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Volume 22, No. 2, Art. 26 – Mai 2021

Methoden im Zentrum! Methoden ins Zentrum? Potenziale und Grenzen universitärer Methodenzentren für die Erweiterung der qualitativen Methodenausbildung

Fiona Kalkstein & Günter Mey

Zusammenfassung: Die sichere Anwendung von Methoden stellt eine Qualifikation auf vielen Ebenen dar. An deutschen Universitäten waren bis vor einigen Jahren nur wenige angegliederte Methodenzentren zu finden. Im letzten Jahrzehnt hat sich deren Anzahl angesichts staatlicher Förderlinien zur Qualitätsentwicklung der Lehre an akademischen Einrichtungen fast verdreifacht. Diesem Phänomen möchten wir im vorliegenden Beitrag nachgehen mit Blick auf die Frage, wie Methodenzentren an der Entwicklung und Einübung einer qualitativen Forschungshaltung und der sicheren Anwendung qualitativer Methoden mitwirken. Dafür haben wir die Angebote und Aktivitäten von elf Methodenzentren aus Deutschland und Österreich vor allem anhand ihres Internetauftrittes betrachtet und in Ergänzung Gespräche mit deren Mitarbeiter_innen geführt. Es zeigt sich, dass universitäre Methodenzentren ein beträchtliches Potenzial bergen, die qualitative Methodenausbildung zu erweitern und zu vertiefen. Grenzen zeigen sich vor allem dann, wenn die strukturellen Dimensionen, insbesondere unklare Perspektiven für die Mitarbeiter_innen sowie Angebotseinschränkungen infolge temporärer Förderung, hinzugezogen werden.

Keywords: Methodenlehre; Methodenzentren; qualitative Forschung; Lehr-Lern-Umgebungen

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

1.1 Zur Situation qualitativer Forschung in der Lehre

1.2 Strukturelle Veränderungen im Lehrbetrieb und Infrastrukturen

1.3 Zielsetzung des Beitrags

2. Methodisches Vorgehen

3. Ergebnisse: Aufgaben und Ziele der Methodenzentren

3.1 Zielgruppen und Angebote

3.2 Curriculare Integration der Angebote der Methodenzentren

3.3 Forschungsnahes Lernen: Methodenzentren als forschende Institutionen

3.4 Zusammenfassende Einordnung

4. Diskussion

Anmerkungen

Literatur

Zur Autorin und zum Autor

Zitation

 

1. Einleitung

1.1 Zur Situation qualitativer Forschung in der Lehre

Im Zuge des Aufkommens, der Ausbreitung und Ausdifferenzierung sowie der zunehmenden Etablierung qualitativer Forschung in der deutschsprachigen Wissenschaftslandschaft lassen sich vielfältige Konjunkturen ausmachen, die z.B. Jo REICHERTZ (2009) kartiert hat, um auf Trends und Gegentrends für Themen, Ansätze, Untersuchungsgegenstände sowie veränderte Adressat_innenkreise hinzuweisen. Er hat aber nicht explizit die Organisation von Methodenlehre als substanziellen Teil der Ausbildung sowie deren infrastrukturelle Voraussetzungen behandelt. Insofern wäre zumindest zu fragen, welchen Stellenwert die institutionelle Versorgung "guter Lehre" aufweist und welche Vorstellungen existieren, diese zu gestalten1) und zu sichern. [1]

In der Beantwortung dieser Fragen kann sicherlich festgehalten werden, dass – nach der Phase der (Wieder-)Entdeckung der qualitativen Forschung mit Fokus auf Methodenentwicklungen und darauf aufbauend ihrer Praxisbewährung und Anwendung (LÜDERS & REICHERTZ 1986; MEY & MRUCK 2007) – die Vermittlung (Lehre) und Aneignung (Lernen) methodischer Kompetenzen nach und nach ins Blickfeld geschoben wurden: zum einen durch die zunehmende Fülle an Einführungsbänden und didaktisch aufbereiteten Lehrbüchern2), zum anderen aber auch, indem vermehrt Vorschläge ausgearbeitet wurden, wie die Lehrangebote zu qualitativer Forschung als Teile der akademischen Ausbildung zu gestalten sind (FLICK et al. 2014; MEY 2008; SAGW 2010). Die Deutsche Gesellschaft für Soziologie hat bereits 2002 einen weitreichenden Vorschlag gemacht, um die qualitative Methodenausbildung gleichberechtigt zu ihrem quantitativen Pendant aufzubauen.3) Damit wurde sehr früh darauf reagiert, dass eine grundlegende Methodenausbildung vonnöten ist, nachdem sich abzeichnete, dass Studierenden wesentliche Kompetenzen fehlten, um angemessen qualitativ zu forschen. Konkret findet sich dies in einer Diagnose von Christel HOPF und Walter MÜLLER (1994, S.34f.), die bemängelten, dass Studierende vielfach Probleme hätten, "mit der Aufnahme von Feldkontakten, mit der Durchführung teilstandardisierter Interviews, mit der Fähigkeit zu beobachten, Beobachtungsprotokolle zu schreiben oder die Angemessenheit von Transkriptionen zu beurteilen". In anderen Disziplinen gab es zwar auch Überlegungen zum curricularen Aufbau von Lehreinheiten (z.B. bei BORTZ & DÖRING [1995, S.3] trotz der z.T. bis heute andauernden Marginalisierung qualitativer Forschung in der Psychologie), doch es gelingt in anderen Fachgebieten, verglichen mit der Situation in der Soziologie, sehr viel weniger, eine den Ansprüchen qualitativer Forschung genügende Lehre vorzuhalten, wie dies exemplarisch Margrit SCHREIER und Franz BREUER (2020) ausarbeiteten. Dabei mangelt es teilweise nicht nur an relevanten Lehrmaterialien oder auf das Fach hin ausgerichteten einschlägigen Veröffentlichungen, sondern es fehlen vor allem zeitliche und personelle Ressourcen, wie dies Rudolf SCHMITT (2007) für die Situation an Fachhochschulen anschaulich dargelegt hat (s. auch KANTER & MEY 2021). Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund wurde das 2008 von vielen Akteur_innen qualitativer Forschung formulierte Memorandum für eine fundierte Methodenausbildung in den Sozial- und Humanwissenschaften von insgesamt 20 wissenschaftlichen Gesellschaften und Fachgruppen ratifiziert (MEY & MRUCK 2014, S.20). Eingefordert wird darin eine Lehre, die in Umfang und Arbeitsform den methodischen Ansprüchen aus der (Forschungs-)Praxis Rechnung trägt, für die besondere Charakteristik qualitativer Forschung sensibilisiert, die forschungspraktische Logik eines qualitativen Forschungsstils plausibilisiert und eine begründete Methodenwahl und Anlage einer Studie auch unter Berücksichtigung forschungsethischer Richtlinien zu entwerfen hilft. [2]

Zwar hat sich vielerorts die Lehrsituation verbessert, allerdings hat sich kaum geändert, dass in Studiengängen angesichts der Ausdifferenzierung qualitativer Forschung nicht überall in gleicher Weise Ansätze und Methoden modular in "Breite" und "Tiefe" behandelt werden können. Vor dem Hintergrund des eingeschränkten Lehrangebots wurde bereits erstmals 2000 und seitdem jährlich im Februar der Magdeburger Methodenworkshop zur Qualitativen Bildungs- und Sozialforschung abgehalten, seit 2005 wird das Berliner Methodentreffen Qualitative Forschung (s. auch MEY & MRUCK 2009, 2014) in jedem Juli ausgerichtet und davon inspiriert seit 2011 das Schweizer Methodenfestival (s. auch ELLIKER 2017) im Turnus von zwei Jahren umgesetzt.4) Mittels dieser Großveranstaltungen ist auch die wachsende Vielfalt qualitativer Methoden deutlich sichtbarer geworden. Daneben hat sich insbesondere in der letzten Dekade auch ein Weiterbildungssektor mit Workshop-Angeboten für einzelne Verfahren entwickelt, die von diversen (auch privatwirtschaftlichen) Einrichtungen angeboten werden.5) Neben dieser außerhalb von Universitäten und Hochschulen organisierten Methodenausbildung und Forschungssupervision wurde inneruniversitär mit dem Ausbau von Promotionskollegs und Graduiertenzentren ein neues Terrain für den Erwerb von Methodenkompetenzen etabliert. Kennzeichnend für diese Angebote sind Methodenseminare, z.T. mit extern geladenen Workshopanbietenden sowie die Ausrichtung von Summer bzw. Winter Schools z.T. zu spezifischen Themenstellungen. Diese außer- und inneruniversitären Angebote beziehen sich jedoch kaum auf die grundständige Lehre. Sie sind vor allem an Postgraduierte, z.T. auch Lehrende (wissenschaftliche Mitarbeitende sowie Professor_innen) adressiert. [3]

1.2 Strukturelle Veränderungen im Lehrbetrieb und Infrastrukturen

Seit einigen Jahren bündeln sich diese Aktivitäten in der Einrichtung von Methodenzentren als eigenen Infrastrukturen, die vor allem an Universitäten – vereinzelt auch an Privat- oder Pädagogische Hochschulen – angegliedert sind oder sogar als integrale Servicebereiche fungieren. Methodenzentren übernehmen insofern Kernaufgaben der Vermittlung und Erweiterung von Methodenkompetenz für die jeweilige Institution, weisen aber gleichzeitig darüber hinaus, indem sie Beratungen, Workshops, Methodenwochen u.v.m. anbieten. Hervorzuheben ist ferner, dass universitäre Methodenzentren im Gegensatz zu Angeboten im Weiterbildungssektor direkt an forschende Institutionen angebunden sind und teilweise selbst als Forschungsinstitutionen operieren. Dies impliziert auch Möglichkeiten des forschenden Lernens, die für den Erwerb qualitativer Methodenkompetenz von besonderer Bedeutung sind und z.T. von den Methodenzentren fakultätsübergreifend unterstützt und begleitet werden (KOHLBRUNN, KUHLMANN, SCHEYTT, WELLER & GERHARTZ 2021). [4]

Eine Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten, aber auch Grenzen solch institutionalisierter Einrichtungen im Lehrbetrieb und im inneruniversitären Ausbildungssektor macht es zumindest erforderlich, auf die veränderten Rahmenbedingungen hinzuweisen: Denn zu Anfang des Jahrtausends wurde die Hochschullehre im Zuge der sogenannten "Bologna-Reform" mit der Umstellung der Studiengänge auf das Bachelor-/Master-System und den doppelten Abiturjahrgängen vor erhebliche Herausforderungen gestellt (WISSENSCHAFTSRAT 2017, S.7). Zeitgleich wurde die Grundausstattung der Universitäten nicht ausgebaut, teilweise gar deutlich gekürzt, sodass der Erwerb von Drittmitteln für die Finanzierung von Hochschulaufgaben immer wichtiger wurde. Da Drittmittel i.d.R. zweckmäßig an Forschungsprojekte gebunden sind und nur ein Bruchteil der Gelder in die Lehre fließen (DOHMEN & KREMPKOW 2014, S.19ff.), sind im letzten Jahrzehnt vonseiten des Bundes und der Länder diverse Programme und Wettbewerbe – wie z.B. "Qualitätspakt Lehre" oder "Zukunft Lehre" – initiiert worden, um die Qualität von Lehre und Ausbildung an den Hochschulen zu fördern (richtiger scheint: überhaupt sicherzustellen). Allerdings wurden mit den meisten Fördermitteln nur temporäre Ressourcen zur Sicherung der Lehrqualität und Etablierung neuer Strukturen bereitgestellt. Durch diese Finanzierungen sind nach Einschätzung des WISSENSCHAFTSRATs (2017) einerseits "erfreuliche Fortschritte in Gang gesetzt" (S.15) worden, ohne zu verkennen, dass andererseits "in großem Umfang befristet beschäftigtes Personal mit lehrbezogenen Aufgaben betraut wurde" (S.25). So ist zu befürchten, dass mit Auslaufen der Förderung dieses Personal und damit auch dessen umfangreiche Erfahrung dem universitären Betrieb verloren gehen. Betreffen die dargestellten Rahmenbedingungen die Lehre im Allgemeinen (z.B. KANTER, JÜRISCH & MEY 2019), so steht die qualitative Methodenlehre vor zusätzlichen Herausforderungen. Die Modularisierung des Lehrangebots und die Quantifizierung der Lehrinhalte durch ETCS-Punkte – als Ausdruck einer "Ökonomisierung des Studiums" (QUINDEL 2015, S.42) – stehen einer eingehenden Einsozialisierung und der Entwicklung einer "qualitativen Haltung" nach wie vor wenig förderlich gegenüber (BÖGELEIN & SERRANO-VELARDE 2012; TIEFEL & KONDRATJUK 2021). [5]

1.3 Zielsetzung des Beitrags

Vor dem Hintergrund der skizzierten Entwicklung qualitativer Forschung und der Organisation der Methodenausbildung möchten wir im vorliegenden Beitrag nach Darlegung unseres methodischen Vorgehens (Abschnitt 2) zunächst die Ziele, Aufgaben und Inhalte von Methodenzentren genauer betrachten (Abschnitt 3). Anschließend befassen wir uns mit den Potenzialen und Grenzen solch multimodal ausgerichteter Einrichtungen für die Erweiterung qualitativer Methodenkompetenz sowie die Konsolidierung qualitativer Forschung und Lehre an Hochschulen und Universitäten (Abschnitt 4). [6]

Wir hoffen dabei – vor dem Hintergrund der Debatten um eine fundierte Methodenausbildung sowie dem Umgang mit den besonderen Herausforderungen von Lehren und Lernen qualitativer Forschung – einige zentrale Fragen beantworten zu können. Hierzu gehört z.B., inwiefern Methodenzentren entgegen des üblicherweise linear-modularisierten Angebots die Chance bieten, flexibler auf Besonderheiten qualitativer Forschungspraxis auch in Lehr- und Ausbildungskontexten zu reagieren. Darüber hinaus ist von Interesse, ob diese Zentren die zunehmende Methodenvielfalt aufzugreifen und abzubilden in der Lage sind. Schließlich stellt sich mit Blick auf eine an der Forschungspraxis orientierte Methodenausbildung die Frage, welche Rolle Lehrformaten zukommen kann, die im Sinne des Konzepts des forschenden Lernens angelegt sind. [7]

Gleichzeitig sollen die Rahmenbedingungen näher betrachtet werden, innerhalb derer die Mitarbeiter_innen von Methodenzentren ihr Angebotsportfolio gestalten. Denn eine Vielzahl der neu entstandenen Zentren scheint durch Mittel des "Qualitätspakt Lehre" (QPL) (mit-)finanziert und dürfte mit dem aktuellen Auslaufen der Förderung vor der Herausforderung der nachhaltigen Etablierung ihrer Angebote stehen. Ein Teil der Mitarbeiter_innen ist jedoch auch für die curriculare Methodenlehre verantwortlich. Gelingt Methodenzentren die Verstetigung nicht, steht also nicht nur die Erweiterung und Verbesserung qualitativer Methodenlehre auf dem Spiel, sondern auch die Sicherung des Status Quo. [8]

Unsere Beschäftigung mit der inhaltlichen Ausrichtung und den strukturellen Voraussetzungen von Methodenzentren war auch aus Eigeninteresse vor dem Hintergrund des an der Hochschule Magdeburg-Stendal 2017 initiierten Arbeitskreises qualitativ_diskursiv motiviert.6) Dieser Zusammenschluss von Lehrenden verschiedener Fachgebiete soll nach Auslaufen des Bund-Länder-Förderprogramms "Qualitätspakt Lehre" (QPL-II) perspektivisch ausgebaut werden, um die Vermittlung qualitativer Methoden in Forschung und Lehre noch mehr zu konturieren und weiterzuentwickeln (dies durchaus abgestimmt auf die besonderen Herausforderungen einer Hochschule für angewandte Wissenschaften, vgl. dazu KANTER & MEY 2021): Denn während "qualitativ_diskursiv" primär auf eine Vernetzung von Forschenden/Lehrenden zielt, die mit qualitativen Methoden arbeiten (wollen), und im Rahmen der Treffen daher neben der Diskussion von Lehrkonzepten ein Austausch über Forschungsprojekte im Vordergrund steht, ist beabsichtigt, das Portfolio vergleichbar den üblicherweise an Universitäten sich etablierenden Methodenzentren auszuweiten – insbesondere durch Angebote für Studierende und Lehrende, die Unterstützung benötigen. Darüber hinaus sollen Promovierende (auch vor dem Hintergrund des in Aussicht gestellten Promotionsrechts an der Hochschule) sowie Mitarbeitende in Forschungsprojekten von dem Angebot profitieren. Die Ausweitung auf den "Mittelbau" erklärt sich damit, dass Drittmittelforschung auch an den ehemals sogenannten Fachhochschulen zunehmend gefordert und betrieben wird. Die Ergebnisse der im Folgenden vorgestellten Untersuchung sollen in dem Konzept des Ausbaus von "qualitativ-diskursiv" so weit wie möglich berücksichtigt werden. [9]

2. Methodisches Vorgehen

Ausgehend von Einrichtungen, zu denen wir u.a. infolge von Einladungen zu Vorträgen oder Workshops bereits Kontakt hatten und z.T. intensiver Austausch bestand, wurde im Sommer 2020 eine Internetrecherche vorgenommen, um einen ersten Gesamtüberblick über vorhandene Methodenzentren zu erhalten. Die Recherche wurde vor dem Hintergrund des zuvor dargelegten Interesses auf deutschsprachige Einrichtungen beschränkt, ungeachtet differierender Ausgangs- und Rahmenbedingungen z.B. in Deutschland oder Österreich. Für die Recherche via Suchmaschinen wurden die Stichwörter "Methodenzentrum" und "Methodenbüro" verwendet – zunächst mit, dann ohne Präfix "qualitativ" bzw. "qualitative Forschung" sowie mit/ohne Zusatz "Universität" und "Hochschule". [10]

Aus dieser Zusammenstellung wurden schlussendlich elf Methodenzentren berücksichtigt, die entweder ausschließlich auf qualitative Forschung zielen oder eine Mixed-Methods-Ausrichtung aufweisen. Eine ausschließlich quantitative Ausrichtung hingegen war ein Ausschlusskriterium (vgl. Tabelle 17)). Von diesen elf ausgewählten Zentren wurden im ersten Schritt der Analyse die Internetauftritte und die dort enthaltenen Informationen zu folgenden Aspekten untersucht:

Aufgrund dieser Apriori-Festlegung und mit dem Ziel, die verschiedenen Informationen zu bündeln, wurde das Material in der Logik der strukturierenden Inhaltsanalyse (KUCKARTZ 2014) geordnet. Auf diese Weise wurde auf deskriptiver Ebene eine Ausdifferenzierung der Angebotsformen, der adressierten Zielgruppen etc. vorgenommen, wie sie sich in der Tabelle 1 wiederfinden. Da nicht auf jeder Webseite die für uns interessanten Informationen gleichermaßen verfügbar waren bzw. einige Darstellungen (z.B. zu Förderungen) uneindeutig blieben, erfolgten nach einer ersten Ergebnisaufbereitung im Januar und Februar 2021 Kontaktaufnahmen zu den Methodenzentren – bevorzugt zu Mitarbeiter_innen aus dem qualitativen Bereich – mit der Bitte um ein Informationsgespräch. Dieses wurde bedingt durch die Covid-19-Pandemie per Telefon oder Videocall abgehalten. Themenschwerpunkte der durchschnittlich halbstündigen Gespräche mit Mitarbeiter_innen der Einrichtungen, die stichpunktartig festgehalten wurden, waren analog zur Webseitenaufbereitung: Zielgruppen und Angebote der Methodenausbildung (z.B. Beratung, Workshops, Lehrveranstaltungen, Methodenwochen etc.), Einbindung in Forschung und Lehre bzw. generell Tätigkeit(en) und Aufgabenfeld(er) der Mitarbeiter_innen sowie Fragen, die anhand der Internetauftritte unbeantwortet geblieben waren. Zudem wurden die Mitarbeiter_innen zu ihrer Einschätzung der Nutzung des Angebots durch die Zielgruppen sowie zu ihrer Einschätzung der Zukunft des Methodenzentrums befragt. Die telefonischen Angaben wurden im Sinne der strukturierenden Inhaltsanalyse zur Ergänzung, Vertiefung und Validierung/Korrektur der bereits erfolgten Auswertung verwendet und auch mit Blick auf Argumentationslinien für die Diskussion (Abschnitt 4) genutzt. [12]

Der Beitrag wurde den Interviewpartner_innen8) nach Fertigstellung vorgelegt, um mindestens die Angaben zu dem jeweiligen Methodenzentrum zu prüfen und falls nötig zu korrigieren. Diese sowie weitere Rückmeldungen, z.B. Hinweise auf Veröffentlichungen, wurden in die vorliegende Version eingearbeitet.

Methodenzentrum

Angebot

Vorrangige Zielgruppen

Methodenlehre/
Curriculum

Methodenzentrum für Geistes- und Gesellschaftswissenschaften der Ruhr-Universität Bochum

Beratung, Interpretationskolloquien, Methodenwochen, Workshops

Studierende

Promovierende

Dozierende

Angebot ausschließlich extracurricular

Methodenzentrum Sozialwissenschaften der Goethe Universität Frankfurt

Beratung, Workshops, Methodenwochen, Tutorien

Studierende

Dozierende

Mitarbeitende sind in Methodenlehre integriert

Quasus der Pädagogischen Hochschule Freiburg

Beratung, Interpretationskolloquien, Onlinetools

Studierende

Lehrende

Mitarbeitende sind in Methodenlehre integriert

Methodenzentrum Sozialwissenschaften der Georg-August-Universität Göttingen

Methodenlehre, Betreuung von Abschlussarbeiten, Beratung, Forschung

Studierende

Promovierende

Mitarbeitende sind für die gesamte Methodenlehre am Fachbereich verantwortlich

Methodenkompetenzzentrum der Universität Graz

Beratung, Workshops, Kooperation mit dem Netzwerk qualitative Forschung

Studierende

Promovierende

Dozierende

Wissenschaftler_innen

Angebot ausschließlich extracurricular

Methodenbüro der Universität Hildesheim

Beratung, Workshops, Interpretationsgruppe

Studierende

Promovierende

Mitarbeitende sind in Methodenlehre integriert

Kompetenzzentrum für empirische Forschungsmethoden der Universität Kassel

Beratung, Workshops, Vortragsreihen

Studierende Promovierende Wissenschaftler_innen

Angebot überwiegend extracurricular

Methodenzentrum der Leuphana Universität Lüneburg

Beratung, Workshops, digitales Angebot, Konferenzen, Tutorials

Studierende

Promovierende

Mitarbeitende sind in Methodenlehre integriert

Zentrum für Sozialweltforschung und Methodenentwicklung der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

Workshops, Fachtagung, Promotionsstudiengang, Tutorials

(Studierende)

Promovierende

Wissenschaftler_innen

Angebot extracurricular

Methodenzentrum an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen

Beratung, Spring und Summer Schools, Workshops, Ringvorlesungen, Forschung

Wissenschaftler_innen

Promovierende

Studierende

Dozierende

Mitarbeitende sind in Methodenlehre integriert

Kompetenzzentrum für empirische Forschungsmethoden der Wirtschaftsuniversität Wien

Beratung, Workshops, Kooperation, Forschung

Wissenschaftler_innen

Professor_innen

Mitarbeitende sind in Methodenlehre integriert

Tabelle 1: berücksichtigte Methodenzentren [13]

3. Ergebnisse: Aufgaben und Ziele der Methodenzentren

Die unterschiedliche Arbeitsweise von Methodenzentren (im Folgenden: MZ) im Hinblick auf die Vermittlung der Lehr- und Lernkompetenz qualitativer Methoden möchten wir für drei Kategorien darstellen, entlang der sich Unterschiede und Gemeinsamkeiten inhaltlich sinnvoll gruppieren ließen:

3.1 Zielgruppen und Angebote

In den Internetauftritten wird unisono als Kernaufgabe der MZ die Stärkung von Methodenkompetenz ausgewiesen. Dies umfasst die Vermittlung der Kenntnisse und Fertigkeiten, die als erforderlich erachtet werden, um auf der Grundlage von Fachwissen und Informationen Aufgaben und Probleme durch die Auswahl, Planung und Umsetzung sinnvoller Lösungsstrategien zu bewältigen (ORTH 1999, S.109). Methodenkompetenz sichert hiernach nicht nur die Qualität der Forschung, sondern qualitative Forschung wird zuweilen als eine Schlüsselqualifikation für die Berufspraxis und die Bewältigung überfachlicher Probleme verstanden (s. auch VÖLTER 2008), die entsprechend zentral gestellt werden sollte (s. dazu KUNZ, MEY, RAAB & ALBRECHT 2021). [15]

3.1.1 Studierende und Grundausbildung

Auf den Internetseiten der MZ werden diese Ansprüche unterschiedlich markiert, nicht zuletzt auch, weil verschiedene Zielgruppen angesprochen werden sollen. Das MZ Sozialwissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt am Main und das MZ für Geistes- und Sozialwissenschaften an der Ruhr Universität Bochum wurden bis Ende 2020 aus Mitteln des QPL-II gefördert und legten den Schwerpunkt auf die Verbesserung und Vertiefung der Methodenausbildung. Die Angebote richten sich vorrangig an Studierende und beinhalten vielfach methodisches Basiswissen. Mit dem Projekt "Starker Start ins Studium" verbindet das MZ der Goethe-Universität das Ziel, die Grundlagenausbildung zu verbessern und zu stärken. Zu den Angeboten gehören unter anderem Beratungen in Methodenfragen9) für Studierende der Fachbereiche Erziehungswissenschaften, Gesellschaftswissenschaften, Wirtschaftswissenschaften sowie Psychologie und Sportwissenschaften. Zudem wird eine jährliche Methodenwoche organisiert, die vorrangig an Bachelorstudierende gerichtet ist. In den Workshops werden innerhalb und außerhalb der Methodenwoche Grundlagen- und fortgeschrittene Methoden vermittelt. Bachelor-Studierende der Sozialwissenschaften können sich ihr extra-curriculares Engagement durch ein Methodenzertifikat bescheinigen lassen. Auch das MZ der Ruhr Universität Bochum sieht seine Aufgabe darin, den Aufbau qualitativer Interpretationskolloquien zu unterstützen, die jeweils methodenspezifisch arbeiten (z.B. Diskursanalyse, dokumentarische Methode, Grounded-Theory-Methodologie, qualitative Inhaltsanalyse) und Studierende und Promovierende ansprechen sollen, die mit einer der Methoden forschen. Es werden ferner Beratungsangebote für Studierende sowie regelmäßig stattfindende Methoden-Workshops aufgelistet. Ähnlich versteht sich das Projekt Quasus der Pädagogischen Hochschule Freiburg. Zusätzlich zu Beratungen und Interpretationskolloquien werden auf der Homepage digitale Selbstlerntools zusammengestellt. Unter der Rubrik "Wie forschen andere" wird anhand von Videointerviews "erfahrungsgebundenes Wissen"10) gebündelt und digital zugänglich gemacht. Die Webseite bietet einzelne Pfade an, die Orientierung im Forschungsprozess geben sollen (Wie kann ich vorgehen → Entscheidung treffen → Forschungsdesign entwickeln; Erhebungsinstrument entwickeln → Leitfaden entwickeln usw.). Die ersten Schritte qualitativer Forschung werden detailliert geschildert. Die Inhalte richten sich erkennbar an Studierende, es werden z.B. die Webseiten der Dozierenden der PH verlinkt, die Qualifikationsarbeiten auf Basis qualitativer Methoden betreuen. Obschon mit dem Angebot vornehmlich Studierende der eigenen Universität adressiert werden, wiesen die Mitarbeitenden darauf hin, dass die Webseite auch von Dozierenden und Angehörigen anderer Institutionen aufgerufen wird. [16]

Im Internetauftritt des fakultätsübergreifenden MZ der Universität Graz liegt der Schwerpunkt sowohl in der Grundlagenausbildung als auch in der Vermittlung weiterführender Kenntnisse und Fertigkeiten der empirischen Sozialforschung. Im Gespräch wurde dies bestätigt und ergänzend hinzugefügt, dass die Grundlagenkurse vor allem im quantitativen Bereich auf Nachfrage stießen, während für die qualitative Forschung eher vertiefende Kurse nachgefragt seien. Die Idee zum Aufbau eines MZ geht auf eine Initiative von wissenschaftlichen Mitarbeitenden gemeinsam mit zwei Professor_innen zurück, die einen Bedarf an Unterstützung und Beratung von Studierenden und Promovierenden erkannten, da diese in der methodischen Umsetzung ihrer Qualifikations- und Forschungsarbeiten vor teils gravierenden Schwierigkeiten standen. Im MZ werden Workshops und Beratungen angeboten, dabei stehen sowohl Grundlagen- als auch Kurse für Fortgeschrittene zur Auswahl. Sie werden "bedarfsorientiert angeboten und vermitteln spezielle Methodenkenntnisse"11) sowohl für qualitative als auch für quantitative Ansätze. [17]

3.1.2 Ergänzungen/Vertiefungen

Während die auf den Webseiten verfügbaren Informationen der bisher dargestellten MZ vor allem als Zielstellung markieren, Wissenslücken in basalen Methodenfragen zu schließen und die Mitarbeitenden damit – wie in den Gesprächen markiert wurde – auf umfangreichen Bedarf reagierten (s. auch BITZER et al. 2019), weisen andere MZ als Schwerpunkt lediglich die Vertiefung und Erweiterung der bereits existierenden Methodenausbildung aus. Bei diesen Angeboten wird tendenziell von einer Grundausstattung der Lehre ausgegangen und auf diese aufgebaut. Insofern richten sie sich oftmals an Studierende in der Qualifikationsphase und an Promovierende, teilweise auch an Wissenschaftler_innen und Dozierende. Im MZ Kassel wird als eine zentrale Aufgabe benannt, Studierende, Promovierende und weitere Wissenschaftler_innen der Universität bei empirischen Vorhaben, insbesondere bei der Erstellung einer Qualifikationsarbeit beratend zu unterstützen"12). Aufgeführt werden Angebote zu verschiedenen Methoden(-schwerpunkten), ferner eine regelmäßig stattfindende Summer School sowie eine Vortragsreihe. Während die Kasseler Summer School vorwiegend an Studierende und Promovierende gerichtet ist, ist es Ziel der Vortragsreihe, dass Professor_innen und andere fortgeschrittene Wissenschaftler_innen ihre Forschung vorstellen und die fachbereichsübergreifende Vernetzung und gemeinsamen Beantragung von Forschungsprojekten fokussieren. Das qualitative Angebot ist in der Methodenberatung unterrepräsentiert, aber insgesamt breit verankert. An der Universität Hildesheim – dort heißt die Einrichtung "Methodenbüro" und hat zwei Mitarbeitende – bilden "methodische In-Prozess-Begleitung und -beratung bestehender Forschungsprojekte"13) den Arbeitsschwerpunkt; dabei ist eine Person für die qualitative, die andere für die quantitative Beratung zuständig. Das Angebot wird ebenfalls als Ergänzung und Vertiefung zur curricularen Methodenausbildung und Betreuung durch Dozierende und Professor_innen verstanden. Die auf der Homepage ausgewiesenen Beratungs- und Fortbildungsangebote umfassen sowohl Einführungen (Grundlagenkenntnisse), als auch Vertiefungen. In vergleichbarer Weise gibt das MZ der Leuphana Universität Lüneburg als Ziel aus, Studierenden "Expertise" zugänglich zu machen, die die "Methodenausbildung an den Studiengängen ergänzt und vertieft"14), um die Methodenkompetenzen der Studierenden und Promovierenden zu stärken. Mit der Methodenberatung und der Methodentoolbox findet sich ein Angebot für Promovierende, Mitarbeiter_innen, Wissenschaftler_innen sowie Studierende, die sich in Methodenfragen weiterbilden möchten. [18]

Bei MZ, die sowohl Studierende als auch Promovierende und Wissenschaftler_innen adressieren, liegt der Fokus zumeist auf Studierenden und Promovierenden oder auf Wissenschaftler_innen und Promovierenden. Letztere Zielgruppe spricht das Angebot des Tübinger MZ an, ein 2019 gegründetes Institut an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät, zu dessen Portfolio auch "Spring/Summer Schools, Blockseminare, Workshops, Ringvorlesungen etc." gehören. Die seit 2012 stattfindenden Spring und Summer Schools zu qualitativem Forschen – entstanden in Kooperation mit den Instituten für Soziologie und Erziehungswissenschaften – sind seit Gründung des MZ dort verankert. Eine ähnliche Ausrichtung weist das an der Otto-von-Guericke-Universität (OvGU) angegliederte Magdeburger Zentrum für Sozialweltforschung und Methodenentwicklung (ZSM) auf, das aus dem Zentrum für qualitative Bildungs-, Beratungs- und Sozialforschung (ZBBS), einem Verbund der Universitäten Halle und Magdeburg, hervorgegangen ist. Die Angebote sind ausschließlich qualitativ. Die Mitglieder organisieren einmal jährlich den "Magdeburger Methodenworkshop zur Qualitativen Bildungs- und Sozialforschung" sowie eine Fachtagung (vormals "Nachwuchstagung"). Zusätzlich existiert ein Promotionsstudiengang für qualitativ Promovierende, und es wird auf Tutorials zu Methoden für alle Statusgruppen hingewiesen. Regelmäßig stattfindende Kolloquien ergänzen das Angebotsportfolio. Während die MZ Tübingen und Magdeburg mit ihrem Angebot vorrangig auf Studierende und/oder Postgraduierte abzielen, hält das MZ der Wirtschaftsuniversität Wien ein Angebot vor, das sich gleichermaßen an Postgraduierte, Lehrende, Professor_innen und Mitarbeiter_innen wendet. Dazu finden sich Hinweise auf Unterstützungs- und Beratungsangebote zur methodischen Umsetzung sowohl für laufende Forschungsarbeiten als auch für geplante Drittmittel-Forschungsprojekte. [19]

3.1.3 Professionalisierung

Eine dritte Zielgruppe sind Dozierende der Methodenlehre, für die an einigen MZ zur Sicherung der Lehr- und Ausbildungsqualität eigene Services vorgesehen sind. Das MZ der Ruhr Universität Bochum sowie das Grazer MZ unterstützen Lehrende bei der Planung und Durchführung von Lehrveranstaltungen. Am MZ der Universität Tübingen werden sog. Plug-ins für Lehrende angeboten, d.h. "Einzelvorträge zu bestimmten Themen im Rahmen eines Seminars oder einer Vorlesung, aber auch Workshoptage zur empirischen Forschungspraxis"15), die in curriculare Lehrveranstaltungen eingebaut werden können. Auch das MZ der Goethe-Universität Frankfurt am Main weist auf ein umfassendes Angebot für Lehrende und Tutor_innen hin. Dass der Bedarf an Unterstützung für Lehrende und Forschende (auch auf professoraler Ebene) durchaus gegeben ist, zeigt die Arbeitsweise des MZ der WU Wien, dessen Angebote sich vorrangig an diese Zielgruppe (sowie Doktorand_innen) richten. [20]

3.2 Curriculare Integration der Angebote der Methodenzentren

Die auf den Webseiten der MZ aufgelisteten Angebote, die dem übergeordneten Ziel der Sicherung und Erweiterung von Methodenkompetenz der jeweiligen Zielgruppen dienen sollen, differieren nicht nur erheblich, wie im letzten Abschnitt gezeigt wurde, in der Frage der Adressierung, sondern auch im Verhältnis zur curricularen Methodenausbildung. Ob ein MZ extern oder eher als Serviceeinrichtung bzw. Methodenabteilung eines Fachbereichs organisiert ist, beeinflusst das Selbstverständnis, die Außenwahrnehmung, die Aufgaben der Mitarbeiter_innen sowie die Angebotsstruktur des jeweiligen MZ. [21]

Beratung und Workshops von Quasus an der PH Freiburg, des Bochumer und des Grazer MZ sind beispielsweise ausschließlich extracurricular – also ergänzend/unterstützend zum Curriculum – konzipiert: Das Angebot wird als niedrigschwellig verstanden und soll eine Begleitung für Studierende und Doktorand_innen parallel zu der offiziellen Betreuung durch hauptamtliches Personal eröffnen, d.h. zusätzlich zur regulären Methodenlehre. Auch im Kasseler MZ ist das Angebot mit wenigen Ausnahmen extracurricular. Hervorzuheben ist, dass die Mitarbeiter_innen über Stellen außerhalb der MZ in die Methodenlehre eingebunden sind oder waren. Diese Positionierung außerhalb des Curriculums und eines Bewertungs- und Benotungskontextes wurde von den Mitarbeiter_innen der jeweiligen MZ in den von uns geführten Gesprächen positiv bewertet. [22]

In vielen MZ sind die Mitarbeiter_innen aber systematisch(er) in die Lehre eingebunden, so etwa bei den sozialwissenschaftlich ausgerichteten MZ in Frankfurt/Main, Göttingen und Tübingen. Während sie in Frankfurt/Main an ihrem jeweiligen Fachbereich Lehrveranstaltungen in begrenztem Umfang anbieten, ist das MZ Göttingen für die gesamte qualitative und quantitative Methodenausbildung der sozialwissenschaftlichen Institute vom ersten Bachelorsemester bis zur Möglichkeit der Betreuung der Masterarbeit zuständig. Es fungiert als quasi eigenständige Methodenabteilung der Sozialwissenschaften. Dies war bei den von uns berücksichtigten MZ ansonsten nur noch in Tübingen der Fall, wo das MZ als eigenständiges Institut am Fachbereich Sozialwissenschaften verankert ist. Das Institut verfügte bis März 2021 über eine im Rahmen des QPL geförderte Methodendozentur, die Lehr- und Beratungsaufgaben übernahm. Inzwischen wird diese Stelle universitär finanziert und ist "an der regulären fachlichen Ausbildung"16) der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fakultät beteiligt. Die drei genannten MZ unterscheiden sich jedoch vom regulären Methodenarbeitsbereich dadurch, dass sie über die Methodenlehre hinaus auch Beratungen, Methodenworkshops, Methodenwochen u.v.m. zur Sicherung und Vertiefung der Methodenausbildung anbieten. Die interdisziplinären MZ in Lüneburg und Kassel sind ebenfalls in die curriculare Lehre involviert. Das Lehrangebot des MZ der Universität Lüneburg ist an "Studierende aller Studiengänge"17) gerichtet. Eine weitere Variante regulärer Methodenausbildung durch die MZ sind Angebote methodenbezogener Studiengänge. Im ZSM in Magdeburg wird ein zweijähriger Graduiertenstudiengang angeboten mit dem Ziel, vertiefende Kenntnisse "in Theorie und Methoden der qualitativen Bildungs- und Sozialforschung"18) zu vermitteln. Tübingen verfügt über den Masterstudiengang Quantitative Data Science Methods, der zum Ziel hat, "experts who are able not only to apply such methods but also to develop them and to reflect critically on their use"19) zu qualifizieren. [23]

In beiden Fällen wird über den Studiengang ein Lehrkonzept zusammengestellt, durch das auf der Basis von bereits bestehendem fundierten Wissen "Expertise" (Magdeburg) vermittelt bzw. "experts" (Tübingen) ausgebildet werden sollen. Während der Tübinger Studiengang für das Studium quantitativer Methoden spezialisiert ist, richtet sich das Magdeburger ZSM an Promovierende und bietet eine umfassende qualitative Ausbildung. Dabei sind in Tübingen die Stellen langfristig finanziert, dagegen arbeitet das Magdeburger Zentrum mit geringem Budget und ohne fest angestelltes Personal. [24]

3.3 Forschungsnahes Lernen: Methodenzentren als forschende Institutionen

Die Unterstützung und Vermittlung von Forschungstätigkeit gehört seltener als die Beratung und Vermittlung von Methodenkompetenz zum Profil der MZ. Forschungsaktivitäten werden auf weniger als der Hälfte der Internetpräsentationen ausgewiesen. Das Tübinger und das Kasseler MZ verstehen sich als fachbereichsübergreifende Vernetzung20) bzw. als "Plattform für interdisziplinäre Kooperationen"21) und verfolgen eigenständige Forschungsprojekte der Methoden(weiter)entwicklung im Grundlagenbereich. Das MZ Tübingen wird zwar als "Plattform für quantitative und qualitative Methodenforschung sowie wissenschaftstheoretische Methodenreflexion" (a.a.O.) benannt, um einen "interdisziplinären, multi-methodalen Diskursraum zu schaffen" (a.a.O.), allerdings finden sich überwiegend quantitative Projekte – von insgesamt acht ist nur eines qualitativ ausgerichtet22). Am MZ Kassel wird derzeit ein Mixed-Method-Verbundprojekt mit starker qualitativer Ausrichtung initiiert. Das Göttinger MZ arbeitet ebenfalls mit einem deutlich qualitativen Schwerpunkt. Die dort erwähnten Forschungsprojekte sind an die jeweilige Professur (quantitative, qualitative oder methodenplurale Sozialforschung) angegliedert. Bei den insgesamt knapp zwanzig laufenden und bereits abgeschlossenen Forschungsprojekten nehmen jene aus dem qualitativen Bereich einen prominenten Platz ein.23) In diesen wird die Forschung der Mitarbeiter_innen systematisch in die Lehre einbezogen und die Studierenden haben – wie im Informationsgespräch unterstrichen – die Möglichkeit, sich in unterschiedliche Forschungsprojekte einzubringen, dort Praktika zu absolvieren und Masterarbeiten zu schreiben. Ein anderes Beispiel stellt das MZ der Goethe-Universität Frankfurt dar, das ein Symposium zu forschenden Lernen mit ausgerichtet hat24). [25]

Ebenso sind auf einigen Internetseiten Veröffentlichungen aufgelistet, die im Kontext des MZ entstanden sind. Das Magdeburger Methodenzentrum weist auf drei eigene Publikationsorgane hin: die Zeitschrift für Qualitative Forschung (ZQF) sowie zwei Buchreihen. Diese werden als Plattformen verstanden, um die Ergebnisse (auch eigener) qualitativer Forschungsprojekte zu veröffentlichen. Unter der Rubrik "Aktuelles" führt auch das Göttinger MZ aktuelle Publikationen im Rahmen der Forschungstätigkeit der Zentren auf – hier wird auf Veröffentlichungen und entsprechend auf die Forschung der Mitarbeiter_innen verwiesen. Inwiefern die publizierte Forschung unmittelbar mit den Angeboten und Aufgaben der MZ korrespondiert, ist nicht immer ganz ersichtlich. Es ist jedoch anzunehmen, dass die Erfahrung der Mitarbeiter_innen in die Unterstützungs- und Beratungskompetenz als erfahrungsgebundenes Wissen auch im Sinne der intendierten Außendarstellung eingespeist wird. Am MZ der WU Wien war die geplante Habilitation explizit Voraussetzung für eine Einstellung im Methodenzentrum. Begründet wurde dies damit, dass Personen, die einer gesamten Universität beratend zur Verfügung stehen, selbst Forschung betreiben sollten, weil sie sonst den Ansprüchen bis in die professorale Ebene nicht genügen könnten. Quasus in Freiburg, das sich selbst als "Qualitatives Methodenportal zur Qualitativen Sozial-, Unterrichts- und Schulforschung"25) versteht, veröffentlicht eigene methodenbezogene Artikel von Mitgliedern und externen Forschenden sowie Videomaterial mit Erfahrungsberichten zu qualitativer Forschung, um auch Besucher_innen der Seite erfahrungsgebundenes Wissen zugänglich zu machen. [26]

3.4 Zusammenfassende Einordnung

Für den vorliegenden Beitrag wurden anhand der internetbasierten Selbstdarstellungen die Vorgehensweisen und Angebote von MZ untersucht, mit denen diese anstreben, das Lernen und Lehren (qualitativer) Methoden zu verbessern, zu vertiefen und zu erweitern. Im Folgenden möchten wir die Ergebnisse entlang der wesentlichen Punkte zusammenfassen, um sie dann mit Blick auf Grenzen und Potenziale (Abschnitt 4) zu diskutieren. [27]

MZ zeichnen sich durch die lokale Konzentration methodischer Expertise aus: Waren Expert_innen vor ihrer Gründung über den Campus verstreut, können die MZ an den Hochschulen helfen, die Expertise zu bündeln. Dies bedeutet nicht, dass diese außerhalb von MZ nicht mehr besteht, vielmehr wird das MZ zum sichtbarsten "Ort" und i.d.R. zur definierten ersten Anlaufstelle in Methodenfragen. Eigenständige Beratungen und Fortbildungen, die (teilweise weit) über die fachspezifische Methodenausbildung hinausgehen, ziehen sich als roter Faden durch die Angebotsstruktur. Den Kern eines MZ macht sein extracurricularer Fokus aus, das sind z.B. Beratungs- und Workshopangebote, Interpretationswerkstätten, Summer Schools und Methodenwochen. Beratung und Interpretationswerkstätten werden hauptsächlich vom wissenschaftlichen Personal am MZ selbst durchgeführt, während für Workshops und Methodenwochen regelmäßig externe Gäste eingeladen werden, wodurch das MZ als Institution eine über die lokale Anbindung hinausgehende Vernetzung ermöglicht. Eines solches Serviceangebot stellen alle MZ zur Verfügung, wenn auch in unterschiedlichem Umfang. Möchte man die genannten Aspekte als gemeinsamen Rahmen betrachten, so finden sich gleichzeitig beträchtliche Unterschiede in der Ausgestaltung – vor allem hinsichtlich der konkreten Leistungen und Zielgruppen. Ob dies mit den jeweiligen lokalen Vorarbeiten und der bestehenden Grundausstattung zusammenhängt und welche Rolle z.B. das Einwerben von Drittmitteln spielt, lässt sich nicht immer genau ausmachen, vermutlich ist es aber eine Kombination verschiedener Faktoren. [28]

Die Zielgruppen der MZ variieren bisweilen sehr stark von vorrangig für Professor_innen, wissenschaftliches Personal und Postgraduierte vorgesehenen Angeboten wie an der WU Wien einerseits bis hin zur Unterstützung von vorrangig Bachelor-Studierenden in den ersten Semestern wie im Projekt "Starker Start ins Studium" des Frankfurter MZ andererseits. Die meisten MZ richten sich an Studierende, die ihre Abschlussarbeiten schreiben sowie an Promovierende. Hier scheint es nach Auskunft der Mitarbeiter_innen der MZ auch den stärksten Bedarf zu geben. Beratung, Forschungskolloquien/Interpretationswerkstätten, Fortbildungen und Methodenwochen werden zwar am häufigsten vorgehalten, doch zeigen sich auch andere Formate der Wissensvermittlung. Hierzu zählen die Seminare der Mitarbeiter_innen des MZ Göttingen, in denen die Studierenden mit Material aus laufenden Forschungsprojekten arbeiten und daran das Interpretieren üben. Ähnlich ausgerichtet sind die Ringvorlesung der Ruhr-Universität Bochum, in der Professor_innen und wissenschaftliches Personal über aktuelle Forschungsstudien berichten und die Zuhörer_innen auch auf die Herausforderungen wissenschaftlichen Arbeitens vorbereiten sollen.26) Einige MZ wie Quasus in Freiburg gehen dabei auch digital vor. Die kurzen Videoclips auf der Homepage, in denen Personen zu ihrer Forschung befragt wurden und durch die erfahrungsbasiertes Wissen zur Verfügung gestellt werden soll, sind aus der Masterarbeit einer Studentin entstanden. Am MZ an der Leuphana Universität in Lüneburg wird eine digitale Methodentoolbox zur Verfügung gestellt, in der Materialien gesammelt werden. [29]

Wenig ausgeschöpft wurde hingegen die Möglichkeit zum forschenden Lernen27), obwohl das Learning by Doing für die Lehre qualitativer Methoden aussichtsreich ist (vgl. z.B. HINZKE et al. 2021; SCHRADER, BRENNEKE, PFAFF & TERVOOREN 2020). Hier sind die beiden MZ in Tübingen und Göttingen hervorzuheben, die als eigenständige Institute sozialwissenschaftlicher Fakultäten nicht nur Lehre anbieten, sondern deren Mitarbeiter_innen auch eigener Forschung nachgehen, aus deren Praxis und Ergebnissen sich die Methodenlehre speist. Für beide MZ besteht zusätzlich die Möglichkeit, anwendungsbezogenes Methodenwissen und erfahrungsgebundene Inhalte zu veranschaulichen und Interessierte an bestehenden Forschungsprojekten mitwirken zu lassen. Doch es bedarf nicht zwangsläufig eines solchen Umfangs, um Konzepte forschenden Lernens umzusetzen. Die Universität Kassel und die Ruhr-Universität Bochum haben mit ihrem Ansatz gezeigt, dass die Etablierung von forschendem Lernen grundsätzlich von der unterstützenden Tätigkeit des MZ profitiert (KOHLBRUNN et al. 2021). Insgesamt ist forschendes Lernen jedoch – trotz der vermehrten Etablierung von Methodenzentren – kaum systematisch curricular in den Lehrmodulen verankert ist. Solche Angebote gehen dann häufig auf das Engagement und die Eigeninitiative einzelner Lehrender zurück. [30]

Eine letzte wichtige Differenzlinie sind die curriculare Einbindung und die daran geknüpften Rahmenbedingungen, innerhalb derer die Arbeit in den MZ stattfindet. Hier haben sich drei typische Formen herauskristallisiert: 1. MZ, die als eigenständige Institute in eine Fakultät eingegliedert und dort regulär für die Methodenlehre zuständig sind (Tübingen und Göttingen), 2. MZ, die als Serviceeinrichtung fungieren, und deren Mitarbeiter_innen aber dennoch ein begrenztes Stundenkontingent in der Methodenlehre absolvieren (so arbeiten die meisten MZ) und 3. solche, die ausschließlich als Serviceeinrichtungen und vollständig extracurricular ausgerichtet sind (z.B. das Grazer MZ). Während hier einige MZ vor allem für diejenigen Unterstützung bieten, die persönlichen Bedarf nach Beratung haben oder ein eigenes Interesse mitbringen, sich vertiefend in Methodenfragen einzuarbeiten, ist in anderen MZ intendiert, die Methodenausbildung ganzer Studiengänge zu erweitern und zu intensivieren. [31]

4. Diskussion

Anhand des bisher Dargelegten möchten wir abschließend auf die Ausgangsfrage(n) zurückkommen, welche Potenziale, aber womöglich auch welche Grenzen für die Lehre und Vermittlung qualitativer Methoden die wachsende Anzahl universitärer Methodenzentren birgt. Inwiefern werden Optionen durch die aktuellen Rahmenbedingungen gefördert oder behindert? Dass durch Methodenzentren Methodenwissen und -kapazitäten gebündelt und leichter zugänglich gemacht werden ist ebenso wie das steigende Interesse an der Vermittlung qualitativer Methoden zweifelsohne positiv zu werten. Denn in der Regel sind unter den normalen Lehr-/Lernbedingungen an den Universitäten und Hochschulen "niemals alle Methoden erfahrungsbasiert verfügbar" (KELLER 2014, §18) – für qualitative Methoden gilt dies besonders (BÖGELEIN & SERRANO-VELARDE 2012; MEY & MRUCK 2014). [32]

Vor dem Hintergrund der Schwierigkeiten, qualitative Methodenlehre angesichts der Modularisierung der Studiengänge adäquat umzusetzen, eröffnen MZ durch den Ausbau von Interpretationskolloquien und Workshopangeboten auch Möglichkeiten, qualitative Methoden einzuüben. Gerade die vielerorts angebotenen Forschungswerkstätten, die "innerhalb der Studiengangsreformen aufgrund ihrer fluiden Ordnung weder modularisiert noch in die curriculare Creditierung integriert" (TIEFEL & KONDRATJUK 2021, S.206) wurden, zeitigen durch die "Einsozialisierung" und Ausbildung eines qualitativen Habitus positive Effekte für die Forschungspraxis. Zudem kommt ihnen eine hohe Bedeutung für die Lehr-/Lernpraxis zu und weitergehend generell zum Schlüsselqualifikationserwerb (FUHRMANN, MEY, STAMANN & JANSSEN 2021; MEY 2021). Solche Angebotsformate sind für die qualitative Lehre zentral und zeigen das Potenzial universitärer Methodenzentren, Strukturen aufzubauen, die stärker dem iterativen Rhythmus des qualitativen Vorgehens entsprechen.28) [33]

Die rege Nachfrage belegt, dass seitens der Studierenden und Promovierenden ein großes Interesse besteht, ihr qualitatives Methodenwissen auszubauen und Unterstützung zu erfahren. Der durchgängig hohe Bedarf an Beratung in Fragen der Anwendung qualitativer Methoden besteht aus Sicht der befragten Mitarbeiter_innen verschiedender MZ bei allen Statusgruppen an den Hochschulen, allerdings wurde die Relevanz für Studierende während der Qualifikationsarbeiten und für Doktorand_innen besonders hervorgehoben. Die umfassenden Unterstützungsanfragen dieser Gruppen legen auch die Vermutung nahe, dass den Betreuenden die methodische Expertise angesichts der Ausdifferenzierung von Ansätzen und Verfahren fehlen könnte. Damit berührt sind grundsätzliche Fragen, wie umfassend Betreuer_innen methodisch ausgebildet sein sollten bzw. nach der legitimen "Auslagerung" methodischer Fragen an MZ. [34]

Eine solche Auslagerung eröffnet vielfältige Optionen, da über die Einrichtung von MZ die qualitativen Methodenkenntnisse und -fertigkeiten lokal verdichtet wurden und Orte entstanden sind, an denen Kompetenzen breiter verfügbar sind – dadurch wird Studierenden und Promovierenden mehr Auswahl ermöglicht. Ferner scheinen die meisten MZ darauf ausgerichtet zu sein, Fachbereichs- sowie Methodengrenzen zu überwinden, insofern können sie Orte mit Entwicklungs-, Anwendungs- und Ausbildungspotenzialen für qualitative Ansätze darstellen. Einige MZ bieten Interpretationswerkstätten zu verschiedenen qualitativen Methoden an, an denen Studierende und Promovierende unterschiedlicher Fachbereiche teilnehmen, da in der Regel an einem einzelnen Fachbereich der Bedarf an verschiedenen, methodenspezifischen Forschungswerkstätten nicht gedeckt werden kann, da die Nachfrage zu gering ist. Das Potenzial der Erweiterung und Vervielfältigung des Angebots ist damit durchaus realisiert. Dennoch kann an keinem Methodenzentrum die ganze Vielfalt qualitativer Forschung abgedeckt werden. Inwieweit dadurch der Kanonisierung einiger prominenter und etablierter Verfahren Vorschub geleistet wird – bei gleichzeitiger, systematischer Vernachlässigung von Ansätzen aus der "Peripherie" der qualitativen Forschungslandschaft (MEY 2018; MRUCK, CISNEROS-PUEBLA & FAUX 2005) – bleibt abzuwarten. [35]

Eine besondere Bedeutung kommt den von vielen MZ ausgerichteten Veranstaltungen wie Summer Schools, Methodenwochen oder Ringvorlesungen zu. Diese leisten nicht nur einen Import an Expertise durch geladene Gäste, sondern eröffnen auch andere Perspektiven als die jeweils lokal präsenten Forschungsansätze. Darüber hinaus tragen solche Formate zum Austausch und zur Vernetzung qualitativ Forschender auch jenseits institutioneller Zugehörigkeiten bei. Hiervon ausgehend wäre wünschenswert, die einzelnen lokalen Entwicklungen auch mit Blick auf einen weiteren und intensiveren Austausch bis hin zu zur Etablierung geteilter Lehr-/Lernressourcen weiter voranzutreiben, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der sich zunehmend abzeichnenden Entwicklung digitaler und hybrider Lehr-/Lerneinheiten. [36]

Solchen Zukunftsszenarien stehen allerdings handfeste Alltagsaufgaben gegenüber: Denn der Aufgabenbereich vieler MZ besteht darin, überhaupt die qualitative (Grundlagen-)Ausbildung zu sichern. An einer Reihe von MZ werden reguläre Lehrtätigkeiten übernommen und Beratungs- und Begleitgespräche während der Abschlussarbeiten sowie Basiskurse angeboten. Angesichts dieser Verschiebung von curricularen Inhalten am Fachbereich zur Lehrtätigkeit durch Mitarbeiter_innen der MZ erachten wir die nur temporäre Finanzierung insbesondere durch die aufgelegten Förderlinien des BMBF als sehr kritisch. Denn die häufig ungeklärte Anschlussfinanzierung kann Gefahren für das Lernen und Lehren qualitativer Methoden bedeuten. Eine zusätzliche Herausforderung sehen wir in der Reputationsasymmetrie zwischen Forschung und Lehre, denn der Lehre kommt nach wie vor sehr viel weniger Aufmerksamkeit zu und entsprechend erscheint die Gestaltung "guter Lehre" weniger attraktiv als die Investition in Forschung: Lehre wird damit vor allem von engagierten Einzelpersonen vorangetrieben. [37]

Qualitative Forschung wird auch als Anwendung qualitativer Methodenkompetenz sowie erfahrungsgebundenes Wissen verstanden, das kontextualisiert weitergegeben werden kann. Angebote zum forschenden Lernen bergen gerade für die qualitative Forschung viel Potenzial – dies haben die von uns Befragten immer wieder hervorgehoben. Von ihrer Arbeitsweise und Struktur her sind Methodenzentren hierfür durchaus geeignet. Aber gerade forschendes Lernen ist arbeitsaufwendig, zeit- und kostenintensiv, bedarf einer Sicherung und langfristigen Finanzierung und ist wahrscheinlich deshalb in den MZ eher selten zu finden. Insoweit sehen wir für den Erhalt und die Ausweitung einer breiten und vielfältigen Methodenlehre die Notwendigkeit einer dauerhaft abgesicherten Finanzierung. Mit Augenmerk auf diese Herausforderung hat der WISSENSCHAFTSRAT wiederholt eine Erhöhung der Grundfinanzierung der Hochschulen gefordert, die zur Weiterentwicklung und Verbesserung der Lehre eingesetzt werden soll (2017, S.33). Dies würde auch zu dem Wegfall einer sich entwickelnden Struktur beitragen, aus der heraus immer wieder neue Projekte überlegt und laufend neue Anträge geschrieben werden müssen. [38]

Im Rahmen der eingangs geschilderten Problematik der Rahmenbedingungen für die Lehre qualitativer Methoden sind MZ bisher überwiegend ein punktuelles und lokales Lösungsangebot, durch das die Methodenkompetenz an den jeweiligen Standorten gestärkt wird. Dies ist ohne Frage eine erfreuliche Bewegung. Ob das Konzept eine flächendeckende Umsetzung findet und damit tatsächlich zu veränderten Rahmenbedingungen führen kann oder in eine weitere Ausdifferenzierung einiger weniger methodischer "Leuchtturmuniversitäten" mündet, während die Grundproblematik bestehen bleibt, ist bisher aber nicht abzusehen. Ebenso wenig ist prognostizierbar, ob qualitative und quantitative Angebote sich durch (inner-)institutionelle Zusammenschlüsse gleichgewichtig weiter durchsetzen und ob auch methodenintegrativ gearbeitet wird. Am Ende könnte vor dem Hintergrund der jeweils lokalen Ressourcen (Stellenbesetzungen und entsprechende Ausstattungen) der qualitative Strang unterrepräsentiert sein, eine Perspektive, die mit Blick auf Diskussionen zum Stellenwert und zu Machtverhältnissen qualitativer vs. quantitativer Forschung nicht ganz unwahrscheinlich ist (SCHREIER 2014). [39]

Anmerkungen

1) In der FQS-Debatte zu Lehren und Lernen qualitativer Forschung (s. dazu BREUER & SCHREIER 2007) finden sich einige Beispiele z.B. von BÖGELEIN und SERRANO-VELARDE (2012), KÖNIG und KUMMER (2011) oder STIEFEL (2007); ebenso in der der FQS-Debatte vorangehenden Podiumsdiskussion beim 2. Berliner Methodentreffen Qualitative Forschung (BMT) 2006, die 2010 beim 6. BMT fortgesetzt wurde (FLICK et al. 2014). <zurück>

2) Neben dem 750-seitigen Lehrbuch von Siegfried LAMNEK (2010) oder etwa den Einführungsbänden von Uwe Flick (2021) oder Jörg STÜBING (2018) sowie dem als "Arbeitsbuch" bezeichneten Band von Aglaja PRZYBORSKI und Monika WOHLRAB-SAHR (2014) finden sich einige zielgruppenspezifische Publikationen, u.a. ein Sammelband von Studierenden für Studierende, der helfen soll, qualitative Bachelor- und Masterarbeiten zu schreiben (WINTZER 2016). Doch trotz der mittlerweile vorliegenden Anzahl an Veröffentlichungen ist das Angebot verglichen mit dem englischsprachigen Markt und den dort etablierten Textbooks durchaus noch als übersichtlich einzuschätzen. <zurück>

3) S. https://docplayer.org/12930379-Empfehlungen-der-deutschen-gesellschaft-fuer-soziologie-zur-methodenausbildung-beschluss-des-vorstandes-vom-6-10-2002.html [Zugriff: 22. Mai 2021]. <zurück>

4) Das Schweizer Methodenfestival (SFM) wurde zuletzt 2016 ausgerichtet, nachdem es zunächst aufgrund eines Wechsels im Organisationsteam einmal ausgesetzt und dann aufgrund der Covid-19-Pandemie für September 2020 abgesagt worden war. Derzeit ist das 6. SMF für 2022 geplant. Der Magdeburger Methodenworkshop wurde im Februar 2021 digital ausgerichtet, ebenso wird das BMT nach Absage im Juli 2020 im Sommer 2021 digital abgehalten. <zurück>

5) Durch diese externen Angebote ist durchaus eine Verschiebung der Teilnahmemotivation zu beobachten, zum einen nimmt die Anzahl an Master-Studierenden zu, zum anderen erhöht sich die Zahl derer, die sich Anregungen für die eigene Lehre erhoffen. <zurück>

6) Anzumerken ist, dass das Institut für Qualitative Forschung gerade infolge der fehlenden universitären Versorgungsstruktur entstanden ist: Ursprünglich war an der Freien Universität Berlin (FUB) ein Methodenzentrum geplant, um universitätsweit qualitative Forschung und Lehre, die eben nicht an eine einzelne Disziplinen oder Fachbereiche gebunden sind, unterstützen zu können. Da dies zu dem damaligen Zeitpunkt von der Universitätsleitung nicht gewünscht war, gründeten Günter MEY und Katja MRUCK das Institut 2005 als Organisationseinheit der Internationalen Akademie Berlin. <zurück>

7) Die Sortierung erfolgt in alphabetischer Reihenfolge der Städte. <zurück>

8) In einem Falle war dies ein Interview mit einer ehemaligen Mitarbeiterin, das in der Folge nicht berücksichtigt werden konnte. <zurück>

9) S. ausführlich zum Beratungsvorgehen am MZ der Goethe-Universität Frankfurt am Main BITZER, ENNIGKEIT, GÄDE, NIEDERER und TOLGOU (2019). <zurück>

10) Im Interview mit Debora NIERMANN: https://quasus.ph-freiburg.de/wer-erzaehlt/ [Zugriff: 24.Mai 2021]. <zurück>

11) https://grazer-methodenkompetenzzentrum.uni-graz.at/de/workshops/ [Zugriff: 24. Mai 2021]. <zurück>

12) https://www.uni-kassel.de/forschung/methodenzentrum/methodenberatung [Zugriff: 24. Mai 2021]. <zurück>

13) https://www.uni-hildesheim.de/fb1/institute/institut-fuer-sozialwissenschaften/methodenbuero/beratung/ [Zugriff: 24. Mai 2021]. <zurück>

14) https://www.leuphana.de/zentren/methodenzentrum.html [Zugriff: 24. Mai 2021]. <zurück>

15) https://uni-tuebingen.de/de/159811 [Zugriff: 25. Mai 2021]. <zurück>

16) https://uni-tuebingen.de/fakultaeten/wirtschafts-und-sozialwissenschaftliche-fakultaet/faecher/fachbereich-sozialwissenschaften/methodenzentrum/studium/ [Zugriff: 25. Mai 2021]. <zurück>

17) https://www.leuphana.de/zentren/methodenzentrum.html [Zugriff: 25. Mai 2021]. <zurück>

18) https://www.zsm.ovgu.de/Promotion.html [Zugriff: 25. Mai 2021]. <zurück>

19) https://uni-tuebingen.de/fakultaeten/wirtschafts-und-sozialwissenschaftliche-fakultaet/faecher/fachbereich-sozialwissenschaften/methodenzentrum/studium/msc-qds/ [Zugriff: 25. Mai 2021]. <zurück>

20) https://www.uni-kassel.de/forschung/methodenzentrum/startseite [Zugriff: 25. Mai 2021]. <zurück>

21) https://uni-tuebingen.de/fakultaeten/wirtschafts-und-sozialwissenschaftliche-fakultaet/faecher/fachbereich-sozialwissenschaften/methodenzentrum/institut/ [Zugriff: 25. Mai 2021]. <zurück>

22) Hier wurde im Gespräch ein personelles Ungleichgewicht sichtbar gemacht: Der quantitative Arbeitsbereich verfügt über zwei W3-Professuren mit umfangreichem Stab, der qualitative Arbeitsbereich ist lediglich mit einer W1-Juniorprofessur mit Schwerpunkt Lehre besetzt. <zurück>

23) https://www.uni-goettingen.de/de/70729.html [Zugriff: 25. Mai 2021]. <zurück>

24) https://www.uni-frankfurt.de/55827766/Forschendes_Lernen [Zugriff: 25. Mai 2021]. <zurück>

25) https://quasus.ph-freiburg.de/keine-empirie-ohne-theorie-warum-empirische-forschung-immer-auch-arbeit-mit-und-an-theorien-ist/ [Zugriff: 25. Mai 2021]. <zurück>

26) Vgl. dazu die ebenfalls an der Ruhr-Universität Bochum installierte "Meisterklasse: Qualitative Methoden der Sozialforschung und Kulturanalyse". Diese wurde eingerichtet, um eine kooperative interpretative Forschungspraxis zwischen Masterstudierenden und Promovierenden aus der Sozialwissenschaft zu etablieren (RUPPEL 2020). <zurück>

27) Forschendes Lernen lässt sich in Anlehnung an HUBER (2009, S.11) als Lernform/-prozess verstehen, in dem die Lernenden in den gesamten Forschungsprozess praktisch integriert sind und diesen in seinen wesentlichen Aspekten mitgestalten, -erfahren und reflektieren können. <zurück>

28) Die Bedeutung von Forschungswerkstätten zeigt sich auch darin, dass diese an vielen Universitäten und Hochschulen installiert sind. Eine Übersicht von über 70 solcher Angebote, die z.T. recht unterschiedlich organisiert und ausgerichtet sind, bietet die vom Institut für Qualitative Forschung laufend aktualisierte Liste der Forschungswerkstätten im deutschsprachigen Raum. <zurück>

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Zur Autorin und zum Autor

Fiona KALKSTEIN ist Diplom-Psychologin und hat an der Universität Duisburg-Essen zu Vereinbarkeitspraxen von Mutterschaft und Beruf aus klassensensibler Perspektive promoviert. Sie war bis zum 31. März 2021 wissenschaftliche Mitarbeiterin für Inhouse-Fortbildung und Methodenweiterentwicklung an der Hochschule Magdeburg-Stendal und hat dort u.a. den Arbeitskreis "qualitativ_diskursiv" koordiniert. Sie bietet in unregelmäßigen Abständen Workshops und Seminare zur Grounded-Theory-Methodologie und zu feministischer/kritischer Psychologie an.

Kontakt:

Dr. des. Fiona Kalkstein

Adresse ist der Redaktion bekannt.

E-Mail: fiona.kalkstein@gmx.net

 

Günter MEY ist Professor für Entwicklungspsychologie an der Hochschule Magdeburg-Stendal, zudem ist er Privatdozent an der Universität Bayreuth und Leiter des von ihm 2005 mitgegründeten Instituts für Qualitative Forschung an der Internationalen Akademie Berlin. Er gehört dem Herausgebendenkreis von FQS an und ist Initiator des Berliner Methodentreffens Qualitative Forschung. An der Hochschule Magdeburg-Stendal hat er 2017 den Arbeitskreis "qualitativ_diskursiv" initiiert. Seine Forschungsschwerpunkte: qualitative Forschung und performative Sozialwissenschaft, Grounded-Theory-Methodologie, Jugendkultur und Transgenerationalität.

Kontakt:

Prof. Dr. habil. Günter Mey

Hochschule Magdeburg-Stendal
Osterburger Str. 25
D-39576 Hansestadt Stendal

E-Mail: guenter.mey@h2.de
URL: http://www.humanwissenschaften.h2.de/l/~mey

Zitation

Kalkstein, Fiona & Mey, Günter (2021). Methoden im Zentrum! Methoden ins Zentrum? Potenziale und Grenzen universitärer Methodenzentren für die Erweiterung der qualitativen Methodenausbildung [39 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 22(2), Art. 26, http://dx.doi.org/10.17169/fqs-22.2.3736.

Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research (FQS)

ISSN 1438-5627

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