Volume 22, No. 2, Art. 7 – Mai 2021
Das schwankende Schiff der Männerpolitik: eine Metaphernanalyse
Mara Kastein
Zusammenfassung: In dem Artikel werden die Metaphern gleichstellungsorientierter Männerpolitik als eine Form diskursiver Praktiken untersucht. In meiner Dissertation habe ich die Metaphernanalyse ergänzend zur Grounded-Theory-Methodologie und zur wissenssoziologischen Diskursanalyse genutzt, um die Ergebnisse zu verdichten und zu vertiefen. Dabei stellt die Metaphorik der gleichstellungsorientierten Männerpolitik selbige als instabil, schwankend, balancierend und uneinig dar, denn sie wird als schwankendes Schiff, welches ohne feste Route auf dem Meer schaukelt, imaginiert. Das Meer ist die Gesellschaft bzw. die übergeordnete Gleichstellungspolitik. Diese wird als unberechenbar und launisch konzipiert, und die gleichstellungsorientierte Männerpolitik erscheint dabei als ausgeliefert.
Keywords: Metaphernanalyse; Grounded-Theory-Methodologie; Wissenssoziologie; Männerpolitik; Gleichstellung
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Methodisches Vorgehen
3. Die Metaphern gleichstellungsorientierter Männerpolitik
3.1 Bild 1: Männer-/ Geschlechterpolitik als Weg oder Reise
3.2 Bild 2: Männerpolitik als Schiff
3.3 Bild 3: der Behälter Männerpolitik
3.4 Männerpolitik als Balanceakt
3.5 Metaphernsynthese: das schwankende Schiff ohne Route
4. Verdichtung, Verfeinerung und illustrative Ergänzung der Analyse
Der Gleichstellungsdiskurs, verbunden mit Themen wie Feminismus, Geschlechterpolitik, vergeschlechtlichter Ver- und Aufteilung von Macht, Einkommen, Erwerbs- und Sorgearbeit ist auch noch heute weitgehend von und durch feministische Aktivistinnen, Gleichstellungspolitikerinnen und Wissenschaftlerinnen geprägt. Männer spielen in diesem Diskurs eine untergeordnete Rolle – sei es thematisch oder personell – weil es sie vermeintlich nicht betrifft oder sie sich nicht dafür interessieren. Männlicher (Pro-)Feminismus wird teils belächelt, teils negiert, gleichstellungsorientierte Männerpolitik ist in öffentlichen, medialen Diskursen selten präsent. Die existierende Literatur zum Thema gleichstellungsorientierte Männerpolitik erschöpft sich größtenteils in Publikationen, die von Akteur*innen der gleichstellungsorientierten Männerpolitik selbst herausgegeben wurden (THEUNERT 2012; THEUNERT & LUTERBACH 2021); von sozialwissenschaftlicher Seite existiert eher Forschung über pro- oder antifeministische Männerbewegungen oder -gruppen (siehe für einen Überblick KASTEIN 2019, S.37ff.). [1]
In meiner Dissertation (KASTEIN 2019) forschte ich über gleichstellungsorientierte Männerpolitik in Deutschland, Österreich und der Schweiz, also jene Form der Geschlechterpolitik, welche hauptsächlich durch Vereine, Jungen- und Männerberatungsorganisationen und männerpolitische Dach- und Lobbyorganisationen getragen wird. Die in den Organisationen tätigen Akteur*innen sind nicht ausschließlich (aber überwiegend) Männer. Sie alle beschäftigen sich mit Fragen zur Gleichstellung der Geschlechter, zu Mannsein und Männlichkeit und versuchen, bestehenden Ungleichheiten entgegenzutreten und damit Geschlechterverhältnisse zu verändern. [2]
Im vorliegenden Beitrag frage ich danach, wie die Akteur*innen gleichstellungsorientierter Männerpolitik selbige sprachlich-metaphorisch imaginieren und stelle eine rekonstruktive Metaphernanalyse vor, die ich im Rahmen meiner Dissertation anfertigte1). Als "beliebte Instrumente in konfliktreichen Diskursen [...] [verweisen Metaphern auf eine] spezifische perspektivierte Sichtweise bzw. Interpretation von Sachverhalten" (SPIEß 2014, S.37). für die sich einzelne Akteur*innen in Diskursen entschieden haben. Metaphern werden nicht zufällig oder beliebig genutzt, sondern von Menschen "entsprechend kultureller Konventionen und individueller Sichtweisen" (KRUSE, BIESEL & SCHMIEDER 2011, S.76) verwendet und modifiziert. Verstanden als bildlicher Vergleich, sind Metaphern kein bloßes Stilmittel, sondern integraler Bestandteil unseres Sprechens, Denkens und Handelns: "Unser alltägliches Konzeptsystem, nach dem wir sowohl denken als auch handeln, ist im Kern und grundsätzlich metaphorisch" (LAKOFF & JOHNSON 2003, S.11; zit. nach KRUSE et al. 2011, S.8). Dieses Metaphernverständnis geht auf die kognitive Linguistik zurück, nach der "sprachlich-kognitiv[e] Figuren [mit] Versprachlichungen selbst" (KRUSE et al. 2011, S.8) zusammenhängen. Die "Komplexität von Beschreibungsmöglichkeiten" (S.89) wird durch Metaphern reduziert und Ungreifbares, Unbekanntes und Abstraktes in etwas Konkretes oder Bekanntes übersetzt. Die sprachlich-rhetorische Praktik des Metaphorisierens dient also dazu, Sachverhalte zu vereinfachen; Metaphern machen "komplexe Sachverhalte verständlich, indem sie die Komplexität von Beschreibungsmöglichkeiten reduzieren. Wenn neue Dinge und Vorgänge mittels Dingen und Vorgängen bekannter Konzepte beschrieben werden, bleibt die Zahl der möglichen Beschreibungsformen geringer" (a.a.O.). Die wissensgenerierende Funktion von Metaphern kann als Heuristik für eine ergänzende Erschließung von Diskursen oder diskursiven Feldern genutzt werden. Ergänzend zu anderen rekonstruktiven Analyseverfahren hilft eine Metaphernanalyse dabei, "Implizites analytisch zu öffnen" (DENNINGER, VAN DYK, LESSENICH & RICHTER 2014, S.60); durch unterschiedliche Beschreibungsweisen kann der Forschungsgegenstand von verschiedenen Seiten beleuchtet werden. Die Ergänzung durch eine Metaphernanalyse basiert auf der Annahme, dass "die Analyse heterogener Elemente [...] durch das Verfassen heterogener Textgattungen erleichtert" wird (S.58). [3]
Aber Sachverhalte werden durch Metaphern nicht nur konkretisiert und erklärt, sondern auch verschleiert, denn durch Metaphern werden Interpretationsrichtungen vorgegeben: Einerseits ermöglichen sie zwar eine andere Perspektive auf Phänomene, sie "reduzieren aber auf der anderen Seite die Eigenschaften des Zielgegenstandes auf die Eigenschaften des bildgebenden Gegenstandes" (KRUSE et al. 2011, S.89). Insbesondere durch Metaphern, die von uns nicht mehr als solche erkannt werden, selbstverständlich geworden sind und demzufolge nicht mehr hinterfragt werden wie beispielsweise typische, im Alltag verwendete Metaphern wie Kern, Weg oder Anker können wichtige Gesichtspunkte des Gegenstands verdeckt werden, den sie verbildlichen. [4]
Im vorliegenden Beitrag geht es mir primär um die empirische Darstellung männerpolitischer Metaphorik. Zudem soll – allerdings nachrangig – die Metaphernanalyse als Zwischenschritt einer wissenssoziologischen Diskursanalyse bilanziert werden. Somit zielt der Artikel weniger darauf ab, die sozialwissenschaftliche Metaphernanalyse weiterzuentwickeln oder fachlich-methodologische Divergenzen (KRUSE, BIESEL & SCHMIEDER 2012; SCHMITT 2011a) zu erörtern, sondern der Fokus liegt auf den Metaphern in den Daten und auf ihrer Aussagekraft für die Gesamtanalyse. Im Folgenden möchte ich zunächst eine kurze Einführung in das methodische Vorgehen geben (Abschnitt 2). In Abschnitt 3 stelle ich die Metaphorik gleichstellungsorientierter Männerpolitik empirisch entlang von verschiedenen Bildern dar, die ich schließlich in Form einer Metaphernsynthese zusammenbringe. Zum Schluss (Abschnitt 4) diskutiere ich den Nutzen der Metaphernanalyse als methodischen Zwischenschritt zur Verfeinerung, illustrativen Unterfütterung und Validierung der Ergebnisse. [5]
In einem transnationalen Raum wie Deutschland, Österreich und der Schweiz sind Vereine, Beratungsstellen und (Dach-)Verbände der gleichstellungsorientierten Männerpolitik gut miteinander vernetzt und tauschen sich aus. Mein Forschungsinteresse betraf also ein transnationales, diskursives Feld. Die übergeordnete Fragestellung meiner Dissertation lautete: Wie formiert sich das diskursive Feld gleichstellungsorientierter Männerpolitik? Dabei interessierte mich die Frage nach dem Wer, also dem Subjekt des Diskurses (wer spricht, welche Subjekt- und welche Sprechpositionen bestehen?), nach dem Wie, also den Aussagepraktiken (welche Themen werden wie verhandelt?) und nach dem Was mit Bezug auf die Aussagestruktur (welche Subdiskurse formieren sich und strukturieren wie das Feld?) (KASTEIN 2019, S.69ff.). Als Forschungsprogramm leitete die wissenssoziologische Diskursanalyse (WDA) nach KELLER (2003, 2005, 2012) meine Analyse an, womit ein Diskursverständnis nach FOUCAULT und ein sozialkonstruktivistisches Verständnis von Wissen und Wirklichkeit einhergehen. Die WDA zielt auf überindividuelle Wissensgehalte, die sich dennoch über Äußerungen von (auch einzelnen) Akteur*innen erschließen lassen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass Diskurse sich in sprachlichen und nicht-sprachlichen Praktiken manifestieren und verschiedene "Erscheinungsweisen des menschlichen Faktors" (KELLER 2012, S.92) wie beispielsweise Sprecher*innen, Adressat*innen, Sprech- oder Subjektpositionen die Träger*innen dieser Praktiken sind. Prinzipiell sind im Rahmen der WDA alle möglichen Erhebungs- und Auswertungsmethoden denkbar. [6]
Eine erste Feldstrukturierung anhand der Organisationswebseiten, ein theoretisches Sampling sowie ein systematisches Sampling leiteten die weitere Auswahl von Organisationen und Interviewpersonen an (KASTEIN 2019, S.81ff.). Beim theoretischen Sampling geht es darum, schrittweise vorzugehen, also zeitgleich zu erheben und zu analysieren; beim systematischen Sampling (als einer Variation des anfänglichen, offenen Samplings) werden auch forschungspragmatische Gründe und Strategien einbezogen wie beispielsweise das Kriterium, eine Person auszuwählen, die gerade Zeit hat (STRAUSS & CORBIN 1996 [1990], S.155; siehe zur Kombination verschiedener Varianten TRUSCHKAT, KAISER-BELZ & VOLKMANN 2011). Insgesamt wählte ich elf unterschiedliche männerpolitische Organisationen aus: Dachverbände, Beratungsorganisationen und Schnittstellenorganisationen, die neben Männer- und Jungenberatung auch Forschung betreiben – und führte zwischen 2013 und 2015 mit insgesamt 14 Vertreter*innen offene, leitfadengestützte Interviews (HELFFERICH 2011). Bei Leitfaden-Interviews ist gewährleistet, dass die genaue Reihenfolge und Formulierung der Fragen variieren kann, wenn auch zum Zwecke der Vergleichbarkeit dieselben Themen enthalten sein sollten. Mein Leitfaden deckte fünf grobe Themenbereiche (Person, Gruppe/Organisation, Arbeitsalltag, Resultate von Männerarbeit/Männerpolitik, Zukunftsvision) ab und war so offen formuliert, dass Narrationen, aber auch Dialoge über "Probleme" angeregt werden konnten (siehe hierzu auch das problemzentrierte Interview nach WITZEL 2000). [7]
Dem Vorschlag von KELLER (2007) für eine Analyse mithilfe der Grounded-Theory-Methodologie (GTM) folgend, entschied ich mich für eine an STRAUSS und CORBIN (1996 [1990]) angelehnte Spielart, da hier gegenüber der ursprünglichen Variante nach GLASER und STRAUSS (2010 [1967]) das theoretische Vorwissen expliziter und differenzierter gehandhabt wird (siehe hierzu STRÜBING 2011). Entsprechend kodierte ich die Interviews offen, axial und selektiv. Bereits beim offenen Kodieren entpuppte sich das Metaphorisieren bzw. der Metapherngebrauch als eine im Feld der gleichstellungsorientierten Männerpolitik charakteristische diskursive Praxis. Schon die bloße Quantität metaphorischer Umschreibungen in den Interviews verweist auf das Vorhandensein von etwas Unklarem und Ungreifbarem, welches mithilfe von Metaphern in etwas Greifbares übersetzt wird (JUNGE 2014). [8]
Da eine Metaphernanalyse kein typischer Bestandteil der WDA ist und KELLER keine methodischen Vorschläge für eine rekonstruktive Metaphernanalyse gemacht hat, suchte ich über die WDA hinaus nach einer methodischen Anleitung. Als "wesentliche sprachliche Elemente von Diskursen" (SPIEß 2014, S.54) werden Metaphern in linguistischen Diskursanalysen viel selbstverständlicher analysiert als in sozialwissenschaftlichen Diskursanalysen. Doch auch beispielsweise bei der critical discourse analysis (VAN DIJK 2011) wird laut SCHMITT (2014) die Relevanz von Metaphern für Diskurse betont, da Letztere "von den fokussierenden, abwertenden wie ausblendenden Effekten metaphorischer Denkweise mitorganisiert werden" (S.18). SCHMITT zufolge ist eine Metaphernanalyse zur "Feinanalyse von Machtwirkungen in Gesprächen und Dokumenten" (S.19) geeignet – ein Aspekt, der für eine an FOUCAULT anknüpfende Diskursanalyse relevant ist. Letztlich entschied ich mich für ein Vorgehen in Anlehnung an SCHMITT (2000, 2003) und KRUSE et al. (2011), das es mir erlaubte, "sprachimmanente Strukturen" (SCHMITT 2000, §1) sowie "vorbewusste Einstellungen oder hintergründige Vorstellungshorizonte" (KRUSE et al. 2011, S.76) zu rekonstruieren. [9]
Trotz der weitgehenden Übereinstimmung über die sozialwissenschaftliche Relevanz von Metaphern sind Metaphernanalysen von großer Heterogenität geprägt. Auch im direkten Vergleich von sieben ausgewählten metaphernanalytischen Methoden (SCHMITT 2014) wird deutlich, dass diese sehr unterschiedlichen Ablaufschemata folgen. Die auf SCHMITT (2000, 2003) zurückgehende Metaphernanalyse besteht aus ursprünglich fünf Schritten, die KRUSE et al. (2011) in vier Schritte verdichtet und folgendermaßen zusammengefasst haben: "1) Ausschneiden/Sammeln, 2) Kategorisieren, 3) Abstrahieren/Vervollständigen, 4) kontextuell Einbinden und Interpretieren" (S.93). Auch wenn Metaphernanalysen und deren Gütekriterien seither weiterentwickelt und Differenzen sowie Revisionen zu früheren Vorgehensweisen herausgearbeitet wurden (SCHMITT 2011b; siehe für einen Überblick SCHMITT 2014, 2017), bot die genannte Schrittfolge für mein Vorgehen eine gute Anleitung. [10]
Ähnlich wie beim offenen Kodieren nach der GTM werden zu Beginn uneingeschränkt metaphorische Passagen gesammelt, und ein "Inventar von Metaphern" (KRUSE et al. 2011, S.94) wird angelegt. Mithilfe der Analysesoftware MAXQDA markierte ich Metaphern als Codes. Daraufhin habe ich sie mittels "Schwenken[s] der roten Fahne" (STRAUSS & CORBIN 1996 [1990], S.71) ergänzt: Hierbei habe ich Begriffe oder Ausdruckweisen, die auf die gleiche Metaphorik verwiesen, subsumiert, beispielsweise Wegmetaphern wie "unterwegs sein", "auf dem Weg", "Umwege" oder "abwegig", und sie durch eine gezielte Suche nach vergleichbaren Metaphern vervollständigt. Die Fülle von Metaphern im Interviewmaterial kann an dieser Stelle nicht dargestellt werden, und ich beschränke mich für die Interpretation auf die – am häufigsten vorkommenden – Reise-, Bewegungs- und Gefäßmetaphern, die ich im zweiten Schritt als solche kategorisierte. Diese verdeutlichen ein ständiges Abwägen ("Balancieren") der Akteur*innen und die ungenaue Definition von Männerpolitik bzw. der Frage, welche Themen und Inhalte dazu gehören und welche nicht. [11]
Bei Schritt 3 geht es darum, Bilder und Kategorien weiterzudenken und damit dem eigentlichen Kontext zu entheben. Dieser Schritt lässt sich im Folgenden insbesondere in den Abschnitten 3.1, 3.2 und 3.3 nachvollziehen. Hierbei stelle ich die Reisemetapher in ihrer Nutzungsvarianz dar und verdichte sie zu drei bildlichen Erzählungen. Die Weg- und Schiffmetapher werden in Bild 1: "Männer- oder Geschlechterpolitik als Weg" und Bild 2: "Männerpolitik als Schiff" veranschaulicht, die Gefäßmetapher in Bild 3: "Der Behälter Männerpolitik", wobei der Kontext des tatsächlichen Handlungsfeldes unberücksichtigt bleibt. Bei dieser dekontextualisierten Zugangsweise wird die Metapher in ihrem bildlichen Zusammenhang dargestellt. Daraufhin analysiere ich metaphorisierte diskursive Alltagspraktiken im Kontext des jeweiligen Inhalts, untersuche also den inhaltlichen Kontext auf seine Metaphorisierung hin (Abschnitt 3.4). Mit diesem zweigeteilten Vorgehen werden eine abstrahierende Metaphernanalyse und eine stärker auf den Kontext eingehenden Analyse integriert. Indem der Sprachgebrauch der Akteur*innen und damit in zugespitzter Form ihre verbildlichten, teilweise auch emotionalisierten Konzepte einer Politik sowie der männerpolitischen Kernpraktiken übernommen werden, erscheint die größte Gemeinsamkeit in ihrer Ungewissheit und Prozesshaftigkeit zu bestehen. So ermöglicht schließlich eine Metaphernsynthese (Abschnitt 3.5) eine Perspektiverweiterung auf die Metaphorik einer "Subgruppe" (SCHMITT 2000) und auf das, was die Akteur*innen zum Handeln anleitet. [12]
Im letzten Schritt wird die "in den vorhergehenden Schritten herausgearbeitete Metaphorik [...] schließlich als solche betrachtet und hinterfragt" (KRUSE et al., 2011, S.101). Dabei untersuche ich alle vier Metaphern in Bezug auf ihre Konnotationen und Wissensgehalte für das diskursive Feld. Dieses Vorgehen, bei dem die Metaphern der Interviewten neu zusammengesetzt werden und daraus eine synthetisierte Metaphorik der Männerpolitik kreiert wird, erzeugt ein scheinbar stimmiges Bild. Doch Männerpolitik ist von Widersprüchen und Diskontinuitäten geprägt. So ist die Metaphernsynthese letztlich ihrerseits komplexitätsreduzierend: ein Kunstgriff, eine Beschreibung eines artifiziellen Gebildes, hier der Männerpolitik, die in Wirklichkeit komplexer ist. [13]
3. Die Metaphern gleichstellungsorientierter Männerpolitik
Auffallend ist der Metapherngebrauch der männerpolitischen Akteur*innen nicht nur aufgrund der hohen Anzahl der genutzten Metaphern, sondern es werden immer wieder die gleichen prozesshaften oder beweglichen Bilder generiert, die komplexe Sachverhalte konkretisieren und "komplette Wissenshintergründe [aufrufen] [...], ohne sie explizit zu nennen" (SPIEß 2014, S.38). Wie erwähnt, verbildlichen die Interviewten männerpolitische Praktiken am häufigsten mit Reise-, Bewegungs- und Gefäßmetaphern. Weniger häufig genutzte Metaphern charakterisierten Männerpolitik darüber hinaus als Baustelle, Handwerk, Markt, Sport bzw. sportlichen Wettkampf, als Lebewesen oder Pflanze und verwiesen damit auf die (körperliche) Anstrengung und das Prozesshafte (Baustelle, Handwerk), die kompetitive Komponente (Markt, Sport) sowie die verletzliche oder auch organische Seite (Lebewesen, Pflanze) von Männerpolitik. Nach LAKOFF (1987) handelt es sich bei Bewegungs-, Gefäß und Gleichgewichts- bzw. Balancemetaphern um grundlegende Bild-Schemata, die vielen Metaphern zugrunde liegen (siehe auch SCHMITT 2017). Aufgrund des begrenzten Raums konzentriere ich mich in diesem Beitrag auf die weitaus häufiger genutzten Metaphern des Wegs, Schiffs, Behälters und der Balance (vgl. Abschnitt 3). [14]
Die Vorstellung einer Reise ist der Weg- und der Schiffmetapher inhärent. Nautische Metaphern, die die Schiffmetapher konstituieren, werden häufig für neue Phänomene verwendet (KRUSE et al. 2011). Wege sind bauliche Konstrukte, von Menschen gemacht und existieren bereits, bevor jemand auf ihnen geht. Anders als die angrenzende Umgebung (die Wildnis) vermittelt ein Weg Sicherheit. Umgekehrt ist wer "vom Weg abkommt" einer Unsicherheit ausgesetzt. Vom Weg abzukommen heißt, "dass man von den Erfahrungswerten und den von anderen Menschen erfolgreich getroffenen Entscheidungen abgekoppelt wird und sich folglich nicht auf die Erfahrungen anderer stützen kann" (S.113). Auf einem Weg zu gehen ist anders konnotiert als auf einem Schiff zu reisen: Anders als Transportmittelmetaphern (z.B. die Schiffmetapher) vermitteln Fußreisemetaphern ein Gefühl von Selbstbestimmtheit, Unabhängigkeit und Freiheit, denn ein Spaziergang auf einem Weg geschieht individuell: "Während die Fußreise-Metaphern also eher ein Verirren in der Wildnis, d. h. ein 'Fern von Menschen Sein' konzipieren, implizieren die Transportmittel-Metaphern, dass man anderen Menschen und deren Entscheidungen ausgeliefert ist" (S.114). Fußgänger*innen können sich selbständig verlaufen, stehenbleiben, umkehren. Auf einem Schiff sind mehrere Menschen gleichermaßen ausgeliefert, sie sitzen sprichwörtlich in einem Boot, kennzeichnend ist eine (fremdbestimmte) Kollektivität. Anders als der Fels in der Brandung, eine ebenfalls alltägliche Metapher, die Sicherheit und Orientierung suggeriert, wird ein Schiff ständig von Wellen in Bewegung gehalten und benötigt eher die Orientierung. [15]
Sowohl die Schiffs- als auch die Balancemetapher sind nicht auf den Kern von Männerpolitik zentriert, sondern auf die Umgebung bzw. das Drumherum. Die Schiffmetapher lässt das gesellschaftliche Außen bzw. die Gesellschaft als ein Meer mit Wellen und Strömungen aussehen. Sie wird folglich als etwas Unberechenbares, Übermächtiges imaginiert, hingegen verbleibt das Schiff als der Naturgewalt des Meeres passiv ausgeliefertes Objekt. Die Balancemetapher benennt die beiden auszubalancierenden Seiten, aber nicht das balancierende Subjekt bzw. die Person selbst. Durch beide Metaphern wird Männerpolitik also nur ex negativo als Schiff oder Balanceakt bzw. Seiltanz konzipiert, indem die Peripherie Rückschlüsse auf den Kern zulässt. Demgegenüber fokussieren die Weg- und Gefäßmetaphern auf Männerpolitik und nicht auf das Drumherum. [16]
Wenn Männerpolitik als Institution gemeint ist, sich also weniger auf konkrete Tätigkeiten als vielmehr auf das gesamte diskursive Feld bezieht, nutzen die Akteur*innen häufig Begriffe wie "drin/nen", "draußen", "rein" und "hinein". Männerpolitik wird auch durch "Ecke/n"-Metaphern sowie Begriffe wie "eröffnen" oder "erschließen" als ein Raum oder Behälter konstituiert. Die Begriffe beziehen sich meist auf erwünschte oder unerwünschte Haltungen oder Inhalte von Männerpolitik. Der Behälter und der Raum gehören zur übergeordneten Gefäßmetapher. Diese zeugen von einem "Bedürfnis nach Abgrenzung, nach Inklusion und Exklusion: Es gibt ein Innen und ein Außen" (S.67). Zentraler Bestandteil dieser Metaphorik ist die Grenze, und ohne ein Innen gäbe es kein Außen und umgekehrt. Damit wird der Bedarf einer Grenzziehung zugunsten einer männerpolitischen Gemeinsamkeit, Identität oder Position illustriert. Je weniger sich die Akteur*innen einig sind, was rein gehört und was nicht, desto wichtiger erscheint die Grenze. Reinbringen und drin sein geben sowohl über ein männerpolitisches Innen als auch über das gesellschaftliche Außen Auskunft. Als ontologische Metapher hilft die Gefäßmetapher beim Verständnis von "Ereignisse[n], Handlungen, Tätigkeiten und Zustände[n]" (LAKOFF & JOHNSON 2003, S.41, zit. nach KRUSE et al. 2011, S.78). Insbesondere Zustände werden demnach als Gefäße imaginiert, das heißt, Männerpolitik wird durch die Gefäßmetapher als "Zustand" konzeptualisiert, was der Beweglichkeit der anderen Metaphern widerspricht. Zudem werden zwei Räume imaginiert: das Außen (der Gesellschafts-Raum) und das Innen (der Männerpolitik-Raum), wobei die Männerpolitik außerhalb des öffentlichen Raums verortet wird. Auf der einen Seite impliziert dieses Außerhalbstehen, dass sich die männerpolitischen Akteur*innen in ihrer männerpolitischen Arbeit (noch) nicht als Teil einer größeren, etablierten Geschlechterpolitik, die damit im gesellschaftlichen Außen gesehen wird, verorten. Auf der anderen Seite ist das Außensein auch mit der Fähigkeit konnotiert, (vermeintlich) objektiv von außen den öffentlichen Raum beurteilen zu können. [17]
3.1 Bild 1: Männer-/ Geschlechterpolitik als Weg oder Reise
Gleichstellungspolitik ist ein Weg, der lang und beschwerlich, hart, voller Hindernisse, Um- und Abwege sein kann. Auf der Reise können auch noch andere Wege beschritten werden. Der (richtige) Weg ist der gemeinsame Weg: "im Sinne einer modernen Gleichstellungspolitik auf 'nem gleichen Weg, oder gleicher Zielrichtung auf unterschiedlichen Wegen" (Thiel, Z.892)2). Gemeinsam mit anderen einen Weg zu gehen führt aber zu Konflikten, es gibt Umwege, über die auch Probleme kommen können (Thiel, Z.290). Als "abwegig" wird beispielsweise eine "geschlechtsneutrale Geschlechterpolitik" (Uhland, Z.556) benannt. Selbst wenn andere der Meinung sind, dass sie auf dem richtigen Weg gehen, da sie z.B. "wissenschaftlich unterwegs [sind] und die anderen sind nur irgendwelche Abenteurer, die durch Wälder streifen" (Deters, Z.768f.), ist es manchmal notwendig, ihnen zu sagen "dass sie auf dem Holzweg sind" (Deters, Z.691f.). Nichtsdestotrotz entschließen sich manche letztlich bewusst für einen anderen Weg, um "der Sache nicht im Weg [zu] stehen [...] also muss man diesen Weg gehen aber ohne mich" (Tünemann, Z.721f.). So trennen sich Wege und Weggefährt*innen: "Dieses Projekt ist 2009 dann [...] in eine andere Abteilung gewandert" (Deters, Z.262f.). Trotz dieser Schwierigkeiten sollte ein Weg möglichst gemeinsam beschritten werden. Kleinere Umwege sind erlaubt. Ursprüngliche Einzelgänger*innen haben inzwischen "aber erkannt, das ist kein Weg, man kann nur, kooperativ weiterkommen" (Deters, Z.657). Hierzu gehört für viele auch Kompromissbereitschaft, vielleicht auch der Versuch "in den Widersprüchlichkeiten irgendwie 'n Weg" (Kaufmann, Z.802f.) zu finden, was nicht selten vorkommt: "es darf auch unterschiedliche Positionen geben. Und das [...] ist ein harter Weg" (Deters, Z.675f.). In Richtung Ziel gibt es "vielfältige Wege die man da gehen kann" (Hagedorn, Z.172), viele sind auch "sehr vielfältig unterwegs" (Tebbe & Lindemann3), Z.431). Es hilft, sich "das Thema lange [zu] erarbeiten [vielleicht die Landkarte lesen zu können] und dann ist man da drin unterwegs" (Thiel, Z.404). Manche brauchen auch Hilfe im Kartenlesen, wenn sie z.B. "fachidiotisch unterwegs" (Thiel, Z.364f.) sind. Gut ist es, "nicht nur praktisch unterwegs" (Risse, Z.357), sondern auch "bereichsübergreifend unterwegs" (Tebbe & Lindemann, Z.463, 467) zu sein. Leider "sind die meisten fremdbestimmt unterwegs [...] Also nicht nur Männer, auch Frauen sind fremdbestimmt unterwegs" (Schäfer, Z.272f.). Es ist den meisten wichtig, "mit Fragen unterwegs [zu] sein" (Schäfer, Z.658). Doch "nicht mehr als männer-frauenspezifisch [unterwegs zu sein,] das ist ja noch ein weiter Weg" (Tünemann, Z.381). Der Weg hat also dort ein Ende, wo Geschlecht nicht mehr relevant ist, doch "es ist noch so viel zu tun auf dem Weg überhaupt innerhalb der bestehenden dualistischen Logik" (Thiel, Z.194f.). Denn "der Weg ist ein langer [...] das Thema noch mehr zu etablieren in den Köpfen der Politik und der Bevölkerung generell" (Deters, Z.190f.). [18]
3.2 Bild 2: Männerpolitik als Schiff
Immer wieder ist von Wellen die Rede. Diese Wellen können ab und zu "anbranden" (Thiel, Z.566), "abebben" (Thiel, Z.63) oder "hineinschwappen" (Thiel, Z.1263), "überrollen" (Kaufmann, Z.802) oder jemanden "mit [...] reißen" (Hagedorn, Z.266f.). Männerpolitik wird hier als Schiff auf einem Meer oder größeren Gewässer konzipiert. Der Umgang mit dem Meer orientiert sich an der Art der Wellen. Es gibt beispielsweise die "Welle der Empörung, die dann aber sofort wieder abebbt" (Thiel, Z.63) oder die "Welle der Veränderung", von der "wir sicher mitgetragen" (Thiel, Z.1057f.) werden. Die eine oder andere Welle ist nicht sofort zu verstehen: "wie verstehen wir die antihomosexuelle Welle?" (Kaufmann, Z.540), und von der "Antifeminismus-Welle" (Uhland, Z.256) gilt es, Abstand zu nehmen. Das geht nicht mit allen Wellen, beispielsweise ist die neoliberale Welle nicht zu bewältigen und "überrollt" (Kaufmann, Z.772) das Schiff bzw. die Besatzung. Im Meer sind aber nicht nur Wellen, die den Kurs eines Schiffes beeinflussen, sondern auch "gegenteilige Strömungen" (Voigt, Z.543). Besonders herausfordernd ist es, dass Wellen und Strömungen aus verschiedenen Richtungen oder "von verschiedenen Seiten" (Thiel, Z.523), wie z.B. aus "konservativer Richtung" (Casting, Z.532f.), anschwappen. Um das Schiff herum tauchen "banale Dinge", Begriffe oder Fragen (Thiel, Z.948) sowie Themen (Kaufmann, Z.539) auf oder "versanden" (Thiel, Z.548). Kleine Löcher oder Risse im Schiff erlauben aber auch das "Einfließen von Erkenntnissen" (Tebbe & Lindemann, Z.683). Beispielsweise kann Wissen in die "Arbeit mit Männern" und die "Arbeit mit Frauen" einfließen (Tebbe & Lindemann, Z.64). Manche Themen scheinen das Meer besonders aufbrausen zu lassen, und so kommt es, dass die eine oder andere Themensetzung oder Formulierung "Wellen [schlägt und] dann in die Szene rein [geht], in die gleichstellungspolitische in die profeministische oder feministische, gleichzeitig schlägt es Wellen in der maskulistischen Szene"4) (Thiel, Z.521ff.). [19]
3.3 Bild 3: der Behälter Männerpolitik
Männerpolitik als ein "Konglomerat an verschiedenen Kräften, die da drin sind" (Thiel, Z.386f), ist ein eckiges Gefäß. Verschiedene Ecken werden unterschiedlich benannt und bewertet: Es gibt z.B. eine "reaktionäre Ecke" (Uhland, Z.670), eine geschlechterpolitisch geschulte Ecke, in der auch Personen arbeiten, die selbst nicht "aus der Ecke" kommen ("ich komm nicht aus der Ecke, arbeite aber da drin", Thiel, Z.345f.). Man kann sich von verschiedenen (politischen vs. pädagogischen) Ecken her definieren (Risse, Z.585f.). Von Profeministen kann man schnell in die "Ecke des Biologismus gesteckt" (Deters, Z.555) oder allgemein von außerhalb "in die falsche Ecke gedrängt" (Uhland, Z.219) werden und so z.B. "in irgendeinen Männerdiskurs reinkommen" (Tebbe & Lindemann, Z.898), der die eigene Zielgruppe abschrecken könnte. Es besteht der Wunsch, von außen "als Ansprechpartner da drin [ge]sehen" (Thiel, Z.288) zu werden. Arbeitsweisen und Funktionen unterscheiden sich innen und außen: Einer betreibt "nach innen gerichtetes Management, Koordination des Vorstandes, nach außen Medienarbeit" (Thiel, Z.573f.); ein anderer ist "nach außen männerpolitischer Vertreter, aber eigentlich Bundesbediensteter" (Deters, Z.495f.). Die Haltung nach innen ist kämpferisch und nach außen eher selbstdarstellerisch: "und da geht's auch immer mal wieder um ein Ringen wer sind wir und was stellen wir nach außen?" (Tebbe & Lindemann, Z.808) Das Gefäß wird auch als "Thema" imaginiert, in das man "mit Herzblut reingehen" (Hagedorn, Z.266) kann oder in dem man viel oder (zu) wenig "drin unterwegs" (Thiel, Z.1404) ist. Das Gefäß besteht aus einem Teil Medienarbeit und einem anderen Teil Öffentlichkeitsarbeit (Thiel, Z.574; Uhland, Z.348f). Es soll außerdem den "Bildungsauftrag mit drin haben" (Thiel, Z.173) und "Armut reinholen" (Kaufmann, Z.1284f.), sowie den "ursprünglichen Männerbüro-Gedanken" (Kaufmann, Z.1368f.). Außerdem sollte Männlichkeitskritik (Kaufmann, Z.1368) reingebracht werden. Bei einer modernen Gleichstellungspolitik (Thiel, Z.1002) seien es zudem "Intersex-Queer-Geschichten", die "da auch mit reingehören" (Thiel, Z.1007f.); so darf auch Diversität nicht "draußen [ge]lassen" (Tebbe & Lindemann, Z.1165, 1167f.) werden; beispielsweise ist es wichtig, "in die Lebenswelten der verschiedenen Jungs reinzugehen" (Kaufmann, Z.63f.). Wenn es um die Definition von Männerarbeit geht, kommen "ideologische Dinge auch rein" (Deters, Z.634f.). Und wenn bei der Gründung eines Dachverbandes der Fokus auf Gewalt liegt, wird vieles "draußen gelassen"; hierbei müsse man auch Vereine mit hineinnehmen, die nicht der gleichen Meinung sind, doch "profeministische Gurus" wollen ihn "rein halten, damit da nur die reinkommen, die ihnen passen" (Deters, Z.583f.). [20]
Das Außen, also die Gesellschaft oder die Öffentlichkeit, ist durch vielfältige Themen, politische Diskurse und Aushandlungsprozesse gekennzeichnet. Erfahrungen "aus dem Leben selbst da draußen" (Hagedorn, Z.129) stimmen manchmal nicht mit den Inhalten im Gefäß selbst überein. Ein anderes Gefäß oder ein anderer Raum ist die Gleichstellungspolitik, und "Männer sollen dort mit rein, die sollen auch Verantwortung übernehmen" (Thiel, Z.411). Dementsprechend muss man in bestimmte Themen und Aushandlungsprozesse "reingehen", man muss Leute in Ministerien "reinkriegen", die die (Männlichkeits-) Perspektive "reinbringen" (Thiel, Z.254), was als sehr schwierig dargestellt wird. Wenn es darum geht, "Themen und Begrifflichkeiten in die Gesellschaft rein zu tragen" (Uhland, Z.179f.), ist nicht gemeint, "nach draußen zu brüllen" (Thiel, Z.591). Mit bestimmten (Gender-) Theorien ist es unmöglich, "in die Gesellschaft rein zu gehen" (Tünemann, Z.482), weil die Gefahr zu groß ist, dass sie nicht oder falsch verstanden werden. Dies macht es so "schwer dann überhaupt nach außen zu bringen was wir machen" (Tebbe & Lindemann, Z.739). [21]
3.4 Männerpolitik als Balanceakt
Immer wieder benannten die Interviewten eine notwendige Balance in ihrer Arbeit und ihrem Arbeitsalltag und verwiesen auf eine ständig auszugleichende, interne und externe Kommunikation. Auf die Balancemetaphorik wurde auch rekurriert, wenn von "Linien" oder "Achsen" die Rede war. Damit sind politische Ausrichtungen und Entscheidungen gemeint, die ausbalanciert werden müssen. Besonders häufig findet sich die Linienmetapher im Interview mit P. Kaufmann, der die Vielzahl an möglichen Ausrichtungen und Interpretationen im Feld der Männerpolitik betonte. Ein anderer Interviewter sagte, die Männerpolitik müsse "Solidaritätsachsen pflegen und aufbauen", "Diversitätsachsen noch mit [...] bedenken" und "diese Gleichzeitig-, gleichzeitigen Achsen [...] wahrnehmen" (Thiel, Z.943). [22]
Balanciert werden müssten (Un-)Gleichzeitigkeiten und Unterschiede in
Benachteiligungen,
Inhalten und Forderungen,
Außendarstellungen,
Geschlechterverständnissen,
politischen Stimmen,
Erwartungen und Ansprüchen und
Chancen. [23]
In Benennungen die Balance zu halten ist sehr wichtig, als zentral erweist sich hier das Thema der Benachteiligung. Sowohl Frauen- als auch Männerbenachteiligungen müssten benannt werden: "also wenn ich das eine benenne dann, geht das andere hoch ne [...] und da mit so 'ner auch wieder so 'ner Ambivalenz-aushaltenden Perspektive", "und das ist eben schwer das ist wirklich schwer die Balance zu halten" und "manchmal ist die Balance ja auch nicht angesagt manchmal muss man auch kämpfen" (Kaufmann, Z.997f.). Es wird immer wieder deutlich, wie schwierig es ist, das Gleichgewicht in der Benennung von Frauen- oder Männerbenachteiligung zu halten, denn wenn z.B. mehr über Benachteiligungen von Männern gesagt wird, verschiebe sich – ähnlich einer Waage – der Schwerpunkt und dann "geht das andere hoch", fällt also nicht mehr ins Gewicht. [24]
Zugleich wurde ein Verständnis von Benachteiligungen problematisiert, bei dem Frauen und Männer auf zwei Seiten verortet werden und eine Art Nullsummenspiel kreiert wird, "das macht es total schwierig also, anzuerkennen ja Nachteile Benachteiligungen von Frauen sind da und da und da gegeben, gleichzeitig muss das nicht bedeuten dass es 'n automatischer Vorteil für die Männer die da dran beteiligt sind ausmacht" (Thiel, Z.315ff.). Männliche Perspektiven auf eine Art einzubringen, die nicht Gefahr laufe, "resouveränisierend" (Uhland, Z.113; vgl. hierzu auch FORSTER 2006) zu sein, sei schwer, da hierbei eine Balance zwischen einer notwendigen Einbringung von "männlichen Perspektiven" und einem gefürchteten Weiterführen von Ungleichheiten zu halten sei. Es geht bei der Balance also immer wieder um die Schwierigkeit der richtigen Benennung von Benachteiligungen. [25]
Die Notwendigkeit der Balance betrifft auch unterschiedliche männerpolitische Herangehensweisen. Häufig bezogen sich Interviewte mit der Balancemetapher auch direkt auf das Dreieck nach MESSNER (1997, S.100f.). Dieser schlug mit diesem Dreieck eine Männlichkeitspolitik vor, bei der Differenzen zwischen Männern betont und Benachteiligungen von Männern und männliche Privilegien benannt werden. Viele der Akteur*innen orientierten sich an diesem Dreieck, es wirkt handlungsanleitend. [26]
Auch beim eigenen Geschlechterverständnis sei ein Gleichgewicht oder eine Balance zu halten. Nach eigener Aussage hinterfragte der Großteil der Interviewten die Kategorie Geschlecht und war sich deren Konstruktionscharakters bewusst. Gleichzeitig musste sie aber immer wieder benannt werden, da es sich um eine Ungleichheitskategorie handelt:
"aber man muss sie [die Geschlechter] erstmal überhaupt klar benennen und sichtbar machen bevor man die infrage stellen kann weil sie noch gar nicht, an der Oberfläche angekommen sind, und da gibt's dann manchmal so Gleichzeitigkeiten, und das ist schon auch Aufgabe von mir [...] dann diese, Balance wiederherzustellen" (Thiel, Z.201ff.). [27]
Hierin findet sich neben der Balancemetapher auch eine Meeres- oder Wassermetapher. Ähnlich wie bei (trübem) Wasser bleiben Geschlechter unter der "Oberfläche" unsichtbar und können dementsprechend auch nicht verändert werden. Eine Sichtbarkeit kann durch die Benennung hergestellt werden, welche wiederum Gefahr läuft, Geschlecht "überzubetonen" – und damit erst recht zu verfestigen: "es lohnt sich auf 'ne einzelne Kategorie zu gucken aber es ist gleichzeitig die Frage wieviel können wir sie wieder auch vergessen so ne? Das Risiko ist immer sie überzubetonen" (Kaufmann, Z.551ff.). [28]
Eine Balance oder ein Gleichgewicht ist darüber hinaus für die gelungene Außenkommunikation und Selbstdarstellung wichtig. Hierbei muss zwischen Differenzierung und "Runterbrechen" ausbalanciert werden, denn:
"sobald man anfängt differenziert zu antworten merkt man dass das Interesse weg ist es passiert nichts mehr so und das ist, Fakt, also da ist dann auch immer der Balanceakt wenn wir was wollen weil wir sind noch nicht so gut da drin das auf, Bildzeitung Schlagzeilen-Niveau runterzubrechen" (Thiel, Z.610ff.). [29]
Auch in vielen anderen Interviews wurde deutlich, dass dieser Balanceakt gegenüber den Medien besonders ausgeprägt ist. Inhalte auf ein niedrigeres Niveau "herunterzubrechen" konstituiert den Umgang mit den Medien als eine handwerkliche oder auch zerstörerische Praxis (hier ist auch wieder die Handwerksmetapher enthalten). Eine Balance zwischen radikalen und gemäßigten politischen Stimmen galt einigen Interviewten als besonders positiv, denn "dann kann man [...] eben ganz gut ausbalancieren dann kommt da politisch was zwischen der, sozusagen wirklichen Mitte und den radikaleren auf der einen oder anderen Seite bei raus" (Thiel, Z.1358ff.). [30]
Ebenso wie in öffentlichen und gleichstellungspolitischen Diskursen das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie als individualisierte Herausforderung mithilfe des "schillernden Begriffs" (OECHSLE 2010, S.234) der Work-Life-Balance bezeichnet wird, zeigen auch manche Interviewzitate, dass Vereinbarkeit vor allem mithilfe der Balancemetapher gedacht wird:
"ich hab zum Beispiel einen Mann gerade in Beratung mit dem wir sehr dabei diese Balance genau zu besprechen wieviel soll er Karriere machen wieviel nicht wieviel spielt er mit seinen Kindern Fußball oder ist da jetzt auch Trainer und so ne und er jetzt zum Beispiel so'n einen Führungsjob nicht genommen hat so den er vielleicht hätte kriegen können aber dafür eben das Fußballtraining behält […] aber trotzdem behält er 'ne Führungsposition, ne im dreiviertel oberen Bereich oder so ne und da zu gucken wie ist 'ne angemessene Balance" (Kaufmann, Z.168 ff.). [31]
Individuelle Unterschiede einer "angemessenen Balance" müssten anerkannt werden, denn mittels Männerarbeit und Männerpolitik wird ganz im Sinne des Messnerschen Dreiecks versucht, die Unterschiede zwischen Männern zu akzeptieren: "es gibt einfach auch Ungleichzeitigkeiten, Männer die, überhaupt erst anfangen sich mit einem, einem Problem zu beschäftigen das was mit ihnen als Mann zu tun hat" (Thiel, Z.227ff.). Demnach wird die Arbeit von männerpolitischen Akteur*innen auch durch Ungleichzeitigkeiten zwischen Männern erschwert, wobei ebenfalls eine Balance herzustellen ist. Eine Balance verlangt auch das Thema Geschlechtergerechtigkeit zwischen Männern und Frauen: "diese gleichzeitigen Achsen muss man wahrnehmen und dann, versuchen diese Chancen in Balancen Stück weit aufzufedern" (Thiel, Z.943f.). Dieser Satz fiel im Kontext von unterschiedlicher Teilhabe durch Zeitressourcen und Chancengleichheit (Thiel, Z.920ff.). [32]
Balance wurde durchweg positiv gerahmt, was Männerpolitik als "flexible Praxis, in der keine feststehenden und eindeutigen politischen Gewissheiten bestehen" (KASTEIN 2019, S.164), kennzeichnet. Durch die Balancemetapher wird verdeutlicht, dass gleichstellungsorientierte Männerpolitik auf einer wackeligen Basis steht, die das Balancieren notwendig werden lässt. Balancieren verweist auf Hochseilartistik oder Seiltanz. Verglichen mit einer ähnlichen artistischen Praxis, dem Jonglieren – ebenfalls häufig metaphorisch genutzt – wird deutlich, dass Artist*innen beim Balancieren den eigenen Körper balancieren und dadurch in Bewegung halten und nicht die Bälle bewegen und koordinieren. Das Jonglieren wird meist von einem festen Untergrund aus praktiziert. Beim Balancieren besteht die Gefahr, auf die eine oder andere Seite zu kippen oder herunterzufallen. Viel Körperspannung, Konzentration und Flexibilität sind vonnöten und werden meist durch das Training verbessert. [33]
Hinzu kommt, dass Seiltanz eine Individualsportart ist, also keine Mannschaftssportart. Von den alleinig auf dem Seil stehenden Artist*innen hängt der Erfolg der Show ab. Dies könnte als "metaphorische Ungereimtheit" (KRUSE et al. 2011, S.67) bezeichnet werden, agieren männerpolitische Akteur*innen doch eigentlich kollektiv und sind in Verbänden und Organisationen organisiert. Ebenso sind die Akteur*innen in der Meeresmetapher als kollektive Schiffsbesatzung verbildlicht, die ohne kollektive Einigung nicht vorankommt. Auch meine Analyse der Sprecher*innen und Subjektpositionen hat gezeigt, dass es sich bei den Akteur*innen sehr häufig um Einzelpersonen und Pioniere handelt, die die Männerpolitik repräsentieren (KASTEIN 2019, S.105ff.). [34]
3.5 Metaphernsynthese: das schwankende Schiff ohne Route
Im letzten Schritt habe ich ein Gesamtbild, eine Synthese, vergleichbar mit einem (prototypischen) Szenario (LAKOFF 1987; MUSOLFF 2006, 2016), vervollständigt. Anders als andere Szenarios wird bei dem hiesigen Bild eher ein Zustand beschrieben als ein zeitlicher Verlauf (vgl. zu verschiedenen Nutzungsvarianten des "Szenarios" auch SCHMITT 2017, S.71-72). Die vier verschiedenen Metaphern in einer Gesamtschau zu einer Metaphernsynthese zusammenzuführen diente dazu, das in der jeweiligen Metapher generierte Wissen zu verdichten. Neben der Veranschaulichung eignet sich eine Synthese also auch für die Zuspitzung und Bündelung der bildlichen Konzepte zu männerpolitischen Praktiken und der Gesellschaft. [35]
In der Synthese steht die Schiffsreise im Fokus und hat dadurch über die Funktion des Transports von A nach B hinaus die Bedeutung eines Plots – ähnlich wie auf Seefahrten bzw. in Romanen über Seefahrten spielt sich in dieser Synthese alles auf dem Schiff ab. Zusammengefasst könnte die Metaphorik der Männerpolitik folgendermaßen aussehen:
"Ein Schiff fährt auf dem Meer und wird durch verschiedene Wellen und Strömungen laufend hin- und her geschubst. Es hat keine standhafte oder sichere Position sondern muss sich ständig 'ausbalancieren' um das Gleichgewicht auf den unterschiedlichen Wellen zu halten. Das Schiff findet keine zielgerichtete Route, keinen eindeutigen 'Weg' und fährt nicht auf einer 'Linie'. Die Schiffsbesatzung orientiert sich an den Launen des Meeres, die schlecht zu beeinflussen sind. Das Ziel der Schiffsreise ist einigermaßen klar, aber über die Route wird sich im Innern des Schiffes gestritten. Die Besatzung ist uneins darüber, welcher 'Weg' der richtige ist und welcher Umgang mit dem Außen (dem Meer, seinen Wellen und Strömungen) [...] angebracht ist. Darüber hinaus ist die Schiffsbesatzung sich nicht einig, welche Besatzungsmitglieder und welches Inventar (Themen, Meinungen) überhaupt ins Innere gehören. So kommt es auch, dass die Besatzung nicht zusammen, sondern in verschiedenen 'Ecken' des Schiffs sitzt. Die Sitzpositionen können auch geändert werden, doch eine Dynamik im Schiffsbauch verstärkt das Schaukeln des Schiffes. Solange innere Uneinigkeiten bestehen, gibt es keine einheitliche Umgangsweise mit den Wellen im Meer und damit auch keine zielgerichtete Route. Neben ständigem Aushandeln über den richtigen "Weg" ist das Ausbalancieren die Hauptpraktik der Schiffsbesatzung, weil sie auch überlebensnotwendig ist. Denn kippt das Schiff zu sehr auf eine Seite, wird es kentern" (KASTEIN 2019, S.165). [36]
Das Wissen, welches sich in der Metaphorik der Männerpolitik offenbart, beinhaltet auch Konzepte vom gesellschaftlichen Außen. Hierin ist die Gesamtgesellschaft sowie die allgemeine Gleichstellungspolitik verortet, die durch die Meeresmetapher als groß und übermächtig, unvorhersehbar und launisch konzeptualisiert werden. In einem Beispiel verdeutlichen KRUSE et al. (2011), dass in der Vorstellung eines Schiffes auf dem Meer auch ein "Kampf des Schiffes gegen die Naturgewalt, der Kampf einer schwimmenden kulturellen Enklave gegen das Chaos der Elemente" (S.101) impliziert ist. Damit wird das Meer, das das Schiff umgibt und in unserem Beispiel die Gesellschaft darstellt, als chaotisch und herausfordernd imaginiert. Die männerpolitischen Akteur*innen stellen die Schiffsbesatzung, die sich am Außen orientieren müssen – doch ohne eine festgelegte Route und damit ohne einen Hafen sind ein Schiff und seine Besatzung verloren. [37]
4. Verdichtung, Verfeinerung und illustrative Ergänzung der Analyse
In der WDA wird "die Rolle von interpretierenden sozialen Akteuren in der Aufführung und Veränderung von Diskursen" (KELLER 2012, S.93) betont. In Anlehnung an die Wissenssoziologie nach BERGER und LUCKMANN hat KELLER die wissenssoziologische Diskursanalyse stärker auf das Subjekt hin ausgerichtet. Zusätzlich zur "gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit" (BERGER & LUCKMANN 2018 [1980]) konnte ich mit der Metaphernanalyse der "kulturellen Erzeugung von Wirklichkeit" (SPIEß 2014, S.37) im diskursiven Feld nachgehen und sprachlich-rhetorisch geäußerte Wissensbestände in einer zugespitzten und idealtypischen Weise rekonstruieren. [38]
Eine "schwankende Position" von gleichstellungsorientierter Männerpolitik ist besonders eingängig, da der Sinn unmittelbar verständlich wird: Männerpolitik ist durch ständiges Positionieren5) geprägt: Sie "schwimmt" durch die Reisemetaphern wie ein schwankendes Schiff ohne vordefinierte Route auf dem Meer bzw. in der Gesellschaft und im übergeordneten Gleichstellungsdiskurs. Die Wegmetapher, die im Gegensatz zur Schiffsmetapher ein individualisiertes Reisen verbildlicht, setzt der durch Kollektivität und Fremdbestimmung charakterisierten Schiffsreisemetapher eine individuelle und selbstbestimmte Bedeutung entgegen. So erscheint Männerpolitik durch die Reisemetaphern als zwischen Selbst- und Fremdbestimmung bzw. zwischen Individualität und Kollektivität begriffen zu sein. Auch die Balancemetapher beinhaltet dieses "Dazwischen" und verdeutlicht die Schwierigkeit eines Gleichgewichts von verschiedenen Positionen, die alle mit einbezogen werden sollen. Vor allem die Gefäßmetapher stellt einen ausgeprägten Wunsch nach In- und Exklusion dar und beinhaltet verschiedene Selbstverständnisse und Einschätzungen darüber, wer oder was zur Männerpolitik gehört oder nicht. Im Gegensatz zu den beweglichen Metaphern zeigt die Gefäßmetapher eher einen Zustand auf. In der Metaphernsynthese wird beides zusammengeführt: die Beweglichkeit und der (innere) Zustand einer uneinigen Truppe. [39]
Beides wird auch durch die Gesamtanalyse im Rahmen der WDA unterstützt. Ergänzend zur restlichen Analyse hat die Metaphernanalyse die Unabgeschlossenheit, die Uneindeutigkeit, das Dazwischen und Hin und Her, aber auch die Uneinigkeiten über den "Zustand" Männerpolitik in besonderer Dichte illustriert, wodurch das diskursspezifische Wissen um die Unberechenbarkeit des gesellschaftlichen Außen und um die eigene abhängige Diskursposition verständlich wurde. Damit wurde durch die Metaphernanalyse männerpolitischer diskursiver Praktiken die durchweg prekäre Sprechposition von männerpolitischen Akteur*innen auf einer kulturell-symbolischen Ebene verdeutlicht. Diese "balancierende" prekäre bzw. illegitime Sprechposition war ein zentrales Ergebnis der gesamten (wissenssoziologischen) Diskursanalyse: Die "Phänomenstruktur" (KELLER 2005, S.69f.), die in der WDA als heuristisches Mittel neben Deutungsmustern und Klassifikationen einen dritten und komplementären Zugang zur Ebene der inhaltlichen Strukturierung von Diskursen bietet, zeugt von einer Aussagestruktur (KASTEIN 2019, S.168ff.), die in zwei Subdiskurse untergliedert (Reflexions- und Partizipationsdiskurs) ist, die wiederum je eigene Problemdiagnosen (vgl. Schiffmetapher, verschiedene "Wellen", auf die reagiert werden muss) und Handlungsmöglichkeiten enthalten (vgl. Wegmetapher, z.B. vielfältig unterwegs sein, andere Wege gehen etc.). Unterschiedliche Arten von Positionierung im Sprechen konnten als gesamtdiskursive Kernpraxis identifiziert werden, deren Funktion es ist, gleichstellungsorientierte Männerpolitik zu legitimieren (S.191ff.) – dies wurde mithilfe der Metaphernanalyse bestätigt und unterfüttert. Die Legitimierung im übergeordneten Gleichstellungsdiskurs erscheint insbesondere deshalb als notwendig, da die Akteur*innen gleichstellungsorientierter Männerpolitik zum großen Teil als unmarkierte Sprecher*innen (weiß, heterosexuell und männlich) wahrgenommen werden und in einem Antidiskriminierungsdiskurs damit nicht zum Sprechen autorisiert sind (202ff.). [40]
1) Obwohl der vorliegende Artikel viele neue Aspekte enthält, sind die Textabschnitte, in denen ich die eigentliche Analyse darstelle, stark an die Erstveröffentlichung angelehnt (vgl. hierzu KASTEIN 2019, insbesondere Kap. 5.2, S.155ff.). Besonders möchte ich den anonymen Gutachter*innen danken, die mir mit ihrem Feedback und ihren Literaturhinweisen gute Impulse gaben, meinen originären Beitrag weiterzuentwickeln. <zurück>
2) Alle Namen von Interviewten wurden anonymisiert und sind frei erfunden. <zurück>
3) An diesem Interview nahmen zwei Personen teil. <zurück>
4) Makulinismus meint die ideologische Begründung des häufiger verwendeten Begriffs Maskulismus und lässt sich letztlich auf den männlichen Überlegenheitsanspruch gegenüber Frauen herunterbrechen (CLAUS 2014; KEMPER 2012; WALTER 1996). <zurück>
5) Im Anschluss an LAKOFF und JOHNSON wies SCHMITT (2004, §3) darauf hin, dass die Redewendung "Positionen beziehen" selbst bereits zu einem gemeinsamen metaphorischen Konzept "Argumentieren ist Krieg" gehöre. <zurück>
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Dr. Mara KASTEIN ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Technik & Diversity der Universität Paderborn. Sie studierte Kulturanthropologie, Religionswissenschaft und Geschlechterforschung in Göttingen und Metz (F) und promovierte in Soziologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Kontakt:
Dr. Mara Kastein
Universität Paderborn
Fakultät für Maschinenbau
Fachbereich Technik & Diversity (TD), Gebäude Y
Warburger Straße 100
33098 Paderborn
E-Mail: mara.kastein@uni-paderborn.de
Kastein, Mara (2021). Das schwankende Schiff der Männerpolitik: eine Metaphernanalyse [40 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 22(2), Art. 7, http://dx.doi.org/10.17169/fqs-22.2.3597.