Volume 20, No. 3, Art. 27 – September 2019
Lehrerinnen und Lehrer in der Krise? Eine kritische Auseinandersetzung mit einer neueren Studie
Johannes Twardella
Review Essay:
Jan-Hendrik Hinzke (2018). Lehrerkrisen im Berufsalltag. Zum Umgang mit Spannungen zwischen Normen und Orientierungsrahmen. Wiesbaden: Springer VS; 526 Seiten; ISBN 978-3-658-22621-3; 64,99 Euro
Zusammenfassung: Für Schüler/innen ist Unterricht ein krisenhafter Prozess, da sie dort mit Fremdem konfrontiert werden. Die Aufgabe von Lehrer/innen besteht darin, solche Krisen sowohl zu initiieren als auch bei deren Lösung behilflich zu sein. Aber auch Lehrer/innen können im Unterricht in Krisen geraten. Wie erfahren Lehrer/innen diese Krisen, wie gehen sie mit ihnen um? Und wie hängen die Krisen der Lehrer/innen mit denjenigen der Schüler/innen zusammen? Mit diesen Fragen befasst sich der Erziehungswissenschaftler Jan-Hendrik HINZKE in einer vor kurzem erschienenen Studie.
HINZKE hat eine Reihe von Interviews mit Lehrer/innen geführt und mithilfe der dokumentarischen Methode ausgewertet. Die Ergebnisse hat er schließlich in einer Typologie präsentiert. In dem vorliegenden Aufsatz wird diese Studie nicht nur vorgestellt, sondern auch kritisch erörtert. Zu diesem Zweck wird ein Teil eines Interviews mittels der Methode der objektiven Hermeneutik reanalysiert. Es zeigt sich, dass die Lehrperson, mit der das Interview geführt wurde, ihr pädagogisches Handeln nicht als krisenhaft erfährt, sondern als durch Routinen geprägt. Insoweit kann dem Ergebnis von HINZKE, dass alle Lehrer/innen ihr Handeln als krisenhaft erfahren, nicht zugestimmt werden. Das andere Ergebnis, nämlich dass die Krisen der Schüler/innen kaum in den Blick der Lehrer/innen geraten, bestätigt sich hingegen.
Keywords: Krisen; Professionalisierung; Unterricht; Lehrer/in; dokumentarische Methode; objektive Hermeneutik
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Zum Begriff der Krise und des professionellen Handelns von Lehrer/innen
3. Methodologische Entscheidungen und ihre Begründung
4. Analyse der "Eingangsfrage" zu den Interviews von HINZKE
5. Reanalyse der Eingangspassage aus dem Interview mit Frau Boyen
6. Die Ergebnisse der Studie von HINZKE und ihre Beurteilung
7. Welche Konsequenzen sind aus den Ergebnissen zu ziehen?
Unterricht ist ein krisenhafter Prozess, vor allem für Schüler/innen, die angesichts dessen, dass sie mit Fremdem, mit Neuem konfrontiert werden, das es zu verstehen gilt, immer wieder in Krisen geraten. Diese Krisen sind freilich nichts Negatives, im Gegenteil, sie sind die Bedingung dafür, dass es im Unterricht zu Bildungsprozessen kommen kann. Aber auch für Lehrer/innen kann Unterricht krisenhaft sein. Sie planen zwar vorweg ihren Unterricht, damit er möglichst reibungslos verlaufen möge, doch kann es jederzeit dazu kommen, dass Schüler/innen nicht so handeln, wie es erwartet wurde – wann und wie das geschieht, lässt sich nur bedingt antizipieren. In einer solchen Krise des Unterrichts stehen Lehrer/innen dann vor der Herausforderung, ins Ungewisse hinein erzieherische oder didaktische Entscheidungen treffen zu müssen. [1]
Die pädagogische Unterrichtsforschung hat zahlreiche empirische Beispiele dafür rekonstruiert, wie Krisen im Unterricht entstehen und wie Lehrpersonen auf diese reagieren. Dabei zeigte sich immer wieder, dass Lehrerpersonen zunächst bestimmten didaktischen Schemata bzw. Routinen folgten und dass sie, wenn Schüler/innen in Krisen gerieten, auf diese einzugehen sich bemühten. Doch wurden diese Krisen in der Regel letztlich nicht gelöst, da der Unterricht vorzeitig in die Bahnen der Routine zurückkehrte (GRUSCHKA 2005; TWARDELLA 2010a). Ausgehend von diesem Befund wurde die These formuliert, dass eine Professionalisierung der Lehrer/innen wesentlich dadurch gefördert werden könne, dass diese – nachdem sie gelernt haben, Themen didaktisch und methodisch aufzuarbeiten und zu vermitteln – dazu befähigt werden, mit Krisen im Unterricht umzugehen. Darin kann die Professionalität des Unterrichtens gesehen werden: dass Lehrpersonen nicht nur Routinen beherrschen, sondern auch dazu in der Lage sind, sensibel auf Krisen der Schüler/innen zu reagieren, d.h. sie wahrzunehmen, zu verstehen und situativ zu lösen, genauer gesagt, Schüler/innen bei der Lösung von Krisen – die letztlich von diesen selbst bewältigt werden müssen – behilflich zu sein (TWARDELLA 2018a). [2]
Im Anschluss an die pädagogische Unterrichtsforschung stellt sich die Frage: Wie sehen Lehrpersonen das? Wie äußern sie sich, wenn sie danach gefragt werden, ob und wie sie Krisen der Schüler/innen im Unterricht wahrnehmen und auf sie reagieren? Wie ausgeprägt ist ihr Bewusstsein davon, dass diejenigen, mit denen sie tagtäglich zu tun haben, sich permanent in Krisen befinden, und dass es ihre Aufgabe ist, sowohl Krisen zu initiieren als auch bei deren Lösung behilflich zu sein? [3]
Beide Ebenen sind freilich klar voneinander zu unterscheiden: die Ebene der Praxis und die des Sprechens über die Praxis. In einem Aufsatz mit dem Titel "Theorie und Praxis in der Erziehung" hat vor bald 100 Jahren der Erziehungswissenschaftler Erich WENIGER die These vertreten, dass das pädagogische Handeln von Lehrer/innen immer theoriehaltig sei und es eine "eingehüllte Rationalität" besitze (2002 [1929], S.164). Jene Theorien, die diesem Handeln implizit sind, bezeichnet er als "Theorien ersten Grades" (S.164). Wenn Lehrpersonen im Nachhinein über ihr Handeln sprechen, es beschreiben, begründen und rechtfertigen, so entstünden "Theorien zweiten Grades" (S.165). Die pädagogische Unterrichtsforschung hat sich mit dieser eingehüllten Rationalität des Unterrichts befasst (und u.a. auch Theorien ersten Grades zu rekonstruieren versucht). Ihr Ziel war es, auf dem Weg über die wissenschaftliche Erschließung von Unterricht zu einer "Theorie dritten Grades", einer wissenschaftlichen Theorie des Unterrichts zu gelangen (GRUSCHKA 2013; TWARDELLA 2018b). [4]
Vor kurzem ist nun eine Studie erschienen, die sich mit Theorien zweiten Grades von Lehrer/innen befasst. Sie stammt von Jan Hendrik HINZKE und trägt den Titel "Lehrerkrisen im Berufsalltag. Zum Umgang mit Spannungen zwischen Normen und Orientierungsrahmen". In dieser ist – wie der Titel bereits erkennen lässt – der Autor der Frage nachgegangen, ob und inwiefern Lehrer/innen ihren Alltag als durch Krisen geprägt wahrnehmen und wie sie mit Krisen umgehen. Auf diese Studie soll im Folgenden näher eingegangen werden und zwar unter der Fragestellung, ob sie als eine Ergänzung zur pädagogischen Unterrichtsforschung und deren Ergebnisse angesehen werden kann. Dabei wird in mehreren Schritten vorgegangen: Zunächst wird kurz in diese Studie eingeführt (Abschnitte 2 und 3). Dann wird exemplarisch ein kleiner Ausschnitt aus dem Material, welches HINZKE erhoben und ausgewertet hat, einer Reanalyse unterzogen (Abschnitte 4 und 5). Im Anschluss daran werden die Ergebnisse, zu denen HINZKE gelangt ist, dargestellt und beurteilt (Abschnitt 6). Enden wird der Artikel mit Überlegungen zu der Frage, welche Konsequenzen aus den Ergebnissen HINZKEs für die Professionalisierung von Lehrer/innen gezogen werden können (Abschnitt 7). [5]
2. Zum Begriff der Krise und des professionellen Handelns von Lehrer/innen
Die Studie von HINZKE ist klar strukturiert: Sie beginnt mit der Explikation der Forschungsfrage, es folgen Ausführungen zu dem Begriff der Krise sowie zum professionellen Handeln von Lehrpersonen. Dann wird der Forschungsstand dargelegt und das methodische Vorgehen erklärt. Schließlich präsentiert der Autor die Ergebnisse seiner Untersuchung und diskutiert sie vor dem Hintergrund der eingangs dargelegten theoretischen Überlegungen sowie dem Stand der Forschung. [6]
HINZKE begreift die Forschungsfrage als eine dreifache. Sie richte sich nicht nur auf die Krisen, die Lehrpersonen in ihrem Alltag erleben, sondern auch auf den Umgang mit diesen und darauf, in welchem Zusammenhang die Krisen der Lehrpersonen mit denen der Schüler/innen stehen. Um diese Frage zu beantworten, nimmt er einige begriffliche Klärungen vor. [7]
Als erstes widmet er sich dem Begriff der Krise. Dabei geht er in drei Schritten vor: Zunächst nimmt er Bezug auf Überlegungen von Ulrich OEVERMANN (2016), für dessen Soziologie die Begriffe "Krise" und "Routine" von grundlegender Bedeutung sind. OEVERMANN zufolge hat es die Soziologie mit einer Lebenspraxis zu tun, welche sich in Routinen bewegt, die immer wieder infrage gestellt werden. In Krisensituationen muss dann die Entscheidung getroffen werden, ob Routinen fortgesetzt oder etwas Neues begonnen werden soll. Es entsteht ein Zwang, sich zu entscheiden und – wie auch immer die Entscheidung ausfällt – ein Rechtfertigungsdruck. Kurz, die Lebenspraxis ist laut OEVERMANN gekennzeichnet durch den Widerspruch von Entscheidungszwang und Begründungsverpflichtung. [8]
Im zweiten Schritt greift HINZKE Überlegungen von Arno COMBE und Ulrich GEBHARD (2012) auf, die vor dem Hintergrund der Theorie von OEVERMANN das Lernen von Schüler/innen im Unterricht als krisenhaft zu bestimmen versucht haben. Die Krisen der Schüler/innen seien, so COMBE und GEBHARD, keine Entscheidungskrisen (und auch keine traumatischen Krisen oder Krisen der Muße1)). Vielmehr resultierten sie daraus, dass Schüler/innen im Unterricht mit "Fremdem" konfrontiert werden. Das Fremde führe bei ihnen zu einer Irritation. Sie gerieten in eine Erfahrungs- bzw. Verstehenskrise, die gelöst werden könne, wenn sie sich auf das Fremde einlassen und das Wagnis der Suche nach neuen Antworten eingehen. Gelöst sei die Krise dann, wenn die Schüler/innen das zuvor Fremde verstanden haben und dieses Verstehen verbalisieren können. [9]
Schließlich zieht HINZKE Überlegungen von Christoph KOLLER (2011) zum Begriff der Bildung heran. Ebenso wie COMBE und GEBHARD stützt sich auch KOLLER auf die krisentheoretischen Überlegungen von OEVERMANN. Er versucht, mit ihrer Hilfe den Begriff der Bildung neu zu fassen, und zwar als eine Transformation des Subjekts. Wenn die Konfrontation mit Fremdem den Horizont des Subjekts nicht nur erweitere, sondern auch verändere, könne von Bildung gesprochen werden. Von dem Fremden gehe dabei ein Anspruch aus, auf den das Subjekt antworte. [10]
Vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit OEVERMANN, COMBE, GEBHARD und KOLLER definiert HINZKE Krise als "eine sprachlich und sozial vermittelte Diskontinuitätserfahrung" (S.70), die gekennzeichnet sei durch den "Bruch mit Routinen des Denkens und Handelns sowie die Notwendigkeit, Entscheidungen in eine offene Zukunft hinein zu treffen. Die Krisenerfahrung [...] betrifft die Subjekte direkt, denn das Subjekt kann verändert aus ihr hervorgehen." [11]
Im nächsten Schritt expliziert der Autor die professionalisierungstheoretischen Prämissen seiner Arbeit. Dabei stützt er sich ebenfalls auf theoretische Überlegungen von OEVERMANN (1996), HELSPER (1996) und COMBE (2015). OEVERMANN zufolge ist das professionelle Handeln von Lehrpersonen als eine stellvertretende Bewältigung von Krisen zu begreifen. Stellvertretend geschieht es insofern, als Lehrpersonen auf der Basis eines Arbeitsbündnisses tätig werden, das zwischen ihnen, den einzelnen Schüler/innen, der Schulklasse als Ganzer sowie den Eltern der Schüler/innen geschlossen wurde. Lehrpersonen übernehmen pädagogische Aufgaben stellvertretend für die Eltern, die angesichts der Komplexität dieser Aufgaben überfordert wären. [12]
Die Entwicklung der Heranwachsenden, ihre Ontogenese, ist OEVERMANN zufolge ein Prozess, in dem es ständig zu Krisen kommt, vor allem zu Ablösungskrisen. Diese verlaufen bei der alltäglichen Praxis des Unterrichts stets im Hintergrund. Im Vordergrund stehe die Vermittlung von Wissen und Normen, die ebenfalls krisenhaft geschehe. Entscheidend ist nun, dass zum einen das pädagogische Handeln von Lehrpersonen laut OEVERMANN letztlich nicht standardisierbar ist, auch wenn es Kriterien für Lehrpersonen sowie für Routinen, die sich praktisch bewährt haben, gibt. HINZKE nennt die Rekonstruktion von Krisen, die fallspezifische Anwendung von Methoden der Krisenlösung und die Hilfe zur Selbsthilfe. Zum anderen können Standards selbst in Krisen geraten. Lehrpersonen stehen dann vor der Anforderung, ad hoc praktische Lösungen finden zu müssen. Notwendig ist deswegen eine Professionalisierung von Lehrpersonen in dem Sinne, dass sie einen gewissermaßen "wissenschaftlichen" Habitus ausgebildet haben, der sie zu einem fallspezifischen Umgang mit Schüler/innenkrisen befähigt. [13]
HELSPER (1996) hat darauf hingewiesen, dass Lehrer/innen nicht nur stellvertretend Krisen bewältigen, sondern vor allem auch solche initiieren. Er hat ein Modell des Lehrer/innenhandelns entworfen, bei dem er dieses als widersprüchlich begreift: Es sei gekennzeichnet durch eine Vielzahl von Antinomien, die nicht aufgelöst, sondern nur ausgehalten, austariert und reflektiert werden könnten. Zudem hat er hervorgehoben, dass nicht nur ein wissenschaftlicher Habitus für das Lehrer/innenhandeln relevant sei, sondern auch ein pädagogisch-praktischer. Während ersterer auf methodisiertem Wissen sowie der Fähigkeit zur Reflexion beruhe, basiere letzterer auf einem impliziten und intuitiven Wissen und befähige Lehrer/innen dazu, Krisen nicht nur zu reflektieren, sondern in diesen auch angemessen zu handeln. [14]
3. Methodologische Entscheidungen und ihre Begründung
Im nächsten Schritt geht HINZKE auf den Stand der Forschung ein und legt dar, dass es eine Lücke gebe: Zwar würden Krisen von Lehrer/innen durchaus thematisiert, doch geschehe dies nicht mit Bezug auf deren Alltagspraxis und unter der Frage, wie Lehrpersonen Krisen in dieser erfahren und wie sie mit ihnen umgehen. Dann geht HINZKE zur theoretischen Modellierung seines Gegenstandes über. Überraschenderweise erfolgt diese nun nicht mithilfe der theoretischen Überlegungen, die er zuvor dargelegt hat, sondern ausgehend von der Methode, die er verwenden möchte. Es handelt sich nicht, wie zu erwarten gewesen wäre, um die Methode der objektiven Hermeneutik, sondern um die dokumentarische Methode (BOHNSACK 2003). Zur dokumentarischen Methode bzw. zu seiner Entscheidung für diese äußert sich HINZKE folgendermaßen: In der Moderne sei von einer Pluralität von Erfahrungsräumen und Deutungsperspektiven auszugehen; diejenige der Wissenschaft sei eine mögliche Perspektive. Wer etwas wissenschaftlich erforschen will, begebe sich nicht auf einen allgemeinen Standpunkt, sondern auf einen partikularen, der von Anfang an reflektiert werden müsse. Relevant sei vor allem, ob der Standort der Wissenschaftlerin/des Wissenschaftlers bzw. ihr/sein Erfahrungsraum mit demjenigen, der erforscht werden soll, übereinstimme oder nicht, ob es einen "konjunktiven Erfahrungsraum" gebe. Gegenstand der Forschung sei sodann nicht unmittelbar eine Person, ein Gegenüber, sondern seien Objektivationen bzw. Sinngebilde. Bei diesen sei zwischen drei Schichten zu unterscheiden: der Schicht des objektiven bzw. immanenten Sinns, der Schicht des intendierten Sinns und derjenigen der Dokumentation. Dabei interessiere sich die dokumentarische Methode primär für das "Wie" und weniger für das "Was": Das "Wie", der Modus Operandi, sei das Entscheidende. Diesen will HINZKE mithilfe der Begriffe "Orientierungsschemata" und "Orientierungsrahmen" fassen. Der Begriff des Orientierungsschemas stehe für ein "theoretisch-kommunikatives Wissen" (S.175), das propositional ausdifferenziert sei, derjenige des Orientierungsrahmens für ein "atheoretisches Wissen" (a.a.O.), dem jeweils eine performative Logik implizit sei. Zusätzlich sei zwischen einem Orientierungsrahmen in einem engeren und einem weiteren Sinn zu unterscheiden. Die Krisenerfahrung von Lehrpersonen sei anzusiedeln im "dynamischen Spannungsfeld zwischen propositionaler und performativer Logik, d.h. zwischen Orientierungsschemata und Orientierungsrahmen im engeren Sinne" (S.183). [15]
Was diese Überlegungen betrifft, so irritiert zunächst, dass HINZKE zwar die Forderung nach einer Reflexion des eigenen Standpunktes formuliert, dieser selbst aber nicht nachkommt. Hätte er das getan, wäre zum Problem geworden, dass sein Standpunkt als Wissenschaftler ein ganz anderer ist als derjenige der Lehrpersonen, die in der Praxis stehen, es also einen "konjunktiven Erfahrungsraum" nicht gibt. Doch was folgt aus dieser Kluft zwischen Wissenschaft und Praxis? Ist daraus der Schluss zu ziehen, dass eine wissenschaftliche Erschließung des Denkens und Handelns von Lehrer/innen unmöglich ist (zumindest für Wissenschaftler/innen, die nicht selbst Lehrer/innen sind)? Davon scheint HINZKE nicht auszugehen (sonst hätte er seine Studie nicht verfassen können). Oder folgt daraus, dass die wissenschaftliche Analyse zu keinem besseren, tieferen Verständnis des Denkens und Handelns von Lehrpersonen gelangen kann als diese selbst? Ist mit ihr also kein besonderer Geltungsanspruch verknüpft, ist die wissenschaftliche Perspektive eine mögliche Perspektive neben anderen, z.B. derjenigen der Lehrpersonen selbst? Diese Position scheint sich aus den Prämissen der dokumentarischen Methode zu ergeben: Wir haben es hier eben mit dem Pluralismus der Deutungsperspektiven zu tun. Wie können dann aber z.B. Konsequenzen für die Lehrer/innenbildung aus den Analysen abgeleitet werden? Letztlich ist das nicht HINZKEs Position, vielmehr geht er einfach über die Kluft zwischen Wissenschaft und Praxis hinweg und erhebt wie selbstverständlich mit seinen Analysen einen Geltungsanspruch, demzufolge diese zu einem besseren, einem tieferen, ja, einem objektiven Verständnis des Denkens und Handelns von Lehrpersonen führen. Dagegen ist letztlich auch nichts einzuwenden, da darin die Aufgabe der Wissenschaft gesehen werden kann: Es entsteht ein Pluralismus von Deutungsperspektiven und ein damit verbundener wissenschaftlicher Streit, ob die jeweiligen Deutungen plausibel sind und der mit ihnen verbundene Geltungsanspruch berechtigt ist. [16]
Hinzu kommt wie gesagt, dass HINZKE die Fallbestimmung nicht mithilfe der zuvor dargelegten theoretischen Überlegungen vornimmt, sondern ausgehend von Begriffen, die der Begründung der dokumentarischen Methode entstammen. Das betrifft nicht die Unterscheidung zwischen drei Sinnstrukturen – diese spielt weder für die Fallbestimmung noch für die spätere Analyse eine erkennbare Rolle, wohl aber der Begriff des Orientierungsrahmens. Denn Krisen entstehen für Lehrpersonen HINZKE zufolge dann, wenn sie sich mit Erwartungen bzw. Normen konfrontiert sehen, die ihrem Orientierungsrahmen im engeren Sinn nicht entsprechen (den Orientierungsrahmen im weiteren Sinn aber nicht infrage stellen). Sie werden also bestimmt als Fall einer Spannung zwischen Normen, denen Lehrpersonen sich verpflichtet fühlen, und ihrem Orientierungsrahmen. [17]
Um die Forschungsfrage zu beantworten, hat HINZKE 26 leitfadengestützte episodische Interviews (FLICK 2011) mit 17 Lehrpersonen an drei Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg geführt. 14 von ihnen hat er mit Hilfe der dokumentarischen Methode systematisch ausgewertet. Von diesen 14 wurden vier maximal kontrastierende Fälle als "Eckfälle" ausgewählt, mit denen das Feld der Untersuchungsergebnisse weitgehend abgedeckt werden sollte und die für die Typologie, auf welche die Studie letztlich zielte, von grundlegender Bedeutung waren. Deren Analyse wird von HINZKE ausführlich präsentiert, während auf die restlichen zehn Fälle nur in kurzer, ergänzender Form eingegangen wird. [18]
Im Folgenden soll das Interview des ersten "Eckfalls", dasjenige mit Frau Boyen2), genauer gesagt, die "Eingangspassage" aus diesem Interview reanalysiert werden, zum einen um am Material deutlich zu machen, wie HINZKE vorgeht, zum anderen – und vor allem – aber um seine Analyse zu präzisieren und an einigen Stellen zu ergänzen. Rekurriert wird dafür auf die Methode der objektiven Hermeneutik, wie sie von Ulrich OEVERMANN (2000) entwickelt wurde. Es wird sich zeigen, dass diese Lehrerin ihr pädagogisches Handeln als ein durch Routinen geprägtes begreift. [19]
4. Analyse der "Eingangsfrage" zu den Interviews von HINZKE
Um die Eingangspassage aus diesem Interview mit Frau Boyen reanalysieren zu können, ist es erforderlich, zunächst auf die Frage einzugehen, die zu Beginn gestellt wurde. Sie lautet folgendermaßen:
"Einen Tag lang hatte ich nun die Chance" [20]
Der Interviewer stellt nicht unmittelbar eine Frage, sondern spricht erst einmal über sich selbst, genauer gesagt trifft er eine Aussage über etwas, das in seiner Vergangenheit liegt: Er habe eine Chance gehabt und zwar einen ganzen Tag lang. Was ist eine Chance? Eine Chance ist eine Gelegenheit, die sich für einen bestimmten Moment für einen Akteur/eine Akteurin ergibt. Wird diese Gelegenheit genutzt, kann etwas Bestimmtes getan bzw. erreicht werden. Diese Möglichkeit ist nicht etwas, das immer gegeben ist, vielmehr ist sie an einen bestimmten Zeitpunkt gebunden und insofern etwas Außergewöhnliches, Außeralltägliches. Die Rede von der Chance steht insofern in einem gewissen Spannungsverhältnis zu der Angabe, sie habe "einen ganzen Tag lang" bestanden. Wie ist das zu verstehen? Und hat der Sprecher die Chance, die er besaß, genutzt oder nicht? Und vor allem: Wozu hatte er die Chance?
"Sie bei Ihrer Arbeit zu begleiten." [21]
Es zeigt sich, dass die Chance darin bestand, Frau Boyen bei ihrer Arbeit zu begleiten. Indem der Sprecher das Personalpronomen "Sie" verwendet, hält er sich an die Gepflogenheiten und bringt eine gewisse Distanz und Achtung gegenüber der Interviewee zum Ausdruck. Diese hat gearbeitet und der Interviewer war schlicht dabei – und hatte deswegen die Möglichkeit, zu beobachten, zu sehen, was gemacht wurde. Hier wird also die Kluft angesprochen zwischen der Person, die in der Praxis steht und sich unter permanentem Handlungsdruck befindet, und der Position des Wissenschaftlers, der handlungsentlastet ist und sich darauf beschränken kann, zu beobachten. [22]
Die obige Frage kann an dieser Stelle folgendermaßen reformuliert werden: Warum spricht der Interviewer von einer Chance? Warum sagt er nicht einfach: "Nun habe ich Sie einen Tag lang bei Ihrer Arbeit begleitet." Mit der Rede von einer Chance hebt er hervor, dass dasjenige, was er tun konnte, keine Selbstverständlichkeit, sondern etwas Besonderes war. Nimmt man nun die Kontextinformation hinzu, dass es sich bei der Interviewee um eine Lehrerin handelt, so könnte man vermuten, dass der Interviewer implizit darauf Bezug nimmt, dass Lehrpersonen in vielen Fällen nur ungern Beobachter/innen an ihrem Unterricht teilnehmen lassen. Vor diesem Hintergrund brächte er mit der Bemerkung seine Dankbarkeit gegenüber der Lehrerin dafür zum Ausdruck, dass sie die Begleitung zugelassen hat. Doch geht aus seiner Aussage nicht unmittelbar hervor, dass er die Chance tatsächlich ihr, der Lehrerin, verdankt hat. Zieht man weitere Kontextinformationen hinzu, wird noch eine andere Lesart möglich, nämlich dass der Interviewer implizit auf die Konstellation Bezug nimmt, innerhalb der er das Interview durchführen konnte: Nachdem 2012 etliche Schulen in Baden-Württemberg als "Gemeinschaftsschulen" gestartet waren, wurde ein großes Forschungsprojekt, die SHIP-Begleitstudie3), an einigen dieser Schulen durchgeführt. Für HINZKE ergab sich die Möglichkeit, sich an dieses Projekt anzuschließen bzw. sein eigenes Projekt "anzudocken". Diese Möglichkeit taucht in der Eingangsfrage seiner Interviews als "Chance" wieder auf. [23]
Es stellt sich allerdings noch eine weitere Frage, nämlich danach, warum der Interviewer die Lehrperson begleitet hat. Wenn davon ausgegangen wird, dass die Arbeit dasjenige war, um das es in dem Interview gehen sollte, folgt daraus, dass es für das Interview einen gemeinsamen Bezugspunkt gab: eben die Arbeit der Lehrperson, die von beiden, der Lehrerin und dem Interviewer, wahrgenommen wurde. Die Begleitung kann nun stattgefunden haben, damit der Interviewer sich auf etwas beziehen kann, das er selbst wahrgenommen hat, und um zu erfahren, wie die Lehrperson dies sah. Z.B. kann er sich auf eine Handlung der Lehrperson beziehen und nach einer Begründung bzw. Rechtfertigung für sie fragen, oder er kann das Handeln von Schüler/innen ansprechen und fragen, wie die Lehrperson dies interpretiert hat. Die Lehrperson muss also nicht erst einmal danach gefragt werden, was passiert ist, sondern kann unmittelbar gebeten werden, ihre Deutungen und Begründungen dazulegen. [24]
Als Kontextinformation kann an dieser Stelle ergänzt werden, dass dieses Verfahren, die Begleitung einer Person, welche anschließend interviewt wird, als Shaddowing bezeichnet wird: Der Interviewer folgt der Interviewee wie ein Schatten. Er kann sich so ein eigenes Bild machen und sich im Interview darauf konzentrieren, die subjektive Wahrnehmung der Interviewee zu eruieren. Es stellt sich dann jedoch die Frage, welcher Stellenwert den Wahrnehmungen des Interviewers gegeben wird. Gelten sie als Norm, an der die Deutungen der Interviewee gemessen werden, ist mit ihnen ein Objektivitätsanspruch verbunden? Oder gelten sie als ebenso subjektiv wie diejenigen der Lehrperson?
"Wenn Sie den heutigen Schultag Revue passieren lassen" [25]
Der Interviewer greift nicht bestimmte Dinge auf, die er wahrgenommen hat, als er die Lehrperson begleitete, um von ihr zu erfahren, wie sie diese deutet bzw. begründet, sondern fordert sie dazu auf, sich den gesamten Tag noch einmal geistig vor Augen zu führen. Warum macht er das?
"Was würden Sie jemandem erzählen" [26]
Die geistige Vergegenwärtigung ist als Vorbedingung für eine Auswahl gedacht. Die Lehrperson soll sich alles, was passiert ist, noch einmal geistig vor Augen führen, um sich sodann für etwas Bestimmtes zu entscheiden und zwar für etwas, das sich in die Form einer Erzählung bringen lässt und das sie selbst für erzählenswert hält. Die Frage zielt also auf eine Narration und die Erwartung ist – davon kann ausgegangen werden –, dass sich in der Auswahl sowie in der Art und Weise, wie das Ausgewählte erzählt wird, die subjektive Sicht der Lehrperson äußert. Und wer soll Adressat/in dieser Erzählung sein? Jemand,
"der gerade nicht dabei gewesen ist" [27]
Das ist schwierig, denn faktisch soll die Lehrperson natürlich dem Interviewer antworten. Gleichzeitig soll sie jedoch davon absehen und sich vorstellen, sie spreche nicht zu ihm, der dabei war, sondern zu jemand anderem, die oder der nicht anwesend war. Kann das gelingen? In einer therapeutischen Situation oder einer supervisorischen Praxis kommt es gelegentlich vor, dass Klient/innen dazu aufgefordert werden, sich vorzustellen, auf dem ihnen gegenüber stehenden leeren Stuhl säße eine Person, etwa der Vater oder eine Vorgesetzte. Sie werden sodann dazu aufgefordert, so zu sprechen, als sei diese Person tatsächlich anwesend, und ihr darzulegen, welche Probleme sie/er mit ihr hat. Den Klientin/innen wird dabei ein hohes Maß an Vorstellungskraft abverlangt und sie müssen wahrscheinlich einige innere Blockaden überwinden, um das aussprechen zu können, was sie belastet und was sie bisher nicht wagten auszusprechen. Diese inneren Blockaden spielen in der vorliegenden Situation keine Rolle, doch wird auch hier eine enorme Vorstellungskraft vorausgesetzt (zumal die Person, welche die Lehrerin sich vorstellen soll, nicht einmal symbolisch repräsentiert wird). Hinzu kommt, dass Lehrpersonen es in ihrem Alltag gewohnt sind, sich auf ein konkretes Gegenüber einzulassen und so zu sprechen, dass sie von diesem verstanden werden. Darin sind sie geübt, das gehört zu ihrem professionellen Habitus. Zu jemandem zu sprechen, die oder der nicht anwesend ist, nur gedacht wird und über die/den nichts anderes bekannt ist außer der Abwesenheit an dem heutigen Arbeitstag, dürfte der Lehrerin schwer fallen. [28]
Darüber hinaus stellt sich die Frage, warum die Eingangsfrage überhaupt so gestellt wird, worin also der Sinn dieser Zumutung besteht. Warum lässt der Interviewer Frau Boyen nicht einfach erzählen? Zum einen könnte der Grund dafür sein, dass ihm eben mehr an ihrer subjektiven Wahrnehmung gelegen ist als an ihren Deutungen und Begründungen. Dann aber stellt sich erneut die Frage nach dem Sinn der Begleitung, denn auch wenn die Lehrperson sich bemühen sollte, sich vorzustellen, sie würde zu einer Person sprechen, die nicht dabei war, wird sie dennoch nicht vollständig davon absehen können, dass sie faktisch zu jemandem spricht, der ihren heutigen Arbeitstag durchaus miterlebt hat. Sie wird also damit rechnen, dass der reale Adressat das von ihm Beobachtete mit dem vergleicht, was sie fiktiven Adressaten/innen erzählen würde. Und selbstverständlich wird es Differenzen geben zwischen dem, was der Interviewer wahrgenommen hat, und dem, was die Lehrperson erzählt. Wie wird, so wird sich die Lehrerin wahrscheinlich fragen, der Interviewer darauf reagieren? Wird er sie kritisieren, muss sie mit Korrekturen rechnen? Wird sie sich also verteidigen müssen? [29]
Festhalten lässt sich, dass mit der Eingangsfrage ein Erzählimpuls gegeben wird, der in sich ziemlich komplex ist. Diese Komplexität resultiert letztlich aus der Kombination zweier unterschiedlicher Erhebungsmethoden, derjenigen der teilnehmenden Beobachtung und derjenigen des Interviews. Sicher, diese beiden Methoden lassen sich durchaus miteinander kombinieren, doch geschieht dies hier in Bezug auf ein und dasselbe Geschehen und verbunden mit einer Zumutung an die Lehrerin, eine Abstraktionsleistung zu vollbringen, deren Sinn nicht unmittelbar einsichtig ist (und der ihr zudem auch nicht erklärt wird). Es kann folglich vermutet werden, dass dieser Impuls zu gewissen Irritationen führen wird. [30]
5. Reanalyse der Eingangspassage aus dem Interview mit Frau Boyen
"Ähm [lacht kurz auf]"
Frau Boyen beginnt ihre Antwort damit, dass sie zögert und kurz lacht. Wie könnte das motiviert sein? Was ist der Grund für ihr Lachen? Ein Lachen ist in der Regel die Reaktion auf einen Witz oder etwas Komisches, Lustiges. Es kann, so Helmut PLESSNER (2003 [1970]), als körperliche Reaktion auf etwas verstanden werden, auf das intellektuell bzw. sprachlich zu reagieren dem Subjekt zunächst nicht möglich ist. Indem der Körper reagiert, wahrt das Subjekt jedoch seine Reaktionsfähigkeit und bleibt autonom. Gemäß der obigen Deutung ist die Äußerung des Interviewers jedoch weder lustig noch komisch. Das Lachen der Lehrerin kann demnach als Reaktion, als körperliche Reaktion auf die Komplexität der Eingangsfrage verstanden werden, mit der die Lehrerin die Initiative behält.
"Es war anstrengend." [31]
Das ist zweifelsohne keine Erzählung, wie sie der Interviewer erwartet hat. Auch ist nicht erkennbar, inwiefern diese Äußerung an eine Person gerichtet ist, die den Arbeitstag der Lehrerin nicht miterlebt hat. Vielmehr handelt es sich um ein subjektives Urteil, eine Empfindung. Diese zu artikulieren scheint ein dringendes Bedürfnis der Lehrerin zu sein. Es ist das Erste, was ihrer Meinung nach rückblickend über den Tag gesagt werden muss. Die Lehrerin setzt sich also über die Erwartung, die der Interviewer in seiner Frage zum Ausdruck gebracht hat – zumindest vorläufig – hinweg. Durch das Lachen geschieht dies auf freundliche, unaggressive Weise. Die Lehrerin weist den Interviewer bzw. die mit seiner Frage verbundene Zumutung nicht explizit zurück, sondern zeigt auf humorvolle Weise, dass ihre Empfindung auszudrücken ihr erst einmal wichtiger ist. Und wie ist diese Äußerung inhaltlich zu verstehen? [32]
Einerseits könnte die Lehrerin so verstanden werden, als artikuliere sie einen starken Leidensdruck, der darauf zurückzuführen ist, dass sie ihren Arbeitstag als äußerst krisenhaft erlebt hat: Sie wurde ständig herausgefordert und konnte dadurch, dass sie immer wieder neue Antworten in unerwarteten Situationen gab, also ihr Denken und Handeln ändern musste, diese Krisen bewältigen. Oder waren es Routinen, die anstrengend waren? Wenn ja, warum waren sie das? Sind sie per se anstrengend oder resultiert die Anstrengung daraus, dass die Lehrerin an Routinen festhielt, mit denen Probleme nicht gelöst wurden – was dazu führte, dass diese fortbestanden und immer wieder auf Neue virulent wurden? In der Antwort der Lehrerin liegt also zwar ein Hinweis auf einen Leidensdruck, worauf dieser zurückzuführen ist, bleibt jedoch offen. Es ist zu erwarten, dass die Lehrerin im Folgenden erklärt bzw. davon erzählt, was am heutigen Tag anstrengend war und warum es anstrengend war, sodass sich die oben explizierte Offenheit schließt.
"Ähm also ich unterscheide immer son bissl" [33]
Diese Aussage überrascht, weil die Lehrerin nun zu einer systematischen Überlegung anhebt. Sie erzählt also nicht, ja, sie geht nicht einmal auf den zurückliegenden Arbeitstag ein. Vielmehr erklärt sie, dass sie "immer", also nicht nur heute, eine Unterscheidung treffe. Das relativiert sie jedoch sofort, indem sie behauptet, sie unterscheide nicht stark, sondern "immer son bissl". Damit nimmt sie den Anspruch, der mit ihrer Unterscheidung verbunden ist, ein Stück weit zurück – diese sei nicht streng, nicht kategorisch zu verstehen und lässt sich womöglich bei genauerem Hinsehen gar nicht aufrechterhalten.
"zwischen der Klasse und der Klasse" [34]
Die Lehrerin spricht nun über zwei konkrete, zwei besondere Klassen. Zu vermuten ist, dass es sich um die zwei Klassen handelt, die sie an dem Tag unterrichtet hat und auf die sie nun deiktisch verweist. Dass diese sich voneinander unterscheiden, ist aber eigentlich selbstverständlich: Nicht nur alle Schüler/innen sind unterschiedlich, sondern auch jede Klasse. Die Bemerkung der Lehrerin macht nur Sinn vor dem Hintergrund der Annahme, dass letztlich alle Klassen gleich seien. Wer aber behauptet das? Die Lehrerin neigt, so lässt es sich festhalten, zu Generalisierungen: Sie spricht nicht über einzelne Schüler/innen, sondern über ganze Klassen und dies vor dem Hintergrund der Annahme, alle Klassen seien gleich. Dem setzt sie nun "son bissl" was entgegen.
"weils doch fand ich heute in jeder Klasse son Schwerpunkt gab" [35]
Ob das der Lehrerin zufolge immer so ist oder nur heute so war, bleibt offen. Deutlich wird jedoch, auf welcher Ebene die Lehrerin zwischen den beiden Klassen unterscheidet. Sie differenziert nicht zwischen den Klassen an sich, z.B. mit Bezug auf deren "anthropologische und sozialkulturelle Eigenschaften", wie es z.B. in der Berliner Didaktik heißt (HEIMANN 1977), sondern zwischen Klassen als Praxen. Jede Klasse wird von ihr als eine Einheit begriffen, als eine praktische Einheit. In der Praxis bilden sich jeweils Schwerpunkte, und diese können von Tag zu Tag jeweils andere sein. (Und womöglich gibt es auch Tage, an denen es gar keinen Schwerpunkt gibt.)
"Ähm also heute Morgen in der 5a ähm" [36]
Die Lehrerin kommt nun auf eine der beiden Klassen, die 5a zu sprechen. Zu erwarten ist, dass sie nun mit Bezug auf diese Klasse beispielhaft expliziert, was sie zuvor in allgemeiner Weise behauptet hat.
"da war ich eher mit so Sachen wie Lernschwierigkeiten konfrontiert" [37]
Der Schwerpunkt, den es an diesem Tag in der 5a gab, waren "Lernschwierigkeiten". Dass die Lehrerin erklärt, mit diesen "konfrontiert" gewesen zu sein, macht deutlich, dass der "Schwerpunkt" sich nicht in der Interaktion zwischen ihr und der Klasse ergeben hat, sondern unabhängig von ihr und ihrem Handeln aus der Klasse emergiert ist. Auf ihn sieht sie sich sodann zu reagieren genötigt. Die Frage ist nun: Hat diese Konfrontation sie in eine Krise gestürzt, musste sie durch diese umdenken und ihr Handeln ändern, oder hat sie versucht, diese routiniert zu bewältigen? [38]
Was sind Lernschwierigkeiten? Einfach gesagt, handelt es sich um Schwierigkeiten, die beim Lernen auftreten und die unterschiedliche Gründe haben können. Diese liegen entweder bei den Schüler/innen, bei der Lehrperson oder in der Interaktion zwischen beiden. Klar ist in jedem Fall: Angesichts von Lernschwierigkeiten ist eine Lehrperson didaktisch gefordert. Genauer gesagt, sie ist herausgefordert, zunächst zu diagnostizieren, worin die Lernschwierigkeiten bestehen, sich sodann eine didaktische Vorgehensweise zu überlegen, wie diese überwunden werden könnten, und diese schließlich fallspezifisch anzuwenden.
"ähm wenn jemand net ins Arbeiten kommt" [39]
Ist damit jetzt ein anderer Schwerpunkt gemeint? Das würde im Widerspruch dazu stehen, dass die Lehrerin erklärte, es habe an diesem Tag in jeder Klasse nur einen Schwerpunkt gegeben. Korrigiert sie sich also, waren es nicht Lernschwierigkeiten, sondern war es die Tatsache, dass "jemand net ins Arbeiten kommt", mit der sie in der 5a konfrontiert war? Oder will sie genauer erklären, was sie mit Lernschwierigkeiten meint, bestehen diese (u.a.?) für sie darin, dass Schüler/innen nicht "ins Arbeiten kommen"? [40]
Wenn "jemand net ins Arbeiten kommt", kann dies ebenfalls unterschiedliche Gründe haben, Gründe aufseiten der Schüler/innen, Gründe aufseiten der Lehrperson oder solche, die sich aus der Interaktion zwischen beiden ergeben. Die Herausforderung, vor der eine Lehrperson steht, ist dann aus der Sicht der Lehrerin wahrscheinlich nicht (nur) eine didaktische, sondern vor allem eine erzieherische. Die Schüler/innen haben womöglich noch nicht die richtige Einstellung zum Arbeiten, die richtige Arbeitshaltung, und müssen zu dieser erst erzogen werden. [41]
In ihren Ausführungen kommt die Lehrerin im Folgenden auf die andere, die zweite Klasse zu sprechen. Auch bei dieser habe es einen Schwerpunkt gegeben: "soziale Probleme". Diese erklärt sie folgendermaßen: "Also die Schüler hatten viel Streit." Dies entspricht ihrer Vorstellung von der Klasse als einer Einheit, die einen Schwerpunkt bildet, mit dem sie sich sodann auseinandersetzen muss. In diesem Fall "gab es eigentlich was zu klären", doch sei es letztlich nicht dazu gekommen. Ihre Ausführungen schließt sie ab mit folgendem Fazit:
"Also es gab in jeder Stunde eigentlich irgendetwas äh ja ne Baustelle sozusagen." [42]
Mit der Metapher der "Baustelle" bringt die Lehrerin die Vorstellung, die sie von ihrer Arbeit hat, ihr Deutungsmuster, in verdichteter Form zum Ausdruck: Es gibt in jeder Stunde etwas, an dem sie zu arbeiten hat. Dieses ergibt sich unabhängig von ihr. Sie kommt hinzu, nimmt sich dieser Aufgabe an und kann täglich ein Stück weit mit ihrer Arbeit vorankommen. Ihre Arbeit ist Stückwerk – das sich aber fortsetzt und letztlich zu einem Ergebnis führen wird. Diese Arbeit versteht sie jedoch nicht als eine durch Krisen geprägte, als eine, die sie zu einem ständigen Umdenken und einer Veränderung ihres Handelns veranlasst. Zwar haben die Schüler/innen Probleme und ihre Arbeit ist anstrengend, doch bewältigt sie diese – das kommt in der Metapher der Baustelle deutlich zum Ausdruck – routiniert. [43]
Zusammenfassend lässt sich als Fallstrukturhypothese formulieren, dass den Fall von Frau Boyen kennzeichnet, dass ein Bewusstsein davon, dass Unterricht für Schüler/innen ein krisenhafter Prozess ist, kaum erkennbar ist. Allenfalls ist die Lesart möglich, dass in der Rede von "Lernschwierigkeiten" enthalten ist, dass Schüler/innen im Unterricht immer wieder mit Fremdem konfrontiert sind und so in Krisen geraten können. Über die Komplexität dieser Prozesse sowie die sich mit ihnen für sie stellende Herausforderung wird mit dem Begriff der Lernschwierigkeiten jedoch letztlich hinweggegangen. Man kann sogar sagen, dass die Lehrerin mit Schlagwörtern operiert, welche nicht klar definiert und nicht einmal klar voneinander abgegrenzt werden. Krisenhafte Prozesse, die immer solche einzelner Schüler/innen sind, kommen schon deswegen nicht in den Blick, weil die Lehrerin gar nicht von einzelnen Schüler/innen spricht, sondern nur von Klassen als Einheiten, in denen sich – unabhängig von ihr und ihrem Handeln – Schwerpunkte ergeben, auf die sie reagiert. Auch ihr eigenes Handeln begreift die Lehrerin nicht als krisenhaft. Zwar empfindet sie ihre Tätigkeit als anstrengend, doch wurde an der Metapher der Baustelle deutlich, dass sie sich an dem Modell einer Lehrperson als Handwerker/in orientiert, die/der die Arbeit routiniert durchführt.4) An weiteren Passagen aus dem Interview mit Frau Boyen ließe sich zeigen, wie sich diese Fallstruktur reproduziert: wenn sie im Folgenden auf den Konflikt eingeht, der "eigentlich [...] zu klären" war,5) oder wenn sie über einen jener Schüler/innen spricht, die "nicht ins Arbeiten kommen".6) [44]
6. Die Ergebnisse der Studie von HINZKE und ihre Beurteilung
Zu welchen Ergebnissen kommt HINZKE nun in seinen Analysen? Wie interpretiert er das Interview mit Frau Boyen, wie die anderen drei Interviews? Und zu welchen abschließenden Ergebnissen kommt er, wie ist seine Typologie beschaffen? Was das Interview mit Frau Boyen betrifft, so gelangt HINZKE zu der Interpretation, an deren Äußerungen werde deutlich, dass sie sich auf der einen Seite verschiedenen Normen verpflichtet fühle – derjenigen, Schüler/innen zum Arbeiten zu bringen, der Norm, auf Probleme der Schüler/innen einzugehen und zu deren Lösung beizutragen, sowie der Norm, in der Organisation Schule zu "funktionieren". Auf der anderen Seite sei sie an dem Ideal eines störungsfreien Unterrichts orientiert. Dieses Ideal stelle ihren Orientierungsrahmen im engeren Sinn dar. Und weil nun beides, die Normen, denen sie sich verpflichtet fühlt, und der Orientierungsrahmen in eine Spannung zueinander gerieten, sehe Frau Boyen ihren Tag als durch Krisen geprägt an. Was ist von dieser Deutung zu halten? [45]
Dass Frau Boyen sich unterschiedlichen Normen verpflichtet fühlt, ist plausibel. Fraglich ist jedoch, warum Letzteres, das Ideal eines störungsfreien Unterrichts, nicht ebenfalls als eine Norm verstanden, sondern behauptet wird, es stelle den "Orientierungsrahmen" der Lehrerin dar. Ist es nicht so, dass die Lehrerin von sich selbst erwartet, ihr Unterricht möge störungsfrei verlaufen, und dass sie von den Schüler/innen erwartet, nicht den Unterricht zu stören? Warum sieht HINZKE in dieser Erwartung keine Norm, sondern einen Orientierungsrahmen? Geht er davon aus, dass Normen Erwartungen sind, die sich an Akteur/innen richten, störungsfrei zu sein jedoch eine Erwartung ist, die sich nicht auf eine einzelne Person, sondern auf die Interaktion zwischen mehreren Akteur/innen bezieht? Oder sieht er Normen als allgemein an, einen Orientierungsrahmen hingegen als individuell, als Orientierung einer einzelnen Person? Dann aber wird zum Problem, dass sich dieses Ideal mehr oder weniger bei allen Lehrer/innen finden lässt, es also nicht nur dasjenige von Frau Boyen ist. Oder sieht er in der Erwartung eines störungsfreien Unterrichts einen Rahmen, weil der Unterricht der Rahmen ist, innerhalb dessen die Interaktion des Unterrichts stattfindet? Ist der Orientierungsrahmen also als der Rahmen für eine Praxis zu verstehen, auf die sich eine Orientierung bezieht? [46]
Hinzu kommt, dass HINZKEs Deutung impliziert, Frau Boyen habe ein Bewusstsein von Krisen, die Reanalyse aber zeigte, dass sie sich zwar mit unterschiedlichen Anforderungen konfrontiert sieht und deren Bewältigung als "anstrengend" empfindet. Doch weder ließ sich erkennen, dass sie ein Bewusstsein von den Krisen der Schüler/innen hat, noch dass sie ihr eigenes Handeln als krisenhaft betrachtet. Vielmehr versteht sie sich als "Handwerkerin", die routiniert die Anforderungen, die sich ihr tagtäglich stellen, bewältigt. Dies kann mit HINZKE auf ihren Orientierungsrahmen im weiteren Sinn zurückgeführt werden. Dieser bestehe, so der Autor, in einer "subsumtiv-generalisierenden Beobachtungsweise" (S.253). Diese wird nicht infrage gestellt, gerät nicht in eine Krise, sondern bewirkt vielmehr, dass mögliche Krisen erst gar nicht wahrgenommen werden. [47]
Zu welchen Ergebnissen kommt HINZKE bei der Analyse der anderen Eckfälle? Auf diese in gleicher Weise einzugehen wie auf den Fall von Frau Boyen, ist hier nicht möglich. Nur grob sollen sie wiedergegeben und kurz kommentiert werden. Die zweite Interviewte, Frau Wulf, erscheint als eine Lehrerin, die großen Wert auf eine gute Beziehung zu ihren Schüler/innen legt. Sie fragt zwar auch nach dem Erfolg ihres Unterrichts im Sinne der Erschließung von Gegenständen. Doch ist er für sie von nachgeordneter Bedeutung. Dass er z.B. am Tag des Interviews nur gering war, nimmt sie hin und erklärt das mit dem Zustand der Klasse – die Schüler/innen seien ziemlich erschöpft gewesen. Die Beziehung zu den Schüler/innen, welche für sie im Vordergrund steht, sei gelegentlich in Gefahr, da sie das Fach, das sie unterrichtet, nicht studiert habe. Wenn dies manifest werde, könne es zur Folge haben, dass sie unsicher und in der Folge aggressiv werde. [48]
HINZKEs Interpretation des Falles lautet, dass die Krisen, in die Frau Wulf gerate, daraus resultierten, dass sie sich der Norm verpflichtet fühle, "spontan auf SuS [Schülerinnen und Schüler] reagieren zu müssen" (S.259), ihrem Orientierungsrahmen zufolge aber eine positive Beziehung zu den Schüler/innen haben möchte. Erneut stellt sich die Frage, wie zwischen Norm und Orientierungsrahmen unterschieden wird. Letztlich hängt beides unmittelbar zusammen: Weil sich die Lehrerin an der Herstellung und Aufrechterhaltung einer positiven Beziehung zu ihren Schüler/innen orientiert, muss sie spontan auf diese reagieren. (Und aus dem Primat der Lehrer/in-Schüler/innen-Beziehung folgt sodann, dass der Lernerfolg für sie nur von sekundärer Bedeutung ist.) Darüber hinaus stellt sich die Frage: Wann kann diese Lehrerin in eine Krise geraten, wann kann sie mit ihren Routinen scheitern? Im Hinblick auf den Lernerfolg ist dies nicht möglich, da dieser für sie keine absolute Größe ist, vielmehr eine, die zu relativieren sie bereit ist. Scheitern kann sie jedoch mit ihrer Orientierung an der Beziehung zu den Schüler/innen. Das thematisiert sie, und das kann in Zusammenhang gebracht werden mit einer "suchend-erschließenden Beobachtungshaltung" (S.275) als Orientierungsrahmen im weiteren Sinn. Da sie das Fach, das sie unterrichtet, nicht studiert hat, ist die Krise, in die sie gelegentlich gerät, nicht eine, mit der sie souverän umgehen kann. Aufgrund mangelnder fachlicher Kenntnisse kann sie nicht einfach umdenken und ihr Handeln ändern. Sie hat also ein Bewusstsein von der Krisenanfälligkeit ihres Unterrichts und ist sich auch möglicher Folgen bewusst: dass sie aus der Not heraus aggressiv wird und so die Beziehung zu den Schüler/innen in eine Krise gerät. Mit solchen Krisen produktiv umzugehen, ist ihr kaum möglich. Deswegen bleibt ihr nur die Möglichkeit, alles zu tun, damit es nicht zu solchen kommt. [49]
Der dritte Befragte, Herr Martin, stellt sich im Interview als eine Lehrperson dar, die in ihrem Alltag permanent Entscheidungen treffen muss. Diese Entscheidungen sind für Herrn Martin mit Risiken verbunden: Er sieht die Möglichkeit, dass er von seinen Schüler/innen nicht verstanden wird. Äußerungen, die er für notwendig hält, um eine "Sache" bzw. einen Sachverhalt zu klären, könnten aufseiten der Schüler/innen zu Reaktionen führen, die er nicht gewollt hat. Kurz: Herr Martin thematisiert die Antinomie, dass er einerseits dazu verpflichtet ist, mit seinen Äußerungen den Prozess der Klärung von "Sachen" voranzutreiben, andererseits die Schüler/innen nicht demotivieren möchte, sich an dem Prozess der Klärung zu beteiligen. [50]
HINZKE interpretiert den Fall in dem Sinne, dass die Krisen, die Herr Martin in seinen Äußerungen reflektiert, aus der Spannung zwischen seinem Orientierungsrahmen und Normen resultieren. Auf der einen Seite möchte der Lehrer bei den Schüler/innen "ankommen", d.h. was er sagt, soll von den Schüler/innen akzeptiert, angenommen und verstanden werden. (HINZKE sieht darin eine "Verbindung von Geben und [Auf-]Nehmen", S.285.) Auf der anderen Seite sehe er sich verschiedenen Normen verpflichtet, nämlich zum einen der Norm den Schüler/innen stets gerecht zu werden, zum anderen der Norm, Entscheidungen treffen zu müssen. [51]
Der Fall von Herrn Martin ist bemerkenswert, da in dem Interview mit ihm das erste Mal unmittelbar der Kern des Unterrichts, die Auseinandersetzung der Schüler/innen mit "Sachen" thematisch wird. In Bezug auf HINZKEs Deutung stellt sich aber die Frage, ob die erste Norm, den Schüler/innen gerecht werden zu müssen, tatsächlich in Spannung zu der Orientierung, bei den Schüler/innen "ankommen" zu wollen, steht. Ist ihre Befolgung nicht vielmehr die Voraussetzung dafür, dass er bei den Schüler/innen überhaupt "ankommen" kann? Auch die zweite Norm steht nicht in Spannung zum Orientierungsrahmen. Dass stets Entscheidungen getroffen werden müssen, ist zudem keine Norm, sondern ein Faktum (das nicht nur aus der Sicht des Lehrers besteht, sondern real gegeben ist). Dass Herr Martin dies geltend macht, dient, so lässt sich vermuten, dem Zweck, das Dilemma, in dem er sich sieht, deutlich zu machen: dass es ihm nicht immer gelingt, "anzukommen", obwohl er der Norm, den Schüler/innen gerecht werden zu müssen, folgt. Der Grund dafür könnte sein, dass er seine Aufgabe eben darin sieht, Sachen zu klären. Das würde bedeuten: Obwohl er nicht explizit vom Unterricht spricht, geht er faktisch auf diesen ein, thematisiert den elementaren doppelten Anspruch an Unterricht: sowohl die Schüler/innen zu stärken als auch die Sachen zu klären. Es gibt aber Situationen, in denen es schwer, ja, kaum möglich ist, beiden Ansprüchen gleichzeitig zu genügen. Das führt bei Herrn Martin jedoch nicht zu einem Bruch in seinem Denken und Handeln (etwa dergestalt, dass er die Orientierung an der Klärung der Sache aufgibt). Vielmehr artikuliert er diesen Widerspruch, diese Antinomie, und zwar im Bewusstsein, diese nicht auflösen zu können, ja, zu dürfen. Darin besteht für ihn eine Norm, der er sich verpflichtet fühlt. [52]
Beim vierten Eckfall handelt es sich um eine Lehrerin, Frau Kreuz, die das Alltägliche, Normale, die Routine hervorhebt und diese als "wahnsinnig" bezeichnet. Der Alltag sei nicht zu verstehen, übersteige ihr Fassungsvermögen – dennoch muss er praktisch bewältigt werden. Die sich in ihm stellenden Anforderungen erfordern von ihr eine enorme Flexibilität. Mit diesem Alltag und auch mit Außeralltäglichem, mit "Katastrophen", kommt sie jedoch zurecht. Sie erduldet das alles mit einem gewissen Heroismus. Der "Wahnsinn" resultiert aus divergierenden Handlungsanforderungen: auf der einen Seite auf einzelne Schüler/innen eingehen und auf der anderen alle anderen im Blick behalten zu müssen; Schüler/innen zur Teilnahme am Unterricht motivieren zu müssen, obwohl diese in ihm keinen Sinn sehen, z.B. weil mit der letzten Klassenarbeit der Unterricht zu einem Ende gekommen ist. HINZKE deutet den Fall dergestalt, dass er behauptet, die Lehrerin orientiere sich an der Norm, "in der Interaktion mit Kollegen/innen und Schüler/innen flexibel auf deren Aktionen reagieren" (S.306) zu müssen. Dabei sehe sie sich vor die Frage gestellt, wem sie sich wie widmen soll. Ihr Orientierungsrahmen bestehe darin, "dass sich die Lehrerin an einer Spannung zwischen Alltäglichem und Besonderem abarbeitet" (a.a.O.). [53]
Wenn Frau Kreuz von "Wahnsinn" spricht, kann dies aber auch so verstanden werden, dass sie immer wieder in Situationen gerät, in denen sie handeln muss, ohne hinreichend reflektieren zu können. Sie muss sich schlicht auf ihre Intuition verlassen. Vor einer Handlung reflektieren zu können, wäre der Lehrerin aber eigentlich lieber, da sie dann beurteilen könnte, ob das, was sie zu tun gedenkt, gut oder schlecht ist. Zu Krisen kann es hier kommen, wenn das intuitiv vollzogene Handeln im Nachhinein reflektiert wird: War überhaupt richtig, was ich gemacht habe? Es gelingt ihr immer wieder, spontan zu handeln, doch bleibt eine sie beunruhigende Ungewissheit bezüglich der Qualität ihres Tuns. [54]
HINZKE erklärt, die Lehrerin fühle sich vier Normen verpflichtet: flexibel zu reagieren, dabei auf die Individualität der Schüler/innen einzugehen, die Schüler/innen vom "Abdriften" im Unterricht abhalten zu müssen und zu vermeiden, dass die Schüler/innen emotional verletzt werden. Ihr Orientierungsrahmen bestehe darin, stets darauf zu achten, wer wieviel Aufmerksamkeit erhält. Zu ergänzen wäre, dass ihr Krisenbewusstsein sie nicht am Handeln hindert – ihr gelingt es immer, spontan etwas zu tun. Doch im Nachhinein kann die Situation eintreten, dass das, was ihr in situ das Richtige zu sein schien, angezweifelt wird. Der Handlungsdruck und die Gewissheit im Handeln schwinden, im Nachdenken melden sich Zweifel, die sich dann nicht mehr stillstellen lassen. [55]
Ausgehend von der Analyse der vier Eckfällte, die ergänzt wird durch Ergebnisse der Interpretation von zehn weiteren Fällen, gelangt HINZKE schließlich zu einer Typologie, die im Kern strukturiert ist durch die Unterscheidung von "geschlossen" und "offen": Der Orientierungsrahmen von Lehrer/innen ist entweder offen, d.h. sie verstehen sich selbst und ihre eigene Praxis als offen gegenüber den Schülern/innen und handeln entsprechend, oder er ist geschlossen. Zudem differenziert HINZKE zwischen den Ebenen, auf denen Krisen jeweils auftauchen können, derjenigen des Unterrichts, der Zuwendung, der Beziehung und der Entscheidung. Die vier Typen sind:
"Typus 1: Geschlossene Reproduktion der Unterrichtspraxis
Typus 2: Offene Reproduktion der Zuwendungspraxis
Typus 3: Rekonstruktive Suche innerhalb offener Beziehungspraxis
Typus 4: Rekonstruktive Suche innerhalb offener Entscheidungspraxis" (S.368). [56]
Wie sind die Ergebnisse von HINZKE abschließend zu beurteilen? Zunächst ist zu sagen, dass sie von ihm in einer Differenziertheit und Systematik präsentiert werden, denen in diesem Beitrag gerecht zu werden kaum möglich ist.7) Außerdem ist festzuhalten, dass die Herangehensweise von HINZKE grundsätzlich plausibel ist, nämlich unterschiedliche Normen und Ansprüche zu rekonstruieren, denen Lehrpersonen glauben, entsprechen zu müssen. Diese sind nicht selten kaum miteinander vereinbar, stehen vielmehr in einem spannungsvollen Verhältnis zueinander. Plausibel ist zudem, dasjenige zu rekonstruieren, an dem sich Lehrer/innen orientieren, also ihr Deutungsmuster. Dies kann "offen" oder " geschlossen" sein in dem Sinne, ob Krisen der Schüler/innen sowie eigene Krisen wahrgenommen (und auch akzeptiert) werden oder nicht. Im Falle geschlossener Deutungsmuster kann es letztlich aus der Sicht der Lehrperson gar nicht zu Krisen kommen. Zusammenfassen ließe sich beides mit dem Begriff des professionellen Ideals. An diesem orientieren sich Lehrer/innen, ihm versuchen sie zu entsprechen. Letztlich erreichen können sie es jedoch nicht. [57]
Irritierend bleibt jedoch, dass HINZKE die unterschiedlichen Erwartungen und Normen, mit denen sich Lehrpersonen konfrontiert sehen sowie ihre Orientierungen bzw. Deutungsschemata nicht mithilfe der objektiven Hermeneutik, sondern mit der dokumentarischen Methode rekonstruiert hat, und dass sich die Fallbestimmung nicht aus den zunächst dargelegten theoretischen Überlegungen ergibt, aus den Überlegungen zum Begriff der Krise und zum professionellen Handeln von Lehrer/innen. (Auf diese wird erst im Anschluss an die Analyse der Interviews eingegangen, wenn die Typenbildung bereits abgeschlossen ist.) Die Fälle werden nicht rekonstruiert als Fälle der Reflexion von Krisen bzw. als Fälle eines professionellen Bewusstseins oder Habitus. Sondern die Fallbestimmung erfolgt mithilfe von Begriffe, die aus theoretischen Überlegungen stammen und mit der Begründung der dokumentarischen Methode zusammenhängen, vor allem mit den Begriffen Norm und Orientierungsrahmen. Damit scheint die Annahme einherzugehen, dass letztlich alle Lehrpersonen ihre Praxis als durch Krisen gekennzeichnet erfahren. Die Analyse der Eingangspassage des Interviews mit Frau Boyen hat jedoch gezeigt, dass dies keinesfalls so ist, es vielmehr Lehrer/innen gibt, die kein Bewusstsein von der Krisenhaftigkeit der Auseinandersetzung der Schüler/innen mit der "Sache" sowie des pädagogischen Handelns haben. Von einer "Diskontinuitätserfahrung", die gekennzeichnet ist durch den "Bruch mit Routinen des Denkens und Handelns sowie der Notwendigkeit, Entscheidungen in eine offene Zukunft hinein zu treffen" (S.70), kann bei diesen nicht die Rede sein. [58]
Vor dem Hintergrund der Ergebnisse, zu denen die pädagogische Unterrichtsforschung gelangt ist, fällt zudem auf, dass die (Bildungs-)Krisen der Schüler/innen in den Interviews mit den Lehrer/innen kaum vorkommen. Davon, dass Schüler/innen, wenn sie sich auf Fremdes einlassen, sich von sich selbst distanzieren, sich von sich selbst entfremden und in eine Krise geraten, und von der Herausforderung für Lehrpersonen, die darin besteht, den Schüler/innen dabei behilflich zu sein, diese Krise zu überwinden, d.h. die Sache sich aneignen, sich zu eigen machen, damit sie – ein Stück weit gereift, gebildet – wieder zu sich selbst kommen können, ist nicht die Rede.8) Allerdings äußert sich in den Interviews durchaus eine gewisse Sensibilität in Bezug darauf, was das eigene professionelle Handeln bei den Schüler/innen bewirken, dass es zu Krisen auf der Ebene der Lehrer/in-Schüler/in-Beziehung und der Kooperation führen kann. Bildungskrisen der Schüler/innen sind damit jedoch allenfalls indirekt angesprochen. [59]
7. Welche Konsequenzen sind aus den Ergebnissen zu ziehen?
In der letzten Zeit hat die Bildungspolitik vor allem darauf gesetzt, mit den Mitteln der Evaluation Veränderungsprozesse im Bildungssystem anzustoßen. Im Hintergrund standen die PISA-Studien, welche der Politik vor Augen führten, dass eine Reform des Bildungssystems vonnöten sei und die zudem auch den Weg zu weisen schienen, wie eine solche in Gang gesetzt werden könnte, eben durch die Nutzung der Methoden der "empirischen Bildungsforschung" für Evaluationsprozesse auf allen Ebenen des Bildungssystems. Das theoretische Modell, von dem dabei ausgegangen wurde, ist – wie Walter HERZOG (2013) dargelegt hat – das der Kybernetik. Das Bildungssystem wird begriffen als ein System, das vermittelt über den Vergleich von "Soll-" und "Ist-Werten" gesteuert werden kann. Zeigt sich bei diesem Vergleich eine Differenz, ist nachzusteuern (z.B. indem Lehrer/innen eine Fortbildung erhalten). [60]
Die pädagogische Unterrichtsforschung sowie die Studie von HINZKE legen ein anderes Vorgehen nahe. Durch sie wird deutlich, dass es eine erhebliche Diskrepanz gibt zwischen dem, was im Unterricht tatsächlich geschieht, und dem, was Lehrer/innen über diesen sagen. Ein Bewusstsein von der Krisenhaftigkeit des eigenen Handelns ist zwar partiell vorhanden, jedoch kaum von den Krisen der Schüler/innen. Dieser Befund spricht dafür, an diesem Punkt mit einer Reform des Bildungssystems anzusetzen: Es sollten Räume geschaffen werden, in denen Lehrpersonen vom Handlungsdruck befreit sind und sich mußevoll auf ihre Praxis beziehen, diese reflektieren und zu einer differenzierteren Wahrnehmung und Artikulation dessen gelangen können, was im alltäglichen Unterricht geschieht. Dafür gibt es bewährte Settings, vor allem dasjenige der Supervision. Der Vorteil wäre, dass diejenigen unmittelbar im Zentrum stünden, von denen es letztlich abhängt, ob sich etwas ändert oder nicht: die Lehrer/innen. An sie würden nicht abstrakt irgendwelche Forderungen gestellt, die sie erfüllen müssen und gegen die sie sich dann womöglich zur Wehr setzen, sondern mit ihnen würde eine Veränderung beginnen. [61]
Die Teilnahme an einer Supervision würde für die Lehrer/innen freilich jeweils Unterschiedliches bedeuten: Da Frau Boyen weder ihre Schüler/innen noch sich selbst in einer Krise sieht, wird sie vermutlich eine Supervision für kaum hilfreich halten. Ein Leidensdruck ist bei ihr zwar vorhanden, aber nicht ein hinreichend differenziertes Bewusstsein für dessen Gründe. Diese müssten im Rahmen einer Supervision erst einmal deutlich gemacht werden. Anders bei Frau Wulf. Sie hat ein Bewusstsein von der Krisenanfälligkeit ihres Unterrichts und auch eine Vorstellung davon, woraus diese resultiert. Eine Supervision könnte an dieser Stelle ansetzen. Ihre Aufgabe würde dann darin bestehen, Handlungsalternativen zu der aggressiven Reaktion zu erkunden, die trotz fachlicher Mängel der Lehrerin bestehen. (Darüber hinaus wäre die Teilnahme an einer Fortbildung zu empfehlen.) Herr Martin wäre ein Gewinn für jede Supervisionsgruppe, da er Probleme, Antinomien des Lehrer/innenhandelns zu explizieren vermag, ohne der Illusion zu verfallen, sie könnten aufgelöst werden. Für Frau Kreuz könnte eine Supervision gewinnbringend sein, da dort ihre Zweifel daran, ob sie spontan das Richtige gemacht hat, aufgegriffen werden könnten. Auf dem Weg über die nachträgliche Vergegenwärtigung der Situation, in der sie intuitiv reagierte, könnte darüber reflektiert werden, ob ihre Zweifel berechtigt sind oder nicht. [62]
In jedem Fall käme es darauf an, die Sensibilität und Reflexionsfähigkeit der Lehrer/innen in Bezug auf die Krisen der Schüler/innen und die Möglichkeiten, mit ihnen umzugehen, zu schärfen – in der Hoffnung, dass auf diese Weise auch eine Änderung des praktischen Handelns und ein höheres Maß an Professionalität möglich wird. [63]
1) Zwischen diesen drei Typen von Krisen unterscheidet OEVERMANN (2004). <zurück>
2) Zur Wahrung der Anonymität wurden erfundene Pseudonyme benutzt. <zurück>
3) SHIP steht für "Stärkung von Handlungssicherheit und Intuition mittels eines Praxissimulators". <zurück>
4) Daraus darf nicht der Schluss gezogen werden, dass die Lehrerin in der Praxis nicht fallspezifisch handelt und auf einzelne Schüler/innen eingeht. Doch in ihrer Theorie (2. Grades) wird dies nicht angesprochen. <zurück>
5) An diesem Konflikt war einer jener Schüler/innen beteiligt, die "so ihr Päckchen tragen". <zurück>
6) Für den Fall, dass solche Schüler/innen stören, gebe es ein Verfahren: Es führe letztlich dazu, dass sie in die "Trainingsinsel" geschickt würden. (D.h., sie verlassen den Unterricht und werden in die Hände einer Sozialarbeiterin gegeben, die mit ihnen über ihr Fehlverhalten spricht.) <zurück>
7) Wer dies im Detail nachvollziehen möchte, muss die Studie selbst lesen. <zurück>
8) Dass die Konfrontation mit Fremdem zu einer – nicht negativen, sondern im Gegenteil notwendigen – Entfremdung führen kann, wird in der Regel (wie oben deutlich wurde) nicht gesehen. Zugespitzt formuliert: Wer vom Fremden redet, sollten von der Entfremdung nicht schweigen (TWARDELLA 2010b). <zurück>
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Johannes TWARDELLA ist Privatdozent an der Goethe-Universität und Lehrer an der Elisabethenschule in Frankfurt am Main. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Unterrichtsforschung, Professionsforschung und Soziologie des Islam. In FQS veröffentlich hat er u.a. 2009 den Review Essay "Schwankende Gestalten drücken die Schulbank. Subjektanalyse im Anschluss an Andreas Reckwitz" (http://dx.doi.org/10.17169/fqs-10.2.1257).
Kontakt:
PD Dr. Johannes Twardella
Goethe-Universität Frankfurt am Main
Fachbereich Erziehungswissenschaften
Institut für Pädagogik der Sekundarstufe
Theodor-W.-Adorno-Platz 6
D-60323 Frankfurt am Main
Tel.: +49 (0)611/88002631
E-Mail: jtwardella@yahoo.de
URL: https://www.uni-frankfurt.de/48928491/Twardella
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