Volume 21, No. 3, Art. 12 – September 2020
Transdisziplinäre und transformative Forschung: Reallabore in der Praxis
Andrea D. Bührmann & Yvonne Franke
Sammelbesprechung:
Defila, Rico & Di Giulio, Antonietta (Hrsg.) (2018). Transdisziplinär und transformativ forschen. Eine Methodensammlung. Wiesbaden: Springer VS; 392 Seiten; ISBN: 978-3-658-21529-3; ISBN: 978-3-658-21530-9 (eBook); Open Access
Defila, Rico & Di Giulio, Antonietta (Hrsg.) (2019). Transdisziplinär und transformativ forschen, Band 2. Eine Methodensammlung. Wiesbaden: Springer VS; 372 Seiten; ISBN: 978-3-658-27134-3; ISBN: 978-3-658-27135-0 (eBook); Open Access
Zusammenfassung: Die Durchführung von Reallaboren zur Erprobung von Politikinstrumenten oder allgemeiner Interventionen im öffentlichen Raum erfreuen sich zunehmender Beliebtheit, insbesondere auch in der sozialwissenschaftlichen Nachhaltigkeitsforschung. In den hier vorgestellten Sammelbänden werteten die Autor*innen die Erfahrungen aus zwei Förderlinien zur Umsetzung von Reallaboren in Baden-Württemberg aus. Beide Bände zeichnet aus, dass detailliert verschiedene Methoden vorgestellt werden, die in Reallaboren (und in transdisziplinärer wie transformativer Forschung im Allgemeinen) angewendet werden. Dabei strebten die Herausgebenden eine Verzahnung mit theoretischen Fragestellungen an und wollten auch der (Methoden-)Reflexion Raum gegeben. Die beiden Bände sind insofern für die qualitative Forschungsgemeinschaft von Bedeutung, als innovative qualitative Erhebungsinstrumente vorgestellt werden, die gerade für die partizipative Forschung im weiteren Sinne von großem Interesse sein dürften.
Keywords: Transdisziplinarität; transformative Forschung; Reallabor; Nachhaltigkeit; Wissensmesse; Realexperimente; transdisziplinärer Visionsworkshop; transformatives Projektseminar
Inhaltsverzeichnis
1. Reallabore in der Forschungspraxis
2. "Transdisziplinär und transformativ forschen. Eine Methodensammlung"
3. "Transformativ und transdisziplinär Forschen, Band 2. Eine Methodensammlung"
4. Reallabore als Verbindung von transdisziplinärer und transformativer Forschung
1. Reallabore in der Forschungspraxis
Wenn in den Sozialwissenschaften die Rede von Laboren ist, dann denkt man in der Regel an die sogenannte Laborforschung. Bei ihr interessiert, wie in Experimenten theoretische Überlegungen oder besser Modelle überprüft werden können. Dafür wird ein abgeschlossener Raum (eben das Labor) errichtet, in dem Umwelteinflüsse gezielt von Forschenden gesteuert werden. Bei den sogenannten Reallaboren und der damit verbundenen Forschung liegt der Fall anders. In ihnen werden die Herausforderungen und Probleme der alltäglichen Lebenswelt thematisiert. Dabei entwickeln Forschende verschiedene Lösungsansätze nicht nur theoretisch, sondern sie erproben diese auch konkret empirisch. Anders als andere, traditionelle Formen des Experimentierens gehen in Reallaboren Akteur*innen gezielt Kooperationen von Wissenschaftler*innen sowie Akteur*innen aus der Praxis, der Gesellschaft und Politik ein, um gemeinsam legitimierte, ethisch begründete und gemeinwohlorientierte Forschungs-, Praxis- und Bildungsziele zu verfolgen. So entsteht in Reallaboren sowohl eine gewisse Zielorientierung als auch eine Ergebnisoffenheit (BÜHRMANN & HORWITZ 2013, S.6). Die Zusammensetzung dieser Konstellationen kann sich während der Durchführung des Labors verändern. Zudem kann die Intensität, mit der die verschiedenen Akteur*innengruppen eingebunden werden, variieren. Umwelteinflüsse, die im Rahmen traditioneller Laborexperimente vorab eliminiert werden sollen, werden in Reallaboren zur Generierung von Wissen genutzt. Kurz: Mit dem Begriff Reallabor wird eine Vielfalt unterschiedlicher Experimente in diversen Settings beschrieben, in denen sich verschiedene Akteur*innengruppen mit unterschiedlichen Interessen und Zielen beteiligen. Es macht also wenig Sinn, im Singular von dem Reallabor zu sprechen, vielmehr werden verschiedene Ausgestaltungen von Experimenten unter dieses Label subsumiert. [1]
Der vorliegenden zweibändigen Publikation kommt nun der Verdienst zu, in die unterschiedlichen empirisch-konkreten Praktiken der Reallaborforschung einzuführen. Sie richtet sich an Personen, die transdisziplinär forschen und dabei einen transformativen Anspruch verfolgen. Dabei knüpften die Herausgeber*innen mit der Konzeption der Bände an die Grundidee der Methode Reallabor an:
"Damit die Transformation zur Nachhaltigkeit gelingen kann, braucht es nicht nur die Einsicht in die auf Handlungsnotwendigkeit basierende Akzeptanz für die Umsetzung erforderlicher Maßnahmen, sondern auch und vor allem die aktive Unterstützung durch eine möglichst breite Teilhabe aller gesellschaftlichen Gruppen" (NORCK 2015, S.247). [2]
Die Anthologien sind das Ergebnis eines Begleitforschungsprojektes, in dem seit 2015 insgesamt 14 Reallabore evaluiert wurden, die durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst in Baden-Württemberg gefördert worden sind. Zu diesem Zweck wurden alle neun Monate zweitägige Workshops veranstaltet, die darauf zielten, den Beteiligten "einen Raum und eine methodische Struktur für die gemeinsame Reflexion, die wechselseitige Beratung, das gegenseitige Lernen und die syntheseorientierte Zusammenarbeit zur Verfügung zu stellen" (DEFILA & DI GIULIO 2018, S.13). Die Herausgeber*innen Rico DEFILA und Antonietta DI GIULIO haben sich um die Promotion und Sicherung der wissenschaftlichen Qualität von transdisziplinärer Forschung im deutschsprachigen Raum sehr verdient gemacht. Sie verfügen über eine umfassende Erfahrung in der transdisziplinären Forschung und deren Begleitforschung. Diese spiegelt sich – dies sei vorweggenommen – in den beiden Bänden einmal mehr wider. Im Folgenden werden wir die Bände nacheinander vorstellen und würdigen (Abschnitte 2 und 3). Vor dem Hintergrund des aktuellen Forschungsstandes werden wir einige wichtige Punkte, die sich aus der Lektüre ergeben haben, herausgreifen und diskutieren. Des Weiteren werden wir die Anregungen und Einsichten gerade auch in Bezug auf Fragestellungen, die sich aus einer qualitativen Forschungsperspektive ergeben, reflektieren (Abschnitt 4). [3]
2. "Transdisziplinär und transformativ forschen. Eine Methodensammlung"
Der erste Band der Anthologie ist in zwei Teile gegliedert: Zuerst geht es um Fragen der Planung und Reflexion von Reallaboren. Im Anschluss stehen Methoden für Ko-Design und Koproduktion im Zentrum. Eingeleitet wird der Band von einem sehr kurzen Geleitwort von Jürgen MITTELSTRASS und einer etwas längeren Einführung der Herausgeber*innen, in der Reallabore als Quelle für die Methodik transdisziplinären und transformativen Forschens vorgestellt werden. [4]
DEFILA und DI GIULIO verstehen transdisziplinäre Forschung dabei als "Variante einer auf eine Synthese ausgerichteten Forschung", bei der sich "nicht nur Forscher(innen) aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen am Forschungsprozess, sondern zusätzlich auch noch Praxisakteure" (S.10) beteiligen, die einen substanziellen Beitrag zum Forschungsprozess leisten. Mit dem Begriff transformative Forschung wird eine Forschungspraxis bezeichnet, "die gesellschaftliche Veränderungen nicht nur untersucht und entsprechendes System-, Ziel- und Transformationswissen zur Verfügung stellt, [...] sondern auch gezielt auf eine gesellschaftliche Transformation Richtung Nachhaltigkeit hinwirkt und in diesem Sinne transformativ tätig wird" (S.11). Im Forschungsformat Reallabor würden transdisziplinäre Forschungspraxis und transformative Forschungsziele zusammengebunden und Ziele adressiert, die gesellschaftlich legitimiert, ethisch gut begründet und gemeinwohlorientiert seien, so die Autor*innen. Diese Ausweitung der Zielsetzung ermögliche, das Forschungsformat Reallabor aus seinem Entstehungskontext, nämlich der Nachhaltigkeitsforschung, herauszulösen und für weitere Ziele fruchtbar zu machen. DEFILA und DI GIULIO setzen sich in ihrer Einführung ausgehend vom aktuellen Forschungsstand und mit Blick auf die von ihnen untersuchten Reallabore insbesondere mit den folgenden drei Fragen auseinander:
Wer sind die beteiligten Akteur*innen?
Wie innovativ sind die eingesetzten Methoden?
Wie können Forschungs- und Praxisziele ausbalanciert werden? [5]
Dabei zeige sich, dass die Gestaltung von Reallaboren sehr vielfältig sei. Darum sei lediglich eine transparente Bezeichnung der beteiligten Akteur*innen möglich und zudem unerlässlich, "eine auf das konkrete Projekt bezogene Typologie" (S.20) von Akteur*innen zu erarbeiten. Diese sollte auf die "zugrunde gelegte Transformationstheorie, das Projektthema, die Projektziele sowie die konkreten Partizipationsziele der verschiedenen Projektaktivitäten zugeschnitten sein" (a.a.O.). Auch die Frage nach der Innovativität transdisziplinärer Forschung lässt sich nach Ansicht von DEFILA und DI GIULIO nicht abstrakt, sondern nur bezogen auf das jeweilige konkrete Reallabor beantworten. Wichtiger erscheint es ihnen hingegen zu klären,
"wofür sich welche Methode unter welchen Bedingungen eignet, wie sichergestellt werden kann, dass bei der Umsetzung von Methoden die erforderliche Qualität der Prozesse und Ergebnisse erreicht wird, und wie Vorbehalten gegenüber den erzielten Ergebnissen in der Wissenschaft begegnet werden könnte" (S.23). [6]
Bezogen auf die Möglichkeiten, Forschungs- und Praxisziele auszubalancieren, kommen DEFILA und DI GIULIO zu dem Schluss, dass das Ringen um den Einsatz geeigneter Methoden immer auch ein Ringen um die Balance zwischen Forschungs- und Praxiszielen impliziere (S.25). [7]
Ausgehend von diesen Überlegungen stellen DEFILA und DI GIULIO den Aufbau der Anthologie vor. Dabei irritiert es etwas, dass der beschriebene Aufbau ebenso wie im zweiten Band nicht immer mit der konkreten Struktur des Bandes korrespondiert (wir folgen an dieser Stelle indes dem gedanklichen Aufbau). Abschließend folgern die beiden Herausgeber*innen, dass Reallabore eine reiche Quelle im Hinblick auf die Methodologien und Methoden transdisziplinären und transformativen Forschens bildeten, wenn und insofern die Forschenden bereit seien, aus den Erfahrungen des gemeinsamen Forschens zu lernen. [8]
Wie erwähnt stehen im ersten Teil in drei Beiträgen Fragen der Planung und Reflexion von Reallaboren im Zentrum. Die Autor*innen fokussieren dabei auf das Forschungsformat selbst: Annika ARNOLD und Felix M. PIONTEK setzen sich mit zentralen Begrifflichkeiten im Kontext der Reallaborforschung auseinander: transformative Forschung, Transdisziplinarität, Reallabor und Realexperiment, Akteur*innenvielfalt, System-, Ziel- und Transformationswissen und Nachhaltigkeit als normatives Ziel. Die ausgewählten Begriffe beziehen sich auf den Förderkontext der Reallabore, und insofern werden sie weniger theoretisch entwickelt, denn aus der empirisch-praktischen Forschung als mögliche gemeinsame Nenner hergeleitet. Deswegen erstaunt es auch nicht sonderlich, dass z.B. bei der Bestimmung des Begriffs Transdisziplinarität weder die verschiedenen wissenschaftstheoretischen Positionen – neben den Klassikern etwa von GIBBONS et al. (1994) oder MITTELSTRASS (2001) sei hier auf Arbeiten im Feld der Interventionsforschung verwiesen (bspw. LERCHSTER & KRAINER 2016) – auftauchen und diskutiert werden. [9]
Im Beitrag von Richard BEECROFT, Helena TRENKS, Regina RHODIUS, Christine BENIGHAUS und Oliver PARODI werden ausgehend von der konkreten Erfahrung des Forschens fünf Designprinzipien für Reallabore vorgestellt und diskutiert: Herstellung von Problem- und Themenangemessenheit, Gestaltung einer räumlichen Angemessenheit, Herstellung zeitlicher Angemessenheit, Etablierung angemessener Akteur*innenrollen und Förderung einer experimentell-reflexiven Arbeitsweise (S.84f.). Dabei gehen sie davon aus, dass sich diese Designprinzipien keineswegs eindeutig den Zielen von Projekten zuordnen ließen, sondern immer in der Forschungspraxis ausgehandelt werden müssten. Dies veranschaulichen sie anhand konkreter Beispiele. [10]
Es folgt ein Kurzbeitrag zu möglichen Akteur*innen in Reallaboren. Andreas SEEBACHER, Sophia ALCÁNTARA und Alexandra QUINT schlagen ein 3-Kreise-Modell zur Analyse der Akteur*innenkonstellationen vor. Dabei macht den Kernbereich ein Team aus, das für die Konzeption, Prozessgestaltung und organisationale Steuerung verantwortlich ist. Im inneren Bereich experimentieren insbesondere Praxispartner*innen mit dem Kernteam, und im äußeren Bereich treffen sie sich mit unterschiedlichen Akteur*innen eher anlassbezogen (S.157). [11]
Im Anschluss daran wird in vier weiteren Beiträgen das Thema Partizipation behandelt: Jochen ECKART, Astrid LEY, Elke HÄUSSLER und Thorsten ERL formulieren in ihrem Artikel Leitfragen für die Gestaltung von Beteiligungsprozessen, die über die Verknüpfung von Ansätzen aus der planerischen Partizipation und konkreten Erfahrungen beim Forschen in Reallaboren identifiziert werden. Die Fragen lauten:
"Was sind die Erfolgsfaktoren für Partizipationsprozesse in Reallaboren? Was sind Beteiligungsgegenstand und Beteiligungsziele im Reallabor, die sich in unterschiedlicher Gewichtung aus Forschungs-, Praxis- und Bildungszielen ergeben? Welche Akteure sollten in die Partizipation in Reallaboren eingebunden werden und welche Interessen haben diese? Wie kann der Ablauf eines Partizipationsprozesses im Reallabor aussehen und wie werden externe und interne Herausforderungen berücksichtigt?" (S.107) [12]
In den darauf folgenden Kurzbeiträgen geht es um Mythen mit Blick auf die Partizipation in Reallaboren: Sophia ALCÁNTARA, Alexandra QUINT und Andreas SEEBACHER diskutieren den Mythos, dass Repräsentativität immer eine statistische Abbildung der Bevölkerung impliziere. Alexander QUINT, Sophia ALCÁNTARA und Andreas SEEBACHER hinterfragen ein Partizipationsverständnis, welches davon ausgehe, dass immer alle über alles zu jeder Zeit informiert sein sollten. Etwas irritiert, dass hier auch die Rede von einer "gesunden Demokratie" (S.70) ist, deren Grundprinzip Transparenz sei. Auf welche politischen Ebenen sich Transparenz und Partizipation beziehen sollten und wie diese konkret hergestellt werden könnten, wird von den Autor*innen nicht weiter ausgeführt:
"Sie [die Transparenz] bildet die Basis für eine erleichterte Dialogführung, eine freie Willensbildung sowie die Förderung der Offenheit gegenüber Neuem. Strittig sind hingegen das präzise Verständnis und die konkrete Umsetzung von Transparenz, das heißt, wo Transparenz anfängt, wie weitreichend und umfassend sie sein sollte und wie viel davon in Partizipationsprozessen tatsächlich förderlich ist" (a.a.O.). [13]
Und Andreas SEEBACHER, Sophia ALCÁNTARA und Alexandra QUINT räumen mit dem Mythos auf, Partizipation bedeute, dass nach Möglichkeit alle an allen Entscheidungen beteiligt sein sollten. Vielmehr plädieren sie für ein "Partizipationskontinuum" und gegen eine "Pflicht zu andauernder Partizipation" (S.103). [14]
Daran anschließend setzen sich Rico DEFILA und Antonietta DI GIULIO mit den Methoden der partizipativen Wissensproduktion auseinander und schlagen einen Kanon von Gütekriterien für die Methoden in der transdisziplinären Forschung vor. Dabei rekurrieren sie auf Debatten rund um die Aktions-, Handlungs- und Interventionsforschung und heben drei Aspekte hervor: die Zielsetzung und den Kontext, die Umsetzung eines Projektes und die Reflexion der Erfahrungen (S.54-60). [15]
Im zweiten Teil der Anthologie werden dann in insgesamt sechs Beiträgen ausgewählte Methoden für die Koproduktion von Wissen in Reallaboren vorgestellt. Diese Methoden können als Best- bzw. Good-Practice-Beispiele verstanden werden. Dabei liegen bei der Auswahl die zuvor durch DEFILA und DI GIULIO entfalteten Gütekriterien zugrunde. Besondere Beachtung findet die Verknüpfung von Forschungs- und Praxiszielen. Die Methoden werden zum Teil sehr detailliert beschrieben, sodass Interessierte sie in vielfältigen Kontexten auch selbst gut umsetzen bzw. modifizieren können. Insofern dienen sie einer vertieften Illustration. [16]
Im ersten Beitrag führen Regina RHODIUS und Michael PREGERNIG in die Methode "Wissensmesse" ein, die als Rahmen für die Identifikation von Forschungsfragen dienen soll. Die Autor*innen beschreiben die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung eines solchen Formats sehr kleinteilig in 13 Schritten und geben zugleich Anwendungsbeispiele. Eric PUTTROWAIT, Raphael DIETZ, Marius GANTERT und Johannes HEYNOLD stellen ein mehrschrittiges, kompetitives Verfahren vor, mit dem Ideen zivilgesellschaftlicher Akteur*innen aufgegriffen, Schlüsselakteur*innen identifiziert, Kooperationsstrukturen aufgebaut, entsprechende Projektideen ausgewählt und dann transdisziplinär weiterentwickelt werden können. Die zum Teil sehr detaillierten Informationen zur Methode des "Marktes der Ideen" werden sehr gut in einer schematischen Darstellung (S.199) illustriert, sodass die Leser*innen nicht den Überblick verlieren. Helena TRENKS, Colette WAITZ, Sarah MEYER-SOYLU und Oliver PARODI beschäftigen sich mit dem Zusammenspiel mehrerer Realexperimente in einer "Realexperimentalreihe". Dieses Vorgehen eigne sich in besonderem Maße "für Gruppen von Wissenschaftler(innen)en, die gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Akteuren neue Impulse in ihrem Lebensumfeld anstoßen und gleichzeitig für eine nachhaltige Entwicklung bzw. zukunftsrelevante gesellschaftliche Themen sensibilisieren wollen" (S.233). Sophia ALCÁNTARA, Annika ARNOLD, Doris LINDNER, Sigrid BUSCH, Raphael DIETZ, Markus FRIEDERICH, Charlotte RITZ und Marco SONNBERGER präsentieren die Methode eines "transdisziplinären Visionsworkshops" (S.269), der eine Reihe ineinandergreifende, partizipativer wie interdisziplinärer Schritte inkludiert. Dabei unterscheiden sie zwischen Visionen und Szenarien: "Erstere erzählen eine wünschenswerte Vorstellung von der Zukunft, letztere beschreiben mittels Modellierung eine Übersetzung dieser Vision in mögliche Vorstellungen von der Zukunft mit zugehörigen Entwicklungspfaden" (S.269). Die sogenannte "WiNo-Methode" stellen Monika BACHINGER, Daniel BLEHER, Hannes RAU und Rasmus PRIESS vor. Diese Methode diene dazu, das Wissen in transdisziplinären Netzwerken zu erfassen. Dabei differenzieren die Autor*innen zwischen Humankapital, Strukturkapital und Beziehungskapital. Schließlich führt Christina WEST in die Grundlagen von "Wissen to Go" ein, bei dem das Reallaborformat in eine hochschulische Lehrveranstaltung übersetzt wird. Studierende sollen im Rahmen einer Lehrveranstaltung ein "Reallabor im Kleinen" (S.328) konzipieren und umsetzen. Insbesondere dieser Beitrag eröffnet interessante Anschlüsse zum Lehr-Lern-Format "Service Learning", bei dem Studierende bürgerschaftliches Engagement einüben und ihr Tun mit Blick auf den jeweiligen Forschungsstand wissenschaftlich reflektieren (BACKHAUS-MAUL & ROTH 2013). [17]
Den Abschluss des ersten Bandes der Anthologie bildet ein Anhang, in dem die 14 Reallabore in Form von Steckbriefen vorgestellt werden. Die Liste der Autor*innen macht deutlich, dass auch die Schreibteams dieses Bandes transdisziplinär zusammengesetzt sind. Dies erklärt wohl auch ein wenig die zum Teil hohe Anzahl der involvierten Autor*innen. [18]
3. "Transformativ und transdisziplinär Forschen, Band 2. Eine Methodensammlung"
Der zweite, ebenfalls sehr umfassende Band schließt nahtlos an den ersten Band an, wie die Herausgebenden selbst herausstellen: "Das vorliegende Buch ist eine Fortsetzung des Buches Transdisziplinär und transformativ forschen – Eine Methodensammlung, die teils dieselben, teils andere Akzente setzt, die damals geführte Diskussionen teils weiterschreibt, teils ergänzt" (DEFILA & DI GIULIO 2019, S.1). Ebenso wie im Auftaktband konnten die Herausgebenden einen prominenten Autor für das Begleitwort gewinnen. Ortwin RENN, der aktuell als wissenschaftlicher Direktor dem Potsdamer Institut für Transformative Nachhaltigkeitsforschung – einem der bedeutendsten Zentren transdisziplinärer und transformativer Forschung im deutschsprachigen Raum – vorsteht, formuliert in seinem Vorwort offen eine der Hauptherausforderungen gegenwärtiger transformativer Forschungsprogrammatiken: "Auch ein dezidiert transdisziplinär und transformativ angelegtes Forschungsdesign wird bei vielen der berühmten 'wicked problems' nicht viel mehr als eine gemeinsam getragene Problemdefinition erreichen können" (S.VII). Zugleich fordert er ein (selbst-)reflexives methodisches Vorgehen ein: "Es bedarf eines strukturierten und vor allem reflektierten Prozessvollzugs, der auf eigenem Prozesswissen über die Gelingensbedingungen von transdisziplinären Ansätzen beruht" (a.a.O.). Hier wird unseres Erachtens ein wichtiges Gütekriterium für eine zukünftige transdisziplinäre Fortentwicklung benannt, die wir in unseren zusammenführenden Bemerkungen aufnehmen. [19]
Inhaltlich rahmen erneut die Herausgebenden mit ihrem Beitrag "Wie Reallabore für Herausforderungen und Expertise in der Gestaltung transdisziplinären und transformativen Forschens sensibilisieren – eine Einführung" die Sammlung. Anders als der erste hat der zweite Band mit einem Fokus auf Akteur*innen der kommunalen Ebene und "Bedingungen ihres Handelns" (DEFILA & DI GIULIO, S.2) einen definierten Schwerpunkt, der auch für Politik- und Verwaltungswissenschaftler*innen von Interesse sein dürfte. [20]
Die Darstellung ausgewählter transdisziplinärer Methoden bildet wieder den zweiten Teil der Veröffentlichung. Rico DEFILA und Antonietta DI GIULIO adressieren die Tatsache, dass es sich um ein Fortsetzungsband handelt, offensiv, indem sie Teile der Einleitung zum ersten Band zitieren. Auch die Leitfragen für die kollektierten Beiträge wurden beibehalten. Der Sammelband gliedert sich im Detail folgendermaßen: In zwei Beiträgen werden die Herausforderungen behandelt, die sich aus konkreten Akteur*innenkonstellationen auf kommunaler Ebene und den zugrundeliegenden Interessen ergeben. In drei Beiträgen geht es um die Akteur*innen selbst. An dieser Stelle tritt eine Problematik zutage, die sich im späteren vertieften Lesen bestätigt hat. Die drei Artikel weisen inhaltliche Überschneidungen auf, was sich an ihren zum Teil fast wortgleichen Zusammenfassungen zeigt. Im Anschluss an den zweiten Teil, in welchem erneut verschiedene transdisziplinäre Methoden vorgestellt werden, schließt der Sammelband mit knappen und informativen Streckbriefen zu den jeweiligen Projekten. [21]
Nun konkreter zu den einzelnen inhaltlichen Beiträgen der Anthologie. Der erste Teil des Bandes "Worauf achten: Heuristiken zum Verstehen der Akteure und ihrer Handlungsbedingungen" darf als Handreichung verstanden werden, welche kritischen Punkte bei der Entwicklung und Durchführung von Reallaboren in Kooperation mit lokalen Verwaltungen besondere Beachtung finden sollten. In drei prägnanten Beiträgen widmen sich die Autor*innen den komplexen Entscheidungsstrukturen in Kommunen. Damit fokussieren sie auf für Reallabore höchst relevante Kooperationspartner*innen, denn die überwiegende Mehrheit der sozialwissenschaftlichen Reallabore im deutschsprachigen Raum operiert in kommunalen Kontexten. Den Auftakt machen mit einem Kurzbeitrag "Kommunale Akteure verstehen: Vorgeschichte der Arbeit in Kommunen beachten" Jochen ECKART, Elke HÄUSSLER, Thorsten ERL, Monika GONSER und Jan RIEL. Die Autor*innen verweisen auf die Rolle und den Einfluss der "Vorgeschichte" – positive wie negative Erfahrungen aus vorangegangenen Kooperationsprojekten können die Zusammenarbeit maßgeblich beeinflussen. Sie schlagen vor, diese bei der Akteursanalyse1) mit einzubeziehen. Ebenfalls als Teil einer Akteursanalyse schlägt dasselbe Autor*innen-Team, jetzt in der Reihung GONSER, RIEL, ECKART ERL und HÄUSSLER, im anschließenden Beitrag vor, die Entscheidungswege innerhalb der verschiedenen Ebenen und Verwaltungshierarchien gründlich zu durchdringen. So könne eine stabile Kooperationsgrundlage zwischen Wissenschaft, Verwaltung und Politik etabliert werden. Mit dem dritten Kurzbeitrag "Kommunale Akteure verstehen: Verteilte Wissensbestände in Kommunen beachten" (erneut vom Team ERL, GONSER, ECKART, HÄUSSLER und RIEL verantwortet) wird auf die zum Teil schwer zu durchdringende Verteilung von Wissensbeständen in Verwaltungen hingewiesen. In allen drei Beiträgen greifen die Autor*innen für die Durchführung von Reallaboren relevante Problematiken auf. Zugleich ist zu bemerken, dass die Problematisierungen aufgrund von praktischen Erfahrungen erfolgen. Dies ist hilfreich für Leser*innen, die ein transdisziplinäres Projekt planen. Aus wissenschaftlicher Perspektive wäre eine verstärkte Theoretisierung, etwa auch unter Einbezug der gängigen verwaltungswissenschaftlichen Literatur, wünschenswert gewesen. So werden mittlerweile auch kommunale Verwaltungen verstärkt innerhalb von Macht- und Herrschaftsverhältnissen verortet. In vielen Forschungsarbeiten, die auf Entscheidungsmechanismen in Kommunen und Verwaltungen zielen, wird daher auch Bezug auf institutionentheoretische oder konstruktivistische Ansätze genommen (BOGUMIL & JANN 2009, S.55). Gerade letztere eröffnen breite Anwendungsmöglichkeiten für rekonstruktiv-interpretative Forschungsmethoden. Das Potenzial solcher Ansätze wird in beiden Bänden nicht diskutiert. Das liegt möglicherweise darin begründet, dass insgesamt kaum auf die Auswertung – wir sind geneigt, oftmals eine eher inhaltsanalytische Bearbeitung der erhobenen Daten zu vermuten – und stattdessen auf die Erhebung der Daten selbst mittels transdisziplinärer und transformativer Verfahren Bezug genommen wird. [22]
In einem stärker theoretisierenden Beitrag widmen sich Monika GONSER, Jochen ECKART, Charlotte ELLER, Katharina KÖGLBERGER, Elke HÄUSSLER und Felix M. PIONTEK den "Unterschiedliche[n] Handlungslogiken in transdisziplinären und transformativen Forschungsprojekten – Welche Risikokulturen entwickeln sich daraus und wie lassen sie sich konstruktiv einbinden?" Die Autor*innen untersuchten mit einem systemtheoretischen Ansatz die Dynamiken, die sich aus den Handlungslogiken von gesellschaftlichen Teilsystemen ergeben. Neben den systemtheoretischen Grundkonzepten von Niklas LUHMANN (1984, 1988) beziehen sie sich auf die Arbeiten von Uwe SCHIMANK (2007, 2012). Die Autor*innen entwickeln zunächst ihren Analyserahmen, mit dem die Handlungslogiken für die jeweils relevanten Teilsysteme der Reallabore nachzeichnet werden. Dann arbeiten sie empiriebasiert die Funktion, den Leitwert und die Leitdifferenz heraus. Die Einordnungen wirken dabei etwas schematisch, so ist im Teilsystem Wissenschaft der Leitwert unhinterfragt wie von LUHMANN selbst eingebracht wahr/unwahr, die Messung erfolgt durch Peer-Reviews. Die positivistische Perspektive wird also unkritisch übernommen. Als Gefahr machen die Autor*innen für das Teilsystem Wissenschaft zwar ein Faktum aus: "In transdisziplinären (und transformativen) Forschungsprojekten besteht jedoch das höhere Risiko, dass gewonnene Erkenntnisse aufgrund des neuen Forschungsformats durch einige Peers aus der Wissenschaft nicht anerkannt werden" (GONSER et al., S.50). Sie reflektieren gleichwohl nicht, ob dieses Risiko tatsächlich mit ihrem systemtheoretischen Ansatz zu fassen ist, oder ob nicht andere theoretische Konzepte generell kritische Momente im Verhältnis von Wissenschaft und Reallaborforschung trefflicher erklären könnten, zumal hier mit LUHMANN gegen LUHMANN argumentiert werden könnte: Selbstreferenzialität und Autopoiesis sind durchaus Konzepte, welche gerade in Bezug auf das Wissenschaftssystem und dessen Verhältnis zu angewandter Forschung eine kritische Perspektive eröffnen könnten. [23]
Die teils schablonenhafte Vorstellung über die sich aus den unterschiedlichen Handlungslogiken ergebenden Konflikte zeigt sich ebenfalls in der Beurteilung des politischen Systems: "Droht durch die Durchführung einer Maßnahme vor allem der Entzug politischer Unterstützung in der Wählerschaft, so wird sie entsprechend der Leitdifferenz von 'Macht/keine Macht' nicht als qualitativ wertvoll eingestuft" (GONSER et al., S.66). Unserer Erfahrung nach sind Entscheidungen politischer Akteur*innen in unterschiedliche und komplexe Zusammenhänge eingebettet, die nicht allein durch eine mögliche Wiederwahl zu erklären sind. Gerade für die Kommunalpolitik lassen sich oftmals sehr individuelle Motivationen einzelner Entscheidungsträger*innen ausmachen. Und einmal mehr möchten wir aus diesem Grund auch für Interviews die Vorzüge von qualitativ-interpretativen Verfahren anführen.2) Situierte Motivationslagen und Machtgeflechte, welche sich nicht notwendig in den formalen Hierarchien widerspiegeln, könnten etwa durch ein theoretisches Sampling offengelegt werden. Oftmals werden auch Entscheidungen über die Auswahl von Interviewpartner*innen anhand ihres offiziellen Status getroffen. Wichtige "Spuren" werden dann nicht verfolgt, weil weder die Leitfragen adaptiert noch die Personen im Hinblick auf einen einsichtversprechenden Weg ausgewählt werden. Trotz dieser Kritik verdient der Beitrag durch die vielen illustrativen Praxisbeispiele eine besondere Beachtung. [24]
Ein bislang selten beachtetes Thema greifen Katharina KÖGLBERGER, Raphael DIETZ, Charlotte ELLER, Felix M. PIONTEK, Marius ALBIEZ und Thomas POTTHAST mit ihrem Beitrag "Schutz in der Exposition, Schutz für die Exposition – Wie man in transdisziplinären und transformativen Forschungsformaten mit Ungewohntem und erhöhter Aufmerksamkeit umgeht" auf. Die Exponiertheit in unbekannten Kontexten gehört für die beteiligten Akteur*innen im Rahmen der transdisziplinären und transformativen Forschung zu den großen Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt:
"Die Akteure sind bei der Durchführung einer Tätigkeit im Rahmen eines transdisziplinären (und transformativen) Forschungsprojekts einer erhöhten Aufmerksamkeit durch Dritte ausgesetzt und zwar in einem Bereich, in dem sie das so nicht kennen. Dies stellt für sie eine ungewohnte Situation dar, zu deren Bewältigung sie nicht einfach auf ihre professionellen Routinen zurückgreifen können. Ungewohnt können für den betroffenen Akteur sowohl die durchzuführende Tätigkeit als auch die dabei erfahrene Aufmerksamkeit sein" (S.94). [25]
Für die Autor*innen ergibt sich die Exposition aus den verschiedenen Anforderungen, die transdisziplinären Forschungsprojekten inhärent seien. Erstens ist dies die fehlende Anonymität der Forschung, die "eine Art Bühne" (S.99) für alle Projektbeteiligten erzeuge. Transdisziplinäre Projekte würden viel im öffentlichen Raum operieren, sie lebten von Veranstaltungen, Bürger*innenbeteiligungen und ähnlichen Formaten. Aus diesem Grund müssten die direkt am Projekt beteiligten Akteur*innen ihre üblichen Wirkungsräume (Wissenschaft und Ökonomie seien hier stärker gefordert als zivilgesellschaftliche oder politische Akteur*innen) verlassen und sich Unbekanntem stellen. Sie seien gezwungen, ihre Routinen anzupassen.3) [26]
Auf ein weiteres oft übersehenes Problemfeld weisen die Autor*innen in Bezug auf die universitäre Lehre hin. Durch die Verbindung von Lehre und transdisziplinärer Forschung würden Lehrende insofern angreifbar, als sie oftmals mit bestimmten Vorstellungen von wertneutraler Lehre konfrontiert würden, "was in Spannung geraten kann zu einer explizit normen- und wertorientierten transdisziplinären und transformativen Arbeit z.B. im Kontext von Nachhaltiger Entwicklung" (S.125). [27]
Als Lösungsstrategie plädieren die Autor*innen für den konsequenten Einbezug der ausgemachten Expositionsmomente in die Akteursanalyse, um durch die "vorausschauende Reflexion" (S.134) Schutzmechanismen zu entwickeln. Transparenz in der Kommunikation machen sie hierfür als ein probates Mittel aus: "Eine mögliche, grundsätzliche Form von Schutzvorkehrung können der bewusste, offene Umgang mit Fehlern und eine entsprechende projektexterne Kommunikation sein, bei der auch über Ergebnisse berichtet wird, die aus Sicht der Beteiligten nicht wie gewünscht verliefen" (S.134). [28]
Nach diesen theoretischen und methodischen Reflexionen wird mit dem zweiten Teil die schon im ersten Band begonnene Methodensammlung ergänzt, sodass insgesamt elf Methoden sehr detailliert und anwendungsorientiert vorgestellt werden. Den Auftakt machen Christina BENIGHAUS, Belen ZEVALLOS, Charlotte ELLER, Martina HILLIGARDT, Mandana ALIMARDANI und Ludger BENIGHAUS mit einem Beitrag, in dem sie die "'Exchange-Veranstaltungsreihe' – ein Planungs- und Steuerungsinstrument für transdisziplinäre Forschungsprojekte" vorstellen. Als beispielhafte Veranschaulichung für die Konzeption einer Reihe über einen längeren Zeitraum gedacht, ist es vor allem die eingenommene Metaperspektive, mit der Ziele definiert, der Ablauf und die verschiedenen Rollen expliziert sowie die einzelnen Schritte in den Projektablauf einordnet werden, die für Leser*innen sehr hilfreich sein dürfte. Überzeugend präsentiert werden die Erkenntnisse in Schaubildern und mittels ergänzenden Bildmaterials. [29]
Die "TraSy-Methode" (TRAnsdisziplinäre Entwicklung soziotechnischer Systeme) wird von Laura GEBHARDT und Alexandra KÖNIG vorgestellt. Hinter dem Akronym verbirgt sich ein Verfahren, das auf die Erhebung der drei eingangs benannten Wissensarten System-, Ziel- und Transformationswissen abzielt. Zunächst soll über das Beobachten und Verstehen aktueller Handlungspraktiken Systemwissen erhoben werden. Durch die im Reallabor erfolgende Erprobung eines zukünftigen soziotechnischen Systems – der Intervention also – soll das Zielwissen und im Anschluss durch den angestoßenen Transformationsprozess das entsprechende Transformationswissen erzeugt und erhoben werden. In vier Phasen konzipiert, werden hierzu in der TraSy-Methode verschiedene partizipativ-qualitative Verfahren kombiniert. Zunächst geht es darum, die aktuellen Nutzer*innen eines soziotechnischen Systems in ihren alltäglichen Kontexten kennenzulernen und zu verstehen. Hier kommen klassische Instrumente der Datenerhebung wie teilnehmende Beobachtungen, Interviews, Befragungen oder Dokumentenanalysen zum Einsatz. In der zweiten Phase werden durch Koproduktion in Workshops die Nutzer*innentypen identifiziert, um in der dritten Phase partizipativ Ideen und Konzepte für ein neues bzw. verbessertes System zu entwickeln. Diese werden dann in der vierten Phase im Reallabor umgesetzt und die Ergebnisse ausgewertet. Auch in diesem Beitrag wird das Vorgehen detailliert illustriert. Dadurch gelingt eine plastische Darstellung des Projektes für die Lesenden. Des Weiteren geben die Autor*innen wenn auch indirekt einen Hinweis, der allgemein zu wenig expliziert wird: Eine erfolgreiche transdisziplinäre Zusammenarbeit liegt auch in der liebe- und mühlevollen Aufbereitung der Materialien begründet. Dies wird in akademischen Zusammenhängen teils wenig geschätzt, dabei ist die Entwicklung angemessener Materialien und das oft damit zusammenhängende "Basteln" sehr zeitintensiv und theoretisch wie methodisch anspruchsvoll. Es wird gerne übergangen, wie viele wissenschaftliche Vorüberlegungen in die Aufbereitung der Materialien einfließen.4) [30]
Auch von Editha MARQUARDT und Ulrike GERHARD wird in "Barcamp adapted – gemeinsam zu neuem Wissen" eine dialogorientierte Methode vorgestellt. Die Grundidee ist, in einem Setting, das alle Stakeholder zum einem hierarchiefreien Austausch einlädt, neue Ideen und Konzepte zu entwickeln sowie an vorab ausgewählten Themen gemeinsam zu arbeiten. Es erstaunt hier wie auch an einigen anderen Stellen in der Doppelanthologie, dass die proklamierte Hierarchiefreiheit nicht kritisch reflektiert wird. Zugleich ist das Barcamp ein gutes Beispiel dafür, dass Innovationen im Feld der dialogischen Methoden überwiegend auf bereits vorhandenen Konzepten aufbauen. Letztlich bleibt das Barcamp ein offener Workshop, was die Bedeutung des Konzeptes in keiner Weise mindert. [31]
In ihrem Beitrag "UrbanUtopiaLAB – einen Möglichkeitsraum zur Produktion von Transformationswissen schaffen" beschäftigen sich Christina WEST und Svenja KÜCK mit einer transdisziplinären und transformativen Methode, die spezifisch in "verstädterten, urbanisierten Kontexten (Quartier, Stadt, Region), in denen häufig multiple Zuschreibungen und Raumerfahrungen auf engem Raum koexistieren und unterschiedliche Vorstellungen über die Nutzung des öffentlichen Raums bestehen" (S.260), Anwendung findet. Vereinfacht gesagt geht es darum, herauszufinden, wie Menschen ihr Wohn- und Lebensumfeld gemeinsam – entsprechend ihrer Vorstellungen – verbessern können. Dabei könnten auch potenziell konfliktäre Situationen adressiert werden, sofern die Beteiligten an einem konstruktiven Austausch interessiert seien, so die Verfasserinnen. Dieser Hinweis darf nicht geringgeschätzt werden, denn leider lassen sich im urbanen Raum genügend Beispiele finden, bei denen im Vorfeld davon auszugehen ist, dass die Grundlagen für die erfolgreiche Durchführung eines Reallabors nicht gegeben sind. Auch in diesem Beitrag wird das konkrete Vorgehen detailliert nachgezeichnet und zur Nachahmung und Anwendung inspiriert. [32]
Als fachdidaktischer Einwurf von Richard BEECROFT wird "'Das Transformative Projektseminar' – didaktische Ansätze und methodische Umsetzung" vorgestellt. Das TraPS (Transformatives Projektseminar) "ist keine grundsätzlich neue Lehrform, sondern integriert mehrere Ansätze aus dem State of the Art fachübergreifender, aktiver Lehre mit einer Reihe ausgewählter methodisch-didaktischer Elemente zu einer transdisziplinären Arbeitsweise mit transformativem Anspruch" (S.294). Drei Gruppen sind daran beteiligt: Wissenschaftler*innen, Studierende und Praxispartner*innen. Sie bearbeiten gemeinsam ein Anliegen, das im Verlauf eines Semesters bewältigt werden kann. Die Studierenden sind idealerweise fachlich heterogen orientiert, können aber auf eine gemeinsame Grundlage zurückgreifen. Im Falle der vorgestellten TraPS war dies das Begleitstudium Nachhaltige Entwicklung, das an der Technischen Universität Karlsruhe interdisziplinär angeboten wird. Des Weiteren ist ein wissenschaftlicher Projektrahmen, in dem die Impulse aus dem Seminar aufgegriffen werden können, erforderlich. Didaktisch wird bei dem TraPS erstens auf das "Service Learning" als Lernmodus zurückgegriffen, der auf den Erfahrungen durch das Erbringen gesellschaftlich relevanter Leistungen basiert. Zweitens wird auf die Idee des "forschenden Lernens" als Ergebnis eines begleiteten wissenschaftlichen Interesses rekurriert. Kombiniert werden diese Ansätze idealerweise mit "Team Teaching", um verschiedene Perspektiven in das Seminar einfließen lassen zu können. Ebenso wird mit dem "sozialen Lernen" als viertem didaktischen Konzept das Ziel verfolgt, dass alle beteiligten Gruppen durch die Perspektiven der anderen Teilnehmenden lernen. BEECROFT gelingt die Vermittlung des Ansatzes, der Text ist eine gelungene Handreichung zur Durchführung eines TraPS und motiviert zu unkonventioneller Lehre. Zugleich werden die Fallstricke vermittelt, die mit einer solchen anspruchsvollen universitären Lehre einhergehen, so etwa die unterschiedlichen Erwartungen oder die Zielkonflikte, die es zu managen gilt. Der Beitrag schließt mit einer positiven Evaluation des Lehrformats, die auch wir teilen: "In Form eines TraPS kann universitäre Lehre in gesellschaftliche Lernprozesse eingebettet werden – zum beiderseitigen Vorteil" (S.330). Der zweite Band endet ebenso wie der erste Band mit einem umfangreichen Anhang, in dem qua Steckbrief die Reallabore und Projekte vorgestellt werden, die den Beiträgen exemplarisch zugrunde liegen. [33]
4. Reallabore als Verbindung von transdisziplinärer und transformativer Forschung
Wir haben die zweibändige Anthologie mit viel Interesse und Gewinn gelesen. Herausgegeben von den renommierten transdisziplinären (Begleit-)Forscher*innen Antonietta DI GIULIO und Rico DEFILA gelingt zum einen die theoretische Einordnung des Forschungsformats in die aktuelle Diskussion um transdisziplinäre und transformative Forschung. Zum anderen werden interessante und inspirierende Methoden vorgestellt, die Lust machen auf diese Art der Feldforschung. Insbesondere Letzteres macht den spezifischen Mehrwert der beiden Anthologien aus. Die Autor*innen stellen anwendungsorientierte transdisziplinäre Methoden im Detail vor, die Beiträge fungieren dabei als Leitfäden und bieten eine dringend notwendige Orientierung für qualitativ hochwertiges transdisziplinäres Arbeiten für Forschende, Studierende und Praxispartner*innen. Gerade auch für diejenigen, die sich zum ersten Mal auf einen solchen Prozess einlassen, wird das jeweilige Vorgehen transparent und nachvollziehbar dargestellt, Bildmaterial und Grafiken ergänzen die Ausführungen zum methodischen Vorgehen ideal. Diese Akzentuierungen der beiden Sammelbände auf die praktische Umsetzung transdisziplinärer Forschung sind als Arbeitsergebnisse zweier Förderlinien zu Reallaboren folgerichtig. [34]
Aus einer übergeordneten wissenschaftstheoretischen Perspektive ergeben sich für weitere Publikationen im Feld der transdisziplinären Forschung einige Einsichten. Zunächst einmal fiel uns auf, dass beständig auf die mutmaßlich stärkere Innovationskraft transdisziplinärer Forschungspraxen hingewiesen wird, die sich aus dem Zusammenspiel diverser Perspektiven ergäbe. Erstaunlich ist indes, dass die Diversität der Forschungsteams an keiner Stelle problematisiert worden ist und auch nicht ihre Bearbeitung aufgegriffen wird. Denn das Konzept der Diversität umfasst qualitativ andere Momente als allein verschiedene Interessen oder Zielsetzungen zur Kenntnis zu nehmen. Diversität innerhalb der Gruppen der Forschenden, Studierenden oder Praxispartner*innen beeinflusst den Forschungsprozess von Beginn an. Verschiedene (Wissenschafts-)Sprachen, Praxen und Perspektiven treffen gewöhnlich in einem transdisziplinären Projekt aufeinander und müssen in den Forschungsprozess einbezogen werden. Dabei geht es um weit mehr, als Dialog und Austausch zu initiieren, und das ist unserer Erfahrung nach eine große Herausforderung in koproduktiven Projekten. Zugleich befördert eine Reflexion der Diversität von Forschungsteams zweierlei: Erstens eröffnet sich so eine Möglichkeit, über den Dialog hinauszugehen. Das ist der Anspruch transdisziplinärer Forschung, der jedoch oftmals nicht eingehalten werden kann, wie Ortwin RENN im Begleitwort zum zweiten Band konstatiert. Zweitens kann dadurch eine gewisse Sensibilität für Macht- und Herrschaftsverhältnisse gewonnen werden. Gerade Letzteres scheint uns von großer Bedeutung und fand in beiden Bänden wenig Berücksichtigung. [35]
Diese Überlegungen führen uns zu einem weiteren Punkt, der für zukünftige Publikationen berücksichtigt werden sollte. Transdisziplinäre Forschung ist immer wieder mit dem Vorwurf der Theoriearmut konfrontiert. Um diesen entkräften zu können, müssen aus der Community selbst heraus einige Anstrengungen unternommen werden. Hierzu gehört die verstärkte Theoretisierung in den Feldern, in denen transdisziplinär geforscht wird. Hier würden wir etwa erwarten, dass in Projekten mit Städten und Kommunen auch Beiträge aus der aktuellen verwaltungs- oder politikwissenschaftlichen Forschung zu Kommunalpolitik rezipiert werden. Denn gerade die Forschung in urbanen Kontexten und in Form der Realexperimente hat in den Sozialwissenschaften eine lange Tradition, die bis in die Chicagoer Schule der 1920er-Jahre zurückreicht (SCHNEIDEWIND & SCHECK 2013, S.242). Des Weiteren bietet sich bei transdisziplinären Projekten oftmals das Einbeziehen grundlegender gesellschaftswissenschaftlicher Fragestellungen, wie eben zu Macht- und Herrschaftsverhältnissen oder auch zu demokratietheoretischen Überlegungen, geradezu an. Transdisziplinäre Arbeiten könnten innovative Einsichten generieren und wesentlich stärker in diese übergreifenden Debatten einwirken, als das bislang der Fall ist. So könnte auch den Kritiken, die auf die normative Orientierung von transdisziplinärer Forschung abzielen, begegnet werden. [36]
Schließlich denken wir, dass transdisziplinäre Forschung einen genuinen Beitrag zur Methodenentwicklung leisten könnte und auch sollte. Es liegt auf der Hand, Fragen von Methodentriangulation auch und gerade aus interdisziplinärer Perspektive verstärkt zu bearbeiten. Dabei wäre auch die Diversität von Forschungsperspektiven, die Situiertheit der Wissenschaftler*innen wie auch der Wissensproduktion selbst zu adressieren. Vor dem Hintergrund einer qualitativen Forschungstradition fällt auf, dass in der transdisziplinären Forschung die interpretativen und rekonstruktiven Haltungen eher wenig Beachtung finden. So wirkt es auch in den vorliegenden Bänden, als würden qualitative Auswertungsverfahren eher auf Inhaltsanalysen reduziert. Das methodische Vorgehen wird, gerade was die eigentlichen qualitativen Methoden und damit zusammenhängend die Auswertung der Daten angeht, nicht expliziert. Hier denken wir, wird Potenzial verschenkt. Gerade in Bezug auf die Akteursanalysen, die in vielen Beiträgen eingefordert werden, scheint uns eine vorschnelle Engführung auf vermeintlich klar zu benennende Interessen und Motivationslagen problematisch. Wir erkennen eher eine positivistische Grundhaltung, die es doch zumindest zu reflektieren gälte. Insgesamt plädieren wir daher für eine stärkere Integration von (sozial-)konstruktivistischen Perspektiven. [37]
Diese methodischen Anregungen sind unseres Erachtens jedoch oftmals aufgrund eines Dilemmas, in welchem die transdisziplinär Forschenden stecken, nicht eben einfach aufzugreifen: Bei wohl keinem anderen Typus von Forschung sind die Zielkonflikte so ausgeprägt wie bei der transdisziplinären Koproduktion von Wissen. Forscher*innen müssen nicht nur sehr viel Zeit und Kreativität in den Forschungsprozess selbst investieren. Vielmehr ist auch die Organisation wie auch die Vor- und Nachbereitung der Forschung sehr viel zeitintensiver als etwa im Falle dokumentenbasierter Forschung oder klar umrissener qualitativer Interviewforschung. Oftmals ist allein die Entwicklung des Materials für eine Workshopgestaltung sehr aufwendig und bedarf breiter wissenschaftlicher und methodischer Kenntnisse. Die produzierten Daten sind in der Regel sehr komplex auszuwerten. Hier tritt dann das Dilemma offen zutage: Eine interpretative Bearbeitung der Daten benötigt geschulte Wissenschaftler*innen ebenso wie angemessene Zeiträume zur Bearbeitung (vgl. hierzu auch BÜHRMANN & FRANKE 2018). Eine Projektlogik, die mit Förderbeginn schon inhaltliche und zeitliche Meilensteine setzen muss, zwingt die Beteiligten hingegen zum Pragmatismus, die Auswertung der erhobenen Daten bietet eine potenzielle Möglichkeit zur Zeitersparnis. Das betrifft auch komplexe methodische Designs, die forschungslogisch eine bestimmte Abfolge verlangen würden, in der immer wieder Zwischenauswertungen erfolgen müssten. Ganz praktisch werden gerade von den nicht-wissenschaftlichen Akteur*innen, die eine klare Lösungsorientierung verfolgen, anwendbare und zeitnah produzierte Ergebnisse eingefordert. Zeitaufwendigere methodische Vorgehensweisen sind daher kaum mit der Projektlogik an sich zu vereinbaren. Diese Ziel- und Interessenskonflikte spiegeln sich ebenfalls in den wissenschaftlichen Publikationen wider, die aus transdisziplinären Projekten hervorgehen (müssen). Da der eigentliche Forschungsprozess ungleich aufwendiger ist, bleibt wenig Zeit und Raum, die theoretischen und methodischen Desiderata tiefgreifend aufzuarbeiten. Dies ist gerade für Nachwuchswissenschaftler*innen, die enthusiastisch einen transdisziplinären Ansatz verfolgen, frustrierend. Wir sehen die beiden vorliegenden Bände auch als Ausdruck dieses Dilemmas, da die methodischen und theoretischen Reflexionen eher knapp gehalten sind, der (forschungs-)praktische Nutzen der beiden Bände gleichwohl unbestritten ist und im besten Sinne engagierte, transdisziplinäre und transformative Forschung dokumentiert. [38]
Dieser Beitrag ist im Rahmen einer Förderung durch Landesmittel des Niedersächsischen Vorab der VolkswagenStiftung entstanden.
1) Uns verwundert, weshalb in den Reallaboren nicht ebenfalls das Konzept der Hotspot-Analyse (DEFILA & DI GIULIO 2016) Anwendung gefunden hat. Als Hotspots bezeichneten DEFILA und DI GIULIO die Ausgangslagen bei transdisziplinären Forschungsprojekten, die sowohl Potenziale als auch Risiken auf verschiedenen Ebenen bergen. Um die komplexen Konstellationen zu verstehen und den Forschungsprozess entsprechend anzupassen, empfehlen sie ein mehrstufiges Vorgehen, welches über eine reine Akteursanalyse hinausgeht (S.27-92). <zurück>
2) Ein hervorragendes Beispiel für die Verwendung qualitativ-interpretativ orientierter Verfahren sind die Arbeiten zu kommunalen Machtstrukturen von Fritz SCHÜTZE (1976). Die methodologische Frage, warum Interviews zu führen sind, beantwortet er pointiert: "Der an der Programmatik einer kommunikativen Sozialforschung orientierte Feldforscher geht davon aus, daß der den Forscher interessierenden Praktiker, hier der Gemeindepolitiker, von seinem ureigensten Tätigkeitsfeld zumindest in unbewußten, in der Erzählung aber dennoch explizierbaren Erfahrungen bedeutend mehr weiß als der am grünen Tisch der Theoriebildung sitzende Soziologe" (S. 221). Neben dem eleganten Hieb in Richtung von Survey-Studien, die die lange Tradition der US-amerikanischen Gemeindestudien in Vergessenheit geraten ließen, ist es die methodologisch begründete Bedeutung von Stehgreiferzählungen und damit das narrative Interview als Erhebungsinstrument, die SCHÜTZE überzeugend darlegen kann. <zurück>
3) Aus eigener Erfahrung können wir hier beispielhaft etwa die Darstellung von Projektideen für ein eher wissenschaftsfernes Publikum anführen. Sprachlich an die Vermittlung von Inhalten an die eigene Community gewohnt, kann dies gerade auf Bürger*innen-Versammlungen zu vielfältigen Missverständnissen führen. Zugleich besteht die Möglichkeit, dass Widersprüchlichkeiten und Unklarheiten schonungsloser durch interessierte oder betroffene Bürger*innen offengelegt werden, was zuweilen nicht angenehm ist. Weiter liegt es in der Idee von transdisziplinärer Forschung begründet, dass diese oftmals an politisch sensiblen Themen ansetzt. Zugleich exponieren sich die Beteiligten öffentlich mit ihren Partikularinteressen oder auch mit spezifischen Ideen zur Problemlösung und machen sich dadurch angreifbar. Drittens ergibt sich bei Reallaboren ein forschungsethisches Problem durch das methodische Design. Werden normalerweise die freiwillig an Forschungsprojekten Teilnehmenden über Methode, Forschungsfragen etc. informiert, so geschieht dies in der Reallaborsituation gerade eben nicht. Dies kann zu (starker) Kritik durch die ungefragt teilnehmenden Personen oder auch durch Fachkolleg*innen führen, der sich die Wissenschaftler*innen argumentativ stellen müssen. <zurück>
4) Wie wichtig und anspruchsvoll die Ausarbeitung der Materialien gerade für transdisziplinäre Projekte ist, darf in keinem Fall unterschätzt werden. Im weiteren Sinne werden die Aspekte aktuell unter dem Stichwort der performativen Sozialwissenschaft diskutiert, vgl. bspw. das von Günter MEY (2020a) editierte Sonderheft "Performative Sozialwissenschaft"; für einen Überblick siehe auch MEY (2020b) oder SCHREIER (2017) sowie die bereits 2008 von JONES et al. verantwortete FQS-Schwerpunktausgabe "Performative Social Science". <zurück>
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Andrea Dorothea BÜHRMANN ist Professorin für die Soziologie der Diversität und Direktorin des Instituts für Diversitätsforschung an der Universität Göttingen. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Soziologie der Diversität und Geschlechterverhältnisse, Arbeits- und Wirtschaftssoziologie, Methoden und Methodologie der (qualitativen) Sozialforschung, Soziologie des Wissens.
Kontakt:
Prof. Dr. Andrea Dorothea Bührmann
Georg-August-Universität Göttingen Sozialwissenschaftliche Fakultät
Institut für Diversitätsforschung
Platz der Göttinger Sieben 3
D-37073 Göttingen
Tel.: +49 (0)551 39 20253
Fax: +49 (0)551 39 12853
E-Mail: andrea.buehrmann@uni-goettingen.de
URL: https://www.uni-goettingen.de/de/prof.+dr.+andrea+d.+b%C3%BChrmann/446519.html
Yvonne FRANKE vertritt im Wintersemester 2020/2021 die Professur Soziologie der Diversität am Institut für Diversitätsforschung der Universität Göttingen. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: globale soziale Ungleichheitsforschung, globale Agro-Food-Systeme, qualitative Methoden der Sozialforschung, Transdisziplinarität.
Kontakt:
Dr. Yvonne Franke
Georg-August-Universität Göttingen Sozialwissenschaftliche Fakultät
Institut für Diversitätsforschung
Platz der Göttinger Sieben 3
D-37073 Göttingen
Tel.: +49 (0)551 39 26185
E-Mail: yvonne.franke@uni-goettingen.de
URL: http://www.uni-goettingen.de/de/dr.+yvonne+franke/540456.html
Bührmann, Andrea D. & Franke, Yvonne (2020). Sammelbesprechung: Transdisziplinäre und transformative Forschung: Reallabore in der Praxis [38 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 21(3), Art. 12, http://dx.doi.org/10.17169/fqs-21.3.3605.