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Volume 22, No. 3, Art. 18 – September 2021

Wirkmächtigkeit therapeutischer Arrangements im Zwangskontext – eine kontexturanalytische Untersuchung zur Therapie eines pädophilen Mannes im Maßregelvollzug

Werner Vogd, Martin Feißt & Till Jansen

Zusammenfassung: In diesem Beitrag betrachten wir die Wirkmächtigkeit therapeutischer Arrangements in Zwangskontexten am Beispiel eines pädophilen Mannes im Maßregelvollzug. Die Analyse erfolgte auf Basis der Kontexturanalyse, einer systemischen Methodologie, bei der das Bedingungsgeflecht therapeutischer Arbeit in den Blick genommen wird. Die Rekonstruktion lässt deutlich werden, wie voraussetzungsreich es ist, dass therapeutische Gespräche und Interventionen in diesem Spannungsfeld von Macht, Lust und Sanktionierung wirksam werden. In der Diskussion werden Anschlüsse an die FOUCAULTsche Diskursanalyse gesucht. Dabei wird insbesondere darauf hingewiesen, dass hegemoniale Diskurse nicht per se eine Machtwirkung ausüben, sondern im Sinne einer rekonstruktiven Methodologie genau geschaut werden sollte, ob und wie Selbst- und Weltverhältnisse in konkreten institutionellen Arrangements formatiert werden, unter Druck geraten oder in bestimmten Konstellationen gar neu arrangiert werden. In methodologischer Hinsicht zeigen sich dabei einige Parallelen zwischen der analytischen Haltung von FOUCAULT und dem systemisch-praxeologischen Vorgehen der Kontexturanalyse.

Keywords: forensische Psychiatrie; Pädophilie; Kontexturanalyse; Foucault; Diskursanalyse; Psychotherapie; totale Institutionen

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Pädophiles Begehren im Wandel des gesellschaftlichen Diskurses

3. Die empirische Studie und der methodologische Zugang

4. Der Fall: Herr Volkert, ein Pädophiler, der keiner sein möchte

4.1 Begründung der Fallauswahl

4.2 Normaler Pädophiler oder kranker Pädophiler?

4.3 Die psychiatrische Einweisung als Erleichterung: Subjektivierung durch Sprechen und Gehörtwerden

4.4 Der Rückfall

4.5 Das Arrangement gerät unter Druck

4.6 Die Instabilität des Arrangements

4.7 Die Visite – das Drama des leidenschaftlichen Unterdrückten

4.8 Inkorporation des Arrangements: Selbst- und Weltverhältnisse beginnen sich zu verschränken

5. Diskussion

5.1 Gegenstandstheoretische Reflexion

5.2 Methodologischer Ausblick

Danksagung

Anmerkungen

Literatur

Zu den Autoren

Zitation

 

1. Einleitung

Thema dieses Beitrags sind die Bedingungen der Möglichkeit von Psychotherapie unter Zwang – insbesondere mit Blick auf Menschen, die den Veränderungsbedarf nicht teilen, der ihnen vonseiten der Gesellschaft zugeschrieben wird. Die von außen als problematisch erscheinenden Körperpraxen (in unserem Fall pädophile Neigungen und das damit einhergehende Verhalten) werden nicht nur ich-synton als unproblematischer, sondern vielmehr auch als anzustrebender Ausdruck des eigenen Selbstverhältnisses erlebt. Gesellschaftliches "Identifiziertwerden" und die hiermit einhergehenden "Identitätsnormen" treten entsprechend in Diskrepanz zu den "Selbstidentifizierungen". Der therapeutische Kontext erscheint für die Patient/innen damit als "Fremdrahmung" (BOHNSACK 2017, S.203) einer "totalen Institution" (GOFFMAN 1973 [1961], S.13), deren Ansprüchen und Erwartungen sie sich nicht mehr entziehen können. [1]

Doch ist hiermit die Möglichkeit einer therapeutischen Veränderung, die an der Willensbewegung der Klient/innen ansetzt, nicht per se ausgeschlossen. Dabei stellt sich freilich die Frage, wie Konstellationen aussehen können, in denen die machtstrukturierte Rahmung zum Bestandteil eines Veränderungsprozesses wird, mit dem sich die Patient/innen am Ende gar selbst identifizieren können. Gerade deshalb erscheint es für eine soziologisch informierte Psychotherapieforschung produktiv, sich diesbezügliche Behandlungsprozesse in der forensischen Psychiatrie anzuschauen, die aufgrund ihres gesellschaftlichen Auftrags darauf spezialisiert ist. In diesem Sinne möchten wir in diesem Artikel am Beispiel der Behandlung eines pädophilen Mannes gegenstandstheoretische Einsichten zur Wirkmächtigkeit therapeutischer Arrangements im Zwangskontext vorstellen. [2]

In Abschnitt 2 werden wir in kurzer Form den Diskurs um sexuelle Begierden, die auf Kinder ausgerichtet werden, aufgreifen. Anschließend werden wir in Abschnitt 3 mit der Kontexturanalyse in eine systemische Methodologie einführen, die im Anschluss an die dokumentarische Methode (BOHNSACK 2008), die mehrwertige Logik Gotthard GÜNTHERs (1978) und das Konzept der linguistischen Polyphonie (BACHTIN 1971 [1929]) entwickelt wurde. Im Hauptteil werden wir eine Fallanalyse aus unserer Studie (Re-)Sozialisierung im Maßregelvollzug – im Spannungsfeld von Individuum, Organisation und Gesellschaft1) vorstellen, in deren Rahmen wir sechs forensisch-psychiatrische Kliniken untersuchen (Abschnitt 4). In der Diskussion wird der Befund zu interpretieren sein, dass die therapeutischen Interventionen gegenüber Pädophilen im Kontext der Institution des Maßregelvollzugs zunächst relativ machtlos erscheinen. Abschließend werden neben gegenstandstheoretischen auch einige methodologische Parallelen in Bezug auf FOUCAULTs Arbeiten, etwa zum Sexualitätsdispositiv diskutiert (Abschnitt 5). [3]

2. Pädophiles Begehren im Wandel des gesellschaftlichen Diskurses

"An einem Tag im Jahre 1867 wird ein Landarbeiter aus dem Dorf Lapcourt [...] angezeigt: am Rande eines Feldes hatte er von einem kleinen Mädchen ein paar Zärtlichkeiten ergattert, wie er es früher schon getan und gesehen hatte, wie alle Burschen und Mädchen um ihn herum es taten, wenn sie am Waldrand oder im Graben der Straße, die nach Saint-Nicolas führt, das Spiel spielten, das man 'Dickemilch' nannte. Er wird also von den Eltern beim Bürgermeister des Dorfes angezeigt, der Bürgermeister übergibt ihn den Gendarmen, die führen ihn vor den Richter, welcher ihn anklagt und einem ersten Arzt anheimgibt, dann zwei weiteren Experten, die einen Bericht abfassen und schließlich veröffentlichen. Die Bedeutung dieser Geschichte? Die liegt gerade in ihrer Kleinheit, darin, daß dieses Alltagsereignis in der dörflichen Sexualität, diese kleinen Lüste hinter den Büschen nicht bloß einer kollektiven Intoleranz, sondern einer juristischen Aktion, einer medizinischen Intervention, einer klinischen Prüfung und einer umfangreichen theoretischen Verarbeitung werden konnten. Die Bedeutung liegt darin, daß man diesen Unglücklichen, der bis dahin einen festen Bestandteil des bäuerlichen Lebens gebildet hatte, auf die Maße seines Schädels und den Knochenbau seines Gesichtes hin zu untersuchen begann, daß man seine Anatomie nach möglichen Zeichen der Degeneration musterte, ihn zum Sprechen brachte und nach seinen Gedanken, Neigungen, Gewohnheiten, Gefühlen und Urteilen befragte. Und daß man am Ende, als man ihn keines Verbrechens schuldig fand, beschloß, ihn zu einem reinen Gegenstand der Medizin und des Wissens zu machen" (FOUCAULT 2019 [1976], S.36f.).

Als medizinisch diagnostische Kategorie wurde der Begriff der Pädophilie ("Paedophilia erotica") durch den Wiener Psychiater v. KRAFFT-EBING (1912 [1886], S.417) eingeführt. Er bezeichnete damit ein primäres sexuelles Interesse an Kindern vor der Pubertät, das über die Zeit hinweg andauert, und fasste dies, wie auch schon die Homosexualität, als eine neuropathologische Störung auf, die psychiatrisch behandelt werden müsse und für die die betreffende Person entsprechend keine Verantwortung trage, da es sich eben um eine Krankheit handele. Die Pädophilie wurde dabei psychopathologisch üblicherweise typologisch von anderen Formen intergenerationaler Sexualkontakte unterschieden – so etwa von erwachsenen sexuell Missbrauchenden, die ansonsten auf altersgleiche Partner/innen ausgerichtet sind, ebenso von Menschen mit einer geistigen Behinderung oder den eher selten vorkommenden dissozial oder sadistisch geprägten Übergriffen auf Kinder (STIELS-GLENN 2016, S.28). In der Weimarer Republik etablierte sich dann die Figur des "Kinderschänders", der die "Volksgemeinschaft" bedrohe. In der Nachkriegszeit prägten vor allem juristische Auseinandersetzungen um das sogenannte "Schutzalter" das Bild (KÄMPF 2015, S.111). [4]

Im Rahmen der sexuellen Befreiung und der hiermit einhergehenden Kritik an der Medikalisierung menschlichen Begehrens änderte sich jedoch Ende der 1960er Jahre der Grundtenor der Diskurse. An die gesellschaftlichen Emanzipationsbewegungen, die in den 1970er Jahren für selbstbestimmte weibliche Sexualität und eine weitere Entkriminalisierung der Homosexualität eintraten sowie der kindlichen Sexualität mehr Raum geben wollten, schlossen sich auch Bewegungen an, in denen die sexuellen Interaktionen von Erwachsenen mit Kindern nicht per se als problematisch erachtet wurden. Dies fand durchaus Unterstützung von einer Reihe von Sexualwissenschaftler/innen (z.B. LAUTMANN 1994). Aus einer differenzierungstheoretischen Perspektive betrachtet erscheint hier also keineswegs eine homogene Diskursformation, sondern ein komplexes Gewebe medizinischer, rechtlicher, moralischer und vor allem politischer Diskurse, wobei letztere ihrerseits je nach politischem Lager jeweils andere Diskursformationen repräsentieren. Pädophilie ist aus dieser Perspektive eher als eine "Grenzfigur" (KÄMPF 2016, S.379) anzusehen, die sowohl von evangelikalen Verschwörungstheoretiker/innen, konservativen katholischen Milieus oder populistischen Empörungspolitiker/innen aufgegriffen werden kann, aber ebenso von jenen liberalen und libertären Kräften, welche heteronormative Geschlechterverhältnisse im Sinne der eigenen Identitätspolitik kritisieren und damit die Problematisierung von Pädosexualität2) als Angriff auf ihr eigenes Selbstverhältnis verstehen. Ein kurzer Blick auf die US-amerikanischen Auseinandersetzungen zeigt ein ähnliches Bild (CLEVES 2017). Pädophilie erscheint auch hier als Kristallisationspunkt, an dem rechtliche, medizinische und politische Diskurse in unterschiedlichen Konstellationen zusammenkommen können. Von liberaler Seite werden dann eher therapeutische Perspektiven einer medizinischen Behandlung in den Vordergrund gerückt (CHENIER 2008), für die konservative Seite hingegen scheint primär der Kulturkampf gegenüber liberalen Positionen im Vordergrund zu stehen (HACKING 1999). [5]

Im Gegensatz zu dem Zeitpunkt, als Michel FOUCAULT seinen ersten Band zu "Sexualität und Wahrheit" (2019 [1976]) veröffentlichte, lassen sich pädosexuelle Handlungen heutzutage auch in emanzipatorischen Milieus nicht mehr ohne Weiteres als harmlose Alltagsereignisse betrachten. Mittlerweile lässt sich nicht darüber hinwegsehen, dass neben den Machtasymmetrien allein schon die Tatsache problematisch ist, dass Kinder von den die Beziehung suchenden Erwachsenen über die Motive der Kontaktaufnahme getäuscht werden und es allein hierdurch zu unheilvollen Verwicklungen kommen kann (vgl. ALCOFF 1996 aus kritisch-feministischer Perspektive im Anschluss an FOUCAULT). Die Problematik sexueller Handlungen mit schutzanvertrauten Personen kann nicht einfach mit dem Hinweis zurückgewiesen werden, dass die Unterdrückung von Sexualität mehr traumatisieren würde als einvernehmliche erotische Beziehungen zwischen Kindern und Erwachsenen.3) Ebenso wäre es unredlich, psychiatrische Psychopathologie und die hiermit einhergehende Diagnostik allein als soziale Konstruktionen bzw. als Spielball unterschiedlicher Diskursformationen aufzufassen. So ist es mit Blick auf die Risiko- und Gefahreneinschätzung durchaus hilfreich zu unterscheiden zwischen intelligenzgeminderten Menschen, die sich zu Kindern hingezogen fühlen, dissozialen Akteur/innen, die es (aus welchen Gründen auch immer) genießen, sexuell über andere (darunter auch Kinder) Macht auszuüben, und "gewöhnlichen" Pädophilen, die sich vom kindlichen Körperschema angezogen fühlen. [6]

Unter Letzteren gibt es viele Menschen4), die selbst darüber erschrocken sind, dass sie sich von Kindern mehr angezogen fühlen, "als ihnen lieb ist"5) und entsprechend alles versuchen, um sexuelle Handlungen oder Beziehungen zu Minderjährigen zu vermeiden. Einige ziehen sich vollkommen in ihre Fantasiewelt zurück, andere suchen Kontakte zu (fremden) Kindern, sodass zufälligerweise Nähe entsteht, ohne damit jedoch die Grenze zu expliziten sexuellen Handlungen zu überschreiten. Sie versuchen auf diese Weise mit einer sexuellen Orientierung umzugehen, die "strukturell bis in ihre Identität hinein[reicht]" (SCHMIDT 2011, S.60), jedoch gesellschaftlich nicht tolerier- und lebbar ist. Wenn es Pädophilen nicht gelingt, ihr "Selbst- und Weltverhältnis" (MAROTZKI 1990, S.41) in einer Weise zu entkoppeln, dass sie nicht "auffällig" werden, beginnen unweigerlich strafrechtliche oder psychiatrische Regime zu greifen, die sie nicht wollen können, da sie ihrer Identität allein schon deshalb zuwiderlaufen, weil sie explizit werden lassen, was auch für sie nicht explizit werden darf: dass sie nämlich mit ihrem Begehren in der Gesellschaft gescheitert sind und ein für sie befriedigender Ausweg nicht möglich ist (vgl. auch LIPP 2014). [7]

3. Die empirische Studie und der methodologische Zugang

Genau hier setzt die Fragestellung nach der Wirkmächtigkeit therapeutischer Arrangements bei der Behandlung pädophiler Männer in einem psychiatrischen Zwangskontext an. Dieser Artikel ist Teil der Studie "(Re-)Sozialisierung im Maßregelvollzug – im Spannungsfeld von Individuum, Organisation und Gesellschaft". Zielsetzung ist die empirische Untersuchung von forensisch-psychiatrischer Wiedereingliederung (nach §63 Strafgesetzbuch [StGB]) als organisierter bzw. zu organisierender Prozess. Dabei sollen nicht allein die Beiträge der einzelnen Berufsgruppen betrachtet werden, sondern gerade deren Zusammenarbeit in der Praxis vor dem Hintergrund der organisationalen Bedingungen. Um im Rahmen einer solchen rekonstruktiven Organisationsforschung (VOGD 2009) klinikspezifischen Unterschieden Rechnung tragen zu können, wurde die Erhebung in sechs Kliniken in vier Bundesländern6) durchgeführt. Mittels teilnehmender Beobachtungen (VOGD 2005) (in der Regel 10-14 Tage pro Klinik) haben wir den Alltag auf Station begleitet, an Visiten teilgenommen, therapeutische Sitzungen besucht, Stationsübergaben verfolgt und eine Vielzahl informeller Gespräche mit Personal und Patient/innen geführt und dokumentiert. Darüber hinaus haben wir leitfadengestützte Expert/inneninterviews (MEUSER & NAGEL 1991) mit Angehörigen der beteiligten Berufsgruppen der jeweiligen Kliniken sowie den dort Untergebrachten geführt (in der Regel 18-20 Interviews pro Klinik). In der Auswahl der zu untersuchenden Stationen sowie die der Interviewpartner/innen folgten wir dem Vorgehen des Theoretical Samplings (DIMBATH, ERNST-HEIDENREICH & ROCHE 2018). Eine zentrale Rolle spielte hierbei die Verschränkung der unterschiedlichen Perspektiven. Wenn beispielsweise bestimmte Patient/innen in Stationsübergaben oder Teambesprechungen besonders problematisiert wurden, haben wir versucht, gerade diese zu interviewen, sofern es aus forschungsethischen Gründen möglich war. Umgekehrt haben sich auch Patient/innen aktiv für ein Interview gemeldet. In diesen Fällen bemühten wir uns, mit möglichst vielen Mitgliedern des Personals zu sprechen, die mit diesen Patient/innen zusammenarbeiteten. Durch den auf diese Weise entstandenen Datensatz können wir in Bezug auf bestimmte Patient/innenfälle das Arrangement der spezifischen Verschränkung unterschiedlicher Perspektiven rekonstruieren.7) [8]

An die Methodologie einer rekonstruktiven Untersuchung, mit der zu den hier genannten Fragen gegenstandstheoretische Einsichten gewonnen werden sollten, waren bestimmte Anforderungen zu stellen. So wurde eine gewisse Sensitivität im Hinblick auf die in den beobachteten Praxen verkörperten Selbst- und Weltverhältnisse verlangt. Zudem sollten aber auch die institutionellen Bedingungen mit in den Blick genommen werden. In diesem Sinne erschien für uns ein praxeologischer Zugang sinnvoll, der bezüglich der spezifischen Anforderungen des Gegenstandes zu erweitern bzw. anzupassen ist. Der methodologische Ausgangspunkt war für uns der qualitativ-rekonstruktive Zugang der dokumentarischen Methode (BOHNSACK 2008), spezifiziert für die Organisationsforschung (AMLING & VOGD 2017) und erweitert durch die Kontexturanalyse (JANSEN, FEIßT & VOGD 2020; VOGD & HARTH 2019). [9]

Die Grundidee der Kontexturanalyse besteht darin, im Anschluss an Gotthard GÜNTHERs Theorie der Polykontexturalität (1978)8) Mehrdeutigkeit und Widersprüchlichkeit von Texten methodologisch kontrolliert aufzuschließen, indem propositionale Gehalte eruiert und systematisch zueinander in Beziehung gesetzt werden. Eine Kontextur entspricht dabei einem logischen Raum, innerhalb dessen im Sinne von WITTGENSTEIN (1963 [1922]) etwas der Fall ist oder nicht. In der Anwendung der Kontexturanalyse wird an diesen Gedanken angeschlossen und Wirklichkeit als polykontexturaler Verweisungszusammenhang rekonstruiert, dem entsprechend das, was an unterschiedlichen Orten der Fall ist, in einem komplexen Gewebe – einer Verbundkontextur – miteinander verknüpft ist und jeweils ein spezifisches Arrangement bildet. [10]

Wir illustrieren dies mit Blick auf den in diesem Beitrag thematisierten Untersuchungsgegenstand: Es mag beispielsweise der Fall sein, dass ein älterer Mann ein junges Mädchen attraktiv findet, sich diesem zuwendet, hieran aber nichts Besonderes oder Verwerfliches sieht, sondern für ihn eben nur zum Ausdruck kommt, dass er sich zu ihr hingezogen fühlt. Für Beobachter/innen mag sich dies anders darstellen: Für sie ist der Fall, dass etwas moralisch Verwerfliches geschehen ist. Wenn es im Anschluss daran zu einer Strafanzeige kommt, geht es im Kontext des Rechts jedoch nicht um moralische Bewertungen, sondern um die Frage, ob das Verhalten entsprechend der Gesetzeslage als rechtmäßig oder unrechtmäßig zu behandeln und die betreffende Person entsprechend als schuldig oder unschuldig zu betrachten sei. Psychiater/innen wiederum mögen feststellen, dass dieser Mann psychisch krank ist. Richter/innen können dies aufgreifen und ihn als unzurechnungsfähig und damit unschuldig erklären und in eine forensische Psychiatrie einweisen. Der betroffene Mann wiederum kann für sich und gegenüber den Therapeut/innen all die hiermit einhergehenden Festlegungen zurückweisen und betonen, dass er normal sei und nichts Verwerfliches getan habe. Wir finden somit eine Reihe lokaler Ontologien vor und damit verbunden jeweils einen spezifischen logischen Raum, in dem etwas der Fall ist oder nicht (Liebe, Moral, Recht, Krankheit). Mit dem Wechsel von der einen zur jeweils anderen Position steht nicht nur der jeweilige Wert zur Disposition (moralisch verwerflich oder nicht, krank oder gesund etc.), sondern der logische Raum der anderen Position selbst wird rejiziert. Die Frage, um was es jeweils geht, steht selbst zur Disposition. Die moderne Gesellschaft zeichnet sich durch die Kopräsenz unterschiedlicher, untereinander logisch inkommensurabler Räume aus, die gleichzeitig bestehen und in denen ihrerseits reflexiv aufeinander Bezug genommen wird. Genau dies meinte LUHMANN (1997, S.891f.) mit einer polykontexturalen Gesellschaft. Folglich kann jedoch auch das Selbst eines Menschen nicht mehr als eine Einheit gesehen werden, sondern ist seinerseits als polykontextural konfiguriert zu betrachten. [11]

In diesem Sinne sprach auch MAROTZKI (1990) – ebenfalls in Referenz auf GÜNTHERs Theorie der Polykontexturalität – von "Selbst- und Weltverhältnissen" (S.41, unsere Herv.), um den relationalen Charakter der Prozesse der Subjektbildung zu betonen. Dies steht ebenfalls in Einklang mit der Position einer leiborientierten Phänomenologie, bei der nicht nur pointiert wird, dass Menschen allein schon in der Beziehung von "Leib-sein" und "Körper-haben" ein Verhältnis haben, sondern sich in der Interaktion mit einem anderen Menschen unweigerlich zu einem System mit "vier Glieder[n]" koppeln, deren Bestandteile sich wechselseitig hervorbringen und konditionieren: als "mein Sein-für-mich, mein Sein-für-Andere, das Für-sich des Anderen und sein Sein-für-mich" (MERLEAU-PONTY 2004 [1986], S.111).9) In unserem Fall wird dann beispielsweise ein Patient, der seine pädophilen Neigungen als ich-synton erlebt (Sein-für-mich), unweigerlich damit konfrontiert, dass der Psychotherapeut ihn anders sieht (Sein-für-andere) und diese Diskrepanz für ihn zudem mit einem Weltverhältnis einhergeht, dass die Ärzt/innen und Therapeut/innen ihn nicht so schnell aus der forensischen Klinik entlassen. Da in diesen Kontexten zudem sprachlich kommuniziert wird, erfährt er die resultierenden Perspektivierungen zugleich in seinem In-der-Sprache-Sein. Der Patient mag die Zurechnung einer Erkrankung oder Abnormalität annehmen oder abstreiten oder etwas Anderes tun. Er wird dabei jedoch kaum umhinkommen, sich hierzu ins Verhältnis zu setzen, um auf diese Weise in der einen oder anderen Form sein aktuelles Selbstverhältnis aufzubauen. Auch wenn er die hiermit einhergehenden Zumutungen empört zurückweist, muss er sich sowohl im Hinblick auf die proponierte Kontextur (es geht um Krankheit und damit um Therapie) als auch zu dem zugewiesenen Wert (er ist krank) in Beziehung setzen. Oder um es in allgemeinerer Form mit LUHMANN zu formulieren: Das "Selbst" seiner "Selbstbeschreibung" kann nur in einer "polykontexturalen Beschreibung" zur "Einheit", "nur in der Form der Beobachtung zweiter Ordnung zum Ausdruck kommen – eben dadurch, daß jeder Beschreiber in seine Beschreibung einbezieht, daß andere Beschreiber anders beschreiben" (1997, S.1141). [12]

An dieser Stelle zeigen sich gewisse Ähnlichkeiten zur Form der Subjektivierungsprozesse, wie sie FOUCAULT (2019 [1976]) gefasst hat. Zentral ist auch hier, dass das Subjekt keine Entität an sich darstellt, sondern sich nur dadurch konstituieren kann, indem sich Wahrnehmungsperspektiven und Machtverhältnisse kreuzen und dabei – gleichsam als eine Art Abstoßseffekt der damit verbundenen Beobachtungsverhältnisse – auch Subjektivität entsteht (etwa durch das Arrangement des Panoptikums, das Gefangene dazu bringt, sich selbst unter den Augen des Überwachsungsregimes wahrzunehmen, s. etwa FOUCAULT 1976 [1975], 251ff.). Auch für FOUCAULT verschob sich der Fokus weg von der Idee, dass auf der einen Seite das unterdrückte Subjekt steht und auf der anderen Seite die Mechanismen der Unterdrückung. In den Blick rückten vielmehr die Eigendynamiken von Diskursen und Dispositiven. Oder in unseren Begriffen ausgedrückt: In den Blick rückt das Arrangement unterschiedlicher Kontexturen, die sich dann auch im Aufbau eines jeweils spezifischen Selbst- und Weltverhältnisses ausdrücken können. [13]

Im Hinblick auf die Frage nach einer rekonstruktiven Methodologie, welche für polykontexturale Konstellationen sensibel ist und mittels derer sich die damit verbundenen Relationen und Relationierungen aufschließen lassen, haben sich insbesondere zwei Zugänge bewährt. Bei dem einen werden in Beziehung zu BACHTINs (1971 [1929]) Arbeiten zur Polyphonie linguistische Zugänge aufgegriffen, die erlauben, die Mehrdeutigkeit und Mehrstimmigkeit in Texten zu untersuchen, indem das sich hierin ausdrückende Gewebe aus Positionen, Referenzen und Bezugnahmen aufgeklärt wird (VOGD & HARTH 2019).10) Der andere Zugang, der hier vorrangig Anwendung findet, besteht in Anschluss an WITTGENSTEIN (1963 [1922]) darin, Gesprächsprotokolle, Interviewausschnitte oder anderes Material aussagenlogisch in einer "logischen Kondensation" zu verdichten (JANSEN et al. 2020), um auf diese Weise logische Brüche und Dissonanzen aufzuzeigen und ex negativo Polykontexturalität sichtbar zu machen. Die logische Kondensation als Technik der Interpretation bietet so eine Grundlage für ein konsequent polykontexturales Textverständnis, bei dem auf eine primordiale Subjektposition verzichtet und stattdessen die Dynamik des Beziehungsgewebes in den Blick gerückt wird, in dem dann situativ auch entsprechende Positionen und Subjektrollen auftreten. Auch das Selbst erscheint damit nicht mehr als eine Einheit, die einer Umwelt gegenübersteht, sondern erschließt sich seinerseits nur als ein Verhältnis von Stimmen und Positionen, die sich wechselseitig hervorbringen. [14]

In der konkreten Umsetzung bedeutet das, dass wir das Textmaterial, auf das wir uns in diesem Artikel beziehen, zunächst einer formulierenden Interpretation unterzogen haben (BOHNSACK 2008, S.135f.). Mithilfe der logischen Kondensation (JANSEN et al. 2020) fand im zweiten Schritt die "aussagenlogische Verdichtung" statt, um die "Sinnigkeit und Widersinnigkeit einzelner Aussagen" herauszuarbeiten (§46). Entsprechend werden die im weiteren Verlauf dieses Beitrags vorzustellenden Interviewausschnitte und Beobachtungsprotokolle in der logischen Kondensation in folgender Weise zusammengefasst:

"[S]ynonym verwendete Begriffe [werden] zu einem Begriff zusammengezogen. Äquivalente Aussagen, Wiederholungen und Reformulierungen werden zu einem Satz kondensiert. Auch gilt es, Attribute und Adverbien aus der jeweiligen Struktur zu trennen, in eigene Aussagen zu transferieren und die Prämissen der jeweiligen Aussagen deutlich zu machen. Dies dient insbesondere dazu, explizit genannte Reflexionspositionen hervorzuheben und deutlich zu machen, wo diese wechseln" (§50). [15]

Anschließend stellen wir jeweils die reflektierende Interpretation explizit dar, mit der das Arrangement der unterschiedlichen Kontexturen bzw. deren reflexiven Bezugnahmen (Verbundkontexturen) rekonstruiert werden, die dann auch das Selbst- und Weltverhältnis des Patienten prägen. Insbesondere in Abschnitt 5.1 wird es darum gehen, noch einmal zusammenfassend die Rekonstruktion der "hiermit einhergehenden Arrangements – BATESON (1981 [1972]) würde von Ökologie sprechen" (JANSEN et al. 2020, §46) darzustellen. Mit der Kontexturanalyse zielen wir somit darauf ab, Polykontexturalität und Polyphonie sichtbar zu machen – und zwar in einer Weise, bei der nicht nur verschiedene Sprachspiele aufgezeigt werden (bzw. mit FOUCAULT (2019 [1976]) gesprochen; verschiedene Diskurse, die parallel ablaufen), sondern auch deutlich wird, wie diese aufeinander Bezug nehmen und sich in konditionierter Koproduktion in spezifischer Weise hervorbringen.11) [16]

4. Der Fall: Herr Volkert, ein Pädophiler, der keiner sein möchte

4.1 Begründung der Fallauswahl

In Bezug auf die Kriterien für die Auswahl des hier vorgestellten Fallbeispiels wollen wir nochmals die leitende Fragestellung dieser Untersuchung vergegenwärtigen: Wie wirkmächtig sind therapeutische Arrangements bei der Behandlung pädophiler Männer in einem psychiatrischen Zwangskontext? Dabei ist zu bedenken, dass es zwar elaborierte medizinische wie rechtliche Perspektiven und Handlungsprimate zu pädosexuellem Verhalten gibt, dies aber nicht bedeutet, dass jeder Mann, der sich von kindlichen Körpern angezogen fühlt, maßgeblich durch das Recht und die Medizin formatiert, also unfreiwilliger Weise einem therapeutischen Setting ausgesetzt wird. Viele bleiben über Jahrzehnte im Dunkelfeld strafrechtlich zwar relevanter, jedoch unentdeckt gebliebener pädosexueller Praxen. Andere haben zwar ihre in der Regel verborgen bleibenden, Fantasien, agieren diese jedoch nicht aus (BEIER, AMELUNG, GRUNDMANN & KUHLE 2015). Manche kommen zwar mit dem Gesetz in Konflikt und müssen strafrechtliche Konsequenzen tragen, ohne jedoch ein psychiatrisches Behandlungsregime zu durchlaufen (DÖLLING & LAUE 2009, S.402ff.). [17]

Nur wer eine Straftat (wie in unserem Falle: ein pädosexuelles Vergehen) begeht, zum Tatzeitpunkt jedoch aufgrund "einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln" (§20 StGB), also nicht im vollen Besitz seiner/ihrer Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit ist, kann in ein geschlossenes psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen werden, wenn zudem anzunehmen ist, dass er/sie weiterhin "für die Allgemeinheit gefährlich ist" (§63 StGB). Abweichendes Sexualverhalten, so auch pädosexuelles Handeln, ist also auch in der Rechtsprechung nicht per se als Persönlichkeitsstörung und somit als "schwere […] seelische Störung" (§20 StGB) anzusehen. Es komme vielmehr darauf an, "ob die sexuellen Neigungen die Persönlichkeit des Täters so verändert haben, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufzubringen vermag"12). Erst durch dieses Absprechen der "Kontrolle des Selbst durch das Selbst" (FEIßT 2017, S.142) wird die betreffende Person "zu einem reinen Gegenstand der Medizin und des Wissens" (FOUCAULT 2019 [1976], S.37) gemacht. [18]

Patient/innen im Maßregelvollzug (§63 StGB), deren Unterbringung im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch von Kindern steht, machen im Schnitt insgesamt nur 12,3% der Klinikpopulation aus.13) Die Gründe, Deliktverläufe, Deliktschwere und sozialen Situationen sind dabei sehr verschieden (DÖLLING & LAUE 2009, S.402ff.), genauso wie die hiermit in Zusammenhang stehenden Konstellationen innerhalb des institutionellen Kontextes. Auch im Rahmen unserer Studie sind wir auf unterschiedlich gelagerte Fälle gestoßen. In einigen sind die therapeutisch-diskursiven Aushandlungen von Positionen und Stimmen sowie die Relationierung der hiermit einhergehenden Kontexturen eher in den Hintergrund getreten. Dies war etwa in folgenden Konstellationen der Fall:

In anderen Fällen vermochten es die Patienten, die Eigenlogiken von rechtlichen oder medizinischen Rationalitäten in der Schwebe zu halten bzw. situativ wieder zurückzuweisen. Aus theoretisch-methodologischer Sicht sind für uns gerade diese Fälle interessant, die ambivalent bleiben und bei denen noch nicht entschieden ist, in welche Richtung sich der Behandlungsprozess entwickelt. Gerade hier kommt das komplexe Gewebe des polykontexturalen Arrangements besonders zum Ausdruck. Für die Erhellung der im Rahmen dieses Beitrages verhandelten Fragestellung eignen sich zudem besonders Beispiele, die an der Grenze zwischen "Normalität" und "Auffälligkeit" liegen und bei denen die Patient/innen die Zuschreibung einer psychischen Erkrankung nicht annehmen wollen. [20]

Paradigmatisch hierfür ist der Fall von Herrn Volkert. Herr Volkert war zweimal verheiratet, ist Vater von drei Kindern und war bis zu seiner Inhaftierung berufstätig.15) Er war Mitglied einer Volkspartei und engagierte sich darüber hinaus ehrenamtlich im lokalen Sportverein, dabei insbesondere im Kinder- und Jugendbereich. Herr Volkert kam zum ersten Mal mit 48 Jahren – also relativ spät – wegen pädophiler Delikte in Untersuchungshaft und wurde anschließend qua richterlichem Beschluss in eine forensische Klinik eingewiesen, in der er zum Zeitpunkt unseres Interviews – knapp sechs Jahre später – immer noch sein Leben im Freiheitsentzug verbrachte. [21]

Der Fall Volkert zeichnet sich nicht durch eine besondere Deliktschwere aus, sondern gerade dadurch, dass sich seine (häufigen) Handlungen immer um die Grenze des gesellschaftlich Akzeptierten bewegten. Die aktenkundig dokumentierten pädophilen Überschreitungen bestanden darin, dass er etwa beim Schwimmen oder Toben Situationen suchte, in denen Nähe zu Kindern entstand, wodurch auch "zufällige" Berührungen des Intimbereichs des kindlichen Körpers möglich wurden. Interessanterweise hatte der Anwalt des Patienten einen Antrag auf Revision gestellt, dem stattgegeben wurde, da die Qualität der Zeug/innenaussagen noch keine Verurteilung rechtfertigen würden. In der Wiederaufnahme des Verfahrens tauchten als weitere Beweismittel tagebuchähnliche Erzählungen auf, in denen Herr Volkert sexuelle Fantasien zu einzelnen von ihm betreuten Mädchen ausführlich ausarbeitete. Wenngleich durch Wahl der Orte und Zeiten deutlich erkennbar war, dass es sich um Fiktionen handelte, wurde damit jedoch die pädophile Neigung unwiderruflich offenbar. Zwar rechtfertigt allein die Anfertigung solcher Texte noch keine Einweisung in den Maßregelvollzug. Im Rahmen der "Gesamtwürdigung des Täters" (§63 StGB) kam der Richter im erneuten Verfahren jedoch zu dem abschließenden Urteil, dass Herr Volkert in einer psychiatrischen Klinik untergebracht werden sollte. [22]

4.2 Normaler Pädophiler oder kranker Pädophiler?

Der betreuende Oberarzt in dieser Klinik beschrieb Herrn Volkert im Interview als "Pädophilen", der "recht klassisch" und wie die meisten "normalen Pädophilen eigentlich nicht krank genug" sei, "um in den Maßregelvollzug zu kommen." Üblicherweise würden diese für "schuldfähig" erklärt und im Falle offenkundiger Vergehen in einer Justizvollzugsanstalt untergebracht, um dort auch sexualpädagogisch behandelt zu werden. Im Sinne der eher geringen Deliktschwere hätten Menschen wie Herr Volkert nach vielleicht einem halben oder maximal zwei Jahren ihre Schuld abgebüßt (vgl. auch DÖLLING & LAUE 2009, S.403ff.), würden dann jedoch erneut inhaftiert, falls neue Delikte offenkundig würden. Bereits hier wird deutlich, dass der Oberarzt seinerseits ein Gewebe recht unterschiedlicher Referenzen aufrief (rechtliche und medizinische sowie Normalitätserwartungen und die hiermit einhergehenden Typisierungen). [23]

Herr Volkert wurde durch den psychiatrischen Gutachter tatsächlich zunächst als "normaler Pädophiler" eingeschätzt und für schuldfähig befunden; später revidierte er diese Einschätzung jedoch. Anlass waren nach Vermutung des Oberarztes zum einen die angefertigten Schriftstücke ("wirklich ellenlange Ausführungen, die im Prinzip so erotisierte Darlegungen über weibliche Genitalien sind" und dazu "irgendwelche Schwärmereien über dieses besagte Mädchen"). Zum anderen erschien dem begutachtenden Psychiater auffällig, dass der Patient keinerlei Problemeinsicht zeigte, da er "als die Verhandlung noch im Gange war, [...] tatsächlich noch auf Ferienlager, Kinderferienlager, gefahren ist"). Gerade dass er "die Dreistigkeit besessen" habe, sich "so unbeeindruckt zu zeigen", wurde dann als entscheidendes Indiz für das, die Schuldfähigkeit einschränkende, Eingangsmerkmal der "schweren anderen seelischen Störung" (§21StGB) genommen. Es sei diese performativ gezeigte "Dreistigkeit", die im Rahmen der "Gesamtwürdigung" (§63 StGB) nicht mehr anders denn als krank gedeutet werden könne und das Arrangement des "normalen Pädophilen" hin zum "kranken Pädophilen" habe kippen lassen. Herr Volkert habe sich somit für den Maßregelvollzug "qualifiziert", wenngleich eigentlich "keine so schweren Taten" vorgelegen hätten – eine minimale Verschiebung der Gewichtung zog eine große institutionelle Wirkung nach sich. [24]

Es sind hier zusammengefasst drei unterschiedliche Arrangements zu sehen, die sehr dicht nebeneinanderliegen. Arrangement 1 entspricht den pädophilen Sexualpräferenzen ohne deren auffälliges Ausagieren. Es kommt möglicherweise zu Anzeigen, die Verfahren werden aber aufgrund der geringen Deliktschwere wieder eingestellt. Die Kontextur "Recht" wird bereits relevant, es kommt aber zu keiner Verurteilung und das "normale" Leben kann weitergehen. So erging es Herrn Volkert bis zum 48. Lebensjahr. Arrangement 2 entspricht den "normalen Pädophilen", die schuldfähig sind und zu einer begrenzten Freiheitsstrafe verurteilt werden. Fast hätte sich dieses Arrangement eingestellt. In Arrangement 3 tritt die "Medizin" als Kontextur hinzu. "Normale" "klassische Pädophile" sind nun "krank genug", um medizinisch-psychiatrisch prozessiert zu werden. In diesem Arrangement befand sich Herr Volkert zum Zeitpunkt des Interviews seit mittlerweile sechs Jahren. [25]

Beginnen wir die Rekonstruktion mit einem Gesprächsausschnitt aus dem Interview mit dem Patienten. Er bezog sich hier auf die pubertierende Tochter, die seine erste Frau mit in die Ehe brachte. Deutlich wird an dieser Stelle die Schwierigkeit, "die Grenze zu halten":

"Herr Volkert: Nichts dergleichen wurde durchgezogen, ich merke bloß, dass meine Fantasien mit mir schon durchgingen, mit dem Mädchen gerne mal alleine sein zu wollen oder vielleicht ja ihr Lehrer sein zu wollen. [...] Und [es] wurde mir bewusst, wie gesagt, wie mich das anzieht, aber ich würde nach wie vor sagen, dass ich von der Klugheit her, vielleicht würde ich sagen, von der Klugheit her, diesen Schritt nicht hätte gehen können. [...]

Interviewer: Also so, da würden Sie sagen: 'Ah ja, so einer bin ich, ich habe immer bis jetzt die Grenze gehalten.' Also ich weiß, ich weiß, da ist die Grenze und ich weiß/16)

Herr Volkert: Richtig.

Interviewer: Ich weiß, dass ich das nicht überschreiten sollte, aber Sie haben genau die/

Herr Volkert: Ich würde es auch nicht tun wollen.

Interviewer: Genau, aber/

Herr Volkert: Niemals wollen, also mit dem Wollen [...] Hätte ich immer noch Angst, dass ich plötzlich mal darauf anspringe. Weil, ich kann es Ihnen nur so sagen. [...] Ich kann Ihnen eins sagen, ich kann es nicht verstehen, wie ein erwachsener Mann, der diese Freude und dieses tolle Empfinden über die Weiblichkeit, wie ich sie ja habe, zu einer Erektion kommt nur durch Zusammensein mit Kindern. Das ist mir nicht passiert und das, weiß nicht, ob ich so willenssteuernd bin, also so weit ging das nicht. Ließ ich mir selber vielleicht den Genuss dieser Eindrücke nicht zu. Also ich verharrte nicht drauf, sondern ich dachte dann: 'Oh, jetzt wird es eng'" (#00:22:37#).17) [26]

4.2.1 Logische Kondensation

Es wir nichts [mit den Kindern] durchgezogen.

Ich habe Fantasien, mit dem Mädchen allein sein zu wollen, ihr Lehrer sein zu wollen.

Meine Fantasien gehen mit mir durch.

Ich bin mir bewusst, dass es mich anzieht.

Ich sage und ich sage nicht, dass ich von der Klugheit her den Schritt gehe.

Ich weiß, dass es eine Grenze gibt.

Ich will die Grenze überschreiten und will nicht die Grenze überschreiten.

Ich will es nicht wollen.

Ich habe Angst, dass ich auf die Fantasien anspringe.

Ich kann nicht verstehen, dass ein erwachsener Mann, der Freude über die Weiblichkeit von Kindern empfindet, eine Erektion bekommt.

Das ist mir nicht passiert.

Möglicherweise ist es mir nicht passiert, weil ich so willenssteuernd bin.

Ich habe und habe nicht den Genuss der Eindrücke.

Möglicherweise ist es mir nicht passiert, weil ich den Genuss der Eindrücke nicht zulasse.

Ich verharre nicht auf dem Genuss der Eindrücke.

Wenn ich den Genuss der Eindrücke habe, merke ich, dass es eng wird. [27]

4.2.2 Reflektierende Interpretation

Die logische Kondensation macht insbesondere das Wechselspiel von drei Positionen sichtbar:

Die aktenkundige und von ihm dargestellte Handlungsrealität (bis dahin wurde Herr Volkert für keine aktiven sexuellen Handlungen an Kindern schuldig gesprochen) steht im Spannungsfeld zur Realität expliziter Fantasien, die durch eine dritte Instanz geregelt wird. Hierdurch entsteht eine prekäre Balance, in der sich das Ich als "Kapitän seiner Seele" (BATESON 1985 [1972], S.404) darstellt,18) das ein Grenzmanagement zu leisten hat. Auf Handlungsebene bleibt Herr Volkert im wahrsten Sinne grenzwertig, die Fantasien bewegen sich aber deutlich jenseits dieser Grenze. Er fühlt sich von den Fantasien angezogen, ohne den Schritt zu gehen, diese umzusetzen. Er bewegt sich zugleich diesseits und jenseits der Grenze. Der pädophile Akt ist damit ständig im Möglichkeitsraum präsent, erhält dort eine eigene Realität, wird dabei jedoch zugleich negiert, sodass er doch im Kontrafaktischen verbleibt. Die Fantasie tritt hiermit imaginär in die Realität ein, um dort wirkmächtig (als ein erregendes Imaginativ) und nicht wirkmächtig (etwa als konkreter Handlungsvollzug) zu werden. [29]

Bereits in dieser Sequenz zeigt sich ein recht komplexes Selbst- und Weltverhältnis. Herr Volkert fühlt sich durch weiblich-kindliche Körper angezogen und entwickelt Fantasien, die nicht mehr der willentlichen Steuerung unterliegen ("mit mir durchgingen"). Gleichzeitig hat er die gesellschaftlichen Normen so weit verinnerlicht, dass es nicht zur Umsetzung dieser Fantasien kommt. Zwar gibt er an, nicht einmal bewusst nachempfinden zu können, wie ein erwachsener Mann in Anwesenheit von Kindern eine Erektion bekommen könne, weiß aber zugleich, dass ihm dies ebenfalls passieren könnte. Denn er kennt sehr wohl Situationen, in denen es "eng" wird. Er kann damit die sexuelle Grenzüberschreitung zugleich verstehen wie auch nicht verstehen. [30]

In seiner Selbstreflexion kann er diesen Widerspruch nur durch den Verweis auf die internalisierte Selbstkontrolle ("willenssteuernd") auflösen: Er könne den unmittelbaren sexuellen "Genuss" der "Eindrücke" nicht zulassen, und genau deshalb würde ihm nichts Problematisches passieren. Sein Wollen ist im Sinne einer paradoxen Struktur einerseits aktiv auf verbotenes Begehren hin ausgerichtet, anderseits auf die Negation desselben ("nicht tun wollen"). Herr Volkert ist in dem Sinne normal, dass er – wie die meisten anderen Menschen – sich bürgerlichen Normerwartungen anzupassen versucht, was vor allem heißt, das Selbst unter Kontrolle zu haben. Er ist aber insofern nicht normal, als er ein Begehren hat, das er nicht haben darf. Dieses Begehren hat er zwar unter Kontrolle. Diese Kontrolle hat er aber nicht unter Kontrolle. Er ist sich nicht sicher, dass es nicht doch irgendwann durchbricht. [31]

Bis zum 48. Lebensjahr konnte Herr Volkert trotz seiner pädophilen Neigung auf diese Weise ein weitgehend normales Leben führen.19) Die Handlungsebene blieb so lange juristisch nicht belangbar, bis das Tagebuch mit seinen ausgearbeiteten Fantasien als Dokument seiner imaginären Realität ins Spiel kam. Der Möglichkeitsraum der Fantasie eröffnete sich nun auch den Gutachter/innen als Möglichkeitsraum zukünftigen problematischen Handelns. Als Patient in der forensischen Psychiatrie ist er nun jedoch unweigerlich einem medizinischen Regime ausgeliefert. Genau dies macht den Fall für uns so interessant, denn wir können an ihm untersuchen, welchen Unterschied die von FOUCAULT eingangs proklamierte medizinische Wissenskonfiguration in ihrer konkreten Anwendung macht. Beschreiben wir deshalb einige Stationen seiner "Patientenkarriere" (GOFFMAN 1973 [1961], S.125). [32]

4.3 Die psychiatrische Einweisung als Erleichterung: Subjektivierung durch Sprechen und Gehörtwerden

Den Wechsel vom Siegburger Gefängnis20) in den Maßregelvollzug beschrieb Herr Volkert zunächst als eine "Riesenerleichterung". Der Maßregelvollzug bot ihm nicht nur wesentlich mehr Freiheitsgrade, vor allem hatte er "das Gefühl", gerade unter "den Offiziellen" nun "Gesprächspartner" auf seiner "Augenhöhe" zu finden. Geradezu enthusiastisch beschrieb er das Gespräch mit dem Chefarzt an seinem ersten Tag:

"Herr Volkert: Ich hätte sprudeln wollen ihm gegenüber und das habe ich wahrscheinlich getan" (#00:41:53#). [33]

4.3.1 Logische Kondensation

Ich will sprudeln und will nicht sprudeln

Ich sprudele und sprudele nicht [34]

4.3.2 Reflektierende Interpretation

Die Metapher des Sprudelns verweist auf ein ungehemmtes Erzählen und damit auch darauf, im Hinblick auf die Inhalte die Kontrolle über die Selbstoffenbarung aufzugeben. So wie die Fantasien "mit ihm durchgehen", er sich aber zurückhalten muss, kann er sich hier (nun endlich) dem Gesprächsfluss hingeben. Es ist in gewisser Weise der Modus, den er sich mit Bezug auf die Auslebung seiner Fantasien ein Leben lang versagen musste – mit Ausnahme seiner Tagebücher. Die Mischung aus einer in den Konjunktiv gesetzten Willensbekundung ("hätte ... wollen") und der probabilistisch eingeschränkten Indikativaussage ("wahrscheinlich getan") kann hier als ein Vertrauen gegenüber dem Chefarzt interpretiert werden, das im Nachhinein nicht mehr probat erscheint und deshalb eingeklammert wird. Die Ambivalenz wird in der logischen Kondensation zur Paradoxie. Wir schlagen vor, diese als Spannungsfeld divergierender Zeithorizonte zu interpretieren. Dem Sachverhalt kommt in den damit verbundenen jeweiligen Kontexten eine andere Bedeutung zu. Herr Volkert weiß mittlerweile, dass das Sprudeln im Kontext der Psychiatrie nicht folgenlos bleibt. Die "Gesprächspartner" auf "Augenhöhe" haben psychiatrische Ohren. [35]

Dennoch kann das pädophile Begehren, dessen Unterdrückung und die hiermit einhergehende paradoxe Identität nun artikuliert werden. Damit scheint er endlich auch mit Blick auf sein Begehren ein normaler Mensch zu werden, der im Miteinandersprechen einer respektvollen Interaktion Anerkennung gewinnt und in all seinen Aspekten gesehen werden kann. Wie sich mit Blick auf das Interview andeutet, scheint ihm zumindest zu diesem Zeitpunkt noch nicht gewahr, dass diese Normalität lediglich im Kontext der Psychiatrie Gültigkeit besitzt und nicht jenseits der Maßregelvollzugsklinik. Er hat nicht den Ort gefunden, an dem er endlich ein normaler Mensch ist. Er hat einen Ort gefunden, an dem er ein normaler kranker Pädophiler ist, ein normaler Patient. Nur deshalb fühlt er sich vom Arzt verstanden. Im Darübersprechen macht die Klinik ihn zu einem Patienten, der behandlungsbedürftig ist und dies eben einzusehen hat. Aus Perspektive der forensischen Psychiatrie geht es um Diagnose und Therapie, also nicht um eine verstehende Subjektivierung, sondern um seine Objektivierung. [36]

Diese Divergenz der Perspektiven prägt auch den weiteren Behandlungsprozess. Herr Volkert fühlt sich zunächst verstanden und hiermit einhergehend gut aufgehoben – und eben auch nicht. Im Gespräch mit den Fachleuten ist seine Pädophilie – nun auch psychiatrisch erklärt – eine nachvollziehbare Ausdrucksform der menschlichen Sexualität. Und solange er keinem Kind etwas zuleide tue, sei ja alles in Ordnung. Für den Oberarzt wird jedoch das sich hiermit ausdrückende Selbstverständnis zu einem Problem, das die Behandlung erschwert, denn die Therapie kommt nicht voran:

"Oberarzt: Bei [Herrn Volkert] gibt es nur Erfolge. Ein Erfolg jagt den nächsten. Und, das ist sicher aber auch persönlichkeitsbedingt, also Misserfolge sind nicht vorgesehen. Und insofern auch hier in der Therapie wurde viel gelernt wohl, ja? Der kann also ganz, ganz lang alle möglichen Erkenntnisse intellektueller Art darlegen. Die helfen nur nichts. Und die sind auch keine Verhaltensänderung in irgendeiner Form, ja? Also da, weiß ich nicht, hat sich die vermeintliche Therapeutin so ein bisschen blenden lassen durch diese ganzen Darlegungen, ja. Die spielen im Endeffekt wenig eine Rolle, sondern entscheidend ist, dass er teils die Taten gar nicht so anerkennt in der Art, ja? (#00:24:12-5#) [37]

Auf der einen Seite spricht der Oberarzt von einer "intellektuellen Ebene", auf der Herr Volkert Einsicht zeigt und eigene Erfolge und Erkenntnisse darlegen kann. Diese Ebene entspricht der "Klugheit", die Herr Volkert selbst benannt hat. Die starke Ironie und die Überspitzung durch den Oberarzt ("Ein Erfolg jagt den nächsten") verweist darauf, dass Arzt und Patient hier nicht auf einer Linie liegen. Die Perspektive des Oberarztes auf Herrn Volkert deckt sich dabei durchaus mit dessen eigenen, bereits angeführten Darlegungen, durch Willenssteuerung und Klugheit stets alles unter Kontrolle zu haben. Auf der anderen Ebene steht jedoch die Ebene des Verhaltens, auf der "intellektuelle Darlegungen" keine Rolle spielen. Der Psychotherapeutin ist es aus Perspektive des Oberarztes nicht gelungen, beide Ebenen zu trennen. Diese "Blendung" der früheren Therapeutin und die geringe Deliktschwere haben zu schnellen und weitreichenden Lockerungen geführt. [38]

4.4 Der Rückfall

Im Rahmen dieser erlangten Freiheitsgrade nahm Herr Volkert werktags eine Anstellung in einem Zeitungsladen an. Er reiste darüber hinaus regelmäßig in das nahegelegene Köln, um alte Bekannte zu besuchen. Er wohnte in der Klinik, durfte diese jedoch umfangreich verlassen und begann sich mehr oder weniger häuslich in den gewonnenen Freiheitsgraden einzurichten. Er unternahm dabei jedoch keine größeren Anstrengungen, den Aufgabenstellungen der Therapeutin zu folgen – insbesondere Situationen zu vermeiden, die deliktrelevantes Verhalten auslösen könnten. So wurde die Diskrepanz zwischen Therapie im Imaginären und tatsächlicher Verhaltensänderung erneut zum Problem. Die Klinik hatte Herrn Volkert noch nicht hinreichend normalisiert, sodass er weiterhin seine Fantasien ausleben konnte, ohne dass diese aus seiner Perspektive mit ihm "durchgehen" würden. [39]

Im Sommer 2017 kam es zu einem Vorfall an einem Badesee. Herr Volkert "freundete" sich mit fremden Kindern an, spielte und tobte mit ihnen. Dies weckte den Verdacht der anderen Strandgäste, die schließlich die Polizei riefen. Letztere stellte bei der Aufnahme der Personalien fest, dass er im Maßregelvollzug wohnte. Die Klinik entzog Herrn Volkert daraufhin den unbegleiteten Ausgang und damit auch die Möglichkeit, außerhalb der Klinik einer Arbeit nachzugehen. Zudem wurde sein Fehlverhalten nun in den Gruppensitzungen und therapeutischen Einzelsitzungen zum Thema. Betrachten wir den Bericht der Stationspflegeleiterin:

"Stationspflegeleiterin: Herr Volkert ist, wie Herr Volkert ist. [...] Aber er hat nun mal diese pädophile Neigung. Das Wort, alleine dieses Wort, das bringt ihn ja schon sofort auf die Palme. Ne? Er will eigentlich normal gelten und er will doch bloß mit den Kindern, ja, gemeinsam, und die sprechen ihn ja auch an. Das verleugnet er ja auch nicht. Ne? Und seine ganze Art und Weise/ und das war ja, die letzte Rücknahme der Lockerung, dass er eben aufgefallen ist bei Passanten draußen am Badesee. Dass er mit zwei Kindern gebadet hat, rumgetollt hat. [...] Und das hatten wir auch als Thema gemacht, auch in der Großgruppe und so, dass alleine sein Verhalten ja schon andere Mitmenschen aufmerksam macht: Da kann irgendwas nicht stimmen. [...] Und das will er und das will er ja eigentlich nicht sein. Er will es nicht sein. Aber letztendlich zieht er sich ja hin zu Kindern. Ja? [...] Also wir können ihm das sowieso schlecht zurückmelden. [...] Und dann gibt es wieder Phasen, wenn er mit Herrn Martin [dem Psychologen] gesprochen hat, ja, wo das dann um Verzicht geht. Ne? Verzicht, nicht mit mir. [...] Und dann [wieder], das ist für ihn so, na, er will kein Monster sein. Er schreit dann immer, er will kein Monster sein und er hat ja nie einen hier/ die Kinder nicht vergewaltigt. Ja?" (#00:04:12-4#) [40]

4.4.1 Logische Kondensation

Herr Volkert ist, wie Herr Volkert ist.

Herr Volkert hat pädophile Neigungen.

Herr Volkert regt sich auf, wenn er pädophil genannt wird.

Herr Volkert will und will nicht als normal gelten.

Herr Volkert will und will nicht mit Kindern zusammen sein.

Kinder sprechen Herrn Volkert an.

Herr Volkert gibt das zu.

Herr Volkert hat eine eigene Art und Weise.

Herr Volkert fällt auf, wenn er mit Kindern spielt.

In der Großgruppe wird darüber gesprochen, dass sein Verhalten auffällt.

Die Mitmenschen denken, dass etwas nicht stimmt.

Er will es und will es nicht sein.

Es zieht ihn zu Kindern hin.

Wir können ihm das zurückmelden und können es nicht zurückmelden.

Der Psychologe spricht mit Herrn Volkert über Verzicht.

Verzicht will Herr Volkert nicht.

Er will kein Monster sein.

Er sagt, er ist kein Monster.

Er sagt, er vergewaltigt keine Kinder. [41]

4.4.2 Reflektierende Interpretation

Die Stationspflegeleiterin führt Herrn Volkert in Form einer Tautologie ein ("Herr Volkert ist, wie Herr Volkert ist"). Im Sinne üblicher alltagssprachlicher Verwendungen solcher Formen verweist dies auf eine spezifische Eigengesetzlichkeit des Anderen. Herr Volkert hat eine "Art und Weise". Diese Eigengesetzlichkeit zeigt sich in einer merkwürdigen Widersprüchlichkeit. Auf der einen Seite will Herr Volkert als normal gelten. Hier streitet er ab, pädophil zu sein. Auf der anderen Seite besteht er auf seinem "Verhalten", das aus Perspektive der Umwelt nicht normal ist. Er beharrt darauf, dass gerade dieses Verhalten als normal zu gelten habe, blendet jedoch aus, dass dies nicht der Fall ist. Verweist die Klinik auf diesen Umstand, so wendet Herr Volkert ein, dass er keine Kinder vergewaltigt habe und kein Monster sei. Er rechnet also den vermeintlich unproblematischen Bereich seines Verhaltens (mit Kindern "zusammen", ihr "Lehrer" sein) dem Bereich der Normalität zu und trennt davon den Bereich seiner Begierden ab. Die Umwelt hingegen rechnet den Bereich des Verhaltens dem Pädosexuellen zu. Sie sieht das Mögliche im Faktischen. Herr Volkert beharrt hingegen auf dem Faktischen des Faktischen, indem er das Imaginäre (pädosexuelle Fantasien, die ihn erregen) vom Faktischen abkoppelt ("kein Monster"). Für die Pflegeleiterin hingegen (hier stellvertretend für das ganze Behandlungsteam) tritt das durch die Fantasie angeregte Begehren sehr wohl in die Realität von Herrn Volkert ein – allein schon deshalb, weil es Außenstehenden auffällt. Unweigerlich konditioniert die Position der "Anderen" hiermit das Selbst- und Weltverhältnis des Patienten. [42]

Dies wird in der Klinik aufgegriffen und gegenüber dem Patienten zum Thema gemacht. Gerade weil er "normal" sein will, ist er nicht der, der er eigentlich ist; ein Patient, der im Sinne der ihm zugeschriebenen Krankenrolle begreift, dass mit seinem Begehren nicht alles in Ordnung ist und der entsprechend mit dem Behandlungsteam daran arbeitet, auf die Auslebung dieses Begehrens zu verzichten. Genau dies steht jedoch im Gegensatz zu der Selbstthematisierung Herrn Volkerts, kein Unmensch zu sein und Kindern niemals Schaden zugefügt zu haben. Es scheint ihm unmöglich zu sein, selbst auszusprechen, was möglicherweise der Fall sein könnte. Jedes Sprechen über seine Sexualpräferenz als möglicherweise nicht "normal" erscheint gleich als "monströs". Das Dilemma des prekären Gleichgewichts von Fantasie, Realität sowie reflektierender und kontrollierender Ich-Position wird in diesem Bericht erneut offenbar. [43]

4.5 Das Arrangement gerät unter Druck

Nach dem Badeseevorfall geriet das zuvor benannte Arrangement weiter unter Druck. Herr Volkert musste von da an auch in Gruppensitzungen über den Vorfall sprechen und kam somit nicht umhin, anzuerkennen, dass er von anderen Menschen weiterhin in problematischer Weise als pädophil gesehen wurde. Er war einmal mehr gezwungen, eine reflexive Position hierzu zu entwickeln. Zusätzlich bekam er die volle Kraft einer totalen Institution zu spüren. Die Klinik erschien spätestens jetzt nicht mehr nur als Verständnis zeigende und mehr Freiheit gebende Alternative zum Gefängnis. Sie offenbarte sich als eine Institution der Macht, die massiv disziplinierend in sein bereits diszipliniertes Leben eingreifen konnte. Herr Volkert konnte sich nicht mehr der Tatsache entziehen, dass er sich in medizinischer Behandlung befand und auch über die hiermit einhergehenden Implikationen sprechen musste. Betrachten wir diesbezüglich einige erhellende Stellen aus dem Interview:

"Herr Volkert: Ich war ja auch schon fast zwei Jahre im Ausgang und weiß nicht, ob sie Ihnen das gesagt/ ich war schon arbeiten, ich war in Köln, ich war gar nicht hier. Also zur Nacht musste ich immer wieder herkommen oder Ende der Schicht bis zur nächsten Schicht. Und war deshalb schon so frei unterwegs, dass ich diese Ängste auch wegtun konnte: 'Hier komme ich nie vorwärts'. Oder: 'Die versuchen mich bloß in die Ecke zu drängen, bis ich endlich zugebe, dass ich ja eigentlich vollkommen und so, also vollkommen besessen bin davon. Ich müsste, und ich würde nur und irgendwas.' Ich hatte fürchterliche Ängste. Also die verfolgen mich heute auch immer noch wieder, wenn ich in solche, das Gefühl habe, dass sich Druck auf mich gemacht, über diese psychologischen, vielleicht sogar Experimente. Dann wurde mit einer Konfrontationsart nach dem es nun nochmal so ein Zurückholen gab. Sie sagten mir: 'Sie bleiben in Ihrem Verhalten, lassen Sie sich nicht ändern.' Das war also der Hintergrund: 'Sie fangen an, wieder genauso offen und locker und erzählen was hier noch und das macht uns allen schon Bedenken.' [...] Da komme ich in alle Ängste. Ich habe also bis zum Suizidgedanken, hier gesagt: 'Dann hat das keinen Sinn, die wollen das gar nicht.' Die wollen niemanden hier wieder rauslassen, den sie nicht durch Medikamente und sein Zugeständnis: 'Ich bin halt so besessen, ich bin sexuell völlig verrückt und völlig falsch, bitte gebt mir endlich eine Kastration'" (#00:44:41#). [44]

4.5.1 Logische Kondensation

Ich bin und ich bin nicht in der Klinik.

Ich bin in Köln und arbeite.

Ich war frei unterwegs.

In der Nacht bin ich hier.

Es gibt Ängste.

Die Ängste sind, dass ich nicht vorwärtskomme.

Die Ängste sind, dass die Klinik mich zwingen will, pädophiles Begehren zu gestehen.

Wenn ich in der Klinik und nicht in der Klinik bin, sind die Ängste weg und nicht weg.

Die Ängste sind da und nicht da.

Die Klinik setzt mich unter Druck.

Druck macht Ängste.

Die Klinik macht und macht nicht Experimente.

Experimente machen Druck.

Die Klinik konfrontiert.

Die Klinik holt mich zurück.

Die Klinik sagt, ich ändere mich nicht und lasse mich nicht ändern.

Die Klinik hat Bedenken.

Ich habe Ängste und Suizidgedanken.

Ich denke: Die Klinik will mich nicht rauslassen.

Aus der Klinik kommt nur raus, wer Medikamente nimmt und zugibt, besessen, verrückt und falsch zu sein – und um eine Kastration bittet.

Ich muss sagen: Ich bin pädophil. Kastriert mich. [45]

4.5.2 Reflektierende Interpretation

Herr Volkert befand sich bereits in der Zeit, als er Freigang hatte, in einer ambivalenten Situation. Die Ängste waren da und waren nicht da, sie konnten weggeschoben werden. Diese Ambivalenz hält jedoch nur so lange an, bis der Badeseevorfall als Rückfall interpretiert wird. Die Lockerungen werden zurückgezogen. Es wird deutlich, dass in der Klinik Handeln im Rahmen pädophiler Fantasien als problematisch begriffen wird. Genau diese Unterscheidung ist jedoch für Herrn Volkert nicht fassbar. Er begreift das Handeln vielmehr als Machtwillkür. Er solle dazu gezwungen werden, etwas zu gestehen, was er nicht mit sich vereinbaren kann (zuzugeben, "falsch" und "verrückt" zu sein und sich entsprechend "kastrieren" zu lassen). Aus der Retrospektive erscheint seine frühere Naivität in Hinblick auf die euphorische Anfangsbegegnung mit dem Chefarzt als eine Art Verdrängung ("diese Ängste auch wegtun konnte") der weiter fortbestehenden Stigmatisierung, der Gefahr, als Monster behandelt zu werden und eingesperrt zu bleiben ("hier komme ich nie vorwärts") oder gar mit Gewaltmitteln ("Druck") zugerichtet zu werden ("vielleicht sogar Experimente"). Der eigentliche "Hintergrund" der psychiatrischen Behandlung – dass es hier nämlich um seine Veränderung geht – wird ihm nun irreversibel offenbar. Damit wird die Macht der Klinik zum ständig präsenten Bestandteil seines Selbstverhältnisses ("Also die [Ängste] verfolgen mich heute auch immer noch wieder, wenn ich in solche, das Gefühl habe, dass […] Druck auf mich gemacht [wird]"). Das Selbstverhältnis eines pädophilen Mannes, der sich ich-synton als "normal" erlebt, beginnt sich nun mit einem Weltverhältnis zu verweben, dass auch die Selbstwahrnehmung im Sinne therapeutisch-medizinischer Diskurse zu formatieren beginnt. Die Welt des therapeutischen Regimes wird damit – auch wenn er es selbst nicht will – zu seiner eigenen. [46]

4.6 Die Instabilität des Arrangements

Diese Implikationen und die hiermit einhergehenden Reflexionen wurden zunehmend internalisiert, wie etwa der folgende Gesprächsausschnitt aufzeigt:

"Interviewer: Also Sie haben dann praktisch doch wieder so Situationen aufgesucht, wo Sie Anregungen für Fantasien oder ...

Herr Volkert: Richtig. Wo ich Anregungen kriegte, wo mir das wohltat, dass ich ja sagen kann: 'Ey, super'. Ich lächele natürlich, finde das niedlich, die Kinder machen da Quatsch und Purzelbäume oder kabbeln sich. Ja, das ist ein angenehmes Gefühl. Habe mich wieder darauf eingelassen und immer gemeint, das ist aber nichts, was mich so weit bringen wird, [...] also den Punkt habe ich ja mit dem Kognitiven im Griff und bitte sehr: Da war es wieder. Da merkt man das dann, wenn man sich plötzlich äußern muss. Dann merke ich, wenn ich es äußern muss, merke ich: 'Jetzt benutze ich ja schon wieder genau die gleichen, genau die gleichen Argumente, die ich seinerzeit benutzt habe.' Und das ist dann immer die Frage, wer macht das? Ist das der Verteidiger in mir, der immer sagen will: 'Die sind alle doof und du bist ein Guter'? Und es gibt so ein psychologisches Modell des sogenannten Deliktteils, so wie man sagen würde, so natürlich, das kennt man, man trägt diesen Schweinehund immer in sich, der einem dann zuspricht: 'Du musst da auch nicht auf die hören, den Schweinehund zu überwinden.' Und unter diesem Schweinehund sagt man, das Deliktteil ist wie so einer in mir, der immer kämpft dafür, sofort wachgerufen wird, wenn jemand, wie Sie mir gegenübersitzen, etwas hören will darüber, dann sagt er immer: 'Erzähl nicht alles oder mach das so oder rede hier nicht vom Alibisieren, das ist doch, das machst du doch bloß, weil die anderen das wollen.' Und so was alles. Also das sind zwei Seelen, die sind in meiner Brust. Die sind also nicht nur da, diese Seele ist nicht nur da, wenn der diese schönen, visuellen, akustischen oder diese Reize mitnehmen will, dieses Wohlfühlen in der Nähe von Kindern. Sondern der ist auch da, wenn andere da ihn dran fechten wollen, wieder dran fechten wollen und sagen wollen: 'Na wollten Sie sich nicht ändern?' Dann ist der wach, dann ist der fängt schon an. Das bringt, brachte natürlich dazu, dass wir irgendwo, wusch, noch mal richtig auf den Grund wollten. Was mich geärgert hat an der Sache war, auf einmal hieß es dann, was sicherlich faktische Gründe, alles belegbar oder auch zu rechtfertigen ist. Dass sie mich der Frau Schilling weggenommen haben. Wie auch immer, dem Psychologen, haben mich zu dem Herrn Martin gebracht. [...] Und der fing diese Konfrontierung an, als müsste er jetzt noch mal, also ich habe es halt so empfunden, und das macht es natürlich verdammt schwer, als wollten die mir im Prinzip jetzt ausgraben: 'Der hat es bloß nie zugegeben, der hat irgendwo Leichen im Keller'" (#00:52:54#). [47]

4.6.1 Logische Kondensation

Ich suche Situationen, in denen ich Anregungen kriege.

Situationen mit Kindern regen mich an.

Ich lasse mich auf angenehme Gefühle ein.

Angenehme Gefühle sind nichts, was mich so weit bringen wird.

Ich habe das durch das Kognitive im Griff.

Wenn ich sage, dass ich es durch das Kognitive im Griff habe, ist ES wieder da.

Es ist, wenn ich merke, dass ich das Kognitive als Argument benutze.

Jetzt bin ich anders als seinerzeit.

Es ist und es ist nicht der Verteidiger.

Der Verteidiger sagt, du bist ein Guter und die anderen sind doof.

Es gibt eine psychologische Theorie.

In der Theorie gibt es den Deliktteil.

Der Deliktteil ist der Schweinehund. Der sagt, dass man ihn nicht überwinden muss.

Wenn jemand da ist, zu dem man redet, spricht der Deliktteil.

Der Deliktteil sagt, was man sagt und nicht sagt. Der Deliktteil sagt, dass man vom Alibisieren spricht und nicht spricht.

Es gibt zwei Seelen in meiner Brust.

Die Seele ist da, wenn ich mich mit Kindern wohlfühle.

Die Seele ist da, wenn die anderen dieses Gefühl anfechten wollen.

Die anderen erwarten, dass ich es ändere.

Das bringt mich und bringt mich nicht dazu, dass wir der Sache auf den Grund gehen.

Es ärgert mich, dass alles faktische Gründe hat und belegbar und zu rechtfertigen ist.

Die erwarten, dass ich das ändere.

Deswegen haben sie mich Frau Schilling weggenommen.

Deswegen bin ich bei Herrn Martin.

Herr Martin konfrontiert.

Herr Martin muss und muss nicht.

Es ist so und es ist nicht so.

Es ist schwer.

Die Klinik sagt, dass Herr Volkert Leichen im Keller hat.

Die Klinik sagt, dass Herr Volkert zugeben muss, dass er Leichen im Keller hat. [48]

4.6.2 Reflektierende Interpretation

Es findet sich hier ein recht komplexes polyphones Gewebe unterschiedlicher Positionen vor, die aufeinander referieren, ohne dabei jedoch zu einem stabilen Arrangement zu gelangen. Zum einen gibt es das Fühlen Herrn Volkerts in der Nähe von Kindern und seine Reaktion auf die Nachfrage, dass "das Kognitive" alles "im Griff" habe. Daraufhin schaltet er jedoch eine in der Psychiatrie erlernte Reflexionsfigur ein, mit der die Zurechnung auf "das Kognitive" unter Verdacht gestellt wird. Wie er selbst bemerkt, wird diese dadurch evoziert, im Rahmen der Therapie über die eigenen Rechtfertigungen sprechen zu müssen ("Da merkt man das dann, wenn man sich plötzlich äußern muss"). Die "Argumente" seiner Legitimation erscheinen nun als "Problem", nämlich als Versuch zu "Alibisieren". Gleiches gilt für den Verweis auf die eigene Unschuld (die anderen sind "alle doof und du bist ein Guter"). Möglicherweise ist es also der "Deliktteil" in Einheit mit dem "Verteidiger", der da spricht und nicht möchte, dass man ihm auf "den Grund" geht. Dies scheint alles gut begründet. [49]

Wenn Therapie nur so einfach wäre, wäre der Patient mit dieser Reflexionsinstanz nun hinreichend ausgestattet, seinen inneren "Schweinehund" zu überwinden. Das auf diese Weise ermächtigte Ich würde sich nicht mehr durch die zuvor unbewussten Teile an der Nase herumführen lassen und wäre so zu einer umfassenderen Selbstkontrolle ermächtigt. Doch so funktioniert es nicht. Die durchaus erfolgreich rekapitulierten therapeutischen Positionen (denn ansonsten würden sie nicht im Interview reproduziert) übernehmen nicht das Regime, sondern werden ihrerseits durch andere Positionen reflektiert, kommentiert und damit relativiert. Sie erscheinen nicht als die eigene Rede, sondern fremdmotiviert ("Alibisieren [...] machst du doch bloß, weil die anderen das wollen"). Doch auch diese Volte rastet nicht in eine stabile Position ein und wird von einer anderen Position als Therapieverweigerung kontextualisiert ("Na wollen Sie sich nicht ändern"). Die Positionen kommentieren sich ständig. Zur weiterhin fortbestehenden gefühlsmäßigen Referenz ("dieses Wohlfühlen in der Nähe von Kindern") gruppieren sich jetzt vielfältige Weisen des darüber Redens. Letzteres ist wohl genau das, was FOUCAULT (2019 [1976], S.68) im Blick hatte, wenn er von der diskursiven Explosion um den Sex herum schrieb. [50]

Im Fall von Herrn Volkert entsteht hierdurch überhaupt erst jenes polyphone Gewebe, dem er – angestoßen durch den Therapeuten – gemeinsam ("wir") "richtig auf den Grund" gehen will. Hiermit ergibt sich allerdings ein Problem für die Psychotherapie: Herr Volkert steigt in seinen eigenen therapeutischen Prozess mit ein, indem er die Rede von unterschiedlichen innerpsychischen Positionen übernimmt ("Deliktteil", "Verteidiger", "Seele" etc.) und Interesse an deren Wechselspiel bekundet. Damit ist jedoch die Position, die Gefallen an Kindern findet, keineswegs getilgt und auch keine Instanz etabliert, welche ihn davon abhält, die "schönen, visuellen, akustischen oder diese Reize" mitzunehmen, die die Nähe zu Kindern für ihn bringen. Während die Gesellschaft dem "normalen" homo- oder heterosexuellen Mann zugesteht, seine Perspektiven und Empfindungsmöglichkeiten in Hinblick auf seine sexuellen Impulse diskursiv zu vervielfältigen, soll Herr Volkert eben nicht lernen, sich auf diese intellektualisierende Weise noch weiter zu subjektivieren. Er soll vor allem unterlassen, sich weiterhin den Kindern zu nähern. [51]

Am Wechsel der Therapeutin wird dem Patienten nun auch gewahr, dass Psychotherapie im Maßregelvollzug de facto kein freiwillig vereinbartes Arbeitsbündnis ist21) und er sich in einer totalen Institution befindet. Man kann ihm Beziehungen "wegnehmen", ohne ihn zu fragen, obschon er zugesteht, dass es hierfür berechtigte Gründe gegeben haben mag ("sicherlich faktische Gründe, alles belegbar oder auch zu rechtfertigen ist"). Er bezieht somit die Position der Klinik ein, sieht sich aber zugleich deren Willkür ausgeliefert. Hiermit einhergehend entsteht ein Selbst- und Weltverhältnis, bei dem er sich selbst die widerständige Emotion zurechnet, während Konsequenzen der Macht einfach nur ertragen werden müssen ("was mich geärgert hat"). Die Emotion Ärger ist insofern in hohem Maße subjektivierend, als er das Zentrum der Energie als Eigenes erfährt und der Feind oder Gegner eindeutig aufseiten der anderen verortet werden kann. Der Ärger richtet sich aber wie erwähnt nicht gegen Frau Schilling, sondern gegen die Klinik, in der – in Person des neuen Therapeuten – vermutet wird, dass es tatsächlich etwas zu "ent-decken" gibt. [52]

4.7 Die Visite – das Drama des leidenschaftlichen Unterdrückten

Wie erwähnt gab die Stationsleiterin an, dass allein das Wort "Pädophilie" Herrn Volkert "auf die Palme" bringe. Eine Woche nach unserem Interview mit Herrn Volkert bot ihm der Oberarzt während einer Visite an, mit ihm die in Frage kommenden triebdämpfenden Medikamente durchzugehen, sofern er wieder rückfällig werden würde. Daraufhin warf der Patient dem Psychiater lautstark vor, ihn kastrieren zu wollen und verließ entrüstet den Raum:

"Oberarzt: Was gibt es bei Ihnen?

Herr Volkert: Warten ist ja jetzt die Überschrift ...22) jetzt von meiner Seite...

Oberarzt: Bei Ihnen war das Aussetzen des UA [unbegleiteter Ausgang] ... jetzt über die drei Jahre her... was hat sich jetzt aus Ihrer Sicht verändert?

Herr Volkert: Jetzt nach dem Gespräch vor vier Monaten ... natürlich hat sich jetzt etwas geändert ... der Schock, dass das jetzt Dritte so sehen... die Sicht der Dritten, die das nicht so harmlos sehen, wie ich das sehe ... das habe ich jetzt verstanden ... früher konnte ich mich ja damit retten 'die, welche mich angezeigt haben, haben sich in eine Hysterie hinein geredet' ... und deswegen bin ich verhaftet worden ... aber jetzt ... vorher habe ich gar nicht begriffen, wie mich die Dritten sehen ...

Oberarzt: ... ist jetzt schon einige Jahre her, dass Sie alleine draußen waren her ... warum soll es jetzt klappen?

Herr Volkert: Vieles meiner inneren Abwehr ist jetzt ein bisschen schwächer ... kann jetzt sagen, dass da ein paar Teile von mir sind ... die auch bleiben werden ... und das hat es für mich weicher und akzeptabler gemacht und auch das Motiv ist jetzt für mich klar ... 'Ich möchte nie wieder so dumm dastehen' ... und jetzt, dass ich jetzt mit dem locker lassen ... 'Jetzt lasse ich mich wieder so sehen' – 'nein!' – das habe ich jetzt zumindest theoretisch begriffen ...

Oberarzt: Ich kann ja jetzt mit Ihnen mal die Substanzen durchgehen ... steht ja jetzt noch nicht zur Debatte ... aber wenn es bei einem UA einen Rückfall geben wird, dann ist das ja eine Option ...

Herr Volkert (laut, offensichtlich stark berührt): Jetzt schreit es bei mir innerlich ... ich habe nie ein Kind angegriffen ... das hat das Gericht festgestellt ... Sie müssen nicht alle Männer kastrieren ... nur weil ich weibliche Rundungen bei Kindern schön finde ... dann unterstellen Sie mir gleich, dass ich sie ficken will ... aber so Leute wie Sie, wollen mich ja grundsätzlich kontrollieren und einsperren ... nur, weil Sie sich nicht vorstellen können, dass manche Menschen anders sind und empfinden ... deswegen sitzen Sie wohl hier, weil sie wie im Dritten Reich nicht anders können als einsperren und kastrieren ...

(geht raus und knallt die Tür)

Pflegedienstleiterin: Soweit mit dem Bedürfnisverzicht" (Feldnotiz, 12. Juni 2019, 10:30 Uhr). [53]

4.7.1 Logische Kondensation

Oberarzt: Es gibt was bei Ihnen.

Herr Volkert: Warten, meine Seite.

Oberarzt: Unbegleiteter Ausgang seit drei Jahren ausgesetzt. Es hat sich etwas bei ihnen geändert. Ihre Sicht.

Herr Volkert: Die Sicht der Dritten. Ich habe verstanden: Dritte sehen es nicht harmlos. Ich sehe es harmlos. Früher: Dritte sind hysterisch. Jetzt: Dritte sehen es anders als ich.

Oberarzt: Sie sind nicht draußen, weil es nicht geklappt hat. Es klappt nicht draußen.

Herr Volkert: Es klappt draußen. Mein Widerstand gegen therapeutische Einsicht ist schwach und nicht schwach. Ich kann sagen: Es gibt Teile. Diese Teile bleiben. Es ist und ist nicht weich und akzeptabel. Das Motiv ist klar. Ich möchte nicht dumm dastehen. Ich will von Dritten nicht so gesehen werden. Ich habe es begriffen und nicht begriffen.

Oberarzt: Wenn Rückfall, dann chemische Kastration und nicht chemische Kastration.

Herr Volkert: Es schreit innerlich. Ich greife Kinder an und greife keine Kinder an. Sie kastrieren alle Männer. Ich finde weibliche Rundungen bei Kindern schön. Es folgt nicht, dass ich Kinder ficken will. Es gibt Leute wie Sie. Ich empfinde anders als Sie. Sie können sich das nicht vorstellen. Sie sperren ein und kastrieren. Hier ist und ist nicht das Dritte Reich.

Herr Volkert: Ende [Türknallen].

Pflegedienstleiterin: Kein Bedürfnisverzicht. [54]

4.7.2 Reflektierende Interpretation

In diesem Gespräch geht es zunächst um den anstehenden unbegleiteten Ausgang. Der Oberarzt testet durch seine Fragen, inwiefern Herr Volkert den therapeutischen Diskurs internalisiert hat. Dieser zeigt performativ, dass er dieses Spiel beherrscht. Er zeigt zudem, was der Oberarzt bereits berichtet hat: Er kann intellektuell Erfolge benennen und ausführen. Herr Volkert gibt an, dass er etwas gelernt und was er gelernt hat. Er reproduziert die Figuren, welche die psychotherapeutischen Diskurse zur Verfügung stellen ("innere Abwehr", "ein paar Teile von mir", "Motiv ist jetzt für mich klar") und gibt an, dass er jetzt endlich gelernt habe, die Perspektiven anderer wahrzunehmen ("vorher habe ich gar nicht begriffen, wie mich die Dritten sehen"), dass also die Fremdperspektive nun auch zu seinem Weltverhältnis gehört. Allerdings zeigt sich kein grundlegender Wandel: Wie schon im Interview erzählt er von seinen unterschiedlichen "Teilen", die dann jedoch wohl "auch bleiben werden". Seine Position bleibt ambivalent. Dass er die Dritten versteht, bedeutet nicht, dass er deren Position auch teilt. [55]

Die "Teile", von denen er gegenüber dem Oberarzt spricht, mögen "weicher und akzeptabler" geworden sein. Das bedeutet jedoch noch nicht, dass sie akzeptabel sind. Das theoretische Begreifen muss nicht damit einhergehen, auch das praktische Verhalten substanziell zu ändern. Sein "Motiv" ist vielmehr, "nie wieder so dumm da[zu]stehen". Der Oberarzt scheint die Problematik der hier aufgeworfenen Theorie-Praxis-Differenz zu bemerken und bringt die Option des realen, durch Medikamente vermittelten Triebverzichts ein. Dies macht er in einer sprachlichen Form, die in der Gegenwart der Visite eine Zukunft projiziert, in der der Patient bereits wieder rückfällig geworden ist und erneut mit seinem Scheitern umgehen muss. Dabei bleibt aber auch der Oberarzt im Raum des Unbestimmten ("Option"). [56]

Die Reaktion des Patienten zeigt, dass er die Figur des Futur II nicht nur verstanden, sondern auch als gefühlsmäßige Zumutung angenommen hat. Er begreift, dass er bei einer erneuten, für ihn selbst weiterhin harmlos erscheinenden Kontaktaufnahme mit Kindern wieder zurück in die Klinik kommt und vermutlich nur dann wieder "gelockert" wird, falls er einer antiandrogenen Therapie zustimmt. Und er weiß zugleich nicht warum. Durch seine Reaktion offenbart er, dass er selbst nicht sicher ist, dass es diesmal klappen wird. Denn implizit sagt er selbst, dass er sich nicht anders verhalten, sondern nur nicht mehr "dumm vor anderen dastehen" will. Für ihn besteht ein Unterschied zwischen "Monstern", die Kinder "ficken" wollen und ihm, der "weibliche Rundungen bei Kindern schön" findet. Es wird deutlich, dass er lediglich "theoretisch" verstanden hat, dass Dritte – und damit auch die Klinik – sein Verhalten problematisch finden. Praktisch lautet sein Vorwurf an den Oberarzt, dass dieser ihn nicht nachvollziehen könne. Herr Volkert begreift nicht, dass es hier nicht um Probleme des Nachvollzugs bestimmter Präferenzen geht, sondern um unterschiedliche Einordnungen seines Verhaltens. Und gerade darin begründet sich die Vehemenz seiner Reaktion. [57]

Im Gegensatz zur Psychiatrie des von Herrn Volkert aufgerufenen "Dritten Reichs" verfügt der Oberarzt von außen betrachtet kaum über die Macht, einen mit Blick auf die Deliktschwere eher wenig gefährlichen Patienten dauerhaft "einzusperren" oder gegen seinen Willen medikamentös zu behandeln. Herr Volkert sieht sich selbst aber dennoch mit der Anforderung konfrontiert, entweder seine grundlegende Art des In-der-Welt-Seins zu ändern oder eben "eingesperrt" zu bleiben. Die eigentliche Pointe dieser Szene liegt, um FOUCAULT zu zitieren, nicht in der "Frage", ob Herr Volkert wirklich "unterdrückt" wird, sondern "weshalb" er "mit solcher Leidenschaft" sagt, dass er "unterdrückt" wird (2019 [1976], S.16). Was der Patient nicht sehen kann, was für ihn implizit bleibt, ist, dass er sich gerade durch seinen leidenschaftlichen Widerstand weiter in das therapeutische Arrangement verwickelt. Er baut die Emotion des existenziell Unterdrückten auf. Und da das Gefühlte im Selbstverhältnis seine eigene Wirklichkeit mit sich bringt, beginnt er die hiermit einhergehende Realität auf die Dauer mehr und mehr zu habitualisieren. Aufgrund der geringen Schwere des Delikts und im Wissen darum, dass man ihn in dieser Hinsicht nicht zwangsmedikamentieren kann, könnte er auch die Strategie verfolgen, abzuwarten, bis ihn seine Rechtsanwältin aufgrund der anstehenden Prüfung der Verhältnismäßigkeit aus der Klinik "herausholt". Es würde reichen, wenn Herr Volkert sich bis dahin als ein verständiger Patient zeigt – etwa den Ärzten sagt, dass er alles versuchen werde, um seine pädophilen Neigungen in den Griff zu bekommen und im Falle eines Rückfalls sogar über antiandrogene Mittel nachdenken würde. Draußen sähe er sich dann gezwungen, seinen Neigungen etwas verdeckter als bisher Ausdruck zu verleihen. Wir haben mit Patienten gesprochen, bei denen sich solche Arrangements herausbildeten. [58]

Aber genau dies ist Herrn Volkert nicht möglich, da er fest davon überzeugt ist, dass sein Verhalten – trotz divergierender Ansichten "Dritter" – unproblematisch ist. Doch einmal als "Pädophiler" zum Gegenstand der Medizin geworden, bleibt ihm nur als Möglichkeit, darin einzustimmen und das für ihn Unsagbare zu sagen: "Ich bin pädophil" – mit allen Implikationen, die mit einer solchen erkenntnistheoretischen Wende einhergehen würden (BATESON 1985 [1972], S.434; s. auch FEIßT 2019). Je mehr er dagegen anschreit ("Ich bin nicht pädophil!"), umso mehr liefert er für die Klinik die Bestätigung, dass er am richtigen Platz ist. Die totale Institution Maßregelvollzug ist so präsent, dass sie unweigerlich zu seinem Selbst- und Weltverhältnis wird. Er kann sich, so die These, gegen die hiermit einhergehenden Zumutungen an die eigene Identität nicht mehr ohne weiteres abschirmen, etwa indem er im Modus des Als-ob nur so tut, als würde er die Anforderungen der Klinik verstehen. Dann hätte er nicht wütend werden und die Türe schlagen müssen. Er hätte lediglich seine Rolle einnehmen können. Doch genau dies konnte er nicht. [59]

4.8 Inkorporation des Arrangements: Selbst- und Weltverhältnisse beginnen sich zu verschränken

Herr Volkert konnte sich der Intervention des Oberarztes nicht mehr entziehen, weil er bereits zu sehr Teil des psychiatrischen Arrangements geworden war. Gerade weil sein inneres Erleben und die hiermit aufscheinende Subjektivität von dem polyphonen Netzwerk von Positionen und den hiermit einhergehenden Machtverhältnissen nicht zu trennen, sondern umgekehrt immer schon ein Ausdruck derselben war, konnte er nicht anders, als sich als Subjekt zu artikulieren, indem er wütend protestierte, um gerade hierdurch zu zeigen, dass er die Zumutungen verstanden hatte. Eine Stunde nach der Visite kam Herr Volkert in das Büro der Stationspflege und gab einen Zettel ab. Dort stand in Großbuchstaben geschrieben:

"VOLKERT
?WARUM?

PANIK!
ENTSETZEN!
FURCHT!
WUT!

VOLL RESIGNIERT!

BITTE UM DRINGENDES GESPRÄCH" (Feldnotiz, 12. August 2019, 11:30 Uhr). [60]

In kondensierter Form trat hier nun noch einmal das bereits Rekonstruierte zutage: Ein Nachvollzug der Position des Oberarztes schien ihm unmöglich ("?WARUM?"). Sie konnte entsprechend nicht rational bearbeitet werden, sondern löste emotionale Reaktionen hervor ("PANIK! ENTSETZEN! FURCHT! WUT!"), die Herr Volkert aber nicht nur wie zuvor in der Visite zeigte, sondern auch schriftlich artikulierte, wodurch die hiermit einhergehenden Machtverhältnisse auch in dieser Form zum Gegenstand des Behandlungsprozesses wurden. Im Gegensatz zu Menschen, die sich durch die Gesellschaft und ihre institutionellen Vertreter/innen nicht berühren lassen,23) konnte Herr Volkert nicht anders, als erneut das Gespräch zu suchen. Allein die Tatsache, dass er formell darum bat, verweist darauf, wie stark die Normen der Klinik bereits verinnerlicht waren. Hinzu kommt, dass er sich nicht nur als normal ansah, er wollte auch als normal anerkannt werden. Er brauchte den Konsens mit dem Arzt. Es ist diese Form der Anerkennung, die er ganz zu Beginn seiner Unterbringung durch den Chefarzt erhalten hatte, die aber nur innerhalb des psychiatrischen Regimes Gültigkeit besitzt. [61]

Am selben Nachmittag erhielt Herr Volkert noch, wie von ihm gewünscht, das Gespräch mit dem Therapeuten:

"Feldforscher: Hat sich Herr Volkert beruhigt?

Pfleger: Ja, er hat sich wieder eingekriegt ... Hatte dann gestern noch ein Gespräch mit dem Therapeuten ... er kocht dann erst mal hoch und dann reguliert er sich wieder" (Feldnotiz, 13. Juni 2019, 7:35 Uhr). [62]

Gerade die beiläufige und unaufgeregte Verallgemeinerung der Dynamik ist hier interessant. Für die Pflegekraft schienen die Geschehnisse eben Ausdruck des "Arrangement Volkert" zu sein: Die Position der Klinik löste bei Herrn Volkert heftige Reaktionen aus, er beruhigte sich wieder, und das Spiel konnte von vorne beginnen. Dies wird sich (über die Jahre) so lange wiederholen, bis Herr Volkert seine Position ändert und ein anderes Arrangement einrasten kann. Interessant ist dabei, dass die Klinik selbst integraler Bestandteil dieser Dynamik ist. [63]

All dies geschah jedoch nicht zufällig, wie anhand der Nachbesprechung im therapeutischen Team deutlich wurde. Allerdings zeichneten sich unterschiedliche Positionen ab:

"Besprechung des Klinikpersonals im Stationszimmer (Oberarzt, Pflegedienstleiterin, ein Feldforscher und eine neue Psychotherapeutin sind anwesend)

Oberarzt (über Volkert): ... ist jetzt auch gut, Druck aufzubauen ... es geht ja dann in Richtung der intendierten Veränderung ... geht dann in kleinschrittig überwachten UA ... es droht ja jetzt auch die Verhältnismäßigkeit [nach sechs Jahren] ... es handelt sich um sexuellen Missbrauch, keine Tötung oder Vergewaltigung ... jetzt hat es keinen Sinn immer nur 'Trockenschwimmen' zu machen ... er muss raus, selbst wenn die Pfleger dagegen sind ... jetzt ihm das Stufenschema erläutern [abgestufte Liste immer stärker triebdämpfender Medikamente] ...

Pflegedienstleiterin: Wir haben ja jetzt auch einen gesellschaftlichen Auftrag ... den Schutz der Kinder ...

Oberarzt: In Einrichtungen, wo kein Druck in diese Richtung [chemische Triebdämpfung] besteht, verweilen sie oft ewig ...

Pflegedienstleiterin: Ist aber jetzt auch nicht schlecht, wenn sie länger drin bleiben ...

Oberarzt: Sehe ich jetzt nicht so, ist Freiheitsberaubung ..." (Feldnotiz vom 13. Juni 2019, 10:45 Uhr). [64]

4.8.1 Logische Kondensation

Position Oberarzt: Druck aufbauen ist gut. Ziel: intendierte Veränderung. Es folgt der kleinschrittig überwachte unbegleitete Ausgang. Herr Volkert wird und wird nicht aufgrund von Verhältnismäßigkeit entlassen. Sexueller Missbrauch ist der Fall. Missbrauch ist keine Tötung oder Vergewaltigung. Trockenschwimmen ist keine Option. Herr Volkert wird und wird nicht entlassen. Pflege will nicht, dass Herr Volkert rauskommt.

Position Pflegedienstleiterin: Gesellschaft vergibt Auftrag. Der Auftrag lautet: Schutz der Kinder.

Position Oberarzt: Wenn kein Druck, dann lange Verweildauer.

Position Pflegedienstleiterin: Lange in der Klinik sein ist gut.

Position Oberarzt: Position der Pflege und ärztliche Position sind unterschieden. Eine lange Verweildauer ist Freiheitsberaubung. [65]

4.8.2 Reflektierende Interpretation

Dem Oberarzt ist bewusst, dass die vermeintlich sachliche, medizinische Information über antiandrogene Medikamente den Patienten psychisch in eine Zwickmühle bringt. Doch genau das ist von ihm gewollt, denn für die "intendierte Veränderung" müsse man "Druck aufbauen". Dieser Druck wird dann im Sinne des Patienteninteresses gerahmt, da sonst die Gefahr bestehe, dass dieser "ewig verweilen" würde. Auf der anderen Seite "droht" seine Entlassung aufgrund der erforderlichen Verhältnismäßigkeit der Unterbringungsdauer und der geringen Schwere des Deliktes. Würde man Herrn Volkert also einfach nur loswerden wollen, könnte man auch auf eine Entlassung aufgrund der Verhältnismäßigkeit spekulieren. Dieses Szenario wird vom Oberarzt aber als Bedrohung wahrgenommen ("es droht ja jetzt auch die Verhältnismäßigkeit"), steht er doch für die therapeutischen Möglichkeiten der "intendierten Veränderung" ein. [66]

Hier wird zudem ein Zielkonflikt zwischen Medizin und Pflege deutlich. Letztere repräsentiert die moralischen und normativen Standards des Common Sense. Hiernach besteht der "gesellschaftliche Auftrag" vor allem im "Schutz der Kinder" und entsprechend ist es "nicht schlecht", wenn Pädophile "länger" in der Klinik bleiben. Der verantwortliche Psychiater steht innerhalb des forensischen Arrangements an einem anderen Knotenpunkt. Hier verschränkt sich der Common Sense der Moral (Kinder müssen vor Pädophilen geschützt werden) mit dem Recht und der Medizin in einer anderen, spezifischen Weise: Therapie ist sowohl möglich als auch notwendig. Den Patienten nur wegzusperren oder unbehandelt zu entlassen, hieße aus dieser Perspektive, dem therapeutischen Auftrag nicht gerecht zu werden. "Freiheitsberaubung" ist die Unterbringung ohnehin, sie verliert jedoch ohne den Einsatz therapeutischer Mittel zum Zwecke einer Rehabilitation ihre Legitimation und ihren Sinn. [67]

Wie Chirurg/innen, die den Körper der Kranken verletzen dürfen, um ihnen zu helfen, dürfen auch Psychiater/innen der Seele ihrer Patient/innen Schmerzen zufügen, wenn dies eine Linderung der Krankheitssymptomatik verspricht. Herr Volkert mag zwar nur ein "normaler" Pädophiler sein, aber in der forensischen Psychiatrie ist er per definitionem psychisch krank. Entsprechend muss er behandelt werden. Das bedeutet, dafür zu sorgen, dass die theoretischen Therapiediskurse ("Trockenschwimmen" bzw. "Therapie-Theater", wie es der Oberarzt im Interview an anderer Stelle nennt) als ein so realer Zwang erlebt werden, dass die hiermit verbundenen Implikationen gewissermaßen in jede Pore der Patient/innen eindringen. Die Behandlung, insofern sie Erfolg hat, wird den unterdrückten pädophilen Mann produzieren, der künftig auch bei jeder Begegnung mit einem Kind die hiermit einhergehenden Diskurse und Dramen (etwa der "Kastrations"-Drohung) abrufen wird. Falls die Behandlung im Sinne der intendierten Veränderung gelingt, wird sein Selbst- und Weltverhältnis damit nicht mehr dasselbe sein (FEIßT 2019). Seine Sexualität wird dann durch die Dispositive der Institution der forensischen Psychiatrie geprägt sein. Er kann dann nicht mehr in die, aus seiner Perspektive unschuldige, Biografie eines Mannes zurückfinden, der "seine kleinen Lüste" (FOUCAULT 2019 [1976] S.36) leben konnte und "bloß" mit einer "kollektiven Intoleranz" (a.a.O.) rechnen musste. Nun ist er unweigerlich zugleich Resultante "einer juristischen Aktion" (a.a.O.) und "einer medizinischen Intervention" (a.a.O.). Sein Begehren ist damit Ausdruck eines veränderten Sexualitätsdispositivs, das mit Blick auf Herrn Volkerts artikulierte Wut wohl kaum mit einem geringeren Maße an Subjektivierung einhergeht. Er ist damit gerade deshalb Herr Volkert, weil er nicht Herr Volkert ist, sondern seine Subjektivität und Emotionalität aus Verhältnissen speist, die ihn immer schon als individuelle Person überschreiten. [68]

Um das komplexe Arrangement der Kraftverhältnisse zusammenzufassen:

Es schreit in ihm innerlich, weil er normal ist.

Er ist pädophil und deswegen ist er nicht normal und muss sich ändern.

Als Pädophiler kann er nicht in der Gesellschaft sein, sondern ist im Maßregelvollzug eingesperrt.

Weil er normal ist, kann er sich nicht ändern, aber er muss sich ändern.

Deshalb muss er der Unterdrückte werden, denn nur so kann er sich ändern und zugleich derselbe bleiben.

Damit die andern ihn ändern (und er derselbe bleiben kann), muss er das Gespräch suchen.

Mit Blick auf alle zuvor benannten Aspekte gilt: Genau dieses komplexe Geflecht ist er bereits geworden, deswegen kann er nicht anders, als weiter mitzuspielen. [69]

5. Diskussion

5.1 Gegenstandstheoretische Reflexion

Herrn Volkerts Neigungen erscheinen ich-synton; im Selbstverhältnis hielt er die Form, sein Begehren zu leben, für unproblematisch. Einerseits wusste er um die Problematik, andererseits sah er aus seiner Perspektive tatsächlich kein Problem: Er hatte ja alles unter Kontrolle. Im Weltverhältnis zeigte sich dann ein Arrangement, in dem er die Nähe zu Kindern suchte, darüberhinausgehende Fantasien jedoch nicht in die Tat umsetzte. Er bewegte sich mit seinen Handlungen immer auf der Grenze des gesellschaftlich Akzeptierten, weshalb die damit einhergehenden Peinlichkeiten, die moralische Ablehnung und die sozialen Brüche bearbeitet werden mussten. [70]

Zunächst fühlte er sich in der Klinik verstanden und schätzte es, "auf Augenhöhe" über seine Gefühle und Fantasien zu sprechen. Erst nach und nach wurde ihm bewusst, dass das Verständnis der Klinik eben kein bedingungsloses war. Es gab kein Entgegenkommen für den (aus ihrer Sicht) Kranken, der sich für normal hielt – nur für den Kranken, der mit ihrer Hilfe normalisiert werden wollte, also einsah, therapiebedürftig zu sein. Entsprechend setzte die spezifische Kombination von Recht, Medizin und totaler Institution sein Selbstverhältnis in einer Weise unter Druck, dass es nun für ihn selbst problematisch erschien. Mit Blick auf unsere Fallrekonstruktion sind dabei zunächst zwei Ergebnisse bemerkenswert: Weder die Zwangseinweisung in den Maßregelvollzug und der hiermit einhergehende mehrjährige Freiheitsentzug noch die Psychotherapie destabilisierten sein Selbstverhältnis in einer Weise, dass er im Hinblick auf sein pädophiles Verhalten und Begehren einen Veränderungsbedarf sah. Die Therapiegespräche führten zwar zu komplexen Selbstreflexionen, mündeten jedoch nicht in den Wunsch, vom eigenen Begehren abzulassen. [71]

Mit Blick auf die Frage der Wirkmächtigkeit therapeutischer Arrangements zeigt sich hier vielmehr der aus soziologischer Perspektive zunächst erstaunliche Befund, dass weder die Zwangsmaßnahmen (hier etwa die Anstaltsmauern mit den abgeschlossenen Kliniktüren) noch der Entzug der Freiheitsgrade nach dem Rückfall oder die therapeutische Diskursproduktion (deren Reflexionsfiguren dann im Gespräch mit Herrn Volkert als verinnerlichte Positionen reproduziert wurden) sein Selbstverhältnis (bisher) grundsätzlich infrage stellten. Die rein mentale Reproduktion bestimmter Diskurse ohne die hiermit einhergehenden Inkorporierungen von Normen und Zwängen führen noch nicht zu einer grundlegenden Verhaltensänderung. Es wäre noch keine funktionierende Zurichtung im FOUCAULTschen Sinne, sondern – in den Worten des Oberarztes – "Therapietheater" bzw. "Trockenschwimmen". [72]

Demgegenüber wurden in der hier vorgestellten Konstellation der Kraftverhältnisse die Möglichkeiten einer totalen Institution dahingehend genutzt, das Selbstverhältnis massiv zu provozieren, sodass Herr Volkert zu einem leidenden Patienten wurde und erst damit seine Krankenrolle nicht nur formal, sondern auch inhaltlich anzuerkennen begann. Diese Provokationen funktionierten, weil er sich für normal hielt und normal sein wollte, aber nicht normal war, weil die Gesellschaft ihn nicht für normal hielt. Eine Zeit lang kam er auch in der Klinik noch mit dem Selbstverhältnis des "Normalen" weiter. Spätestens jedoch nach den Eskapaden am Badesee geriet er zusehends in Bedrängnis, sodass er mehr und mehr zum Subjekt rechtlich-medizinischer Zurichtung wurde. In der Klinik wurde immer expliziter eingefordert, dass er sich zu etwas bekennen solle, zu dem er gemacht werden sollte, nämlich zu einem psychisch Kranken. "Normal" sein kam nicht mehr in Frage, er konnte nur noch ein normaler kranker Pädophiler werden. Erst durch diese "Gegendressur" (BOURDIEU 2004 [2001], S.220) wurde er so tief getroffen, dass sein altes Selbst- und Weltverhältnis – das des kontrolliert begehrenden, bürgerlichen Menschen – so unter Druck geriet, dass er sein bisheriges Verhaltensprogramm kaum mehr aufrechterhalten konnte. [73]

Wenngleich der gesellschaftliche Diskurs um die Problematik der Pädophilie auch vorher schon bestand, konnte sich Herr Volkert den hiermit einhergehenden Zurechnungen (krank, abartig etc.) einigermaßen entziehen. Er segelte gewissermaßen unterhalb des Radars der Beobachtbarkeit. Die Gesellschaft verfügt über kein "Panoptikum" (FOUCAULT 1976 [1975], S.251), das entsprechende Regungen sieht, überwacht und thematisiert. Genau hier setzte in diesem Beispiel der Maßregelvollzug an: Das Personal machte dem Patienten deutlich, dass sie ihn in seinem pädophilen Begehren sahen und er sich dieser Wahrnehmung nicht mehr entziehen konnte. Die eigentliche Pointe besteht dann darin, diesen Prozess an die ich-syntone Bewegung der Leidenschaft und damit an das Selbstverhältnis des Patienten zu koppeln. Das therapeutische Dispositiv wird wirksam, wenn es Pädophile auf der tiefsten Ebene trifft – also bei ihrer Identifikation mit dem Begehren. Das Schlüsselwort lautete im Falle Volkert entsprechend: "Medikation", was für ihn gleichbedeutend war mit "Kastration". Nur unter Anrufung dieser Macht würde er sich von der Klinik disziplinieren lassen – nämlich um nicht "kastriert" zu werden und um damit weiterhin (zumindest imaginär) sein für ihn so wichtiges Begehren verfolgen zu können. Diese Bewegung ist ich-synton, also im Einklang mit seinem Selbstverhältnis. In seiner Perspektive hatte er als "normaler" kultivierter pädophiler Mann schon lange gelernt, seine Genüsse im Geheimen und in Absehung von expliziten pädosexuellen Handlungen zu suchen. Er leistete schon längst Verzicht, um sein Begehren leben zu können. [74]

Unterdrückung und Leidenschaft stehen damit – wie FOUCAULT (2019 [1976], S.16) feststellte – keineswegs in einem Gegensatz, sondern bedingen und steigern sich in einem zirkulären Verhältnis, sind zugleich Ausgangs- und Zielpunkt von Subjektivierung, sind zugleich Bedingung und Ergebnis von subjektiv empfundener Identität. Aus diesem Grund funktionierte die Intervention des Oberarztes auch so gut. Sie machte Herrn Volkert zu einem noch leidenschaftlicheren Unterdrückten. Wenn er auf diese Weise nun endlich auch zu den Kindern Abstand halten würde, wäre das Ziel der psychiatrischen Resozialisierung erreicht. Sein Weltverhältnis hätte sich in Richtung der gesellschaftlichen Wünsche und Erwartungen geändert. Sowohl die Psychiatrie als auch die Organe der Rechtspflege und ebenso der moralisch-gesellschaftliche Common Sense würden damit zu einem Arrangement zusammenfinden, in dem die unterschiedlichen Positionen und Perspektiven aufeinander referieren und sich wechselseitig bestätigen, ohne einander auszulöschen. Selbst der leidenschaftliche Unterdrückte kann seinem Begehren treu bleiben, wenn dieses nur stark genug unterdrückt wird, sodass es nicht zum Ausdruck kommt. [75]

5.2 Methodologischer Ausblick24)

Dieser Beitrag steht einerseits in der Tradition einer praxeologischen Wissenssoziologie (BOHNSACK 2017), deren Vertreter/innen in ihren sozialwissenschaftlichen Rekonstruktionen das Primat der Logik der Praxis (gegenüber den Theorien über die Praxis) formulierten. Andererseits folgen wir der Annahme einer systemtheoretisch informierten Therapieforschung (BATESON 1985 [1972]; SIMON 1993), gemäß der die Relationen bzw. Relationen von Relationen als fundamentaler betrachtet werden müssen als die an den jeweiligen Knotenpunkten erscheinenden Identitäten. [76]

In diesem Zusammenhang ist es abschließend sinnvoll, einige methodologische Bezüge zu FOUCAULT anzudeuten, zumal wir uns in diesem Beitrag mit Blick auf das Sexualitätsdispositiv bereits gegenstandstheoretisch auf einige seiner Arbeiten bezogen haben. Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sich FOUCAULTs komplexes Denken nicht so ohne Weiteres in eine sozialwissenschaftliche Methodologie übersetzen lässt. In der "Archäologie des Wissens" (1981 [1969]) finden sich keine klaren Hinweise, wie eine Diskursanalyse systematisch durchzuführen ist oder wie man, ausgehend von den analysierten Daten, zum Dispositiv gelangt bzw. wie sich andere hieran anschließende Begriffe (etwa Gouvernementalität) systematisch in ihrem empirischen Gehalt erschließen. [77]

Im deutschsprachigen Raum waren es zunächst Sprach- und Literaturwissenschaftler/innen, allen voran Siegfried JÄGER und Jürgen LINK, die mit Blick auf Medienartefakte versuchten, die Diskursanalyse methodisch eng zu führen (LINK & DIAZ-BONE 2006). Wie jedoch auch KELLER aus methodologischer Perspektive bemerkte, hat eine solchermaßen eng geführte "Diskursanalyse" aber "mit der Möglichkeit [zu] rechnen, dass Diskurse keine bzw. nur minimale Machtwirkungen über ihre eigene (Re)Produktion hinaus entfalten" (2011, S.266). Auch die Leistung der "Governmentality Studies" lägen damit bestenfalls darin, die "Vorstrukturierungen" von Subjektbildung und Individuierung durch Diskurse nachzuzeichnen, ohne dass damit "allerdings ein systematischer, methodisch-methodologisch elaborierter Ansatz zur empirischen Analyse der alltäglichen Aneignungs- und Aushandlungspraxis" (GEIMER & AMLING 2019, S.22f.) aufgezeigt würde. [78]

Diskurse sind auf diese Weise – eigentlich entgegen der FOUCAULTschen Intention – von der Praxis entkoppelt. Wie etwa KAPPELER herausstellte, interessierte sich FOUCAULT mit der Diskursanalyse "[e]twas paradox formuliert" eigentlich nicht für Diskurse, sondern dafür, wie ein "Diskurs in seiner spezifischen Form […] wesentlich durch intra-, inter- sowie extradiskursive Beziehungen konstituiert" wird (KAPPELER 2008, S.259). Hiermit erscheine dann auch das Verhältnis von Machtwirkung und Diskurs in einem anderen Licht – nämlich "umgekehrt" zu einer Position, die sich in "vielen deutschen Anschlüssen an Foucault" (S.263) finden lasse: "Nicht Diskurse produzieren Machtstrukturen (obwohl sie solche natürlich stützen können), sondern durch Machtverhältnisse strukturierte Praktiken produzieren Diskurse" (a.a.O.).25) [79]

FOUCAULT versuchte insbesondere auch in "Der Wille zum Wissen" (2019 [1976]) zu zeigen, dass Subjekte oder Akteur/innen nichts anderes darstellten als situativ ausgestaltete Resultanten eines komplexen und sich immerfort rekonfigurierenden Spiels von Kraftverhältnissen:

"Unter Macht, scheint mir, ist zunächst zu verstehen: die Vielfältigkeit von Kraftverhältnissen, die ein Gebiet bevölkern und organisieren; das Spiel, das in unaufhörlichen Kämpfen und Auseinandersetzungen diese Kraftverhältnisse verwandelt, verstärkt, verkehrt; die Stützen, die diese Kraftverhältnisse aneinander finden, indem sie sich zu Systemen verketten – oder die Verschiebungen und Widersprüche, die sie gegeneinander isolieren; und schließlich die Strategien, in denen sie zur Wirkung gelangen und deren große Linien und institutionelle Kristallisierungen sich in den Staatsapparaten, in der Gesetzgebung und den gesellschaftlichen Hegemonien verkörpern. [...] Die Macht ist der Name, den man einer komplexen strategischen Situation in einer Gesellschaft gibt" (S.93) [80]

Auf den ersten Blick zeigt sich hier eine gewisse Kompatibilität zwischen den metatheoretischen Annahmen der Kontexturanalyse und den FOUCAULTschen Analysen etwa zum Sexualitätsdispositiv.26) Die Besonderheit der kontexturanalytischen Methode liegt nun darin, sich im Sinne einer "Kenogrammatik" (GÜNTHER 1979, S.65) die Zuweisung von Kausalitäten und Subjektpositionen offenzuhalten. Hier gibt es kein ontisches Prinzip, durch das eine Über- oder Unterordnung derselben bestimmt würde. Es gibt nur das Spiel heterogener Kontexturen, die sich wechselseitig konditionieren. Was jeweils als Grund und Begründetes erscheint, ist nicht vorab festgelegt, sondern kann situativ wechseln. So geraten mit der Kontexturanalyse Details wie etwa die Spezifika organisationaler Settings und Interaktionen in den Blick. Die Aufmerksamkeit wird auf die konkreten Dissonanzen in Artikulationen gerichtet, in denen das gebrochene Verhältnis von Leiblichkeit, Sehnsüchten, Reflexionen und divergierenden verinnerlichten Diskursstimmen zum Ausdruck kommt. Diesbezügliche Beziehungen zu FOUCAULTs Methodologie müssen in einer gesonderten, theoretisch-methodologischen Arbeit weitergehend ausgelotet werden. [81]

Danksagung

Wir danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die Förderung des Projektes. Ebenso danken wir den anonymen Gutachter/innen dieses Beitrags für ihre wertvollen Hinweise.

Anmerkungen

1) Gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Förderzeitraum: April 2019 bis April 2022. <zurück>

2) Wir verwenden den Begriff Pädophilie vornehmlich dann, wenn bestimmte sexuelle Präferenzen und Neigungen gemeint sind, die aber noch nicht zwangsläufig mit entsprechenden sexuellen Handlungen einhergehen müssen. Pädosexuelle Handlungen hingegen müssen nicht immer mit einer sexuellen Präferenz für Kinder einhergehen, sondern können auch aus anderen Motiven erfolgen. <zurück>

3) Siehe mit Blick auf den gut dokumentierten Stand der Forschung zur Traumatisierung der Opfer etwa WINTER (2015). <zurück>

4) Die Prävalenz unter den erwachsenen Männern lässt sich aufgrund des Dunkelfeldes schwer schätzen, dürfte aber im Sinne der engeren diagnostischen Kriterien des DSM-5 zwischen 0,1 und 1% liegen (VOGT 2006). <zurück>

5) So formuliert auf der Webseite des Präventionsnetzwerks "Kein Täter werden" (https://www.kein-taeter-werden.de/, Datum des Zugriffs: 11. August 2021). <zurück>

6) Der Vollzug der Maßregel ist Ländersache, entsprechend unterscheiden sich die rechtlichen Rahmenbedingungen von Bundesland zu Bundesland. <zurück>

7) Siehe zum "Arrangement als Fall" FEIßT (2018, S.378). <zurück>

8) Siehe zur Einführung KAEHR (1993). <zurück>

9) Insbesondere LUHMANN (1996, S.283) hat diesbezüglich bereits auf die starken Parallelen zwischen GÜNTHER und MERLEAU-PONTY hingewiesen. <zurück>

10) Siehe hierzu auch GÉVAUDAN (2021). <zurück>

11) Im Sinne der praxeologischen Annahme von Menschen als "Linguistic Bodies" (DI PAOLO, CUFFARI & DE JAEGHER 2018) gehen wir bei den befragten Akteur/innen von einer gewissen Kontinuität von sprachlichen Praxen, Selbst- und Weltverhältnissen und sozialer Konfiguration ihrer Lebensvollzüge aus. <zurück>

12) Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 10. Januar 2019, Aktenzeichen 1, Strafsache 574/18, (https://openjur.de/u/2172570.html, Datum des Zugriffs: 31. August 2021). <zurück>

13) So JASCHKE und OLIVA (2020) für das Jahr 2018 im Kerndatensatz Maßregelvollzug. <zurück>

14) Wenn im Folgenden von "Patienten" die Rede ist, bezieht sich dies ausschließlich auf Patienten männlichen Geschlechts. Die wenigen weiblichen Patientinnen unserer Erhebung waren aufgrund anderer Delikte untergebracht. <zurück>

15) Namen, Orte und weitere Details, die zur Identifizierung der beteiligten Personen führen könnten, sind verfremdet worden. Ebenfalls wurden die Klarnamen aller Personen sowie Ortsangaben durch fiktive Namen ersetzt. <zurück>

16) Mit einem Schrägstrich wird markiert, wenn ein Satz nicht zu Ende geführt wird. <zurück>

17) Die Kürzel bezeichnen hier den Zeitpunkt in der Interviewaufzeichnung. Die erste Stelle bezeichnet die Stunde, die zweite die Minute, die dritte die Sekunde der entsprechenden Aufzeichnung. <zurück>

18) Wir verwenden "Kapitän seiner Seele" im bewussten Anklang an BATESONs Untersuchungen zu den Selbst- und Weltverhältnisses eines Alkoholikers. <zurück>

19) Auch in der Klinik lebte er eine bemerkenswert bürgerliche Normalität. Sein Zimmer war aufgeräumt, auf dem Tisch stand eine Vase mit einem Blumenstrauß und er hörte im Radio klassische Musik. <zurück>

20) Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurden Ortsbezeichnungen sowie Namen des Personals im Folgenden beibehalten, aber durch andere Orte bzw. fiktive Namen ersetzt. <zurück>

21) Genau genommen wird den Untergebrachten in der Klinik ein Behandlungsangebot gemacht, das sie annehmen oder auch ablehnen können; sie müssen die Patientenrolle nicht akzeptieren. Allerdings haben gerade pädophile Sexualstraftäter/innen bei einer Verweigerung der Therapie kaum eine Chance, entlassen zu werden – was ihnen de facto kaum eine Wahl lässt. <zurück>

22) Da Feldnotizen nie vollständige Mitschriften einer Interaktion sein können, entstehen kurze Lücken, die hier mit drei Punkten markiert sind. <zurück>

23) In der Differenzialdiagnose würden Psychiater/innen hier eine Person mit Psychopathie oder dissozialer Persönlichkeitsstörung unterscheiden, die nur in geringem Maße Kompetenzen wie Mitgefühl, Einfühlungsvermögen und Unrechtsbewusstsein entwickelt hat und entsprechend auch in ihrer Identitätskonfiguration weniger davon abhängig ist, wie andere sie sehen. <zurück>

24) Wir danken Kathleen NEHER für wichtige Hinweise zu diesem Abschnitt. <zurück>

25) Deutlich ist dies etwa in dem Versuch von KELLER (2011), die Diskursanalyse mit der LUCKMANNschen Wissenssoziologie zu versöhnen. Auf den ersten Blick scheint dabei die Mikroebene von Interaktionsanalysen unter dem interpretativen Paradigma komplementär mit einer breiteren historischen oder gesellschaftstheoretischen Perspektive ergänzt zu werden. Doch auch hier stellt sich das Problem, dass Subjekte oder Akteur/innen in dieser wissenssoziologischen Tradition als vorab gegebene Entitäten miteinander interagieren bzw. auf als objektiv gegebene Diskurse Bezug nehmen. Gerade gegen solch eine essenzialisierte Subjektvorstellung wie auch die hiermit einhergehende "Diskurs-Ontologie" (KAPPELER 2008, S.256) arbeitete FOUCAULT mit seinem Theorieprojekt an. <zurück>

26) Siehe etwa FOUCAULT (2000 [1978], S.119). <zurück>

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Zu den Autoren

Werner VOGD ist Professor für Soziologie an der Universität Witten/Herdecke. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen qualitative Methoden, Systemtheorie, Religions-, Organisations- und Medizinsoziologie.

Kontakt:

Prof. Dr. Werner Vogd

Lehrstuhl für Soziologie, Fakultät für Gesundheit
Universität Witten/Herdecke
Alfred-Herrhausen-Straße 50
D-58448 Witten

E-Mail: Werner.Vogd@uni-wh.de
URL: http://www.werner-vogd.de

 

Martin FEIßT ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im DFG-Projekt "(Re-)Sozialisierung im Maßregelvollzug" an der Universität Witten/Herdecke. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Organisations- und Therapieforschung im Gesundheitswesen.

Kontakt:

Martin Feißt

Lehrstuhl für Soziologie, Fakultät für Gesundheit
Universität Witten/Herdecke
Alfred-Herrhausen-Straße 50
D-58448 Witten

E-Mail: martin.feisst@uni-wh.de

 

Till JANSEN ist Privatdozent an der Universität Witten/Herdecke und wissenschaftlicher Mitarbeiter im DFG-Projekt "(Re-)Sozialisierung im Maßregelvollzug". Seine Arbeitsschwerpunkte liegen im Bereich Methodenentwicklung, Organisationssoziologie und soziologische Theoriebildung.

Kontakt:

Till Jansen

Lehrstuhl für Soziologie, Fakultät für Gesundheit
Universität Witten/Herdecke
Alfred-Herrhausen-Straße 50
D-58448 Witten

E-Mail: till.jansen@uni-wh.de

Zitation

Vogd, Werner; Feißt, Martin & Jansen, Till (2021). Wirkmächtigkeit therapeutischer Arrangements im Zwangskontext – eine kontexturanalytische Untersuchung zur Therapie eines pädophilen Mannes im Maßregelvollzug [81 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 22(3), Art. 18, http://dx.doi.org/10.17169/fqs-22.3.3693.

Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research (FQS)

ISSN 1438-5627

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