Volume 23, No. 1, Art. 18 – Januar 2022
Sekundärtrauma in der qualitativen Forschung: Traumasensitivität in der Forschung zu sexualisierter Gewalt
Rebecca Gulowski
Zusammenfassung: In diesem Beitrag widme ich mich der Frage nach den konkreten Belastungen für Wissenschaftler:innen im Forschungsfeld zu sexualisierter Gewalt. Im deutschsprachigen Raum wird sich im Unterschied zur internationalen Forschungslandschaft wenig mit der Rolle von Traumatisierungen in der qualitativen Forschung auseinandergesetzt, obwohl dies mit Blick auf die Prävalenzen in diesem Feld nahezu unumgänglich ist. Ausgehend von dieser Annahme stelle ich die Ansätze der Psychotraumatologie und deren Konzepte der sekundären Traumatisierung, der compassion fatigue theory und des vicarious trauma vor. Diese verknüpfe ich im Anschluss an Georg SIMMEL, Max WEBER, Georges DEVEREUX und der feministischen Tradition mit den Überlegungen zu den erkenntnistheoretischen Möglichkeiten der eigenen Vulnerabilität. Ich plädiere für eine traumasensitive qualitative Forschung insbesondere im Feld sensitiver Themen, um die Belastungen und vor allem erkenntnistheoretischen Chancen der Forschenden in den Blick zu nehmen.
Keywords: sexualisierte Gewalt; sekundäre Traumatisierung; compassion fatigue; vicarious trauma; Forschungsbelastung; compassion satisfaction; Vulnerabilität; Interviewforschung; Erkenntnistheorie; Gegenübertragung
Inhaltsverzeichnis
1. Sexualisierte Gewalt: eine wachsende Forschungslandschaft
2. Sekundäre Traumatisierung, vicarious trauma, compassion fatigue – psychotraumatologische Konzepte professioneller Vulnerabilität
2.1 Sekundäre Traumatisierung
2.2 Vicarious trauma
2.3 Compassion fatigue
3. Vulnerabilität in der qualitativen Forschung
3.1 Sensitive Themen
3.2 Interviewführung: Vulnerabilität als Methode
3.3 Gefahren, Risiken und Kosten qualitativer Forschung
4. Erkenntnistheoretische Chancen der Vulnerabilität
4.1 Gegenübertragung als Teil sozialwissenschaftlicher Methodologie
4.2 Erkenntnistheoretische Vorüberlegungen zur eigenen Involviertheit als Forschende bei Georg SIMMEL und Max WEBER
4.3 Eigene Orte der Wissensproduktion: das Forscher:innenselbst in der feministischen Tradition
5. Fazit
1. Sexualisierte Gewalt: eine wachsende Forschungslandschaft
In seinem Aufsatz "Encountering and Processing Secondary Traumatic Stress During Qualitative Interviews With Displaced Iraqis" resümierte KAYEL (2020), dass er vor allem eines war: unvorbereitet auf die emotionalen und psychologischen Auswirkungen seiner Forschung mit Menschen, die ein Trauma erlebt hatten. Auch in der deutschsprachigen Forschungslandschaft wird dieses Problem zunehmend virulent. Hier hat in den letzten zehn Jahren besonders in Bezug auf die empirische Gewaltforschung zu sexualisierter Gewalt sowohl thematisch als auch personell eine außerordentliche Erweiterung stattgefunden. Ursächlich dafür sind die bereitgestellten Mittel zur wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Aufklärung und Aufarbeitung sexualisierter Gewalt. Seit 2011 fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit rund 67 Millionen Euro entsprechende Forschungsprojekte (2020, S.3), was ein bis dato sowohl hinsichtlich des Umfangs als auch der Zielsetzungen einmaliges politisches Engagement in der bildungswissenschaftlichen Sphäre der Bundesrepublik darstellt (RIESKE, SCAMBOR & WITTENZELLNER 2018). Neben einem wachsenden Forschungsstand und zunehmendem Wissen über sexualisierte Gewalt führt dies aber auch zu einer ansteigenden Zahl an (Nachwuchs-)Forschenden, die sich mit unterschiedlichen Fragestellungen und Projekten des potenziell traumaintensiven Themas sexualisierter Gewalt annehmen. Damit gehen spezifische Probleme einher. Mit dem Ausbau der Forschungslandschaft zeigt sich nämlich die im Themenfeld sexualisierter Gewalt ohnehin spärliche akademische Ausbildung in den Sozial- und Geisteswissenschaften umso eklatanter. Im Abschlussbericht des Runden Tisches "Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen" hieß es dazu:
"Bislang wird das Thema an den Hochschulen viel zu wenig behandelt. Sexueller Missbrauch von Kindern ist, ebenso wie Vernachlässigung und Misshandlung, auch in der Wissenschaft vielfach ein Tabuthema. Das hat weitreichende Folgen. Da es kaum Professorinnen und Professoren, Doktorandinnen und Doktoranden und Habilitierende gibt, die sexualisierte Gewalt zum Schwerpunkt haben, werden nur ausnahmsweise Vorlesungen und Seminare zum Thema angeboten. Die nachwachsende Generation wird in ihrer Ausbildung kaum mit der Thematik konfrontiert" (BMJ, BMFSFJ & BMBF 2012, S.43). [1]
Demnach stehen (Nachwuchs-)Forschende im Feld der sogenannten sensitiven Themen wie z.B. (sexualisierter) Gewalt, Missbrauch und Vernachlässigung also relativ unvorbereitet vor den Herausforderungen und möglichen persönlichen Konsequenzen des täglichen Umgangs und der intensiven Beschäftigung mit gewaltvollen Inhalten. Gerade in der qualitativen Interviewforschung werden zudem Menschen befragt, die zum Teil schwer traumatisiert sind. Dies zeitigt eine spezifische Problemkonstellation für die beforschten Betroffenen wie auch für die Forschenden selbst. Einerseits kann die Teilnahme an der Forschung bei den Betroffenen zu erhöhten Belastungen, Überforderungen bis hin zu Re-Traumatisierungen führen, andererseits setzen sich auch die Forschenden den Gefahren der emotionalen Überforderung und Überbelastung bis hin zu sekundären Traumatisierungen aus. Bislang stehen Erhebungen des Wissens über mögliche traumatische Erfahrungen qualitativ Forschender, insbesondere bei Interviewforschungen zu Themen um (sexualisierte) Gewalt, in Deutschland jedoch noch aus. Im internationalen Kontext finden sich hingegen deutlich mehr Arbeiten zu den Konsequenzen von traumatischen Inhalten für Forschende (WEBBER & BRUNGER 2018). [2]
In diesem Beitrag plädiere ich daher für die Konzeption einer traumasensitiven qualitativen Forschung (TSQF), mit der sowohl über Risiken informiert als auch die Ressourcen und erkenntnistheoretische Qualität einer traumasensitiven Methodologie offengelegt und anschlussfähig gemacht werden kann. In Abschnitt 2 leite ich zunächst in die psychotraumatologischen Konzepte der sekundären Traumatisierung (2.1), des vicarious trauma (2.2) und der compassion fatigue (2.3) ein und ziehe eine Verbindung zwischen der Psychotraumatologie und der qualitativen Sozialforschung. Daran schließe ich in Abschnitt 3 Überlegungen zur Bedeutung der spezifischen Vulnerabilität im Rahmen qualitativer Sozialforschungen an, welche aus der sensitiven Qualität der Themen (3.1) und der methodischen Umsetzung (3.2) resultiert. In Abschnitt 4 bediene ich mich dann der Traditionsbestände sozialwissenschaftlicher Theoriebildung, um auf die erkenntnistheoretischen Chancen der eigenen Vulnerabilität zu verweisen. Dafür ziehe ich Georges DEVEREUXs Ideen zur sozialwissenschaftlich-methodologischen Relevanz von Übertragungs- und Gegenübertragungsphänomen (4.1) sowie die frühen erkenntnistheoretischen Vorüberlegungen zur eigenen Involviertheit bei Georg SIMMEL und Max WEBER (4.2) heran und betrachte ausgehend von der feministischen Tradition das Forscherinnen:selbst als eigenen Ort der Wissensproduktion (4.3). All diesen Ansätzen gemein ist, dass das Forscher:innenselbst nicht nur als Rolle begriffen, sondern eine grundlegende Auseinandersetzung mit den Forschenden als psychosozialen Wesen geleistet wird. Dies erlaubt Anschlüsse an innere Prozesse und die Verknüpfung mit der Psychotraumatologie. In einem abschließenden Fazit resümiere ich in Abschnitt 5 neben den Möglichkeiten auch die innerhalb der diskutierten Traditionsstränge und Ansätze noch zu überwindenden Hindernisse für eine Zusammenführung der Psychotraumatologie mit der qualitativen Sozialforschung im Rahmen einer TSQF. [3]
Zusammengefasst soll und kann es bei einer TSQF also gar nicht darum gehen, in der sozialwissenschaftlichen Forschung traumatische Erfahrungen zu vermeiden oder diese der Psychotraumatologie zu überlassen. Werden im Gegenteil im Zuge der Forschungsplanung spezifische Bedingungen berücksichtigt, die Forschenden ausreichend über Trauma und Traumafolgen informiert und erkennen sie sodann ihre eigene Involviertheit in den Forschungsprozess an, statt diese zu pathologisieren, können sie nicht nur verantwortungsvoll für die Befragten, sondern auch sich selbst arbeiten. Zudem können dann wichtige sozialwissenschaftliche Erklärungen von Traumata und der sozialen Dimensionen (sexualisierter) Gewalt geleistet werden: "One of the important aspects of this discussion is that 'if we undertake to study human lives, we have to be ready to face human feelings'" (ELY, ANZUL, FRIEDMAN, GARNER & STEINMETZ-McCORMACK 1991, S.49, zit. nach DICKSON-SWIFT, JAMES, KIPPEN & LIAMPUTTONG 2007, S.336). [4]
2. Sekundäre Traumatisierung, vicarious trauma, compassion fatigue – psychotraumatologische Konzepte professioneller Vulnerabilität
Bestimmte Berufs- und Personengruppen wie zum Beispiel Therapeut:innen, Berater:innen, Krisen- und Konflikthelfende oder Notfallsanitäter:innen setzen sich (in der Regel wissentlich) psychisch belastenden Situationen mit zum Teil längerfristigen Folgen aus. Diese Belastungserfahrungen wurden in den letzten 30 Jahren in der Disziplin der Psychotraumatologie erforscht und in unterschiedliche Konzepte zur Erklärung und Behandlung von Symptomen und Folgen überführt. Damit stehen prinzipiell auch sozialwissenschaftlich Forschenden, die sich etwa im Rahmen von Forschungen zu sexualisierter Gewalt vergleichbaren Belastungen aussetzen, Konzepte zur Verfügung, die helfen, mögliche Symptomatiken und Problemstellungen zu erklären und mitunter zu bearbeiten. Die Hinwendung der empirischen Sozialforschung zu den Ressourcen der Psychotraumatologie wäre also möglich und sinnvoll, nicht zuletzt, weil dies verbunden mit der Einnahme einer entpathologisierenden Perspektive auch neue Möglichkeiten des Erkenntnisgewinns für die qualitative Forschung eröffnet. Im Folgenden werden daher die Begriffe der sekundären Traumatisierung, des vicarious trauma und der compassion fatigue, wie sie als Belastungserfahrungen für helfende Berufe beschrieben wurden, skizziert und in Beziehung zueinander gesetzt. [5]
Sekundäre Traumatisierung, vicarious trauma und compassion fatigue beschreiben Prozesse mittelbaren Kontaktes mit traumatischen Inhalten etwa von Therapeut:innen, die zu gleichen oder ähnlichen Symptomen wie primäre Traumatisierungen führen. Da nur in wenigen Ausnahmen sekundäre Traumatisierung mit Re-Traumatisierung (SCHMITT 1999) oder einem Wiederholungstrauma (KINZIE, BOEHNLEIN, RILEY & SPARR 2002) gleichsetzt wird, kann der indirekte Kontakt mit dem Trauma als kleinster gemeinsamer Nenner festgehalten werden. In einer systematischen Zusammenschau zeigten DANIELS (2006) und LEMKE (2017), dass sich der Begriff der sekundären Traumatisierung dabei am geeignetsten als Ober- und Sammelbegriff verwenden lässt. Mit vicarious traumatization (McCANN & PEARLMAN 1990) und compassion fatigue (JOINSON 1992) werden dann je eigene Schwerpunkte gelegt, die Begriffe werden aber heute in der Psychotraumatologie nach rund 30 Jahren Forschung zum Teil auch synonym verwendet (WILLIAMSON, GREGORY, AGHTAIE, WALKER & HESTER 2020) und haben andere Konzepte wie contact victimization, savior syndrom, secondary catastrophic stress reaction und critical incident stress nahezu vollständig aus dem wissenschaftlichen Diskurs verdrängt (LEMKE 2017). [6]
Zwar möchte ich hier das Argument stark machen, dass in einer TSQF Stress- und Belastungserscheinungen entpathologisiert werden sollten, gleichwohl hat erst dieser Umstand der Pathologisierung maßgeblich zu einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit genannten Phänomenen beigetragen. Bereits 1994 wurden in die Definition der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) des "Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders" (DSM), der diagnostische Leitfaden psychischer Störungen, nicht nur direkte, sondern auch indirekte Stressoren aufgenommen und dabei nicht zwischen Symptomen der primären und der sekundären PTBS unterschieden (LEMKE 2017). Laut der Deutschsprachigen Gesellschaft für Psychotraumatologie (DeGPT)1) befinden sich akut traumatisierte Personen in einem Zustand von starken vegetativen Reaktionen (Herzrasen, Schwitzen, Errötung oder Blässe, Übelkeit) und durchleben oft ausgeprägte Gefühlsschwankungen und schnelle Wechsel emotionaler Zustände von Trauer, Wut oder scheinbarer Teilnahmslosigkeit. In der Folge kommt es dann zu lebhaften und realistisch erscheinenden Wiedererlebensphänomenen (Intrusionen) z.B. durch Albträume und sich aufdrängende Erinnerungen (Flashbacks), die von einer intensiven emotionalen Reaktion und Angst begleitet sein können. Die Betroffenen zeigen auch ein allgemein erhöhtes Erregungsniveau (Hyperarousal) mit innerer Anspannung und einer übersteigerten Aufmerksamkeit für äußere Reize, Schreckhaftigkeit, Reizbarkeit und Schlafstörungen. Zusätzlich kann eine große Angst vor Personen, Orten, Gegenständen oder Situationen bestehen, die Erinnerungen an die traumatische Erfahrung auslösen könnten. Aus diesem Grunde werden entsprechende Trigger zumeist gemieden. Halten diese Symptome – Intrusionen, Hyperarousal und Vermeidung – über mehrere Wochen und Monate an – spricht man von einer PTBS. [7]
LEMKE (2017, S.51-58) identifizierte vier Vergleichsstudien, in denen sowohl Symptomatik als auch Korrelatenvergleiche zwischen primärer und sekundärer Traumatisierung untersucht wurden (BARANOWSKY, YOUNG, JOHNSON-DOUGLAS, WILLIAMS-KEELER & McCARREY 1998; FIGLEY 1995a; LERIAS & BYRNE 2003; McLEAN, WADE & ENCEL 2003). Gemäß diesen Studien bestehen einerseits enorme Ähnlichkeiten bei den Symptomen und Korrelaten von PTBS und sekundärer Traumatisierung. Bezieht man aber auch das Traumageschehen mit ein, so zeigten sich andererseits sehr wohl unterschiedliche Aspekte, die wiederum für die Schwere und Wahrscheinlichkeit von Traumafolgen relevant sind. Dazu gehört, ob das traumatische Ereignis plötzlich eintritt, was bei primärer Traumatisierung fast immer der Fall ist, wohingegen sich z.B. Traumatherapeut:innen auf Sitzungen vorbereiten können. Hinzukommt, dass sich primäre Traumatisierungen in der Regel auf viele, wenn nicht gar alle Lebensbereiche ausdehnen, während sich sekundäre Traumaerfahrungen eher in professionellen Kontexten ereignen und deren Folgen dann keinen oder wenig Einfluss auf andere Lebensbereiche ausüben. Schließlich liegt ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal auch darin, dass sich Psychotherapeut:innen, Sanitäter:innen, Katastrophenhelfende u.a. im Unterschied zu Primärtraumatisierten dafür entschieden haben, einer Profession nachzugehen, in der sie möglicherweise mit traumatischen Erfahrungen konfrontieren werden (LEMKE 2017). [8]
Der Begriff der vicarious traumatization wurde 1990 von McCANN und PEARLMAN eingeführt. Sie setzten sich vor dem Hintergrund ihrer Arbeit am Traumatic Stress Institute in New Britain, CT, USA, mit der Frage nach einer Erklärung für die Reaktionen von Therapeut:innen in der Arbeit mit Gewalt- und Traumabetroffenen auseinander: "Persons who work with victims may experience profound psychological effects, effects that can be disruptive and painful for the helper and can persist for months or years after work with traumatized persons. We term this process 'vicarious traumatization'" (S.133). Stellvertretende Traumatisierung bedeutet demnach ähnlich wie Gegenübertragungen eine kurzfristige Reaktionen auf die Arbeit mit bestimmten Klient:innen; es können aber auch langfristige Veränderungen der eigenen kognitiven und affektiven Schemata, der Überzeugungen und Annahmen über sich selbst und andere erfolgen. Angelehnt an Arbeiten zum Burnout beschrieben die Autorinnen, dass emotionale Taubheit und Vermeidungsmuster der traumatisierten Person sich in ähnlichen Burnout-Symptomen bei der Therapeutin oder dem Therapeuten widerspiegeln (S.134). Gleichzeitig rekurrierten sie auf Arbeiten zu Gegenübertragungen (BLANK 1987; DANIELI 1985), wonach Therapeut:innen bei Klient:innen mit Kriegs-, Missbrauchs- und Vergewaltigungserfahrungen tiefgreifende psychologische Auswirkungen erführen, die im Zusammenhang mit eigenen Gefühlen von Aggression, Rache, Trauer, Horror und Kontrollverlust stünden (McCANN & PEARLMAN 1990, S.135). [9]
McCANN und PEARLMAN verknüpften also die Annahme aus der Burnout-Forschung, wonach Therapeut:innen aufgrund objektiver Kriterien ihrer Tätigkeit (Alleine-Arbeiten, schwierige Klient:innenpopulationen) unter besonderem Stress stehen, mit Annahmen zum Konzept der Gegenübertragung, wonach individuelle, psychologische und biografische Faktoren aufseiten der Therapeut:innen Belastungssymptome hervorrufen können. Im Anschluss daran wird im Rahmen der constructivist self-developement theory (S.136) davon ausgegangen, dass Menschen ihre eigene persönliche Realität durch die Entwicklung komplexer kognitiver Strukturen, sogenannter kognitiver Schemata, konstruieren, um ihre Erfahrungen interpretieren zu können. Gerade bei Berichten über traumatische Gewalterfahrungen erleben die Adressierten (z.B. Therapeut:innen oder Forschende) analog zu primär Betroffenen Brüche und Diskrepanzen basaler kognitiver Schemata, die im Zusammenhang mit grundlegenden menschlichen Bedürfnissen nach Vertrauen, Sicherheit, Handlungsmächtigkeit, Autonomie, Menschlichkeit, Vertrautheit mit sich und der Welt sowie einer generellen Sinnhaftigkeit des Lebens stehen. Hinzu können unmittelbare Veränderungen im sensorischen Gedächtnis der Therapeut:innen kommen, die dann intrusive Gedanken erklären, ohne dass die Therapeut:innen selbst in dieser Situation traumatische Erfahrungen gemacht haben. Je stärker eines der Bedürfnisse bei Therapeut:innen ausgeprägt ist (z.B. durch eigene traumatische Erfahrungen im Vorfeld), desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass die bildhafte Veränderung im sensorischen Gedächtnis mit diesem Bedürfnis korreliert (S.136-143). [10]
Compassion fatigue (JOINSON 1992) bedeutete ursprünglich eine Mitgefühlserschöpfung, die im Zusammenhang mit Burnout-Symptomen im Gesundheits- und Krankenpflegebereich steht. Dabei geht es um die Frage, ob das stete Sorgen für und um andere das Risiko birgt, dass man zu erschöpft sei, sich um sich selbst zu sorgen. Mit der compassion fatigue fokussierte man primär auf Menschen in helfenden Berufen, insbesondere der Gesundheits- und Krankenpflege, aber auch auf Sozialarbeitende, Therapeut:innnen und psychosozial Beratende, die tagtäglich traumatisierten Menschen helfen. JOINSON ging davon aus, dass diese ein erhöhtes Risiko für verschiedene, den Alltag und die Arbeit mitunter erheblich beeinträchtigende Symptome wie Angst, Schlaflosigkeit, Reizbarkeit und Gefühle der Hilflosigkeit aufwiesen. Mit "Compassion Fatigue: Coping With Secondary Traumatic Stress Disorder in Those Who Treat the Traumatized" (1995b) und "Treating Compassion Fatigue" (2002) legte FIGLEY eine umfassende Theorie- und Praxisarbeit in diesem Feld vor und initiierte zahlreiche Anschlussarbeiten. Primär galten hier Berufe, in denen direkt mit Betroffenen von Traumatisierungen und Krankheiten und deren Angehörigen gearbeitet wurde, als besonders gefährdet. Bei der compassion fatigue handelt es sich nach FIGLEY um einen Zustand emotionaler und körperlicher Erschöpfung, durch den ein empathisches Reagieren auf andere verhindert werde. Dabei seien die Symptome der Betroffenen sehr ähnlich zu jenen der Betroffenen einer PTBS, insofern von compassion fatigue Betroffene "experienced indirectly the primary traumatic stressors through helping those who had experienced these traumas" (2002, S.4; meine Hervorh.). [11]
Der Unterschied zwischen den Ansätzen des vicarious trauma und der compassion fatigue liegt in ihrer konzeptionellen Gewichtung und der sich je daran entfaltenden Perspektiven. Mit vicarious trauma wird der intrusive Charakter traumatischer Erzählungen betont, den es in der Arbeit mit Traumatisierten zu vermeiden gilt. Im konzeptionellen Kern der compassion fatigue hingegen sind Empathie und das Ausgesetzt-Sein Grundvoraussetzungen und Bedingung gelingender Traumaarbeit und werden entsprechend nicht pathologisiert (CAMPBELL 2002, S.101). Das In-Beziehung-Gehen und In-Beziehung-Sein von betroffener traumatisierter Person und zuhörender, beratender und therapeutischer Person wird somit als eine Ressource in den Mittelpunkt der Arbeit gerückt. So können mithilfe des Prozesses des empathischen Ein- und Mitfühlens die traumatischen Erfahrungen besser verstanden werden. Gleichzeitig lösen der wiederholte empathische Kontakt mit dem Leid und Schmerz von Betroffenen und das wiederholte Ein- und Mitfühlen traumatischer Erzählungen physische und psychische Stressreaktionen in den Traumaarbeitenden aus. In der Theorie der compassion fatigue werden diese Erfahrungen im Unterschied zum vicarious trauma aber nicht nur als normaler, sondern gar als konstitutiver Teil der Arbeit verstanden. Die Auseinandersetzung mit dem Traumatischen ist die Aufgabe von Traumatherapeut:innen, Traumafachberatenden und Unterstützenden. Eigene Belastungserfahrungen und Gefühle der Trauer, Wut oder Hilflosigkeit sind dann Mittel und Ressourcen der Traumaarbeit (a.a.O.). Damit wird durch den compassion-fatigue-Ansatz nicht nur die Möglichkeit eröffnet, ggf. zu vermeidende Belastungserfahrungen zu benennen, sondern auch das, was in der Traumaarbeit in der Beziehung zwischen betroffener und unterstützender Person lebendig wird. Gerade die bewusste Entscheidung ermöglicht den Traumaarbeitenden das Sichtbarwerden von Ressourcen in der Auseinandersetzung mit traumatischem Material jedweder Art. Im compassion-fatigue-Ansatz stellte daher STAMM (2002), angelehnt an FIGLEY 1995b), der Erschöpfung später noch den Begriff der compassion satisfaction (Mitgefühlszufriedenheit) gegenüber: die Motivation und Zufriedenheit, die aus einer mitfühlenden Tätigkeit gezogen werden und deren Grad an Ausgeprägtheit uns vor dem Risiko der Mitgefühlserschöpfung schützen kann. [12]
3. Vulnerabilität in der qualitativen Forschung
Gute qualitative Sozialforschung zu betreiben bedeutet, sich in ein bestimmtes Feld zu begeben und dort für den Moment der Erhebung nicht den eigenen Verstehenshorizont als das Maß des Verstehbaren heranzuziehen, sondern sich auf die Normalität der Gegenüber, auf deren je eigenen Sinn, Erfahrung und Perspektive einzulassen: "The readiness to involve oneself with the respondent's perspective is crucial for producing and consolidating knowledge in the interaction between researcher and respondents" (WITZEL & REITER 2013, S.16). Hierin liegen aber auch die Risiken und Gefahren für Forschende begründet, insbesondere wenn es um die Interpretation von Leidenserzählungen und Traumata geht, bei denen eine (sichere) Distanz zum Forschungsgegenstand nicht möglich ist. Um Trauma-Erzählungen zu rekonstruieren, sollten möglichst alle Aspekte (individuelle, intersubjektive, kollektive) einbezogen werden, die im Prozess des Erinnerns für die befragten Personen relevant sind und die sich in der Gesamtschau zu Reflexionen über die Vergangenheit zusammensetzen (COETZEE & RAU 2009, §45). Damit erleben qualitativ Forschende wie Menschen in helfenden Berufen eine höhere Traumaexposition. Mit Prävalenzstudien ließ sich zudem zeigen, dass bestimmte Erfahrungen mit höherer Wahrscheinlichkeit zu Traumatisierungen bei den Betroffenen führten. Dazu gehören von Menschen verursachte Traumatisierungen (im Unterschied zu z.B. Naturkatastrophen) und im Besonderen sexualisierte Gewalt. In der S3-Leitlinie2) PTBS wurde auf Grundlage von internationalen Metaanalysen, Reviews und randomisiert kontrollierten Studien u.a. auch die Epidemiologie von PTBS in Abhängigkeit von der Art des Traumas erfasst (FLATTEN et al. 2013). Auch wenn die Zahlen je nach Forschungsdesign, Population und den herangezogenen Traumakriterien in den jeweiligen Studien variierten, hielten FLATTEN et al. (2011) fest, dass im Durchschnitt rund 50% der Betroffenen von Vergewaltigung und sexuellem Missbrauch (im Unterschied zu 25% der Opfer anderer Gewaltverbrechen) eine PTBS entwickelten. Forschende zu sexualisierter Gewalt sind dem Risiko des Traumas also besonders ausgesetzt. Laut einer Mixed-Method-Studie über Sozialwissenschaftler:innen, die sich mit traumatischen Inhalten auseinandersetzten, hatten "86.5% of respondents experienced routine exposure to secondary trauma through their work as researchers, and 57.7% reported moderate to extreme distress associated with this exposure" (WHITT-WOOSLEY & SPRANG 2018, S.481). Besondere Belastungen wurden für Studien zu sexualisierter Gewalt und Kinderschutzthemen beschrieben (a.a.O.). [13]
Bereits durch die Themenwahl werden qualitativ Forschende vulnerabler, und dies gilt besonders für sogenannte sensitive Themen. Gleichzeitig bringt auch das Vorgehen in der Interviewforschung Herausforderungen mit sich, die jenen helfender Berufe ähneln und qualitativ Sozialforschende vulnerabel und anfällig für sekundäre Traumatisierungen machen. [14]
Der spezifische Fokus auf die sensitive Qualität empirischer Forschung wird im angelsächsischen Raum unter dem Begriff der sensitive research subsumiert, unter dem die spezifischen Aspekte des Sensitiven adressiert und reflektiert werden. In der Regel werden Studien als sensitiv bezeichnet, wenn in ihnen die Geschichten (extremen) menschlichen Leids oder Trauma erhoben wird, z.B. bei Krebserkrankungen, unheilbaren Krankheiten eines Kindes, HIV/AIDS, Gewaltopfern, psychischer Krankheit und Suizid (WHITT-WOOSELY & SPRANG 2018, S.476). Als sensitive research versteht man heute vor allem Themen der Gesundheitswissenschaften, der Gewalt- sowie Traumaforschung und der sozialwissenschaftlichen Katastrophenforschung (DITTMER & LORENZ 2018). [15]
McCOSKER, BARNARD und GERBER (2001) beschrieben mit dem Begriff des Sensitiven eine Forschung, die eng verwoben ist mit ihren kulturellen und sozialen Kontexten und gleichzeitig – individuell wie gesellschaftlich – starke Gefühle durch spezifische Bewertungen und Haltungen evozieren kann. Sie orientierten sich an LEE (1993), der drei Aspekte zur Bestimmung einer besonderen sensitiven Qualität der Forschung benannte: 1. besonders intime oder heilige Themen und Fragen des Menschseins wie Sexualität und Tod; 2. mögliche negative Konsequenzen wie eine Stigmatisierung durch die Forschung z.B. bei Studien zu Kriminalität und Krankheiten; 3. das Vorhandensein einer politischen Bedrohung oder Verfolgung, etwa wenn Forschende Bereiche untersuchen, die Gegenstand von politischen Kontroversen oder sozialen Konflikten sind. Wurde in früheren Arbeiten der Blick vornehmlich auf die direkten Risiken und denkbaren Implikationen der Forschung auf die Beforschten und deren Lebenswelten gerichtet (LEE 1993; SIEBER & STANLEY 1988), sahen McCOSKER et al. (2001) hierin auch die Möglichkeit einer Perspektiverweiterung um 4. die persönlichen und methodologischen Konsequenzen für die Forschenden selbst. [16]
Im Bereich der sozialwissenschaftlichen Gewaltforschung, insbesondere bei interpretativen, rekonstruktionslogischen Designs, kommt es zu einer Intersektion dieser vier Aspekte und einer Verstärkung derer individueller Dimensionen. Vulnerabilität, also Verletzungsoffenheit des Menschen lässt als Conditio humana keine Nichtposition zu. Gewalt wird hier sowohl als Phänomen mit einer sozialen Handlungsdimension und ihrer diskursiven Verwobenheit verstanden als auch in ihrer direkten, phänomenologisch unmittelbaren Erfahrungsdimension von Schmerz und Leid:
"The discourse on violence develops a powerful discourse on the questions of how we understand ourselves and our position in society. As violence can be legitimized by orders and systems and the producing and maintaining of 'the good,' such as democracy and the monopoly on power and/or force, discourses of violence exclude, include, normalize and determine our morality, the good and the evil" (GULOWSKI 2018, S.173). [17]
In der sozialwissenschaftlichen Gewaltforschung wird demnach nach den Auswirkungen von Gewaltdiskursen auf Orientierungen und Überzeugungen geforscht und es werden Gewaltsituationen, -prozesse und -dynamiken sowie (sub-) kulturelle Kontexte, Körperlichkeit und Subjektivität untersucht. Dies ist besonders herausfordernd, wie bereits der Ethnologe und Psychoanalytiker DEVEREUX (1984 [1967], S.25) festhielt:
"Je mehr Angst ein Phänomen erregt, desto weniger scheint der Mensch in der Lage, es genau zu beobachten, objektiv über es nachzudenken und angemessene Methoden zu seiner Beschreibung, seinem Verständnis, seiner Kontrolle und Vorhersage zu entwickeln. [...] Es ist eine historische Tatsache, [...], dass die affektive Verstrickung des Menschen mit dem Phänomen, das er untersucht, ihn oft an einer objektiven Einstellung hindert". [18]
Mit Blick auf die Erforschung sexualisierter Gewalt lassen sich dann Fragen nach Sexualität und Gewalt als zwei sensitive Themen miteinander verknüpfen, deren Beziehung selbst wiederum politisch und wissenschaftlich hoch kontrovers diskutiert und umkämpft ist (LEE 1993). Die Debatte um das Verhältnis von Sexualität und Gewalt wurde durch BROWNMILLER eingeleitet, die mit "Against Our Will" (1993 [1975]) ein Standardwerk und einen Meilenstein der Frauenbewegung veröffentlichte. Darin vertrat sie die These, dass Vergewaltigung ausschließlich Macht und Gewaltausübung des Mannes gegenüber der Frau darstelle und in keiner Weise eine Form der Sexualität. Das Buch war ein Wendepunkt, da BROWNMILLER der Annahme, sexualisierte Gewalt sei der natürliche Ausdruck von Frustration einer nichtbefriedigten männlichen Sexualität, etwas entgegensetzte. Damit ermöglichte sie ein gesellschaftspolitisches Umdenken und juristische Reformen, die bis heute tragen. Gleichzeitig verlor damit aber die wissenschaftliche Auseinandersetzung bis heute aus dem Blick, welches möglicherweise spezifische Verhältnis Sexualität und Gewalt eingehen können (WOLTERS 2018). [19]
3.2 Interviewführung: Vulnerabilität als Methode
Neben spezifischen Themen werden qualitativ Forschende auch durch die methodische Umsetzung (Interviewführung, Erstellung und Auswertung der Transkripte) vulnerabel. Bei der Interviewführung lässt sich eine "Verwandtschaft qualitativer (Interview-)Forschung zu 'sozialen Berufen'" (REITER 2021, S.271) erkennen, die damit ähnliche Folgen und Herausforderungen zeitigt. Interviewforschung bedeutet wie Therapie oder Beratung immer auch Begegnung. Ob biografische, narrative oder problemzentrierte Interviews geführt werden, es besteht immer ein Kontakt mit den Geschichten und der in der Regel unmittelbaren physischen Präsenz der Gegenüber. Für McCLELLAND (2017) bedeutete bereits das engagierte Zuhören eine Verletzlichkeit bei den Interviewenden, sofern sich diese nicht gezielt distanzierten. Distanzierungsstrategien basieren jedoch alle auf der Annahme, dass Forschende sich von einem Kontakt nicht nur trennen sollten, sondern dies auch könnten. Zuhören hat aber immer Auswirkungen auf den Körper der Forschenden, und in guter qualitativer Forschung (wie auch Therapie oder Beratung) sollten die Forschenden sich als verkörperten Teil der Gesprächsdynamik reflektieren (S.343-344). Gerade die Interviewforschung hat eine lange Tradition in der psychologisch-psychotherapeutischen Forschung und in Forschungen zur Gesprächsdynamik. Sie baut auf einer gelungenen Beziehungsarbeit zwischen Interviewenden und Interviewten auf, ist auf die Balance zwischen Nähe und Distanz angewiesen, und es werden gezielte Gesprächstechniken benutzt (REITER 2021). Insbesondere die "klientenzentrierte Gesprächsführung" nach dem US-amerikanischen Psychologen und Psychotherapeuten Carl R. ROGERS wurde bei der Umsetzung bestimmter Interviewtechniken mehr oder weniger explizit aufgegriffen (REITER 2021, S.271). HELFFERICH (2011, S.49) verwies in diesem Zusammenhang auf die methodischen Ähnlichkeiten und Übergänge zwischen Beratung/Therapie und Interviews vornehmlich bei problemzentrierten Interviews (WITZEL & REITER 2013). Gemeinsam ist beiden Settings die konstruktivistische Prämisse, dass seitens der beratenden bzw. interviewend-forschenden Person die subjektive Realität der anderen Person als die gültige angenommen wird. Der Schwerpunkt der Beratung wie auch der Interviewführung liegt beim Zuhören, dem einfühlenden Verstehen und einer wertschätzenden und nicht beurteilenden Haltung. Im gemeinsamen Prozess zwischen Berater:innen und Klient:innen bzw. Interviewenden und Interviewten geht es dann um die tlw. auch dialogische Erarbeitung des Bezugsrahmens der Klient:innen bzw. der Interviewten. In diesem Prozess können auch Gefühle und Erfahrungen bewusst gemacht und freigesetzt werden, die den Klient:innen oder den Interviewten vorher nicht zugänglich waren. "Das Verhalten von Interviewenden bzw. Beratenden ist darauf zugeschnitten, diesen Prozess zu fördern (HELFFERICH 2011, S.49). [20]
Nach REITER (2021) birgt insbesondere das (biografisch-)narrative Interview Gefahren für die Interviewenden. Der asymmetrisch-monologische Charakter narrativer Interviews, die Prämisse nur zuzuhören und so wenig wie möglich zu intervenieren, mache nach ROSENTHAL (2003) das "Mitleiden" mit den Interviewten geradezu konstitutiv für diese Methode (REITER 2021, S.273). KÜSTERS sprach in diesem Zusammenhang auch von einem erzählanregenden Schweigen, d.h., auch wenn die Interviewenden das Erzählte nicht bewerten und den Gesprächsfluss unterbrechen, so gehen sie doch mit den Emotionen der Interviewten mit und – je nach Situation – lachen, werden ernst oder zeigen sich verständnis- und teilnahmsvoll (2009, S.58). KÜSTERS verwies hier auf LOCH (2002), die festhielt, wie unterstützend es gerade bei Interviews mit traumatisierten Menschen sei, wenn die Interviewenden die Bewältigungsstrategien der Interviewten übernähmen. Gleichzeitig sind es aber gerade Folgen und Strategien bei einer PTBS, die narrative Interviews schwierig für Interviewende machen (HAUBL 2003). Neben dem Umgang mit Wiederholungszwängen, Dissoziationen und Hyperarousal wird auch die Beziehung zwischen Interviewenden und Interviewten herausgefordert. Gerade die Nähe-Distanz-Regulation ist bei Menschen mit PTBS oft gestört und unterliegt einem abrupten Wechsel. Es kann schnell zu einer Idealisierung der Interviewenden durch Nähe oder einer Dämonisierung durch Distanz kommen. In diesem Spannungsverhältnis muss sich die interviewende Person behaupten. Eine durch die Interviewten wahrgenommen Ambivalenz bei den Interviewenden kann als Vertrauensverlust erlebt werden (S.69-70). [21]
Spaltet die interviewte Person ihre Emotionen infolge der Traumatisierung ab, spricht sie also teilnahmslos und scheinbar ohne emotionale Regung über traumatische Erfahrungen, kann sich zudem eine projektive Identifizierung (HAUBL 2003) entwickeln, d.h., die Interviewenden übernehmen nicht absichtsvoll Strategien der Interviewten, sondern reagieren stellvertretend mit den dissoziierten Emotionen ihrer Gegenüber. Sie spüren z.B. starke Angst oder Wut, obwohl die Interviewten nicht über diese Emotionen gesprochen hatten oder diese zeigten. HAUBL gab zu bedenken, dass Interviewende, die auf die Dynamik einer solchen projektiven Identifizierung nicht vorbereitet sind, sich in der Regel dysfunktional psychisch entlasten, indem sie z.B. nach den fehlenden Emotionen fragen und zu fordernde Nachfragen stellen. Im schlechtesten Fall kommt es so zu einer Reinszenierung der traumatischen Situation, "die ja gerade darin bestand, dass die betroffene Person die Grenze zwischen Innen- und Außenwelt nicht wahren konnte" (S.71). Leitend sollte hier sein, "sich ganz nach den Thematisierungsmöglichkeiten und -wünschen der Befragten zu richten und diese gegebenenfalls offen zu erfragen" (KÜSTERS 2009, S.68). [22]
Beim (biografisch-)narrativen Interview gehört es zur Methode, sich als zuhörend ohne größere Möglichkeiten der kommunikativen Steuerung zu verstehen. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu therapeutischen oder beraterischen Settings. Die interviewende Person setzt sich demnach intellektuell, emotional und körperlich den (Leidens-)Geschichten aus, ohne einen weiteren z.B. therapeutischen oder beratenden Auftrag zu haben. Deshalb sollte auch aus forschungsethischen Gründen klar kommuniziert werden,
"dass es nicht um eine 'Arbeit' auf emotionaler Ebene, eine personale Beziehung und eine Situationsdeutung bzw. eine Verstehensleistung innerhalb des professionellen Bezugssystems psychosozialer Hilfen gehen kann. Hier ist gerade die Fähigkeit zum Verzicht auf beratungsrelevante Interventionen und eine Zurückhaltung als Interviewende zentral" (HELFFERICH 2011, S.49). [23]
Denn gerade durch die persönliche Nähe ist den Interviewteilnehmenden nicht immer eindeutig bewusst, in welchem Setting sie sich befinden. Für die Forschenden ist es also eine Gratwanderung zwischen dieser klaren Unterscheidung und dem In-Beziehung-Bleiben als Konstitutionsbedingung für das Generieren von Narrationen. [24]
Im Anschluss an das Interview wird die Audiodatei üblicherweise in einer späteren Phase transkribiert. Auch hier setzen sich die Forschenden immer wieder als Zuhörende den zum Teil sehr belastenden Erzählungen der Interviewten aus. Nicht selten wird dieser Prozess eher als technisch denn als emotional verstanden. Dabei wird oft unterschätzt, dass die Transkribierenden das Material immer und immer wieder anhören (müssen) und dabei häufig alleine am Computer sitzen (McCLELLAND 2017). Gerade die Stimme, Klangfarbe und Tonlage der Audiodateien lassen lebhafte Bilder bei den Transkribierenden entstehen:
"cause you can hear the voice warbling and you can hear the silences and I can hear me, like sometimes at a silence—and my awkwardness and my uncomfortableness with the topic. It just broke my heart—I mean it broke my heart to hear the story and every time I came back to try and analyse that material it broke my heart" (DICKSON-SWIFT et al. 2007, S.337). [25]
WARR (2004) beschrieb zum Beispiel, wie eine Transkripteurin sich immer wieder an die zitternde Stimme eines jungen Obdachlosen erinnerte, der sich wiederholt an eine Brücke hängte und dabei riskierte, in den Tod zu stürzen. Immer wieder tauchten Bilder in ihr auf, die diese Geschichte für sie lebendig werden ließen. Sie sah den verzweifelten jungen Mann an der Brüstung hängen und ohne ihn jemals selbst kennengelernt zu haben, speicherten sich diese Sequenzen in ihrem sensorischen Gedächtnis ab. [26]
Qualitative (Interview-)Forschende werden also bei sensitiven Themen durch das methodische Vorgehen und die Zielsetzung in ähnlicher Weise wie Beratende, Therapeut:innen und andere Fachkräfte in helfenden Berufen vulnerabel. Auch wenn es Strategien der Distanzierung gibt, ist es gerade in der qualitativen Sozialforschung zu sensitiven Themen mittlerweile erwünscht, sich mit der eigenen Vulnerabilität auseinanderzusetzen. So beschrieb GILLIGAN im Gespräch mit KIEGELMANN (2009) den Umgang mit sensitiven, oft tabuisierten Themen in der qualitativen Forschung als einen Paradigmenwechsel:
"What had been taken as objectivity, a stance of non-responsiveness or neutrality, appeared instead as a stance of non-relationship that discouraged the expression of an honest voice. The research encounter is a relational encounter, and voice is sensitive to resonance, to relationship. Non-responsiveness was one relational option among many, a variable rather than a standard of objectivity, and the awareness of dissociation, the realization that people can know something without knowing that they know it, called into question the validity of a range of methods used by psychologists" (§15). [27]
3.3 Gefahren, Risiken und Kosten qualitativer Forschung
Fragen nach persönlichen Kosten, Gefahren und Risiken der insbesondere qualitativen Forschung wird im angloamerikanischen Sprachraum bereits seit längerem nachgegangen, während die Debatte in Deutschland relativ jung ist (vgl. dazu exemplarisch LEE-TREWEEK & LINKOGLE 2002). So hielten ALEXANDER et al. bereits 1989 fest, dass Forschende im Umgang mit Betroffenen von Vergewaltigungen Reaktionen zeigten, die denen der Opfer ähnelten: "Many of the reactions reported by the researchers—sleeping disorders, emotional changes, somatizing, increased cautiousness, and the need for social support—closely parallel reactions experienced by rape victims" (S.60). In der angloamerikanischen Auseinandersetzung mit sensitiven Themen werden diese und andere emotionale Gefahren, Risiken und Kosten für die Forschenden stärker in die Analysen einbezogen und zum Teil selbst zum Gegenstand der Forschung. Im Ergebnis wurden als typische Symptome der PTBS, die sich ähnlich auch bei nicht primär Betroffenen zeigen können, das Wiedererleben (Intrusionen), die Vermeidung von Aspekten, die mit dem Ereignis im Zusammenhang stehen und die Übererregung (Hyperarousal) festgehalten (BAND-WINTERSTEIN, DORON & NAIM 2014; CAMPBELL 2002; DICKSON-SWIFT et al. 2007, 2009; JOHNSON & CLARKE 2003; RINEHART, NASON, YEATER & MILLER 2017; STOLER 2002). Hinzu kommen oft weitere Begleiterscheinungen wie Ängste, Ärger und Wut und depressive Verstimmungen, die sich in tiefer Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit niederschlagen können, der Verlust früherer Grundüberzeugungen und ggf. die Reaktualisierung eigener früherer Traumatisierungen. [28]
Die im Rahmen einer internationalen Studie der Sexual Violence Research Initiative (SVRI) erhobenen häufigsten emotionalen Reaktionen auf Forschungstätigkeiten zu sexualisierter Gewalt waren Wut, Schuld und Scham, Angst, Weinen und das Gefühl von Traurigkeit und Depressionen (COLES, ASTBURY, DARTNALL & LIMJERWALA 2014, S.100). DICKSON-SWIFT et al. (2007) befragten in ihrer Studie 30 Forschende sensitiver Themen, wie sich die Arbeit auf sie ausgewirkt hatte. Diese nahmen sich größtenteils als emotional desensibilisiert oder abgestumpft wahr, da sie im Laufe ihrer Tätigkeit eine so große Anzahl an hochproblematischen Erfahrungen geschildert bekommen hätten: "the extraordinary can become 'bizarrely ordinary'" (S.341). Dies führe als Reaktion zu einer Entfremdung von den eigenen Gefühlen. Die Durchführung qualitativer Forschung kann insbesondere im engen Kontakt (z.B. Interviews in Privatwohnungen) eine intensive Erfahrung sein, die auch das eigene Verhältnis zur Welt und Menschen tiefgreifend beeinflusst. So berichteten Forschende von einer allgemeinen Angst gegenüber Fremden oder der Angst, ebenfalls vergewaltigt zu werden (ALEXANDER et al. 1989, S.60). ROSENBLATT beschrieb, dass "[...] experiences interviewing individuals and families about heavy things in their lives have changed me as a human in relationship to other humans, have changed how I view myself and others" (2001, S.124, zit. nach DICKSON-SWIFT et al. 2007, S.343). [29]
Schuldgefühle und Scham äußerten sich dabei unterschiedlich. Manche Forschende entwickelten Schuldgefühle während des Interviewprozesses aus Angst, seelische Wunden aufzureißen, andere waren besorgt über die Auswirkungen der Erhebungen, insbesondere weil man die Teilnehmenden nach dem Interview sich selbst überließ (DICKSON-SWIFT et al. 2007, S.343). Durch die Begegnung mit einem Menschen, der über hoch belastende Erfahrungen spricht, entwickelt sich nicht selten ein ethisches Verantwortungsgefühl, wenn das Interview beendet ist und man den Raum und die Situation verlässt. Die Herausforderung des "Letting go" beschrieben LALOR, BEGLEY und DEVANE (2006, S.611) als nicht zu unterschätzende Problematik. Andere Forschende berichteten von dem Gefühl, die Beforschten wegen ihrer Erfahrungen auszubeuten und zu benutzen, und dies besonders, wenn sie sich in einer Rollenkonfusion erlebten (JOHNSON & CLARKE 2003; NIKISCHER 2019). Denn die Rolle als Forschende:r unterscheidet sich professionell zwar von der Rolle einer befreundeten Person oder einer Person aus dem Hilfesystem, aber nicht immer auf der emotionalen Ebene. Es kommt zur Dissonanz zwischen dem, was man gegenüber der sich offenbarenden Person fühlt und der Rolle, die eingenommen wurde. "Maintaining a stance of detached objectiveness during the interview was unlikely to contribute to building a rapport with the participants, facilitate the sharing of deeply personal issues or even be possible on a human level" (LALOR et al. 2006, S.610). In meiner eigenen Forschung erlebte ich auch Gefühle wie Scham. Die Scham bezog sich dabei auf die Frage nach der Verhältnismäßigkeit und Rechtmäßigkeit der eigenen Gefühle als Forscherin. Ich schämte mich, wenn ich mich nach Interviews körperlich und emotional erschöpft fühlte oder wegen der beschriebenen Rollenkonfusion. Während ich lediglich Rezipientin war, sprachen die Interviewten über ihre eigenen Gewalterfahrungen. Unter Verweis auf LOFLAND und LOFLAND (1995, S.28) sprachen DICKSON-SWIFT et al. (2007) hier auch von einem "ethical hangover" (S.343). [30]
Auch der Auswertungsprozess kann von diesen Symptomen beeinflusst werden. STOLER (2002) berichtete, dass sie in ihrer Arbeit zunehmend prokrastinierte. Erst das Wissen darüber, dass es eigentlich ein psychologisch gesunder Mechanismus war, sich schmerzhaften und traumatischen Inhalten zu entziehen, ließ sie inneren Druck abbauen und ihre Arbeit abschließen. Ferner beschrieb sie während des Kodierprozesses Symptome des Hyperarousals wie Gereiztheit und extreme innere Anspannung bis hin zu Aggressionen, die sich gegenüber ihrem Partner und Freundinnen und Freunden entluden, und betonte die Relevanz der Möglichkeit zu einer Einordnung derartiger Phänomene, um besser mit solchen Situationen umzugehen (S.272). Auch ALEXANDER et al. (1989, S.60) beschrieben, insbesondere hinsichtlich des Gefühls von Ärger, Übertragungs- und Gegenübertragungsmomente. Wenn Interviewte sich bezüglich ihrer Traumatisierungen Vorwürfe machten, stellten sie außerdem fest, dass einige Forschende ebenfalls die Schuld dem Opfer übertrugen (s. zur projektiven Identifizierung HAUBL 2003). Diese Befunde sind sowohl mit Blick auf die psychische Gesundheit beider Parteien als auch für die Auswertung relevant. Einstellungen zu Täter:innenschaft und Opferschaft, die durch unreflektierte Emotionen und Gegenübertragungsphänomene den Auswertungsprozess leiten, produzieren eben auch unreflektierte Ergebnisse. [31]
Dies führt nochmal die Relevanz einer TSQF vor Augen, mit der qualitative Sozialforschung für psychotraumatologische Aspekte geöffnet wird. Aufgegriffen und zu Teilen institutionalisiert wurden diese Überlegungen in Deutschland im Rahmen der zweiten Förderlinie zur Forschung und Prävention sexualisierter Gewalt (2017-2020/21) der Bundesregierung. Unter anderem aufgrund der Erfahrungen mit der ersten Förderlinie (2011-2016) wurde die Bonner Ethikerklärung des BMBF verfasst, in der "Fragen zur ethischen Verantwortbarkeit und zu den rechtlichen Bedingungen ihres [der Forschenden] Handelns" (POELCHAU et al. 2016, S.153), behandelt wurden. Danach sollen Forschende in ihrer Selbstfürsorge unterstützt werden, um Retraumatisierungen der Beforschten und Sekundärtraumatisierungen bei ihnen selbst zu verhindern. Es wurde ausdrücklich empfohlen, Forschenden zu sexualisierter Gewalt Beratung und Supervisionsangebote bereitzustellen. Im internationalen Kontext erfuhren die Fragen nach den Risiken für Forschende zwar zunehmendes Interesse seitens der Ethikkommissionen, die systematische Erfassung der Implikationen von Risiken für Forschende fehlt aber weiterhin (WEBBER & BRUNGER 2018). Mit einer TSQF kann man diesem Anspruch gerecht werden, da hier die Ansätze der Psychotraumatologie und Sozialforschung miteinander verbunden werden. Dabei werden sowohl erkenntnistheoretische Grundlagen als auch die Spezifität sensitiver Themen berücksichtigt. [32]
4. Erkenntnistheoretische Chancen der Vulnerabilität
Im Anschluss an die Konzepte der Psychotraumatologie, mit deren Hilfe die besondere Vulnerabilität qualitativ Forschender zu sexualisierter Gewalt systematisiert werden konnte, wende ich mich abschließend den erkenntnistheoretischen Möglichkeiten zu, in der Forschung als ganze Person und nicht nur in selektiven Rollen in Beziehung zu gehen, auch wenn darin ein Risiko besteht. WEBBER und BRUNGER (2018) hielten sogar eine gewisse Risikobereitschaft für notwendig, um bestimmte Fragen zu erforschen, da die eigene risikoreiche Erfahrung im Feld das Potenzial berge, das Verständnis für den Gegenstand zu bereichern. Gerade wenn Forschende über ähnliche Erfahrungen (z.B. mit traumatischem Stress) verfügten wie die Interviewten, könne dies helfen, Wissen über ein spezifisches Feld zu erheben. Wenn sie auf ihre eigenen emotionalen Reaktionen und den Umgang damit achteten, unterstützte sie dies darin, die Kontextspezifität im Forschungsfeld besser zu verstehen (§6). Damit sind es vor allem Erfahrungen, die auch als Risiken und Gefahren wahrgenommen werden, die als wichtige Ressourcen mit erkenntnistheoretischer Qualität für eine traumasensitive Methodologie verstanden werden können. Wesentliche sozialwissenschaftliche Anknüpfungspunkte lassen sich bei DEVEREUXs Ideen zur Gegenübertragung, bei den Überlegungen zur eigenen Involviertheit als Forschende bei SIMMEL und WEBER sowie bei den intensiven Debatten zur Rolle des Forscher:innenselbst in der feministischen Tradition finden. [33]
4.1 Gegenübertragung als Teil sozialwissenschaftlicher Methodologie
Durch die intensive und herausfordernde Auseinandersetzung im qualitativen Forschungsprozess kann es, wie gezeigt, zu Phänomenen der Übertragung und Gegenübertragung kommen. Die Gegenübertragung ist ein Konzept, das auch Möglichkeiten zur Erkenntnisgewinnung beinhaltet und einen Brückenschlag in die sozialwissenschaftliche Erkenntnistheorie und Methodologie erlaubt. FREUD (1905) hatte Übertragungen für die Psychoanalyse als in Patient:innnen aufkommende "Neuauflagen, Nachbildungen von Regungen und Phantasien [...] durch die Person des Arztes" (S.68) beschrieben. Nach FERENCZI können auch alltägliche Kleinigkeiten Übertragungen auslösen: "Die Haarfarbe, einige Gesichtszüge, eine Geste des Arztes, die Art wie er die Zigarette hält, die Klangähnlichkeit oder Gleichheit des Vornamens mit dem einer bedeutungsvoll gewesenen Person: selbst solche entfernten Analogien genügen, um die Übertragung herzustellen" (2012 [1910], S.7). Als Gegenübertragung wird das unbewusste Reagieren auf diese Übertragung durch die therapeutische Person verstanden (LEMKE 2017, S.85). Mit dieser sehr allgemeinen Definition kann sicher nicht der gesamte Diskurs zu Phänomenen der Übertragung und Gegenübertragung abgebildet werden, sie kann aber als Annäherung dienen für das, was mit Blick auf die Anwendung in den Sozialwissenschaften relevant ist. [34]
DEVEREUX hat sich Ende der 1960er Jahre prominent mit der Relevanz von Übertragungs- und Gegenübertragungsphänomen für die sozialwissenschaftliche Methodologie auseinandergesetzt. Er wird insbesondere bei der Frage nach der Subjektivität und Selbstreflexion der Forschenden rezipiert (BERESWILL 2003; BREUER, MUCKEL & DIERIS 2019; BREUER et al. 2014; LEITHÄUSER & VOLMERG 1988; MRUCK & MEY 1996a, 1996b; WINTER 2014). In "Angst und Methode in den Verhaltenswissenschaften" (1984 [1967]) entwickelte DEVEREUX auf Grundlage der freudianischen Psychoanalyse die These, dass es entsprechend der Übertragung in der Psychoanalyse gerade die Gegenübertragung sei, die das Erheben der elementarsten Daten über die Natur des Menschen ermögliche. Allerdings löse dies immer auch Ängste in den Forschenden aus, die zu Abwehrstrategien führten und die deshalb Teil der zu beforschenden Situation sein müssten. Abwehrstrategien seien kontingent und hingen vom sozialen Hintergrund und der je eigenen Persönlichkeit der forschenden Person ab, also z.B. von Alter, Geschlecht, sozialem Status, der Herkunft und den je eigenen biografischen Erfahrungen. Die eigene emotionale Beteiligung an der Forschungssituation müsse daher offengelegt werden, da der Forschungsgegenstand nicht jenseits der Subjektivität der Beobachtenden gesehen werden könne. Weil es jedoch keinen eindeutigen Weg der Selbstreflexion in der Forschung gebe, entwickelten Forschende eben jene Abwehrmechanismen als Methode, um die eigenen Ängste zu minimieren und das Arbeiten zu ermöglichen (vgl. die Prokrastination bei STOLER 2002).
"Gerade weil sie die Angst abbauen, verwandeln sich diese Manöver jedoch oft systematisch in wahrhafte Gegenübertragungs-Reaktionen, die zu einem zwanghaften Ausagieren führen, das sich als Wissenschaft maskiert. [...] Ein beträchtlicher Teil der professionellen Abwehrstrategien sind einfach Variationen der Isolierungsstrategie, die angsterregendes Material 'entgiftet', indem sie es verdrängt oder seinen affektiven Inhalt und seine humane wie persönliche Relevanz leugnet" (DEVEREUX 1984 [1967], S.109). [35]
BEHAR (1996) verstand die vermeintlich objektive Selbstverortung als eine klassische Abwehrmethode, um Ängste in Erhebungssituationen zu reduzieren. In Situationen, in denen sich Forschende entscheiden müssten, nur zu beobachten oder einzugreifen und sich entsprechend mitschuldig oder hilflos fühlten, entzögen sie sich diesen Entscheidungen im Vorhinein, indem sie sich ausschließlich auf ihre Objektivität beriefen. DEVEREUX ging es aber weniger um ethische Fragen, als es bei BEHAR (1996) anklang. Obwohl er die Subjektivität allen sozialen Wissens konstatierte, war Selbstreflexivität für ihn kein Selbstzweck, sondern Methode. Die Anerkennung der Subjektivität und die Integration der Selbstreflexion waren Aspekte eines methodologischen Prinzips und des Strebens nach einer wahrhafteren Wissenschaft, in der eben jene Qualität des Menschseins nicht ausgeschlossen, sondern berücksichtigt wird.
"Eine authentische Verhaltenswissenschaft wird es dann geben, wenn ihre Vertreter erkannt haben, dass eine realistische Wissenschaft vom Menschen nur von Menschen geschaffen werden kann, die sich ihres eigenen Menschseins vollkommen bewusst sind, was vor allem bedeuten muss, dass dieses Bewusstsein in ihre wissenschaftliche Arbeit eingeht" (DEVEREUX 1984 [1967], S.22). [36]
Erhobene Daten seien demnach hinsichtlich des untersuchten Objekts zu entschlüsseln, aber eben auch hinsichtlich des Verhaltens der Forschenden und aufkommender "Störungen" in der Interaktion zwischen beiden (S.20). Damit rückte DEVEREUX Fragen nach der Subjektivität der Forschenden sowie der Relevanz der je eigenen spezifischen Interaktionsdynamik zwischen Forschenden und Beforschten ins Zentrum seiner Überlegungen. Ferner war es das "Verhalten des Beobachters: seine Ängste, seine Abwehrmanöver, seine Forschungsstrategien, seine 'Entscheidungen' (d.h. die Bedeutung, die er seinen Beobachtungen zuschreibt)", die DEVEREUX als Gegenübertragung und als Ausgangspunkt seiner Ethnopsychoanalyse verstand. Gleichsam ist es auch jener Aspekt, den BREUER et al. (2019) als "Skandalon der Devereuxschen Methodologie" (S.97) bezeichneten: Der Aspekt der Gegenübertragung finde "in der kanonischen Auffassung der Sozialwissenschaften kaum einmal Aufmerksamkeit [...]. Im Forschungsprozess und im Forschungskontakt ausgelöste Resonanzen am Leib/Körper der Forschenden, im psychoanalytischen Vokabular als Gegenübertragungen bezeichnet: Assoziationen, Phantasien, Wiedererkennen, Gefühlsregungen jeglicher Art, spontane Reaktionsmuster u.ä." (a.a.O.) seien Betrachtungsweisen, auf die sich herkömmliche wissenschaftliche Traditionen bislang wenig einließen. Selbst im Bereich qualitativer Methodologien blieben wertvolle Überlegungen DEVEREUXs lange weitgehend unbeachtet (MRUCK & MEY 1996a, S.6). [37]
4.2 Erkenntnistheoretische Vorüberlegungen zur eigenen Involviertheit als Forschende bei Georg SIMMEL und Max WEBER
Obwohl das Prinzip der Gegenübertragung lediglich bei DEVEREUX (1984 [1967]) umfassend methodologisch berücksichtigt und danach wenig weiterverfolgt wurde, sind Spuren ähnlicher Ideen und Fragen nach der Relevanz der eigenen Involviertheit Forschender bereits in den frühen Sozialwissenschaften auszumachen. Lange Zeit hat sich jenseits der qualitativen Forschung die Tradition durchgesetzt, das eigene Forscher:innenselbst weitestgehend aus den Sozialwissenschaften herauszunehmen, sei dies epistemologisch z.B. durch eine quantifizierbare Objektivität oder auch sprachlich in der Vermeidung der Verwendung der ersten Person Singular. [38]
Die Trennung zwischen Forschungsobjekt und Forschendensubjekt ist aber keineswegs durchgängig angelegt gewesen. SIMMEL (1892) widmete sich in seiner Arbeit über das Problem der Geschichtsphilosophie den Grundlagen der Erkenntnistheorie. Er fragte sich: "Denn woher als aus der eigenen Seele sollte ich denn das Material für Erkenntnis und Verständnis der anderen nehmen, die sich doch eben nicht lesbar vor mir ausbreitet?" (1918, S.5). Er hielt fest, dass das wissenschaftliche Erkennen ein Prozess sei, der eine Beziehung zwischen beiden Seiten voraussetze, die unumgänglich und gleichzeitig sei. Vollständige Objektivität sei nicht möglich, da Erkennen ausschließlich "von dem Subjekt selbst vollzogen werden kann" (1892, S.16). SIMMEL verstand das Erkennen als einen gleichzeitigen Vollzug eigener und anderer innerer Prozesse. Er problematisierte, dass wissenschaftliches Erkennen psychologische Voraussetzungen habe, die aber nicht adressiert, sondern wie selbstverständlich "ungeprüft und unmethodisch" (S.6) hingenommen würden. Er sah die Schwierigkeit darin, "dass die so produzierten Vorgänge in mir doch zugleich nicht die meinigen sind" (S.16). Aufbauend auf diesen erkenntnistheoretischen Überlegungen widmete er sich später dem Verstehen des/der Anderen (1918), das auch das Verstehen ihrer inneren Prozesse beinhalte und nicht im unmittelbaren Wahrnehmen des Äußeren der anderen Person aufgehe. Das Verstehen innerer Prozesse des/der Anderen müsse immer eine Art "Hineinverlegung selbsterlebter Innenereignisse" (S.5) sein. Gleichzeitig impliziere dies allerdings, dass nur Formbekanntes und -gleiches erkannt und verstehend vollzogen werden könne und die eingangs zitierte Frage damit eine rhetorische bleibe. Er problematisierte an einer solchen "Theorie des Einfühlens" (S.10), dass die Forschenden methodisch bereits vorab wissen müssten, welche eigenen inneren Anteile sie in den anderen Personen zu erkennen suchten. An diese Kritik schloss er dann den Hinweis an, dass es sich beim Verstehen des/der Anderen, der "Einverleibung der eigenen Seele in den anderen" (S.10), nicht um das Eigenerleben handele, das Formgleiches suche. [39]
SIMMEL schaffte es mit seinen weiteren Überlegungen, dieses Moment des Ereignisses zwischen dem Forscher:innenselbst und der beforschten Person als Teil der Datenerhebung eigener Qualität auszuweisen und in den Fokus zu rücken. Man könne
"diese Schwierigkeit, der die Eigenerfahrung als angebliche Bedingung des Verständnisses begegnet, nicht dadurch beseitigen, dass man zugibt: natürlich decke der selbsterlebte Seelenvorgang nicht ganz genau den des anderen; man müsse an jenem irgendwelche Umformungen, Umstimmungen, gewisse Änderungen der Quantität und Qualität vornehmen. Denn damit, dass man die Differenz zwischen beiden zu einer unbedeutenden oder formalen macht, ist sie nicht leichter zu überwinden; und wo überhaupt gibt es den Maßstab, der sie objektiv als größer oder kleiner zu beurteilen gestattete?" (S.9). [40]
Diese von SIMMEL beschriebene Differenz ist eben jener chiastische Moment der Beziehung und Erfahrung zwischen Forscher:innenselbst und beforschter Person, der einer vermeintlichen Objektivität nicht nur gegenübersteht, sondern jenseits davon auf eine andere, eine relationale Qualität verweist. Dieser so in den Fokus gerückte relative Erfahrungs- und Beziehungszusammenhang, der eine eigene unmittelbare Realität darstellt, wird gerade in der qualitativen Forschung so relevant, wenn es sich um sensitive Forschungsthemen handelt. Denn genau hier gibt es ein besonders aktives Innenerleben auf beiden Seiten, das, teilt man SIMMELs epistemologische Annahmen, Datum ist, wenn es darum geht, Gewalterfahrungen auch qualitativ verstehend nachzuvollziehen. Die von WITZEL und REITER (2013) bereits angesprochene Involviertheit Forschender (S.16) kann so umfassender erkenntnistheoretisch verstanden werden. [41]
Auch WEBER (1922) hatte u.a. im Anschluss an SIMMEL wichtige erkenntnistheoretische Grundsteine bezüglich eigener Involviertheit gelegt. Dabei griff er den beschriebenen erkenntnistheoretischen Aspekt SIMMELs auf, wonach "[d]as Verstehen eines ausgesprochenen Satzes besagt, dass die Seelenvorgänge des Sprechenden, die in die Worte ausliefen, durch eben diese im Hörer erregt werden" (1892, S.14). Allerdings kritisierte er diese Ausführung als psychologistisch und methodisch ungenau (WEBER 1922, S.94) und rekurrierte auf den Begriff der Einfühlung von LIPPS (1903) als "eigenes (inneres) Tun, also nicht etwa ein bloßes phantasiertes, d.h. zum Objekt einer Vorstellung gemachtes Tun" (WEBER 1922, S.106). [42]
Weber begriff Verstehen als einen Vollzug des Deutens und Erfahrens, ohne dass diese Kategorien sich gegenüberstünden oder identisch wären. Vielmehr seien sie im Vollzug aufeinander verweisende Kategorien, ein Prozess, der in den Sozialwissenschaften entsprechend eine andere Qualität habe als in den Naturwissenschaften (S.115). Soziologische Deutung könne entweder rational, z.B. mathematisch, oder eben auch "einfühlend nacherlebend" erfolgen. Evident sei dann "das in seinem erlebten Gefühlszusammenhang voll Nacherlebte" (S.504). Affektzustände wie z.B. Angst, Zorn, Eifersucht oder Rachegefühle müssten Forschende aber nicht zwingend kennen, um sie zu verstehen. Sie könnten diese über die Begegnung mit der anderen Person "sinnhaft einfühlend [...] verstehen und [...]" evident deuten (S.505). Das deutende Selbst ist hiernach also Instrument und Resonanzkörper wissenschaftlicher Erkenntnis. [43]
Dennoch empfahl WEBER methodisch das Primat des Rationalen gegenüber den Affekten. So entwertete er "affektuell bedingte Sinnzusammenhänge" des Deutens als "Ablenkungen" und "Störungen" (S.505), die aus dem Forschungsverlauf herauszurechnen seien. Aber auch wenn er daran anschließend eine rationalistische Methodologie vorschlug, war er doch erkenntnistheoretisch wesentliche Referenz und Vordenker. Er übersetzte vermeintlich psychologistische Übertragungs- und Gegenübertragungsphänomene als gleichzeitigen Vollzug des Deutens und Erlebens für die Sozialwissenschaften. Damit konzeptionierte er Verstehen als beziehungshaft und ging einer dann vor allem von DEVEREUX ausgearbeiteten Methodologie voraus. [44]
4.3 Eigene Orte der Wissensproduktion: das Forscher:innenselbst in der feministischen Tradition
Während die dominante sozialwissenschaftliche Forschungstradition des 20. Jahrhunderts durch die Vorstellung von Objektivität als Gütekriterium geprägt wurde, betonten insbesondere feministische Autor:innen die Unredlichkeit eines solchen Objektivitätsanspruchs. LETHERBY (2002, S.94) zitierte OKELY (1992, S.9), die analog zum Slogan der feministischen Bewegungen, wonach das Private politisch sei, feststellte, dass in einem akademischen Kontext das Persönliche auch theoretisch sein müsse. Feministische Wissenschaftler:innen forderten daher das Forscher:innenselbst offenzulegen. Methodologisch sei damit die Relevanz einer transparenten Forscher:innenbiografie unterstrichen. Die Leser:innenschaft sollte einen Zugang zum persönlich-kontextuell verorteten Begründungsprozess der jeweiligen Untersuchung bekommen. Dies böte Antworten auf die Fragen, wie Forschende zu ihrem Thema in Beziehung stünden und welche Rolle dies für die Ergebnisse der Forschung spielte (LETHERBY 2002). Dabei musste der Kritik begegnet werden, dass der Fokus auf diese erkenntnistheoretischen Fragen bloße Nabelschau oder eine Form der Selbstüberhöhung sei. LETHERBY wies dies zurück, da das reflektierte Hinterfragen der eigenen Involviertheit auch methodologisch berücksichtigt werden müsse. Sie bezeichnete das autobiografische Ich in der Wissenschaft als forschend und analytisch und erkannte somit explizit an, dass Wissen kontextuell, situativ und spezifisch ist und sich je nach sozialem Standort (z.B. race, class, gender) der jeweiligen Wissensproduzierenden unterscheidet. [45]
Mittels dieses durch die feministische Perspektive gesteigerten Problembewusstseins etablierte sich ein Forschungsstrang, mit dem der Einbezug der Forschenden nicht nur ermöglicht, sondern als Gütekriterium eingefordert wurde. Insbesondere (auto-)ethnografische Studien sind in dieser Tradition entstanden und haben die qualitative Forschung maßgeblich beeinflusst. Allerdings hat die soziale Dimension der Standortgebundenheit der Forschung die schon bei SIMMEL (1892) beschriebenen psychologischen und emotionalen Momente, die nicht nur in der Beziehung, sondern auch in "inneren Seelenvorgängen" und im "Eigenerleben" stattfinden, zum großen Teil ersetzt, anstatt sie nebeneinanderzustellen. Somit werden zwar einige Texte als selbstreflexiv ausgewiesen, in denen die sozialen Positionen der Forschenden offengelegt werden, ohne dies aber erkenntnistheoretisch weiter zu erkunden und für die Wissensproduktion zu nutzen. [46]
BEHAR (1996) beschrieb diesen Umstand vor dem Hintergrund eigener Vulnerabilität. Je weniger die forschende Person von sich selbst preisgebe, desto weniger vulnerabel sei sie gegenüber Kritik. Gerade mit Blick auf sensitive Themen kann dies ein wichtiger Aspekt sein.
"The worst that can happen in an invulnerable text is that it will be boring. But when an author has made herself or himself vulnerable, the stakes are higher: a boring self-revelation, one that fails to move the reader, is more than embarrassing; it is humiliating. To assert that one is a 'white middle-class woman' or a 'black gay man' or a 'working-class Latina' within one's study of Shakespeare or Santeria is only interesting if one is able to draw deeper connections between one's personal experience and the subject under study" (S.13). [47]
Nun könnte man annehmen, dass die Auseinandersetzung mit eigenen Themen und deren Verbundenheit zum Forschungsgegenstand gerade dann eher zu vermeiden sei, wenn Forschung eben keine Nabelschau oder Selbstoffenbarung sein sollte. Allerdings konnte u.a. CAMPBELL (2002) besonders materialgesättigt zeigen, dass bei aller Vorbereitung des Forscher:innen-Teams die Trennung zwischen privatem Ich und Forsche:rinnen-Ich nur heuristisch möglich ist. Jedes Mitglied ihres Teams beschrieb sich als durch die Forschungen mit Betroffenen sexualisierter Gewalt nachhaltig verändert – sowohl mit Blick auf sich selbst und die Welt (S.8-10). Hinzu komme, dass ein hohes Maß an Selbstreflexion in der qualitativen Forschung zu sensitiven Themen gerade auf Aspekte des Forscher:innenselbst bezogen seien, die sonst eher nicht wahrgenommen würden. Diese "blinden Flecken" gelte es auf der persönlichen und zwischenmenschlichen und damit auch der wissenschaftlichen Ebene zu identifizieren (s. auch BAND-WINTERSTEIN et al. 2014). [48]
Besonders in der feministischen Forschung beheimatete Autor:innen widmen sich geschlechterbezogener Gewalt, Gewalt gegen Frauen und sexualisierter Gewalt. Sie wählten und wählen oft Themen, die ihnen selbst nahe sind und etwas bedeuten. Nach LETHERBY (2002) ist es forschungsrelevant, auf die eigenen persönlichen Erfahrungen zurückzugreifen und diese auch zu theoretisieren. Eigene Traumatisierungen könnten dann als Orte der Wissensproduktion umgestaltet werden. In der SVRI, dem weltweit größten feministischen Netzwerk zur Erforschung von Gewalt gegen Frauen und Kinder, wird schon seit rund zehn Jahren daran gearbeitet, eine evidenzbasierte Grundlage zur wissenschaftlichen Arbeit mit Betroffenen sexualisierter Gewalt aufzubauen und die Forschung zu sexualisierter Gewalt weltweit zu befördern. Die Wissenschaftler:innen orientieren sich an der Definition der vicarious traumatization von PEARLMAN und SAAKVITNE (1995) und wenden deren Theorie der Gegenübertragung zwischen Therapeut:in und Klient:in in Fällen sexualisierter Gewalt auf die Forschung an. Sie beschreiben die Veränderung des inneren Erlebens der Forschenden in Konsequenz einer empathisch-einfühlsamen und wiederholten Auseinandersetzung mit Betroffenen sexualisierter Gewalt. Dabei sei die Art und Weise, wie sich das vicarious trauma auf Forschende auswirke, unterschiedlich und prozesshaft und hänge von den je konkreten Personen, ihren Geschichten, von den angewendeten Forschungsmethoden und den beruflichen und privaten Kontexten ab. Unter Rückgriff auf VOLMERG (1988) fassen MRUCK und MEY (1996b) für die Sozialwissenschaft im Allgemeinen zusammen:
"Forschungsarbeit findet statt im Spannungsfeld zwischen den Regelsystemen, Konfliktfeldern und Abwehrmechanismen 1. der zu untersuchenden Person, Gruppe oder Institution, 2. der wissenschaftlichen Gemeinschaft, der die Forschenden zugehören und der sie genügen müssen, [...] und 3. den durch die eigene Person und ihre Biographie gesetzten Möglichkeiten und Grenzen [...]. Forschende müssen zwischen diesen verschiedenen Welt- und Wirklichkeitserfordernissen jonglieren [...]" (S.18). [49]
Die Balance zwischen diesen drei Aspekten zu halten, scheint angesichts der Möglichkeit einer vicarious traumatization umso herausfordernder, wenn die Regelsysteme, Konfliktfelder und Abwehrmechanismen aufgrund sensitiver Themen besonders aktiviert werden. Hierauf müsste vielmehr Augenmerk gelegt werden, um Forschung zu sexualisierter Gewalt angemessen durchzuführen. Die wirksamste Methode, Forschungen zu sexualisierter Gewalt adäquat zu fördern und zu unterstützen, ist laut SVRI "to develop and retain a skilled research workforce. Literature and models on how best to support sexual violence researchers in different countries and contexts is limited".3) Dieser Mangel kann auch heute noch für den deutschsprachigen Raum ausgemacht werden, wenngleich die Möglichkeit zur Datenerhebung in diesem Feld aufgrund der momentanen Konjunktur des Themas so gut wie nie zuvor ist. [50]
Den Problemen mit dem Umgang und der Wirkung sensitiver Inhalte und Traumata in der sozialwissenschaftlichen Forschung könnte besser begegnet werden, würden mehr Erfahrungsberichte von Forschenden veröffentlicht (KINARD 1996). Insbesondere zu sensitiven Themen qualitativ Forschende sollten in der Lage sein, die Auswirkungen ihrer Forschung sowohl auf die Teilnehmenden als auch auf sich selbst einschätzen zu können. Um dies zu erreichen, müssen sie auf mögliche Herausforderungen aufmerksam gemacht werden (DICKSON-SWIFT et al. 2007). [51]
Der professionelle Umgang mit Traumatisierungen bedeutet aber eben nicht die Vermeidung von Belastungen für Forschende und Befragte, sondern die informierte Aufklärung darüber, dass diese immer Teil dieser Art von Forschung sein werden. Wichtig sind daher die Entwicklung und die Einübung von Strategien des Umgangs mit Traumata. Insbesondere in Health Studies wurden bereits ergiebig Erfahrungen mit belastendem und traumatischem Stress bei der Durchführung von Forschungen zu sensiblen Themen erhoben (JOHNSON & CLARKE 2003; LALOR et al. 2006). Eine Erhebung für Deutschland über das Ausmaß an Belastungen für Forschende analog zur Erhebung der SVRI steht bislang aus. Hieran ließe sich orientieren, um die beim Runden Tisch "Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen" (BMJ, BMFSFJ & BMBF 2012) gemachten Forderungen gezielter und nachhaltiger in der akademischen Ausbildung umzusetzen und sexualisierte Gewalt auch wissenschaftlich zu enttabuisieren. [52]
Die in Abschnitt 2 erläuterten Ansätze der Psychotraumatologie könnten Sozialwissenschaftler:innen anwenden, um sich selbst im Umgang mit sensitiven Themen besser zu verstehen und Pathologisierungen vorzubeugen. In der englischsprachigen Literatur wurden bereits zahlreich Anregungen zum besseren Umgang mit sekundärtraumatischem Stress zusammengetragen. Der Fokus liegt hier 1. bei der Vermittlung von Informationen und einer guten Vorbereitung (COLES et al. 2014). Die Psychotraumatologie ermöglicht hier eine breite Auswahl an Fort- und Weiterbildungen, um zumindest psychoedukativ über Trauma und (sekundäre) Traumafolgen aufzuklären. Gleichzeitig sollte die Auseinandersetzung mit diesen Themen bereits im Studium erfolgen. Deren Integration in die Curricula der akademischen Ausbildung findet zwar immer wieder statt, aber relativ beschränkt, was die Anerkennung der Belastungsproblematik erschwert. Hinzu kommt 2. das Etablieren formeller Unterstützungsnetzwerke (COLES et al. 2014; DICKSON-SWIFT et al. 2007) ergänzend zu informellen Netzwerken mit Freund:innen und Partner:innen. Diese können zu einer Enttabuisierung der emotionalen Aspekte und Herausforderungen von Forschung innerhalb der Universitätskultur beitragen und ein akademisches Umdenken anregen (DICKSON-SWIFT et al. 2007, S.345) Gleiches gilt 3. für Self Care, ein Begriff, der eher selten in akademischen Kontexten verwendet wird, aber für Forschungen zu Gewalt stärker fokussiert werden sollte (COLES et al. 2014). Im Forschungsprozess sollten präventive Self-Care-Strategien gegenüber einer anschließenden Psychotherapie bevorzugt werden. Letztlich muss auch das Forschungsdesign 4. traumasensitiv gestaltet, und Stressoren wie zu kurze Projektlaufzeiten, zu wenig wissenschaftliches Personal und zu hohe Auswertungsbelastungen müssen vermieden werden. Dies gilt sicher für alle Forschungsdesigns, es darf aber nicht vernachlässigt werden, dass qualitative Forschungen zu sexualisierter Gewalt besondere Belastungen zeitigen. [53]
Darüber hinaus wollte ich aufzeigen, dass sich Forschende jenseits der pathologisierenden Aspekte sekundärer Stressbelastungen mittels der Konzepte der Psychotraumatologie selbst systematisch als Ressourcen in die Forschung einbringen können. Dazu ist es in Anlehnung an die Überlegungen zu einer TSQF (Abschnitt 3) wichtig, dass sie sich als vulnerabel verstehen und Machtasymmetrien in der Forschung stärker reflektieren. Dabei geht es nicht allein um den sozialen Standort (z.B. race, class, gender), sondern auch um das eigene innere Erleben. [54]
Eine beforschte Gruppe wie z.B. Betroffene sexualisierter Gewalt per se und ausschließlich als vulnerabel im Forschungsprozess zu begreifen, würde forschungsethische Debatten eher verkürzen und "in problematischer Weise homogenisieren und essentialisieren" (DITTMER & LORENZ 2018, §59). Mit der TSQF können Forschende dafür sensibilisiert werden, dass es sich um eine reziproke Vulnerabilität aller Beteiligten im Forschungsprozess handelt. Erst im Anerkennen der eigenen Vulnerabilität ist auch eine authentische Begegnung mit der/dem Gegenüber möglich. Gerade wenn es um die in der Forschung mit Betroffenen sexualisierter Gewalt beschriebenen Gefühle von Schuld, Scham und Ausbeutung geht, tragen die Annahme und Anerkennung, mit einer besonders vulnerablen Gruppe zu arbeiten, ohne sich selbst reflexiv zu verorten, nicht weit. "Dagegen geht mit der reziproken Anerkennung einer universellen Vulnerabilität – gerade auch in vermeintlich oder real mit Blick auf die Machtverteilung zwischen Forschenden und Beforschten konstruierten Forschungskontexten – die Möglichkeit, sich ethisch begegnen zu können, einher" (§60). [55]
Auch die eigene Involviertheit und Selbstreflexion sind wichtige und bekannte Aspekte jeder qualitativen Forschung. Fragen danach, was Forschende selbst mit in den Forschungsprozess nehmen und was die Beforschten in ihnen auslösen, sind für qualitativen Forschung essenziell wichtig (BAND-WINTERSTEIN et al. 2014). Konzepte aus der Psychotraumatologie können hier Sozialwissenschaftler:innen Begrifflichkeiten an die Hand geben, das zu benennen, was in ihnen vor, während und nach der Datenerhebung und -auswertung ausgelöst wird. Dies zu benennen, hilft nicht nur Pathologien vorzubeugen, sondern ist gleichzeitig systematisch Forschungsmaterial. [56]
Damit können traditionsreiche Forschungsstränge wieder aufgegriffen werden. Während sich mit DEVEREUXs Überlegungen zur sozialwissenschaftlich-methodologischen Relevanz von Übertragungs- und Gegenübertragungsphänomen die Erkenntnisse der Psychoanalyse, Psychotraumatologie und empirischen Sozial- und Gewaltforschung im Rahmen einer TSQF verbinden lassen, kann mit WEBER und SIMMEL eine für die TSQF wichtige erkenntnistheoretische Grundlage zur eigenen Involviertheit der Forschenden identifiziert und wieder aufgenommen werden. Dies gilt zum einen für SIMMELS Überlegungen zum chiastischen Moment der Beziehung und Erfahrung zwischen Forscher:innenselbst und beforschter Person, zum anderen für WEBERs Theoretisierung des einfühlenden Nacherlebens der Erfahrungen des/der (befragten) Gegenüber. Dies kann neben die feministischen Selbstreflexionen des sozialen Standorts (race, class, gender) gestellt werden. Damit lässt sich auch der Körper und die Psyche der Forschenden im gesamten Forschungsprozess berücksichtigen. "Qualitative researchers attempt to access the 'human story' and in order to do this it is important to remember the human side of the work" (DICKSON-SWIFT et al 2007, S.335). [57]
Ich danke den anonymen Gutachter:innen für das wertvolle Feedback und die damit aufgebrachten persönlichen und zeitlichen Ressourcen, genauso wie der sorgfältigen FQS-Redaktion. Außerdem bedanke ich mich bei den Kolleg:innen des Forschungskolloquiums des Lehrstuhls Politikwissenschaft, Friedens- und Konfliktforschung der Universität Augsburg für die hilfreichen Anmerkungen in einem frühen Stadium des Textes sowie Dr. Herwig REITER am Deutschen Jugendinstitut München für die inhaltliche Unterstützung. Ein ganz besonderer Dank gilt auch Simon FINKELDEI, Leiter des Abschlusskolloquiums der DeGPT-Zertifizierung am Trauma Hilfe Zentrum München, der zu diesem Beitrag ermutigt hat und Dr. Martin OPPELT für das umsichtige Redigieren und die hilfreichen Hinweise.
1) https://www.degpt.de/informationen/fuer-betroffene/trauma-und-traumafolgen/wie-%C3%A4u%C3%9Fern-sich-traumafolgest%C3%B6rungen/posttraumatische-belastungsst%C3%B6rung/ [Datum des letzten Zugriffs: 5. Januar 2022]. <zurück>
2) Medizinische "Leitlinien sind systematisch entwickelte Feststellungen ('statements'), um die Entscheidungen von Klinikern und Patienten über angemessene Gesundheitsversorgung für spezifische klinische Umstände ('situations') zu unterstützen" (LORENZ 1999, S.1). Sie werden von der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) koordiniert und nach den Qualitätsstandards S1-S3 klassifiziert. S3-Leitlinien haben die höchste wissenschaftliche Qualität. <zurück>
3) https://www.svri.org/research-methods/researcher-trauma-and-safety [Datum des Zugriffs: 3. Januar 2022]. <zurück>
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Rebecca GULOWSKI ist Soziologin, Konflikt- und Gewaltforscherin sowie Traumafachberaterin (DeGPT) und systemische (Trauma-) Therapeutin. Sie arbeitet als Anti-Gewalt- und Kompetenztrainerin und psychosoziale Beraterin mit Frauen, die Gewalt ausüben. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Konflikt- und Gewaltsoziologie, sexualisierte Gewalt, Partnerschaftsgewalt, (weibliche) Täterschaft, Opferschaft und Bystander sowie qualitative Methoden der Sozialforschung.
Kontakt:
Rebecca Gulowski
FrauenTherapieZentrum – FTZ München e.V.
violenTia, Beratung für Frauen, die in der Partnerschaft Gewalt ausüben
Implerstr. 38, 81371 München
E-Mail: rebecca.gulowski@ftz-muenchen.de
URL: https://www.violentia-muenchen.de
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