Volume 9, No. 1, Art. 35 – Januar 2008
Biografische Unsicherheiten und deren Bewältigung um die Jahrhundertwenden 1900 und 2000 – eine historisch vergleichende Analyse am Beispiel bildender KünstlerInnen
Helga Pelizäus-Hoffmeister
Zusammenfassung: Menschen moderner Gesellschaften fühlen sich heute steigenden biografischen Unsicherheiten ausgesetzt, so dass sie ihren Lebensverlauf als immer weniger vorhersehbar, einschätzbar und planbar erleben, so die aktuelle Diagnose vieler SozialwissenschaftlerInnen. Auch im öffentlichen Diskurs findet diese Auffassung Zustimmung. Aber, so habe ich mich gefragt: Sind biografische Unsicherheiten nicht ein Problem, das "moderne" Menschen seit jeher beschäftigt? Denn der permanente Wandel – zentrales Kennzeichen der Moderne – produziert fortwährend neue Unsicherheiten, die nicht ohne Folgen für die individuellen Lebensverläufe bleiben. Lebensbeschreibungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts zeigen daher auch verblüffende Parallelen zu denen von heute.
Die Frage, ob tatsächlich von einem Anstieg wahrgenommener Unsicherheiten für den individuellen Lebensverlauf gesprochen werden kann, ist in der empirisch orientierten Biografieforschung bislang ungeklärt. Mein Ziel war es daher, exemplarisch durch den Vergleich der biografischen Unsicherheitsperzeptionen zweier Untersuchungsgruppen aus unterschiedlichen Zeiträumen Veränderungstendenzen herauszuarbeiten. Im Rahmen einer qualitativen Untersuchung konnte für zwei Gruppen von KünstlerInnen um die Jahrhundertwenden 1900 und 2000 zum einen differenziert nachvollzogen werden, welche biografischen Unsicherheiten sie wahrnahmen und wie sie diese bewältigten. Zum anderen ließen sich die Veränderungen im zeitlichen Verlauf herausarbeiten. Die Ergebnisse haben exemplarischen Charakter, bieten aber zugleich Anhaltspunkte dafür, wie man sich allgemeinere Wandlungstendenzen vorstellen könnte.
Keywords: biografische (Un-)Sicherheit, qualitative Sozialforschung, Biografieforschung, historische Forschung, KünstlerInnen
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Methodisches Vorgehen
2.1 Samples
2.2 Erhebungsverfahren
2.3 Auswertungsverfahren
3. Relevante Konzepte biographischer Sicherheitskonstruktionen
4. Wandel biografischer Sicherheitskonstruktionen: Empirische Ergebnisse
5. Diskussion
Biografische Unsicherheiten, also unübersichtliche und unklare Bedingungen des Handelns, die den eigenen Lebensverlauf immer weniger vorhersehbar und planbar machen, rücken heute zunehmend ins Rampenlicht der Öffentlichkeit und Forschung. Vor allem der in steigendem Maße unsichere, flexibilisierte und deregulierte Arbeitsmarkt, der großen Einfluss auf biografische Verlaufsmuster hat, wird vielfach diskutiert (vgl. z.B. BECK 1986, S.20; BECK & BONSS 2001). So nimmt der Anteil der "sicheren", unbefristeten Vollzeitstellen ab und befristete (Teilzeit-) Beschäftigungsverhältnisse nehmen beständig zu. Das Gesamtarbeitsvolumen in Deutschland sinkt, sodass auch bei Festangestellten die Arbeitsplatzsicherheit schwindet (BECK 1999). Die Deregulierung von Beschäftigungsverhältnissen, unter dem Schlagwort "Erosion des Normalarbeitsverhältnisses" diskutiert, hat inzwischen einen großen Teil der Bevölkerung erfasst. Nicht nur die berufliche Perspektive scheint hierdurch für viele unsicherer und offener denn je. Auch der individuelle Lebensverlauf wird dadurch als immer weniger einschätzbar erlebt. [1]
Neben dem Arbeitsmarkt wird im Bereich der sozialen Beziehungen ein Zuwachs an Unsicherheiten und Uneindeutigkeiten diagnostiziert, der nicht ohne Folgen für Lebensverläufe bleibt. Denn die Formen privaten Zusammenlebens sind heute vielfältig und offen: nichteheliche Lebensgemeinschaften, Einelternfamilien, Singlehaushalte, neu zusammengesetzte Familien nach Scheidungen, Wohngemeinschaften etc. bilden ein Spektrum möglicher Lebensformen ab, zwischen denen gewählt werden kann und muss (vgl. RERRICH 1990; BAUMANN 1994). Der Lebensverlauf scheint heute unsicherer und offener denn je (vgl. BEHRINGER 1998). Biografische Sicherheit, also sichere Erwartungen, die Menschen hinsichtlich ihres Lebensverlaufs ausbilden und die Gewissheit, mit einer mehr oder weniger bestimmten Zukunft rechnen zu können, wird damit verstärkt zum Problem. [2]
Ob deshalb allerdings von einem Anstieg biografischer Unsicherheiten gesprochen werden kann, ist unklar. Denn vergleicht man diese Diagnosen mit denen, die den Zeitraum um 1900 beschreiben, dann zeigen sich vielfältige Parallelen. Auch für diese Zeit lassen sich beispielsweise auf dem Arbeitsmarkt – bedingt durch die Industrialisierung – gravierende Unsicherheiten und Veränderungen belegen, die sich einschneidend – im Sinne größerer Unsicherheiten – auf die biografischen Verlaufsmuster auswirkten (vgl. NIPPERDEY 1990, S.231; MOMMSEN 1980, S.63). Ebenso zeigte sich im Bereich sozialer Beziehungen eine Vielfalt an Lebensformen, die sich von denen der heutigen Zeit wenig unterscheidet (vgl. NIPPERDEY 1990). [3]
Die bislang ungeklärte Frage nach einem möglichen Anstieg "objektiver" biografischer Unsicherheiten hatte für meine Untersuchung allerdings keine Bedeutung. Mir ging es vielmehr darum, den Wandel der "subjektiven" biografischen Unsicherheitswahrnehmungen nachzuvollziehen. Denn nur das, was die Menschen als Unsicherheiten wahrnehmen, hat auch Bedeutung für ihr Handeln. Diese komplexe Frage kann man theoretisch bearbeiten (vgl. z.B. BECK & BONSS 2001; SCHIMANK 2002). Um mich ihr aber auch empirisch nähern zu können, habe ich – exemplarisch an einer Berufsgruppe – eine historisch vergleichende, qualitative Untersuchung zweier Untersuchungsgruppen durchgeführt, die sich mit den Fragen beschäftigte, welche Erwartungen die Menschen hinsichtlich ihres Lebenslaufs ausbildeten, mit welcher Zukunft sie mit welcher Gewissheit rechneten und wie sie mit biografischen Unsicherheiten umgingen1). [4]
Die Studie setzte sich insbesondere mit folgenden Problemfeldern auseinander:
a) Zum einen sollte herausgearbeitet werden, wie die untersuchten Personen ihre prinzipiell unsichere Zukunft wahrnahmen und bewältigten. Oder, anders formuliert, wie sie vor dem Hintergrund biografischer Unsicherheiten einen gewissen Grad an "Erwartbarkeit, Planbarkeit und Vorhersehbarkeit des eigenen Lebenslaufs" und damit biografische Sicherheit erzeugten (BONSS, HOHL & JAKOB 2001, S.155).2) [5]
Biografische Sicherheit muss in dem Maße hergestellt werden, wie das eigene Handlungsspektrum unübersichtlich und unklar wird (vgl. BONSS & ZINN 2003, S.35). Insofern ist biografische Unsicherheit ein kontingenzbedingtes Problem. Nicht handhabbare Kontingenz kann bewältigt werden, indem sie in Komplexität verwandelt wird (vgl. BONSS 1997, S.24; LUHMANN 1984, S.417ff.). Übertragen auf die biografische Gestaltung bedeutet dies, dass nur bestimmte zukünftige Möglichkeiten als handlungsrelevant betrachtet und andere vernachlässigt werden. Indem zum Beispiel nur bestimmte berufliche Karrieren ins Auge gefasst und andere als ungeeignet abgelehnt werden, wird selektiert und damit gewissermaßen eine "Fiktion" von Sicherheit erzeugt (vgl. BONSS 1997). Es entstehen biografische Erwartungssicherheiten. [6]
Um den Begriff der Erwartungssicherheit einer empirischen Untersuchung zugänglich zu machen, musste er allerdings weiter präzisiert werden. Ich habe ihn – in Anlehnung an eine Definition von ZINN und ESSER (2001, S.7) – konzeptualisiert als das relationale Verhältnis von Eindeutigkeit und Mehrdeutigkeit, als die mehr oder weniger eindeutige Kenntnis zukünftiger Ereignisse.3) [7]
b) Das Thema biografischer Unsicherheit spielt in der empirisch orientierten Biografieforschung schon länger eine wichtige Rolle, beispielsweise bei WOHLRAB-SAHR (1993), BEHRINGER (1998), ZINN und ESSER (2001), BONSS und ZINN (2003) oder BITTKAU-SCHMIDT, DRYGALLA und SCHUEGRAF (2007). Diesen Studien liegt die Annahme eines Anstiegs biografischer Unsicherheiten zugrunde.4) Was allerdings in diesen reinen Gegenwartsanalysen notwendig unberücksichtigt bleibt, ist die These zunehmender Unsicherheit kritisch zu prüfen. Hier setzte die vorliegende Untersuchung mit ihrer historisch vergleichenden Perspektive an. Ihr Ziel war es, mögliche Wandlungstendenzen in der Wahrnehmung biografischer Unsicherheit und im Umgang mit ihr im zeitlichen Verlauf am Beispiel einer Berufsgruppe zu erfassen. [8]
Zur Erfassung der biografischen Unsicherheitsperzeptionen und des Umgangs mit Unsicherheit wurde ein qualitatives Forschungsinstrumentarium gewählt. Die historisch vergleichende Perspektive, die zur Herausarbeitung von Wandlungstendenzen unvermeidlich ist, erforderte einen Längsschnitt als Untersuchungsanlage. Da der Abstand zwischen den untersuchten Zeiträumen – den Jahrhundertwenden 1900 und 2000 – ca. einhundert Jahre betrug, musste zudem ein Trenddesign durchgeführt werden (vgl. z.B. DIEKMANN 1995). Das heißt, das Datenmaterial (schriftlich fixierte und mündliche autobiografische Daten) wurde an unterschiedlichen Samples erhoben. [9]
Ziel der Untersuchung war es, mit einer vergleichenden Analyse von Einzelfällen die verschiedenen Formen biografischer Unsicherheitsperzeptionen und ihre Bewältigung fallübergreifend und typisierend5) zu erfassen. Für beide Zeiträume wurden die differierenden "Muster" jeweils in einer Typologie zusammengefasst, sodass durch den Vergleich beider Typologien Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Untersuchungsgruppen – und damit Wandlungstendenzen – herausgearbeitet werden konnten. Die ermittelten "qualitativen" Befunde wollen und können keinen Anspruch auf Repräsentativität erheben, schon allein deswegen nicht, weil es sich bei dem Sample eher um eine kleine (Rand-) Gruppe der Gesellschaft handelt. Die Untersuchung hatte daher exemplarischen Charakter, sollte aber dennoch Anhaltspunkte dafür liefern, wie man sich Veränderungstendenzen vorstellen könnte. [10]
Es sollten Personen ausgewählt werden, deren Lebensverläufe eher unberechenbar waren, denn ist es nahe liegend, dass bei ihnen der Umgang mit Unsicherheit bei der biografischen Gestaltung eine besonders wichtige Rolle spielte. Da insbesondere die Arbeitsbedingungen wesentlichen Einfluss auf Lebensverlauf und -gestaltung haben, sollten gerade diese ungesichert sein. Dieses Auswahlkriterium implizierte zugleich, dass die Untersuchungsgruppen tendenziell den Bedingungen ausgesetzt sein sollten, die die gegenwärtigen Entwicklungstrends des Arbeitsmarktes ausmachen. Als Samples wurden zwei Gruppen von KünstlerInnen gewählt. [11]
Dass KünstlerInnen ein geeignetes Sample sind, bedarf der Begründung. Denn es handelt sich um eine Gruppe, die in den Augen vieler einen Gegenhorizont zum "Normalitätsmodell" darstellt. Aber: Auch KünstlerInnen nehmen selbstverständlichen Anteil am sozialen und kulturellen Geschehen ihrer Zeit. Mir erscheinen sie für diese Untersuchung besonders geeignet, da ihre berufliche Situation in hohem Grade unsicher ist. Ihre Erwerbsarbeit weist meist vielfältige sachliche, soziale und zeitliche Unsicherheiten auf. Anerkannte berufliche Routinen und Sozialisationen beispielsweise, die das Arbeitsleben langfristig regeln, erleichtern und damit Sicherheit erzeugen können, existieren für sie kaum (vgl. SCHÜTTE 2000). Und die Schwierigkeit der materiellen Sicherung durch den Beruf ist zentraler Dreh- und Angelpunkt des künstlerischen Lebens.6) Darüber hinaus verweisen auch die Arbeitszeiten auf Unsicherheiten, da sie selbst gesetzt werden müssen. Die Unsicherheit der beruflichen Situation von KünstlerInnen nimmt aber gerade die aktuell zu beobachtende Erosion des Normalarbeitsverhältnisses gleichsam vorweg. KünstlerInnen können in dieser Hinsicht insofern als "Pioniere" einer deregulierten und flexibilisierten Arbeitswelt betrachtet werden. Sie stellen zwar einerseits eine (Rand-) Gruppe der Gesellschaft dar, andererseits aber sind sie prototypisch für neuere Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt. Bei ihnen kumulieren Entwicklungstrends, die bisher nur für Teilgruppen der Gesellschaft zutreffen, gemäß übereinstimmender Prognosen aber von langfristig zunehmender Bedeutung sind (vgl. BECK & BONSS 2001; VOSS 1993). Demnach erscheint es möglich, dass ihre Unsicherheitsperzeptionen und ihr Umgang mit Unsicherheit nicht allein die einer marginalen Sondergruppe sind, sondern dass sie Anhaltspunkte für allgemeinere Veränderungstendenzen liefern können. [12]
Als Auswahlkriterium für die realisierten Samples wurde zum einen das Selbstverständnis der Untersuchten als KünstlerInnen gewählt, in dem Sinne, dass sie ihre künstlerische Tätigkeit als die wesentliche Aufgabe ihres Lebens betrachteten. Damit verbunden war bei allen der Wunsch, mit ihrer Arbeit zur Existenzsicherung beizutragen. Dies entspricht der Definition der Bundesregierung, die besagt, dass eine Person dann als KünstlerIn gilt, wenn die künstlerische Tätigkeit mit der Absicht verbunden ist, auf Dauer hieraus Einnahmen zu erzielen (vgl. BUNDSMINISTERIUM FÜR ARBEIT UND SOZIALORDNUNG 2000, S.6). Weiteres Kriterium waren ungesicherte Arbeitsbedingungen in der Form, dass keiner befristeten oder unbefristeten Vollzeiterwerbstätigkeit im Sinne eines "Normalarbeitsverhältnisses" nachgegangen wurde. [13]
Das realisierte Sample für den Zeitraum 1900 bildeten Wassily KANDINSKY, Gabriele MÜNTER, Franz MARC und Paul KLEE. Für sie war zum einen das Auswahlkriterium "Selbstverständnis als KünstlerInnen" erfüllt. Zum anderen waren ihre Arbeitsbedingungen im untersuchten Zeitraum von 1902-1916 höchst ungesichert. Da ihre künstlerischen Arbeiten zu dieser Zeit entweder nicht anerkannt, strikt abgelehnt oder einfach übersehen wurden, blieb ihnen finanzieller Erfolg versagt und sorgte zeitweilig für massive materielle Engpässe. Die geringe Anzahl der Fälle für 1900 ist dem Problem geschuldet, dass es überaus schwierig war, ausreichendes autobiografisches Material von einer Person zu erhalten. Die hier analysierten Fälle bieten den Vorteil, dass zum einen hinreichend autobiografische Dokumente vorhanden waren. Zum anderen wurden sie vielfach untersucht, so dass eigene Schlussfolgerungen vor dem Hintergrund der Sekundärtexte auf ihre Plausibilität hin geprüft werden konnten. Die Datengrundlage bildeten Autobiografien, Sammlungen von autobiografisch orientierten Briefen, Tagebücher, eigene Notizen und Veröffentlichungen in Zeitschriften. [14]
Das Sample um 2000 bestand aus zwölf KünstlerInnen. Auch bei ihnen wurde darauf geachtet, dass sie sich als KünstlerInnen betrachteten und ihre Lebensverhältnisse in der Form unsicher waren, als sie keiner (un-) befristeten Vollzeiterwerbstätigkeit nachgingen. Die Anzahl der Befragten war vorab nicht festgelegt. Auf der Basis erster Fallanalysen wurden im Schneeballverfahren (SCHNELL, HILL & ESSER 1995, S.282) weitere Fälle ausgesucht, bei denen die Kriterien Berücksichtigung fanden, die sich in den vorherigen Analysen als relevant erwiesen hatten. Zudem wurden möglichst unterschiedliche Fälle gesucht, um der Heterogenität des Untersuchungsfeldes annähernd gerecht zu werden. Diese Vorgehensweise des theoretical samplings wurde gewählt, weil davon ausgegangen wird, dass erst auf der Basis erster erarbeiteter "Thesen" nach weiteren geeigneten Fällen gesucht werden kann, die dazu beitragen können, diese "Thesen" zu prüfen (vgl. STRAUSS & CORBIN 1996, S.148ff.). Insofern entsprachen die Schritte der Fallauswahl, der Datenerhebung und der Analyse keiner Abfolge, sondern sind als ein zirkulärer Forschungsprozess zu verstehen. [15]
Ein "scheinbares" Problem der Vergleichbarkeit beider Gruppen ergab sich daraus, dass das Sample von 2000 hinsichtlich des Bekanntheitsgrades (und damit verbunden ihres finanziellen Erfolgs) auf den ersten Blick nicht dem Sample von 1900 entsprach. Dieser Schwierigkeit wurde dadurch begegnet, dass für 1900 ausschließlich autobiografische Dokumente verwendet wurden, die aus einer Zeit stammten (1902-1916), in der die KünstlerInnen in der offiziellen Kunstszene völlig unbekannt und bedeutungslos waren und ihre materielle Existenz daher auch nicht durch künstlerische Tätigkeiten sichern konnten. [16]
Beim Sample um 2000 wurden biografische verstehende, teilstandardisierte Interviews durchgeführt, teilstandardisiert im Sinne leitfadengestützter Interviews (vgl. z.B. WITZEL 1996), verstehend im Sinne KAUFMANNs (1999). Um den Befragten ein intensives Einlassen auf das Interview zu ermöglichen, brachte sich die Interviewerin – im Sinne des verstehenden Interviews, wie es KAUFMANN konzeptualisiert hat – bis zu einem gewissen Grade selbst ein. So konnten die Befragten sie einordnen und Anhaltspunkte für einen offenen Austausch generieren. Die Interviewerin knüpfte durch dieses Vorgehen an die Gewohnheiten des Alltags an, die keineswegs durch ein vollständiges Unbeteiligtsein der Zuhörenden gekennzeichnet sind. Damit sollte einer "Enthumanisierung der Beziehung" (KAUFMANN 1999, S.77) vorgebaut werden, die verhindert, dass sich die Befragten allzu sehr auf das Interview einlassen.7) Dass solche Interventionen nur von sehr kurzer Dauer sein dürfen, ist nahe liegend; ihre Reflexion wurde in die Analyse selbstverständlich einbezogen. [17]
Die Erhebung wurde in drei Teile gegliedert: 1. Um eine möglichst lange narrative Gesprächsphase zu initiieren, wurden die Befragten durch einen einfachen Erzählstimulus8) aufgefordert, über ihren Lebensverlauf vor dem Hintergrund biografischer Unsicherheiten zu erzählen. 2. In einer Nachfragephase wurden zuerst erzählinterne Nachfragen gestellt, die sich auf die Anfangserzählung bezogen. Anschließend wurden leitfadengestützt dort nachgefragt, wo wichtige Aspekte unerwähnt blieben. 3. In der dritten Phase wurde den Befragten ein Fragebogen zu persönlichen Lebensdaten wie Alter, Geschlecht, Schulbildung und Beruf zum Ausfüllen vorgelegt. Diese Daten sollten es zum einen ermöglichen, die Befragten sozial zu verorten. Zum anderen konnten sie bei der Interpretation zum Teil durch ihre Konfrontation mit der Erzählung zur Spezifizierung der falltypischen Konstruktion beitragen. [18]
Da es aus naheliegenden Gründen nicht möglich war, das Sample um 1900 zu befragen, musste auf schriftlich fixierte autobiografische Dokumente zurückgegriffen werden. Es wurden Tagebücher, Autobiografien, autobiografisch orientierte Briefsammlungen und autobiografische Notizen zur Analyse ausgewählt. Die verwendeten Dokumente dieser Gruppe sind ausnahmslos veröffentlicht, waren von den VerfasserInnen selbst aber überwiegend nicht zur Veröffentlichung vorgesehen. [19]
Schriftlich fixierte autobiografische Dokumente können mit biografischen Interviews verglichen werden, da kein kategorialer Unterschied hinsichtlich ihres inhaltlichen Gehalts besteht, so meine These (vgl. auch PELIZÄUS-HOFFMEISTER 2006a, 2006b). Denn sowohl erzählte9) als auch geschriebene "Lebensgeschichten"10) geben Auskunft über das persönliche Leben ihrer VerfasserInnen. Sie geben Einblick in bedeutsame Einzelerfahrungen, wichtige Elemente des Erfahrungszusammenhangs und individuelle Reflektionen. Beide Äußerungsformen sind vergleichbare Zugriffsmöglichkeiten auf individuelle biografische Deutungen (vgl. hierzu auch OEVERMANN 2001, S.62; NASSEHI 2002, S.73). Doch auch wenn Erzählen und Schreiben aus dem selben Erfahrungsschatz gespeist ist, so ist es dennoch naheliegend, dass jede der beiden Äußerungsformen neben Übereinstimmungen auch Informationen zum Vorschein bringt, die in der anderen Äußerungsform nicht oder nicht in der Eindeutigkeit enthalten sind. Das spricht nicht grundsätzlich gegen die These der Vergleichbarkeit, verweist aber auf die Notwendigkeit, einzelne Aspekte, die eine biografische Darstellung charakterisieren, vor dem Hintergrund der jeweiligen Äußerungsform zu interpretieren. Der Grad der Offenheit beispielsweise, die Konkretion des Dargestellten, die Fiktionalität, aber auch die Tiefe der Reflektionen können variieren, je nachdem, in welcher Form biografische Äußerungen festgehalten werden. Dass allerdings auch bei diesen Aspekten keine kategorialen, sondern allenfalls graduelle Unterschiede zwischen erzählten und geschriebenen Lebensgeschichten bestehen, kann aus empirischen Untersuchungen wie denen von WARNEKEN (1985), HELMIG (1972), LEHMANN (1983) und KNOCH (1990) abgeleitet werden. [20]
Bei der Fokussierung von Offenheit beispielsweise, der aufrichtigen und vollständigen Darstellung, lässt sich zwar auf den ersten Blick vermuten, dass den schriftlichen Versionen möglicherweise Schilderungen fehlen, von denen die AutorInnen fürchten müssen, dass sie "gegen sie verwendet" werden könnten. Doch auch Interviews müssen nicht unbedingt ein Vorteil hinsichtlich offener Erzählungen sein. Denn manche vertrauen sich vielleicht lieber dem Papier an als einem Gegenüber, von dem sie unmittelbare, evtl. auch negative Reaktionen erwarten müssen (vgl. WARNEKEN 1985, S.45; BOERNER 1969, S.20). Und auch wenn häufig vermutet wird, dass die konkrete und gefühlsnahe Darstellungsweise eine typische Form mündlicher Erzählung sei, so legen zum Beispiel WARNEKENs Befunde nahe, dass die schriftlichen Versionen meist genauer und detaillierter sind und damit einen höheren Grad an Konkretion aufweisen (vgl. WARNEKEN 1985, S.69; HELMIG 1972, S.5; KNOCH 1990, S.60). Bei ihnen zeigt sich zum Teil zwar ein geringerer Grad an Emotionalität. Doch Gefühle werden auch in Transkriptionen von Interviews nur unvollständig wiedergegeben, da sie sich meist weniger in Worten als in Mimik und Gestik der Befragten ausdrücken. Und auch hinsichtlich der Frage nach der "Fiktionalität" schriftlicher und mündlicher Lebensgeschichten kann kein grundlegender Unterschied belegt werden: Sowohl schriftliche als auch mündliche Versionen müssen als sinnstiftende Konstruktionen und nicht als Abbilder faktischen Geschehens "gelesen" werden (vgl. LEHMANN 1983, S.69; KOLLER 1994, S.91; WARNEKEN 1985, S.49). Einzig einen meist höheren Grad an Reflektionen in schriftlich verfassten Lebensgeschichten können empirische Studien belegen (vgl. z.B. SCHULZE 1997). Hier zeigt sich ein gradueller Unterschied zwischen beiden Äußerungsformen, der bei der Datenanalyse berücksichtigt wurde. Dies gelang mit Hilfe des interpretativen Verfahrens von SCHULZE (1997), das später erläutert wird. [21]
Um Fehlinterpretationen zu vermeiden, mussten die Dokumente von 1900 allerdings zusätzlich quellenkritisch betrachtet werden. Das heißt die Texte mussten kritisch vor dem Hintergrund ihres Entstehungszusammenhangs interpretiert werden. Das erforderte eine literaturwissenschaftliche, gattungsspezifische Auseinandersetzung mit den verwendeten Textsorten in dem Sinne, dass die formalen "Ordnungsprinzipien" der jeweiligen Gattung zum Zeitpunkt der Textentstehung bei der Interpretation berücksichtigt wurden. Beispielsweise schrieb KANDINSKY seine Autobiografie in einem sehr fragmentarischen Stil. Seinen Erzählungen fehlte eine chronologische Reihenfolge; die einzelnen Kapitel standen unverbunden nebeneinander. Ohne Beachtung gattungsspezifischer Besonderheiten könnte man diese Form des Textaufbaus vielleicht als einen Hinweis auf die Ungeordnetheit und Unstrukturiertheit seiner biografischen Gestaltung verstehen. Dabei bliebe aber unberücksichtigt, dass gerade diese Form der Autobiografie für die Jahrhundertwende 1900 typisch war (vgl. HOFFMANN 1989, S.487). Die "Partikularisierung der Form" wählten zu dieser Zeit viele Autobiografen, um sich von der zeitlich vorgelagerten Monumentalisierung des Subjekts in der Autobiografie abzugrenzen (vgl. SHUMAKER 1989, S.78; MISCH 1970). Insofern war es wichtig, bei der Interpretation die typischen formalen Ordnungsprinzipien der verwendeten Textgattungen mit zu berücksichtigen. [22]
Mit Hilfe der Methodologie der Grounded Theory (GLASER & STRAUSS 1967; STRAUSS & CORBIN 1996) konnte eine gegenstandsorientierte Theorie generiert werden, die differenziert nachvollzog, welche biografischen Unsicherheitsperzeptionen die Untersuchten wie und unter welchen Bedingungen entwickelten und wie sich dies auf ihren Umgang mit biografischer Unsicherheit auswirkte. Bei der Auswertung wurde von einer vorherigen Hypothesenbildung abgesehen. Als heuristischer Rahmen floss zwar vages Vorwissen in die Untersuchung mit ein; dieses wurde dann aber während des Auswertungsprozesses ständig verändert, präzisiert und den empirischen Phänomenen angepasst. Das Einbringen eines vagen theoretischen Vorwissens erachte ich als notwendig, da es hilft, relevante Daten und Zusammenhänge zu erkennen und in theoretischen Begriffen zu reflektieren (vgl. auch KELLE & KLUGE 1999, S.25ff.). [23]
Grundsätzlich galt für die gesamte Untersuchung, dass die Verfahrensschritte Datenerhebung, Analyse und Theorieproduktion als dynamisch miteinander verknüpfte, parallel stattfindende Schritte vollzogen wurden. Dahinter steckte die Absicht wechselseitiger Steuerung und Kontrolle. Das bedeutete: Zunächst wurden Daten bei nur wenigen Fällen zu einer eher unspezifischen Fragestellung erhoben. Nach deren Analyse wurden erste theoretische Konzepte und "Hypothesen" entwickelt. Diese wurden anschließend vor dem Hintergrund weiterer Fälle geprüft und bildeten die Grundlage für die Theorieentwicklung (vgl. STRAUSS & CORBIN 1996, S.148ff.). [24]
Die Datenanalyse erfolgte in folgenden Schritten: Zunächst wurden auf der Basis von Einzelfallanalysen wichtige Deutungen in Form von Konzepten festgehalten (offenes Kodieren). Beispiele wichtiger Konzepte sind das Selbstbild und das Weltbild der Untersuchten, die zeitlichen Perspektiven biografischer Deutungen, Strategien im Umgang mit Unsicherheit etc. Für alle Fälle wurden die Ausprägungen dieser Konzepte in eigenen "Auswertungsbögen" festgehalten. Mit Hilfe dieser Beschreibungen konnten systematische, fallvergleichende Analysen durchgeführt werden. Der Fallvergleich diente zum einen dem weiteren Präzisieren der Konzepte, zum anderen konnten so für jedes Konzept ("Phänomen") die unterschiedlichen Varianten systematisch herausgearbeitet werden. Im nächsten Schritt wurden Beziehungen zwischen den Konzepten in Form von Zusammenhangsmodellen herausgearbeitet und durch kontinuierliche Vergleiche geprüft (axiales Kodieren, vgl. zum Kodierparadigma STRAUSS & CORBIN 1996, S.75f.). In den Daten zeigte sich beispielsweise eine enge Wechselbeziehung zwischen der Wahrnehmung von Unsicherheit und den Selbst- und Weltbildern der Untersuchten. Mit Hilfe der Zusammenhangsmodelle konnten ausführliche Einzelfallrekonstruktionen vorgenommen werden; das heißt jeder Fall konnte differenziert nachvollzogen und in seiner "inneren Logik" erklärt werden. In einem weiteren Schritt wurde die Vielzahl der entstandenen Konzepte auf die wesentlichen reduziert, die dann die Basis der entwickelten Theorie bildeten (selektives Kodieren). Die Fälle wurden nun vor dem Hintergrund dieser "Haupt"-Konzepte miteinander verglichen und Gemeinsamkeiten und Unterschiede wurden herausgearbeitet. [25]
Anschließend wurden die Einzelfälle aufgrund ihrer Ähnlichkeiten und Unterschiede differierenden Gruppen zugeordnet. Es wurden jene Fälle zusammengefasst, die sich auf allen Vergleichsebenen ähnelten (vgl. auch KELLE & KLUGE 1999, S.78). Diese formale Einteilung der Fälle in Gruppen war ein Mittel, um zu den "allgemeineren inhaltlichen Ordnungen" vorzudringen, die zur Gruppierung geführt hatten. Dieser Verfahrensschritt schloss mit der Entwicklung je einer Typologie für jeden Zeitraum ab. Im Rahmen der Typologien wurden die Typen umfassend und präzise charakterisiert. Indem das Typische der einzelnen Gruppen aufgezeigt wurde, wurde von den individuellen Besonderheiten der Fälle abgesehen. Durch den Vergleich beider Typologien konnten Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Untersuchungsgruppen – und damit Wandlungstendenzen – herausgearbeitet werden. [26]
Bei den Fallrekonstruktionen wurden zudem nach Möglichkeit die Wechselbeziehungen zwischen den biografischen Deutungen und den tatsächlichen Lebensverläufen mit in die Interpretation einbezogen (vgl. hierzu ROSENTHAL 1993; auch BOHNSACK 1999; SCHÜTZE 1987). Denn "Lebensgeschichten" werden immer aus den Wechselbeziehungen zwischen erlebten Situationen, deren Wahrnehmungen und den Erinnerungen konstituiert (vgl. ROSENTHAL 1993, S.20). So konnte beispielsweise durch eine Kontrastierung der geschilderten Geschichte mit dem tatsächlichen Lebensverlauf Aufschluss über die Auswahl der erwähnten Ereignisse und deren jeweiliger Darstellung gewonnen werden. Durch die Berücksichtigung der "objektiven" Daten wurde eine Verortung der Untersuchten im sozialen und geografischen Raum, aber auch in der historischen Zeit möglich, was den Prozess des Verstehens erhöhte. Insbesondere für das Sample um 1900 wäre es kaum möglich gewesen, ihre biografischen Deutungen ohne Kenntnis der Kontextbedingungen angemessen zu erfassen. Diese "objektiven" Implikationen flossen bei der Analyse der Einzelfälle ein, als es darum ging, die "innere Logik" des Falls im Rahmen des axialen Kodierens nachzuvollziehen. [27]
"Objektive" Daten zu Geburtsjahr, Geburtsort, Eltern, Ausbildung, aber auch zu besonderen Ereignissen ergaben sich für die Untersuchungsgruppe 2000 zum einen aus der Beantwortung der leitfadengestützten Fragen, zum anderen aus dem Fragebogen. Für die Gruppe um 1900 wurden Biografien und andere Beschreibungen ihrer Lebensverläufe hinzugezogen. Die angemessene Interpretation der Gruppe um 1900 setzte zudem Kenntnisse hinsichtlich des historischen Hintergrunds voraus. Hierzu wurden insbesondere Texte herangezogen, die sich mit der Position der KünstlerInnen in der Gesellschaft zur untersuchten Zeit befassten (vgl. z.B. LENMANN 1994; RUPPERT 1998; NIPPERDEY 1990). [28]
Sowohl bei den schriftlich verfassten als auch bei den erzählten und anschließend transkribierten Darstellungen wurden darüber hinaus in Anlehnung an SCHULZEs Interpretatives Verfahren (1993, 1997) "Entwicklungsstufen" in den Dokumenten berücksichtigt, da diese unterschiedlich ausgewertet werden müssen. SCHULZE unterscheidet – ähnlich wie auch SCHÜTZE (1987) und BOHNSACK (1999) – zwischen verschiedenen "Textsorten", die den Produktionsprozess autobiografischer Texte berücksichtigen. Ein autobiografischer Text entsteht nach SCHULZE in einem komplizierten Prozess, in dem "Eindrücke und Ereignisse in Erlebnisse, Erlebnisse in Erinnerungen, Erinnerungen in Erzählungen und Erzählungen in reflektierte Erkenntnis transformiert werden" (SCHULZE 1997, S.328). Diese Stufen, die in ihrem "Zeit- und Realitätsmodus" (ebd.) differieren und daher auch unterschiedlich gedeutet werden müssen, hinterlassen ihre Spuren in den Texten, indem sie sich in Wortbeständen und Inhalten, in Satzkonstruktionen und Formulierungen widerspiegeln. Im Sinne eines methodisch kontrollierten Vorgehens wurden die wichtigsten Stufen in beiden Textformen identifiziert und bei der Interpretation berücksichtigt. [29]
In der ersten Stufe – SCHULZE nennt sie die der objektiven Erkenntnis – werden "faktische" Ereignisse erwähnt, die der Außenwelt angehören, aber den individuellen Lebenslauf kreuzen. Diese Stufe war für diese Untersuchung besonders wichtig, da einige KünstlerInnen ihren gesamten Lebensverlauf an spezifischen "objektiven" Ereignissen orientierten (vgl. SCHULZE 1993, S.130). KANDINSKY (1955, S.15f.) zum Beispiel beschrieb vielfach zwei für ihn zentrale Ereignisse: eine französische Ausstellung in Moskau und eine Wagneraufführung. An dieser Stelle mussten Fragen gestellt werden wie: Warum gerade diese Ereignisse? Welche Bedeutung hatten sie für seine weitere biografische Gestaltung? Auch die letzte Stufe – bei SCHULZE heißt sie die der reflektierten Erkenntnis – hatte herausragende Bedeutung bei den Interpretationen, da sie gerade in den schriftlich verfassten Lebensgeschichten eine große Rolle spielte. In dieser Stufe legt sich die Person Rechenschaft über ihre eigenen Erfahrungen ab und versucht, eine übergreifende Deutung herzustellen. Hier soll gleichsam eine "Moral der Geschichte" formuliert werden (vgl. SCHULZE 1997, S.330). Diese Reflektionen konnten nicht als das interpretiert werden, was sie aus der Sicht der AutorInnen sein sollten, nämlich als eine Erläuterung grundlegender Handlungsmotive. Anstatt ihrem wörtlichen Sinngehalt zu folgen, konnte hieran aber die Herstellungsweise der Argumentation nachvollzogen werden. Es konnte herausgearbeitet werden, wie jemand die eigenen Überzeugungen und Handlungen rechtfertigte. Auch dies gab Aufschluss über Deutungen und erlaubte Einblick in die Logiken, mit denen er oder sie die eigene biografische Perspektive konstruierte. Erst durch die Identifizierung dieser verschiedenen Stufen und ihrer unterschiedlichen Interpretation wurde eine dem tieferen Sinn der Daten angemessene Auswertung möglich. [30]
3. Relevante Konzepte biographischer Sicherheitskonstruktionen
Um die Sicherheitsüberzeugungen und deren Wandlungstendenzen in Abschnitt 4 systematisch darstellen und erklären zu können, sollen vorab die Konzepte mit ihren Eigenschaften beschrieben werden, die sich in der empirischen Untersuchung als wichtig erwiesen haben. Diese Konzepte wurden im Rahmen des offenen Kodierens entwickelt und beim späteren axialen Kodieren in die Zusammenhangsmodelle "Unsicherheitsperzeptionen" und "Strategien im Umgang mit Unsicherheit" integriert. [31]
Unsicherheitsperzeptionen: Auf der Basis der empirischen Daten ergaben sich für die Beschreibung und Erklärung der Unsicherheitsperzeptionen relevante Konzepte, die anhand folgender Fragen beschrieben werden können:
Wem wurde Unsicherheit zugerechnet? Es zeigte sich, dass Unsicherheit einem Teil der Untersuchten als Bedingung oder Ergebnis eigenen Handelns erschien, von anderen hingegen auf externe Faktoren zurückgeführt wurde. In theoretischen Konzepten ausgedrückt könnte im ersten Fall – unsicherheitssoziologisch formuliert – von der Verfügbarkeit des Kontingenten als Handlung gesprochen werden (vgl. MAKROPOULOS 1990) oder in der Terminologie von BONSS (1995, S.48) von einer Risikoperzeption. Aus dieser Perspektive wurde Unsicherheit auf eigene Handlungen zurückgeführt, was einherging mit einem Gefühl von Beherrschbarkeit, Kalkulierbarkeit und Kontrollierbarkeit. Der zweite Fall kann – theoretisch formuliert – als eine Unverfügbarkeit des Kontingenten (vgl. MAKROPOULOS 1990, S.407) bezeichnet werden, als das Zufällige, das sich jeglichem aktiven Eingreifen entzieht. BONSS (1995, S.45) beschreibt dies als eine Gefahrenperzeption. Aus einer Gefahrenperspektive heraus erschien den Untersuchten biografische Unsicherheit als eine Bedrohung, die auf Ursachen außerhalb der eigenen Kontrolle zurückgeführt wurde und daher als nicht durch eigenes Handeln "bezwingbar" wahrgenommen wurde.
Eine zweite Frage, die sich im Hinblick auf Unsicherheitsperzeptionen als relevant erwies, war die nach dem Intensitätsgrad: Führte biografische Unsicherheit bei den untersuchten KünstlerInnen zu starker persönlicher Betroffenheit und/oder Verunsicherung oder wurde ihr eher gleichgültig begegnet?
Besonders wichtig war darüber hinaus die Frage nach der Wertschätzung: Wurde Unsicherheit von den Untersuchten positiv oder negativ wahrgenommen? Denn Unsicherheit erschien nicht allen notwendig negativ, als Gefahr oder als Risiko. Einige verstanden sie als einen hohen Freiheitsgrad, als Chance auf neue Möglichkeitsräume und Erfahrungen. [32]
Diese unterschiedlichen Aspekte der Wahrnehmung von Unsicherheit spiegelten sich vor allem in den Weltdeutungen und den Selbstbildern der untersuchten KünstlerInnen wider. Denn je nachdem ob ihnen Unsicherheit beispielsweise als Gefahr oder als Risiko erschien, begriffen sie die unsichere Welt einmal als Bedrohung, das andere Mal als eine Herausforderung für die eigene Handlungskompetenz. Und damit erlebten sie sich einmal als Opfer unbeherrschbarer äußerer Bedingungen, das andere Mal als autonome Menschen mit hohem Kontrollbewusstsein. [33]
Strategien im Umgang mit Unsicherheit: Die differierenden Unsicherheitsperzeptionen führten bei den KünstlerInnen zu unterschiedlichen Strategien, biografische Unsicherheit zu bewältigen. Auch hier ist es zum differenzierten Beschreiben und Nachvollziehen der Strategien wichtig, vorab die grundlegenden Konzepte mit ihren jeweiligen Ausprägungen zu kennen. Diese können folgendermaßen in Form von Fragen formuliert werden:
Welche Bezugspunkte dienten vor allem der biografischen Orientierung? Die untersuchten KünstlerInnen orientierten sich in ihren biografischen Konstruktionen an unterschiedlichen Vorstellungen. Für einige waren selbst entwickelte Vorstellungen zentral – diese werden hier als Bezugnahme auf das "Selbst" bezeichnet – einige orientierten sich an den Vorgaben des "Außen", wie zum Beispiel an den Überzeugungen wichtiger Bezugspersonen, an religiösen Sinnangeboten etc.
In diesem Zusammenhang war insbesondere die Frage nach einer möglichen Bezugnahme auf kollektive biografische Leitbilder wichtig: Wurden gesellschaftliche Vorstellungen von der "Normalbiografie"11) oder auch ihr Komplement – das "moderne Künstlerbild" – in Form der Anpassung oder der Ablehnung in die eigene Biografie eingebaut oder spielten sie dort keine Rolle?
Insbesondere der Faktor Zeit spielte bei den biografischen Strategien eine besondere Rolle. Daher musste geklärt werden, welche zeitlichen Perspektiven die biografischen Konstruktionen implizierten. Es zeigte sich, dass zeitliche Perspektiven auf völlig unterschiedliche Weise in die biografische Gestaltung einflossen; sei es als langfristige Orientierungen in der Lebensplanung, als kontinuierliche Perspektiven, als ein permanenter Weiterbildungsgedanke etc.
Es erwies sich ebenfalls als wichtig, danach zu fragen, welche spezifischen Logiken den biografischen Erwartungssicherheiten zugrunde lagen. Beispielsweise konnten eindeutige, dauerhafte Grenzziehungen den KünstlerInnen ein Gefühl der Sicherheit vermitteln, ebenso konnte aber auch das Vertrauen, das rationales Kalkül oder der Glaube Gewissheit stiften. Grenzziehungen bildeten eine ganz grundlegende Logik zur Herstellung biografischer Sicherheit. Aber auch ein biografischer "roter Faden" trug bei einigen zur Sicherheit bei, da durch ihn das Wünschenswerte ebenso klar definiert wurde wie zu vermeidende Abweichungen. [34]
Durch die Rekonstruktion der Fälle auf der Basis einer systematischen Erfassung dieser genannten Konzepte und einer Analyse ihrer Zusammenhänge war es möglich, für beide Untersuchungsgruppen typische Formen biografischer Sicherheitskonstruktionen herauszuarbeiten. Und durch den anschließenden Vergleich beider Typologien konnten Wandlungstendenzen der biografischen Konstruktionen zwischen den beiden Unersuchungsgruppen präzise benannt und erklärt werden. [35]
4. Wandel biografischer Sicherheitskonstruktionen: Empirische Ergebnisse
Die untersuchten KünstlerInnen begegneten biografischer Unsicherheit auf unterschiedlichste Weise. Dennoch zeigten sich ihre Deutungsmuster nicht in unendlicher Vielfalt, sondern es wurden spezifische Varianten sichtbar. Neben den Variationen innerhalb der beiden Zeiträume zeigten sich zugleich bedeutende Unterschiede zwischen den Jahrhundertwenden. Insbesondere Letztere sind das Thema der folgenden Ausführungen, da in diesem Beitrag der Wandel biografischer Konstruktionen im Mittelpunkt stehen soll. [36]
Eine wesentliche Veränderung in der Wahrnehmung biografischer Unsicherheit war die Pluralisierung ihrer Wertschätzung. Während sie von den untersuchten KünstlerInnen um 190012) immer als Defizit interpretiert wurde, als ein unzureichender Zustand, der starke persönliche Verunsicherung hervorrief und den es daher dringend zu beseitigen galt, ergab sich bei den KünstlerInnen um 2000 zugleich eine positiv konnotierte Variante. In diesem Fall implizierte Unsicherheit die Erweiterung des eigenen Möglichkeitsraums, was verbunden wurde mit der Chance auf neue Erfahrungen und "gute Gelegenheiten". Insgesamt allerdings überwog auch beim Sample um 2000 eine Negativeinschätzung. [37]
Das Bestreben nach Klarheit und Eindeutigkeit, und damit nach Erwartungssicherheit, das sich bei den KünstlerInnen um 1900 so prägnant zeigte, kann am Beispiel eines Zitats von Gabriele MÜNTER veranschaulicht werden. Sie betont: "Entweder alles oder nichts – nichts ist weit besser als etwas halbes – das kann ich nicht" (HOBERG 2000, S.38). Ihre Aussage bezieht sich auf eine mögliche Trennung von ihrem Partner Wassily KANDINSKY. Durch ihre als sehr unsicher wahrgenommene Beziehung zu ihm – "etwas halbes" – fühlte sie sich in ihrer gesamten biografischen Perspektive gefährdet und zog daher – in ihren autobiografischen Notizen – eine Trennung vor. Es wird deutlich, dass sie sogar ein eindeutig negativ bewertetes Ereignis einer uneindeutigen Situation vorzog, nur um Sicherheit zu erlangen.13) [38]
Die Interpretationen der KünstlerInnen um 1900 waren eindeutig: Entweder wurde Unsicherheit fremd zugerechnet – als Gefahr im Sinne der Definition in Abschnitt 3 – oder sie wurde dem eigenen Handlungsfeld zugerechnet und als Risiko (Definition siehe ebenfalls Abschnitt 3) wahrgenommen. Dementsprechend waren auch ihre Weltdeutungen (relativ) eindeutig. [39]
Im ersten Fall – der Gefahrenperzeption – erschien den KünstlerInnen eine unsichere Welt als Bedrohung für den eigenen Lebensverlauf, die nicht mit eigenen Mitteln bewältigt werden konnte. Sie zeigte sich in Form des Schicksals oder aber auch des Zufalls und wurde als nicht erwartbar, nicht kalkulierbar und nicht kontrollierbar wahrgenommen. "Das Leben war zu provisorisch um befriedigend zu sein – ich konnte es nicht ändern und beschied mich damit", so brachte zum Beispiel Gabriele MÜNTER ihre empfundene Hilflosigkeit gegenüber den Ungewissheiten externer Faktoren zum Ausdruck (MÜNTER, zitiert nach KLEINE 1997, S.27). Aus dieser Perspektive war das Selbstbild von einem Gefühl des Ausgeliefertseins, der Fremdbestimmtheit, geprägt. Das Selbst erschien unbedeutend für die biografische Gestaltung. [40]
Ganz anders präsentierte sich der zweite Fall, bei dem die KünstlerInnen Unsicherheit als Risiko wahrnahmen. Grundlage für den Umgang mit Unsicherheit bildete bei ihnen das Gefühl der Berechen- und Kontrollierbarkeit biografischer Unsicherheiten. Unsicherheit erschien vor allem als Ergebnis eigenen Handelns. Und selbst wenn sie nicht als Folge eigener Handlungen betrachtet wurde, so herrschte dennoch die Überzeugung, sie durch eigenes Handeln bewältigen zu können. Die unsichere Welt erschien diesen KünstlerInnen als eine Herausforderung für die eigene Handlungsfähigkeit und -kompetenz, oder aber auch als Kampfplatz, auf dem man sich bewähren musste. Dem Selbst wurde bei der Erzeugung biografischer Sicherheit große Bedeutung zugewiesen. Dies ging einher mit der Wahrnehmung eigener Autonomie, eigener Kontrollmöglichkeiten und eigener Verantwortung. Paul KLEE zum Beispiel brachte diese Überzeugungen folgendermaßen zum Ausdruck: "Ich neige dazu mich immer wieder schnell zu retten. Ich will nicht dass mich irgendetwas überwächst" (KLEE 1957, S.200). Oder: "Ich fühle mich frei (....) alles zu unternehmen, was ich selbst verantworten kann" (ebd., S.132). [41]
Die klare Trennung zwischen den Gefahren- und den Risikoperzeptionen, die bei der Untersuchungsgruppe 1900 herausgearbeitet werden konnte, zeigte sich bei dem Sample 2000 nicht. Denn hier gab es einige KünstlerInnen, bei denen diese Unterscheidung "aufgehoben" war. Unsicherheit zeigte sich bei ihnen nicht nur insofern, dass sie die Zukunft als offen und ungewiss wahrnahmen, sie zeigte sich auch in der Hinsicht, dass nicht mehr klar schien, wem oder was sie zugerechnet werden konnte. Diese Perzeption bezeichne ich als eine doppelte Uneindeutigkeit. Sie drückte sich in ambivalenten Weltdeutungen aus und wurde meist von starker persönlicher Verunsicherung begleitet. Für Herrn VAN DOREN14) beispielsweise war diese Ungewissheit so bedrückend und belastend, dass er verblüfft war, wenn er sie hin und wieder auch vergessen konnte.
"Ich kann's noch nicht mal beschreiben, warum's Tage gibt wo mir des dann ... wo ich nicht drüber nachdenke. ... Diese Verunsicherung die man hat, wenn man jetzt Radio anmacht. Und man hört jeden Tag eine andere Information. Kein Mensch weiß mehr worum es überhaupt geht". [42]
Auch das Selbstbild dieser KünstlerInnen war geprägt durch Ambivalenz. Einerseits erschien ihnen das eigene Leben und die Zukunft bestimmt durch äußere "Kräfte", über die sie kein Wissen, keinerlei Kontrolle oder Macht hatten. "Wir wissen ja nicht wo oben und unten ist. Also nicht mal dieses wissen wir", so sagt beispielsweise Frau MESSNER. Andererseits aber fühlten sie sich dennoch verantwortlich, richtungweisend in ungewisse Situationen einzugreifen. Anders formuliert: Auch wenn sie eigene "Steuerungsmaßnahmen" als fehlgeschlagen durch unberechenbare Einflüsse von außen beschrieben, so fühlten sie sich dennoch getrieben, weiter zu steuern. Durch eigenes aktives Sicherheitshandeln, so ihre Überzeugung, kann die Gefahr zwar nicht gebannt werden, aber es ist die einzige Möglichkeit, endgültiges biografisches Scheitern zu vermeiden. Frau MORENA zum Beispiel betont: "Man muss schon sehr progressiv vorgehen, aber das ist dann auch wieder schlecht". [43]
Die doppelte Uneindeutigkeit wurde von einigen aber auch positiv interpretiert. Für diese KünstlerInnen bedeutete eine ambivalent wahrgenommene Welt die Möglichkeit, die offene Zukunft immer wieder anders bewerten zu können. Die eigenen Handlungen konnten so stets an wechselnden Wünschen und Zielen, aber auch an sich verändernden Kontexten orientiert werden. Und zudem eröffnete Ambivalenz für sie gerade dann eine Vielfalt an Möglichkeitsräumen, wenn keine direkte Entscheidung erforderlich war. Sie ermöglichte es ihnen, von unterschiedlichsten "Lebenswegen" zu träumen. Herr PATTINI beispielsweise betonte, dass Ambivalenz eine wichtige Basis seines Lebens darstelle: "... es gehört dazu, es ist wie der Gegensatz. Denn wenn [es] das nicht gibt, dann weißt du nicht was anders sein könnte". Und auch Frau ENGEL erklärt: "Ich bin glücklich, dass ich als Künstlerin keine eindeutige Meinung haben muss".15) [44]
Auch bei diesen KünstlerInnen war das Selbstbild geprägt durch Ambivalenz, allerdings mit einer durchweg positiven Konnotation. Denn einerseits wurde im aktiven Handeln eine wesentliche Steuerungs- und Kontrollmöglichkeit des Lebensverlaufs gesehen; insofern war Autonomie ein zentrales Kennzeichen des Selbstbildes. Andererseits galt das Selbst als angewiesen auf Vorgaben des Außen, die aber vor allem als gute Gelegenheiten, Anregungen und Hilfestellungen interpretiert wurden.
Dimension |
1900 |
2000 |
Wertschätzung |
Defizit |
Defizit Chance |
Grenze zwischen Gefahr und Risiko |
eindeutig
|
eindeutig uneindeutig |
Weltdeutung – Selbstbild |
Bedrohung (Gefahr) – Fremdbestimmtheit Herausforderung (Risiko) – Autonomie
|
Bedrohung (Gefahr) – Fremdbestimmtheit Herausforderung (Risiko) – Autonomie Ambivalente Bedrohung (doppelte Uneindeutigkeit) – Fremdbestimmtheit bei gleichzeitigem Zwang zur Autonomie Ambivalenz (doppelte Uneindeutigkeit) – Autonomie bei gleichzeitiger Fremdbestimmtheit |
Tabelle 1: Wahrnehmung biographischer Unsicherheit [45]
Betrachtet man nun die eng mit den Unsicherheitsperzeptionen verknüpften Wandlungstendenzen der Strategien im Umgang mit Unsicherheit, dann zeigte sich bei der Untersuchungsgruppe um 2000 an erster Stelle die zunehmende Bedeutung des "Selbst" – anders formuliert: eigener Deutungen und Überzeugungen – als Ausgangspunkt biografischer Gestaltung. Sogar wenn von einer möglichen Ungültigkeit eigener Erkenntnisse und von der Marginalität eigenen Handelns ausgegangen wurde, erschien den KünstlerInnen dennoch das Selbst häufig als einzige Basis, biografische Sicherheit zu erzeugen. Immer weniger schien ihnen die Orientierung an Vorgaben des Außen der Sicherheitsgewinnung zu dienen, immer wichtiger wurden eigene Deutungen für die Konstruktion biografischer Sicherheit. [46]
Frau MESSNER beispielsweise sah die Wichtigkeit der Gestaltung des Lebensverlaufs nach eigenen Vorstellungen darin begründet, "dass es keine Gesetze mehr gibt", die gesellschaftlichen Halt und Sicherheit versprachen. Und vor dem Hintergrund des Glaubens, dass auch Zufälle und Schicksalsschläge keine tiefere Bedeutung hatten und damit nicht richtungweisend sein konnten – "die Doofheit der Existenz" –, mussten eigene Orientierungspunkte für die biografische Perspektive entwickelt werden. [47]
Die abnehmende Relevanz des Außen als Bezugspunkt biografischer Orientierung, die sich beim Vergleich beider Untersuchungsgruppen zeigte, spiegelte sich zugleich in einer veränderten Bedeutung der "Normalbiografie" wider. Um 1900 orientierten sich alle untersuchten KünstlerInnen bewusst oder unbewusst an den gesellschaftlichen Normalitätsvorstellungen. Selbst wenn die Erfüllung der Konventionen oft nicht einfach erschien, was gerade für KünstlerInnen in besonderem Maße zutraf, so wurde doch auf ein möglichst nahes Heranreichen hingezielt. Und sogar wenn durch eine Inszenierung des Selbst als KünstlerIn das Normalmodell auf programmatischer Ebene abgelehnt wurde, so wurde doch weiterhin – eher ungemerkt – an deren zugrunde liegenden Prinzipien festgehalten. [48]
Für Paul KLEE zum Beispiel schienen die "Normalvorstellungen" zur geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung in Familie und Beruf auf den ersten Blick kaum Bedeutung zu haben. Er überließ den überwiegenden Teil der materiellen Existenzsicherung seiner Ehefrau, während er Sorge für den Haushalt und die Erziehung des Sohnes trug. Indem er allerdings sehr häufig auf die geplante zeitliche Befristung dieses Arrangements verwies, gab er einen Hinweis darauf, dass die Konventionen auch für ihn große Selbstverständlichkeit besaßen. "Arbeiten werden wir eben zu zwei. Wie lange weiß ich nicht" (KLEE, 1957, S.208). Die besondere Betonung der Befristung stellte seinen "Normalisierungsversuch" dar, eine möglichst nahe Anpassung an die Normalbiografie, der er aufgrund seiner beruflichen Probleme nicht entsprechen konnte. [49]
Dagegen diente den KünstlerInnen um 2000 das gesellschaftliche Leitbild der "Normalbiografie" – aber auch das des "modernen Künstlers" – immer weniger als geeigneter Orientierungsrahmen für das eigene Leben. Einige KünstlerInnen lehnten die Normalbiografie nicht nur programmatisch ab, sondern sie verwirklichten diese Zurückweisung auch bewusst in ihrem "praktischen" Leben. Für andere hingegen spielte das Normalmodell aufgrund mangelnder Passung keine Rolle bei der biografischen Gestaltung. Diese Irrelevanz kam auch darin zum Ausdruck, dass die Prinzipien der Normalbiografie bei anderen Personen durchaus anerkannt, im eigenen Leben allerdings nicht berücksichtigt wurden. Frau MORENA beispielsweise äußerte zur Institution der Ehe16): "Ja gut, wenn man sich dieses Versprechen geben möchte. Dann ist das vielleicht sogar etwas sehr Schönes. Aber für mich nicht, für mich hat es keinen Stellenwert. Muss ich wirklich sagen". [50]
Und die KünstlerInnen um 2000, die sich am Normalmodell orientierten, konstruierten dies stets als eine bewusste Entscheidung, die gleichzeitig eine weniger hohe Verbindlichkeit hatte. Hier galt die Anpassung vor allem als ein funktionales Arrangement, das der Verwirklichung der persönlichen Interessen besonders entgegenkam. [51]
Ein wesentlicher Aspekt biografischer Konstruktionen ist – wie oben erwähnt – ihr zeitlicher Horizont. Unterschiede zwischen beiden Untersuchungsgruppen zeigten sich in mehrfacher Hinsicht. Während die Konstruktionen aller KünstlerInnen um 1900 eine übereinstimmende Zeitperspektive aufwiesen, bestanden um 2000 gravierende Unterschiede. [52]
Kontinuität, Langfristigkeit, aber auch Teleologie und Weiterentwicklung waren für die KünstlerInnen um 1900 unhinterfragt selbstverständliche Aspekte jeder Biografie.17) Dass zum Beispiel das Prinzip der Kontinuität immer mitgedacht wurde, zeigte sich daran, dass biografische Diskontinuitäten stets als Abweichung wahrgenommen wurden, die einer expliziten Legitimation bedurften. [53]
Wassily KANDINSKY beispielsweise entschloss sich im Alter von dreißig Jahren, seine Erfolg versprechende Universitätslaufbahn aufzugeben, um Maler zu werden. Da er aber – ganz Kind seiner Zeit – eine Biografie als kontinuierlich konzeptualisierte, musste er diesen Bruch im Lebensverlauf als eine gravierende Störung bzw. als eine unerwünschte Abweichung wahrnehmen, die besonders legitimiert werden musste. Als Rechtfertigung seiner Umorientierung führte er zwei Ereignisse an, die ihn bewegt hätten, sein Leben radikal zu ändern, einmal eine französische impressionistische Ausstellung in Moskau, zum anderen eine Wagneraufführung. Er inszenierte diese Ereignisse als eine Form der "Bekehrung" bzw. als "Wendemarken" seines Lebens, so dass es daraufhin nahezu notwendig schien, seinem Leben eine völlig neue Ausrichtung zu geben. Vergleichbar den Konversionserzählungen (WOHLRAB-SAHR 1999) beschrieb er die Zeit vor seiner "Bekehrung" als krisenhaft und schwierig, die Zeit nachher als eine "Erlösung", so dass er den Bruch im Lebensverlauf ex post auf jeden Fall rechtfertigen konnte. [54]
Darüber hinaus hatten alle biografischen Konstruktionen der KünstlerInnen um 1900 eine stark teleologische Ausrichtung. Anders formuliert: Für alle war selbstverständlich, dass es ein – meist klares – Ziel im Leben eines jeden Menschen gab, das es zu erreichen oder zumindest anzustreben galt. Dies kam allerdings insbesondere darin zum Ausdruck, dass es gar nicht explizit zum Thema wurde, implizit aber in alle biografischen Deutungen mit einfloss; ein Zeichen für die unhinterfragte Selbstverständlichkeit der teleologischen Orientierung. [55]
Ebenso war bei ihnen ein stetiger Weiterentwicklungsgedanke wesentliche Basis der biografischen Perspektive, der Sicherheit und Orientierung lieferte. Denn vergangene Erfahrungen konnten so als eindeutige, richtungweisende Fundamente für gegenwärtige und zukünftige Entscheidungen herangezogen werden. Es entstand eine verlässliche Verbindung zwischen Vergangenheit und Zukunft. Damit verknüpft waren zugleich langfristige Perspektiven, die es ermöglichten, die Kontingenz und Offenheit der Zukunft zu reduzieren. [56]
Eine Übereinstimmung der Zeithorizonte war bei den KünstlerInnen um 2000 nicht gegeben. Es zeigte sich vielmehr eine Vielfalt unterschiedlichster Zeitperspektiven, ihre Pluralisierung. Zwar hatten auch bei diesen KünstlerInnen die bisher präsentierten Vorstellungen weiterhin große Bedeutung, aber es existierten zugleich neue Muster, die stichwortartig als Diskontinuität, Projektbezogenheit und Ungerichtetheit beschrieben werden können. [57]
Diese Perspektiven gewannen insbesondere bei den KünstlerInnen an Bedeutung, die sich den – in der Gegenwart unbekannten – grundsätzlich positiv bewerteten Möglichkeitsräumen der Zukunft nicht durch vergangene Festlegungen verschließen wollten. Dieses Bestreben implizierte zum Teil eine "Projektbezogenheit", bei der selbst die Dauer des "Projekts" oft nicht festgelegt wurde. Und auch die permanente Weiterentwicklung – ein wichtiges Muster um 1900 – wich hier der reinen Veränderung, um zukünftige Offenheit zu erzeugen. [58]
Die KünstlerInnen der Gegenwart, die Unsicherheit negativ perzepierten, strebten zwar weiterhin nach Langfristigkeit und Kontinuität; aber immer weniger konstruierten sie ihre Biografie aus einer teleologischen Perspektive. Denn sie sahen sich aufgrund einer als kontingent wahrgenommenen Zukunft nicht mehr in der Lage, überhaupt eindeutige Ziele zu entwickeln. [59]
Abschließend gilt es nun, den Wandel der – den Konstruktionen zugrunde liegenden – Logiken zu erfassen. Eine wesentliche Logik der Herstellung von Sicherheit bildete bei allen untersuchten KünstlerInnen um 1900 die Grenzziehung, in Form von Systematisierungen, Hierarchisierungen etc. Unterschiedliche, dauerhaft konstruierte, klare und eindeutige Grenzen lieferten hier eine wichtige Grundlage für die Erzeugung biografischer Sicherheit. [60]
Paul KLEEs biografische Systematisierungsversuche beispielsweise spiegelten sich im akribischen Festhalten aller Ereignisse in seinen Tagebüchern wider. Die Einträge wurden säuberlich in einzelne Abschnitte unterteilt, inhaltlich, chronologisch und nach Wichtigkeit sortiert und nummeriert. Gewissenhaft hielt er jeweils den gesamten Tagesverlauf präzise fest. Damit legte er sich einerseits Rechenschaft über sein bisheriges Leben ab. Andererseits entwickelte er durch seinen reflektierten Umgang mit den Eintragungen einen logisch stringenten, systematischen Biografieverlauf. Dass er sein Tagebuch ständig überarbeitete, obwohl es nicht für eine Veröffentlichung gedacht war, kann als Hinweis darauf interpretiert werden, dass er mit der systematischen schriftlichen Erfassung seines Lebens Überschaubarkeit, Konsistenz und damit Sicherheit in seiner Biografie herstellen wollte. Die vergangenen, schriftlich fixierten Erfahrungen dienten ihm dabei als wesentliches Fundament zukünftiger Planungen und Entscheidungen. Sie boten ihm einerseits einen Maßstab bei der Beurteilung von (Miss-) Erfolgen, andererseits eine Orientierungshilfe bei neuen Zielsetzungen.
"... es ziemt sich ein kleiner Rückblick. Ich kann nicht sagen, dass damit viel Trost verbunden sei diesmal. Denn malen kann ich eben immer noch nicht, trotz der strengen Tonwertbeobachtung und trotz meiner raffinierten Art, das Maß der Helldunkelstufen zu treffen. (...) Nun versuche ich, vom Mittelgrund aus eine helle und eine gleichzeitig tiefe Handlung zu inszenieren (...). Vielleicht führt das zum Ziel" (KLEE, 1957, S.253). [61]
Die in die Zukunft gerichtete präzise Planung entsprach seinem auf die Vergangenheit bezogenen Bestreben, alle Ereignisse systematisch und eindeutig festzuhalten. [62]
Diese Logik der Herstellung stabiler und eindeutiger Grenzen war nicht bei allen KünstlerInnen um 2000 zu finden. Bei manchen hatten Grenzziehungen nur in konkreten Entscheidungssituationen Bedeutung. Sie wurden bewusst als nicht dauerhaft konzipiert, da sie sonst zukünftige Deutungs- und Handlungsmöglichkeiten einschränken könnten. Anderen KünstlerInnen hingegen fehlte der Glaube an allgemeingültige oder eigene Gesetze, die eine Grundlage für stabile und klare Grenzen bilden könnten. [63]
Ein weiterer wichtiger Garant biografischer Sicherheit war für die KünstlerInnen um 1900 der Glaube an unwiderlegbare Wahrheiten, auf den Lebensverlauf bezogen, der Glaube an einen "richtigen" Lebensweg. Es herrschte die Gewissheit, dass es für jedes Leben eine "tiefere" Wahrheit gab, die es zu erkennen galt, um den eigenen Lebensverlauf daran zu orientieren. Auch wenn die Welt als undurchschaubar, verwirrend und uneindeutig wahrgenommen wurde, klar war, dass es für den eigenen Lebensverlauf eine eindeutige Perspektive geben musste. Dieser Glaube an einen "richtigen" Lebensweg ließ sich für die Gruppe um 2000 überwiegend nicht mehr finden und macht einer Vielfalt als möglich erachteter Lebenswege Platz. [64]
Verbunden mit der Gewissheit eines eindeutigen und "richtigen" Lebensverlaufs war für die KünstlerInnen um 1900 die Vorstellung einer in sich konsistenten Biografie. Unabhängig davon, wie sich der "faktische" Lebensverlauf gestaltete, zeichneten sich die Biografiekonstruktionen durch ihre innere Geschlossenheit aus. Alle untersuchten KünstlerInnen dieser Zeit waren bemüht, ihrem Leben einen "roten Faden" zu verleihen, an dem alle Handlungen und Deutungen orientiert waren. [65]
Paul KLEE zum Beispiel beschäftigte sich – wie oben schon erwähnt - intensiv mit der permanenten Überarbeitung seiner Tagebücher. Um eine logisch stringente, kontinuierliche Argumentationslinie – eben den "roten Faden" – entwickeln zu können, war er bereit, seine Aufzeichnungen ständig im Hinblick auf ihre Folgerichtigkeit und Konsequenz zu überprüfen. "Außerdem begann ich das Material meiner Tagebücher zu sichten. Es darf manches darin ruhig weggelassen werden, es genüge der Vermerk, das ich ..." (KLEE, 1957, S.160). Er versuchte, alle Deutungen in einer biografischen Gesamtkonstruktion zu harmonisieren. [66]
Diese Interpretationen existierten zwar auch bei einigen KünstlerInnen um 2000, aber ebenso gab es KünstlerInnen, die Diskontinuitäten, Widersprüchlichkeiten und Inkonsistenzen in ihrer Biografie gar nicht zum Problem erklärten und damit einen Hinweis darauf gaben, dass diese ihnen als selbstverständlich galten und unhinterfragt hingenommen wurden. Herr TOMSKY beispielsweise, aufgefordert über sein Leben zu erzählen, fragte: "Welches von meinen Leben? Mein Leben ist Extremleben, wegen zweier verschiedener Sachen. Einmal ich war Rockstar in X., einmal ich habe studiert (...) Malerei". Er kam nicht auf die Idee, diesen biografischen Bruch als Unzulänglichkeit oder Defizit einzustufen und fühlte sich daher auch nicht genötigt, ihn in irgendeiner Weise zu rechtfertigen. Vielmehr beschrieb er die einzelnen Lebensabschnitte als völlig unterschiedliche Formen des Lebens und Eingebundenseins, die er beide zu schätzen wusste und nicht missen wollte. Und auch Herr PATTINI betonte: "Du bist jeder- jederzeit ein anderer Mensch, nicht nur jeden Tag, in einem Tag sogar". Die einzelnen Lebensphasen erschienen bei diesen KünstlerInnen als Fragmente, deren Fragmentierung allerdings nicht problematisiert wurde. [67]
Empirisch, so lässt sich abschließend festhalten, zeigten sich zwischen den Untersuchungsgruppen zahlreiche Unterschiede, sowohl in der Wahrnehmung von Unsicherheit als auch im Umgang mit ihr. Dennoch war es ein weiteres zentrales Ergebnis der Studie, dass die Strategien zur Unsicherheitsbewältigung der KünstlerInnen von 1900 auch für die KünstlerInnen der Gegenwart noch von größter Bedeutung waren und zum Teil sogar noch rigider verfolgt wurden. Es zeigte sich einerseits eine Pluralisierung der Sicherungsstrategien, andererseits das Entstehen neuer Muster im Umgang mit biografischer Unsicherheit. In der folgenden Tabelle sind aufgrund der besseren Überschaubarkeit nur die Veränderungstendenzen aufgeführt.
Dimension |
1900 |
2000 |
Bezugsrahmen |
Selbst und Außen |
Selbst dominierend |
Bezug zur "Normalbiografie" |
Explizite oder implizite Anpassung |
Anpassung als bewusste Entscheidung Ablehnung Irrelevanz |
Zeitliche Perspektiven |
Übereinstimmende Zeithorizonte Kontinuität, Teleologie, Weiterentwicklung, Langfristigkeit
|
Pluralisierung der Zeithorizonte Diskontinuität, Ungerichtetheit und Projektbezug als neue, weitere Perspektiven |
Logiken |
Eindeutige, dauerhafte Grenzziehungen (z.B. Systematisierungen) Glaube an den einen "richtigen" Lebensweg Konsistenz der Biografie |
Fehlen dauerhafter und/oder eindeutiger Grenzziehungen Vielfalt möglicher Lebenswege Selbstverständlichkeit biographischer Inkonsistenzen |
Tabelle 2: Wandel der Strategien im Umgang mit Unsicherheit [68]
Um nun im letzten Schritt die empirisch herausgearbeiteten Veränderungen auch auf theoretischer Ebene erfassen zu können, habe ich insbesondere die "neuen" Muster in der Wahrnehmung und im Umgang mit biografischer Unsicherheit fokussiert. Hier zeigt sich, dass sich an erster Stelle die Interpretationen einer "unsicheren" Welt verändert haben: Unsicherheit wird anders und insgesamt als umfassender und intensiver wahrgenommen. [69]
Die "unsichere" Welt um 1900 kann in der Wahrnehmung der untersuchten KünstlerInnen treffend mit dem Stichwort der Kontingenz charakterisiert werden. Sie erschien den KünstlerInnen dadurch bewältigbar, dass sie sich in Komplexität – in eine begrenzte Anzahl zukünftiger Handlungsoptionen – verwandeln ließ. In Anlehnung an MAKROPOULOS (1990, S.408) kann diese Wahrnehmung als "spezifisch-kontingent" bezeichnet werden. Das bedeutet: Die offene Zukunft wurde auf einige "denkbare" Möglichkeiten reduziert, die aus der Realität gewonnen wurden und mit dem Weltbild der Gesellschaft korrespondierten (vgl. ebd.). Biografische Gestaltung bedeutete für die KünstlerInnen aus dieser Perspektive die Konstruktion einer möglichst idealen, eindeutigen Biografie, orientiert an gesellschaftlichen Leitbildern wie dem Normalmodell. [70]
Die Weltdeutungen vieler der untersuchten KünstlerInnen um 2000 hingegen lassen sich als Perzeptionen einer Kontingenz 2. Ordnung beschreiben. Nicht die Zufälligkeit und die Vielfalt zukünftiger Ereignisse stand hier im Vordergrund, sondern das Phänomen, dass mögliche zukünftige Optionen gar nicht mehr "gedacht" und damit fassbar gemacht werden konnten. Die Existenz von Unklarheiten und Mehrdeutigkeiten drückte sich in ambivalenten Weltvorstellungen aus. MAKROPOULOS spricht hier von der "Unverfügbarkeit" des Möglichkeitsraums, da er außerhalb des Erfahrungsbereichs der Menschen liegt (1990, S.409). Diese Kontingenz 2. Ordnung wurde von den KünstlerInnen zunehmend hingenommen, akzeptiert und zum Teil sogar begrüßt. Vor diesem Hintergrund verlor die "eindeutige" Institution der Normalbiografie notwendig ihre Passung und Überzeugungskraft und damit auch ihre Bedeutung als Bezugspunkt biografischer Gestaltung. [71]
Bleibt nun noch die Frage nach der Ursache für den beschriebenen Wandel. Theoretisch formuliert kann man ihn mit dem Entstehen einer neuen Form der Unsicherheitsperzeption begründen, mit einer wahrgenommenen doppelten Uneindeutigkeit. Diese drückt sich nicht allein in der Wahrnehmung einer Vielzahl teils widersprüchlicher Handlungsoptionen aus, hinzukommen Möglichkeiten und Einflüsse, die den Rahmen des Vorstellbaren sprengen. Denn die eigene Lebensführung zeigte sich für viele der KünstlerInnen um 2000 in zunehmendem Maße gesteuert durch Bedingungen des Kontextes und durch Nebenfolgen eigenen Handelns, die nicht gesehen und eingeplant werden konnten.18) Diese doppelte Uneindeutigkeit resultiert, so meine These, aus dem Zusammentreffen an sich eindeutig konstruierbarer Einzelhandlungen und ihren nicht vorausgesehenen oder vorhersehbaren Verknüpfungen. Diese Verknüpfungen führen zu Ergebnissen, die im Voraus so nicht prognostiziert werden können, ex post allerdings sehr präzise rekonstruierbar sind. [72]
Die Wahrnehmung der "unsicheren" Welt in Form einer Kontingenz 2. Ordnung ging für die KünstlerInnen einher mit geringeren eigenen Kontrollmöglichkeiten, ohne dass dabei allerdings die individuelle Verantwortung abgeschwächt wurde. Vielmehr mussten sie in zunehmendem Maße ihren Lebensverlauf – ohne Rückgriff auf gesellschaftliche Normalitätsvorstellungen – aktiv gestalten, auch wenn die Folgen immer weniger einschätzbar und planbar waren und damit die Gefahr des Scheiterns mehr denn je bestand. [73]
Alle untersuchten KünstlerInnen entwickelten erfolgreiche Muster im Umgang mit Unsicherheit, so kann resümierend festgehalten werden, erfolgreich allerdings im Sinne einer gelungenen Konstruktion biografischer Sicherheit und Eindeutigkeit, nicht bezogen auf die eigene (Un-) Zufriedenheit, die damit verbunden war. Es ist ein bedenklich stimmender Befund, dass ein nicht geringer Anteil der Befragten von 2000 von Gefühlen der Belastung, der Überforderung und der zunehmenden sozialen Isolation heimgesucht wurde. Viele Aussagen verweisen auf Gefühle der Hilflosigkeit in der Lebensführung, die reaktive oder auch Fluchtstrategien nach sich ziehen können. Dass derartige Fluchtbewegungen auch in "eindeutigen" Zugehörigkeiten zu extremen – auch nationalistischen – Gruppierungen enden können, ist ein Problem, dass zunehmend auch in der Wissenschaft diskutiert wird (vgl. hierzu z.B. KEUPP 1994; WAGNER 1995; BEHRINGER 1998). [74]
Aber – und auch das ist ein wichtiges empirisches Ergebnis – die Unerwartbarkeit der Zukunft führte nicht zwangsläufig zu persönlicher Verunsicherung. Einige KünstlerInnen interpretierten sie vor allem als Entlastung vom hohen Anspruch der Gestaltung biografischer Konsistenz und Kohärenz. Denn war diese Forderung erst aufgegeben, dann konnten sie sich genussvoll der unmittelbaren Gegenwart zuwenden, die eine Vielzahl intensiver "Augenblickgenüsse" bieten konnte. Ihre biografischen Reflexionen konnten im "Hier und Jetzt" verfangen bleiben und mussten nicht über den Augenblick hinausgehen. Nicht umsonst betonte Frau ENGEL "Ich bin glücklich, dass ich als Künstlerin keine eindeutige Meinung haben muss". [75]
Auf der Basis dieses hier vorgestellten historischen Vergleichs am Beispiel einer Berufsgruppe sind keine Aussagen über allgemeinere Wandlungstendenzen möglich. Dennoch kann die gewählte Berufsgruppe wichtige Hinweise darauf geben, wie man sich Veränderungen in der Lebensgestaltung unter den Bedingungen einer in steigendem Maße unsicheren, deregulierten und flexibilisierten Arbeitswelt vorstellen könnte, denn in dieser Hinsicht sind KünstlerInnen geradezu Pioniere. [76]
Ich möchte Wolfgang BONSS und Carmen KLEMENT für ihre wertvollen Anregungen und ihre konstruktive Kritik bei der dem Artikel zugrunde liegenden Studie danken.
1) Diese empirische Untersuchung bildet die Grundlage dieses Beitrags (vgl. PELIZÄUS-HOFFMEISTER 2006a). <zurück>
2) Es ist wichtig, den Unterschied zwischen "Biografie" und "Lebenslauf" möglichst trennscharf zu halten. Während sich der Lebenslauf auf "das tatsächlich Geschehene bezieht", sind Biografien Lebensbeschreibungen (BROSE 1986, S.7). In Biografien, so HAHN (1987), macht der Mensch das eigene Leben zum Thema. <zurück>
3) Dabei können die "Endpunkte" dieser Dimension nie ganz erreicht werden, denn weder kann ein Mensch vollständige Eindeutigkeit erzeugen, noch ist Handeln in völlig offenen Situationen möglich. <zurück>
4) Grundlage für diese Vermutung bildet häufig die Theorie reflexiver Modernisierung von BECK (1986; vgl. auch BECK & BONSS 2001), die das Entstehen großer Unsicherheiten in der Gegenwart diagnostiziert. <zurück>
5) Typen werden hier verstanden als symbolische Konstruktionen, die pointiert dargestellt werden, um ihre spezifischen Charakteristika besonders deutlich zu machen. Ihre Bildung erfolgt nach WEBER in der Form, dass wichtige Aspekte eines Phänomens in widerspruchslos gedachten Zusammenhängen konstruiert werden, durch gedankliche Steigerung der Elemente, die als besonders wichtig erachtet werden, durch Zusammenschluss diffuser Aspekte und durch Vernachlässigung als unwichtig angesehener Elemente (vgl. WEBER 1922, S.191). <zurück>
6) Nach Erhebungen des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung beziehen weit über 50% der gegenwärtigen KünstlerInnen überwiegende Einkünfte aus anderen Tätigkeiten (vgl. BUNDESMINISTERIUM FÜR ARBEIT UND SOZIALORDNUNG 2000, S.26). <zurück>
7) Ähnlich argumentiert auch WITZEL (1996) in seinen Erläuterungen zum "problemzentrierten Interview". <zurück>
8) Der Stimulus lautete folgendermaßen: "Mich interessiert, wie Menschen ihr Leben gestalten und wie sie mit den vielfältigen Anforderungen und Unsicherheiten in ihrem Leben umgehen. Ich möchte Sie bitten, mir Ihre Lebensgeschichte zu erzählen, all die Erlebnisse, die für Sie persönlich wichtig waren und sind. Sie können sich so viel Zeit nehmen, wie Sie möchten. Ich werde Sie auch erst mal nicht unterbrechen, mir nur einige Notizen zu fragen machen, auf die ich dann später eingehen werde". <zurück>
9) Wenn von erzählten Lebensgeschichten gesprochen wird, dann in dem allgemeineren Sinne, dass darunter alle mündlichen Ausführungen verstanden werden. Es wird hier nicht Bezug genommen auf die spezifische Bedeutung, wie sie beispielsweise SCHÜTZE (1987) eingeführt hat. <zurück>
10) Der Begriff der Lebensgeschichte wird hier synonym für biografische Deutungen bzw. biografische Konstruktionen verwendet. <zurück>
11) KOHLI beschreibt die "Normalbiografie" als gesellschaftliches Deutungsmuster mit normativen Implikationen, im Sinne "lebensweltliche[r] Horizonte bzw. Wissensbestände", innerhalb derer sich die Menschen in ihrem Lebenslauf orientieren können (KOHLI 1985, S.3). Diese kulturellen Deutungen bilden nach LUCKMANN das Gerüst für die "Rekonstruktionen eines Lebenslaufs zu legitimatorischen, belehrenden und anderen Zwecken" (LUCKMANN 1986, S.168). <zurück>
12) Wenn im Folgenden von den KünstlerInnen um 1900 und denen von 2000 gesprochen wird, dann beziehen sich die Aussagen immer auf das realisierte Sample und nicht auf alle KünstlerInnen in den untersuchten Zeiträumen. <zurück>
13) Unsicher erschien ihr die Situation deswegen, weil sie in einer unehelichen Gemeinschaft mit einem verheirateten Mann lebte, was gerade für eine Tochter bürgerlicher Herkunft zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen groben Verstoß gegen die herkömmliche Moral bedeutete. Wassily KANDINSKY weigerte sich trotz ihres fortwährenden Drängens beharrlich, sich von seiner Ehefrau Anja zu trennen und war darüber hinaus auch nicht bereit, mit Gabriele MÜNTER für längere Zeit eine Wohnung zu teilen. <zurück>
14) Die Namen der KünstlerInnen um die Jahrhundertwende 2000 wurden anonymisiert. <zurück>
15) Diese Ambivalenz spiegelte sich in zahlreichen Formulierungen der Befragten wider. Zwei Beispiele von Frau ENGEL: "Das große Glück diese Sprachlosigkeit oder Sprachfülle die ich habe". Oder: "Das lässt er aber nicht an sich ran. Aber das gibt ihm schon zu denken". <zurück>
16) Die Ehe wird hier als eine "Anliegerinstitution" der Normalbiografie betrachtet (vgl. BORN, KRÜGER & LORENZ-MEYER 1996). <zurück>
17) Dass es sich hier nur um Fiktionen handeln kann, ist unmittelbar einleuchtend, denn gerade für KünstlerInnen sind diskontinuierliche, "gebrochene" Lebensverläufe charakteristisch. <zurück>
18) Unsicherheit kann in diesem Sinne zudem weder eindeutig dem eigenen Handeln – in Form einer Risikoperzeption – noch dem Außen – als Gefahrenperzeption – zugerechnet werden. <zurück>
Baumann, Zygmunt (1994). Identitätsprobleme in der Potmoderne. Vortrag auf dem zweiten Kongress der Neuen Gesellschaft für Psychologie, 04.10.1994, München.
Beck, Ulrich (1986). Die Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt/Main: Suhrkamp.
Beck, Ulrich (1999). Schöne neue Arbeitswelt. Vision: Weltbürgergesellschaft. Frankfurt/Main: Campus.
Beck, Ulrich & Bonß, Wolfgang (2001). Die Modernisierung der Moderne. Frankfurt/Main: Suhrkamp.
Behringer, Luise (1998). Lebensführung als Identitätsarbeit. Der Mensch im Chaos des modernen Alltags. Frankfurt/Main: Suhrkamp.
Bittkau-Schmidt, Susan; Drygalla, Jeannette & Schuegraf, Martina (2007). Biographische Risiken und neue professionelle Herausforderungen. Identitätskonstruktionen – Wandlungsprozesse – Handlungsstrategien. Opladen: Verlag Barbara Budrich.
Boerner, Peter (1969). Das Tagebuch. Stuttgart: J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung.
Bohnsack, Ralf (1999). Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung und Methodologie und Praxis qualitativer Forschung. Opladen: Leske + Budrich.
Bonß, Wolfgang (1995). Vom Risiko. Unsicherheit und Ungewissheit in der Moderne. Hamburg: Hamburger Edition.
Bonß, Wolfgang (1997). Die gesellschaftliche Konstruktion von Sicherheit. In Ekkehard Lippert, Andreas Prüfert & Günther Wachtler (Hrsg.), Sicherheit in der unsicheren Gesellschaft (S.21-41). Opladen: Westdeutscher Verlag.
Bonß, Wolfgang & Zinn, Jens (2003). Ungewissheit in der Moderne. SOWI. Das Journal für Geschichte, Politik, Wirtschaft und Kultur, 32(2), 31-42.
Bonß, Wolfgang; Hohl, Joachim & Jakob, Alexander (2001). Die Konstruktion von Sicherheit in der reflexiven Moderne. In Ulrich Beck & Wolfgang Bonß (Hrsg.), Die Modernisierung der Moderne (S.147-159). Frankfurt/Main: Suhrkamp.
Born, Claudia; Krüger, Helga & Lorenz-Meyer, Dagmar (1996). Der unentdeckte Wandel. Annäherung an das Verhältnis von Struktur und Norm im weiblichen Lebenslauf. Berlin: Sigma.
Brose, Hanns-Georg (1986). Einleitung: Berufsbiographie im Wandel. In Hanns-Georg Brose (Hrsg.), Berufsbiographie im Wandel (S.3-17). Opladen: Leske + Budrich.
Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (2000). Bericht über die soziale Lage der Künstlerinnen und Künstler in Deutschland, http://www.artist-forum.de/berichtksk.pdf [11.10.2007].
Diekmann, Andreas (1995). Empirische Sozialforschung. Grundlagen, Methoden, Anwendungen. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Verlag.
Glaser, Barney & Strauss, Anselm L. (1967). The discovery of grounded theory: Strategies for qualitative research. Chicago: Aldine.
Hahn, Alois (1987). Identität und Selbstthematisierung. In Alois Hahn & Volker Kapp (Hrsg.), Selbstthematisierung und Selbstzeugnis: Bekenntnis und Geständnis (S.9-24). Frankfurt/Main: Suhrkamp.
Helmig, Günter (1972). Gesprochene und geschriebene Sprache und ihre Übergänge. Beobachtungen zur Syntax und zum Aufbau von Erzählungen zehnjähriger Schüler. Deutschunterricht, 24, 5-25.
Hoberg, Annegret (2000). Wassily Kandinsky und Gabriele Münter in Murnau und Kochel. Briefe und Erinnerungen. München: Prestel Verlag.
Hoffmann, Volker (1989). Tendenzen in der deutschen autobiographischen Literatur 1890-1923. In Günter Niggl (Hrsg.), Die Autobiographie. Zu Form und Geschichte einer literarischen Gattung (S.482-520). Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
Kandinsky, Wassily (1955). Rückblick. Baden-Baden: Woldemor Klein Verlag.
Kaufmann, Jean-Claude (1999). Das verstehende Interview. Theorie und Praxis. Konstanz: Universitätsverlag.
Kelle, Udo & Kluge, Susann (1999). Vom Einzelfall zum Typus. Fallvergleich und Fallkontrastierung in der qualitativen Sozialforschung. Opladen: Leske + Budrich.
Keupp, Heiner (1994). Ambivalenzen postmoderne Identität. In Ulrich Beck & Elisabeth Beck-Gernsheim (Hrsg.), Riskante Freiheiten. Individualisierung in modernen Gesellschaften (S.336-350). Frankfurt/Main: Suhrkamp.
Klee, Felix (1957). Tagebücher von Paul Klee 1898-1918. Köln: DuMont Verlag.
Kleine, Gisela (1997). Gabriele Münter und die Kinderwelt. Frankfurt/Main: Insel Verlag.
Knoch, Peter (1990). Schreiben und Erzählen. Eine Fallstudie. In Herwart Vorländer (Hrsg.), Oral History. Mündlich erfragte Geschichte (S.49-62). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Kohli, Martin (1985). Die Institutionalisierung des Lebenslaufs. Historische Befunde und theoretische Argumente. KZfSS, 37, 1-29.
Koller, Hans-Christoph (1994). "Ich war nicht dabei". Zur rhetorischen Struktur einer autobiographischen Lern- und Bildungsgeschichte. In Hans-Christoph Koller & Rainer Kokemohr (Hrsg.), Lebensgeschichte als Text. Zur biographischen Artikulation problematischer Bildungsprozesse (S.90-108), Weinheim: Deutscher Studienverlag.
Lehmann, Albrecht (1983). Erzählstruktur und Lebenslauf. Autobiographische Untersuchungen. Frankfurt/Main: Campus.
Lenmann, Robin (1994). Die Kunst, die Macht und das Geld. Zur Kulturgeschichte des kaiserlichen Deutschland 1871-1918. Frankfurt/Main: Campus.
Luckmann, Thomas (1986). Zeit und Identität: Innere, soziale und historische Zeit. In Friedrich Fürstenberg & Ingo Mörth (Hrsg.), Zeit als Strukturelement von Lebenswelt und Gesellschaft (S.135-174). Linz: Trauner Verlag.
Luhmann, Niklas (1984). Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie. Frankfurt/Main: Suhrkamp.
Makropoulos, Michael (1990). Möglichkeitsbändigungen. Disziplin und Versicherung als Konzepte zu sozialen Steuerung von Kontingenz. Soziale Welt, 41(4), 407-423.
Misch, Georg (1970). Geschichte der Autobiographie, Bd. I-IV. Frankfurt/Main: Schulte-Bumke.
Mommsen, Hans (1980). Soziale und politische Konflikte an der Ruhr 1905-1924. In Hans Mommsen, Arbeiterbewegung und industrieller Wandel. Studien zu gewerkschaftlichen Organisationsproblemen im Reich und an der Ruhr (S.62-94). Wuppertal: Hammer.
Nassehi, Armin (2002). Kontingenz: Methodisch verhindert oder beobachtet? Ein Beitrag zur Methodologie der qualitativen Sozialforschung. Zeitschrift für Soziologie, 31(1), 66-86.
Nipperdey, Thomas (1990). Deutsche Geschichte 1866-1918. 1. Band: Arbeitswelt und Bürgergeist. München: Beck.
Oevermann, Ulrich (2001). Die Struktur sozialer Deutungsmuster – Versuch einer Aktualisierung. Sozialer Sinn, 3, 35-81.
Pelizäus-Hoffmeister, Helga (2006a). Biographische Sicherheit im Wandel? Eine historisch vergleichende Analyse von Künstlerbiographien. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag.
Pelizäus-Hoffmeister, Helga (2006b). Zur Bedeutung sozialer Netzwerke für die Konstruktion biographischer Sicherheit. In Betina Hollstein & Florian Straus (Hrsg.), Qualitative Netzwerkanalyse. Konzepte, Methoden, Anwendungen (S.441-464). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Rerrich, Maria S. (1990). Balanceakt Familie. Zwischen neuen Leitbildern und alten Lebensformen. Freiburg: Lambertus.
Rosenthal, Gabriele (1993). Erlebte und erzählte Lebensgeschichte. Gestalt und Struktur biographischer Selbstbeschreibungen. Frankfurt/Main: Campus.
Ruppert, Wolfgang (1998). Der moderne Künstler. Zur Sozial- und Kulturgeschichte der kreativen Individualität in der kulturellen Moderne im 19. Und frühen 20. Jahrhundert. Frankfurt/Main: Suhrkamp.
Schimank, Uwe (2002). Das zwiespältige Individuum. Zum Person-Gesellschaft-Arrangement der Moderne. Opladen: Leske + Budrich.
Schnell, Rainer; Hill, Paul B. & Esser, Elke (1995). Methoden der empirischen Sozialforschung. München: Oldenbourg Verlag.
Schütte, Wolfgang (2000). Der Beruf des bildenden Künstlers. Zur semantischen Karriere des Berufsbegriffs in der empirischen Kunstsoziologie. Dissertationsschrift Bremen.
Schütze, Fritz (1987). Das narrative Interview in Interaktionsfeldstudien: Erzähltheoretische Grundlagen. I. Studienbrief der Fernuniversität Hagen. FB Erziehungs-, Sozial- und Geistswissenschaften. Hagen: Fernuniversität Hagen.
Schulze, Theodor (1993). Autobiographie und Lebensgeschichte. In Theodor Schulze & Dieter Baacke (Hrsg.), Aus Geschichten lernen. Zur Einübung pädagogischen Verstehens (S.126-173). Weinheim: Juventa Verlag.
Schulze, Theodor (1997). Interpretation von autobiographischen Texten. In Barbara Friebertshäuser & Annedore Prengel (Hrsg.), Handbuch Qualitative Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft (S.323-340). Weinheim: Juventa Verlag.
Shumaker, Wayne (1989). Die englische Autobiographie. Gestalt und Aufbau. In Günter Niggl (Hrsg.), Die Autobiographie: Zu Form und Geschichte einer literarischen Gattung (S.75-120). Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
Strauss, Anselm L. & Corbin, Juliet (1996). Grounded Theory: Grundlagen Qualitativer Sozialforschung. Weinheim: Beltz Psychologie Verlags Union.
Voß, Günter G. (1993). Der Strukturwandel der Arbeitswelt und die alltägliche Lebensführung. In Karin Jurcyk & Maria S. Rerrich (Hrsg.), Die Arbeit des Alltags. Beiträge zu einer Soziologie der alltäglichen Lebensführung (S.70-111). Freiburg: Lambertus.
Wagner, Peter (1995). Soziologie der Moderne. Frankfurt/Main: Campus.
Warneken, Bernd Jürgen (1985). Populäre Autobiographik. Tübingen: Schriften des Ludwig-Uhland-Instituts.
Weber, Max (1922). Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre. Tübingen: Mohr Verlag.
Witzel, Andreas (1996). Auswertung problemzentrierter Interviews: Grundlagen und Erfahrungen. In Rainer Stroblel & Andreas Böttger (Hrsg.), Wahre Geschichten? Zu Theorie und Praxis qualitativer Interviews (S.49-75). Baden-Baden: Nomos.
Wohlrab-Sahr, Monika (1993). Biographische Unsicherheit. Formen weiblicher Identität in der "reflexiven Moderne": Das Beispiel der Zeitarbeiterinnen. Opladen: Leske + Budrich.
Wohlrab-Sahr, Monika (1999). Biographieforschung jenseits des Konstruktivismus? Soziale Welt, 50, 483-494.
Zinn, Jens & Eßer, Felicitas (2001). Biographische Sicherheitskonstruktionen in der reflexiven Moderne. Arbeitspapier Nr.6 des SFB 536 "Reflexive Modernisierung", http://www.sfb536.mwn.de/ [04.12.2006].
Dr. Helga PELIZÄUS-HOFFMEISTER ist als Soziologin an der Universität der Bundeswehr München tätig. Seit Oktober 1999 ist sie Mitglied des Sonderforschungsbereiches 536 "Reflexive Modernisierung". Ihre Forschungsinteressen sind: Biografieforschung, Risiko- und (Un-) Sicherheitsforschung, qualitative Forschung, Netzwerkanalyse, Alter(n)sforschung.
Kontakt:
Helga Pelizäus-Hoffmeister
Universität der Bundeswehr München
Fakultät für Sozialwissenschaften, Lehrstuhl Soziologie
Werner-Heisenberg-Weg 39
D-85577 Neubiberg
Tel.: 089/6004-3909
Fax: 089/6004-3138
E-Mail: Helga.pelizaeus-hoffmeister@unibw.de
URL: http://www.unibw.de/soziologie/personen/wissenschaftlichemitarbeiter/pelizaeushoffmeister/
Pelizäus-Hoffmeister, Helga (2007). Biografische Unsicherheiten und deren Bewältigung um die Jahrhundertwenden 1900 und 2000 – eine historisch vergleichende Analyse am Beispiel bildender KünstlerInnen [76 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 9(1), Art. 35, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0801358.