Volume 9, No. 1, Art. 37 – Januar 2008
Programmanalysen und ihre Bedeutung für pädagogische Forschung
Bernd Käpplinger
Zusammenfassung: Die in der Weiterbildungsforschung sehr verbreiteten Programmanalysen werden eingehend erläutert. Bestehende Datenbestände, Forschungsthemen und methodische Ansätze qualitativer, quantitativer und kombinierender Art werden aufbereitet. Dabei werden drei Typen von Programmanalysen beispielhaft erläutert. Der Artikel endet mit einer Diskussion der Vor- und Nachteile von Programmanalysen in Abgrenzung zur Befragung. Im Fazit werden zukünftige Entwicklungslinien und Herausforderungen skizziert und Anregungen für die weitere Entwicklung von Programmanalysen unterbreitet.
Keywords: Programmanalyse, Weiterbildungsforschung, Methodenintegration, qualitative Forschung, quantitative Forschung
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Programme in der Weiterbildung
3. Programme in der Weiterbildungsforschung
3.1 Datenbestände
3.2 Forschungsgegenstände von Programmanalysen
3.3 Methodische Zugänge von Programmanalysen
3.4 Typen von Programmanalysen
3.5 Probleme und Vorzüge von Programmanalysen
4. Fazit
Die Programmanalyse hat das erwachsenenpädagogische Spezifikum "Programm" zum Untersuchungsgegenstand und versucht so, Ausschnitte der Weiterbildungspraxis zu erschließen. Programmanalysen können qualitativ, quantitativ oder Methoden kombinierend angelegt sein. Sie sind methodische Ansätze, die sich über die Datensorte "Programm" bestimmen und sich unterschiedlicher Verfahren bedienen. Zur Inhaltsanalyse bestehen große Ähnlichkeiten. [1]
Dieser Beitrag soll dazu anregen, Programmanalysen methodisch näher zu beschreiben und zu charakterisieren. Der Austausch und die Diskussion innerhalb der Erwachsenenpädagogik und zwischen verschiedenen Disziplinen kann dabei anregend wirken, um disziplinspezifische Anwendungen von Methoden wie der Inhaltsanalyse zu hinterfragen und damit letztlich näher zu präzisieren hinsichtlich ihres Vorgehens, ihrer Probleme und ihrer Erkenntnisgewinne. Vielleicht kann auch ein Austausch darüber angeregt werden, wie Methoden wie die Inhaltsanalyse in verschiedenen Disziplinen angewendet werden. [2]
2. Programme in der Weiterbildung
In Programmen veröffentlichen Weiterbildungseinrichtungen ihr Angebot an Kursen und sonstigen Dienstleistungen. Im Schulbereich kennt man Curricula oder Rahmenlehrpläne, aber in der Regel keine öffentlichen Ankündigungen von Unterrichtsangeboten. Dabei teilen Lehrpläne und Weiterbildungsprogramme die Gemeinsamkeit, "dass beide eine zentrale Steuerungsfunktion für den jeweiligen Bildungsbereich übernehmen" (HENZE 1998, S.37). NOLDA (2003, S.212) beschreibt Weiterbildungsprogramme wie folgt:
"Unter Programmen werden Texte verstanden, die das aktuelle Veranstaltungsangebot einer öffentlich geförderten Einrichtung, eines kommerziellen Anbieters oder eines Betriebes enthalten. Solche in Form von gedruckten Broschüren, Handzetteln oder Anzeigen vorliegenden bzw. im Internet abrufbaren Texten dienen originär der Information für Interessenten, die sich auf Grundlage der angegebenen Daten allgemein über das Angebot entscheiden können. Es handelt sich also um kurzfristige Gebrauchstexte, die schon bald nach ihrem Erscheinen nicht mehr ihren eigentlichen Zweck erfüllen." [3]
Programme dienen demnach zur Information über das Angebot von Weiterbildungseinrichtungen und richten sich primär an Bildungsinteressierte. Diese können Angaben zu Dozent(in), Thema, Ort, Zeit, Kosten, Ablauf, Methodik oder Lernzielen finden. Programme und ihre Ankündigungstexte können als ein "Medium der Bildungswerbung" (HENZE 1998, S.37) und somit als ein Marketinginstrument begriffen werden, da sie oftmals den ersten Berührungspunkt zwischen Teilnehmer(inne)n und Institution darstellen (s. NUISSL & VON REIN 1995). Weiterbildungseinrichtungen versuchen, mit Programmen Bildungsinteressierte zu Bildungsteilnehmer zu machen. [4]
3. Programme in der Weiterbildungsforschung
Der Zugang zu Programmen kann zum einen über das Anschreiben von Bildungseinrichtungen erfolgen. HENZE (1998) hat zum Beispiel Weiterbildungseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen angeschrieben und um die Übersendung ihrer Programme gebeten. Historische Forschungsarbeiten haben Stadt-/Staatsarchive genutzt, um Programme der Volkshochschule Dresden zwischen 1945 und 1997 auszuwerten (z.B. GIESEKE & OPELT 2003). Es gibt aber zum anderen Programmarchive in der Weiterbildung, in denen Programme von Weiterbildungseinrichtungen kontinuierlich über längere Zeiträume gesammelt werden. Folgende großen Programmarchive sind in der deutschen Weiterbildungsforschung bekannt:
Archivierende Institution |
Bestand |
Erfassungszeitraum |
Ansprech-partnerin |
Deutsches Institut für Erwachsenenbildung in Bonn (DIE)
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Ausschließlich Volkshochschulen (knapp 800), ca. 51.000 Programme (Stand Frühsemester 20041)) |
1946-2004, teilweise auch 1930er Jahre, 2003/2004 wurde die Sammlung gedruckter Programme eingestellt. Seitdem wird an einer elektronischen Version gearbeitet. |
heldt@die-bonn.de |
Humboldt-Universität zu Berlin (HU)
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Breites Spektrum an Weiterbildungseinrichtungen ohne Anspruch auf Vollständigkeit, Programme von ca. 370 Einrichtungen in Berlin und ca. 200 in Brandenburg. |
Seit 1990 bis heute (laufende Ergänzung). Größere Vollständigkeit ab 1995. |
heidi.raczek@rz.hu-berlin.de
|
Tabelle 1: Programmarchive in Deutschland [5]
Diese Programmarchive können für Recherchen und Analysen genutzt werden (s. auch RACZEK 2001, 2004). So sind viele Programmanalysen im Umfeld des DIE Bonn und der HU Berlin entstanden (z.B. KADE 1992; TIETGENS 1994, 1998; HEUER & ROBAK 2000; GIESEKE & OPELT 2003; KÄPPLINGER 2007). Warum werden Programme in der Weiterbildungsforschung gesammelt und ausgewertet? Die Einrichtungen, welche die Archive führen, begründen dies wie folgt:
"Als mit Unterstützung des Bundes 1957 das Institut als Pädagogische Arbeitsstelle des Deutschen Volkshochschul-Verbandes (DVV) gegründet wurde, führte der Bedarf der Volkshochschulen und ihrer Landesverbände nach einem systematisierenden Überblick über das Angebot und seine Entwicklung sehr schnell zu dem Entschluß, eine Sammlung der Volkshochschul-Programme aufzubauen." (PEHL 1998, S.11)
"Programmanalysen (...) können als historisches Dokument hilfreich sein. Dies gilt insbesondere deshalb, weil unsere Kenntnis der Geschichte meist von einer theorisierenden Literatur abgeleitet ist." (TIETGENS 1998, S.63)
"Die Untersuchung und ihre Ergebnisse waren von besonderer Bedeutung, weil sie auf eine Diskrepanz zwischen der damals in der Literatur vertretenen Selbstdarstellung und der Realität des Angebots aufmerksam machten." (TIETGENS 1998, S.64 zur ersten Programmanalyse von 1965)
"Ständig kommen neue Einrichtungen mit ihren Programmen hinzu, andere fallen weg, da sie durch Umstrukturierung in anderer Form vorhanden sind, oder gänzlich aufgehört haben zu existieren. Die Daten werden in einer Datenbank erfasst und gepflegt (...) Das Archiv kann unter dem Aspekt des Vergessens zu einem Gedächtnis für die Entwicklung der Weiterbildungslandschaft werden." (HUMBOLDT-UNIVERSITÄT ZU BERLIN 2007) [6]
Die Archivierung von Programmen hilft dabei, die fluide und flexible Weiterbildungslandschaft zu dokumentieren. Es gibt große Defizite in der Weiterbildungsstatistik und es ist in Vergangenheit und Gegenwart zu beobachten, dass Bildungsprogrammatik und Bildungspraxis auseinanderklaffen. Die Analyse von Programmen erlaubt es, sich Einblicke in die Bildungspraxis zu verschaffen. Aus analytischer Sicht sind Programme mehr als Werbetexte: "Ein Programm ist der zeitgeschichtlich materialisierter Ausdruck gesellschaftlicher Auslegung von Bildung. Es ist beeinflusst durch bildungspolitische Rahmung, nachfragende Teilnehmer/innen und gefiltert durch professionell Handelnde. Über das Programm repräsentiert sich die Institution" (GIESEKE & OPELT 2003, S.46). Nach diesem Verständnis haben professionell Handelnde (Programmplaner[innen], Dozent[inn]en, Einrichtungsleiter[innen], etc.) eine Schnittstellenposition inne. Sie müssen immer wieder eine Balance zwischen "Angebot, Nachfrage, Finanzierung und institutionellem Selbstverständnis in Form eines Programms" (ebenda, S.45) finden. Jedes Programm ist eine dokumentierte "Momentaufnahme" (KÖRBER et al. 1995, S.10) in einem langfristigen Prozess, in dem sich Angebot und Bildungsinteressierte wechselseitig beeinflussen. Es ist "öffentlich dokumentiertes Ergebnis programmplanerischen Handelns" (HENZE 1998, S.36-37). Manche Kurse werden nicht (mehr) besucht und dann aus dem Programm genommen. Neue Kurse werden lanciert, gut angenommen und dann vermehrt angeboten. Programmbereiche schrumpfen oder wachsen. Jedes Programm ist somit sowohl Ergebnis vergangener Anpassungsprozesse zwischen Angebot und Nachfrage als auch Entwurf für zukünftige Programme. In Programmen drücken sich die Erfahrungen der anbietenden Einrichtungen aus. Dabei wird deutlich, mit welchem Profil und mit welchen Konzeptionen sie sich auf dem Weiterbildungsmarkt platzieren wollen. Sie sind hierbei nicht autonom, sondern sie bewegen sich in einem gesellschaftlichen und politischen Raum. Programme spiegeln einen Teil "gesellschaftlicher Realität wider" (GIESEKE & OPELT 2003, S.45). "In der Gesamtheit zeigen sie das, was aus Sicht der anbietenden Weiterbildungsinstitutionen als 'Fragen der Zeit' angesehen werden" (HENZE 1998, S.37). [7]
3.2 Forschungsgegenstände von Programmanalysen
In der Erwachsenenbildungs-/Weiterbildungsforschung werden Programmanalysen seit circa 40 Jahren durchgeführt, wenn man die Analyse von Arbeitsplänen2) als Vorform der Programmanalysen verstehen will (vgl. PEHL 1998, S.45-49; TIETGENS 1998, S.63). Seit den 1990er Jahren wurde die Programmanalyse häufig eingesetzt (s. u.a. KADE 1992; TIETGENS 1994; KÖRBER et al. 1995; CIUPKE & REICHLING 1996; HENZE 1998; HEUER & ROBAK 2000; BORST & MAUL 2001; GIESEKE & OPELT 2003; VENTH 2006; KÄPPLINGER 2007). [8]
Da mit Programmanalysen die Scharnierstelle zwischen Institution, Profession, Angebot und Nachfrage erforscht werden kann, können mit ihnen diverse Forschungsfragen bearbeitet werden. Es werden
Themen (Aufarbeitung des Nationalsozialismus, Ökologie, etc.),
Fachbereiche (berufliche Bildung, Sprachenbildung, etc.),
Zielgruppen (Frauen, ältere Menschen, etc.),
Regionen (Stadt, Bundesland, etc.) oder
Institutionen (Volkshochschulen, konfessionelle Träger, etc.) untersucht. [9]
Umfassendere Überblicke zu Beispielen aus der Forschung liegen von NOLDA (2003, S.215) und PEHL (1998, S.45-49) vor. Programmanalysen können als explorative, Teil- oder Vollerhebungen durchgeführt werden. Im Folgenden werden vier Forschungsfelder zusammenfassend skizziert, in denen die Programmanalyse bislang besonders häufig und erfolgreich eingesetzt worden ist. [10]
Die Erforschung und Weiterentwicklung pädagogischer Professionalität ist ein zentrales Forschungsthema von GIESEKE (2000; siehe auch GIESEKE & OPELT 2003). Bei diesem Zugang wird die Programmanalyse eingesetzt, um professionelles Programmplanungshandeln zu untersuchen. Dieses Handeln entwickelt sich im Wechselspiel mit der Nachfrage und unterliegt vielfältigen Einflüssen. Die Programmplaner(innen) zeichnen als "Seismographen" gesellschaftliche Entwicklungen (Trends, Arbeitsmarktsituation, regionale Umfelder, Parteien, Forschung, Wirtschaftsunternehmen, andere Weiterbildungseinrichtungen, Medien oder Vereine) bei ihrem bildungsplanerischen Handeln nach (s. GIESEKE & OPELT 2003, S.330). Gesellschaftliche Thematiken werden in Bildungsangebote überführt und dadurch bearbeitbar. Es ist ein Angleichungshandeln, mit dem eine Abstimmung zwischen Angebot und Nachfrage erfolgt, was letztlich zu dem konkreten Bildungsangebot führt. Mit Programmanalysen können die schriftlichen (Zwischen-) Ergebnisse dieser Abstimmung und pädagogische Professionalität untersucht werden. [11]
Auch der Exploration von regionalen Angebotsstrukturen können Programmanalysen dienen. Die Studie von KÖRBER et al. (1995) ist dafür das beste Beispiel. Der bildungspolitische Auftrag der Studie lag in der Analyse des vorliegenden Programmangebotes, um über das Weiterbildungsangebot in Bremen insgesamt Näheres zu erfahren und umfassende Informationen für bildungspolitische Entscheidungen zur Verfügung zu stellen. Gemäß den Autor(inn)en wurde auf eine Befragung verzichtet, weil anbietende Einrichtungen sowie deren Programme und darin angesammelte Einzelerfahrungen differenziert erfasst sowie Daten über künftiges Nachfrageverhalten gewonnen werden sollten (ebenda, S.3f,). Der Einsatz von Programmanalysen zum Erstellen von Prognosen verweist darauf, dass Programme Entwürfe zukünftiger Programme bereits beinhalten. Etablierte Kursangebote werden weitergeführt, solange sie weiterhin erfolgreich sind bzw. eine Finanzierung vorhanden ist, und erfolgreiche innovative Kursangebote können zu etablierten Angeboten werden. [12]
HENZE (1998) nahm eine themenbezogene Untersuchung vor. Sie untersuchte die ökologische Weiterbildung in Nordrhein-Westfalen, insoweit stand bei ihr die Angebotsstruktur eines Themenbereichs im Mittelpunkt des Interesses. Ähnliche Studien liegen von TIETGENS (1994) zum Psychologieangebot an Volkshochschulen oder von KADE (1992) zur Altersbildung vor. KADE (1992) und HENZE (1998) haben ihre Programmanalysen mit Experteninterviews zu den Programmen zu einem Verfahren der "Methodentriangulation" (vgl. Mayring 2001) ausgebaut. Datenanalyse zu den Programmen werden hier mit den Sichtweisen und Interpretationen von Programmplaner(inne)n verschränkt. [13]
HEUER und ROBAK (2000, S.115ff.) haben mittels Programmanalysen institutionelle Angebotsprofile konfessioneller Weiterbildungsträger zwischen 1986 und 1996 verglichen. Ein ähnliches Vorgehen haben GIESEKE und OPELT (2003) gewählt, um die Entwicklung der Volkshochschule Dresden zwischen 1945 und 1997 nachzuzeichnen. Bei beiden Untersuchungen standen jeweils die institutionellen Charakteristika und deren Entwicklung über einen längeren Zeitraum im Vordergrund. [14]
Insgesamt zeigt sich, dass sich Programmanalysen unterschiedlicher Forschungsdesigns bedienen können. Letztendlich bewegen sie sich zwischen Institutionen, pädagogischer Professionalität und Teilnehmer(inne)n. Ihre Scharnierstellenfunktion macht sie interessant für vielfältige Untersuchungsanliegen und Forschungsfragen. [15]
3.3 Methodische Zugänge von Programmanalysen
Programmanalysen können qualitativ und/oder quantitativ angelegt sein. So kann beispielsweise der Sprachgebrauch in den Programmen semantisch, verwendete Symbole/Logos können semiotisch oder Unterrichtsstunden/Veranstaltungszahlen statistisch ausgewertet werden. Bei der eher quantitativen Variante der Programmanalyse lesen Kodierer(innen) die einzelnen Ankündigungstexte eines Programm durch. Dabei werden mit Hilfe eines Kodebuchs Kodierungen vorgenommen und statistisch ausgewertet. Leider gibt es hier eine Begriffsverwirrung, weil solche Kodebücher einmal mit "Thesaurus" (KÖRBER et al. 1995), einmal mit "Schlüsselsystematik" (GIESEKE & OPELT 2003) und einmal mit "Kodebuch" (HENZE 1998) bezeichnet werden. Hier wäre es hilfreich und methodisch sauberer, wenn man sich über eine einheitliche Begriffsverwendung verständigen könnte. [16]
Bei der qualitativen Variante der Programmanalyse werden Textauszüge, Logos oder Bilder interpretiert. Für NOLDA (2003, S.220)ist die Programmanalyse "ein wichtiger, aber vernachlässigter Bereich qualitativer Forschung". In den Sozialwissenschaften ist die Inhaltsanalyse bekannt, die Ähnlichkeiten mit der Programmanalyse aufweist (vgl. WIRTH & LAUF 2001). Die Inhaltsanalyse wurde Anfang des 20. Jahrhunderts in den USA entwickelt und diente der systematischen Auswertung von Alltagstexten wie Zeitungsartikel oder Radioreportagen der sich entfaltenden Massenmedien (vgl. MERTEN 1983, S.35ff.; NOLDA 1998, S.165ff.). Anfänglich wurden dabei primär quantitative Verfahren eingesetzt: Es wurden Häufigkeitsanalysen durchgeführt, wie oft und in welchen Zeitungen bestimmte politische Parteien genannt wurden. Bei Valenz- und Intensitätsanalysen wurden Zeitungsbeiträge auf einer vorgegebenen Skala zwischen politisch-links und -rechts eingeordnet und ausgezählt. Inwiefern bei Beschreibungen von Politiker(inne)n positive oder negative Begriffe verwendet wurden, wurde bei Kontingenzanalysen analysiert. Diese Vorgehensweise rief die Kritik hervor, dass bei einer sehr technischen, auf das bloße Auszählen fixierten Methodik latente Sinnstrukturen und Textkontexte vernachlässigt werden. Insgesamt wurde ein Mangel an linguistischer Fundierung, Systematik und Überprüfbarkeit angemahnt (vgl. MAYRING 1991, S.209). In Deutschland setzte RITSERT (1972) qualitative Inhaltsanalysen zuerst ein, die sich in den 1970er und 1980er Jahren zu einer etablierten Methode in den Sozialwissenschaften entwickelten. MAYRING (2001) plädiert für ein primär qualitatives Vorgehen, das quantitative Elemente mit einbezieht. [17]
Es ist wichtig festzuhalten, dass mit Programm- und mit Inhaltsanalysen sowohl qualitative, quantitative als auch kombinierte Verfahren gemeint sein können. In Auseinandersetzung mit der allgemeinen Methodendiskussion betrachtet NOLDA die Programmanalyse als "Misch- und Übergangsform" und ist gegen eine "Gegenüberstellung von quantitativer und qualitativer Forschung" (NOLDA 1995, S.144). Sie kann sich in diesem Zusammenhang eine "Zusammenführung qualitativer und quantitativer Zugänge innerhalb ein und derselben Untersuchung" vorstellen (ebenda; siehe auch TIETGENS 1998, S.68). NOLDA skizziert mit Verweis auf MAYRING (2000) ein dreistufiges Verfahren, das durch einen qualitativen Zugang Analysekategorien entwickelt, in der mittleren Phase der Datengewinnung und -zuordnung die erhobenen Daten misst und in der letzten Phase die Ergebnisse auf die Fragestellung rückbezieht und qualitativ interpretiert (vgl. NOLDA 1998, S.166f.) Generell beschreibt NOLDA vier mögliche Zugänge für Programmanalysen: semiotisch-textanalytische, strukturalhermeneutische, diskursanalytische und inhaltsanalytische. Insbesondere bei der Inhaltsanalyse, der sie z.B. die Bremer Studie von KÖRBER et al. (1995) zuordnet, rät sie dazu, qualitative und quantitative Verfahren zu kombinieren. NOLDAs Kritik, dass verschiedene Forscher(innen) z.T. ähnliche Vorgehensweisen einmal als qualitativ und einmal als quantitativ einstufen (NOLDA 1998, Fußnote 11, S.166), ist ein Hinweis darauf, dass eine genauere Bestimmung der Programmanalyse in der Methodenliteratur noch aussteht. Darum werde ich mich im Folgenden um eine Typenbildung bemühen. [18]
3.4 Typen von Programmanalysen
Folgende drei Hauptstränge in der Verwendung der Programmanalyse gibt es in der Weiterbildungsforschung:
|
Typ 1: Qualitative Verfahren |
Typ 2: Qualitativ-quantitative Verfahren |
Typ 3: Triangulation von qualitativ-quantitativen mit weiteren qualitativen und/oder quantitativen Verfahren |
Vorgehen |
Arbeitsschritte entsprechend der unterschiedlichen Standards verschiedener qualitativer Verfahren (vgl. NOLDA 1998): semiotisch-textanalytisch, strukturhermeneutisch, diskursanalytisch, inhaltsanalytisch. Gegenstand der Analyse können sowohl der Text, der Aufbau des Programmhefts, als auch Symbole, Logos oder Grafiken sein. |
Schritt 1: Kodierung Kodierung von Programmen anhand eines Kodebuchs. Textanalyse ist qualitativ interpretierend angelegt. Schritt 2: Datenprüfung Datenüberprüfung, Rückfragen bei Anbietern; Diskussion, Entscheidung, Dokumentation strittiger Fälle Schritt 3: Analyse Aufbereitung der Ergebnisse in quantifizierbarer Form. Interpretation der Ergebnisse unter Verwendung qualitativer Gesichtspunkte. |
Schritt 1: Kodierung Kodierung von Programmen anhand eines Kodebuchs. Textanalyse ist qualitativ interpretierend angelegt. Schritt 2: Datenprüfung Datenüberprüfung, Rückfragen bei Anbietern; Diskussion, Entscheidung, Dokumentation strittiger Fälle Schritt 3: Analyse Aufbereitung der Ergebnisse in quantifizierbarer Form. Interpretation der Ergebnisse unter Verwendung qualitativer Gesichtspunkte Schritt 4: Triangulation Interpretation und Verschränkung der Ergebnisse unter Verwendung weiterer Methoden (z.B. Fragebogen an Anbieter, Sekundäranalyse von Teilnahmestatistiken, Dokumentenanalyse, Experteninterviews), etwaige Revision von Ergebnissen Schritt 5: Endanalyse Aufbereitung der Ergebnisse in quantifizierbarer Form. Interpretation der Ergebnisse unter Verwendung qualitativer Gesichtspunkte und weiterer Methoden. |
Beispiele |
NOLDA (1998); SCHRADER (2003) |
TIETGENS (1994); KÖRBER et al. (1995), KÄPPLINGER (2007) |
KADE (1992); HENZE (1998); GIESEKE (2000); HEUER und ROBAK (2000); GIESEKE und OPELT (2003) |
Tabelle 2: Typen von Programmanalysen [19]
Auf keinen Fall sollte diese Tabelle den Eindruck entstehen lassen, dass eine von links nach rechts aufsteigende Wertigkeit der Analysen besteht. Die Untersuchungen dienen unterschiedlichen Forschungsfragen und sind in unterschiedlichen Zusammenhängen entstanden und insofern nicht vergleichbar. Trotzdem kann festgehalten werden, dass die Daten-Triangulation bei Typ 3 sehr ressourcenaufwändig ist, wenn sie methodisch anspruchsvoll durchgeführt ist. Dies ist eigentlich nur im Rahmen eines größeren Forschungsteams und kaum in Form einer Einzelarbeit zu leisten (vgl. hierzu KÄPPLINGER 2007, S.212f.). Der Unterschied zwischen Typ 2 und Typ 3 besteht darin, dass bei Typ 3 die Ergebnisse der Programmanalyse eine "Perspektivverschränkung" (GIESEKE 1985, 2000) mit anderen Methoden ähnlich dem "Triangulationsmodell" (MAYRING 2001) erfahren. Der von GIESEKE in die Erwachsenpädagogik eingeführte Begriff der Perspektivverschränkung verweist dabei auf verschiedene Betrachtungsperspektiven, die man auf einen Lehr-/Lernprozess und pädagogischen Planungsprozess haben kann. HENZE (1998) hat zum Beispiel zusätzlich zu einer Programmanalyse eine schriftliche Befragung von Weiterbildungsanbietern und qualitative Experteninterviews durchgeführt; u.a. um Informationen über den Kursausfall zu erhalten. GIESEKE und OPELT (2003) haben u.a. zusätzlich zu den Programmen Statistiken von Teilnehmer(inne)n ausgewertet sowie Experteninterviews und Videoanalysen durchgeführt (s. auch GIESEKE 2000; HEUER & ROBAK 2000). Natürlich werden auch bei Typ 2 der Programmanalyse deren Ergebnisse jeweils in Beziehung gesetzt zu anderen empirischen Befunden. Typ 3 zeichnet sich aber dadurch aus, dass eine weitere Methode im Forschungsprozess eingesetzt und systematisch mit anderen im Verlauf der Programmanalyse verschränkt und kombiniert wird. [20]
Wichtig ist zudem anzumerken, dass in dieser Tabelle der Kodierprozess vereinfacht dargestellt wird. Es müsste beispielsweise noch zwischen induktiver und deduktiver Kategorienbildung differenziert werden (vgl. MAYRING 2001). Die Kategorien können zum einen anhand der Programme nach und nach gebildet und revidiert werden. Zum anderen kann die Analyse der Programme mittels eines mehr oder minder aus der Theorie abgeleiteten Kategoriengerüst erfolgen. Auf jeden Fall ist die Phase der Kodierung enorm bedeutsam, da hier Informationen aus den Programmen in ein Kodiersystem gebracht werden. Bei der Umwandlung von langen Texten in einstellige oder zweistellige Zahlensysteme gehen natürlich Informationen durch die Abstrahierung verloren. Dies muss sowohl bei der Kodierung als auch bei der Endanalyse beachtet werden, um keine Artefakte zu produzieren, die bei der Interpretation negativ durchschlagen. Insofern ist die Phase der Datenprüfung sehr wichtig, um die Aussagekraft und die Qualität der Daten sicherzustellen. Eine Kontextualisierung der Daten ist unerlässlich. [21]
Bei Typ 1 kann eine Vielfalt von qualitativen Verfahren eingesetzt werden. NOLDA (1998) bietet einen guten Überblick, es sind aber sicherlich noch weitere Verfahren einsetzbar. Auch ist denkbar, dass verschiedene qualitative Verfahren in einem Forschungsprojekt miteinander kombiniert werden. Insofern muss Triangulation nicht nur die Kombination qualitativ-quantitativ, sondern kann auch qualitativ-qualitative Kombinationen bedeuten. [22]
3.5 Probleme und Vorzüge von Programmanalysen
Programmanalysen haben Vor- und Nachteile. Ein struktureller Nachteil liegt darin, dass der Kursausfall nur schwer methodisch berücksichtigt werden kann.3) Schätzungen zu Veranstaltungsausfällen rangieren von 5-10% Prozent (NOLDA 2003, S.217), über 21% (s. KÖRBER et al. 1995, S.8) bis hin zu 30%4). Bezogen auf die Unterrichtsstunden gehen KÖRBER et al. (1995, S.8) von einer Ausfallquote von 12% aus. Ein weiteres Problem ist, dass nicht jede Einrichtung über ein Programm verfügt. Manche Angebote werden kurzfristig angeboten ("just-in-time") und nicht kursförmig ausgeschrieben. Angekündigte Veranstaltungen erfahren kurzfristige Veränderungen. Programme von kleinen Anbietern sind oftmals nur schlecht zugänglich oder bestehen aus einzelnen Handzetteln. Dies kann einen Größenbias im Datensample in Bezug auf die Weiterbildungsanbieter erzeugen und muss kontrolliert werden. Manche Einrichtungen stellen ihre Programme nur noch ins Intra- oder Internet. [23]
Kritisiert wird auch, dass die durch Programmanalysen erhobenen Daten schlecht nachgeprüft werden können. NOLDA (2003, S.220) spricht in diesem Zusammenhang davon, dass Programmanalysen "anfällig für Instrumentalisierungen" seien und "manche Autoren die Chance wahrnehmen, – empirisch abgestützt – das zu sagen, was sie schon immer gesagt haben oder sagen wollten" (ebenda, S.224). Diese Kritik gilt aber sicherlich nicht nur für Programmanalysen. Auch bei Befragungen kann z.T. kaum oder gar nicht nachvollzogen werden, auf welchen Fragestellungen und welchen Auswertungen Prozentwerte basieren. Nichtsdestoweniger gilt bei Programmanalysen die (allgemeine) Anforderung, dass Vorgehensweise und Kategorienbildung nachvollziehbar sein muss. In der Konsequenz sind die folgende Qualitätskriterien für Programmanalysen zu formulieren: vor der Auswertung das methodische Setting erläutern, bei der Auswertung auf Erhebungsprobleme eingehen und im Resümee eine Methodenreflexion durchführen (vgl. KÄPPLINGER 2007). [24]
Wird der Vergleich zwischen Programmanalysen und Befragungen fortgeführt, sind weitere Vor- und Nachteile von Programmanalysen erkennbar. Bei der Datenerhebung hat die Programmanalyse den Vorteil, dass – wenn Zugang zu einem Programmarchiv gesichert ist –nicht wie bei Befragungen mit den Unwägbarkeiten des Rücklaufs gerechnet werden muss. Wer kritisiert, dass ca. 20% der ausgeschriebenen Veranstaltungen nicht stattfinden, muss auch kritisieren, dass bei Befragungen die Rücklaufquoten oftmals unter 30% liegen, was zu selektiven Datensätzen oder umfangreichen Imputationen führen kann.5) Zudem ist der Aufwand, ein Programm Forschenden zur Verfügung zu stellen, für viele Weiterbildungseinrichtungen in der Regel geringer als einen Fragebogen auszufüllen. [25]
Ein weiterer Vorteil von Programmanalysen ist darin zu sehen, dass bei der Datensammlung Missverständnisse aufgrund des Fragetextes entfallen. Bei einem Fragebogen müssen die Fragen sehr klar und verständlich sein, damit die ausfüllende Person alles korrekt beantworten kann bzw. zum korrekten Ausfüllen animiert wird. Umfangreiche Pretests finden oft aufgrund von knappen Ressourcen oder Zeitdruck nicht oder in nicht ausreichendem Umfang statt. Wenn Fragenbogenkonstrukteur(in) und Antwortende die Fragen unterschiedlich verstehen, erzeugt dies Auswertungsprobleme und schlimmstenfalls wissenschaftliche Artefakte. Dahingegen arbeitet bei einer Programmanalyse die Kodierer(innen) direkt am Material und sie wissen, welcher Fragestellung sie nachgehen. Wichtig ist allerdings, dass Kontextwissen zu den Programmen vorhanden sein oder erworben werden muss. Wenn dies fehlt, können Kodierer(innen) falsche Kodierungen vornehmen, da sie die Programme falsch interpretieren. Fachkenntnis der Programme und der institutionellen Rahmenbedingungen sind sehr wichtig. Bei einer Programmanalyse (KÄPPLINGER 2007) wurden Rückfragen direkt bei den Weiterbildungseinrichtungen sowie bei externen Fachexpert(inn)en vorgenommen, um Unklarheiten in den Programmen zu klären und falsche Kodierungen zu vermeiden. [26]
Programmanalysen bieten den großen Vorteil, dass sie einen intensiven und detaillierten Einblick in Aspekte der Weiterbildungspraxis gewähren. Während bei Befragungen die Zahl der Fragen oft niedrig gehalten werden muss, um die Fragelast für die Antwortenden nicht zu groß werden zu lassen und damit den Rücklauf zu gefährden, kann bei einer Programmanalyse so breit auf Informationen zugegriffen werden, wie es mit Blick auf die Fragestellung für nötig erachtet wird. Im Prozess der Datenexploration können nicht maßgebende Auswertungskategorien weggelassen werden, sodass mit einem breiten Interesse begonnen und dann die Zahl der Kategorien trichterförmig reduziert werden kann. Dies führt zu einer großen Detailkenntnis über die über die Weiterbildungslandschaft. Nachteilig wirkt sich allerdings aus, dass diese Datenexploration sehr zeitintensiv ist, da umfangreiches Datenmaterial (z.B. mehrere Programme mit jeweils über 100 Seiten Umfang) gesichtet werden muss. Bei größeren Forschungsteams muss sichergestellt werden, dass die Kodierung auf einem einheitlichen Vorgehen basiert. Regelmäßige Datenkontrollen und Teambesprechungen, die dazu dienen, einen gemeinsamen Wissenshintergrund herzustellen, sind unerlässlich. Nur so kann eine möglichst einheitliche Zuordnung, Korrektur und Abstimmung sicher gestellt werden (s. GIESEKE & OPELT 2003, S.56-57). Vor allem bei Studien von Einzelpersonen sollte intensiv mit Memos gearbeitet werden, die parallel zur Datenkodierung und -kontrolle verfasst werden und über Unklarheiten, Eingabekorrekturen oder Modifikationen des Kodeplans informieren sollten. Damit kann sichergestellt werden, dass die Kodierung nach einheitlichen und nachvollziehbaren Kriterien erfolgt. [27]
Programmanalysen können dazu beitragen, dass Vorurteile und Pauschalisierungen des Weiterbildungsangebotes geprüft und gegebenenfalls korrigiert werden können (vgl. HEUER & ROBAK 2000, S.115). So hat die Analyse von historischen Arbeitsplänen der Volkshochschulen gezeigt, dass es nach 1945 und in der Weimarer Republik eine große Differenz zwischen der bildungsidealistischen Programmatik und den in Programmen vorfindbaren Angeboten gab (vgl. TIETGENS 1998). Auch das beliebte Vorurteil, dass Angebote im psychologischen Bereich unseriös seien, konnte dadurch entkräftet werden, dass sich in den Ankündigungstexten sehr wohl ein hohes Maß an Professionalität nachweisen ließ (vgl. TIETGENS 1994). Es scheint des Öfteren der Fall zu sein, dass von einem absurd oder unseriös wirkenden Angebot auf die breit der Angebote hin verallgemeinert wird. TIETGENS (1998, S.63) hat dies wie folgt beschrieben: "das Bild der Volkshochschulen wird in der Öffentlichkeit oft von auffälligen, aber nicht repräsentativen Erscheinungen geprägt". Es kann satirisch unterhaltsam sein, wenn man absurd klingende Kursangebote wie "Yeats und die Hygiene" kabarettistisch bearbeitet (s. ALLEN 1998, S.53-59), dies sollte aber nicht Ausgangspunkt und Duktus wissenschaftlicher Analyse sein. [28]
Es kann auch kritisiert werden, dass von einer Kursankündigung nicht auf die Unterrichtspraxis geschlossen werden kann, da unklar ist, wie die Angebote in die Praxis umgesetzt werden. Diese Kritik trifft jedoch nicht das Hauptanliegen von Programmanalysen:
"Die häufige Kritik, dass eine Programmanalyse nichts über die Teilnehmerstruktur aussagt und darüber, ob ein Kurs stattgefunden hat oder nicht, trifft nicht den Kern eines Forschungsinteresses an der Programmentwicklung. Das Programm ist Ausdruck eines pädagogischen Handlungskonzeptes, in das sowohl konzeptionelle Überlegungen als auch nachfrageorientierte Vorstellungen eingehen." (GIESEKE & OPELT 2003, S.45) [29]
Was Programmanalysen vor allem interessant für die Forschung macht, ist der Umstand, dass Programme ein Scharnier zwischen Institution, Profession, Themen und der Nachfrage sind. Wie diese Scharnierstellen sich darstellen, ist mit jedem Programm dokumentiert und somit analysierbar. Hier liegt der besondere Wert von Programmanalysen. [30]
Dieser Beitrag hat sich um eine genauere Positionierung und Kategorisierung der Programmanalyse von Weiterbildungsangeboten bemüht. Es wurde gezeigt, dass sowohl Begrifflichkeiten als auch Verständnisse von Programmanalyse z.T. noch erheblich differieren. So werden z.B. unterschiedliche Begriffe wie Thesaurus, Schlüsselsystematik oder Kodebuch für das Manual verwendet, dass dem Kodierungsprozess zugrunde liegt. Ich selbst schlage eine Vereinheitlichung in Richtung Kodebuch vor, da dies den Kodierprozess klar benennt. Begriffe wie Thesaurus (vgl. KÖRBER et al. 1995) können dahingegen Missverständnisse erzeugen. Da aber in der Regel ein Begriff nicht nur mit einem anderen Begriff erfasst wird, sondern größere Textmengen mit einem Kode versehen werden, passt der Begriff des Kodebuchs besser. Dies würde wahrscheinlich auch die Anschlussfähigkeit des erwachsenenpädagogischen Forschungsdiskurses an Diskurse in anderen Disziplinen erhöhen. [31]
Des weiteren wurden in diesem Beitrag entlang verschiedener Abläufe und Methodenkombinationen drei Typen von Programmanalysen unterschieden. Dies soll dazu verhelfen, verschiedene Formen der Programmanalysen eindeutiger zuordnen zu können und in ihrem methodischen Vorgehen besser zu verstehen. Insgesamt zeigt sich dabei auch, dass sich das qualitative und quantitative Forschungsmethoden durchaus gut gegenseitig ergänzen können und keinen Widerspruch darstellen. [32]
Ein Programmarchiv ist "ein wertvoller Schatz" (PEHL 2004) der Weiterbildungsforschung, der in einem so fluiden Feld wie der Weiterbildung nicht zu unterschätzen ist. Umso bedauerlicher ist es, dass z.B. eine Evaluation durch Bibliotheksexpert(inn)en, nicht von Forscher(inne)n, zur vorläufigen Nicht-Weiterführung des Programmarchivs am Deutschen Institut für Erwachsenenbildung geführt hat. Dass die elektronische Version eines Programmarchivs am DIE seit 2004 auf sich warten lässt, zeigt, dass eine Digitalisierung nicht einfach zu bewerkstelligen ist. Trotzdem wird sich in Zukunft noch mehr die Frage stellen, wie Internetauftritte von Einrichtungen und Datenbanken im Internet archiviert und mithilfe von Programmanalysen erforscht werden können. Der Vorteil des Internets ist seine Schnelligkeit, sein Nachteil sein "kurzes Gedächtnis". Es sollte sich darum bemüht werden, dass Informationen von Programmen im Internet archiviert werden, um historischer Forschung Zugänge zu ermöglichen. So kann der Gefahr vorgebeugt werden, dass in wenigen Jahren frühere Kursangebote und -programme in Vergessenheit geraten und mühsam über historische Analysen rekonstruiert werden müssen, falls dies dann überhaupt noch möglich ist. [33]
Die Vor- und Nachteile von Programmanalysen wurden beschrieben. Der größte Vorteil besteht vielleicht darin, dass sie eine detaillierte und intensive Auseinandersetzung mit dem Forschungsgegenstand erlauben, die zugleich anstrengend und zeitaufwändig sein kann. Durch den guten Zugang zum Forschungsfeld zahlt sich die Mühe jedoch in der Regel deutlich aus. Programmanalysen verhindern, in der Weiterbildung den Analysewert von schlechten oder nicht passenden – weil nicht weiterbildungsadäquaten – sozialwissenschaftlichen Theorien zu überdehnen. Wünschenswert wäre, wenn in Form von Werkstattberichten über den Kodierprozess innerhalb der Erwachsenenpädagogik und disziplinübergreifend als eine Form der "gelenkten Rezeption" (WIRTH 2001) berichtet würde, um zu einem Austausch unter Forschenden zu kommen und so die Qualität der Kodierungen und des gesamten Analyseprozesses zu erhöhen. [34]
Dieser Artikel basiert auf einem Vortrag bei dem Kolloquium "Qualitative Forschungsverfahren in Perspektivverschränkung" am 29. Juni 2007 an der Humboldt-Universität zu Berlin anlässlich des 60. Geburtstags von Prof. Dr. Wiltrud GIESEKE. Ihr möchte ich an dieser Stelle herzlich für die große Unterstützung, intellektuelle Anregung und Ermutigung danken, die mir sowohl im Wissenschaftlichen als auch im Privaten sehr viel bedeutet.
1) Die Sammlung gedruckter Programmpläne wurde mit dem Arbeitsjahr 2003/2004 aus Kapazitätsgründen eingestellt. Das Archiv steht jedoch weiterhin für historische Analysen zur Verfügung. Zudem wird an einer onlinebasierten Version des Programmarchivs gearbeitet. Dort sollen dann ausgewählte Programme von Volkshochschulen und anderen Weiterbildungseinrichtungen eingestellt werden und über das Internet abrufbar sein. <zurück>
2) Bis in die 1980er Jahre hinein wurde zumeist der Begriff Arbeitsplananalyse verwendet. Aus Gründen der Verständlichkeit, wurde er durch den Begriff Programmanalyse ersetzt, da der Begriff Arbeitsplan falsche Assoziationen hervorrief (vgl. PEHL 1998, S.11) <zurück>
3) Es gibt aber die Möglichkeit, bei den Einrichtungen nachzufragen, welche Veranstaltungen wirklich zu Stande gekommen sind (s. HENZE 1998, S.80), was aber den Arbeitsaufwand deutlich erhöht. <zurück>
4) HENZE kommt auf diesen Prozentsatz für ökologische Weiterbildungsangebote. Für den IT-Bereich rechnet sie mit einer Ausfallquote von 5 bis 10%, da IT-Kurse aus beruflichen Gründen mit vermeintlich größerer extrinsischer Motivation besucht werden (vgl. HENZE 1998, S.80). <zurück>
5) Aus der Forschungspraxis wird unter der Hand zudem über eine rückläufige Auskunftsbereitschaft bei Befragungen berichtet, da die Zunahme an kommerziellen und öffentlichen Umfragen zu einer insgesamt sinkenden Auskunftsbereitschaft von Privatpersonen und Institutionen zu führen. <zurück>
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Dr. Bernd KÄPPLINGER, Erziehungswissenschaftler im Bereich Erwachsenenbildung/Weiterbildung. Arbeitsschwerpunkte: Betriebliche Weiterbildung, Abschlüsse und Zertifikate in der Weiterbildung, Beratung in der Weiterbildung, qualitative und quantitative Methoden der Sozialforschung, international vergleichende Weiterbildungsforschung.
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