobachterin hat Lars offenbar wieder eine neue Haltung zum Spielverlauf gefunden. Er gibt seinen Protest gegen die aktuelle Handlungswendung auf und schlägt nun selbst – wieder rollenförmig und implizit – das Skript des Kofferpackens vor. Die anderen schließen sich an – inklusive Tim, der zuvor für das Skript "Losfahren" plädiert hatte. Es entwickelt sich dann eine Dynamik, in der es allerlei mitzunehmen gilt, und die gemeinsam sprachlich beschworen wird (mehrfach "mir bruuchet", "du brauchsch"). [30]
In der Folge werden (oben nur teilweise dargestellt) neben "T-Shirts" (Tücher), "Kleider", "Schlafschuhe" (umgedeutete Stöckelschuhe), eine Frühstückstüte (Kottüte "für de Hund, wenn‘s muess Gaggi mache" [05.38]) und andere Requisiten von allen vier Kindern aus der "Familienecke" geholt und mit bestimmten Bedeutungen versehen, alles jedoch im imaginierten Horizont einer Reise, deren Vorbereitung aktuell stattfindet. [31]
Das handlungsorientierende Einlassen auf das Packen geschieht nach Lars oben dargestellter erneuter Zuwendung zum Spiel ("Ich brauche meine Schlafschuhe, die sind im K o fer") wie zu Beginn bei der Initiation der Szene ("wäret mit em Flügi") ohne weitere explizite Auseinandersetzungen. Man könnte diese Struktur als eine Performanz des allgemeinen "stillschweigenden Umschwenkens" – bei gleichzeitiger Kontinuität des Themas Reise – kennzeichnen. Bei den ebenfalls jeweils umschwenkenden Deutungen, ob es sich bei dem genutzten Vehikel um ein Auto oder ein Flugzeug handelt, kann man auch von einem für die Szene funktionalen Aushalten bzw. Latenthalten der Beteiligten von nebeneinanderliegenden Deutungen im geteilten kommunikativen Kontext sprechen, solange sie nicht den weiteren Verlauf stören, sodass im Rollenspiel ein Mit- und Nebeneinander von Deutungen existieren kann. [32]
Der Spielverlauf ist selbstläufig, gegenseitige inhaltliche Bezugnahmen der Kinder untereinander halten das Spiel "am Laufen". Ein weiteres auffälliges Merkmal des Rollenspiels und der dazu verwendeten Requisiten ist deren "Semi-Realität": Die Gegenstände werden imaginativ zu etwas angereichert und gedanklich weiterentwickelt, das im Spiel eine Bedeutung hat. Die Handlungszüge orientieren sich an der gemeinsamen Idee einer Reise nach Amerika, ohne dass realiter zu beachtende Details eines solchen Unterfangens oder z.B. Fragen der Vollständigkeit beim Packen (Zahnbürste, Tickets, Pässe, etc.) thematisch würden. Die Situation lässt sich als gemeinsame Performanz des Packens kennzeichnen, in der das Packen selbst aus dem Erfahrungshintergrund der Kinder die aufregendere Aktivität darstellt als die Frage nach dem "Was". Entsprechend assoziativ und eklektisch (im Sinne einer Auswahl aus Vorhandenem), aber nicht eklektizistisch (im Sinne von wahllos) werden die Utensilien gewählt und mit den subjektiv relevant erscheinenden Bedeutungen versehen. [33]
Zwischenbilanz:
Betrachtet man den bisherigen Spielverlauf, so zeigt sich eine bemerkenswerte Strukturlogik, wie die Kinder in einem offensichtlich gemeinsam geteilten Spielsetting aufeinander Bezug nehmen. Im Sinne einer Fallstrukturhypothese zum Rollenspiel im Kindergarten kennzeichnen wir diese Bezugnahme als eine "intuitiv stattfindende lose Koppelung von Nebeneinander und Miteinander". Die Bezugnahme kommt oft ohne explizite metakommunikative Abstimmung aus, ermöglicht die Artikulation eigener Positionierungen, die sich sozial geschmeidig und inhaltlich plausibel aneinander anschließen, und sie ermöglicht es, zeitweise nebeneinanderliegende Deutungen im gemeinsamen kommunikativen System des Spiels aus- bzw. latentzuhalten, ohne dass Regeln geklärt oder ausgehandelt werden müssten. [34]
Diese Strukturlogik als Hypothese zugrunde legend wäre Verschiedenes empirisch zu prüfen:
Zeigen sich andere Rollenspielsituationen als vergleichbar strukturiert?
Wie stellen Kinder solche Spielkontexte interaktiv her – unter Zuhilfenahme welcher Repertoires und Mittel – und grenzen sie von dem Bereich außerhalb des Spiels ab?
Ist die Initiierung eines solchen Kontextes auf Momente der Führung, Regie oder ähnliche Funktionen seitens der Kinder selbst angewiesen?
Wie "elastisch" ist die lose Koppelung, bzw. welche Momente führen aus den Reihen der Mitspielenden oder Spielexterner zum Ende der spielthematischen Bezugnahme? [35]
4.2 Kennzeichen der Beeinflussung durch die Lehrperson
Die folgenden Sequenzen werden hier nicht alle im Detail dargestellt, da der Fokus sich nun auf die Interaktion mit der Lehrerin und die Frage richtet, wie die Rollenspielinteraktion auf deren beabsichtigte Begleitung reagiert bzw. inwiefern sich hier eine asymmetrische Struktur in der Interaktion zwischen Kindern und Lehrerin zeigt.
Zeit |
Interakt |
Beobachtungen |
05:44 |
Lars: (Bruuchet mir?) suscht no öppis [Brauchen wir sonst noch etwas?] |
Fahrer wirft das Kartonlenkrad als Frisbee herum. Lehrperson (LP) sieht das und kommt dazu |
05:45 |
LP 1: Ihr gönd [geht] mit dem Bus oder mit em Auto oder mit em Flugzüg? |
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05:50 |
Tim: (?) Flugzüg |
Nuria, Sibil, Tim und Lars gehen zum "Auto" |
05:52 |
LP 1: Oh, oh aber du muesch emfal [dann/in diesem Fall] de Chatz [Katze] es Chäfig [Käfig] mache. |
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06:00 |
LP 1: Wenn du ein Kind im Auto ine isch, ist das gefährlich ohne Sitz (?) wenn d'Polizei chunnt [kommt] (?) (?) (?). |
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06:05 |
LP 1: Mit eme Tuech zum Biispiel. Oder, oder weisch was, chumm ich zeig dir (?) lueg [schau] jetze [36] |
|
Die Beobachtung der Nutzung des "Lenkrads" als Frisbee weist wieder auf den gebrochenen Charakter der Wirklichkeit im Rollenspiel hin: Lars kann innerhalb des Rollenspiels den Modus des "Packens" aufrechterhalten ("Bruuchet mir suscht noch öppis?") und zugleich das Utensil, das bereits als Lenkrad definiert und genutzt worden war, nun ganz anders und ohne klare thematische Verbindung zur Szene des Packens als Frisbee benutzen, ohne dass das Rollenspiel dadurch besonders gefährdet wird. Vielleicht langweilt ihn die Szene des Packens inzwischen, und er sucht einen spannenden Ausgleich "neben" der Szene in Form des Bewegungsspiels mit der Frisbee-Scheibe. [37]
Die Beobachtungsnotiz bei 05:44 legt nahe, dass die Lehrerin hier nicht zufällig zum Spiel hinzukommt, sondern um auf das von ihr beobachtete Geschehen zu reagieren. Ob sie damit die ihr ggf. gefährlich oder leichtsinnig erscheinende Nutzung des Kartonutensils zu unterbinden versucht oder eine Grenzüberschreitung bezüglich akzeptabler Formen der Ordnung des Unterrichts (RÖHNER 2009) im Kindergarten markiert, ist nicht zu entscheiden. Bemerkenswert in beiden Fällen ist jedoch die Niederschwelligkeit der Intervention, die darin besteht, Präsenz zu zeigen und Aufmerksamkeit zu demonstrieren. "Ihr geht mit dem Bus oder mit dem Auto oder mit dem Flugzeug?" wäre in dieser Lesart eine ablenkende "Bemäntelung" ihres Motivs der (Wieder-) Herstellung von (realer oder vermeintlicher) Sicherheit und Ordnung. Es ist auch möglich, dass sie befürchtet, dass die Szene nicht "weitergeht" (analog zur Ungeduld von Lars und zuvor von Tim) und nun versucht, diese durch ihre Nachfrage wieder in Gang zu bringen. Sie bleibt mit ihrer Äußerung jedoch deutlich außerhalb des eigentlichen Spielrahmens: Es ist nicht identifizierbar, in welcher Spielrolle ihre Frage nach dem benutzten Vehikel als spielkontextintern betrachtet werden könnte. Das benutzte "Ihr geht ..." – nicht "man" oder "wir" gehen – deutet auch auf eine klare Trennung zwischen ihr selbst und den Spielenden hin. Sie kommt uneingeladen zum Spiel.9) Tims Auskunft fällt relativ knapp aus: "(?) Flugzeug". Dieser Anschluss legt keine angezielte intensivere Interaktion mit der Lehrerin nahe, es ist eher die entsprechend knappe Antwort auf die gestellte Informationsfrage mit drei Möglichkeiten, auf einen Raum außerhalb des eigentlichen Spielkontextes gerichtet. Alternativ hätte Tim bzw. hätten die Kinder die Lehrerin auch ignorieren können, was allerdings im Kontext des Kindergartens und bei der selbstverständlich vorgebrachten Art ihrer Frage nicht als sehr wahrscheinlich erscheint. [38]
Betrachtet man das anschließende "oh, oh" der Lehrperson kontextfrei, lässt sich als dominante Lesart die Artikulation von Sorge festhalten in Antizipation einer Gefahr. Es könnte auch Ausdruck eines Erfahrungsvorsprungs sein, der der adressierten Person die Gefahr erst wahrzunehmen hilft. Die Form ist aber zugleich nicht unmittelbar interventionistisch (wie "Stopp!", "komm sofort da runter!" o.Ä.), sondern enthält neben der Selbstkundgabe der Sorge den Appell zu erhöhter Vorsicht (z.B. "halt dich gut fest" als regelgeleitete Anschlussoption). Interessant an der nachfolgenden empirischen Form ist die Differenz zwischen dem zu erwartenden Appell (z.B. "oh, oh, halt die Katze aber gut fest") im Modus der Sorge und dem tatsächlichen Verlauf, der die Form einer Vorschrift hat, die als Bedingung eingeführt wird ("aber du muesch emfal"). [39]
Obwohl auch die Kinder zuvor Modifikationen und Vorbehalte eingeführt haben, die dem Spielverlauf nicht abträglich waren, hat die Intervention der Lehrperson einen anderen Charakter, denn sie entspringt inhaltlich im Vergleich zum bisherigen Semi-Realismus der Kinder einer detailliert realistischeren Erfahrungswelt einer Erwachsenen: keine Autofahrt ohne Käfig für die Katze bzw. ohne Spezialsitz für das Kind. Die nachfolgende Plausibilisierung der Lehrperson – unter Anknüpfung an die Erfahrung des adressierten Kindes mittels der Analogie des Kindersitzes im Auto – erscheint im Vergleich zu den bisherigen spielimmanenten Äußerungen der Kinder in Bezug auf den Grad an Begründungsrationalität spielfremd, da die Lehrerin Argumente explizit geltend macht, was die Kinder bisher im Spiel systematisch – und spielstabilisierend – unterlaufen haben. Bemerkenswert ist auch die Feststellung, dass mit dem Szenario "wenn die Polizei kommt" nicht die Sorge um das Tier- oder Kindeswohl im Fall eines möglichen Unfalls als Begründung herangezogen wird, sondern die Ordnungswidrigkeit und der Regelverstoß thematisch wird, den die Polizei ahnden könnte. [40]
Die Lehrerin unterstützt die Kinder dann darin, wie das Problem mit dem Käfig zu lösen sei. Es ist allerdings die angedachte Lösung eines Problems, das es ohne Einflussnahme von außen gar nicht gegeben hätte. Anschließend zieht sie sich aus der Situation zurück, und die Frage nach dem Käfig wird durch weitere Vorbereitungsaktivitäten wieder unsichtbar. [41]
Nach weiteren drei Minuten der Vorbereitung – wieder ohne Intervention der Lehrerin – ist die Gruppe abfahrbereit, die Frage des Lenkers (Lars) geklärt, das Lenkrad (Kartonscheibe) in der Hand und alle auf ihren "Sitzen".
Zeit |
Interakt |
Beobachtungen |
09:06 |
Tim: (nennt Namen eines Kindes 2mal) Lueg, er fahlt (fehlt) |
|
09:15 |
Lars: Hunderfüfenünzg (?) (195) Tim: Ahh |
Lars macht Fahrgeräusche und lehnt sich mal rechts, mal links hinüber. |
09:40 |
Tim: (ruft 3mal einem Kind von außen zu) (?) |
|
09:43 |
Lars: ((macht Autofahrgeräusche)) |
|
09:48 |
Nuria: Miau |
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09:52 |
Nuria: Mau, mau, mau |
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09:54 |
(Sibil: wir gehen Amerika) Sibil: Amerika juhu [42] |
|
Im imaginierten Fahrzeug fordert Tim mindestens eine weitere Person auf zu schauen, da ein weiteres Kind fehle. Darauf erfolgt kein Anschluss, sondern von Lars die Nennung der Zahl "195". Sie ist nicht als regelgeleiteter Anschluss an die vorherige Aufforderung zu verstehen, wohl aber als spielimmanenter Hinweis auf eine hohe Geschwindigkeit, die mit Fahrgeräuschen und dadurch verstärkt wird, dass sich Lars "kurvenmäßig" nach rechts und links lehnt. Das "Aah" von Tim lässt sich an dieser Stelle semantisch nicht hinreichend bestimmen. In derart voller Fahrt adressiert er aber noch ein Kind außerhalb des Fahrzeuges. Lars simuliert unbeirrt die Autofahrt, Nuria macht sich mehrfach als Kätzchen bemerkbar, und Sibil verleiht ihrer Begeisterung Ausdruck, auf dem Weg nach Amerika zu sein. [43]
Die vorgängigen Strukturmomente bestätigen sich auch an diesen Sequenzen. Die geteilte Idee der Reise verträgt individuelle Bezugnahmen in einem weiten Spektrum. Eine weitere Prüfung der Fallstrukturhypothese zur Logik des selbstläufigen Rollenspiels ermöglicht die nächste, im Spielverlauf riskant erscheinende Aussage von Lars:
Zeit |
Interakt |
Beobachtung |
09:55 |
Lars: Zwei Schtund Stau |
|
09:56 |
Tim: OHH das ischt lang Sibil: ((schreit)) |
Es wird laut. |
10:02 |
Tim: Soll ich mit – soll ich mit – äh mit Kätzli hinte? |
|
10:06 |
Lars: Nei (???) |
|
10:13 |
Sibil: ((schreit)) |
|
10:18 |
Tim: Oh oh lug (schau), jetzt kommt sie... |
Lars steigt vom Fahrersitz, Tim steigt auf den Fahrersitz. Die Katze Nuria steigt aus dem Auto und läuft rum; Sibil steigt nun auch aus |
|
LP 1: Düda Düda Düda Düda Düda Düda Düda Düda [44] |
|
Lars, dem im bisherigen Verlauf mehrfach die Rolle desjenigen zukam, der den Spielverlauf durch inhaltliche Propositionen maßgeblich beeinflusst, führt nun eine weitere Proposition ein: Er bremst die rasante Fahrt bis zum Stillstand. Bemerkenswert ist aber nicht nur der Stau selbst, der ggf. das Ziel Amerika gefährdet oder zumindest unter Zeitdruck setzt, sondern das artikulierte Wissen über die Dauer des Staus von zwei Stunden. Spielimmanent schafft er damit eine unangenehme, aber durchaus im Rahmen der kindlichen Erfahrung vorstellbare Situation. Wie schließen die Kinder daran an? Gedankenexperimentell wäre eine Metakommunikation vorstellbar: "Nee, das ist doof, wir müssen doch an den Flughafen" und damit eine Opposition zum initiierten Spielverlauf, im Versuch, den Plot noch gemeinsam zu ändern, ein vorschnelles "Jetzt löst der Stau sich auf!" oder auch ein: "Das ist mir zu langweilig, da mach ich nicht mehr mit" als Ausstieg aus dem Spiel. [45]
Tatsächlich verzeichnet das Transkript folgenden Anschluss:
Zeit |
Interakt |
09:56 |
Tim: OHH das ischt lang |
|
Sibil: ((schreit)) [46] |
Tim schließt sich inhaltlich kommentierend an die zwei Stunden Stau an und zeigt, dass er über durchaus realistische Vorstellungen zeitlicher Ausdehnung verfügt. Sibil schreit, was auch als inhaltlicher Anschluss an die spielimmanent schlechte Botschaft und lautliche Kommentierung zu interpretieren, letztlich aber unspezifisch ist.
Zeit |
Interakt |
10:02 |
Tim: Soll ich mit – soll ich mit – äh mit Kätzli hinte [47] |
In dieser Aussage kommt zum Ausdruck, dass der Spielkontext trotz des "riskanten Bremsmanövers" intakt ist. Das oben herausgearbeitete "stillschweigende Umschwenken" bei gleichzeitiger Kontinuität des rahmenden Themas der Reise zeigt sich erneut. Tim als Beifahrer fragt, ob er sich hinten um die Katze kümmern solle, was evtl. an eigene Stauerfahrung anschließt – eine Änderung der während der Fahrt fixierten Sitzordnung wird möglich –, auch um die Wartezeit zu überbrücken. Ob Tim hier seine Idee auch mit dem Fahrer Lars abstimmt, ist nicht eindeutig zu entscheiden.
Zeit |
Interakt |
10:06 |
Lars: Nei [nein] [48] |
Die ablehnende Antwort von Lars macht aber wahrscheinlich, dass hier erfahrungsnah der Fahrzeugführer an der Entscheidung des Platzwechsels beteiligt wird.10) [49]
Bereits die vorige Intervention der Lehrperson (s. o.) wurde als ambivalent bezüglich ihres Charakters rekonstruiert. Dem vordergründigen Anschluss an die Spielthematik stand die Dominanz und ein in Richtung Begründungspflicht bzw. überbordender Realitätsanforderung spielmodifizierender Einfluss gegenüber. Der empirische Zusammenhang mit dem erneuten Erscheinen der Lehrerin und dem Schreien von Sibil stärkt die Lesart, dass die Intervention primär dazu dient, die als gefährdet wahrgenommene Ordnung des Kindergartens aufrechtzuerhalten.
Zeit |
Interakt |
10:13 |
Tim oh oh lug [schau], jetzt kommt sie [50] |
Die sprachliche Form des "oh oh" verspricht nichts Gutes; analog zu den gleichen Worten der Lehrerin (05:52) sind sie Ausdruck besorgter Vorahnung bzw. der Erwartung von etwas Unangenehmem, damit auch Ausdruck von Vorerfahrungen. Anders als bei der Lehrerin erfolgt jedoch kein Appell, sondern lediglich die Beschreibung des scheinbar Unausweichlichen. Die Aufmerksamkeit richtet sich auf "sie"; der Sprechakt ist damit eher als Metakommunikation denn als Äußerung im Spielkontext zu kennzeichnen. Die Beobachtungsnotizen zum Transkript zeigen an die Aussage anschließende vielfache Aktivitäten: Lars verlässt den Fahrersitz, Tim steigt auf den Fahrersitz, die Katze Nuria steigt aus dem Auto und läuft herum, Sibil steigt nun auch aus.
Zeit |
Interakt |
10:18 |
LP 1: Düda Düda Düda Düda Düda Düda Düda Düda [51] |
Mit der Sirene des Martinshorns kommt "sie", die Lehrerin, als Polizei zur Interaktion hinzu. Präziser formuliert bringt sich die Lehrerin selbst als Rollenträgerin ins Spiel, wird also nicht von den Kindern ins Spiel gerufen, sondern interveniert als play leader (ENZ & CHRISTIE 1997). Diese Intervention ist mehrdeutig. Vordergründig ist sie zumindest aus Sicht der Lehrperson anschlussfähig an das Reisespiel der Kinder, auf einer zweiten Ebene kommt die Lehrerin durch die physische Approximation an die Spielsphäre und ihre Präsenz als Ordnungshüterin im doppelten Sinne ins Spiel. Die Lehrerin läuft zu Lars, dem ehemaligen Fahrer.
Zeit |
Interakt |
10:27 |
LP 1: So Grüezi – Wo fahret Sie ane [hin]? [52] |
Im Platzwechsel und Verlassen des Fahrzeuges zeigt das "So", dass mit Lars ein Adressat gefunden ist, der nun begrüßt wird. Durchaus rollenkonsistent ("Sie", ohne Höflichkeitsumschreibungen) fragt die "Polizistin" nach dem Ziel der Reise. Doch statt Lars antwortet Tim, der jetzt auf dem Fahrersitz sitzt:
Zeit |
Interakt |
10:33 |
Tim: Zu – Amerika |
10:35 |
LP 1: Ah nach Amerika [53] |
Die Lehrerin korrigiert Tim niederschwellig als Lehrperson durch Wiederholung der richtigen Präposition und zeigt in der Rolle als Polizistin das Verstehen des Reiseziels an.
Zeit |
Interakt |
10:36 |
Lars: Nei – nei mir müend [müssen] zuerst mal zum Flüger, will [weil] das geht schneller. [54] |
Lars widerspricht Tims Aussage, wobei er sie inhaltlich in erster Linie elaboriert und begründet.
Zeit |
Interakt |
10:38 |
LP 1: Das gaht schnäller? [55] |
Die Bedeutung der rückfragenden Paraphrase der Lehrerin erschließt sich nicht, denn dass die Reise nach Amerika mit dem Flugzeug schneller geht, kann nicht ernsthaft infrage gestellt werden. Möglicherweise bringt die Rückfrage der Lehrerin aber die erforderlichen Momente, um das weitere Vorgehen zu überlegen. Lars bestätigt mit "Ja".
Zeit |
Interakt |
10:42 |
LP 1: Uuswiiis bitte, das isch en Geschwindigkeitskontrolle. Dörf ich mal Ihre Uuswiis [Ausweise] gseh [sehen], äh, vom Fahrzüg und Ihre Fahruswiis [Führerschein]. [56] |
Die weitere rollenspielförmige Adressierung der Kinder setzt die Polizeiszenerie fort, erweist sich aber in mehrfacher Hinsicht als nicht mehr anschlussfähig an den Spielverlauf der Kinder selbst: Ist zunächst im Stau eine Geschwindigkeitskontrolle ein irrelevantes Unterfangen, passt auch die Ausweiskontrolle hier nur bedingt. Auch scheint die Frage nach Fahrzeugpapieren und Führerschein unter Rückgriff auf Erwachsenenwissen stark realitätsdetailliert. [57]
Zwischenbilanz:
Bilanziert man die bisherigen Interventionen der Lehrerin als zweite Fallstrukturhypothese, lässt sich die Strukturlogik zunächst als begrenzte Anschlussfähigkeit kennzeichnen. Diese besteht auf mindestens zwei Ebenen:
Differente Rationalitäts- und Realismuslevel: Geht man davon aus, dass ein funktionales (Rollen-) Spiel ein Mindestmaß an gemeinsamem thematischen Rahmen und damit themenspezifischer Rationalität im Verlauf erfordert, um wechselseitige produktive Anschlüsse herzustellen, ist der selbstläufige Verlauf des Spiels der Kinder untereinander durch ein mittleres Level an Rationalität gekennzeichnet, in dem wesentlicher Raum für phantasievolle Umdeutungen bzw. Deutungen, die nebeneinander liegen, besteht. Der Rationalitätslevel der Lehrperson und ihre Vorgaben für einen "realistischen" Verlauf der Szene hingegen übersteigen mit dem Käfig für die Katze, besonders deutlich aber mit dem Fahrausweis das produktive Niveau, indem sie Anschlussoptionen der Kinder reduzieren.
Zieltransformation: Unterstellt man den Fortbestand eines funktionalen Spielablaufs als implizites Ziel der Kinder, wird dieses Ziel von der Lehrperson eigenmächtig erweitert. Ungefragt bringt sie sich ins Spiel und verfolgt eigene Ziele, die eine "Schulförmigkeit" der Rahmung erkennen lassen: Das Ziel der Kinder wird der Logik einer schulischen Ordnung unterworfen, in der eben nicht geschrien oder mit Frisbees geworfen wird. [58]
Pointiert lässt sich die Beeinflussung des Rollenspiels durch die Lehrerin hier als machtförmige Übernahme der Spielthematik im Modus der Disziplinierung kennzeichnen. Die Lehrperson erreicht das Ziel der Ordnung der Szene: Sibil hat zu schreien aufgehört, die Kinder hören der Lehrerin zu. [59]
Wie schließen die Kinder an die Aufforderung der Lehrerin alias Polizistin an? Eine Verweigerung ist gedankenexperimentell im Sinne eines Probehandelns vorstellbar, in der vorliegenden zumindest doppelbödigen Situation in der Institution Kindergarten aber weiterhin eher kritisch. Es bleiben also die Optionen des Mitspielens oder der Subversion.
Zeit |
Interakt |
10:49 |
Tim: Ich han Fahruswiis ((streckt der Lehrperson die Hand hin)) [60] |
Tim spielt also mit, entspricht der Aufforderung der Polizistin und gibt ihr einen (virtuellen) Fahrausweis. Damit wird der Aufforderung inhaltlich Genüge getan, auch der Wille zur Beteiligung am Spiel, das dem inhaltlichen Impuls der Lehrperson folgt, ist damit performativ bekundet.
Zeit |
Interakt |
10:50 |
LP 1: Aber Sie sind ja gar nöd gfahre. [61] |
Die Analyse dieser Interaktion legt eine dritte Ebene der begrenzten Anschlussfähigkeit offen: Die bei den Kindern – wie oben rekonstruiert – bemerkenswert ausgeprägte "Elastizität" bezüglich der Wechsel inhaltlicher Propositionen und personaler Bezugnahmen kommt bei der Lehrperson an eine Grenze. Sie erweist sich noch bezüglich der Nichtmaterialität des Fahrausweises "elastisch", nicht jedoch, dass sie diesen vom falschen Kind bekommt. "Kindgemäß" bzw. spieladäquat wäre es situativ gewesen, den Fahrausweis performativ anzuerkennen, um diese Spielhürde aus dem Weg zu räumen. [62]
Obwohl Tim auf dem Fahrersitz sitzt, bleibt der Fahrerwechsel von Lars und Tim Stein des Anstoßes für die Lehrerin. Tim adressiert daraufhin ein weiteres, nicht zur Vierergruppe gehörendes Kind:
Zeit |
Interakt |
10:54 |
Tim: Ueli, lugg [schau] mal; lugg mal Ueli! |
10:59 |
Lars: Nei, chönntsch ois [könntest du uns] en Fahruswiis mache. [63] |
Die beiden Jungen fordern ein weiteres Kind auf, ihnen einen Fahrausweis herzustellen. Das kann als Ausdruck rekonstruiert werden, in der Situation mitzuspielen, der Aufforderung der Polizistin Folge zu leisten und auch für Lars als ehemaligen Fahrer ein entsprechendes Dokument zu beschaffen. Oder Lars versucht durch die evtl. "realitätsgerechtere" Materialität eines Ausweises, der "gemacht" werden soll, die auch von ihm wahrgenommenen Anforderungen der Lehrerin an Realismus "materiell" zu erfüllen und sie dadurch zufrieden zu stellen. Empirisch finden diese Überlegungen aber keinen Anschluss. [64]
Stattdessen setzt die Lehrperson ihre Intervention fort. Wir stellen die folgenden Sequenzen zunächst im Überblick dar.
Zeit |
Interakt |
Beobachtung |
11:13 |
LP 1: Jetzt tüend Sie wieder anesitze [setzen Sie sich] bitte, das ist eine Geschwindigkeitskontrolle. |
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11:14 |
Tim: Haha |
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11:16 |
LP 1: Sie chönnt jetzt ned eifach uusschtiege [aussteigen]. |
|
|
LP 2: Adieu mitenand |
LP 2 verabschiedet sich und geht. |
11:23 |
Alle Kinder (rufen): Adi ö ö ö |
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11:30 |
LP 1: S i e, würdet Sie jetzt bitte das unterlah [unterlassen]? |
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Tim: (?) |
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LP 1: Das isch en Polizeikontrolle |
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11:36 |
LP 1: Also sitzed Sie wieder ane [hin], da isch Ihre Uswiis wieder zrugg [zurück], da isch Ihre Fahrzüguswiis. [65] |
|
Die Fallstrukturhypothese einer spielkaschierten Disziplinierung erfährt in den Sequenzen wesentliche Unterstützung. Obrigkeitskonformer Gehorsam wird hier vorgeblich "spielerisch" eingefordert, das "Haha" und die von der Lehrerin formulierten Versuche, die Spielenden am "Aussteigen" (aus Auto und Spiel) zu hindern, sind allerdings Indikatoren dafür, dass die gute Miene zum nun deutlich durch die Lehrerin dominierten "Spiel" seine Grenzen hat. [66]
Das selbstläufige Rollenspiel der Kinder ist durch die Intervention der Lehrerin zum Erliegen gekommen. Die inhaltlich intendierten Anschlüsse erweisen sich im freien Spiel als nicht anschlussfähig, sondern führen zu einer Dominanz der Lehrperson und einer Engführung des Spiels. [67]
Aus Platzgründen stellen wir den weiteren Verlauf hier kursorisch dar. Nach den Fahrzeugpapieren führt die Lehrerin in der Rolle als Polizistin die nächste Thematik ein: Geschwindigkeitsübertretung, 60 statt 50 km/h. Die Jungen wollen weglaufen, was die Polizistin nicht zulässt, Lars bittet um Erlaubnis wieder fahren zu dürfen, was die Polizistin ablehnt. Lars versucht eine neue Strategie, indem er der Lehrperson etwas gibt, was diese als Bestechung rahmt und ebenfalls rollenförmig empört ablehnt. Bei der Zeitmarkierung 12:11 zeigt sich die Funktion der Polizistin erneut:
Zeit |
Interakt |
12.11 |
LP1: Jetzt isch de Herr da hinte – jetzt chönnt [können] Sie ned de Platz wächsle. [68] |
Die Polizistin wirkt wieder als "doppelte Ordnungshüterin": Es wird mit der Autorität, die die Amtsperson der Polizistin als Skript innehat, agiert und zugleich außerhalb des Spielrahmens versucht, das Rollenspiel zu "ordnen" bzw. anzuordnen, wer wann wo in der Szene zu sitzen hat. [69]
Im Rahmen der Interaktion taucht dann plötzlich eine Figur aus einem anderen Kindergartenkontext im Rollenspiel auf: aus dem Kinderbuch "Grüffelo".11)
Zeit |
Interakt |
Beobachtung |
12:22 |
LP 1: Wenn ich mich richtig erinnere, heisset Sie Müller, oder? Sitzed Sie jetzt wiader as Stüür [Steuer] |
Lars setzt sich auf den Fahrerstuhl. |
12.25 |
LP 1: Da isch Ihres Stüürrad |
LP 1 gibt Lars das Kartonsteuerrad. |
12.29 |
LP 1: Das isch ja es Durenand [Durcheinander] |
|
12.31 |
LP 1: Sie sind – Sie sind 60 gfahre aber mir döf (darf) nur 50 fahre – do Tim: Ok |
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12.36 |
Sibil: Wir haben da (Grüffelo?) |
|
12.38 |
LP 1: Was händ Sie Grüffelo? |
|
12.40 |
Sibil: Ähm (?) |
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12.43 |
LP 1: Ich känn de – ich känn de Grüffelo ned |
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12.46 |
Sibil: Ok WO ISCH GRÜFFELO FÜR MICH? [70] |
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Während die Lehrerin das "Durcheinander" zu ordnen sucht, wird die Figur des "Grüffelo" von Sibil aufgerufen. Zu welchem Zweck ist hier nicht klar zu erschließen. Jedoch wird diese Nennung des Grüffelo von der Polizistin abgelehnt. Obwohl die Lehrerin die Figur wahrscheinlich kennt, da es eine zurzeit sehr populäre Figur in der Kinderkultur ist und sie deren Namen sofort richtig erfasst, behauptet sie als Polizistin, ihn nicht zu kennen. Dies zeigt für die anderen Kinder implizit metakommunikativ an, dass ein Einbezug der Fantasiefigur Grüffelo für diese Szene von der Lehrerin als nicht "passend" abgelehnt wird. Sibil ist aber nicht einverstanden und beharrt auf ihrem Recht, den Grüffelo für sich zu rufen bzw. zu suchen. Zwei sich offenbar widersprechende Weiterführungen der Rollenspielwelt stehen sich hier gegenüber. [71]
Die Geduld der Kinder ist überstrapaziert, als die Lehrperson dann für die Geschwindigkeitsübertretung eine Buße (schweizerdeutsch für Bußgeld) von fünf Franken verhängt.
Zeit |
Interakt |
Beobachtung |
12:51 |
LP 1: Die Buße müend [müsst] ihr jetzt zahle. |
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Sibil und Tim: GO WEG, GO WEG, GO WEG |
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12:52 |
LP 1: Nei, Sie, nei – nei nei. |
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12:56 |
LP 1: Bliibet [bleiben] Sie jetzt do – foif [fünf] Franke |
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12:59 |
Nuria: Mau Mau |
|
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Tim: Foif? Hundert Millione |
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13:01 |
LP 1: Foif Franke choschtet [kostet] das. |
Tim sitzt mittlerweile am Steuer, Lars auf dem Beifahrersitz. |
13:02 |
Lars: Fahr eifach los, fahr los, los fahr [72] |
|
Die als Chor vorgetragenen Äußerungen von Sibil und Tim nach der Einforderung der Buße durch die Lehrerin/Polizistin kann zugleich innerhalb und außerhalb des Spielkontextes gelesen werden ("GO WEG"). Man kann sie binnenkommunikativ als eigene Flucht vor der Polizistin oder als deren beschwörendes Verscheuchen verstehen oder es explizit metakommunikativ außerhalb des Spielrahmens als Ausdruck des Wunsches der Kinder lesen, die Lehrerin möge doch das Spiel wieder verlassen. [73]
Sie bleibt jedoch im Spielkontext, hält die Kinder auf – innerhalb des Spiels und auch real – und besteht mit "bleiben Sie jetzt da – fünf Franken" auf ihrem Bußgeld. Die folgenden Reaktionen von Nuria und Tim lassen sich lesen als Kurswechsel ins Übermütige/Absurde, v.a. die "Fünf? Hundert Millionen" von Tim. Dies ist geeignet, die Dominanz der Lehrerin durch Übertreibung zu subvertieren, die gesetzten Themen (Bußgeld) für sich anzueignen und zugleich im Spielkontext zu bleiben, was interaktiv im Kontext des gegebenen Spannungsfeldes als erstaunliche adaptive Leistung gesehen werden kann. [74]
Unbeirrt besteht die Lehrerin weiter auf dem exakten Betrag, was den jetzigen Beifahrer veranlasst, evtl. Anschluss an Gangster-Topoi nehmend, mit "Fahr einfach los, fahr los, los fahr" eine Auto-Flucht und evtl. eine Verfolgungsfahrt zu initiieren. Nach 13:13 ("Das hät – das hät no Folge, wenn Sie jetzt eifach abfahred") gibt es eine weitere Wende seitens der Kinder.
13:14 |
Kind von außen: Grüffelo Wäh, Wäh, Wäh |
Kind kommt von außen und vertreibt die LP mit der Grüffelo-Handpuppe. |
13:59 |
LP 1: Ui nei |
LP 1 geht weg; lässt sich von der Grüffelo-Puppe vertreiben. [75] |
Hier nimmt ein offenbar zuvor außerhalb oder am Rande des Spielkontextes stehendes Kind (eine "Zuschauerin" des Rollenspiels?) den zuvor angerufenen Grüffelo wieder auf, nimmt ihn als Figur buchstäblich an die Hand, tritt somit über das Mittel der Puppe in den Spielkontext ein. Sie bestätigt hiermit wiederum die Version der Spielwelt, die zuvor Sibil angeboten bzw. beansprucht hatte, in der der Grüffelo auftauchen darf. Man kann dies als einen Einbruch des Surrealen oder Grotesken kennzeichnen, denn thematisch passt in einer realistischen Vorstellung die behaarte Monsterfigur nicht in das Reise-nach-Amerika-Szenario. Man kann auch davon ausgehen, dass den Kindern dies sehr bewusst ist, da sie nachher wieder an den ursprünglichen Spielkontext anschließen. Es handelt sich um eine virtuos in Szene gesetzte Rettungsaktion in der dramatischen Form des Deus ex Machina, einer plötzlich eintretenden außenstehenden bzw. übernatürlichen Macht, die die Lösung eines Konflikts bewirkt, nachdem bisherige Vertreibungsversuche auf realistischer Ebene scheiterten, da die rollenbezogene Macht der Polizistin und die zugleich durchscheinende Autorität der Lehrperson bisherige Versuche interaktiv "abperlen" lassen konnte. [76]
Nach der Intervention des Grüffelo verlässt die Lehrerin den Spielkontext; jedenfalls äußert sie sich nicht mehr innerhalb von diesem. Sie weist noch ein Kind zurecht, welches bei einem Unfall auf der Strecke – im Spiel – das bespielte Lenkrad durch den realen Raum wirft. Die Kinder kommen im Spiel dann tatsächlich am Flughafen bzw. im Flieger an, wo sich die Szene noch eine Weile hält. Dann wird das Aufräumen der Spielbereiche durch die Lehrerin veranlasst, was das Spiel in dieser Situation beendet. [77]
Die Ausgangsfragen waren: Wie genau grenzt sich ein Bereich des Rollenspiels kommunikativ ab und in welchem Verhältnis steht das begleitende pädagogische Handeln zum eigendynamischen und abgegrenzten Bereich des Rollenspiels? Im Rahmen der ersten Fallstrukturhypothese wurde die Strukturlogik, in welcher Weise die Kinder in einem geteilten Spielsetting im Rollenspiel aufeinander Bezug nehmen, fokussiert. Sie wurde gekennzeichnet als eine intuitiv stattfindende lose Koppelung von Nebeneinander und Miteinander (KIESERLING 1999; LUHMANN 2005). Das Interaktionssystem Rollenspiel ist bei der Konstituierung seiner Wirklichkeit im Besonderen auf diesen Übergang angelegt; es handelt sich um eine Struktur, welche die Unterscheidung von Parallelspiel und impliziter Metakommunikation teilweise unmöglich macht: [78]
Zu Beginn der kindlichen Entwicklung des Sozialspiels, im Parallelspiel, geschieht der gegenseitige Bezug nur indirekt (siehe Abschnitt 2.1) durch gleichartige Materialien, Themen oder Aktivitäten, die durch Imitation übernommen werden. Im nächsten Schritt wird explizit und direkt über die Gegenstände, Rollen und den Verlauf des Spielkontextes verhandelt. Zugleich bleiben die gegenseitige Imitation und die stumme Aktivierung von gleichartigen Handlungen aufgrund des gemeinsamen Materials stets möglich. Am Ende der Entwicklung wird vorwiegend implizit von Metakommunikation Gebrauch gemacht (GIFFIN 1984), was Spielerfahrung voraussetzt, d.h. mitspielen und teilweise mitsteuern, ohne explizite Klärungsbemühungen, ohne den Spielkontext explizit zu verlassen. Auseinandersetzungen um unterschiedliche Deutungsangebote und mögliche Anschlusshandlungen werden so kompetent implizit ausgehandelt. Es ist im Prinzip immer erst im Nachhinein über die vorhandenen oder nicht vorhandenen Anschlüsse in der Handlung und Kommunikation feststellbar, welche gemeinsamen Welten interaktiv gerade erzeugt bzw. aufrechterhalten werden und welche eher nebeneinander existieren. Im Beispiel zeigt sich das besonders deutlich bei der Auseinandersetzung darüber, ob der Grüffelo im Spielkontext vorkommt oder nicht, und im Gegensatz dazu bei den relativ geschmeidigen Anschlüssen der Kinder nach der Themensetzung der Amerika-Reise, nach der impliziten Auseinandersetzung um Losfahren oder zuerst Kofferpacken und bei dem Stau. Das lose und bezugnehmende Neben- und Miteinander bedeutet aber auch, dass das Rollenspiel dadurch sehr anschlussfähig an verschiedene Entwicklungs- bzw. Erfahrungsstände ist. Von indirekten Bezugnahmen über explizite Auseinandersetzungen außerhalb des Spielkontextes bis hin zu impliziter Metakommunikation bleibt für die beteiligten Spielenden alles möglich, was dessen Eignung zur Entwicklung auf jeder Ebene belegt. [79]
Jedes mitspielende Kind kann zugleich entwerfen, was es sagt und spielt, auf was und welche vorigen Rollenhandlungen es reagiert. Es deutet zugleich an, innerhalb welcher Rolle es dies zu tun beansprucht, und es impliziert dabei strukturell, welche Anschlusshandlungen es damit nahelegt. Die Freiheit dieser Entscheidung wird im "Binnenzwang" des gemeinsamen Themas und der Abgrenzung nach außen strukturell eingeschränkt und zugleich ermöglicht (Was macht innerhalb der Handlung Sinn? Auf was werden die anderen wahrscheinlich weiterführend eingehen? Wie komme ich zu dem von mir gewünschten Ablauf? Wie gehe ich mit tonangebenden Mitspielenden um?). [80]
Nicht zuletzt zeigt sich die für eine erfolgreiche Interaktion beim entwickelten Rollenspiel essenzielle Kompetenz des Ignorierens: Um die Grenze nach außen, gegenüber der Umgebung, gegenüber anderen Interaktionen und Irritationen sowie gegenüber nicht gewünschten vorigen Szenendeutungen aufrechtzuerhalten, muss die eigene Aufmerksamkeit gelenkt und die Fähigkeit, nicht auf alle wahrnehmbaren Eindrücke sofort reagieren zu müssen, eingeübt werden, sodass der Spielkontext in der Szene gewahrt bleibt. Im Beispiel wird zu Beginn ein anderes Kind ignoriert, während das Szenario der Reise ins Laufen kommt. Bei der Handhabung dieser eigendynamischen Binnenlogik üben sich die Kinder im Prozess des Rollenspiels und zugleich in Alltagsinteraktion. Dies sind Fähigkeiten, die alle souveränen Mitglieder in einer Kultur benötigen, um den sozialen Kontexten, in denen sie sich bewegen, anschlussfähige und auch eigene Wendungen zu geben. Beim Eingreifen der Lehrperson, als implizites Ignorieren nicht hilft, muss explizit ins Spiel Integrierbares aus der Intervention der Lehrerin durch die Kinder herausgefiltert und eingehegt werden, um das Spiel am Laufen zu halten. [81]
Insgesamt lässt sich für die kommunikative Binnenstruktur des Rollenspiels schließen, dass die Herausforderungen im Umgang sowohl mit dem Binnenzwang als auch mit verarbeitbaren äußeren Irritationen zu dessen wesentlichen strukturellen Vorteilen als Interaktionsform für die Entwicklung der Kinder gehören, die dabei sowohl spielen als auch kompetent zu interagieren lernen. Die herausgearbeitete Struktur des Rollenspiels stellt sich als eigendynamischer Prozess dar, als Übergang vom Parallelspiel (mehrere Spielwelten, in denen evtl. ähnliche Themen bearbeitet werden, aber keine erkennbare direkte gegenseitige Bezugnahme stattfindet) über die explizite Konstitution der gemeinsamen Welt im direkten Bezug bis hin zum gemeinsam und implizit aufrechterhaltenen Bezugsrahmen im komplexen, entwickelten Rollenspiel. Diese Struktur bewegt sich zwischen Improvisation auf Basis von mehr oder weniger bekannten Skriptabläufen und Rollenrepertoires, loser Kopplung einzelner Handlungsanschlüsse und der Notwendigkeit, die Spielgrenzen gegenüber äußeren Irritationen aufrechtzuerhalten, indem die Irritationen ignoriert oder u.a. mittels angewandter dramatologischer Funktionen produktiv im Spielkontext integriert werden.12) [82]
Welche Mittel sind bei dieser Struktur von Bedeutung? Nicht zuletzt werden die dramatologischen und performativen Funktionen der Aufführung einer sozialen Szene und ihr Zusammenspiel dabei geübt (Drehbuchautor*in, Regisseur*in, Chor, Schauspieler*in, Zuschauer*in, Bereitsteller*in von Utensilien etc.). Im Folgenden sollen diese Elemente der Szene nochmals gesondert betrachtet werden: Kinder übernehmen beim Rollenspielen verschiedene Funktionen und Elemente des dramatischen Aufbaus der Szene. Neben dem ganz offenbar notwendigen Schauspielern der Rollen ist das u.a. die funktionale Rolle des Drehbuchschreibens: Der erste Impuls für eine Themensetzung bzw. einen Themenwechsel ("mir wäret mit em Flügi") wird von Lars gesetzt, andere Kinder schließen daran an, halten sich an ein – durch eigene Erfahrung bzw. Medienrezeption – erwartbares Skript und erweitern bzw. variieren dieses teilweise (Koffer packen). Solche performativen Funktionen (ALEXANDER et al. 2006; FISCHER-LICHTE 2004) sind für das Rollenspiel konstitutiv, gerade durch dessen fragile Positionierung in der Alltagswirklichkeit der Erwachsenen, gegen die es abgegrenzt werden muss, speziell in der sozialen Situation des "wirklich" ablaufenden Kindergartens drum herum, welcher eigenen Gesetzen folgt. [83]
Die zweite Fallstrukturhypothese, bezogen auf die Intervention der Lehrperson im Beispiel, gekennzeichnet als Übernahme der Spielthematik mit dem Ziel der Disziplinierung, hat sich im Verlauf der Analyse bestätigt. Zwar hat die Lehrerin thematisch an die Reise angeschlossen, jedoch wird die Selbstläufigkeit und Eigendynamik der Szene bei dem Versuch, eine Vorstellung von (Ruhe und) Ordnung im Spielkontext einzubringen, größtenteils geopfert. Entgegen offensichtlicher Versuche der Kinder, von dieser versuchten Engführung wegzukommen, beharrt die Lehrerin auf einem starren weiteren Ablauf. Sie übernimmt uneingeladen die Leitungsfunktionen des Spielkontextes, wobei dies nicht in der Rolle als stage manager (äußere Bereitstellerin von Ressourcen) oder co-player, sondern als play leader (ENZ & CHRISTIE 1997) aus einer per se dominanten Rolle als Polizistin geschieht. Dadurch nimmt sie zusätzlich zu ihrer realen Autorität als Lehrerin im Spiel die Autorität als staatliche Ordnungsmacht ein. In der Analyse haben wir hier insbesondere die Gefahren der Rolle der Lehrperson als play leader von innen (a.a.O.) aufgezeigt. [84]
Analysiert man den Verlauf vor dem Hintergrund einer normativen Folie "gelingender Spielbegleitung", erscheint er als tragisch: Die mit der Tragik zumeist verbundene Hybris, in diesem Falle die Hybris der Lehrerin, besteht 1. in deren Annahme, sie wisse und müsse wissen, was gerade gespielt wird, 2. in ihrer Annahme, ebenfalls stets zu wissen, wie das Spiel "eigentlich" gespielt werden sollte und 3. in der Annahme, man könne durch ein engführendes Eingreifen dafür sorgen, dass es zu einem vermeintlich besseren Spiel kommt. Das Opfer dieser Annahmen ist aber die Selbstläufigkeit des Spiels. Opfer müssen hierbei auch die Kinder bringen, die im Erproben der Eigenständigkeit ihrer Welterzeugung autoritär unterbrochen werden. Das Autoritäre des Zugriffs verlängert sich nicht zufällig aus der Rolle der Kindergartenlehrerin in die Rolle der Polizistin. Es scheint eine angezielte Ordnung der Situation offenbar als Zweck an sich auf, der schwerer als der oben genannte, im Kindergarten tradierte Nichteingreifstandard zu wiegen scheint. Die Lehrerin benutzt die Rolle der Polizistin im Spiel, um spielexterne – und dem Spiel abträgliche – Ziele umzusetzen. Dass sie dies sicher in bester Absicht tut, ändert an der Tragik nichts. [85]
Die Deutung eines tragischen Verlaufs muss im Folgenden durch einen gegenläufigen Aspekt kontrastiert und erweitert werden. Zwar wirken die Kinder irritiert durch den Auftritt der Polizistin. Wie gehen sie jedoch damit um? Man könnte mit Recht sagen: Sie verhalten sich – teilweise – höchst angepasst und zugleich kreativ. Es sind folgende Strategien zu beobachten:
Die Kinder versuchen durch kurzzeitige symbolische Anpassung die autoritäre Irritation in das Spiel einzubauen und sie zugleich dadurch zu minimieren (sie geben der Polizistin imaginäre Ausweise, um der Anforderung Genüge zu tun). Man könnte auch sagen: Sie geben dem Staat, was des Staates ist, um anschließend ihrem eigenen Skript folgen zu können.
Sie signalisieren der Lehrerin metakommunikativ, dass sie die Einmischung nicht goutieren ("GO WEG").
Sie wechseln episodenweise das Genre, um den Spielrahmen aufrechtzuhalten und zugleich der von der Lehrerin dominierten Szene zu entkommen, z.B. als Kriminalhandlung ("Fahr einfach los. Fahr los!"). Die Kinder drehen die Szene auch ins Groteske, um die Autorität und scheinbare Angemessenheit des Polizistinnenhandelns zu subvertieren ("Foif? Hundert Millione"). Am Ende wird sogar übernatürliche Hilfe eingebaut, was ebenfalls einen kurzzeitigen Genrebruch ins Fantastische bedeutet (Grüffelo).
Die Kinder nutzen dramatologische Rahmungskompetenz. Wie die in die Szene tretende Lehrerin von den Kindern zu Beginn antizipiert und kommentiert wird ("Oh oh, jetzt kommt sie"), zeigt den Willen und die Kompetenz einiger Kinder, die Irritation vorwegnehmend produktiv einzuhegen. [86]
Der letztgenannte Sprechakt erzeugt eine distanzierende und deutlich nachfühlbare Komik: Die Rolle des Bösewichts wird der Lehrerin bzw. ihrer Rolle zugewiesen. Die Kinder bearbeiten so das Problem sehr geschickt: Sie erleichtern sich in einem ästhetischen Abstand von der drohenden Figur – ein Akt dramatischer Sublimation innerhalb des Rollenspiels, der dessen Repertoires gerade im Angesicht der Bedrohung kompetent einübt bzw. anwendet. Diese Anrufung könnte man auch als Ausdruck der dramatologischen Funktion des Chores der Szene beschreiben: Der Chor ist gerichtet an imaginäre und real anwesende Zuschauer*innen (PFALLER 2002). Die Stimmung der Szene – von der Bedrohung bis hin zur komisch wirkenden Einhegung der Bedrohung – wird hier für die Mitspielenden und für potenziell Zuschauende gesetzt und die eigene Rolle dabei stabilisiert. Die Figur der Polizistin ändert ihre Wirkung innerhalb der Szene durch die oben genannten Strategien, sie wird – von den Kindern! – unterschiedlich dramatisch eingerahmt: Sie changiert zwischen einer über der Szene schwebenden unheimlichen Bedrohung ("Oh oh lug, jetzt kommt sie"), der man durch eine Art Beschwörung zu entgehen versucht ("GO WEG"), einer ernst zu nehmenden Rolle, der man Ausweise aushändigen muss, einer lächerlichen Figur ("Foif? Hundert Millione"), und schließlich zurück zu einer unheimlichen oder lästigen Macht, derer man sich nur durch eine übernatürlich mächtige Figur entledigen kann (Grüffelo). [87]
Es lässt sich beobachten, dass die Lehrerin gerade durch den Versuch der Engführung und Disziplinierung kreative Ausbrüche und Anpassungen erzeugt.13) Bei diesem positiven Aspekt der allgemeinen Fallstruktur (Übernahme der Spielthematik mit dem Ziel der Disziplinierung) bestimmen die Kinder ihr Reich des Spiels gerade in der Not doch mehr als zunächst sichtbar wurde, und der "Bösewicht" wird wie in der Struktur der Komödie (FRYE 1957) auf eine bestimmte Art und Weise teilweise lächerlich gemacht, eingehegt und überwunden. [88]
Wenn man auf diese Weise auf das kompetente Spielen der Kinder mehr als auf den teilweise nicht-funktionalen Eingriff der Lehrerin abstellt, ändert sich allerdings nichts daran, dass am Punkt höchster Engführung die Kinder die Kontrolle dennoch verloren haben, evtl. am deutlichsten in dem Moment, als beim Versuch des sich Wegstehlens eines Kindes aus der Szene dieses sich Entfernen von der Lehrerin – mehr als von der Polizistin – unbeirrbar verweigert wird. Hier verliert das Spiel seinen Charakter als Spiel sehr deutlich. [89]
Die genannten zwei Aspekte der Fallstruktur beantworten auch die im Verlauf gestellte Frage nach der Elastizität der losen Kopplung bei der gegenseitigen Bezugnahme und des gemeinsamen Gegenstandbezugs im Rollenspiel. Wenn eine mitspielende Person versucht, mit teilweise außerhalb bzw. am Rande des Spielkontextes liegenden Mitteln über die Macht der reinen performativen Kompetenz hinaus den Verlauf zu beeinflussen, so ist das nicht unbedingt als sofortige Korruption des Spiels zu werten. Beispiele hierfür wären Andeutungen von körperlicher Dominanz, Verhandeln mittels implizierter Zu- oder Abneigung, Drohungen oder Versprechen. Beim Drehbuchautor, Regisseur und Schauspieler Lars findet sich im Fall zum Beispiel auch seine implizierte Drohung des Nach-Hause-Gehens [02.43]. Solange aber die Binnendetermination, d.h. die innere Abgrenzung des Spiels, nicht zum Erliegen kommt und sich eine gewisse innere Unabhängigkeit des Verlaufs behauptet – auch anhand neuer äußerer Themen, die selektiv angeeignet und im Inneren des Rollenspiels bearbeitet werden –, bleibt das Spiel im Fluss. [90]
Im hier vorliegenden Fall wurde diese Elastizität der Eigendynamik und des Binnenzwangs des Rollenspiels aufgezeigt und auch die Grenze dieser Belastbarkeit, als das Spiel in seiner Selbstläufigkeit zum Erliegen kommt. Die unangemessene Nutzung der eigenen Dominanz der Lehrerin, die auch in ihrer Position außerhalb des Spiels begründet ist, wird weniger spielerfahrene Kinder schon früher zur "Aufgabe" des Spiels zwingen, da im Umgang mit stark eingreifenden Impulsen hohe Spielkompetenzen erforderlich sind, um den Spielkontext als solchen aufrechtzuerhalten und einen Eingriff ignorieren oder sogar produktiv verarbeiten zu können. Unterschiedliche Kinder sind unterschiedlich erfahren darin, mit solchen Irritationen kompetent umzugehen. Man wird hier am besten begrifflich von einer scharfen Grenze ausgehen: Einzelne Spielende fallen an einem Punkt aus dem Spielkontext, wenn sie ohne weitere Distanzierungsmöglichkeit fremdbestimmt werden. Eine gewisse Wahlmöglichkeit (HAUSER 2013) gehört zu den definierenden Merkmalen des Spiels. Im diskutierten Fall ermöglicht der autoritäre Zugriff einerseits unbeabsichtigt kreative Anpassungsleistungen, aber er bewirkt auch, spätestens beim Versuch der Kinder, aus dem Spiel zu fliehen, ein solches Herausfallen von Kindern aus dem Spielkontext. [91]
Die Rekonstruktion der Interventionen der Lehrperson verweist jenseits der Fallspezifik auf eine Reihe allgemeiner Merkmale. Die pädagogisch intendierte Beeinflussung laufender Rollenspiele steht vor einer Reihe von Herausforderungen. Erwachsene sind dabei vermeintlich Anschließende an einen Spielkontext, den sie nicht initiiert haben, und zugleich vermittels ihrer anderen Rollen auch mögliche Initiant*innen einer hidden agenda (ZINNECKER 1975), die wenig überraschend eine institutionelle Agenda (hier: der Ordnung) ist. Obwohl empirisch weiter zu untersuchen, kann die Hypothese formuliert werden, dass die Intervention Erwachsener in ein solches Rollenspiel regelmäßig eine andere Qualität der Umformung bzw. Überformung des Spielverlaufs mit sich bringt als noch so riskante inhaltliche Propositionen durch Gleichaltrige. Ein gleichrangiges Mitspielen im Modus der rekonstruierten "losen Kopplung" scheint damit schwierig, wenn auch nicht ausgeschlossen. Es scheitert im vorliegenden Fall an inkommensurablen Realitätsfigurationen, der eigenmächtigen Zieltransformation der Lehrperson und an deren mangelnder Bereitschaft oder Fähigkeit, eine zumindest ähnlich hoch ausgeprägte Ambiguitätstoleranz wie die Kinder bezüglich des Verlaufs ins Spiel zu bringen. [92]
Rückgebunden an die Frage der agency von Kindern im Kindergarten lässt sich zunächst feststellen, dass die Ordnung dieser Institution Asymmetrien in der Kommunikation nicht ausschließt, d.h. systematisch auch nicht ausschließen kann. Der konstitutive Verweisungszusammenhang der sich bildenden bzw. dabei unterstellten Eigenständigkeit des Kindes und die gleichzeitige kindliche Angewiesenheit auf Unterstützung gehören zur grundlegenden Situierung des pädagogischen Auftrages. Doch je nachdem, ob und wie eigenständige Freiräume für Kinder durch Lehrpersonen – in der Einrichtung allgemein und insbesondere im Spiel – angeboten bzw. anerkannt werden, wird Handlungsfähigkeit für Kinder begrenzt bzw. unterstützt. Die Möglichkeiten der Selbstbildung zeigen sich im hier behandelten Bereich des Rollenspiels in der relativen und prekären Freiheit zwischen Selbstbestimmung und -begrenzung innerhalb der Gruppe der Spielenden und dem mehr oder weniger angebotenen oder auch zwingend nahe gelegten Anschluss an Deutungen der Lehrperson. Gerade beim Rollenspiel kann interaktive agency nicht nur als Voraussetzung, sondern auch als Ergebnis positiver Interaktionserfahrungen gelten (RAITHELHUBER 2012). Nur wenn Lehrpersonen die naheliegenden Asymmetrien bei dieser Kommunikation bewusst werden, können sie versuchen, den Kindern performativ zu signalisieren, dass sie selbst höchstens als ranggleiche Spielende mitmachen, nicht als Lehrpersonen, was sich als sehr anspruchsvoll und fragil darstellt. [93]
Die in Abschnitt 2.2 beschriebene Unterscheidung nach unterschiedlich starken "Graden des Eingreifens" in das Spiel in der Praxis des Kindergartens – zwischen einer Annahme der steten Förderungsbedürftigkeit der Spielenden und einem absoluten "Nichteingreifstandard" – stellt sich insofern als teilweise aporetisch dar: Es ist weniger die Frage, wie "stark" oder "schwach" man ins Spiel "eingreift", da die "Stärke" der Einwirkung nur durch mögliche produktive Anschlusshandlungen der Kinder "von innen" bestimmt wird. Es ist viel eher die Frage, wie pädagogisch Tätige – die strukturell notwendige, innere Abgrenzung der Rollenspielwirklichkeit von der Kindergartenwirklichkeit (aner-) kennend – die eigenen Handlungen so gestalten, dass sie von den Beteiligten des Rollenspiels entweder produktiv aufgegriffen oder auch – ebenfalls für das Spiel produktiv – ignoriert werden können. [94]
Die Verabschiedung der Lehrperson 2 im Beispiel oben [11:16ff] zeigt, dass z.B. eine minimale Unterbrechung ganz außerhalb des Spielkontextes ohne Weiteres bei der Wiederaufnahme des Spiels ignoriert werden kann; es wurde auch keine Beeinflussung angezielt. Das Fallbeispiel zeigt insgesamt auch, dass das pädagogische Handeln sich im Rahmen des Spielkontextes für die anderen Beteiligten durchaus als teilweise widerständig oder herausfordernd darstellen kann im Sinne einer produktiven Irritation, im Unterschied zu dominant oder engführend. Das würde bedeuten, dass vor eine mögliche eigene Beteiligung der Lehrperson stets ein Verstehen des Spielgeschehens geschaltet werden müsste. Es würde bedeuten, dass eine Passung der eigenen Beteiligung zu den Themen des Spielgeschehens angezielt sein müsste. Und es würde bedeuten, dass man nicht die Autorität als Lehrperson benutzt, um den eigenen Vorstellungen im Spielgeschehen Geltung zu verschaffen. Nicht zuletzt würde es bedeuten, dass eine Lehrperson sich ähnlicher performativ-dramatologischer Mittel bedienen können sollte wie die Kinder, um, diese ausspielend, die eigenen Akte verarbeitbar und ggf. sogar förderlich zu gestalten. Man müsste mitspielen können. [95]
Anhang: angepasste Transkriptionsregeln (nach HOFFMANN-RIEM 1984)
(?) |
unverständlich / Handlung nicht gesehen |
(Ja ?) |
nicht mehr genau verständlich, vermuteter Wortlaut |
HALLO |
laut gesprochene Worte |
s i c h e r |
gedehntes Sprechen |
[Durcheinander] |
Erläuterung der deutsch-schweizerischen Mundart |
((Ereignis)) |
nicht sprachliche Handlung bzw. Begleithandlungen, die in linker Tabellenspalte dargestellt sind, z. Bsp. ((schweigen)) ((zeigt auf Bild)) |
(...) |
Auslassung |
Ich will es haben! Nein! |
Zeitgleiches Sprechen direkt in der Zeile darunter |
1) Da der Kindergarten in der Schweiz in fast allen Kantonen für zwei Jahre obligatorisch und zudem formal Teil der Volksschule ist, ist der Begriff der (Kindergarten-) Lehrperson üblich. <zurück>
2) Zu Unterscheidungen und Entwicklungsformen siehe auch ELKONIN (2010). <zurück>
3) Als Freispiel werden im deutschschweizerischen Kindergarten regelmäßig wiederkehrende Zeiträume bezeichnet, in denen die Kinder relativ hohe Freiheitsgrade bezüglich der sozialen Kontakte und der Nutzung von Gegenständen haben. <zurück>
4) Schweizerischer Mundartbegriff für: Unterbrechung, Stopp. <zurück>
5) Die Namen sind anonymisiert. Das Transkript stammt von Coni GIANOLA, der wir an dieser Stelle herzlich danken. <zurück>
6) Die Notation wird im Anhang erläutert. <zurück>
7) Mundartbegriffe, die nicht unmittelbar verständlich sind, werden in den Tabellen in Klammern jeweils in Standardsprache "übersetzt". Für Zitate im Text in Klammern verwenden wir der Genauigkeit des Ausdrucks wegen weiter die schweizerische Mundart. <zurück>
8) Deutschschweizerische Kindergärten haben zumeist eine Reihe von thematisch präformierten "Ecken" wie die "Bauecke", "Baby-Ecke" usw.; in diesem Fall die "Familienecke", in der Kinder Requisiten des Familienalltags wie Kleider, Schuhe, Geschirr, aber auch Reinigungsutensilien o.Ä. finden. <zurück>
9) Insofern könnte dies (subsumptionslogisch) als empirische Form des oben genannten Begleitungsmodus des "Spieltutorings", und zwar von außerhalb des Spiels, identifiziert werden. <zurück>
10) Man könnte hier zu Recht in dem semantischen Umfeld von Aufbruch, Reise und Stau die latenten Themen von Autonomisierung, Schutz, Begrenzung, Überschreiten und Setzen von Grenzen im Kontext des Erlernens von Regeln sehen. Diese kindliche Themenverarbeitung wäre allein schon eine genauere Analyse wert. Unser Fokus richtet sich jedoch weniger auf latente Sinngehalte dieser Art, sondern auf die "latente" Struktur der Rollenspielkommunikation als solche (wie stimmen Kinder gemeinsame Themen ab, wie grenzen sie ihre jeweiligen Deutungsmöglichkeiten sinnvoll ab), auch im Hinblick auf den hier im Weiteren interessierenden Zugriff der Lehrperson. <zurück>
11) In der Geschichte geht es um ein erfundenes Ungeheuer, das wider Erwarten Wirklichkeit wird und einer kleinen Maus hilft, andere gefährliche Tiere abzuwehren (SCHEFFLER & DONALDSON 2018 [1999]). <zurück>
12) Methodologisch interessant ist die Erkenntnis, dass die Prinzipien der objektiven Hermeneutik bei der Analyse von kindlichen Rollenspielinteraktionen produktiv an ihre Grenzen gebracht werden mussten, da die jeweiligen Anschlüsse gerade bei der losen Kopplung des Rollenspiels sich als breiter Korridor von Möglichkeiten erweisen, der dennoch erkennbare Strukturen aufweist. <zurück>
13) Zu ethnografischen Beschreibungen kindlichen Eigensinns bei der spielerischen Aneignung von durch Erwachsene geplanten Lernumgebungen siehe auch PANITZ (2014). <zurück>
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Streit, Christine; Künzli David, Christine & Hildebrandt, Elke (2016). Initiating the learning processes at the preschool and lower primary level: Challenges and possibilities. South African Journal of Childhood Education, 5(3), 1-7.
Weißhaupt, Mark & Campana, Sabine (2014). Spielbewusstsein und Bildung beim sozialen Spiel. In Elke Hildebrandt, Markus Peschel & Mark Weißhaupt (Hrsg.), Lernen zwischen freiem und instruiertem Tätigsein (S.43-66). Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt.
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Zinnecker, Jürgen (1975). Der heimliche Lehrplan: Untersuchungen zum Schulunterricht. Weinheim: Beltz.
Zur Autorin und zu den Autoren
Mark WEISSHAUPT ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Professur für Unterrichts- und Schulkulturen an der Pädagogischen Hochschule FHNW und Verantwortlicher der Lernwerkstatt SPIEL. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Spiel in Gesellschaft und Bildung, Interaktion und Identitätswandel in Spiellernprozessen sowie Rollen- und Generationenforschung.
Kontakt:
Mark Weißhaupt
Pädagogische Hochschule FHNW, IKU
Lernwerkstatt SPIEL
Bahnhofstrasse 6
CH-5210 Windisch
E-Mail: mark.weisshaupt@fhnw.ch
URL: https://www.fhnw.ch/de/personen/mark-weisshaupt
Elke HILDEBRANDT ist Leiterin der Professur für Unterrichts- und Schulkulturen an der Pädagogischen Hochschule FHNW. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Partizipation im Unterricht, Teamteaching, Bedeutung des Spielens und spielpädagogischen Handelns für Bildungsprozesse, Schulleitungshandeln in seiner Bedeutung für Professionalisierungsprozesse von Lehrpersonen.
Kontakt:
Elke Hildebrandt
Pädagogische Hochschule FHNW
Institut Kindergarten-/ Unterstufe
Bahnhofstrasse 6
CH-5210 Windisch
E-Mail: elke.hildebrandt@fhnw.ch
URL: https://www.fhnw.ch/de/personen/elke-hildebrandt
Tobias LEONHARD leitet die Professur für Berufspraktische Studien und Professionalisierung am Institut Kindergarten-/Unterstufe der Pädagogischen Hochschule FHNW. Arbeitsschwerpunkte sind qualitativ-rekonstruktive Methoden, berufspraktische Studien sowie die Professionalisierungsforschung.
Kontakt:
Tobias Leonhard
Pädagogische Hochschule FHNW
Institut Kindergarten-/ Unterstufe
Obere Sternengasse 7
CH-4502 Solothurn
E-Mail: tobias.leonhard@fhnw.ch
URL: https://www.fhnw.ch/de/personen/tobias-leonhard
Weißhaupt, Mark; Hildebrandt, Elke & Leonhard, Tobias (2019). Wenn die Lehrperson ins Spiel kommt. Das kindliche Rollenspiel und dessen Beeinflussung als soziale Praxis des Kindergartens [95 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 20(2), Art. 9, http://dx.doi.org/10.17169/fqs-20.2.3055.