Volume 20, No. 2, Art. 29 – Mai 2019



Rezension:

Raimund Harloff

Rudolf Schmitt, Julia Schröder & Larissa Pfaller (2018). Systematische Metaphernanalyse. Eine Einführung. Wiesbaden: Springer VS, 165 Seiten;ISBN 978-3-658-21459-3; 22,99 €

Zusammenfassung: Mit "Systematische Metaphernanalyse: Eine Einführung" legen Rudolf SCHMITT, Julia SCHRÖDER und Larissa PFALLER in zwölf Kapiteln eine didaktische Aufarbeitung der systematischen Metaphernanalyse vor. Die Autor*innen führen zunächst in die grundlegenden theoretischen Konzepte der Methode ein. Da jeder Schritt an Beispielen vorgeführt wird, ist dies auch für Einsteiger*innen in die qualitative Forschung stets nachvollziehbar. SCHMITT et al. diskutieren häufige Herausforderungen sowie Lösungsstrategien im Forschungsprozess und zeigen dabei die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten der systematischen Metaphernanalyse auf. Anschließend erläutern sie Möglichkeiten der Ergebnisdarstellung anhand von Beispielen und diskutieren Erweiterungen der systematischen Metaphernanalyse. Der Band schließt mit einer übersichtlichen Zusammenfassung der zentralen Thesen. Mit seiner klaren Struktur sowie seiner präzisen und zugleich verständlichen Sprache wird das Buch dem Anspruch an eine Einführung in die systematische Metaphernanalyse mehr als gerecht.

Keywords: systematische Metaphernanalyse; Forschungsmethode; qualitative Sozialforschung; Textanalyse

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theorie der Metaphernanalyse (Kapitel 1-4)

2.1 Metaphernbegriff und metaphorisches Konzept

2.2 Metaphern generierende Schemata

2.3 Epistemologische und begriffliche Positionen

3. Praxis der Metaphernanalyse und ihre Herausforderungen (Kapitel 5-8)

3.1 Strategien der Analyse metaphorischer Konzepte

3.2 Gütekriterien

3.3 Designs von Metaphernanalysen

4. Beispiele (Kap. 9-10)

5. Weiterentwicklungen und Zusammenfassung (Kap. 11-12)

6. Fazit

Literatur

Zum Autor

Zitation

 

1. Einleitung

Metaphern sind integraler Bestandteil sprachlicher Praxis und prägen "unsere Wahrnehmung, unser Denken, Fühlen und Handeln" (SCHMITT et al., S.V.). Daher ist die Untersuchung sprachlicher Metaphorik für die qualitative Sozialforschung ausgesprochen gewinnbringend. Unterschiedliche qualitative Methoden, die verschiedenen Forschungstraditionen entstammen und sich teils auf disparate epistemologische Grundannahmen beziehen, wenden sich dem Phänomen der Metapher zu, wie SCHMITT (2011) darstellt. [1]

Die systematische Metaphernanalyse, die auf den "Konzepten der kognitiven Linguistik" (SCHMITT et al., S.V) fußt, ermöglicht die Untersuchung des metaphorischen Gehaltes unterschiedlicher Texte auf strukturierte Weise, indem sie zu einer im wörtlichen Sinne systematischen "Wort-für-Wort-Analyse" (SCHMITT et al., S.69) von Texten anleitet mit dem Ziel, diese "in ihre metaphorischen Bestandteile" (a.a.O.) zu zergliedern. Die Methode zeichnet sich gegenüber anderen Ansätzen vor allem dadurch aus, dass die Subjektivität der Forschenden und die rahmende Metaphorik des erweiterten Forschungsfeldes reflexiv – im Sinne eines Vergleichshorizontes – einbezogen werden. Die Praxis der systematischen Metaphernanalyse gilt als anspruchsvoll, SCHMITT, SCHRÖDER und PFALLER schließen mit dem vorliegenden Band eine entsprechende didaktische Lücke. [2]

Sie beginnen mit einer Einführung in die Theorie des Metaphernbegriffes, auf dessen Grundlage sie die systematische Metaphernanalyse als qualitative Forschungsmethode verorten. Nach Klärung zentraler Begriffe und Positionen führen sie in die Forschungspraxis ein. Durchweg bleiben sie mithilfe zahlreicher eingängiger Beispiele stets anschaulich und nachvollziehbar. Praktische Strategien der Analyse werden ebenso diskutiert wie Gütekriterien der Methode und unterschiedliche Anwendungsfelder. [3]

Anschließend stellen die Autor*innen die systematische Metaphernanalyse anhand von größeren Beispielen ausführlicher vor. Hier wird nicht nur das praktische Vorgehen erneut greifbar, auch die Ergebnisdarstellung wird anhand der Beispiele erklärt. Zum Schluss werfen die Autor*innen einen Blick auf mögliche Weiterentwicklungen der systematischen Metaphernanalyse. Deren Einsatz muss keineswegs auf die qualitative Forschung begrenzt bleiben, denn es lassen sich vielversprechende Ansätze für therapeutische oder Beratungssettings ableiten. Im letzten Kapitel fassen SCHMITT et al. die wesentlichen Aspekte des Buches noch einmal übersichtlich und verdichtet zusammen. [4]

2. Theorie der Metaphernanalyse (Kapitel 1-4)

2.1 Metaphernbegriff und metaphorisches Konzept

Der Begriff der Metapher ist das epistemologische Fundament der systematischen Metaphernanalyse. Dabei beziehen sich die Autor*innen auf die Arbeiten von LAKOFF und JOHNSON und insbesondere auf deren Publikation "Metaphors We Live By", der sie folgende Definition entnehmen: "The essence of metaphor is understanding and experiencing one kind of thing in terms of another" (LAKOFF & JOHNSON 1980, S.5). [5]

Eine Metapher sei demnach definiert als "das Verstehen und Erleben eines Phänomens in Eigenschaften eines anderen" (SCHMITT et al., S.2). In dieser relationalen Definition liege eine Metapher immer dann vor, wenn "ein Wort [...] in übertragenem Sinn gebraucht wird" (a.a.O.). Diese weite Definition schließt SCHMITT et al. zufolge auch die "ganz basalen Metaphern der Alltagssprache" (a.a.O.) ein wie beispielsweise "[d]as Leben als Weg ('Sie wird ihren Weg gehen') [... oder] von Diskussionen ('treffende Argumente') als leibhafter 'Kampf'" (a.a.O.). Darin, dass diese Metaphern kommunikativ anschlussfähig sind – das heißt gesagt und verstanden werden – zeige sich, dass sie auf gemeinsamen kognitiven Strukturen aufbauen. Dies mache sich die systematische Metaphernanalyse zunutze. [6]

Der Begriff kognitive Struktur ist nach SCHMITT et al. in zweierlei Hinsicht verwirrend. Erstens sei dieser in der systematischen Metaphernanalyse, anders als in der Alltagssprache, nicht mit "bewusster Struktur" gleichzusetzen. Ganz im Gegenteil: Metaphern würden (zumeist) über unbewusste Prozesse verstanden, weshalb deren Identifikation im Forschungsmaterial durchaus herausfordernd sein könne (S.2f.). Zweitens lege der Begriff kognitiv nahe, es gehe um einen geistigen Prozess. Auch dies sei nicht gemeint. Stattdessen würden "Körper, Emotionen, Denkvorgänge, Handlungen und kulturelles Hintergrundwissen" (S.3) gleichermaßen von metaphorischen Konzepten organisiert. Metaphern würden entsprechend als "emergentes Phänomen des Austausches von Körper, sozialer und physischer Welt" (S.22) verstanden. [7]

An einigen Beispielen erklären SCHMITT et al. die beiden strukturellen Elemente einer Metapher: den metaphorischen Quellbereich und den Zielbereich: Der Quellbereich sei dasjenige Feld oder "der Erfahrungsraum" (S.3), aus dem der metaphorische Ausdruck komme. Mit Zielbereich sei das bezeichnet, worauf die Metapher im übertragenen Sinne des Wortes ziele, also der Gegenstand, das Objekt, der Prozess oder Zustand – die Autor*innen sprechen von "Phänomen" (a.a.O.) – welche der metaphorische Ausdruck näher zu beschreiben versuche. Metaphern, welche aus demselben Quellbereich stammen und sich zugleich auf denselben Zielbereich richten, ließen sich nach LAKOFF und JOHNSON (1980) in "metaphorische[n] Konzepte[n]" (SCHMITT et al., S.5) bündeln. Dieses Vorgehen helfe, "Überinterpretationen einzelner Metaphern zu vermeiden" (S.6). [8]

Nachdem der Begriff Metapher, wie ihn SCHMITT et al. verwenden, umrissen ist, blicken diese zurück auf ältere Metaphernbegriffe (S.8). Dabei machen die Autor*innen deutlich, aus welchem historischen Kontext der oben vorgestellte Metaphernbegriff der kognitiven Linguistik erwachsen ist und wie er sich von anderen aktuellen Konzepten abgrenzt. Ungeachtet aller Differenz würden Metaphern immer als essenzielle Elemente der Sprache aufgefasst, als stets, wenngleich in unterschiedlichem Maße, sozial und historisch situiert. [9]

Entsprechend sehen SCHMITT et al. den weit über die Anfänge bei LAKOFF und JOHNSON hinausgehenden Anspruch der systematischen Metaphernanalyse darin, "metaphorische Konzepte als Muster von sozial vorstrukturierten Sinnangeboten" (S.12) zu rekonstruieren. Ferner gehe es um das Verstehen von Verbindungen und Wechselwirkungen sowie von Dominanz und Unterordnung von Metaphern und metaphorischen Konzepten in unterschiedlichen Diskursen. [10]

2.2 Metaphern generierende Schemata

Im Mittelpunkt des zweiten Kapitels stehen sogenannte "Metaphern generierende Schemata" (S.15), welche, so die Autor*innen, auf basalen und früh erworbenen Wahrnehmungen beruhen. Zunächst wenden sich SCHMITT et al. dem Schema des Raumes zu. Diese orientierende Metaphorik finde sich in der Alltagssprache sehr häufig. Gemeint seien Schemata von hoch – z.B. zu finden in den Ausdrücken Hochschule, Überblick, Abheben – und tief – beispielsweise in Bezeichnungen wie niederschmettern oder down sein. Allgemein lasse sich über dieses einfache räumliche Schema sagen: "Freude und Erfolg sind 'oben', Trauer und Verlust sind 'unten'" (S.16). Auch wenn diese Metaphorik trivial anmutet, so organisiere sie sprachlich selbst komplexe und abstrakte soziale Prozesse wie Herrschaft, Macht, Anerkennung und Abwertung über die Vorstellung einer körperlichen Anwesenheit und Positionierung von Elementen des jeweiligen Phänomens. [11]

Im Zusammenhang mit dem Orientierungsschema des Objektes weisen SCHMITT et al. darauf hin, dass es sich um eine derart basale Erfahrung handele, dass deren Ausdruck in der Sprache kaum je auffalle. Umso faszinierender führen die Autor*innen dies am Beispiel des Hilfsverbs haben vor Augen. "Wenn wir vom menschlichen 'Geist' reden, den jemand 'hat', wird ein relationales Geschehen als Gegenstand verdinglicht" (S.17). Die Verdinglichung wird noch deutlicher, wenn von einem kleinen oder einem großen Geist die Rede ist oder von einem Gegenstand, der "den Geist aufgegeben" (a.a.O.) hat. [12]

Als weitere Metaphern generierende Schemata beziehen sich die Autor*innen auf die Substanz (z.B. ein wenig wärmer), den Behälter (z.B. die Integration in die Gesellschaft) und die Person (z.B. die Forderungen der Gesellschaft, als sei diese eine Person, welche Forderungen stellt). Daneben lasse sich eine potenziell nicht abschließbare Zahl weitere Schemata identifizieren. [13]

Eine zentrale Eigenschaft von Metaphern, auf welche die Autor*innen eingehen, besteht im sogenannten "hiding" (LAKOFF & JOHNSON 1980, S.10) – dem Verstecken oder Verdunkeln – und dem "highlighting" (a.a.O.) – dem Hervorheben. Während bestimmte Aspekte eines Phänomens durch einen metaphorischen Ausdruck hervorgehoben werden, verdunkele oder verdecke derselbe Ausdruck zugleich andere Aspekte des Zielbereiches. SCHMITT et al. erläutern dies am Beispiel der Metapher von der Gesellschaft als Person – metaphorisch gesprochen könne die Gesellschaft Erwartungen haben oder Anerkennung geben oder versagen (S. 24). Die Metapher reduziere "eine überfordernde Komplexität auf das begrenzte Handlungsrepertoire einer singulären Person [...]" (a.a.O.), welche in menschlichen Kategorien handele. Dies verdecke zugleich den funktionalen Sinn von Werten und Normen, die Identifikation mit ihnen sowie die Inhomogenität eines immer auch pluralen Gesellschafts-Konstruktes. [14]

2.3 Epistemologische und begriffliche Positionen

Nach SCHMITT et al. haben LAKOFF und JOHNSON metaphorische Konzepte wie naturwissenschaftliche Konstanten aufgefasst; die Forschenden als verstehende Subjekte seien hingegen weitgehend ignoriert worden. Die systematische Metaphernanalyse integriere demgegenüber die forscherische Subjektivität, wobei sie auf die Grundannahmen hermeneutischen Verstehens zurückgreife: Von GADAMER (1986 [1960]) entlehne die systematische Metaphernanalyse die "demütige Position der Interpret/innen" (SCHMITT et al., S.46), welche selbst durch methodische Kontrolle nie vollständig diejenigen Sinnzusammenhänge durchschauen könnten, in welche sie verstrickt seien. Da metaphorische Sprache im Alltag unmittelbar verstanden werde, ziele die systematische Metaphernanalyse auf eben diese (alltäglichen) Verstehensprozesse und wolle diese methodisch kontrolliert nachzuvollziehen, wobei stets plurale Lesarten und Deutungen möglich seien. [15]

Entsprechend lässt sich fragen, in welchem Verhältnis das metaphorische Konzept zu anderen Begriffen sozialwissenschaftlicher Abstraktion von Wirklichkeit steht. Die Autor*innen diskutieren dies für den Begriff des Deutungsmusters exemplarisch ausführlicher und konstatieren, dass metaphorische Konzepte über das Deutungsmuster hinaus individuelle und leibliche Erfahrungen abbildeten, welche von diesem nicht oder nur mittelbar erfasst würden. Das metaphorische Konzept erscheint SCHMITT et al. anschlussfähig für eine Vielzahl sozialwissenschaftlicher Zugänge, wobei sie raten, die methodische Integration der systematischen Metaphernanalyse passend zum Forschungsgegenstand im Einzelfall vorzunehmen. [16]

3. Praxis der Metaphernanalyse und ihre Herausforderungen (Kapitel 5-8)

Grundsätzlich biete die systematische Metaphernanalyse immer dann eine fruchtbare methodische Basis, wenn das Forschungsinteresse auf "kulturell verbreitete, sozial situierte und individuell produzierte Muster des Sprechens, Denkens, Fühlens und Handelns" (S.57) von Subjekten abziele. Zudem bilde eine "offen-entdeckende Suchrichtung" (S.61) eine Voraussetzung für ihre Anwendung. [17]

Ist die Forschungsfrage formuliert und auf dieser Grundlage die Entscheidung für die systematische Metaphernanalyse gefallen, erfolge zunächst die Entwicklung eines "kontrastierenden Hintergrundes" (S.58). Dazu werde anhand von heterogenen Materialien (z.B. Medienberichten, Protokollen etc.) die übliche Metaphorik im erweiterten Forschungsumfeld eruiert und "in Form eines Lexikons" (S.62) erfasst. Diese in ihrer Erstellung durchaus anspruchsvolle "Sammlung" (S.58) diene als "Vergleichshorizont" (a.a.O.) für die Analyse des Forschungsmaterials. [18]

In einer "Eigenanalyse" (S.57) sollen die Forschenden außerdem ihren persönlichen Metapherngebrauch anhand von Eigeninterviews oder eigenen Texten reflektieren, um so den Blick für selbstverständlich gebrauchte und damit leicht zu übersehende Metaphern zu schärfen. Darüber hinaus empfehlen die Autor*innen die weitreichende Reflexion der eigenen Positionen der Forschenden in Bezug auf das Forschungsfeld. [19]

Für die systematische Metaphernanalyse eignet sich SCHMITT et al. zufolge sämtliches schriftliche Material, wobei der Korpus aufgrund der relativ kleinteiligen Untersuchung des Textes nicht zu groß gewählt werden solle. Die Arbeit am eigentlichen Untersuchungsmaterial beginne mit der Identifikation von Metaphern in einer "Wort-für-Wort-Analyse" (S.59). Anschließend seien die Metaphern und deren unmittelbarer "Textkontext" (S.70) aufzulisten. Dabei sei es sinnvoll, sich in der Auswahl der zu analysierenden Metaphern am Zielbereich der Forschungsfrage zu orientieren. An einem Beispiel führen die Autor*innen ausgesprochen anschaulich vor, wie dieser erste analytische Schritt praktisch durchgeführt werden kann. [20]

Nach der Identifikation möglichst vieler Metaphern werde mit der Bildung metaphorischer Konzepte begonnen. SCHMITT et al. betonen, dass eine Vermischung dieser ersten beiden Schritte zu vermeiden sei: Erst im zweiten Schritt gelte es, sukzessive alle Metaphern einem übergeordneten metaphorischen Konzept zuzuordnen und damit in "einen Verweisungszusammenhang zu bringen" (S.75). Dies schütze davor, einzelne auffällige Sprachbilder überzuinterpretieren. Erst danach könne zum ersten Schritt zurückgekehrt werden, um die metaphorischen Konzepte mit bis dahin nicht aufgefundenen Metaphern aus dem verbliebenen Material anzureichern. [21]

Die im iterativen Wechsel von Induktion und Abduktion erfolgende Rekonstruktion von metaphorischen Konzepten – als "Schemata der Ordnung" (S.76) – erscheint anspruchsvoll. Erhellend ist daher, dass die Autor*innen auch diesen Schritt an Beispielen ausführlich veranschaulichen, wobei sie auf mögliche Fehler aufmerksam machen und Lösungsstrategien diskutieren. [22]

3.1 Strategien der Analyse metaphorischer Konzepte

Die systematische Metaphernanalyse endet nicht mit der bloßen Identifikation und Beschreibung metaphorischer Konzepte, diese bedürfen vielmehr der sinndeutenden Interpretation unter Einbezug ihrer "pragmatischen Kontexte" (S.81). Die "Abhängigkeit der Interpretation von Wissen und Erfahrungen des interpretierenden Subjekts ist nicht hintergehbar" (S.82). Sie müssen daher reflektiert und einbezogen werden. [23]

Die Autor*innen diskutieren dreizehn Heuristiken als "Strategien der Ergebnisgewinnung" (a.a.O.). Zwei dieser Strategien bestehen beispielsweise in der Reflexion des hervorhebenden und des verdeckenden Gehaltes metaphorischer Konzepte, also von highlighting und hiding. Eine weitere Heuristik fokussiert die vergleichende Untersuchung der Beziehungen metaphorischer Konzepte untereinander. Hier könne beispielsweise gefragt werden, inwiefern unterschiedliche metaphorische Konzepte einander im Forschungsfeld ergänzen, weil sie etwa unterschiedliche Erlebnisqualitäten abbilden. Ein anderer Ansatz bestehe in der Frage, welche (metaphorischen) Implikationen innerhalb eines Feldes auffällig vermieden werden bis hin zu der Feststellung, dass bestimmte (erwartete) metaphorische Konzepte im Material fehlen. [24]

Die hier nur exemplarisch vorgenommene Darstellung heuristischer Strategien ist im Buch für Forschende besonders nützlich, da die Autor*innen jede Heuristik anhand von Beispielen erklären und dabei auf eine Fülle von Studien zurückgreifen, in denen diese bereits praktisch angewandt wurden. [25]

3.2 Gütekriterien

Hinsichtlich der Frage der Geltungsbegründung qualitativer Forschung beziehen sich die Autor*innen zunächst auf die Kriterien der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit, der Indikation des Forschungsprozesses und der empirischen Verankerung der Theoriebildung, womit sie an Überlegungen STEINKEs (2017) anschließen. Dem Gütekriterium intersubjektiver Nachvollziehbarkeit beispielsweise werde die systematische Metaphernanalyse unter anderem dadurch gerecht, dass sie eine Selbstanalyse im Hinblick auf den eigenen Metapherngebrauch der Forschenden fordere und dazu methodisch anleite. [26]

Anschließend formulieren SCHMITT et al. spezifische Gütekriterien für die systematische Metaphernanalyse. Diese fokussieren die bereits benannten einzelnen Arbeitsschritte, so etwa die "Qualität der Identifikation von Metaphern" (S.91), die "Kohärenz, Anzahl und Sättigung der metaphorischen Konzepte" (S.92) und die "Entfaltung der Implikationen der metaphorischen Konzepte" (a.a.O.). Weitere Kriterien beziehen sich mit Blick auf die Forschung als Gesamtprozess auf die "Reflexion forschungs- und kontextbedingten Einbringens von Metaphern" (S.92), die "Triangulation mit nicht metaphernanalytisch erhobenen Befunden" (a.a.O.) oder die Forderung nach "Vollständigkeit von Erhebung, Interpretation und Präsentation" (S.93). [27]

In der systematischen Metaphernanalyse werden Reichweite und Geltungsbedingungen ausführlich reflektiert. Qualitätskriterien sind im vorliegenden Buch sowohl theoretisch begründet als auch anwendungstauglich dargestellt, wodurch diese gut auf die Forschungspraxis übertragbar sind. [28]

3.3 Designs von Metaphernanalysen

SCHMITT et al. sehen die systematische Metaphernanalyse für ein breites Spektrum unterschiedlicher Forschungsfragen und -designs im qualitativen Paradigma als geeignet an. Metaphernanalysen lassen sich zum Beispiel als Fallstudien anlegen. Dies erscheine sinnvoll, wenn etwa kulturelle Phänomene anhand ihrer Metaphorik untersucht werden sollen oder die "Metaphoriken spezifischer Gruppen" (S.96) oder von einzelnen Personen in Bezug auf ein Phänomen im Mittelpunkt des Interesses stehen. Demgegenüber könne in der Biografieforschung die individuelle "Aufschichtung von Erfahrungen" (S.97) mithilfe der systematischen Metaphernanalyse sichtbar gemacht werden. Im Rahmen von Längsschnittstudien wiederum lasse sich z.B. die Entwicklung der Metaphorik in einer sozialen Gruppe untersuchen. [29]

4. Beispiele (Kap. 9-10)

Die Ergebnisdarstellung qualitativer Forschung ist in verschiedener Hinsicht herausfordernd. Umso hilfreicher sind anschauliche Beispiele, welche die Autor*innen in den Kapiteln 9 und 10 vorstellen. Sie sollen hier auszugsweise umrissen sein. Die Beispiele beziehen sich auf unterschiedlichstes Datenmaterial (Presseartikel, Interviews, Berichte der Bundesregierung) und machen nochmals deutlich, welch breites Anwendungsspektrums die systematische Metaphernanalyse aufweist. [30]

Ein Beispiel der Autor*innen bezieht sich auf einen im Standard 2014 veröffentlichten Presseartikel mit dem Titel "Wissenschaftsrat warnt vor 'Dr. light'", in dem vor Tendenzen "einer Verwässerung der Promotion" (S.108) gewarnt worden sei. Demnach sei von einer Absenkung von Promotionsanforderungen auszugehen, wenn auch private Hochschulen und Fachhochschulen das Promotionsrecht erhielten, da diese vielfach nicht die erforderlichen wissenschaftlichen Standards erfüllten und anders als Universitäten nicht über ein "breites fachliches [...] Umfeld" (a.a.O.) verfügten. SCHMITT et al. zeigen an diesem Beispiel "wie soziale Zugehörigkeiten und Ausgrenzungen metaphorisch konstruiert und wie Wertzuweisungen vorgenommen werden" (S.110). Innerhalb eines Schemas "metaphorische[r] Verräumlichung" (a.a.O.) beschreiben sie ein metaphorisches Konzept von "hoch vs. nivelliert" (a.a.O.), also einem hohen entgegen einem flachen wissenschaftliches Niveau, welches auf eine "Grenzziehung" verweise. In der Logik dieser territorialen Metaphorik müsse "[d]as Territorium der universitären Promotion" (S.111) vor unberechtigtem Zugang mittels Grenzen geschützt werden. [31]

Die Autor*innen verorten im räumlichen Schema auch die "metaphorische Wertung" (S.111) von "[b]reit vs. nicht abdecken" (a.a.O.), "welche an einfachste körperliche Bewegungserfahrung anknüpf[t]" (a.a.O.). Die Defizitkonstruktion von schmal vs. breit verweise weiter auf die kommunikative Funktion der Metaphorik: auf hiding und highlighting. Insofern werde der Wert einer breit aufgestellten, universalistischen Wissenschaftssozialisation betont, dagegen der Aspekt verdeckt, dass eine Dissertation sich mit einer konkreten Fragestellung in deren Tiefe auseinandersetze und somit von fachlicher Vielfalt der Hochschule nur begrenzt profitieren könne. [32]

Der Frage, wie die Ergebnisse der systematischen Metaphernanalyse nachvollziehbar dargestellt werden können, widmen sich die Autor*innen anhand eines weiteren Beispiels. Sie schlagen folgende Möglichkeit vor:

Der beschriebene Vorschlag der Ergebnisdarstellung unterstreicht erneut den hohen Anspruch der systematischen Metaphernanalyse an einen selbstreflexiven und stets intersubjektiv nachvollziehbaren Forschungsprozess. [34]

5. Weiterentwicklungen und Zusammenfassung (Kap. 11-12)

Mit Blick auf den Gegenstand und den Anspruch der systematischen Metaphernanalyse tun sich über deren Einsatz als Forschungsmethode hinaus weitere Anwendungsfelder überall dort auf, wo es darum geht, implizite sprachliche Sinnkonstruktionen sichtbar und damit reflexiv zugänglich zu machen. [35]

Besonders nutzbringend erscheine dies beispielsweise in therapeutischen und beraterischen Settings, wie SCHMITT et al. im vorletzten Kapitel des Buches ausführen. In diesem Feld könne der Ansatz der systematischen Metaphernanalyse einen metakommunikativen Dialog anstoßen. Wie dies gemeint ist, verdeutlichen die Autor*innen am Beispiel des Begriffes Beratung. Dieser sei als "'leeres Konzept'" (S.134) der Kommunikation zunächst kaum zugänglich. Unter einem leeren Konzept werde ein "bildempfangende[r] Zielbereich" (a.a.O.) verstanden, "der imaginativ gefüllt wird – und zwar mit Metaphern" (a.a.O.). Was also unter Beratung im konkreten Handlungsvollzug zu verstehen sei, müsse, etwa im Prozess der Auftragsklärung zu Beginn der Beratung, Gegenstand der Aushandlung der Beteiligten sein. Die Analyse von Metaphern, welche die Beteiligten verwenden, um den abstrakten Begriff Beratung mit Inhalt zu füllen, könne helfen, diese notwendige Metakommunikation anzustoßen und zu begleiten. Dieses Prinzip lasse sich im Beratungsprozess auf weitere Begriffe anwenden, wobei es jeweils herauszuarbeiten gelte, welche Bedeutungsanteile eines Begriffes eine bestimmte Metaphorik hervorhebe und welche sie verdecke. So ließen sich mögliche Konsequenzen bestimmter Sinnzuschreibungen aufdecken und Alternativen entwickeln. [36]

Im Anschluss an diesen Exkurs enden die Autor*innen mit einer prägnanten Zusammenfassung der zentralen Aspekte des Buches. In übersichtlicher Form stellen sie die wesentlichen Charakteristika, epistemologischen Fundamente und methodische Anschlüsse der systematischen Metaphernanalyse da, wobei Verweise auf die entsprechenden Kapitel die Orientierung erleichtern. Anschließend skizzieren SCHMITT et al. noch einmal knapp "[o]ffene Horizonte der Methodenentwicklung" (S.149), welche ansonsten im Buch nur angedeutet wurden. Angesichts der skizzierten Potenziale der systematischen Metaphernanalyse z.B. für die Untersuchung visuellen Materials, von Gestik und Handlung oder von Artefakten darf man auf Weiterentwicklungen dieser dynamischen Methode gespannt sein. [37]

Der finale Abschnitt des letzten Kapitels erscheint für Einsteiger*innen in die systematische Metaphernanalyse, aber auch für Lehrende besonders nützlich. Er enthält praktische Hinweise und Online-Adressen, welche beim Erlernen der Methode und in deren Vermittlung unterstützen. [38]

6. Fazit

Der besprochene Band führt übersichtlich und kompakt in die Methode der systematischen Metaphernanalyse ein. Dabei haben sich die SCHMIDT et al. einer Herausforderung gestellt, denn bei der systematischen Metaphernanalyse handelt es sich um ein anspruchsvolles und komplexes Verfahren. Zwar finden sich unter den Publikationen von Rudolf SCHMITT durchaus bereits Texte, die sich gut als Einführung in die systematischen Metaphernanalyse eignen (exemplarisch SCHMITT 2003, 2010; SCHMITT & KÖHLER 2006). Das vorliegende Buch schließt allerdings insofern eine Lücke, als hier erstmals ausgesprochen übersichtlich und strukturiert die zentralen Konzepte der systematischen Metaphernanalyse sowohl theoretisch erklärt und in den Forschungsprozess eingeordnet als auch an Beispielen vorgeführt werden. [39]

Hervorzuheben ist aus meiner Sicht die sehr gut gelungene sprachliche Form des Textes. Die Autor*innen bedienen sich einer ausgesprochen präzisen und zugleich sehr verständlichen und eingängigen Sprache, was das Verständnis ungemein erleichtert. Auch die übersichtliche Gliederung fördert dies. So wird beispielsweise jedes der zwölf Großkapitel von einer wenige Zeilen umfassenden Inhaltsangabe und einer Zusammenfassung der wichtigsten Begriffe aus dem vorhergehenden Kapitel eingeleitet. Jedes Kapitel wird zudem mit einer praktischen Aufgabe abgeschlossen. Kernsätze sind durch ein Pfeilsymbol hervorgehoben. Die Überschriften sind durchweg aussagekräftig gewählt. Die Unterkapitel sind zusätzlich durch Absatzüberschriften gegliedert, was die inhaltliche Orientierung unterstützt. Dies macht das vorliegende Werk aus meiner Sicht sowohl als didaktischen Leitfaden für Lehrveranstaltungen als auch für Einsteiger*innen zum Selbststudium besonders geeignet. Als vertiefende Literatur sei auf die Habilitationsschrift von Rudolf SCHMITT (2017) mit dem Titel "Systematische Metaphernanalyse als Methode der qualitativen Sozialforschung" hingewiesen. [40]

Literatur

Gadamer, Hans Georg (1986 [1960]). Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik. Gesammelte Werke Band 1. Tübingen: Mohr

Lakoff, George & Johnson, Mark (1980). Metaphors we live by. Chicago, IL: The University of Chicago Press.

Schmitt, Rudolf (2003). Methode und Subjektivität in der Systematischen Metaphernanalyse. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 4(2), Art. 41, http://dx.doi.org/10.17169/​fqs-4.2.714 [Zugriff: 3. Mai 2019].

Schmitt, Rudolf (2010). Metaphernanalyse. In Günter Mey & Katja Mruck (Hrsg.), Handbuch Qualitative Forschung in der Psychologie (S.676-691). Wiesbaden: Springer VS.

Schmitt, Rudolf (2011). Review Essay: Rekonstruktive und andere Metaphernanalysen. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 13(1), Art. 2, http://dx.doi.org/10.17169/​fqs-13.1.1767 [Zugriff: 3. Mai 2019].

Schmitt, Rudolf (2017). Systematische Metaphernanalyse als Methode der qualitativen Sozialforschung. Wiesbaden: Springer VS.

Schmitt, Rudolf & Köhler, Bettina (2006). Kognitive Linguistik, Metaphernanalyse und die Alltagspsychologie des Tabakkonsums. Psychologie und Gesellschaftskritik, 30(3/4), 39-64.

Steinke, Ines (2017). Gütekriterien qualitativer Forschung. In Uwe Flick, Ernst von Kardorff & Ines Steinke (Hrsg.), Qualitative Forschung. Ein Handbuch (S.319-331). Reinbek: Rowohlt.

Zum Autor

Raimund HARLOFF (M.A.) hat Soziale Arbeit in Neubrandenburg, Bern und Leipzig studiert. Aktuell arbeitet er an seiner Promotion im Fach Soziologie an der Technischen Universität Dresden und der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) Leipzig, wobei er unter anderem die systematische Metaphernanalyse verwendet. Das Promotionsprojekt zum Thema "Konstruktion unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge durch deren institutionelles Betreuungsumfeld" wird von der Europäischen Union und dem Land Sachsen gefördert.

Kontakt:

Raimund Harloff

Technische Universität Dresden
Philosophische Fakultät
Institut für Soziologie
01062 Dresden

Tel.: +49 351 463-33873
Fax: +49 351 463-37113

E-Mail: raimund.harloff@tu-dresden.de
URL: https://tu-dresden.de/gsw/phil/iso/skq/die-professur/beschaeftigte

Zitation

Harloff, Raimund (2019). Rezension: Rudolf Schmitt, Julia Schröder & Larissa Pfaller (2018). Systematische Metaphernanalyse [40 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 20(2), Art. 29, http://dx.doi.org/10.17169/fqs-20.2.3296.

Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research (FQS)

ISSN 1438-5627

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