Volume 20, No. 2, Art. 12 – Mai 2019
"Wenn Ihnen der liebe Gott zwei Zehntelsekunden oder das 'Mhm' schenken würde, dann könnten Sie die Welt verändern"
Stephan Wolff im Gespräch mit René Salomon
Zusammenfassung: Stephan WOLFF zeichnet in diesem Interview die Entwicklung seines eigenen theoretischen und methodischen Vorgehens und akademischen Werdegangs nach. Dabei wird deutlich, dass es WOLFF gelungen ist, die Ethnomethodologie als eine äußerst gewinnbringende, aber eben auch flexible Haltung zu betrachten. Dies ermöglichte ihm, auf verschiedene sozial- und gesellschaftstheoretische Angebote zurückzugreifen und diese durch eine ethnomethodologische Grundhaltung so zu operationalisieren, dass sie ethnografische Studien in verschiedensten Feldern informieren konnten. Stephan WOLFF schaffte es dadurch wie kaum ein anderer deutscher Soziologe, den ethnomethodologischen Ansatz für andere Fachdisziplinen fruchtbar zu machen und in diese hineinzutragen. Das Interview bietet einen Einblick in die Situation der bundesrepublikanischen geisteswissenschaftlichen Theorie- und Forschungslandschaft seit den 1970er Jahren und zeichnet detailliert die Rezeptionsgeschichte der Ethnomethodologie nach. Dabei wird deutlich, wie schwerfällig die deutsche Soziologie auf die Ethnomethodologie reagierte und wie sehr eine Rezeptionsgeschichte von dem Engagement einzelner Personen abhängen kann.
Keywords: Organisationswissenschaft; Ethnomethodologie; empirische Sozialforschung; Konversationsanalyse; Dienstleistungsorganisationen; Ethnografie; Praxis
Inhaltsverzeichnis
1. "Es war aus heutiger Sicht eigentlich ein Nebelzusammenhang"
2. "Hat das Material gegen Sie eine Chance?"
3. "Manche Forscher*innen meinen, sie seien so wichtig"
4. "Die Kommunikation macht irgendetwas mit uns, und hin und wieder dürfen wir mitspielen, vorausgesetzt, wir erwischen gerade einen Slot"
5. "Sozusagen eine soziologische Wut "
6. "Gekonnte Selbstbeschränkungen"
7. "Gezielt Situationen sammeln"
Über Stephan WOLFF
Stephan WOLFF, geb. 1947, studierte von 1967 bis 1973 Soziologie und Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Dort promovierte er 1975 zum Dr. phil und habilitierte 1982 im Fach Soziologie. Von 1984 bis 2013 war er Professor am Institut für Sozial- und Organisationspädagogik an der Universität Hildesheim. Darüber hinaus war er Gastprofessor bzw. Lehrbeauftragter an den Universitäten in München, Wien und Zürich. Seine Forschungs- und Lehrschwerpunkte liegen in der angewandten Organisationswissenschaft, den Methoden und Strategien der empirischen Sozialforschung, der Evaluation und Organisationsdiagnose, der Theorie und Praxis sozialer Dienstleistungsorganisationen und der institutionellen Kommunikation. Aktuell forscht er zu Netzwerken in der Kunst. [1]
Über das Interview
Das knapp zweieinhalbstündige Interview fand am 12. Juni 2017 auf der heimischen Terrasse Stephan WOLFFs in Garmisch-Partenkirchen statt. Es ist Teil der von Dominik GERST, Hannes KRÄMER und René SALOMON herausgegebenen Schwerpunktausgabe "Harold Garfinkel and the Studies in Ethnomethodology".1) Das Interview wurde nach dem persönlichen Gespräch via E-Mail-Austausch mehrmals überarbeitet. Der vorliegende Text stellt die finale und im April 2019 durch Stephan WOLFF autorisierte Fassung dar. [2]
1. "Es war aus heutiger Sicht eigentlich ein Nebelzusammenhang"
René SALOMON: Wann sind Ihnen das erste Mal die "Studies in Ethnomethodology" (im Folgenden auch Studies) (GARFINKEL 1967) bzw. Harold GARFINKEL oder die Ethnomethodologie (EM) begegnet?
Stephan WOLFF: Das muss ungefähr 1971 gewesen sein. LUHMANN2), über dessen Demokratieverständnis ich meine soziologische Magisterarbeit verfasst hatte, zitierte die "Studies of the Routine Grounds of Everyday Activities" (GARFINKEL 1964) verschiedentlich. GOFFMAN3), dessen Arbeiten mich bereits im Studium gefesselt hatten, bezog sich insbesondere in "Relations in Public" (1971a) mehrfach und zustimmend auf GARFINKEL und SACKS4). Nicht nur meine Rezeption wurde dadurch behindert, dass es wenige genuine ethnomethodologische Arbeiten in veröffentlichter Form gab. Stattdessen war vieles und darunter manches Irreführende über die EM und deren richtige Einordnung zu lesen. Man las damals weniger von den Ethnomethodolog*innen selbst als von den Vorstellungen anderer darüber, was die EM eigentlich (nicht) sei. Auch Autor*innen, die erklärtermaßen der EM nahestanden, trugen zu entsprechenden Irritationen bei. Nicht zuletzt waren GARFINKEL und seine Mitstreiter*innen außerordentlich sparsam mit Erklärungen und Erläuterungen. Selbst wohlmeinende Nachfragen wurden in fast schon provozierender Weise abgebügelt. Auch und gerade die ambitionierteren deutschen Rezeptionsversuche wie die der ARBEITSGRUPPE BIELEFELDER SOZIOLOGEN5) (ABS) (1973) litten darunter, dass sie eher eigensinnige Zugänge zur EM präsentierten. Das hat sich später bei der Rezeption der Konversationsanalyse (KA) in Deutschland in der Tendenz wiederholt, bezüglich derer sich Jürgen STREECK6) (1983) zu einem energischen "Reparaturversuch" herausgefordert sah. Es war aus heutiger Sicht eigentlich ein ziemlicher Nebelzusammenhang. [3]
René SALOMON: Wo waren Sie in diesem Nebel?
Stephan WOLFF: Ehrlich gesagt, mittendrin. Ich hatte Soziologie und Psychologie studiert und dann in Zwei-Jahres-Abständen den Magister, das Diplom und schließlich die Promotion gemacht. Die soziologische Magisterarbeit behandelte systemtheoretische Demokratiekonzepte. Das bedeutete vor allem eine intensive Auseinandersetzung mit LUHMANNs frühen Arbeiten. In der psychologischen Diplomarbeit wollte ich Perspektiven für eine sozialpsychologische Emotionsforschung entwickeln. Ich hatte mich dabei insbesondere auf die kognitive Emotionstheorie sowie auf die denkpsychologische Komplexitätstheorie bezogen, und diese dann mit einschlägigen symbolisch-interaktionistischen Arbeiten – insbesondere mit Howard BECKERs7) Marihuana-Studie (1963) in Verbindung gebracht. Dabei spielte am Rande auch GARFINKELs "Studies of Routine Ground of Everyday Activities" (1964) eine Rolle. GOFFMANs Arbeiten waren mir, wie gesagt, bereits im Studium zu guten Freunden geworden. Weniger gute Freunde, aber unvermeidbare Pflichtlektüren waren für einen 68er die damals angesagten Staatstheorien und MARX8)-Lektüren. Natürlich kam ich als progressiver Soziologiestudent auch nicht um den Positivismusstreit9) und später die HABERMAS-LUHMANN-Kontroverse10) herum, wobei mein anfängliches Faible für Jürgen HABERMAS11) und seine für mich in vielerlei Hinsicht öffnenden Positionen später durch LUHMANNs nüchterne und ernüchternde Einwände zunehmend irritiert wurde. In HABERMAS' Band "Zur Logik der Sozialwissenschaften" (1982 [1967]) hatte ich überhaupt die ersten Hinweise auf GARFINKEL und vor allem auf CICOUREL12) gelesen. HABERMAS sorgte bekanntlich dafür, dass CICOURELs "Methode und Messung in der Soziologie" (1970 [1964]) in der Suhrkamp-Theorie-Reihe veröffentlicht wurde. Mit diesem vielfältigen und zum Teil disparaten theoretisch-konzeptuellen Ballast machte ich mich an meine Dissertation, die wesentlich über die EM ging bzw. gehen sollte. Der Text war im Frühjahr 1975 fertig und wurde 1976 unter dem Titel "Der rhetorische Charakter sozialer Ordnung. Selbstverständlichkeit als soziales Problem" (WOLFF 1976a) veröffentlicht. Weil ich versuchte, möglichst viel von meinem gerade mühsam erarbeiteten theoretischen Repertoire einzubringen, verbaute ich mir selbst ein wenig den Blick auf die EM und verstärkte somit den angesprochenen Nebel zusätzlich. Es bestand damals eine Rezeptionslandschaft, in die sich verschiedene Akteur*innen ganz unterschiedlich hineinbewegt haben. Nur bei wenigen ging das wirklich geradlinig. Darin bestand zum Beispiel ein großer Unterschied zwischen mir und Jörg BERGMANN13), der auch zu einer Diskussionsgruppe zur Zeit der Arbeit an meiner Doktorarbeit gehörte. Er hat etwa zur gleichen Zeit seine psychologische Diplomarbeit über GARFINKEL verfasst: eine entschieden immanente, aber äußerst reflektierte, stringente und heute immer noch gültige, wenn auch leider unveröffentlichte Rezeption der Studies (BERGMANN 1974). Jörg hatte GARFINKEL wirklich gelesen, sich nicht nur über ihn erkundigt. Er ging dann 1975 selbst nach Amerika, allerdings nicht zu GARFINKEL, obwohl er mit ihm Kontakt hatte, sondern zu Emanuel SCHEGLOFF14). Auch dort hat er sich wieder auf die Sache selbst eingelassen und kam als beinharter Konversationsanalytiker gestählt und gut gebräunt zurück. Äußerlich damit einem Baywatch-Darsteller ähnlich, konnte er sehr ungehalten werden, wenn man irgendwelche theoretische Einordnungen ohne Grundierung im empirischen Material versuchte. So weit war ich damals noch lange nicht, zumal mir eine eigene USA-Erfahrung fehlte. Ein weiteres Problem der Rezeption der EM bestand darin, dass man nicht recht wusste, wo die einzelnen Leute innerhalb des EM-Kosmos stehen. 1973 hatte MULLINS15) die EM als eine hoch kohärente, sich nur langsam differenzierende Sekte vorgestellt. Meines Erachtens war diese Sekte aber doch recht eigenartig. [4]
René SALOMON: Inwiefern?
Stephan WOLFF: Nehmen sie zum Beispiel Peter McHUGH16). Er war Student von GARFINKEL gewesen und hatte bei ihm eine Untersuchung über fiktive Therapiegespräche gemacht, in denen die Klienten*innen mit zufällig verteilten Ja-Nein-Antworten auf ihre Fragen konfrontiert wurden, sich aber dennoch spontan ein Verständnis der Intentionen des Therapeuten und des Sinns seiner Antworten interpretativ erarbeiteten (McHUGH 1968). Wenige Jahre später tauchte McHUGH als Mitglied der sogenannten Analysis-Gruppe wieder auf, die eher Spät-WITTGENSTEINianisch17) ausgerichtet war und aus dieser Warte ihrerseits eine analytische Rekonstruktion der EM versuchte (McHUGH, RAFFEL, FOSS & BLUM 1974), die auch mich kurzzeitig faszinierte, die aber, wie die ausbleibende Reaktion zeigte, auf wenig Gegenliebe bei gestandenen Ethnomethodolog*innen stieß. Oder denken Sie an Aaron V. CICOUREL, der nach seiner klassisch-ethnomethodologischen Ethnografie "The Social Organization of Juvenile Justice" (1968) eine recht eigene "Cognitive Sociology" (1973) entwickelte und sich dabei – gefühlt zumindest – mehr auf kognitive Psychologen und auf CHOMSKY18) als auf GARFINKEL bezog. Das gefiel natürlich meinem Psychologen-Ich, weshalb ich zumindest kurzfristig die "Cognitive Sociology" als zukunftsweisende Weiterentwicklung der EM empfunden habe, zumal ich von CICOUREL als Person fasziniert war, nachdem ich ihm bei Jürgen HABERMAS begegnet war. [5]
René SALOMON: Wie kam es zu dem Treffen bei HABERMAS?
Stephan WOLFF: In Starnberg gab es seit 1970 das Max-Planck-Institut zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaftlich-technischem Welt, dem der Physiker Carl Friedrich von WEIZSÄCKER19) vorstand. Jürgen HABERMAS war 1971 Co-Direktor geworden. Das war für uns Münchner Soziolog*innen großartig, weil dort interessante Leute aus allen Herren Ländern eingeladen wurden und Vorträge hielten. Hauptsächlich Amerikaner*innen, die im Sommer nichts zu tun hatten bzw. kein Geld verdienten, kamen hier vorbei. Darunter eben auch CICOUREL, der meines Wissens geradewegs aus Spanien anreiste, wo er über Gemeinschaften sephardischer Juden forschte. Es muss 1975 oder 1976 gewesen sein. Ich erinnere mich kaum an CICOURELs eigentlichen Vortrag. Nie vergessen werde ich aber die folgende Diskussion. Es hagelte Einwände von Gertrud NUNNER-WINKLER und Rainer DÖBERT20), die am Institut gemeinsam die Sozialisationsforschung vertraten. Die beiden waren die schnellsten Sprecher*innen, die ich je in meinem Leben erlebt habe – egal ob in Deutsch oder Englisch. Nach der ersten Salve ihrer Kritik stellte sich CICOUREL leicht zurückgelehnt und lächelnd hin und sagte "come on, push me a little bit further". Wie Clint EASTWOOD21) stand er da. Großartig! [6]
René SALOMON: Wann haben Sie dann die Studies das erste Mal gelesen?
Stephan WOLFF: Ich habe die Studies schätzungsweise 1972 zu Lesen begonnen. Es gab Teile, die übersetzt waren, wenn auch leider eher missverständlich, wie die "Studies of Routine Grounds" in dem von Heinz STEINERT22) herausgegebenen Sammelband "Symbolische Interaktion" (1973). Der ethnomethodologische Jargon war also nicht nur für mich zunächst kaum zu entziffern. Aus der Rückschau gesehen, bin ich bei meinem Versuch einer theoretischen Rezeption dieses Buches und der EM zeitweise auf ziemliche Abwege geraten. Um mich besser zurechtzufinden, war es fhilfreich, dass ich damals an bestimmten Praxisfeldern interessiert und zum Teil dort auch tätig war, über die Ethnomethodolog*innen gearbeitet hatten. Das betraf vor allem den Strafvollzug und die (Sozial-) Psychiatrie. GARFINKELs Krisenexperimente schärften den Blick für die Bedingungen und Bewältigungsformen von interaktiven Extremsituationen innerhalb und außerhalb solcher Einrichtungen. Nicht zufällig galt mein erster publizierter Aufsatz dem Versuch, mit der Hilfe der EM ein Konzept für die Krisenintervention, also für den professionellen Umgang mit Menschen in akuten Lebenskrisen zu entwickeln (WOLFF 1976b). Auf diesem Umweg über die Praxis war es leichter, sich dem Kern der EM zu nähern, als noch in der Dissertation. Augenöffner im doppelten Sinne zur Praxis – das betraf Heime und Sozialverwaltungen – wie zur EM waren für mich damals auch noch die Doktorarbeiten von Lawrence WIEDER23) (1974) und Don ZIMMERMAN24) (1966). [7]
René SALOMON: Können Sie noch ein wenig ausführen, wie sich zu der Zeit, als Sie angefangen haben, mit der EM zu arbeiten, die Rezeption der EM innerhalb der deutschen Soziologie gestaltet hat?
Stephan WOLFF: Es gab recht wenige, die sich überhaupt speziell für dieses Thema interessierten, obwohl damals das interpretative Paradigma durchaus eine gewisse Konjunktur hatte. Den ersten und für lange Zeit maßgeblichen Einordnungsversuch starteten Fritz SCHÜTZE25) und die anderen Mitglieder der ABS, die die EM aber auf eine sehr spezielle Weise – nämlich grundlagentheoretisch – rezipierten. Der von den Bielefelder Soziologen vorgestellte wissenssoziologische Ansatz hatte aus heutiger Sicht nur sehr am Rande etwas mit der Praxis und dem Selbstverständnis der EM zu tun. Ungeachtet der verdienstvollen Sammelbände von WEINGARTEN, SACK und SCHENKEIN (1976) sowie HAMMERICH und KLEIN (1978) gab es bis zu der Studie von Christa und Thomas FENGLER (1980) keine genuin praktische Umsetzung des ethnomethodologischen Forschungsprogramms im deutschsprachigen Raum. Den wenigen später erschienenen Überblicksdarstellungen und Kritiken, wie z.B. denjenigen von PATZELT (1987) oder EICKELPASCH und LEHMANN (1983), merkte man an, dass ihnen das Gefühl für das Besondere der EM fehlte. Ein solches Gefühl ist schon deshalb wichtig, weil die EM im Kern keine Theorie oder gar eine Methode ist, sondern eine Forschungshaltung, ein heuristischer Habitus, der sich vor allem durch eine bestimmte analytische Mentalität im Umgang mit empirischen Gegenständen und Daten auszeichnet (SCHENKEIN 1978). Die Rezeption litt darunter, dass nur wenige hierzulande Zugang zu aktueller ethnomethodologischer Forschung in den USA (und später in GB) hatten und diese zum größten Teil aus unveröffentlichten Papieren bestand. Meine Quelle war Jörg BERGMANN, dem ich viele Fotokopien einschlägiger Manuskripte, vor allem konversationsanalytischer Aufsätze und Dissertationen, verdanke. [8]
René SALOMON: Gab es denn so etwas wie eine kritische Haltung gegenüber der EM? In den USA gab es den Sektenvorwurf. GARFINKEL selbst hat überlegt, ob er sein Programm überhaupt als Soziologie bezeichnen soll – hat sich damals hier Ähnliches abgespielt?
Stephan WOLFF: In eher bescheidenem Ausmaß, ja. Die hiesige Kritik machte sich insbesondere an einer moralischen (Fehl-) Interpretation des Prinzips der ethnomethodologischen Indifferenz fest – beispielsweise bei KOECK (1976). Die Sektenthese von MULLINS (1973) war 1981, als die deutsche Übersetzung erschien, eigentlich schon obsolet, wenn man sich nur einmal das Auseinanderdriften der Positionen von Leuten wie GARFINKEL, CICOUREL und SCHEGLOFF ansieht. Die ebenfalls unter manchen Kommentator*innen beliebte These, dass die EM im Grunde eine Happening-Soziologie sei (so GOULDNER 1974 [1970]), gleichsam eine sociology of marihuana smokers (so DREITZEL 1970, S.x), war analytisch dann doch zu platt, um Eindruck zu machen. Bis Ende der 1970er Jahre gab es hierzulande praktisch keine empirischen Arbeiten, für die das Attribut ethnomethodologisch bzw. konversationsanalytisch angemessen gewesen wäre. Es gab zwei Leute im Starnberger Max-Plank-Institut, mit denen ich damals viel darüber gesprochen habe. Das waren Edith KIRSCH und Manfred AUWÄRTER26), die bei HABERMAS als Assistent*in arbeiteten und selbst zusammen mit Klaus SCHRÖTER27) einen wichtigen Reader zur Interaktionsforschung herausgegeben hatten (AUWÄRTER, KIRSCH & SCHRÖTER 1976), der allerdings nur einen – wenngleich für mich sehr wichtigen – ethnomethodologisch-konversationstheoretischen Aufsatz enthielt, nämlich Roy TURNERs28) Arbeit über "Einige formale Eigenschaften des therapeutischen Gesprächs" (TURNER 1976). AUWÄRTER und KIRSCH waren nach einer für sie harten Frankfurter Zeit mit der objektivem Hermeneutik29) unter OEVERMANNs30) Regime gleichsam zur Rehabilitation nach Starnberg gewechselt und von daher offen für neue Anregungen. [9]
2. "Hat das Material gegen Sie eine Chance?"
René SALOMON: Sie hatten ja schon gesagt, für Sie ist die EM keine Theorie, sondern eher eine bestimmte Haltung. Wie lehrt man denn EM, wenn das keine Theorie ist?
Stephan WOLFF: Ich muss vorausschicken: Nach meiner Promotion habe ich fünf Jahre im Münchner DFG-Sonderforschungsbereich 101 "Theoretische Grundlagen sozialwissenschaftlicher Berufs- und Arbeitskräfteforschung" gearbeitet.31) Ich kam in ein Teilprojekt, das sich mit Bürokratieforschung, Professionalität und der Neuordnung des öffentlichen Dienstes beschäftigte. Das hieß für mich, dass ich mich in die Organisations- und Verwaltungssoziologie einarbeiten und die weitere Beschäftigung mit der EM zunächst hintanstellen musste. Staatstheoretisch geschult hatten wir damals noch die Idee der Ableitung im Kopf, d.h., der soziologische Ehrgeiz ging dahin, die Grundstrukturen der kapitalistischen Gesellschaft mit den spezifischen Ausprägungen bürokratischer Organisation und mit der interaktiven Ebene organisatorischen Handelns bis hin zur Interaktion mit dem Publikum in einen großen konzeptuellen Zusammenhang zu bringen. Unsere Mehrebenen-Analyse (TREUTNER, WOLFF & BONẞ 1978) zeitigte möglicherweise interessante, aber nicht wirklich überzeugende Ergebnisse. Der ethnomethodologischen Sache bin ich allerdings insoweit verbunden geblieben, als ich gleichsam, um bei meinen theoretischen Höhenflügen nicht ganz die Bodenhaftung zu verlieren, als Lehrbeauftragter am Soziologischen Institut eine Übung zur EM anbot. Daraus resultierten einige Qualifizierungsarbeiten und zwei Veröffentlichungen. Zusammen mit Studierenden entstand eine Studie zu institutionellen Entscheidungsverfahren, die in der Zeitschrift Soziale Welt (WOLFF, CONFURIUS, HELLER & LAU 1977) erschien. Es dürfte dies einer der ersten konversationsanalytischen Aufsätze in Deutschland gewesen sein. Wolfgang KRONERs Diplomarbeit über Taxifahrer ("Taxifahrer, Szenen einer Großstadt") wurde 1986 in Campus Verlag in einer Auflage von 2.000 Exemplaren veröffentlicht, vermutlich immer noch ein Rekord für deutschsprachige ethnomethodologische Bücher. Ich muss gestehen, dass wir uns damals auf eine heute völlig undenkbare Weise unsere Daten beschafft haben. Wir machten Aufnahmen von Jugendgerichtsverfahren, mündlichen Diplom-Prüfungen in der Soziologie und während forensisch-psychiatrischer Fallvorstellungen – allerdings in Robin-Hood-Manier. Das heißt, wir versteckten unsere Aufnahmegeräte und Richtmikrofone in präparierten Aktenkoffern und beruhigten unser gar nicht so schlechtes Gewissen damit, dass dies schließlich öffentliche Veranstaltungen waren. Von Forschungsethik war damals noch nicht die Rede. Der Umstand der Aufnahme hat aber auch niemanden gestört, wenn wir es – wie bei den Prüfungen – den Leuten nachher gesagt haben. Allerdings war wegen der Camouflage die Qualität der Aufnahmen so bescheiden, dass die Transkriptionssitzungen gelegentlich Ratespielen ähnelten und allein schon dadurch eine gewisse Anonymisierung gesichert war. Dennoch waren die Teilnehmer*innen mit Feuereifer dabei, zumal man dabei den aus den GARFINKELschen Trust-Untersuchungen (1963) bekannten Befund über die sanktionierte Vagheit der menschlichen Kommunikation sozusagen am eigenen Leib nachvollziehen konnte: also die Möglichkeit der Verständigung – ohne sich wirklich verstehen zu müssen, die große Toleranz für Unklarheiten, die interaktive Delikatesse allzu genauer Nachfragen, die methodischen Prozeduren der Verständigungssicherung etc. Gerade in Lehrveranstaltungen für Anfänger*innen habe ich gerne Krisenexperimente à la GARFINKEL in verschiedenen Varianten eingebaut. Meist bestanden diese in gezielten Einschränkungen der kommunikativen Möglichkeiten der Teilnehmer*innen bei der Bewegung im öffentlichen Raum – durch Einschränkungen des Hörens, des Sehens, der Beweglichkeit und der Gestik oder auch durch Variationen gewohnter Vorgehensweisen (wie zum Beispiel Veränderungen der Schnelligkeit des Gehens, der Intensität von [An-]Blicken etc.). Wenn es galt, an implizite soziale Kategorisierungen heranzukommen, sollten die Teilnehmer*innen zum Beispiel Begehungen bestimmter städtischer Viertel mit unterschiedlichen Berufsgruppenvertreter*innen durchführen und sich dabei laufend die jeweiligen Aufmerksamkeiten schildern lassen. Wer sich mit dunklen Brillen, verstopften Ohren oder im Rollstuhl durch öffentliche Räume bewegt, erlebt die Zerbrechlichkeit der sozialen Ordnung ganz unmittelbar. Allerdings handelt man sich nicht selten den Ärger von tatsächlich behinderten Personen ein. Aber auch das kann wertevolle Lernprozesse auslösen. [10]
René SALOMON: Nur die Studierenden in Krisen versetzen oder mit den Studierenden auch andere in Krisen versetzen?
Stephan WOLFF: Nein, nein, schon primär die Studierenden und dies nur in verantwortbarer Dosierung! Ziel dieser von GARFINKEL inspirierten Form meiner Lehre war es, Aha-Erlebnisse zu provozieren und mit den Studierenden nachzuvollziehen, pädagogische Momente zu kreieren, die haften bleiben. Ähnliches meint LUHMANN, wenn er von Irritation spricht. Ich habe meinen Student*innen immer gesagt: "Bei mir lernen Sie vielleicht nicht so wahnsinnig viel Neues, aber ich garantierte Ihnen, dass Ihre Irritation auf eine qualitativ neue Stufe gehoben wird", ein Satz, der ja selbst eine Irritation darstellt und offensichtlich haften bleibt. Mit Irritationen kannte ich mich schon deshalb aus, weil ich neben meiner akademischen Tätigkeit zeitweise in der systemischen Familientherapie, der Krisenintervention und in der Organisationsberatung gearbeitet habe. In allen diesen Praxisfeldern hantiert man, insbesondere wenn man einen systemischen Ansatz vertritt, mit vergleichbaren Inkongruitäts-Prozeduren, Verfremdungseffekten und Selbstverschreibungen. Selbstverschreibung bedeutet zum Beispiel, dass ich mir verbiete, bestimmte Instrumente zu nutzen, die ich sonst routinemäßig verwende, oder einen gewohnten Handlungsgang kurzzeitig unterbreche und etwas damit gänzlich Unverbundenes tue. Man denke an Raucher*innen in Entwöhnungsprogrammen, denen man freistellt, so viele Zigaretten zu rauchen, wie sie wollen, die man allerdings gleichzeitig darauf verpflichtet, zuvor immer erst zweimal um den Block zu laufen oder stets zwei Zigaretten auf einmal zu konsumieren. [11]
René SALOMON: Wie verstehen Sie diese Verbindung der Selbstverschreibung zur EM?
Stephan WOLFF: Ich habe die Vorstellung, dass das Vorgehen der EM in gewisser Weise auf gezielte Selbstbeschränkungen im Umgang mit Daten und im Hinblick auf eigene Interpretationsbedürfnisse hinausläuft. Ich spreche diesbezüglich gerne von disziplinierter Subjektivität. Man enthält sich zum Beispiel der natürlichen Tendenz, eine Szene vom Ergebnis her zu verstehen, sondern bleibt konsequent bei der Sequenzialität der Abläufe. Man bereitet das Material so auf, dass Leser*innen durch eigene Analyse die gemachten Aussagen überprüfen können. Eine Faustregel lautet, mindestens drei Beispiele eines Phänomens zu dokumentieren – durch Feldtagebuch- oder Transkriptausschnitte –, wobei zwei Beispiele den angenommenen Regelfall repräsentieren, ein Beispiel aber einen deviant case darstellt. Der Kern der disziplinierten Subjektivität lässt sich auf zwei Fragen reduzieren, mit denen ich meine Student*innen immer genervt habe: "Hat das Material gegen Sie eine Chance? Hat der Leser/die Leserin gegen Sie eine Chance?" In den 1980er Jahren war ich wohl eher ein Konversationsanalytiker und weniger ein Ethnomethodologe, wenn man darunter das GARFINKELsche Programm in engerem Sinne versteht. Aber ich habe nicht weiterverfolgt, was GARFINKEL als Letztes geschrieben hat, zumal ich die "Studies of Work" (GARFINKEL 1986) lange nicht ernst genommen habe. [12]
René SALOMON: Obwohl man Sie innerhalb der Soziologie eindeutig zu den ethnomethodologisch arbeitenden Soziologen zählt, habe ich den Eindruck, dass man Sie außerhalb der Soziologie nicht unbedingt als knallharten Ethnomethodologen wahrgenommen hat, da Ihre Arbeiten auch für andere Fachdisziplinen rezeptionsfähig gewesen sind. Vielleicht auch, weil sich diese Arbeiten selbst nicht so stark als reine EM präsentiert haben?
Stephan WOLFF: Das stimmt, ja. Aber das war bei mir auch gar nicht anders möglich. Ich habe mich nämlich beruflich eher am Rande der Soziologie bewegt. Am Ende der Zeit im Sonderforschungsbereich hatte ich zusammen mit Thomas LAU eine Untersuchung über eine Reorganisation in einem sozialen Dienst gemacht und mich über diese Thematik dann 1982 auch habilitiert. Meine Dissertation "Die Produktion von Fürsorglichkeit" (WOLFF 1983) ist eine klassisch ethnomethodologische Ethnografie gewesen. Bald danach bin ich trotz eines fünfjährigen Heisenberg-Stipendiums recht bald einem Ruf an die Universität Hildesheim gefolgt. Dort war ich für die universitäre Ausbildung von Sozialpädagog*innen zuständig. Das hieß, mich fachlich und hinsichtlich der Themen meiner Lehre neu zu justieren, aber zugleich beides in meiner Richtung zu akzentuieren. Das habe ich einerseits dadurch getan, dass ich mitgeholfen habe, die Sozialpädagogik konzeptionell in Richtung einer stärkeren Berücksichtigung der organisatorischen Ebene zu positionieren. Die Organisationsforschung war ja schon immer mein zweites soziologisches Standbein gewesen. Mit anderen zusammen habe ich gewissermaßen eine neue pädagogische Disziplin erfunden und geholfen, sie zu institutionalisieren, die Organisationspädagogik32), die mittlerweile Sektionsstatus in der Deutschen Gesellschaft für Pädagogik genießt. Natürlich habe ich mich ebenfalls bemüht, die EM und hier besonders die konversationsanalytische Forschung für mein neues Arbeitsfeld fruchtbar zu machen. Konsequenterweise handelte meine Antrittsvorlesung vom "Gespräch als Handlungsinstrument sozialer Arbeit" (WOLFF 1986). Mein erstes DFG-Projekt in Hildesheim behandelte Beratungskommunikation – sozusagen angewandte KA. Das Herausfordernde bei angewandten konversationsanalytischen oder ethnomethodologischen Arbeiten ist ja, dass man, wenn man bestimmte institutionalisierte Gesprächsformate (seien es Gesprächsformen wie Beratung, Therapie, Supervision) oder Tatbestände (Sachverhalte wie Fürsorglichkeit, Schuld, Glaubwürdigkeit, Achtsamkeit) bearbeiten will, man solche Gegenstände nicht einfach vorfinden kann. Was man findet, sind Personen, die etwas tun, was sie und/oder andere vielleicht Beratung nennen, und manchmal nicht einmal das. Man kann ja nicht einfach zu jemandem gehen, der sagt: "Ich bin Berater" und dort sein Tonband oder Video aufbauen, dessen Arbeit aufnehmen und behaupten, man hätte ein Beispiel für Beratung als Form institutioneller Kommunikation untersucht. Wir haben das dann so gemacht, dass wir in fünf verschiedenen Settings Kommunikationen, die sich Beratung nannten – Kundenberatung in Apothekengesprächen, religiöse Beratung durch einen bekannten Fernseh-Pfarrer, Call-in-Gespräche mit einem Psychologen, genetische Beratung – also eine Vielzahl von Beratungsformen in Anführungszeichen aufgenommen haben, um den institutionellen Kern von Beratung herauszuschälen und darüber hinaus zu analysieren, was in diesem Sinne eben keine Beratung, sondern vielleicht eine dialogische Predigt oder ein Verkaufsgespräch mit einer Einschubsequenz oder noch etwas anderes ist. [13]
René SALOMON: Hat das funktioniert?
Stephan WOLFF: Ja. Also, wir meinten zumindest, dass wir da ein bisschen weitergekommen sind, das heißt, dass sich auf diese Weise zumindest bestimmte Elemente dieser institutionellen Kommunikationsform Beratung rekonstruieren ließen (vgl. KNAUTH & WOLFF 1989). [14]
3. "Manche Forscher*innen meinen, sie seien so wichtig"
René SALOMON: Ich würde nochmal gerne kurz zurückkommen zu den Aufnahmen bei Gericht. Sie hatten erwähnt, dass solch eine verdeckte Aufnahme heute ethisch wahrscheinlich ein Problem wäre. Sehen Sie in solch veränderten ethischen Begrenzungen ein grundsätzliches Problem für soziologische Forschung?
Stephan WOLFF: Das ist eine schwierige Frage, die ich mit einem vorsichtigen Ja, aber beantworten würde. Ich habe den Hype um die Ethikcodes immer mit großer Skepsis betrachtet, weil ich überzeugt bin, dass eine gewisse bürgerliche Grundanständigkeit mich immer dazu bringen wird, die Würde meiner Untersuchungspartner*innen und ihre Interessen im Blick zu behalten und bei Veröffentlichungen fair damit umzugehen. Das gilt natürlich auch für und im Verhältnis zu Projektmitarbeiter*innen. Ein entsprechendes Vorkommnis, zum Beispiel, dass Aussagen von Interviewpartner*innen oder Schilderungen von Organisationsabläufen tatsächlich Schaden angerichtet hätten, ist mir nicht bekannt. Meist interessiert sich dafür später ohnehin niemand mehr. Im peniblen Umsetzen von Ethikcodes manifestiert sich nicht selten auch eine gewisse Überschätzung der Wichtigkeit des forscherischen Tuns. Heutzutage muss das vielleicht so sein. Zugleich steckt dahinter aber auch eine Art Hybris, wenn manche Forscher*innen meinen, sie oder ihre Erkenntnisse seien so wichtig oder gar gefährlich, dass alle Welt sie ernst nehmen würde; eine Hybris, die sich als Rücksichtnahme verkleidet. Gerade als jemand, der sich intensiv mit sozialwissenschaftlicher Verwendungsforschung auseinandergesetzt hat (KRONER & WOLFF 1989), bin und bleibe ich diesbezüglich skeptisch. Das heutige Problem mit der Anonymisierung ist zudem, dass gerade junge Forscher und Forscherinnen wie die Wahnsinnigen sofort zu anonymisieren beginnen, schon bevor sie überhaupt die Daten angesehen oder gar analysiert haben. Sich über Anonymisierung endlos den Kopf zu zerbrechen erscheint mir gelegentlich als ein Vermeidungsverhalten, um sich (noch) nicht auf das Feld einlassen zu müssen. Das ist nicht nur unnötig, sondern es kann auch zu wirklichen Einschränkungen von Erkenntnismöglichkeiten führen. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: Die Art und Weise, wie Leute angesprochen und adressiert werden, ist für die Bedeutung einer Aussage wie für den Charakter der betreffenden Kommunikation von hoher Relevanz. Man denke an die Spezifik und die Varianten der Adressierungen in Akten, Gutachten oder Urteilsgründen, aber auch in Interviews, Talkshows und Zeitungsartikeln (WOLFF 1995). Adressierungen sind eine systematische Ressource für die Gestaltung von sozialen Situationen. Typischerweise werden heute solche Adressierungen bei der Anonymisierung immer gleich unkenntlich gemacht. Dabei geht unter Umständen nicht nur viel an analytisch interessantem Material verloren, es ist oft auch ein vergebliches Unterfangen. Wir machen zum Beispiel gerade in Hildesheim ein DFG-Projekt über Kategorisierungsprozesse in Jugend- und Sozialämtern. Das sind Akten, die 150 Seiten und mehr haben. Es ist fast unmöglich, eine solche Akte so vollständig zu anonymisieren, dass da nicht irgendein Hinweis mehr zu finden ist, der für eine Rekonstruktion des betreffenden Sachverhalts und der daran Beteiligten ausreicht. [15]
René SALOMON: Zudem würden bestimmte Bereiche wegfallen, die kann man nicht mehr erforschen, wenn man zu restriktiv damit umgeht.
Stephan WOLFF: Genau. Die andere Seite der Forderung nach rigoroser Anonymisierung ist jene nach größtmöglicher Transparenz. Wie Sie wissen, habe ich mich intensiv mit der Dynamik des Einstiegs ins Forschungsfeld beschäftigt (KRONER & WOLFF 1985; LAU & WOLFF 1983; WOLFF 2000a) und speziell mit den Gefahren und Grenzen der Informierung der zu beforschenden Personen und Organisationen. Eine effektive Technik, sich den Einstieg zu verbauen, ist es, lange Erklärungen darüber zu schreiben, was man eigentlich machen will, weil das Gegenüber natürlich dann in die Situation kommt, das zu überprüfen, was es ja in der Regel gar nicht kann. Umgekehrt verlangen widerspenstige Organisationen typischerweise immer weitere, möglichst genaue Auskünfte darüber, was der Forscher/die Forscherin will. Dabei weiß man gerade als qualitativ arbeitender Forscher zu diesem frühen Zeitpunkt der Untersuchung meist selbst noch nicht recht, was man alles wissen wollen könnte. Forschung und Forschungszugänge brauchen ein Mindestmaß an unbegründetem Vertrauen. Eine gewisse Latenz ist da nötig und hilft beiden Seiten. [16]
René SALOMON: Nochmal zurück zu den Studies. Gibt es Kapitel, von denen Sie sagen würden, dass diese für Sie besonders prägnant, überraschend oder beeinflussend waren?
Stephan WOLFF: Für mich war immer das 6. Kapitel, "'Good' Reasons for 'Bad' Clinical Records" (GARFINKEL 1967), ganz entscheidend, weil es so vieles verbindet: die Logik organisatorischer Entscheidungs- und Verstehensprozesse ebenso wie Hinweise auf die typischen Legitimationsprobleme sozialer Dienstleistungsorganisationen. Zudem ist es ein glänzendes Beispiel dafür, zu welch grundlegenden Einsichten man gelangen kann, wenn man scheinbar unordentliche Phänomene als geordnete ernst nimmt bzw. es wagt, sich der üblichen Defizithypothese zu enthalten. Und schließlich verdeutlicht es einem die institutionelle Produziertheit und soziale Lesbarkeit administrativer Dokumente. Das sind Einsichten, die für die Forschung über organisatorische Darstellungspraktiken bis heute maßgebend sind. Akten als Formate der Wirklichkeitsproduktion haben mich zudem immer schon fasziniert (LAU & WOLFF 1981; WOLFF 2000b). Gleich hinter dem "Good Reasons"-Aufsatz steht für mich die "Agnes"-Studie (GARFINKEL 1967). GARFINKEL beschreibt darin ein natürliches Krisenexperiment, dessen analytische Rekonstruktion nicht nur ein völlig neues soziologisches Forschungsfeld eröffnete, sondern auch die große Reichweite und die zumindest implizite politische Relevanz des ethnomethodologischen Projekts signalisierte. [17]
René SALOMON: "Clinical Records", "Agnes", und ich habe den Eindruck, auch der Trust-Aufsatz (GARFINKEL 1963) gehören zu denen, die etwas breiter rezipiert wurden, vielleicht auch, weil sie bis zu einem gewissen Grad verständlicher geschrieben waren. Wie fanden Sie denn überhaupt die Schreibweise von GARFINKEL, war das zugänglich für Sie?
Stephan WOLFF: Nein, zunächst zumindest nicht. Das Verständnis seiner Arbeiten war auch insoweit erschwert, als man teilweise durch schon vorliegende Übersetzungen in die Irre geleitet wurde. Der account-Begriff zum Beispiel wurde mit Verantwortung, Rechtfertigung oder Rechenschaft übersetzt, was viele Leser*innen auf falsche Fährten lockte. Gut, von den schlimmsten Missverständnissen war ich durch Jörg BERGMANNs sprachliche Sensibilität gefeit, der in seiner Diplomarbeit (BERGMANN 1974) ein eigenes Kapitel zum account-Begriff verfasst hatte und als Übersetzung praktische Erklärung vorschlug. [18]
René SALOMON: Eine Diplomarbeit, die unter der Hand ja quasi zum Hauptlehrbuch der EM geworden ist – zumindest in Deutschland. Wenn man verstehen wollte, was GARFINKEL sagt, hat man versucht, sich die zu besorgen.
Stephan WOLFF: Aber das war in der Zeit, über die wir reden, gar nicht so einfach. Die Arbeit haben wohl nicht so viele Leute gesehen – also Jörgs Konstanzer Kolleg*innen sicherlich, aber darüber hinaus war der Kreis der Leser*innen schätzungsweise nicht zu weit. Ähnliches passierte übrigens mit BERGMANNs Dissertation "Interaktion und Exploration" (1980), in der er anhand der Untersuchung von psychiatrischen Aufnahmegesprächen eine Einführung in die KA vorlegte, die man heute noch ohne jede Überarbeitung als Lehrbuch veröffentlichen könnte. Aber auch sie blieb leider graue Literatur. Für die ethnomethodologische bzw. konversationsanalytische Ausbildung sind freilich Lehrbücher, selbst wenn sie von so exzellenter Qualität sind wie John HERITAGEs33) "Garfinkel and Ethnomethodology" (1984), von begrenztem Nutzen. Und dieses Feeling kann man nicht aus Büchern lernen, es muss sich entwickeln durch Sozialisation, durch Umgang, durch gemeinsame Übung – das, was LAVE und WENGER (1991) legitime periphere Teilnahme an einer Praxisgemeinschaft genannt haben. Dazu gehören natürlich auch bestimmte Rituale wie data sessions. [19]
René SALOMON: Aber wie macht man das dann mit der EM, wenn man sagt, der Text selbst, die Theorie selbst, ist nicht das, was ausreicht?
Stephan WOLFF: Man übt. Und es gibt einige Faustregeln, wie man sich dabei verhalten sollte. Also zum Beispiel, wie schon erwähnt, dass man keine Szene vom Ergebnis her beurteilt, sondern sich streng an die Sequenzialität hält, dass man natürliches Datenmaterial verwendet, dass man die ethnomethodologische Indifferenz als heuristisches Prinzip beherzigt und so weiter. Oder, dass man zunächst immer davon ausgeht, dass die untersuchten Mitglieder kompetent und deren Handlungen grundsätzlich in Ordnung sind. Das durchzuhalten ist gerade für Anfänger*innen nicht leicht. Soziolog*innen, aber auch Linguist*innen, neigen bekanntlich zu einer Art Defizithypothese, gemäß derer das, was die Leute im Alltag so machen, immer mehr oder weniger davon abweicht, was die Regeln der Sprache und Interaktion eigentlich vorgeben. [20]
4. "Die Kommunikation macht irgendetwas mit uns, und hin und wieder dürfen wir mitspielen, vorausgesetzt, wir erwischen gerade einen Slot"
René SALOMON: Was würden Sie denn sagen, ist der größte Fallstrick in den Studies? Was ist das, wo man am vorsichtigsten sein muss? Insbesondere auch in der Lehre?
Stephan WOLFF: Ein guter Weg, um ein Gefühl für die EM zu entwickeln, sind natürlich die schon erwähnten Demonstrationsexperimente. Um eine Faszination für die kunstvolle Praxis der Verständigung zu entwickeln, reicht oft schon die Beschäftigung mit einer Aufnahme bzw. dem Transkript der ersten zehn bis zwanzig Sekunden eines Gesprächs. Am Beginn eines Gesprächs passiert unheimlich viel. Unter anderem muss geklärt werden, wer spricht hier zu wem; wer sind die, die gerade reden; in welchen Kategorien werden sie angesprochen bzw. lassen sie sich ansprechen; wie kommt man überhaupt dazu, jemanden anzusprechen; was passiert, wenn Angesprochene nicht gleich reagieren oder nicht so, wie es der vorherige Zug des Gegenübers erwarten ließe? Das alles müssen die Beteiligten innerhalb ganz weniger Redezüge hinbekommen. Und sie tun es offensichtlich auf eine methodische, bis in kleinste Details geordnete Weise. Diese kommunikative Sensibilität demonstriert zu bekommen oder, besser noch, selbst zu entdecken, ist schon großartig. Wenn Ihnen der liebe Gott zwei Zehntelsekunden oder das "Mhm" schenken würde, dann könnten Sie die Welt verändern. Ich habe meine Student*innen das ausprobieren lassen. Sie sollten, wenn sie mit Freund*innen telefonieren, immer erst für sich "einundzwanzig, zweiundzwanzig" zählen, bevor sie reagieren oder aber konsequent das "Mhm" unterdrücken, während ihr Gegenüber spricht. Da sich dadurch schlagartig der Charakter des Gesprächs ändert, sollten sie diese Übung freilich nicht zu lange ausdehnen, um die Beziehungen nicht zu gefährden. Eine meiner Lieblingsdemonstrationen bestand darin, dass ich, auch wenn 100 andere Personen in einer Vorlesung saßen, immer eine beliebige Person dazu gebracht habe, mit mir zu kommunizieren, indem ich mit dieser Person Augenkontakt aufnahm. Unweigerlich begann diese dann durch Nicken und "Mhms" an den richtigen – übergangsrelevanten – Stellen mit mir zu kommunizieren – um mich stillschweigend bei meiner Vorlesung zu unterstützen. Derartige Aha-Erlebnisse zu haben, das ist doch großartig. Das schließt einen Zaubergarten von Phänomenen auf. Gut, man kann sagen, ich habe da eine Show abgezogen. Aber ich fand, dass mithilfe eines solchen ethnomethodologischen Propädeutikums viel zu entdecken ist hinsichtlich des unendlichen Erfindungsreichtums der Kommunikation. Man lehrt (und lernt) aber auch eine gewisse Demut: Wir sind in Wirklichkeit lediglich Anhängsel der Kommunikation. Die Kommunikation macht irgendetwas mit uns, und hin und wieder dürfen wir mitspielen, vorausgesetzt, wir erwischen gerade einen Slot. Ganz im Sinne des berühmten Satzes von GOFFMAN: "Es geht hier also nicht um Menschen und ihre Situationen, sondern eher um Situationen und ihre Menschen" (1971a [1967], S.9). [21]
René SALOMON: Spielt für Sie, wenn Sie Kommunikation sagen, nur sprachliche Kommunikation hinein? Oder ist der Kommunikationsbegriff, den Sie benutzen, breiter gefächert?
Stephan WOLFF: Ja, der ist schon breiter. Für Leute, die ernsthaft KA betrieben haben, blieb, wenn ich das so salopp formulieren darf, ab Mitte der 1980er Jahre nicht mehr viel übrig. Die Basisentdeckungen waren alle gemacht. Man wandte sich deshalb verstärkt der institutionellen Kommunikation bzw. Kommunikationsformen zu, die sich von den alltäglichen systematisch unterscheiden: solche, die mit längeren turns arbeiten, wie Vorträge oder politische Reden; solche, bei denen die Art der Beteiligung und die Verteilung der Redezüge stärker vorstrukturiert sind (Gerichts- und Therapiekommunikation zum Beispiel); solche, bei denen sich die Reaktion des Adressat*innen nicht unmittelbar anschließt, wie in der brieflichen Interaktion, und so weiter. Besonders anregend waren für mich speziell die Untersuchungen von Michael MULKAY34) (1985), der Korrespondenzen zwischen Nobelpreisträgern analysiert hatte, aber auch die Textdebatte in der Anthropologie, an der ich mich schon früh selbst ein wenig beteiligte (WOLFF 1987). Ich habe mich dann später in verschiedenen Projekten damit beschäftigt, wie sich die ethnomethodologisch-konversationsanalytische Vorgehensweise auf unterschiedliche Textsorten anwenden lässt: auf psychiatrische Gerichtsgutachten, Akten, Feldpostbriefe und dergleichen (KNAUTH & WOLFF 1991). [22]
René SALOMON: In "Die Produktion von Fürsorglichkeit" (WOLFF 1983) machen Sie ja auch Raumanalysen, wer sich wie und wo bewegt im Raum und was durch Positionierung im Raum interaktiv angezeigt wird. Wie kamen Sie auf das Thema Raum?
Stephan WOLFF: Es gab in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre für Raumfragen eine gewisse, wenn auch begrenzte Aktualität. Denken Sie an Pierre BOURDIEU35) (1976 [1972]), der über die symbolische Codierung des Raums der Häuser in der Kabylei geschrieben hatte, und natürlich hatte ich GOFFMANs "Territories of the Self" (1971b [1967]) gelesen. Durch GOFFMAN war ich auf die Schriften von Edward T. HALL36) (1959, 1966) aufmerksam geworden, der Raum als verborgene Dimension der Kommunikation und als eine Form von Sprache – silent language – beschrieben hatte. Mich beschäftigte das Thema des Raums auch unter praktisch-therapeutischen Aspekten, angeregt insbesondere durch die Arbeiten von Albert SCHEFLEN37) (1972, 1976). SCHEFLEN befasste sich mit Körperhaltung und Raumverhalten in Therapien. Seine Erkenntnisse hatte ich damals im Rahmen von Kriseninterventionen einzusetzen versucht. Leute in depressiven Krisen tendieren nämlich dazu, sich in ihrer Haltung zu verkeilen, was ihr körperliches wie ihr seelisches Missempfinden zusätzlich steigert. Sie verschränken Armen und Beine, pressen den Brustkorb zusammen, senken den Blick etc. SCHEFLEN hatte nun gezeigt, dass es in kommunikativen Situationen eine Tendenz zu Symmetrisierung von Körperhaltungen gibt. Das machte ich mir in der Krisenintervention dadurch zunutze, dass ich die verkeilte Körperhaltung meines Gegenübers zunächst auch selbst einnahm, sie aber im Laufe des Gesprächs schrittweise auflöste. Folgte mein Gegenüber mir dabei, konnte es passieren, dass seine Haltung zu seinen Klagen, nicht mehr weiter zu wissen, nicht mehr passte. Wenn er entdeckte, dass er plötzlich mit breiter Brust dasaß, half die Einsicht in diese Diskrepanz, die prekäre Situation zumindest zu stabilisieren. Ähnliche Effekte ließen sich mit Variierung von räumlicher Nähe und Distanz erreichen. Dadurch lernte ich, dass sich das methodische Umgehen mit Raum als Ressource zur Herstellung bestimmter sozialer Sachverhalte, wie zum Beispiel Fürsorglichkeit, nutzen lässt. [23]
René SALOMON: Haben Sie den Eindruck, dass Raum in der EM einen Platz hat?
Stephan WOLFF: Ja, ich glaube doch. Spontan fallen mir dazu ein: LIVINGSTONs Tutorials zur autochthonen Ordnungsbildung in Warteschlangen und Fußgänger-Verkehrsströmen (LIVINGSTON 1987), Untersuchungen zur Erstellung und Nutzung von Kartenzeichnungen (PSATHAS 1991) und RYAVE und SCHENKEINs vergnügliche "Notes on the Art of Walking" (1974). Raum ist auch in der KA ein Thema: So bedeutende Konversationsanalytiker wie Emanuel SCHEGLOFF (1972) und Paul DREW38) (1978) haben sich beide schon in ihren ganz frühen Schriften mit der kommunikativen Bezugnahme auf Raum beschäftigt. Unter den gegenwärtigen deutschsprachigen Kolleg*innen, die sich unter einer ethnomethodologisch-konversationsanalytischen Perspektive mit Raum beschäftigen, kommen mir Heiko HAUSENDORF39), Reinhold SCHMITT40) und Jürgen STREECK41) in den Sinn. Zugegeben, Raum ist kein zentrales Thema, und oft findet sich nur eine indirekte Thematisierung von Raum – etwa im Rahmen von Untersuchungen zur embodied interaction – aber immerhin. [24]
René SALOMON: Welche Rolle spielen denn Artefakte?
Stephan WOLFF: Artefakte – mit Ausnahme von Texten – haben für meine Forschung erst in den letzten 15 Jahren eine Rolle gespielt und das in eher bescheidenem Umfang. Eigentlich habe ich mich nur einmal explizit damit beschäftig, in einem Aufsatz in der Zeitschrift für Soziologie über den PC als Partner im institutionellen Gespräch (BÖHRINGER & WOLFF 2010). Aus demselben Projekt stammt ein Aufsatz von Julia SCHRÖDER42) über das Telefon, bzw. das Telefonklingeln im Kontext sozialer Dienstleistungskommunikation (SCHRÖDER 2012). Natürlich war hierbei GARFINKELs tutorial exercise "Summoning Phones" (2002) eine wichtige Anregung, bei dem Studierenden die Aufgabe gestellt wurde, Audioaufnahmen von Telefonrufen anzufertigen, die hörbar ihnen galten, aber auch von solchen, die einfach nur so läuteten. Unter meinen Doktorand*innen hat sich einer mit der Nutzung von Visualisierungen in der Supervisionspraxis beschäftigt (RÜSING 2013). Aus meinem ethnomethodologischen Grundverständnis habe ich gegenüber einer Aufwertung von Objekten als handlungsmächtige Aktanten gewisse Vorbehalte. Auch wenn mein Psychologen-Ich gewisse Sympathien für die GIBSONsche affordance-Theorie43) hegt, würde ich als Ethnomethodologe darauf beharren, dass sich ein Gegenstand nicht einfach von sich aus aufdrängt, sondern zum Partner der Interaktion gemacht werden muss. Die empirische Schwäche der Actor-Network-Theorie44) (ANT) scheint mir darin zu bestehen, dass sie lediglich plausibel machen, aber nicht wirklich empirisch zeigen kann, wie diese affordances wirken. [25]
René SALOMON: Die ANT und Themen wie Raum und Materialität finden in der Soziologie immer mehr Anklang. Haben Sie den Eindruck, dass in diesem Zuge auch die EM unter jungen Soziolog*innen mehr Zulauf erfährt?
Stephan WOLFF: Das mag sein. Grundsätzlich scheint mir aber die Nachwuchssituation schwierig, wenn man hinsichtlich der Rekrutierung des Forschungsnachwuchses nicht wie zum Beispiel in Bielefeld oder Konstanz auf eine entsprechende Methodenausbildung zurückgreifen kann. In Hildesheim war Soziologie nur ein kleines Nebenfach, das für eine intensive Beschäftigung mit der EM kaum Lehrkapazitäten hatte und hat – ganz unabhängig von den methodischen Präferenzen der Lehrenden. Ich war bei meinen Projekten deshalb meist darauf angewiesen, mir Mitarbeiter*innen von außen zu suchen. Da man bei Anträgen für anspruchsvolle Projekte aber eigentlich immer schon entsprechende Mitarbeiter*innen vorweisen muss, hat dies meine Forschungsbemühungen nicht unerheblich behindert. [26]
5. "Sozusagen eine soziologische Wut "
René SALOMON: Aber es gab die Möglichkeit, wenn ich das richtig verstanden habe, Projektmittel zu beantragen – eine ethnomethodologische und konversationsanalytische Ausrichtung war dabei also kein Hindernis?
Stephan WOLFF: Nein, nie, aber ich kann diesbezüglich wirklich nur von mir sprechen. Ich habe seit den 1980er durchgehend Jahren Drittmittel-Projekte gehabt, immer wieder dabei KA betrieben, und es hat nie jemand argumentiert, dass das eine nicht akzeptable Methode sei. Gut, es gab natürlich auch die ein oder andere Ablehnung, aber ich hatte nie den Eindruck, dass es jetzt a priori an Vorbehalten gegenüber einem ethnomethodologischen bzw. konversationsanalytischen Vorgehen gelegen hat. Das galt meiner Erfahrung nach auch für Publikationen in Zeitschriften. Dazu eine kleine Anekdote: Sie betrifft den schon erwähnten ersten ethnomethodologisch orientierten Aufsatz, den ich zur Sozialen Welt geschickt hatte (WOLFF et al. 1977). Der Text enthielt eine Reihe von Transkriptausschnitten und war zudem insgesamt recht lang. Bald meldete sich der damalige Herausgeber Heinz HARTMANN, ob wir nicht zumindest die "Mhms" wegstreichen könnten; die seien doch nicht so wichtig und nähmen nur Platz weg. Wir kürzten schließlich woanders, beharrten aber darauf, dass die "Mhms drinblieben. Die massiven Aversionen, wie sie damals manchmal in der amerikanischen und britischen Diskussion deutlich wurden – man denke an die Ausfälle von Lewis COSER45) oder Ernest GELLNER46) gegen die EM -– gab es hier, soweit ich sehe, nicht. Ob ausgewiesene und vielleicht sogar (Nur-) Ethnomethodolog*innen oder (Nur-) Konversationsanalytiker*innen heute eine lukrative Methodenstelle bekommen, ist wieder eine ganz andere Frage. [27]
René SALOMON: Lassen Sie uns ein wenig über die theoretische Verortung der EM sprechen. Es ist zwar immer ein bisschen abhängig davon, wen man liest, aber wo sich doch viele einig zu sein scheinen, ist, dass die EM einen starken phänomenologischen Einschlag hat. Sehen Sie noch andere Grundlagen außer der Phänomenologie, die auf die Studies deutlichen Einfluss hatten?
Stephan WOLFF: Im Moment werden ja wieder neue Grundlagen der EM ausgegraben, wie die vermeintliche Verbindung zum Pragmatismus. Man denke an den Aufsatz von Mustafa EMIRBAYER und Douglas MAYNARD (2011). Gegenüber solchen Erwägungen bin ich generell ein bisschen zurückhaltend, schon, weil mir dies als ein eher archivarischer Ansatz erscheint. Sicherlich kann man von einem phänomenologischen Einschlag reden. Aber was ist damit gewonnen? Dass GARFINKEL die phänomenologische Problematik sozusagen interaktiv gewendet und empirisch untersuchbar gemacht hat, macht aus ihm keinen Phänomenologen – im Gegenteil. Und für die KA wäre Phänomenologie sowieso ein irreführendes Attribut. Auch hinsichtlich der Pragmatismus-Connection hat mich überzeugt, was Anne RAWLS47) diesbezüglich an skeptischen Einwänden formuliert hat (RAWLS 2011). [28]
René SALOMON: Sehen Sie als jemand, der GOFFMAN schätzt, Verbindungen zwischen GARFINKEL und GOFFMAN? Anfänglich erwähnen sich beide ja noch gegenseitig sehr freundlich – später schwenkt es eher in eine Abgrenzungsbewegung um.
Stephan WOLFF: Es gab ja einige Geschichten über gegenseitige Verletzungen, die auch ich nur vom Hörensagen kenne. In jedem Fall hat sich GOFFMAN sukzessive auf die EM und KA zubewegt, natürlich auf seine ganz spezielle und ambivalente Weise. Fest steht, dass GOFFMAN die Betreuung der Dissertation von SACKS abgelehnt hat. Unabhängig davon muss man GOFFMAN zugutehalten, dass er ausdrücklich zugestanden hat, wie viel mehr er von SACKS als dieser noch von ihm gelernt hätte. Zehn Jahre später hat sich GOFFMAN in "Forms of Talk" (1981) wieder recht abschätzig über die KA geäußert, was SCHEGLOFF (1988) mit unversöhnlichen Gegenangriffen auf die methodischen Schwächen GOFFMANs beantwortet hat. Ähnliche Distanzierungen zwischen GOFFMAN auf der einen und GARFINKEL auf der anderen Seite sind mir nicht bekannt. In den meisten Arbeiten von GOFFMAN geht es um Leute, die ihre Identität in schwierigen Konstellationen zu sichern versuchen. Und das ist natürlich etwas völlig anderes als das, was GARFINKEL will. Seine members spielen keine Spiele. [29]
René SALOMON: Emotionen scheinen etwas zu sein, dass bei beiden eine Rolle spielt – sie sind bei GOFFMAN immer präsent und bei GARFINKEL habe ich den Eindruck, dass zumindest bei den breaching experiments die Reaktion auf diese vor allem durch Emotionalität gekennzeichnet ist.
Stephan WOLFF: Ja, aber das ist eine besondere Form von Emotionalität, nämlich eine Wut, die entsteht, wenn jemand offenkundig und mutwillig grundlegende Erwartungen an kompetente Gesellschaftsmitglieder aufkündigt – sozusagen eine soziologische Wut. Andererseits gibt es von den Vertreter*innen der von SACKS herkommenden membership categorization analysis (SILVERMAN 1998) interessante Untersuchungen über den Zusammenhang zwischen membership categorization und diesbezüglich erwartbaren Emotionalitäten.48) [30]
René SALOMON: Kommen wir zur Kritik. Was war die häufigste Kritik, die Sie über die EM gehört haben? Was davon fanden Sie berechtigt und was davon unsinnig?
Stephan WOLFF: Die einfachste und erste war die Beschwerde über die Unverständlichkeit. Das ist zwar trivial, aber im weitesten Sinne berechtigt. Es ist eben ein Sprachspiel, das man lernen muss. Die andere Dauerkritik ist, die EM sei moralisch indifferent, was ich immer für unsinnig gehalten habe. Das diesbezügliche Reizwort ethnomethodologische Indifferenz bezieht sich ja nicht auf (Nicht-) Wertungen, sondern auf eine bestimmte Heuristik, die hilft, soziale Ordnungsbildung erfahrbar und analytisch greifbar zu machen. Und als dritten Kritikpunkt natürlich die Frage nach der Relevanz dessen, was die EM aufzeigen kann. Wo bleiben die wichtigen Probleme und die großen Themen? Das in meinen Augen Faszinierende an der EM ist nicht zuletzt, dass sie uns auf die enorme Bedeutung scheinbar kleiner Dinge aufmerksam macht: Ich hatte oben die die Gesellschaft verändernde Kraft kurzer Pausen und "Mhms" angesprochen. Ein anderes Beispiel ist das Wörtchen "so". Wer in einer Gruppe "so" sagt, und es folgt kein weiteres "so", ist der- oder diejenige, der oder die bestimmt, wie es weitergeht. "So" ist eine Markierung, die überhaupt nichts bedeutet, aber die Situation punktiert, um ein neues Thema einzuführen oder ein altes zu beenden. Und wer ein Thema beendet, hat Macht. Also, wenn Sie mir das "so" geben, beherrsche ich die Welt. Das sind eben die Sachen, die Gesellschaft elementar zusammenhalten. Wer könnte da noch von geringer Relevanz sprechen? Nicht ganz trivial ist schließlich die Kritik, EM und KA würden sich nicht auf das untersuchte Feld einlassen und so die dort wirklich relevanten Herstellungsprobleme und Bewältigungsstrategien verfehlen. Konversationsanalytiker*innen haben in der Tat eine ausgeprägte Aversion, Kontext zu berücksichtigen, wenn dieser nicht ausdrücklich von den Teilnehmer*innen selbst relevant gemacht wird. Wenn man die EM oder auch die KA abstrakt betreibt und keine Ahnung von den Besonderheiten des Bereichs hat, dann kann man sicherlich manchmal danebenliegen. Gleichwohl scheint mir die EM zumindest ein Prototyp einer praxissensiblen Sozialforschung zu sein (WOLFF 2008). Wenn ich das "Studies of Work"-Programm GARFINKELs richtig verstehe, dann plädiert er entschieden dafür, durch praktisches Mit-Tun, ein Gefühl für Handlungsprobleme und Arbeitspraktiken zu entwickeln und selbst eine gewöhnliche Kompetenz in dem betreffenden Handlungsfeld zu erwerben (GARFINKEL 1986). Nur so könnten ethnomethodologische Beschreibungen auch für die Praktiker*innen relevant und für eine Reflexion bzw. Supervision dieser Praxis nutzbar werden. Da gibt es natürlich Grenzen der Praktikabilität: Nicht jede*r kann zum Beispiel als Vorbereitung für eine Untersuchung juristischen Handelns zunächst einen Abschluss an der Yale Law School machen oder sich zum Jazzpianisten oder zur Jazzpianistin ausbilden lassen, um die Improvisation als methodische Praxis zu erforschen. Der pragmatische Vorbehalt gilt auch im Hinblick auf GARFINKELs starke Forderung, dass sich die Methoden der Darstellung und Beschreibung direkt aus dem untersuchten Bereich ergeben sollten. [31]
6. "Gekonnte Selbstbeschränkungen"
René SALOMON: Wie sind Sie dann mit diesem unique adequacy requirement (GARFINKEL 2002) konkret umgegangen?
Stephan WOLFF: Meine pragmatische Transformation dieser hehren Anforderung bestand darin, dass es in jedem Forschungsprojekt gelingen sollte, einen zentralen Aufsatz in einem halbwegs repräsentativen Organ dieses betreffenden Handlungsfeldes unterzubringen, schon, um nicht nur den eigenen Leuten, also den Soziolog*innen, zu erzählen, wie merkwürdig die Welt da draußen aussieht, sondern dem Feld etwas vorzulegen, das an dessen Diskussionen anschlussfähig ist – ohne freilich gleich so zu tun, als sei man tatsächlich vom Fach oder gar der bessere Fachmann. Im Fall der Untersuchung von Juristen*innen würde dies beispielsweise bedeuten, sich um eine Veröffentlichung in Zeitschriften wie der Neuen Juristischen Wochenschrift zu bemühen (WOLFF 1993). Meine Sympathie für die EM rührt nicht zuletzt daher, dass ich mich immer als Grenzgänger zwischen verschiedenen Disziplinen und Handlungsfeldern verstanden habe. Mir gefällt auch die Rolle als Grenzobjekt, das von verschiedenen Disziplinen her ansprechbar ist.49) [32]
René SALOMON: Gibt es etwas, wovon Sie sagen würden, das müsste ergänzt werden, das fehlt der EM?
Stephan WOLFF: Natürlich könnte man immer mehr machen und noch mehr in die Analyse einbeziehen und so weiter. Angesichts der heutigen technischen Möglichkeiten scheinen manchem bloße Tonbandaufnahmen oder selbst die Beschränkung auf nur eine Videokamera-Perspektive schon als defizitärer Modus: Man müsse mehr, genauer und auf mehr Dimensionen aufzeichnen, um das Ganze zu sehen. Gut, das Video produziert mehr und neue Daten. Damit steigert man zunächst einmal nur die Komplexität, manchmal bis zu einem Punkt, an dem die analytische Trennschärfe abnimmt. Das Tröstende ist: Die Interaktion sorgt für uns. Sie ist so redundant, dass man nicht immer alle Kanäle gleichzeitig braucht. Wie sonst hätten Harvey SACKS und Emanuel SCHEGLOFF an Aufzeichnungen von Telefongesprächen und Gruppentherapiesitzungen so weitreichende Entdeckungen machen können? [33]
René SALOMON: Wo sehen Sie denn die Grenzen solcher Bemühungen, das methodische Vorgehen technisch zu ergänzen?
Stephan WOLFF: Vielleicht gibt es sogar verschiedene interaktive Ordnungen, deren Melodien mehr oder weniger synchronisiert sind, analog den Biorhythmen, bei denen selbst die technisch hochgerüsteten Neurophysiolog*innen an die Grenzen von Aufzeichnungs- und Auswertungstechnologien kommen. Denken Sie zum Beispiel an Untersuchungen in Schulklassen oder Gruppen mit verteilten Arbeitsplätzen. Alles höllisch spannende Gegenstände, die aber vielfach die Möglichkeiten fachlich sauberer Dokumentation, Transkription und Analyse übersteigen. Da müssen Sie regelrechte Partituren schreiben, um so etwas noch überschaubar transkribieren zu können. So ist schnell ein Punkt erreicht, über dem man in Gefahr gerät, sich zu überheben oder gar zu zaubern, also die Ansprüche an methodisch sauberes Arbeiten durch Abkürzungsstrategien stillschweigend zu unterlaufen. Man sollte nicht vergessen, dass zur ethnomethodologisch-konversationsanalytischen Mentalität traditionellerweise eine Art gekonnte Selbstbeschränkung gehört, die, verbunden mit der heuristischen Unterstellung der SACKSschen Maxime order at all points (SACKS 1984, S.21f.), zu einem der ganz wenigen kumulativen Forschungsprogramme in den Sozialwissenschaften nicht unwesentlich beigetragen hat. [34]
René SALOMON: Kommen wir zum theoretischen Anspruch der EM – würden Sie sagen, die Studies oder die EM haben auch so etwas wie einen gesellschaftstheoretischen Anspruch?
Stephan WOLFF: Oh, schwierig. Ich hatte ja erzählt, dass ich mit dem Versuch, die EM gesellschaftstheoretisch zu fundieren, Schiffbruch erlitten hatte. Allerdings würde ich schon sagen, dass in der ethnomethodologischen Herangehensweise an soziale Phänomene ein politischer Aspekt steckt. Ethnomethodolog*innen und Konversationsanalytiker*innen bleiben für gewöhnlich an der gesellschaftlichen Oberfläche, die sie als interaktive Herstellungen begreifen. Das, was die Mitglieder tun, ist das Lösen interaktiver Aufgaben. Es kommt darauf an, diese Aufgaben zu finden. Natürlich kann man auch fragen bzw. im Material suchen, ob es andere Lösungsmöglichkeiten mit anderen sozialen Kosten und Folgeproblemen gibt. [35]
René SALOMON: Also im Grunde wie bei LUHMANN.
Stephan WOLFF: Genau, wie LUHMANN nach funktionalen Äquivalenten zu suchen wäre dann die Aufgabe. Menschen machen ja permanent interaktive Erfindungen. Sich diese Erfindungen anzusehen und zu diskutieren finde ich eine spannende soziologische und politische Aufgabe. EM und KA eignen sich für eine soziologische Supervision. Deswegen würde ich sagen, die EM besitzt durchaus politische Relevanz, aber eine, die eben bescheidener auftritt. [36]
7. "Gezielt Situationen sammeln"
René SALOMON: Ich hatte bei Ihrer Habilitationsschrift "Die Produktion von Fürsorglichkeit" (WOLFF 1983) den Eindruck, dass sie auf einem sehr großen Datenkorpus beruht, der dann aber stark komprimiert wurde.
Stephan WOLFF: Heute gibt man ja meist die erhobenen Daten in den Computer ein und betreibt Kategorienbildung mithilfe von MAXQDA50) oder etwas Ähnlichem. Ich habe damals gezielt Situationen gesammelt. Dazu habe ich alle meine Beobachtungsprotokolle auf Szenen untersucht, diese ausgeschnitten, und die Ausschnitte auf Zettel geklebt und daraus Häufchen gebildet, die sich auf ähnliche Konstellationen bezogen. Monatelang war das ganze Büro voller Szenen, auf der Suche nach Situationen. Wenn Szenen zu unterschiedlichen Situationsgestalten zuordenbar waren, mussten eben weitere Kopien erstellt werden. Konsolidierte Stapel in angemessener Höhe und inhaltlicher Breite wurden zu Memos oder gleich zu Kapiteln. Mit der Zeit wurde dadurch der Boden wieder zugänglicher. [37]
René SALOMON: Haben Sie es als Nachteil empfunden, in dem Bereich der Sozialen Arbeit zu forschen? Ich hatte den Eindruck, das hat Ihnen auch viele Freiheiten gegeben.
Stephan WOLFF: Hildesheim war ja eine kleine und zu Beginn meiner dortigen Tätigkeit nicht sehr forschungsstarke Universität, die aus einer pädagogischen Hochschule hervorgegangen war. Das Fach, für das ich zuständig war, die Sozialpädagogik, hatte innerhalb der Universität, aber auch als Disziplin, eine eher randständige Position und zwar in inhaltlicher, personeller, wie materieller Hinsicht. Innerhalb der Sozialpädagogik fanden meine soziologischen Ambitionen zunächst nur begrenzte Resonanz bei Studierenden und Kolleg*innen. Diese – in vielfältiger Hinsicht – Positionierung am Rande bot aber auch Freiheitsgrade und Profilierungsmöglichkeiten, zumal damals wenige Kolleg*innen Drittelmittelprojekte durchführten. Längere Zeit führte ich mein ethnomethodologisch-konversationsanalytisches Forscherleben weitgehend neben meiner eigentlichen Tätigkeit. Auch meine Projektmitarbeiter*innen musste ich, wie schon erwähnt, lange Zeit von außen rekrutieren. Eine Promotion wurde von angehenden Sozialpädagog*innen und Sozialarbeiter*innen bis weit in die 1990er Jahre hinein eher als Karrierehindernis betrachtet. Eine soziologische Spielwiese blieb mir allerdings, weil ich seit Ende der 1980er Jahre fast jedes Jahr als Gastprofessor oder Lehrbeauftragter am Soziologischen Institut der Universität Wien Veranstaltungen zu qualitativer Sozialforschung und angewandter Organisationsforschung anbot. Ab Mitte der 1990er Jahre entwickelte sich die interne Situation zunehmend in meine Richtung. Das Hildesheimer Institut für Sozial- und Organisationspädagogik wuchs noch stärker als die Universität, erwirtschaftete mehr Drittmittel und produzierte mehr als jede vergleichbare Einrichtung im deutschsprachigen Raum. Drei drittmittelfinanzierte Graduierten- bzw. Promotionskollegs bildeten eine gute Basis für die Förderung von akademischem Nachwuchs, allerdings nur bedingt für die Heranbildung von gestandenen Ethnomethodolog*innen und Konversationsanalytiker*innen. Selbst bei unseren Promotionsstudierenden bleibt es meist bei einer nur oberflächlichen Infizierung mit ethnomethodologischem Gedankengut, wenn auch einzelne Aspekte wie konversationsanalytisch inspirierte Akten- und Dokumentenanalyse und die membership categorization analysis stärker rezipiert und in der Forschung eingesetzt wurden. Allerdings gab es durchaus einige Mutige, die sich intensiver auf ein ethnomethodologisches bzw. konversationsanalytisches Abenteuer eingelassen haben.51) [38]
René SALOMON: Mir ist aufgefallen, dass Sie sich auch mit ethnologischen Themen bzw. der Arbeit bestimmter Ethnologen intensiv befasst haben.
Stephan WOLFF: Zwischen 1976 und 1984 hielt ich mich mehrmals und zum Teil längere Zeit in Südostasien und Neuguinea auf. Diese Reisen wurden jeweils mit der einschlägigen ethnologischen Literatur nach- bzw. vorbereitet. Auf diese Weise war ich schon Anfang der 1980er Jahre auf die ethnologische Textdebatte und auf Clifford GEERTZ52) gestoßen, der neben seinen berühmten ethnografischen Studien – zu Indonesien, Bali und später zu Marokko – maßgebliche Aufsätze zur Kulturtheorie und darunter auch zentrale Beiträge für die Textdebatte beigesteuert hat.53) Ich war damals ein regelrechter Fan von Clifford GEERTZ. Manchmal reiste ich auf seinen Spuren – insbesondere in Java und Bali. Leider habe ich ihn vor Ort immer verfehlt. Später schrieb ich zwei Aufsätze über ihn (WOLFF 1992, 2000b). Den einen habe ich ihm auch einmal selbst überreicht. Leider war der Text auf Deutsch verfasst, weshalb GEERTZ meine Idee eines Vergleiches zwischen ihm und einem Dalang, dem indonesischen Schattenspieler, möglicherweise zur Kenntnis nehmen, meine Ausführungen im Detail aber wohl weniger nachvollziehen konnte. [39]
René SALOMON: Der Aufsatz über die "Dichte Beschreibung" (WOLFF 1992)?
Stephan WOLFF: Ja. Die feierliche Übergabe fand übrigens in einer amüsanten sozialen Konstellation statt: Anlässlich eines Besuchs von GEERTZ in Deutschland veranstaltete Karin KNORR-CETINA54) eine kleine Abendgesellschaft in ihrem Haus in Bielefeld, zu der sie auch mich einlud, weil sie meinen Aufsatz kannte, der eineinhalb Jahre vorher erschienen war. Ich überreichte GEERTZ einen Sonderdruck, der sich meine aufgeregten Erläuterungsversuche freundlich nickend anhörte. Wahrscheinlich war er ganz froh, bald dadurch abgelenkt zu werden, dass ein neuer Besucher eintraf, der ihm auch gleich vorgestellt wurde: Niklas LUHMANN war zur Gesellschaft gestoßen. Er kam direkt aus Düsseldorf, wo er der Nordrhein-Westfälischen Akademie seine "Realität der Massenmedien" (LUHMANN 1995) näher gebracht hatte. LUHMANN trat zu uns und begann auch gleich damit, GEERTZ die Systemtheorie zu erklären, was ganz offensichtlich bei GEERTZ auf höfliches Desinteresse, jedenfalls auf wenig Verständnis stieß. Ich stand da, sozusagen das Weltkind in der Mitte, rechts und links zwei meiner akademischen Götter. Sie verstanden sich nicht, und ich verstand nicht, warum dies so war. Dennoch dauerte das Gespräch noch eine Weile an, bevor GEERTZ eine günstige Ausstiegsstelle fand und abseits Platz nahm. Ich glaubte, gesehen zu haben, dass er kurz in meinen Text hineinspähte. Aber sicher bin ich mir nicht – verstanden haben dürfte er sowieso wenig. LUHMANN dagegen erzählte weiter Anekdoten über seinen Aufenthalt bei einer Jesuitenuniversität in Mexiko City. Die mittel- und südamerikanischen Gesellschaftstheoretiker*innen seien nach dem Niedergang der dependencia-Theorie55) auf der Suche nach neuen Konzepten. Er habe dort mit den Jesuiten unter anderem über die Beobachterrolle des Teufels und über die Paradoxie, die im Beobachtungsversuch des unbeobachtbaren Gottes steckt, gesprochen. Das wiederum könne man als Systemtheoretiker*in beobachten. Ich fragte mich, ob es das Teuflische der Systemtheorie war, die diese für die Jesuiten vielleicht attraktiv gemacht hatte. [40]
René SALOMON: Wenn ich das so höre, wird mir deutlich, wie sehr meine Generation damit konfrontiert ist, dass viele dieser Personen, welche die Soziologie so stark mitgeprägt haben, heute einfach nicht mehr da sind, und ich habe den Eindruck, dass die Soziologie an sich eher abgebaut wird und nach und nach verschwindet. Stattdessen werden Fächer wie die Kulturwissenschaften dominanter ...
Stephan WOLFF: Ja. Solche Headlines wie Praxistheorie oder cultural studies führen dazu, dass darunter (allzu) vieles subsumiert werden kann, zumal manche von deren Protagonist*innen diesbezüglich ziemlich einnehmend auftreten. Wenn man sich bloß einmal vergegenwärtigt, was sich heute die Medienwissenschaft alles zurechnet. Ich sehe bei solchen Übergriffen schon ein gewisses Problem – zumindest ein wissenschaftspolitisches. [41]
René SALOMON: Ich höre heraus, Sie halten nichts von solchen Headlines.
Stephan WOLFF: In der Tat.
René Salomon: Eine letzte Frage noch Herr WOLFF, haben Sie einen Lieblingssatz in den Studies?
Stephan WOLFF: Er findet sich etwa in der Mitte des zweiten Absatzes des Vorworts (GARFINKEL 1967, S.vii.): "Ethnomethodological studies analyze everyday activities as members' methods for making those same activities visibly-rational-and-reportable-for-all-practical-purposes, i.e. 'accountable' as organizations of commonplace everyday activities." Daraus kann ich alles ableiten – wenn man es einmal verstanden hat.
René SALOMON: Herr WOLFF, vielen herzlichen Dank für das spannende Gespräch.
Stephan WOLFF: Gerne. [42]
1) Zum Interviewschwerpunkt vgl. die Einleitung in dieser FQS-Ausgabe (GERST, KRÄMER & SALOMON 2019). <zurück>
2) Niklas LUHMANN (1927-1998) war einer der einflussreichsten deutschen Soziologen des zwanzigsten Jahrhunderts, der zu den wenigen Theoretikern gehört, die weit in andere Disziplinen hinein rezipiert werden. Von 1968 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1993 war er Professor für Soziologie an der Universität Bielefeld. Er ist der Begründer der funktional-strukturellen soziologischen Systemtheorie. Viele Aspekte seiner Theorie gehören heute zum grundlegenden soziologischen Wissensbestand wie bspw. die Annahme der funktionalen Differenzierung der modernen Gesellschaft oder die Unterscheidung der Systembildungsebenen Interaktion, Organisation und Gesellschaft. Sein Hauptanliegen kann als die Entwicklung einer wissenssoziologisch fundierten Gesellschaftstheorie skizziert werden, welche mit den Bordmitteln der von ihm entwickelten Theorie sozialer Systeme arbeitet. In diesem Kontext einer Gesellschaftstheorie veröffentlichte LUHMANN Monografien zu den verschiedensten Funktionsbereichen der Gesellschaft wie Kunst, Wirtschaft, Recht, Wissenschaft, Massenmedien, Liebe, Erziehung, Moral und Politik (siehe LUHMANN 1984, 1997). <zurück>
3) Erving GOFFMAN (1922-1982) ist einer der prominentesten Soziologen der Nachkriegszeit und eine Schlüsselfigur bei der Erforschung der sogenannten Interaktionsordnung. Von 1958 bis 1968 war er Professor in Berkeley und von 1968 bis zu seinem Tod Professor für Anthropologie und Soziologie in Pennsylvania. Zudem war er 1982 Präsident der American Sociological Association. Er ist Autor zahlreicher Bücher, wovon einige zu den meistverkauften soziologischen Büchern gehören, die zudem auch ungewöhnlich viel Anklang in anderen Disziplinen fanden. Arbeitsschwerpunkte waren unter anderem die Soziologie der Situation, die Interaktionsordnung, die interaktive Konstruktion des Selbst, die soziale Organisation der Erfahrung (framing) sowie totale Institutionen und Stigmata (vgl. GOFFMAN 1969 [1959]). <zurück>
4) Harvey SACKS (1935-1975), Soziologe, war Begründer der Konversationsanalyse und wichtiger Vertreter der frühen Ethnomethodologie. Er hatte einen großen Einfluss auf Bereiche der Soziologie, Linguistik und auf die diskursive Psychologie. Er war Student von Erving GOFFMAN, lehrte ab 1963 in Los Angeles und war von 1964 bis 1975 Professor in Irvine. Ein Großteil seiner Arbeit behandelt die Sequenzanalyse, Mitgliedschaftskategorien und die sozialwissenschaftliche Methodologie (vgl. SACKS 1992). <zurück>
5) Die Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Joachim MATTHES, Werner MEINEFELD, Fritz SCHÜTZE, Werner SPRINGER, Ansgar WEYMANN und Ralf BOHNSACK) führte in die deutschsprachige Soziologie interpretative und alltagssoziologische Analysen aus den USA ein. In zwei Bänden erschienen zentrale Aufsätze des symbolischen Interaktionismus, der Ethnomethodologie, der Ethnografie des Sprechens und der Ethnotheorie erstmals auch auf Deutsch, was eine intensivere Auseinandersetzung mit diesen Theorien und Methodologien nach sich zog (vgl. ARBEITSGRUPPE BIELEFELDER SOZIOLOGEN 1973). <zurück>
6) Jürgen STREECK (*1952), Linguist, ist Professor für communication studies, German studies und anthropology an der University of Texas in Austin. Seine Forschungsinteressen sind Gestenforschung, videobasierte Mikroethnografie, interaktionelle Rahmungen in verschiedenen Kontexten sowie anthropologische Grundierung von Sprache und Kommunikation (vgl. STREECK 2009; siehe auch das Interview mit Jürgen STREECK in dieser Ausgabe der FQS (STREECK, KRÄMER & SALOMON 2019). <zurück>
7) Howard Saul BECKER (*1928) war von 1965 bis 1991 Professor für Soziologie an der Northwestern University. Danach wurde er bis zu seinem Ruhestand im Jahr 1999 Professor für Soziologie und ab 1995 auch adjunct professor für Musik an der University of Washington. Mit seinem Buch "Outsiders" setzte er die Grundlagen für den Etikettierungs- bzw. Labelling-Ansatz (vgl. BECKER 1963). Auch für die Kunstsoziologie (BECKER 1982) und für die qualitative Sozialforschung (BECKER 1998) hat BECKER wichtige Anregungen geliefert. <zurück>
8) Karl MARX (1818-1883), Philosoph, Ökonom und Journalist, legte mit ENGELS die theoretischen Grundlagen des Marxismus und der Kapitalismuskritik und beeinflusste damit viele wissenschaftliche Disziplinen, die spätere Kritische Theorie sowie die öffentlichen und politischen Diskurse. Indem er die Umbrüche des 19. Jahrhunderts und die wirtschaftlichen Veränderungen beobachtete und zu erklären versuchte, prägte und popularisierte er neben seiner Theorie über das Kapital in der Moderne Begriffe wie Proletariat, Bourgeoisie, Ware, Gebrauchswert, Tauschwert, Warenfetischismus usw. (vgl. MARX 1980 [1867]). <zurück>
9) Bei dem sogenannten Positivismusstreit ging es im Kern um eine Auseinandersetzung über die Methoden und Werturteile in den Sozialwissenschaften (ADORNO et al. 1969). <zurück>
10) Als HABERMAS-LUHMANN-Kontroverse bezeichnet man die zwischen Niklas LUHMANN und Jürgen HABERMAS öffentlich geführte Debatte, die als Buch unter dem Titel "Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie" bei Suhrkamp veröffentlicht wurde (vgl. HABERMAS & LUHMANN 1971). <zurück>
11) Jürgen HABERMAS (*1929), Philosoph und Soziologe, gilt als einer der meistzitierten deutschen Philosophen und ist der bekannteste Vertreter der Nachfolgegeneration der Kritischen Theorie. Er war Forschungsassistent bei Max HORKHEIMER und Theodor W. ADORNO und hatte von 1964 bis 1971 den Lehrstuhl für Philosophie und Soziologie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main inne. Danach war er bis 1981 Direktor des Max-Planck-Instituts zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaftlich-technischen Welt in Starnberg, um anschließend wieder zur Goethe-Universität zu wechseln, wo er bis 1994 Philosophieprofessor war. Er ist unter anderem bekannt für seine kritischen Auseinandersetzungen mit der LUHMANNschen Systemtheorie, seine Beiträge im Positivismusstreit und seine Theorie des kommunikativen Handelns (vgl. HABERMAS 1981). <zurück>
12) Aaron Victor CICOUREL (*1928), Soziologe, ist emeritierter Professor an der University of California, San Diego, wo er am Soziologie-Institut Forschungsprofessor für Kognitionswissenschaft und seit 1989 Professor an der Medical School war. Er ist ein Schüler von SCHÜTZ, wurde stark von GOFFMAN und GARFINKEL beeinflusst und hatte einen erheblichen Einfluss auf die Entwicklung der Ethnomethodologie, von der er sich schließlich abgewendet hat zum Programm einer kognitiven Soziologie. Arbeitsschwerpunkte sind alltägliches Denken, Sprechen und Handeln, qualitative Methoden und Mikrosoziologie (vgl. CICOUREL 1970 [1964]). Für einen Einblick in CICOURELs Denken vgl. auch das Interview mit ihm von Andreas WITZEL und Günter MEY (2004). <zurück>
13) Siehe das Interview mit Jörg BERGMANN und Christian MEYER in dieser Ausgabe (BERGMANN, MEYER, SALOMON & KRÄMER 2019). <zurück>
14) Emanuel SCHEGLOFF (*1937) ist Mitbegründer der Konversationsanalyse und bekannt für deren Überführung in einen eigenständigen Forschungszweig. SCHEGLOFF ist Professor in Los Angeles (seit 1996) und Mitglied im Editorial Board zahlreicher soziologischer und linguistischer Fachzeitschriften. Er befasst sich mit den verschiedenen Aspekten der sequenziellen Organisation der Konversation (vgl. SCHEGLOFF 1968, 2007). <zurück>
15) Nicholas Creed MULLINS (1939-1988), Soziologe, war Professor an dem Virginia Polytechnic Institute und der State University (1984) und Präsident der Society for Social Studies of Science (1984-1985). Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählten u.a. Technik, Netzwerke und Wissenschaftssoziologie (vgl. MULLINS 1973). <zurück>
16) Peter McHUGH (1929-2010), Soziologe, war Professor am Sociology Department der York University in Toronto. Seine Schwerpunkte lagen auf der Sozialtheorie, der Ethnomethodologie, der Reflexivität sowie der Moral (vgl. McHUGH 1968). <zurück>
17) Ludwig WITTGENSTEIN (1889-1951) ist einer der einflussreichsten Philosophen des 20. Jahrhunderts. Seine analytische Sprachphilosophie legte den Grundstein für die linguistische Wende (vgl. WITTGENSTEIN 1922). <zurück>
18) Noam CHOMSKY (*1928) ist Philosoph, Linguist und emeritierter Professor an der University of Arizona sowie Professor am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Er ist Gründer der universal grammar theory und der generative grammar theory (vgl. CHOMSKY 1957). <zurück>
19) Carl Friedrich von WEIZSÄCKER (1912-2007), Philosoph und Physiker, war Professor an diversen Universitäten. Er leitete von 1970 bis zu seinem Ruhestand 1980 zusammen mit Jürgen HABERMAS das Max-Planck-Institut zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaftlich-technischen Welt (vgl. WEIZSÄCKER 1977). <zurück>
20) Gertrud NUNNER-WINKLER (*1941), Soziologin und Psychologin, ist seit 2001 Professorin an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Rainer DÖBERT (*1941), Soziologe, arbeitete nach seiner Habilitation 1983 an verschiedenen Universitäten sowie am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (vgl. DÖBERT & NUNNER-WINKLER 1975). <zurück>
21) Clint EASTWOOD (*1930) ist ein amerikanischer Schauspieler, Regisseur und Produzent. <zurück>
22) Heinz STEINERT (1942-2011) war Professor für Soziologie an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main und wurde 2007 emeritiert. Arbeitsschwerpunkte waren unter anderem soziales Handeln, Kunst, Kriminalsoziologie, Devianz, Kritische Theorie und Max WEBER (vgl. STEINERT 1973). <zurück>
23) Lawrence WIEDER (1938-2006), Soziologe, war Professor für Kommunikation an der University of Oklahoma und einer der frühen Vertreter der Ethnomethodologie (vgl. WIEDER 1974). <zurück>
24) Don ZIMMERMAN, Soziologe und ein früher Vertreter der Ethnomethodologie, ist Professor an der University of California, Santa Barbara. Sein zusammen mit Candace WEST verfasster Artikel "Doing Gender" ist in die Geschichte der Gender Studies und der Soziologie der Geschlechter eingegangen (vgl. ZIMMERMAN 1966; WEST & ZIMMERMAN 1987). <zurück>
25) Fritz SCHÜTZE (*1944) war von 1993 bis zu seiner Emeritierung 2009 Professor für Allgemeine Soziologie und Mikrosoziologie an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und Direktor des dortigen Soziologieinstituts. Sein Forschungsinteresse gilt unter anderem der Biografieforschung sowie dem professionellen Handeln. Bekannt ist er für die Entwicklung seiner Methode des narrativen Interviews (vgl. SCHÜTZE 1988). <zurück>
26) Edit KIRSCH (*1946) und Manfred AUWÄRTER (*1944) waren Mitarbeiter*in am Max-Plank-Institut zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaftlich technischen Welt in Starnberg (vgl. AUWÄRTER et al. 1976). <zurück>
27) Klaus SCHRÖTER (*1937) studierte Soziologie, Philosophie und Psychologie in Frankfurt am Main und Berlin und hat einen Arbeitsschwerpunkt in der Psychotherapieforschung (vgl. AUWÄRTER et al. 1976). <zurück>
28) Roy TURNER (1928-2017) war Professor für Soziologie an der University of British Columbia und adjunct professor für Soziologie an der York University. Sein Forschungsinteresse galt der EM, KA, Interaktion und dem trouble talk (vgl. TURNER 1974). <zurück>
29) Objektive Hermeneutik bezeichnet eine von Ullrich OEVERMANN entwickelte Methode (vgl. OEVERMANN 1972). <zurück>
30) Ulrich OEVERMANN (*1940) war von 1977 bis zu seiner Emeritierung 2008 Professor für Soziologie und Sozialpsychologie an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Er entwickelte die objektive Hermeneutik. Zu seinen weiteren Forschungsinteressen zählt die Familiensoziologie, Religionssoziologie, Wissenssoziologie, Sozialpsychologie und die Sozialisationsforschung sowie Themen wie Profession, Habitus und Sprache (vgl. OEVERMANN 1972, 2004). <zurück>
31) Als allgemeinen Überblick zur Arbeit dieses Sonderforschungsbereichs vgl. BOLTE und TREUTNER (1983). <zurück>
32) Vgl. als Überblick GÖHLICH, SCHRÖER und WEBER (2018) und speziell zum Verhältnis von Sozial- und Organisationspädagogik SCHRÖER und WOLFF (2018). <zurück>
33) John HERITAGE (*1946), Professor für Soziologie an der University of California, Los Angeles, gilt al einer der Schlüsselfiguren der Konversationsanalyse. Sein Buch "Garfinkel and Ethnomethodology" (1984) machte die Ethnomethodologie einem größeren Publikum bekannt und galt lange Zeit als die zentrale Einführung in die Ethnomethodologie. Seine Forschungsinteressen sind institutionelle Kommunikation, turn taking und epistemische Autorität (vgl. HERITAGE 1984). <zurück>
34) Michael Joseph MULKAY (*1936) war von 1973 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2001 Professor für Soziologie an der University of York. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählen die Wissens- und Wissenschaftssoziologie sowie Untersuchungen über Humor und die Reproduktionsmedizin. Er wurde von Robert K. MERTON, Karl MANNHEIM und Thomas KUHN beeinflusst (vgl. MULKAY 1985). <zurück>
35) Pierre BOURDIEU (1930-2002), einer der einflussreichsten Soziologen des 20. Jahrhunderts, war ab 1964 Professor am Collège de France in Paris und Studienleiter an der École des Hautes Études en Sciences Sociales. Seine Arbeiten behandeln Themen wie Macht und kulturelle Reproduktion, und er prägte Begriffe wie Habitus, soziales Feld und symbolische Gewalt. Im Rahmen seiner Praxistheorie redefinierte und arbeitete er zudem Konzepte wie Kapital und Klasse weiter aus (vgl. BOURDIEU (1982 [1979]). <zurück>
36) Edward Twitchell HALL (1914-2009), Anthropologe und Ethnologe, dessen Arbeitsschwerpunkte unter anderem die interkulturelle Kommunikation, die Proxemik, soziale Kohäsion und das Zeitverständnis waren (vgl. HALL 1959, 1966). <zurück>
37) Albert E. SCHEFLEN (1920-1980) war Psychiater und einer der Protagonisten im Bereich der Erforschung der Körpersprache in kommunikativen Systemen und sozialen Ordnungen (vgl. SCHEFLEN 1972). <zurück>
38) Paul DREW, Konversationsanalytiker, ehemaliger Professor in York und Gastprofessor an der Southern Denmark University, ist derzeit Professor und Direktor an der Loughborough University und Gastprofessor an der University of Huddersfield (vgl. DREW 1978). <zurück>
39) Heiko HAUSENDORF (*1959) ist Professor für Deutsche Linguistik an der Universität Zürich. Seine Forschungsinteressen umfassen Sprache, Interaktion, Kunst, Raum, Literatur und Kommunikation (vgl. HAUSENDORF 1992). <zurück>
40) Reinhold SCHMITT (*1954), Linguist und Soziologe, arbeitet am Institut für Deutsche Sprache in Mannheim. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören unter anderem die multimodale Interaktionsanalyse, Augenblickskommunikation, Raumanalyse und Praktiken (vgl. SCHMITT 2007). <zurück>
41) Siehe das Interview mit Jürgen STREECK in dieser Ausgabe der FQS (STREECK et al. 2019). <zurück>
42) Julia SCHRÖDER ist Sozial- und Organisationspädagogin und seit 2016 Post-Doc am Institut für Sozial- und Organisationspädagogik der Universität Hildesheim (vgl. SCHRÖDER 2012). <zurück>
43) James J. GIBSON (1904-1979), Psychologe, dessen Affordanz-Theorie Objekten oder der Umwelt bestimmte Eigenschaften, affordances, zuschreibt, die gewisse Handlungsräume ermöglichen. Von 1949 bis zu seiner Emeritierung 1972 war GIBSON an der Cornell University tätig (vgl. GIBSON 1973 [1966]). <zurück>
44) Die Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) ist ein aus den Science and Technology Studies (STS) hervorgegangener Ansatz, der Gesellschaft als netzwerkartig aufzufassen versteht, wobei die Elemente und Akteure der Netzwerke explizit nicht auf Menschen beschränkt gefasst werden, sondern nicht-humane Akteure eine gleichwertige Rolle zugeschrieben bekommen. <zurück>
45) Lewis Alfred COSER (1913-2003) war 66. Präsident der American Sociological Association. Von 1951 bis 1968 war er Professor an der Brandeis University, wo er das soziologische Institut gründete. Danach war er Professor an der State University of New York. Seine Arbeit bezog sich auf den Strukturfunktionalismus und die Konfliktsoziologie. Seiner Ansicht nach ist Konflikt ein entscheidendes Element für sozialen Wandel (vgl. COSER 1975). <zurück>
46) Ernest GELLNER (1925-1995), Philosoph, Soziologe, Anthropologe und Historiker, war von 1962 bis 1984 Professor für Philosophie, Logik und wissenschaftliche Methoden an der London School of Economics, danach bis 1993 Professor für Sozialanthropologie an der University of Cambridge, bis er anschließend zur Central European University in Prag wechselte. Er forschte u.a. zu den Themen Nationalismus, Islam, politische Kultur, Identität und zur sozialwissenschaftlichen Methodologie. Er wurde u.a. von Karl POPPER geprägt (vgl. GELLNER 1975). <zurück>
47) Anne Warfield RAWLS (*1950) ist Soziologin, Leiterin des GARFINKEL-Archivs und Professorin an der Bentley-University. Ihre wichtigsten Arbeiten schrieb sie zu den Themen Ethnomethodologie, Interaktion, Arbeit, Sozialtheorie, politische Philosophie, Ethik und soziale Praktiken (vgl. RAWLS 2008). <zurück>
48) Vgl. die Studie zur Emotionalität vor Gericht (WOLFF & MÜLLER 1997, S.199-211). <zurück>
49) Zu Stephan WOLFFs 65. Geburtstag haben Reinhard HÖRSTER, Stefan KÖNGETER und Burkhard MÜLLER einen Band herausgegeben, der den Titel "Grenzobjekte" trägt (vgl. HÖRSTER et al. 2013). Der Begriff der Grenzobjekte kommt von Susan Leigh STAR und James R. GRIESEMER (1989) und beschreibt Objekte, Ideen und Konzepte, die verschiedene soziale Welten miteinander verbinden resp. auf die sich verschiedene soziale Welten gemeinsam beziehen können. <zurück>
50) MAXQDA ist eine Software zur computergestützten qualitativen Daten- und Textanalyse. <zurück>
51) Vgl. ACKERMANN (2017), BÄHR (2015), BOCHMANN (2017), HECHT (2018), KOCH-STRAUBE (2002), MOHN (2002), PLITT (2013), RETTIG (2017), RÜSING (2013) und SCHÖNEFELD (2017). <zurück>
52) Clifford GEERTZ (1926-2006), Ethnologe, war Mitbegründer einer interpretativen, symbolischen Anthropologie. Er betrieb Feldforschung in Indonesien und war Professor für Anthropologie in Chicago (1960-1970) und für social science in Princeton (1970-2000). Seine Arbeitsthemen betrafen die Kulturtheorie, Rituale sowie Methodologie der Kultur- und Sozialanthropologie (vgl. GEERTZ 1983 [1973]). <zurück>
53) Vgl. MARCUS und CUSHMAN (1982). <zurück>
54) Siehe das Interview mit KNORR-CETINA in dieser Ausgabe der FQS (KNORR-CETINA, KRÄMER & SALOMON 2019). <zurück>
55) Unter dem Begriff der dependencia-Theorie verstand man einen Ansatz, der die Entwicklungsmöglichkeiten der Dritten Welt durch ihre Abhängigkeit von einer ausgewogenen Beteiligung an der Weltwirtschaft als begrenzt betrachtete. <zurück>
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Stephan WOLFF, geb. 1947, studierte von 1967 bis 1973 Soziologie und Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Dort promovierte er 1975 zum Dr. phil und habilitierte 1982 im Fach Soziologie. Von 1984 bis 2013 war er Professor am Institut für Sozial- und Organisationspädagogik an der Universität Hildesheim. Darüber hinaus war er Gastprofessor bzw. Lehrbeauftragter an den Universitäten in München, Wien und Zürich. Seine Forschungs- und Lehrschwerpunkte liegen in der angewandten Organisationswissenschaft, den Methoden und Strategien der empirischen Sozialforschung, der Evaluation und Organisationsdiagnose, der Theorie und Praxis sozialer Dienstleistungsorganisationen und der institutionellen Kommunikation; neuerdings arbeitet er über Netzwerke in der Kunst.
Kontakt:
Stephan Wolff
Falkensteinstr. 37
82467 Garmisch-Partenkirchen
E-Mail: wolff.s@t-online.de
René SALOMON, geb. 1976, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für allgemeine Soziologie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Forschungsschwerpunkte: Praxis- und Systemtheorie, Qualitative Methodologie, Wissenssoziologie und Gesellschaftstheorie.
Kontakt:
René Salomon
Lehrstuhl für Allgemeine Soziologie
Institut für Politikwissenschaft und Soziologie
Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Wittelsbacherplatz 1
97074 Würzburg
Tel.: +49 931 31 800 83
Fax: +49 931 31800830
E-Mail: rene.salomon@uni-wuerzburg.de
URL: https://www.politikwissenschaft.uni-wuerzburg.de/lehrbereiche/allgemeinesoziologie/mitarbeiter/rene-salomon/
Wolff, Stephan & Salomon, René (2019). "Wenn Ihnen der liebe Gott zwei Zehntelsekunden oder das 'Mhm' schenken würde, dann könnten Sie die Welt verändern." Stephan Wolff im Gespräch mit René Salomon [42 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 20(2), Art. 12, http://dx.doi.org/10.17169/fqs-20.2.3285.