Volume 23, No. 3, Art. 1 – September 2022
Sekundäranalyse von Vermittlungsgesprächen der Bundesagentur für Arbeit. Ein Praxisbericht
Tobias Gebel
Zusammenfassung: Mit der Sekundäranalyse qualitativer Interviewdaten werden zahlreiche Potenziale verbunden, um bestehende Daten aus einem neuen inhaltlichen und theoretischen Blickwinkel betrachten zu können. Es gibt bislang noch wenige Anwendungsbeispiele, bei denen anhand einer konkreten Studie die im Forschungsprozess zu treffenden Entscheidungen und die Durchführungsschritte empirisch aufgezeigt wurden. Mit der vorliegenden Arbeit soll dazu beigetragen werden, diese Fehlstelle zu schließen. Dazu wird anhand einer qualitativen Sekundäranalyse von Vermittlungsgesprächen der öffentlichen Arbeitsvermittlung über die damit verbundenen Herausforderungen und die methodische Umsetzung berichtet. Weiterführend werden die Erträge und die Grenzen hinsichtlich des konkreten Forschungskontextes diskutiert. Die Interviewdaten für die Untersuchung stammten aus einer Prozessevaluierung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung infolge einer Strukturveränderung in den Arbeitsagenturen der Bundesagentur für Arbeit. Demgegenüber lag das neue Forschungsinteresse auf der Entscheidungsfindung im Vermittlungsprozess, womit sich der Analysefokus der Primärstudie und der der Sekundäranalyse grundsätzlich voneinander unterschieden.
Keywords: qualitative Sekundäranalyse; Kontextualisierung; qualitative Daten; Anforderungen an Daten für Sekundärnutzung; Datendokumentation; qualitatives Interview; Datafit
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Projektkontext und Motivation der qualitativen Sekundäranalyse
3. Datafit: Bedingungen und Datenlage für die Sekundäranalyse
3.1 Datengrundlage und Datendokumentation
3.2 Passung der Fragestellung von Primärstudie und Sekundäranalyse
3.3 Passung der Primärstichprobe zu den Anforderungen der Sekundäranalyse
3.4 Angemessenheit der Erhebungsmethode der Primärstudie zu den Anforderungen in der Sekundäranalyse
3.5 Datenzugang
4. Erträge und Grenzen der Sekundäranalyse
5. Resümee
Sekundäranalysen, d.h. der Rückgriff auf bereits vorhandene Daten zur Beantwortung einer Forschungsfrage und damit die Entkopplung der Datenerhebung von der Datenauswertung und Interpretation (HEATON 2008; KLINGEMANN & MOCHMANN 1975; MEDJEDOVIĆ 2014),1) sind in der empirischen Organisationsforschung kein grundlegend neuer Zugang zu empirischem Material. So ist die Sekundäranalyse von insbesondere quantitativen Umfragedaten (z.B. IAB Betriebspanel des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, European Company Survey [ECS], Sozio-oekonomisches Panel [SOEP]) oder prozessproduzierten Daten (z.B. Betriebs-Historik-Panel [BHP], Stichprobe der Integrierten Arbeitsmarktbiografien [SIAB], Amtliche Firmendaten in Deutschland [AFiD]) seit Langem etabliert und fester Bestandteil der Forschungspraxis. Die Situation für die qualitative Forschungstradition ist jedoch anders zu bewerten. Obwohl es bereits in den 1960er Jahren erste Initiativen gab, die Sekundäranalyse auch auf qualitative Datenbestände auszuweiten (GLASER 1962, 1963), hat es in der deutschen Forschungstradition noch 50 Jahre gedauert, bis auch hier eine wissenschaftliche Debatte begann: In den vergangenen zehn Jahren fand eine umfassende methodische Auseinandersetzung mit deren methodologischen Voraussetzungen, Potenzialen und Grenzen statt2), und es wurden Infrastrukturen für die Aufbereitung, Archivierung und Zugänglichkeit von qualitativen Daten geschaffen3), wie sie für die quantitative Forschung seit Langem etabliert sind. Ein Blick in die Forschungspraxis zeigt, dass qualitative Sekundäranalysen auch vermehrt Anwendung finden (BECKMANN, EHNIS, KÜHN, MOHR & VOIGT 2020; BIRKE & MAYER- AHUJA 2017; DUNKEL, HANEKOP & MAYER-AHUJA 2019; GEBEL & MEYERMANN 2021; RICHTER & MOJESCIK 2021). Trotz der zunehmenden Anwendungsbeispiele wird die Angemessenheit der Wiederverwendung qualitativer Daten oft hinterfragt, wobei insbesondere forschungsethische Bedenken und die Unvereinbarkeit mit dem interpretativen Paradigma qualitativer Forschung angeführt werden (GLÄSER & LAUDEL 2000; HIRSCHAUER 2014; LAUDEL & BIELICK 2019; STRÜBING, HIRSCHAUER, AYAß, KRÄHNKE & SCHEFFER 2018; VON UNGER 2018; WAZLAWIK & CHRISTMANN 2020). [1]
Ungeachtet der zum Teil stark polarisierenden methodologischen Diskussionen bleibt grundlegend festzuhalten, dass sich die Zielsetzungen, die mit Primär- und Sekundäranalysen verfolgt werden, nicht unterscheiden. Mit beiden Strategien möchten Forschende neue wissenschaftliche Erkenntnisse über einen Untersuchungsgegenstand hervorbringen. Die Sekundäranalyse ist somit als ein alternativer Forschungsansatz zu verstehen. Anhand der bislang vorhandenen empirischen Beispiele wird deutlich, dass sie insbesondere Potenziale dafür bietet, neue Fragen an bestehende Materialien zu stellen. Auch lässt die erneute Nutzung bestehender Forschungsmaterialien hohe Potenziale für die Theorieentwicklung erwarten, da durch die Distanz zu den Daten Aspekte aufgedeckt werden können, welche durch die persönliche Verstrickung der Primärforschenden oftmals unerkannt bleiben. Ebenso kann die Vergrößerung bzw. Ergänzung einer spezifischen Untersuchungsgruppe durch die Kombination unterschiedlicher Datenquellen dazu genutzt werden, verallgemeinerbare Theorien generieren zu können. [2]
Trotz der vielfältigen Anwendungskontexte gibt es für den Ablauf einer qualitativen Sekundäranalyse bislang kein festes Verfahrensschema. Zwar kann man sich an einem ersten Vorschlag von FRIEDRICHS (1990) – Formulierung des Forschungsinteresses, Materialsuche, Analyse und Interpretation – orientieren, die Kernfrage bleibt jedoch die nach der Passung der Daten – thematische Breite und Tiefe des ausgewählten Materials – für die eigene Fragestellung. Deren Bearbeitung bildet damit das Herzstück der eigentlichen Sekundäranalyse (GLASER 1962). [3]
Dieser kurze Überblick zeigt, dass die qualitative Sekundäranalyse als Gegenstand und Auswertungsstrategie nicht gänzlich neu ist. Auch kann aufgrund der Dichte, des Umfangs und der Vielfalt an Informationen in qualitativen Erhebungen, die oftmals über das originäre Forschungsinteresse hinausgehen, grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass im Rahmen eines spezifischen Forschungsvorhabens erhobene Daten ausreichend Perspektiven für weitere Forschungsinteressen haben. Das Herausarbeiten dieser über das Primärprojekt hinausgehenden Analysemöglichkeiten stellt jedoch besondere Herausforderungen an die Prüfung, wie das Analysepotenzial vorhandener Daten für das neue Forschungsinteresse im konkreten Fall zu beurteilen ist. [4]
Vor dem Hintergrund dieser Situationsbeschreibung werden in dem vorliegenden Praxisbericht anhand der Studie "Total Recall – Qualitative Sekundäranalyse zum Verhältnis von Recall-Beschäftigung und öffentlicher Arbeitsvermittlung" beispielhaft die Herausforderungen und die methodische Umsetzung einer Sekundäranalyse mit qualitativen Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) aufgezeigt (GEBEL, SCHORK & HENSE 2022). Im Zentrum stehen hierbei insbesondere die Fragen nach dem Zugang zu den Daten, nach deren Eignung für das neue Forschungsinteresse und nach den Kriterien für die Datenauswahl. Weiter wird der Frage nachgegangen, welche Erträge der Rückgriff auf bestehende Datenbestände in diesem konkreten Forschungskontext brachte und wo die Forschenden an Grenzen stießen. [5]
Im ersten Schritt werden der Forschungskontext und die Motivation für die Untersuchung illustriert (Abschnitt 2). Daran anschließend folgen eine Darstellung und Diskussion der Datengrundlage und des Datenzugangs sowie eine Veranschaulichung des Samplings (Abschnitt 3). Danach werden die Erträge und Grenzen der dem Praxisbericht zugrunde liegenden Sekundäranalyse diskutiert (Abschnitt 4). Abschließend folgt ein Resümee (Abschnitt 5). [6]
2. Projektkontext und Motivation der qualitativen Sekundäranalyse
Die in diesem Artikel vorgestellte qualitative Sekundäranalyse war eingebettet in das Forschungsvorhaben "Betriebe und Ungleichheit: Synchrone und diachrone Ungleichheitseffekte zeitweiser Entlassungen (Recalls)".4) Recalls bezeichnen dabei die Wiederbeschäftigung einer vormals beschäftigten Arbeitskraft beim selben Arbeitgebenden. Sie stellen eine längsschnittliche und diskontinuierliche Form der Beschäftigung innerhalb ein und desselben Betriebes dar. Das zugrunde liegende Beschäftigungsmuster kann als eine Abfolge von Beschäftigungs-, Nichtbeschäftigungs- und Wiederbeschäftigungszeit einer Arbeitskraft bei einem Betrieb beschrieben werden (HENSE, LIEBIG & ELSNER 2009; LIEBIG & HENSE 2007; MAVROMARAS & RUDOLPH 1995, 1998). [7]
Recalls werden in der Regel in Zeiten betrieblicher Unterauslastung als Mittel zur Balancierung von Kostendruck und Humankapitalbedarf eingesetzt. Bei einer betrieblichen Unterauslastung wird die Arbeitskraft durch den Betrieb entlassen, um bei einer Erholung der wirtschaftlichen Lage wiederbeschäftigt zu werden. Durch die Freisetzungsphase zwischen der Vor- und der Wiederbeschäftigung wird die betriebliche Kostenstruktur entlastet (EDLER 2020; FELDSTEIN 1976; LIEBIG & HENSE 2007; MAVROMARAS & RUDOLPH 1995). [8]
Demgegenüber tragen die Arbeitskräfte zwischen den Beschäftigungen das vollständige Finanzierungsrisiko, da von den Betrieben keine Arbeitsentgelte gezahlt werden und für die Beschäftigten kein rechtlicher Anspruch auf eine Rückkehr in den Betrieb besteht (MAVROMARAS & RUDOLPH 1995, 1998). In der Zeit der Freistellung sind die Arbeitskräfte auf eine betriebsunabhängige Finanzierung angewiesen, die durch Lohnersatzleistungen der Arbeitslosenversicherung, Grundsicherung, Rücklagen oder eine alternative Erwerbstätigkeit erfolgen kann. Lohnersatzleistungen aus der Arbeitslosenversicherung sind an die Verfügbarkeit der Arbeitskraft für den Arbeitsmarkt gekoppelt, wodurch rechtlich bedingt eine Bereitschaft zur Vermittlung an einen anderen Arbeitgebenden bestehen muss. Zudem liegt die Höhe der Lohnersatzleistung in der Regel unter dem bis dahin erzielten Einkommen, sodass für die Arbeitskräfte mit Blick auf deren Lebenszeiteinkommen ein finanzielles Defizit entsteht (EDLER 2020; EDLER & HENSE 2015). [9]
Im Interesse der Forschenden lagen dabei insbesondere die Fragen, warum, wie und unter welchen Bedingungen Betriebe und Beschäftigte ein Beschäftigungsverhältnis in Form eines Recalls eingehen und welche Folgen dies für beide Parteien hat. Zur Untersuchung des Phänomens Recall wurde in dem Forschungsvorhaben ein Mixed-Methods-Ansatz (HENSE & SCHORK 2017) angewandt. Offen blieb jedoch die Frage, welche Rationalitäten der Beschäftigten und der Arbeitsvermittlung in der Phase der Arbeitslosigkeit zugrunde lagen, einen (wiederholten) Recall zu verfolgen, wenn dieses Beschäftigungsmodell doch augenscheinlich dem Wohlfahrtsstaatlichkeitsprinzip (SOWA & STAPLES 2017) entgegensteht und für die Beschäftigten mit Einbußen beim Lebenszeiteinkommen verbunden ist (EDLER 2020; EDLER & HENSE 2015). [10]
Für die Untersuchung dieser Fragestellung war zentral, die Vermittlungsfachkräfte und die Beschäftigten im direkten Aushandlungsprozess zu beobachten, um die konkreten Rationalitäten jeweils sowohl der Beschäftigten als auch der Vermittlungsfachkräfte für oder gegen einen Recall erschließen zu können. Hierzu bot sich zum einen eine retrospektive Befragung von Recall-Beschäftigten an. Mit Blick auf die gewählte Fragestellung wäre dieser Ansatz wenig zielführend gewesen, da aus Vorstudien bekannt war, dass es bei den Beschäftigten, die einen Recall erfolgreich realisieren konnten, oftmals zu einer Verklärung der Entlassungs- und Wiedereinstellungssituation kam (HENSE & SCHIEK 2015). Zum anderen kam auch eine ExpertInnenbefragung von Vermittlungsfachkräften zu Recalls nicht in Betracht, da zu erwarten war, dass lediglich institutionelle Vorgaben und wohlfahrtsstaatliche Abwägungen dargelegt würden.5) Für die Fragestellung waren jedoch die Abwägungs- und Entscheidungsprozesse der Vermittlungsfachkräfte und der erwerbslosen Personen unter Einbeziehung aller Rahmenbedingungen – intentionelle und wohlfahrtsstaatliche Vorgaben, Erwerbsbiografie der erwerbslosen Personen, allgemeine Wirtschaftslage, (lokale) Arbeitsmarktsituation, Erfahrungen mit Recalls – in der konkreten Vermittlungssituation von zentraler Bedeutung. Vor diesem Hintergrund fiel die Entscheidung für die Strategie der qualitativen Sekundäranalyse, in deren Rahmen Vermittlungsgespräche aus einer vormaligen Evaluationsstudie des IAB (HOFMANN, KRUG, SOWA, THEUER & WOLF 2010, 2012) erneut mit dem Fokus auf Recalls untersucht wurden. Das Forschungsinteresse, das mit der erneuten Betrachtung dieser Daten verfolgt wurde, lag auf den Rationalitäten von Recalls aus der Perspektive der Beschäftigten und der Vermittlungsfachkräfte zum Zeitpunkt der Erwerbslosigkeit und den damit verbundenen erwarteten Folgen für die Beschäftigten. [11]
3. Datafit: Bedingungen und Datenlage für die Sekundäranalyse
Für die Nachnutzung qualitativer Daten in neuen Forschungskontexten eignen sich im Grunde alle Materialien, die mit den unterschiedlichsten Methoden – Interviewverfahren, Gruppendiskussionen, Beobachtungen oder auch Bild- und audiovisuellen Verfahren – erhoben wurden (RICHTER & MOJESCIK 2021). Dieses Material ist in der Regel sehr komplex und dicht, sodass es interpretationsoffen für verschiedenste Untersuchungsperspektiven ist. Auch muss die Auswertungsmethode im Rahmen der Datennachnutzung nicht zwingend der der Primärstudie entsprechen, viel wichtiger ist die Vereinbarkeit mit der Erhebungsmethode. [12]
Durch die für eine Sekundäranalyse charakteristische Trennung von Erhebung und Auswertung (KLINGEMANN & MOCHMANN 1975; MEDJEDOVIĆ 2014) stellt sich die Frage nach der inhaltlichen und methodischen Passung sowie der Relevanz eines Datensatzes im Rahmen der Datennachnutzung. Zwar kann angenommen werden, dass qualitative Daten interpretationsoffen für weitere Fragestellungen sind, doch ist deren Eignung für das neue Forschungsinteresse jeweils für den spezifischen Einzelfall zu prüfen. Dies betrifft die Datengrundlage und die Dokumentation der Primärstudie, die Passung der Fragestellungen und die Passung der Primärstichprobe zu den Anforderungen der Datennachnutzung sowie die Frage, ob die Erhebungsmethode der Primärstudie grundlegend geeignet ist, um die Fragestellung der Sekundäranalyse zu bearbeiten (BECKMANN, EHNIS, KÜHN & MOHR 2012; GEBEL, ROSENBOHM & HENSE 2017; MUSLIC & HARTUNG- BECK 2016). Zudem ist zu prüfen, wie der Zugang zu den Daten erfolgen kann und welche Implikationen sich daraus für den Forschungsprozess ergeben können.6) [13]
Damit wird deutlich, dass eine Wiederverwendung vorhandener Daten akribischer und zeitintensiver Vorarbeiten bedarf. Sind es bei der Primärstudie insbesondere methodische Fragen zur Erstellung der Erhebungsinstrumente, zur Suche nach geeigneten Subjekten, zur Durchführung der Untersuchung und zur Transkription, die zu klären und zu bearbeiten sind, so sind es bei der Sekundäranalyse demgegenüber Fragen des Datafit und des Datenzugangs (GLASER 1962).7) [14]
3.1 Datengrundlage und Datendokumentation
Bei der Prüfung der Datengrundlage und der Datendokumentation wurde insbesondere auf die Kriterien der Verfügbarkeit von ausreichend Interviewmaterial und die Beschaffenheit der Materialien abgezielt. Bewertet wurden hierbei Qualität und Umfang der Transkription, Umfang der Anonymisierung sowie Umfang und Qualität der Dokumentation. Für die Dokumentation wurde insbesondere das Angebot von Informationen zum Entstehungskontext der Interviews geprüft, d.h. Methodenberichte, Postskripte, Erhebungsinstrumente, soziodemografische Merkmale der erwerbslosen Personen, organisationaler Kontext der Erhebung (BECKMANN et al. 2012; GEBEL et al. 2017). [15]
Für die Durchführung des Forschungsvorhabens wurden qualitative Interviews aus der Evaluationsstudie zum IAB-Modellprojekt "Kunden aktivieren – Integrationsleistung verbessern" verwendet, das von Mai 2007 bis Dezember 2012 deutschlandweit in 28 Agenturen der Bundesagentur für Arbeit (BA) realisiert worden war. In dem Projekt waren 14 Agenturen personell in dem Umfang aufgestockt worden, dass jede Vermittlungsfachkraft maximal 70 erwerbslose Personen im Rechtskreis des Dritten Sozialgesetzbuches (SGB III) betreute, welche Leistungen der Arbeitslosenversicherung8) bezogen hatten (Betreuungsschlüssel 1:70). Zusätzlich erfolgte in den Modellagenturen eine verbesserte Ressourcenausstattung für Integrationsangebote zur eigenverantwortlichen Nutzung durch die Vermittlungsfachkräfte. Des Weiteren wurde jeder der 14 Modellagenturen eine Vergleichsagentur mit dem üblichen Betreuungsschlüssel 1:250 bis 1:500 gegenübergestellt. Die Evaluationsstudie diente hierbei der Überprüfung der Wirksamkeit der im IAB-Modellprojekt getroffenen Maßnahmen für eine bessere und schnellere Vermittlung. [16]
Als Datengrundlage aus der Evaluationsstudie lagen insgesamt 188
leitfadengestützte ExpertenInneninterviews mit Geschäftsführungen, Bereichsleitungen, Vermittlungsfachkräften und Personalräten
vor (HOFMANN et al. 2010, 2012; LIEBOLD & TRINCZEK 2009), die in dem Zeitraum Oktober 2007 bis Juli 2008 in den Modell- und
Vergleichsagenturen durchgeführt worden waren. Des Weiteren umfasste das Datenmaterial 85 Fallstudien von Vermittlungsfällen,
die aus passiven-teilnehmenden Beobachtungen der Vermittlungsgespräche (LAMNEK 1995; SOWA, STAPLES, THEUER & ALTHAUS 2013)
und anschließenden leitfadengestützten Einzelinterviews mit den erwerbslosen Personen und den Vermittlungskräften bestanden
(HELFFERICH 2011).9) Für die Sekundäranalyse der Vermittlungsgespräche lag der Fokus ausschließlich auf den Transkriptionen der Gespräche. Das
Material wurde direkt von den Primärforschenden zur Verfügung gestellt und lag vollständig transkribiert im Schriftdeutsch
und in digitaler Form vor. Die Transkripte beinhalteten die Inhalte der Gespräche zwischen den erwerbslosen Personen und den
Vermittlungsfachkräften in vollem Umfang. Sie wurden im Rahmen der Primärforschung pseudonymisiert, d.h., die Klarnamen der
erwerbslosen Personen und der Vermittlungsfachkräfte sowie die Agenturstandorte wurden unkenntlich gemacht. In diesem Zustand
wurden die Transkripte auch im Rahmen der Untersuchung genutzt. Zur Kontextualisierung der Beratungssituation und der Vermittlungspraxis
beinhalteten die Transkripte zudem Informationen zu besonderen Vorkommnissen und zur Körpersprache der Personen im Vermittlungsgespräch
sowie zu Dokumenten, die in das Gespräch eingeführt worden waren. Außerdem waren die Leitfäden zu den Einzelinterviews mit
den erwerbslosen Personen, den Vermittlungsfachkräften und den ExpertenInneninterviews zugänglich. Das Material zu der Evaluationsstudie
war vorab nicht für eine sekundäranalytische Nutzung aufbereitet worden, d.h. über die eben dargestellten Kontextinformationen
hinaus war keine ergänzende Dokumentation zu den einzelnen Erhebungen als Meta- und Paradaten verfügbar (DUNKEL & HANEKOP
2019; GEBEL et al. 2017). [17]
Der Zugang zum Entstehungskontext der Daten gelang insbesondere durch eine Sichtung der Primärliteratur und den Austausch mit den Primärforschenden. Dies diente vor allem dazu, die Studienkonzeption und die Rahmenbedingungen in den Arbeitsagenturen für die Sekundäranalyse nachvollziehen zu können. Auch ermöglichten der Austausch mit den KollegInnen und deren exklusives Wissen über die Inhalte der Interviews eine erste Prüfung des Materials für das Forschungsinteresse der Sekundäranalyse. So erinnerten sich die Primärforschenden nach einer Einführung in das Phänomen Recall und in das neue Forschungsinteresse, dass Wiederbeschäftigungen bei ehemaligen Arbeitgebenden in den Vermittlungsfällen durchaus thematisiert worden waren. Ebenso erfolgte über sie ein Überblick zu den zentralen Gesetzesgrundlagen der öffentlichen Arbeitsvermittlung sowie die Bereitstellung der dort oftmals verwendeten Abkürzungen, die in den Transkripten häufig zu finden waren. Um ein Verständnis für die Entscheidungsprozesse der Vermittlungsfachkräfte, deren Abhängigkeiten, aber auch deren Autonomiespielräume entwickeln zu können, dienten insbesondere die ExpertenInneninterviews. [18]
3.2 Passung der Fragestellung von Primärstudie und Sekundäranalyse
Mit dem Modellversuch wurde das Ziel verfolgt, mehr eigenverantwortliche Entscheidungsbefugnisse über Integrationsleistungen für die Vermittlungsfachkräfte zu schaffen, die Anzahl der erfolgreich besetzten Stellen zu erhöhen und die Dauer des Leistungsbezuges zu verkürzen. Hierdurch sollten die Arbeitsmarktchancen der LeistungsbezieherInnen im SGB III verbessert und die Anzahl an Personen reduziert werden, die in den Langzeitarbeitslosenbezug im Rechtskreis des Zweiten Sozialgesetzbuches (SGB II), das sogenannte Arbeitslosengeld II10), übergehen. [19]
Vor diesem Hintergrund war mit der Primärstudie das Forschungsinteresse verfolgt worden, das Modellprojekt und die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen zu evaluieren. Die zentrale Frage für die Evaluation war dabei, welche Effekte die getroffenen Maßnahmen zur Verbesserung des Vermittlungs- und Beratungsauftrags der BA hatten. Hierzu war zum einen die Ebene der organisationalen Praxis im Vermittlungsprozess und zum anderen die konkrete Prozess- und Handlungsebene aus der Perspektive der Vermittlungsfachkräfte und der erwerbslosen Personen untersucht worden (HOFMANN et al. 2010, 2012; SOWA & THEUER 2014). [20]
Demgegenüber wurde im Rahmen der Sekundäranalyse untersucht, welche Rationalitäten Recall-Entscheidungen im Vermittlungsprozess zugrunde lagen. Diese war als Supra-Analyse (HEATON 2004) angelegt, da ein grundsätzlich anderes und neues Forschungsinteresse und eine spezifisch andere forschungsleitende Fragestellung verfolgt wurde als in der Primärstudie. Dennoch waren die Primärdaten unter verschiedenen inhaltlichen Gesichtspunkten besonders geeignet:
Der Zugriff auf den Primärdatensatz ermöglichte einen direkten Zugang zum Vermittlungsprozess. Dadurch konnte die Verfolgung von Recall-Strategien im Zuge der regulären Vermittlungspraxis analysiert werden.
Das primäre Quellenmaterial resultierte nicht nur aus der Beobachtung von Prozessen in der Arbeitsvermittlung, sondern es waren zudem die Erwerbsbiografien der Beschäftigten erfasst worden. So waren unterschiedliche Einbettungen von Recall-Optionen in individuelle Lebensläufe und dadurch ein sequenzielles Verständnis von Recalls möglich.
Ferner hatten die Forschenden die Perspektiven der Erwerbslosen und der Vermittlungsfachkräfte im Zuge der Leitfadeninterviews weiter vertieft, sodass die Kontexte und Rationalitäten der Recall-Strategien eingehender untersucht werden konnten. [21]
Der Beobachtungszeitraum der Evaluationsstudie fiel mit ihrem Beginn in den Zeitraum der Finanz- und Wirtschaftskrise der Jahre 2008 und 2009. Aufgrund des krisenbedingten konjunkturellen Rückgangs sank der Arbeitskräftedarf in den Betrieben, was einerseits zu vermehrten Freisetzungen von Beschäftigten führte und andererseits die gesamtwirtschaftliche Arbeitsmarktsituation für das Eingehen von Arbeitsverhältnissen bei neuen Arbeitgebenden verschlechterte. Beides waren günstige Bedingungen für Recalls, sodass zu erwarten war, dass sich diese in den Materialien finden würden. In der Gesamtbetrachtung ermöglichten die Daten folglich einen seltenen Blick in die Welt der Arbeitsvermittlung. Die Themen und Perspektiven wurden von den Vermittlungsfachkräften und den Arbeitssuchenden gesetzt und gestatteten somit, ihre Perspektiven auf Recalls sowie ihre Recall-Rationalitäten zu rekonstruieren. [22]
3.3 Passung der Primärstichprobe zu den Anforderungen der Sekundäranalyse
Das Sample für die Evaluation des Modellprojektes der BA zielte auf die regionale Differenzierung der Agenturdienststellen hinsichtlich der Höhe der Arbeitslosenquote und der Wirtschaftsstruktur ab (HOFMANN et al. 2010, 2012). Demgegenüber war die Fallauswahl für die Sekundäranalyse auf die Identifizierung von Recalls im Vermittlungsprozess angelegt. Um dazu eine erste Materialauswahl vornehmen zu können, erfolgte zunächst ein Austausch mit den Primärforschenden. [23]
Da das Forschungsinteresse auf den Rationalitäten von Recalls im Vermittlungsprozess und den damit verbundenen Folgen lag, wurden die 85 dokumentierten Vermittlungsfälle in einem ersten Schritt gesichtet. Im zweiten Schritt wurden daraus Fälle identifiziert, in denen ein Recall oder eine Recall-Option bei einem ehemaligen Arbeitgebenden thematisiert worden war. Von der Anzahl der verfügbaren Primärdaten bot sich somit die Möglichkeit einer eigenen Fallauswahl entlang des neuen Forschungsinteresses. Die inhaltliche Samplestruktur erwies sich hingegen als herausfordernder, da Recall-Erfahrungen oder -Optionen der Beschäftigten im Vermittlungsprozess über eine Schlüsselwortsuche herausgearbeitet werden mussten. Hierzu konnte auf Vorarbeiten aus dem Projekt "Betriebe und Ungleichheit: Synchrone und diachrone Ungleichheitseffekte zeitweiser Entlassungen (Recall)"11) zurückgegriffen werden, und es konnten mittels einer Schlüsselwortsuche bereits bekannter Begriffe (bspw. "ehemalig", "Rückkehr", "saisonal", "vormalig") passende Vermittlungsfälle für die Sekundäranalyse identifiziert werden. In einem dritten Auswahlschritt wurden durch sich neu ergebende Schlüsselwörter (bspw. "Wirtschaftskrise", "vorübergehend", "kurzzeitig") weitere passende Vermittlungsfälle gefunden. [24]
Im Ergebnis fanden sich im gesamten Datenbestand 23 Fälle, in denen ein Recall bei einem ehemaligen Arbeitgebenden thematisiert oder als Option eingebracht worden war, was 27% aller Fälle entspricht. Dies deckt sich auch mit den Erfahrungen der Linked-Employer-Employee-Daten des IAB (LIAB) (LIEBIG & HENSE 2007) und der Studie "Erwartungen und Erfahrungen von Beschäftigten in Deutschland" (EDLER et al. 2018) und kann damit als typische Samplestruktur bei der Untersuchung von Recalls auf dem deutschen Arbeitsmarkt angesehen werden. [25]
3.4 Angemessenheit der Erhebungsmethode der Primärstudie zu den Anforderungen in der Sekundäranalyse
Die Erfassung der Vermittlungsgespräche fand anhand von passiv-teilnehmenden Beobachtungen und anschließender leitfadengestützter Interviews mit den erwerbslosen Personen und den Vermittlungsfachkräften statt (HOFMANN et al. 2010, 2012; SOWA et al. 2013). Die Interviewführung wurde dabei sehr offen gestaltet, damit die beteiligten Personen eigene Relevanzen setzen und auch nicht absehbare Tatbestände erfasst werden konnten. Der Leitfaden diente lediglich dazu, die Interviews im vorgesehenen thematischen Rahmen12) zu halten (HOFMANN et al. 2010, 2012). [26]
Um die unterschiedlichen Erfahrungen und Orientierungen zu Recalls bei den erwerbslosen Personen und den Vermittlungsfachkräften herausarbeiten zu können, wurde als Auswertungsmethode das thematische Kodieren nach FLICK (2006) gewählt. Dieses basiert auf einer komparativen Einzelfallanalyse und ist besonders für Fragestellungen und daraus hervorgehende Interviewdaten konzipiert, die bereits von vornherein strukturiert sind. Für die Sekundäranalyse war das geeignet, da die Leitfadeninterviews nach einheitlich vorgegebenen Themen erfolgten und somit vergleichbar waren, gleichzeitig aber ausreichend offen waren, sodass die Befragten eigene Relevanzen setzen konnten. Ebenso hatten die dokumentierten Vermittlungsgespräche eine sich wiederholende vergleichbare formale und thematische Struktur. [27]
Den Ausgangspunkt der Untersuchung bildeten in einem ersten Orientierungsschritt Fallbeschreibungen, die kurze Charakterisierungen der betroffenen Personen, zentrale Themen in den spezifischen Fällen und typische Aussagen in den Interviews umfassten. In einem zweiten Schritt folgten eine vertiefende Analyse und die Herausarbeitung eines Kategoriensystems je Fall, das auf die nachfolgenden Fälle angewandt und bei Bedarf modifiziert wurde. Daran anschließend wurden Vermittlungsfälle mit thematisch ähnlichen Strukturen und Schwerpunktsetzungen geclustert. Im dritten und abschließenden Schritt wurden thematische Cluster gleicher oder ähnlicher thematischer Struktur einem Gruppenvergleich unterzogen und spezifische Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede herausgearbeitet. Diese wurden nach Handlungsmustern und Orientierungsrahmen bei der Verfolgung einer Wiederbeschäftigung zusammengefasst. Die Analyse zielte auf eine Weiterentwicklung des theoretischen Phänomens Recall, es wurde explizit auch Vorwissen aus den vorangegangenen Studien (siehe Abschnitt 2) einbezogen. [28]
Der Zugang zu qualitativen Daten kann durch die Nachnutzung eigener Materialien aus früheren Erhebungen erfolgen, über persönliche Netzwerke im kollegialen Austausch oder über ein Forschungsdatenzentrum (WILKE et al. 2021).13) Für die eigene Untersuchung waren die Daten bereits aus einem Workshop zur Archivierung qualitativer Daten in der Arbeits- und Organisationsforschung bekannt, in dem das originäre Evaluationsvorhaben und die Analysepotenziale der Materialien für weitere Forschungskontexte vorgestellt worden waren (GEBEL & ROSENBOHM 2014). [29]
Angelehnt an den Workshop war der erste Schritt eine Kontaktaufnahme mit den Primärforschenden. Dabei wurden insbesondere die grundlegende Zugangsmöglichkeit zu den Daten und deren Relevanz für das neue Forschungsinteresse besprochen. Nachdem die Materialien im engen Austausch mit den Primärforschenden als geeignet bewertet worden waren, war eine Genehmigung zur Nutzung von personenbezogenen Daten (Sozialdaten) in den Räumen des IAB durch einen externen Forschenden gemäß §75 Zehntes Sozialgesetzbuch (SGB X) erforderlich. Hierzu war ein Kurzantrag notwendig, in dem das Forschungsinteresse und der dafür erforderliche Datenbedarf plausibel dargestellt werden mussten. Im Anschluss daran wurde die Nutzungsanfrage durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) geprüft. Nach der Genehmigung musste noch ein Datennutzungsvertrag mit dem IAB abgeschlossen werden, in dem auch eine konkrete Kontaktperson zur Betreuung benannt wurde. Zudem waren ein Kooperationsvertrag mit den Primärforschenden und eine Verpflichtung auf eine Datenschutzerklärung zur Nutzung personenbezogener Daten des IAB erforderlich. [30]
Da die Arbeit an den Materialien ausschließlich in den Räumen des IAB gestattet war, musste vor jeder Datennutzung bei der zuständigen Kontaktperson ein Arbeitsplatz reserviert werden. Dieser war ausgestattet mit einem Remote-Desktop-Rechner, über den die Daten, die Arbeitsmaterialien und die erforderliche Software verfügbar gemacht wurden. Für die Mitnahme zur weiteren Bearbeitung waren ausschließlich selbst verfasste Auswertungsdokumente zugelassen, die vorab einer Datenschutzprüfung unterzogen wurden. Ebenso war zur Illustration der Ergebnisse nur die Mitnahme anonymisierter Interviewausschnitte gestattet. [31]
Unter diesen besonderen Zugangsbedingungen war die Nutzung der Daten in ihrer Originalform, d.h. ohne verändernde Maßnahmen durch eine Anonymisierung, möglich, und es ergaben sich für die Sekundäranalyse nur geringe Beschränkungen. Doch gingen mit diesen spezifischen Datennutzungsbedingungen auch Einschränkungen für die Arbeit im Projekt einher, da der Arbeitsplatz immer nur für eine Person zugänglich und deshalb eine gemeinsame Arbeit mit den ProjektkollegInnen am Material nicht möglich war. Zudem war der logistische Aufwand erheblich, da jeder Zugriff einzeln angemeldet werden musste und mit Reiseaufwand verbunden war. Auch ergaben sich zeitliche Verzögerungen für den Publikationsprozess, da ein schneller nochmaliger Rückgriff auf das Originalmaterial nicht möglich war. [32]
4. Erträge und Grenzen der Sekundäranalyse
Die erneute Betrachtung der dokumentierten Vermittlungsfälle bot die Gelegenheit, Einblicke in Entscheidungsabläufe, Aushandlungsprozesse und interne Abläufe zwischen Vermittlungsfachkräften und erwerbslosen Personen zu erhalten, die bis dahin so nicht erlangt werden konnten. Diese Momentaufnahmen sind in der Regel nicht reproduzierbar, da die Entscheidungen in der öffentlichen Arbeitsvermittlung immer vor einem spezifischen biografischen und historischen Erfahrungshintergrund der Arbeitssuchenden und der Vermittlungsfachkräfte getroffen worden waren und unter dem Einfluss von zeitlich, strukturell und lokal spezifischen Eigenschaften des jeweiligen Arbeitsmarktes standen. [33]
Der Rückgriff auf die Materialien der Evaluationsstudie ermöglichte Einblicke in die Rationalitäten und Kontexte aus der Perspektive des Vermittlungsprozesses, die durch neue Erhebungen auch realisierbar wären, doch ebenso mit erheblichen forschungspraktischen und erkenntnistheoretischen Herausforderungen verbunden wären. So wäre eine neue Erhebung mit höheren zeitlichen und finanziellen Ressourcen verbunden gewesen. Da sich die Perspektivenerweiterung von Recalls auf den Prozess der öffentlichen Arbeitsvermittlung jedoch erst im Projektverlauf ergeben hatte, waren für eine eigene Erhebung keine zeitlichen und finanziellen Ressourcen eingeplant worden. Zudem bestand für eine retrospektive Befragung von Beschäftigen zu ihren Gründen, sich für oder gegen die Verfolgung von Recall-Optionen zu entscheiden die Problematik, dass diese ihre Darstellungen durch zwischenzeitlich dazugewonnenes Erfahrungswissen im Nachhinein rationalisieren und ihre Vergangenheit glätten könnten. Mit der Sekundäranalyse bestand im vorliegenden Fall damit die Möglichkeit, den Entscheidungs- und Entstehungsprozess von Recalls in der Phase der Arbeitslosigkeit nachzeichnen zu können. Es war jedoch dem historischen Zufall geschuldet, dass die Beobachtungen von den Folgen einer globalen Finanz- und Wirtschaftskrise beeinflusst wurden, sodass für Wiederbeschäftigungen typische betriebliche Flexibilisierungsbedarfe aus saisonalen Schwankungen oder planbaren kurzfristigen Auftragsrückgängen, die dieses Beschäftigungsmuster begünstigen können, in den Hintergrund traten. [34]
Die Erforschung des Prozesses der Arbeitsvermittlung ist – begründet in gesetzlichen Hürden14) und mit Blick auf die für gewöhnlich abgeschottete Beziehung von erwerbslosen Personen und Vermittlungsfachkräften – ein schwer zugänglicher Bereich, der Forschenden oft verwehrt bleibt. Empirische Studien hierzu finden meist ausschließlich durch das IAB selbst statt oder in seinem Auftrag. Die so gewonnenen Daten werden dann in der Regel anderen Forschenden auf Antrag zum Zwecke der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung verfügbar macht. Mit dem Zugriff auf die Daten aus der IAB-Evaluationsstudie konnte diese Blackbox geöffnet werden, was die Rekonstruktion von Pfadabhängigkeiten und Rationalitäten im Entscheidungsprozess für oder gegen einen Recall ermöglichte. Durch das Material kamen die Akteure und Akteurinnen selbst ungewöhnlich ausführlich zu Wort, wodurch Entscheidungswege herausgearbeitet werden konnten, unter welchen Bedingungen – finanzielle Lage, Dauer der Arbeitslosigkeit, lokale Arbeitsmarktbedingungen, lokale Arbeitgebendenalternativen, familiäre Lage, frühere Erfahrungen – Recall-Optionen von den erwerbslosen Personen und von den Vermittlungsfachkräften verfolgt worden waren. Das Ergebnis war keine "große Geschichte", sondern vielmehr eine Sammlung von Erkenntnisbausteinen, die in ihrer Gesamtheit Einblick gaben in die Beziehung und Entscheidungsfindung zwischen Vermittlungsfachkräften und erwerbslosen Personen und wie dieser jeweils individuelle Prozess gesteuert, reguliert und extern beeinflusst war. [35]
Die inhaltlichen Ergebnisse zeigen, kurz zusammengefasst, dass Recalls insbesondere im Kontext eingeschränkter Alternativen am Arbeitsmarkt erörtert wurden. Zentral war dabei, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden nicht geschädigt worden war. Mit der Wiederbeschäftigung wurde in der Regel eine schnelle Rückkehr in Arbeit verbunden und eine Besserstellung gegenüber anderen Bewerberinnen und Bewerbern, die keine vergleichbaren Vorerfahrungen im Betrieb hatten. Gleichzeitig wurden auch die Risiken dieser Beschäftigungsform gesehen, die bei fehlenden Arbeitsplatzalternativen, insbesondere in Krisenzeiten, jedoch in Kauf genommen wurden, um die Zeit der Arbeitslosigkeit zu verkürzen. Die Vermittlungsfachkräfte sahen Recalls in der Regel als eine ergänzende Option, mit der sie unter spezifischen Rahmenbedingungen – Berufsgruppe, konjunkturelle Aspekte, Profil der Beschäftigten und Arbeitgebendenalternativen – in der Vergangenheit positive Erfahrungen verbunden hatten. Im Fokus stand für die Vermittlungsfachkräfte jedoch generell entsprechend einer aktivierenden Arbeitsmarktpolitik die Aufnahme einer zumutbaren Beschäftigung durch die erwerbslosen Personen (GEBEL et al. 2022). [36]
Der Blick in die Vergangenheit ist immer durch die Interessen und die Methodik der Primärforschung beeinflusst, was dazu führt, dass interessante Dimensionen des Forschungsgegenstandes für die Sekundäranalyse in der ursprünglichen Untersuchung nicht berücksichtigt sind. Für den vorliegenden Fall bedeutete dies, dass die Entscheidungsprozesse nicht vor dem Hintergrund der lokalen Arbeitsmarktlage reflektiert werden konnten, da derartige Informationen in dem ursprünglichen Material nicht erfasst worden waren. Die individuellen Gründe für oder gegen die Verfolgung einer Recall-Option konnten somit auch nicht mit den zu dem Zeitpunkt der Entscheidungsfindung tatsächlich vorliegenden lokalen Arbeitsmarktbedingungen reflektiert betrachtet werden. Auch gab es keinen Überblick über die letztlich realisierten Wiederbeschäftigungen, da die Evaluation in den Agenturen vorab beendet worden war. Insofern konnten auch keine Aussagen dazu getroffen werden, welche Strategien der erwerbslosen Personen und der Vermittlungskräfte mehr oder weniger Aussichten für die erfolgreiche Realisierung geboten hatten und inwiefern sich die erwarteten Folgen bei einem Recall tatsächlich bewahrheitet hatten. [37]
Methodische Beschränkungen ergaben sich insbesondere aus der Samplingstrategie der Primärstudie. Dort war auf die Abbildung regionaler und struktureller Dimensionen der Modell- und Vergleichsagenturen gezielt worden. Bei der Fallauswahl im Rahmen der Neubetrachtung der Daten interessierten hingegen die Erwerbsbiografien der erwerbslosen Personen. Damit war die Auswahl relevanter Fälle nur mit erheblichem Aufwand realisierbar, gegebenenfalls konnten weitere in dem Gesamtkorpus nicht identifiziert werden, da diese durch das Raster der Schlüsselwortsuche fielen. [38]
Für qualitative Sekundäranalysen machen sich Forscherinnen und Forscher bestehendes Material zunutze. Die Grundprämisse ist dabei, dass den in einem spezifischen Projekt erhobenen Daten genügend Potenzial innewohnt, um weitere Forschungsinteressen bedienen zu können. Diese Nutzbarkeit über die Primärstudie hinaus hängt im Wesentlichen mit dem Informationsgehalt zusammen, d.h. der Qualität der Daten und der Erhebungsinstrumente sowie dem Zugang zum Entstehungskontext der Daten. [39]
Bedenken hinsichtlich des Nutzens bereits vorhandener qualitativer Materialien betreffen insbesondere die Frage, inwiefern die im Rahmen eines spezifischen Kontextes erhobenen Daten überhaupt für andere Fragestellungen geeignet sind und Ergebnisse liefern können. Die eigene Untersuchung hatte mit der originären Studie nur noch die grundlegende Thematik des Vermittlungsprozesses gemein, wich ansonsten deutlich davon ab; dennoch erwies sich die Sekundäranalyse als fruchtbares und gewinnbringendes Vorgehen. Die Spezifik des Forschungskontextes der Primärstudie muss demnach kein grundlegendes Hindernis sein, wenn die Daten nach eingehender Bewertung mit dem neuen Forschungsinteresse korrespondieren. [40]
Ferner konnte gezeigt werden, dass die Nutzung bestehender Forschungsmaterialien einen Rückgriff auf Prozesse und Entwicklungen erlaubte, der direkt an deren Entstehung ansetzte. Durch den hier illustrierten Anwendungsfall wurden die neue Betrachtung empirischer Momentaufnahmen der Arbeitsvermittlung und ein Einblick in die Rationalitäten und Kontexte von Recalls ermöglicht. Damit gelang der Blick auf die Relevanz von Wiederbeschäftigungen in der öffentlichen Arbeitsvermittlung aus der Perspektive der erwerbslosen Arbeitskräfte und der der Vermittlungsfachkräfte, was grundlegend wohl auch mit einer neuen Datenerhebung hätte realisiert werden können, jedoch dann mit erheblichen Zugangshürden und einem deutlich höheren zeitlichen, personellen und finanziellen Ressourcenaufwand verbunden gewesen wäre. [41]
Es bleibt aber auch festzuhalten, dass Forschende an Grenzen stoßen, wo inhaltliche und methodische Entscheidungen in der Primärforschung oder ein begrenzter Zugang zu Kontextinformationen die Analysepotenziale für eine Sekundäranalyse beschränken. Im vorliegenden Fall war dies insbesondere die Fokussierung auf die Prozessevaluation der Vermittlung in der ursprünglichen Studie, auf die auch die Erhebungsinstrumente angelegt worden waren. Ebenso lagen keine Informationen über die regionale Verteilung der Recall-Fälle vor, da in der Evaluationsstudie keine Standortinformationen zu den Modell- und Vergleichsagenturen erfasst worden waren. [42]
Die eigene Studie fand unter spezifischen Gelingensbedingungen statt, da die Datennutzung zum einen in einer geschützten Arbeitsumgebung in den Räumen des IAB erfolgen musste und zum anderen die unveränderten Originaldaten genutzt werden konnten. Zudem bot sich die Möglichkeit, auf Felderfahrungen im direkten Austausch mit den Primärforschenden zugreifen zu können. Somit bestand im Vergleich zu einer Nutzung von Archivdaten (GEBEL & MEYERMANN 2021) ein "privilegierter" Datenzugang ohne Beschränkungen aufgrund von Anonymisierungsmaßnahmen oder fehlendem implizitem Feldwissen. [43]
Zusammenfassend ist die Sekundäranalyse ein legitimer methodischer Zugang, wenn bestimmte methodologische Voraussetzungen erfüllt sind. Sie sollte jedoch nicht als Ersatz für neue empirische Studien gesehen werden und nicht in Konkurrenz dazu stehen. Der Rückgriff auf bestehende Forschungsmaterialien kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, neue Erkenntnisse zu Fragenstellungen zu finden, die mit Primärstudien nicht oder nur eingeschränkt möglich sind. [44]
1) Die Sekundäranalyse zielt damit auf die Auswertung und Interpretation sogenannter "Primärdaten" ab und ist somit von der Dokumentenanalyse zu unterscheiden, bei der es um eine Synthese bereits publizierter Forschungsergebnisse geht (MEDJEDOVIĆ 2014). <zurück>
2) Auch wenn der Anstoß der Debatte zur qualitativen Sekundäranalyse in Deutschland bereits vor 2010 erfolgte (BERGMAN & EBERLE 2005; CORTI, WITZEL & BISHOP 2005; CORTI, KLUGE, MRUCK & OPITZ 2000), fand eine umfassende wissenschaftliche Auseinandersetzung erst ab 2010 statt. Damals erschien das erste deutschsprachige Methodenbuch (MEDJEDOVIĆ & WITZEL 2010) zur qualitativen Sekundäranalyse. Auch forderten ab diesem Zeitpunkt Forschungsfördereinrichtungen und Wissenschaftsorganisationen verstärkt die Archivierung und Nachnutzung von qualitativen Daten (ALLIANZ DER DEUTSCHEN WISSENSCHAFTSORGANISATIONEN 2010; BMBF 2012; DFG 2013, 2019; KOMMISSION ZUKUNFT DER INFORMATIONSINFRASTRUKTUR 2011; WISSENSCHAFTSRAT 2011), was mit dazu beitrug, die wissenschaftliche Beschäftigung mit der qualitativen Sekundäranalyse in die Breite der qualitativen Forschungspraxis zu tragen. <zurück>
3) https://www.konsortswd.de/datenzentren/alle-datenzentren/ [Datum des Zugriffs: 6. September 2021]. <zurück>
4) https://sfb882.uni-bielefeld.de/de/projects/b4.html [Datum des Zugriffs: 6. September 2021]. <zurück>
5) Neben den inhaltlichen Gründen fiel die Entscheidung gegen eine Primärerhebung auch, weil das erforderliche Design, d.h. die Beobachtung des Vermittlungsprozesses über die Zeit in den Arbeitsagenturen aus rechtlichen Gründen und wegen fehlender Ressourcen nicht umsetzbar gewesen wäre. <zurück>
6) Der Zugriff kann bspw. als Scientific Use File, Remotezugriff oder Onsite-Use über ein Forschungsdatenzentrum erfolgen, oftmals geschieht dies jedoch bislang noch im direkten kollegialen Austausch (GEBEL & MEYERMANN 2021). <zurück>
7) "If the data are comparable with respect to population, situation, and variables, then the social scientist merely analyzes it according to the specific operating problem. This is the very essence of secondary analysis" (GLASER 1962, S.72). <zurück>
8) Leistungen wie das sogenannte Arbeitslosengeld I werden aus der Arbeitslosenversicherung finanziert. Die Regelbezugsdauer beträgt 12 Monate. Für Personen ab 50 Jahren erhöht sich die Bezugsdauer je nach Alter auf bis zu 24 Monate. Der Regelsatz beträgt für Personen ohne Kinder 60% und für Personen mit Kindern 67% des letzten vormaligen Nettogehaltes. Das Arbeitslosengeld I schließt für die EmpfängerInnen die gesetzliche Kranken-, Pflege- und Unfallversicherung mit ein. <zurück>
9) Die 14 Modellagenturen wurden deutschlandweit nach Größe der Dienststellen und nach der regionalen Arbeitslosenquote ausgewählt. Diesen wurden 14 strukturell ähnliche Vergleichsagenturen gegenübergestellt. Das Sampling der ExpertInneninterviews erfolgte auf der Grundlage einer bewussten Fallauswahl in den Agenturen und das der Vermittlungsfälle durch eine Zufallsauswahl (HOFMANN et al. 2010, 2012). <zurück>
10) Das Arbeitslosengeld II (umgangssprachlich auch Hartz IV genannt) stellt eine Grundsicherung für Arbeitssuchende dar, die nach dem Auslaufen des Arbeitslosengeldes I noch keine neue Anstellung gefunden haben. Das Arbeitslosengeld II wird aus Steuergeldern finanziert und sichert das Existenzminimum der EmpfängerInnen ab. Zu einem festgelegten Regelsatz, in Abhängigkeit einer vorangegangenen Einkommens- und Vermögensprüfung, kommen ergänzende Zuschüsse für die Miete. Diese werden in der Höhe der tatsächlichen Aufwendungen gezahlt und sind abhängig von der Größe des Haushalts und den jeweils lokalen kommunalen Richtwerten. <zurück>
11) https://sfb882.uni-bielefeld.de/de/projects/b4%3Fquicktabs_quicktab_block_teilprojekt_b4=1.html#quicktabs-quicktab block_teilprojekt_b4 [Datum des Zugriffs: 6. September 2021]. <zurück>
12) Themen erwerbslose Personen: Berufsbiografie, eigene Arbeitsmarktchancen, Erfahrung mit der Arbeitsvermittlung, persönliche Suchstrategie, in Anspruch genommene Unterstützungsleistungen, Bewertung der aktuellen Arbeitsvermittlung, Vorstellungen zur neuen Stelle, Bedeutung von Erwerbsarbeit, die ideale Stelle
Themen Vermittlungsfachkräfte: Erfahrungshintergrund der Vermittlungsfachkraft, Beschreibung der Vermittlungstätigkeit, Vergleich externe Arbeitsvermittlung und Vermittlung in der BA, Suchstrategie für die erwerbslose Person, Bedeutung der persönlichen Profile der erwerbslosen Person für die Suchstrategie, Bewertung des Vermittlungsgespräches, Zielbeschreibung für die Arbeitsvermittlung, Umgang mit Konflikten in der Zielvorstellung von erwerbsloser Person und Vermittlungsfachkraft, Bewertung der Arbeitsmarktchancen für die erwerbslose Person, Vermittlungsstrategie <zurück>
13) Forschungsdatenzentren für qualitative Daten: https://www.konsortswd.de/datenzentren/alle-datenzentren/ [Datum des Zugriffs: 6. September 2021]:
Qualiservice Forschungsdatenzentrum für qualitative sozialwissenschaftliche Forschungsdaten, https://www.qualiservice.org/de/ [Datum des Zugriffs: 6. September 2021].
Forschungsdatenzentrum Archiv für Gesprochenes Deutsch am Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (FDZ-AGD), http://agd.ids-mannheim.de/ [Datum des Zugriffs: 6. September 2021].
Forschungsdatenzentrum Betriebs- und Organisationsdaten (FDZ-BO) am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), http://www.fdz-bo.diw.de/ [Datum des Zugriffs: 6. September 2021].
Forschungsdatenzentrum Bildung des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Bildung (FDZ Bildung), https://www.fdz-bildung.de/ [Datum des Zugriffs: 6. September 2021].
Forschungsdatenzentrum für Wissenschafts- und Hochschulforschung (fdz.DZHW), https://www.fdz.dzhw.eu/de/ [Datum des Zugriffs: 6. September 2021].
Forschungsdatenzentrum des Interdisziplinären Kompetenzzentrums für IT-basierte qualitative Forschung in der Arbeitssoziologie (FDZ eLabour), http://elabour.de/ [Datum des Zugriffs: 6. September 2021].
Forschungsdatenzentrum des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM.fdz), https://dezim-institut.de/forschungsdatenzentrum-dezimfdz/ [Datum des Zugriffs: 6. September 2021].
Forschungsdatenzentrum für audio-visuelle Daten der qualitativen Sozialforschung (FDZ-aviDA), http://fdz-avida.tu-berlin.de/ [Datum des Zugriffs: 6. September 2021]. <zurück>
14) §282, SGB III, Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. <zurück>
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Tobias GEBEL ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), Abteilung Forschungsinfrastruktur/Forschungsdatenmanagement. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Forschungsdatenmanagement, qualitative Sekundäranalyse, Arbeitsmarktforschung und Organisationsforschung.
Kontakt:
Tobias Gebel
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), Abteilung Forschungsinfrastruktur/Forschungsdatenmanagement
Mohrenstraße 58, 10117 Berlin
E-Mail: tgebel@diw.de
URL: https://www.diw.de/de/diw_01.c.611027.de/personen/gebel__tobias.html
ORCID: https://orcid.org/0000-0003-4417-0282
Gebel, Tobias (2022). Sekundäranalyse von Vermittlungsgesprächen der Bundesagentur für Arbeit. Ein Praxisbericht [44 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 23(3), Art. 1, https://doi.org/10.17169/fqs-23.3.3848.