Volume 6, No. 3, Art. 2 – September 2005
Entgrenzung von Lebenssphären? Methodisch-empirische Herausforderungen der "Postfordismus"-Debatte
Birgit Huber
Review Essay:
Sabine Hess & Johannes Moser (Hrsg.) (2003). Kultur der Arbeit – Kultur der neuen Ökonomie. Kulturwissenschaftliche Beiträge zu neoliberalen Arbeits- und Lebenswelten (Kuckuck. Notizen zur Alltagskultur. Sonderband 4). Graz: Druckwerk, 170 Seiten, ISBN 3-901270-10-8, EUR 15
Zusammenfassung: Das besprochene Buch ist ein empirisch-kulturwissenschaftlich ausgerichteter Sammelband, der eine Annäherung an neoliberale Arbeits- und Lebenswelten vornimmt. Durch die Konzentration auf lebensweltliche Gesichtspunkte werden Prognosen zum Wandel von Produktionsregimes wie die Entdeckung neuer Arbeitskrafttypen, neuartiger Strukturierungsprinzipien von Gesellschaft und Ökonomie sowie andersartiger Gesellschaftstypen differenziert. Dabei verlieren sich die Autoren jedoch keinesfalls in reinen Mikrobeobachtungen – eine Schwäche, die gerade den historisch informierten, empirisch arbeitenden Geschichts- und Kulturwissenschaftlern gerne zugeschrieben wird. Es gelingt ihnen, mit Hilfe zum Teil anspruchsvoller methodischer Ansätze wie der über stationär arbeitende Feldforschung hinausgehende "multi-sited-ethnography" die Grenzverschiebungen zwischen Arbeits- und Lebenswelt, die im Mittelpunkt der Diskussion um die "Krise des Fordismus" stehen, empirisch zu erfassen. Während solche Fallstudien überzeugen, bleiben Überlegungen zum Ende der Vollerwerbsgesellschaft oder zur Kultur der "New Economy" zu sehr in Spekulationen verhaftet.
Ziel der Rezension ist es, eine Verortung der Artikel in die anfangs vor allem in der Regulationstheorie, inzwischen vor allem auch in der Arbeits- und Industriesoziologie geführten Diskussion um den Wandel von Produktionsregimes, vorzunehmen. Herausgearbeitet wird, welche Diskussionsstränge in wissenschaftlicher Literatur zu identifizieren sind, die die Entgrenzung von Arbeit und Lebenswelt sowie reflexive Wieder-Begrenzungen analysieren. Von besonderem Interesse sind innovative Methodiken, die es erlauben, verschiedene Lebenssphären empirisch gleichzeitig in den Blick zu nehmen.
Keywords: Arbeitsforschung, "New Economy", Telearbeit, Postfordismus, Globalisierung, Ökonomie des Haushalts, multi-sited-ethnography
Inhaltsverzeichnis
1. Arbeitskraft ohne Grenzen?
2. Die Geburt der Neoliberalismusanalyse aus dem Geiste der Arbeiterkulturforschung. Von der unterschätzten Stärke eines "Dinosauriers"
3. Subjektorientierte und historische Perspektiven mit Tradition in der Empirischen Kulturwissenschaft/Europäischen Ethnologie
4. Ökonomie des Haushalts in Zeiten der Globalisierung
5. "Multi-sited-ethnography" in der Arbeitsforschung
6. Die (widerständige) Aneignung spätkapitalistischer Ideologien in Unternehmen
7. "New Economy" – mögliche Auswege?
8. Ein Plädoyer für ethnografisches Fingerspitzengefühl
Eine zentrale These der wissenschaftlichen Diskussion der sogenannten "Krise des Fordismus" bzw. des Übergangs vom Produktionsregime des Fordismus zum Postfordismus geht davon aus, dass sich die Grenzen zwischen Arbeit und Leben im Sinne von Erwerbsphäre und Reproduktionssphäre zunehmend auflösen. Im Mittelpunkt sozialwissenschaftlicher, zunehmend aber auch kulturwissenschaftlicher Debatten steht dabei der Typus des "Arbeitskraftunternehmers", den die Soziologen VOSS und PONGRATZ als neue Sozialfigur dingfest machen (z.B. VOSS 1998). Der Arbeitskraftunternehmer hat bereits alle Lebensbereiche ökonomisiert, genauso wie das Berufsleben organisiert und führt auch das Privatleben wie ein Unternehmen. Schwerpunkt des Arbeitskraftunternehmer-Konzepts liegt auf der Identifizierung von neuen Anforderungen, die an die Arbeitenden gerichtet werden. Kritisiert werden daran vor allem zwei Gesichtspunkte: Zum einen, dass der Arbeitkraftunternehmer ein Leitbild darstelle, das abstraktifizierte Marktanforderungen bündelt und empirische Relevanz suggeriert. Als Reaktion darauf legten VOSS und PONGRATZ (2003) inzwischen eine umfassende empirische Studie zu Erwerbsorientierungen in entgrenzten Arbeitsformen vor und identifizierten Abstufungen des von ihnen entworfenen Idealtypus'. [1]
Zum anderen wird aus gendersensibler Forschungsperspektive bemängelt, dass im Konzept des Arbeitskraftunternehmers der Zusammenhang zwischen Erwerbs- und Reproduktionsarbeit auf eine Verschiebung des Verhältnisses von Erwerbsarbeit und Freizeit reduziert werde:
Vielmehr müssten einerseits nach den "Frauen des Arbeitskraftunternehmers" gefragt werden (HENNINGER 2003a), die z.B. durch "Koproduktion", also dadurch, dass sie als Lebenspartner in der privaten Sozialsphäre einen direkten Beitrag zur Arbeitsleistung des anderen erbringen, das Arbeitskraftunternehmerdasein erst möglich machen (MATUSCHEK 2003, S.333). Singulär-personales subjektiviertes Arbeiten wird damit überschritten, Koproduktion gilt einigen Autoren gar als Bedingung sine qua non flexibilisierter Arbeitsformen (MATUSCHEK 2003).
Andererseits seien mögliche Verschiebungen in der Genderordnung von Belang (vgl. HENNINGER 2003b): Vor allem die feministische Forschung hatte sich nämlich von der Entgrenzung der reproduktiven und produktiven Sphäre, der dichotomen Bereiche Haus(halt) auf der einen und (Arbeits-) Öffentlichkeit auf der anderen Seite vor allem Positives in Form zunehmender Geschlechtergleichheit erhofft. [2]
Mit welcher Methode es gelingen könnte, verschiedene Lebenssphären empirisch gleichzeitig in den Blick zu nehmen, dafür erarbeitete die Projektgruppe "Alltägliche Lebensführung" bereits Mitte der 1990er Jahre einen Vorschlag. Das Konzept der "Alltäglichen Lebensführung" entstand im Rahmen von empirischen Untersuchungen zur Alltagsbewältigung berufstätiger Eltern und nahm die alltägliche Praxis von Personen in verschiedenen Lebensbereichen (Beruf, Haushalt, Familie etc.) parallel in den Blick. Ein besonderes Augenmerk wurde dabei auf das Zusammenwirken von Erwerbs- und Reproduktionsarbeit gerichtet. Ein zentrales Ergebnis war, dass die Aufrechterhaltung eines gemeinsamen Alltags nicht nur zur aktiven Leistung der Individuen wird, sondern die Verantwortung für die Herstellung eines gemeinsamen Familienalltags in erster Linie die Frauen innehaben (JURCZYK & RERRICH 1993). Dem Ansatz der Alltäglichen Lebensführung liegt eine synchrone Perspektive zu Grunde. Damit kann nicht beantwortet werden, ob die untersuchten neuen Erwerbsformen biografisch stabil sind oder nicht. Zudem werden in der synchronen Perspektive die Kumulation von für Alleinselbständige typische Risikostrukturen im Zeitverlauf (z.B. längere Auftragslosigkeit, Krankheit, ungenügende Alterssicherung) nicht sichtbar. HENNINGER und GOTTSCHALL ergänzen diesen Ansatz deshalb durch eine diachrone, auf den Lebenslauf gerichtete Perspektive (z.B. HENNINGER 2003b). Zudem dehnen sie den empirischen Zugriff auch synchron noch weiter aus (GOTTSCHALL & HENNINGER 2004): Sie ergänzen ihre Untersuchungen von Alleinselbständigen, insbesondere von Journalisten, Designern und Softwareentwicklern, durch deren Einbindung in branchen- oder berufsbezogene Netzwerke. Die Sachlogik dabei ist, dass persönliche Kontakte, die auf der Einbindung in solche Netzwerke beruhen, zentral für die Marktbehauptung von Alleinselbständigen sind. Sie erfüllen wichtige Funktionen beim Zugang zum Arbeitsmarkt, bei der Vermittelung von Aufträgen sowie beim Austausch von Wissen. [3]
2. Die Geburt der Neoliberalismusanalyse aus dem Geiste der Arbeiterkulturforschung. Von der unterschätzten Stärke eines "Dinosauriers"
Die Publikation "Kultur der Arbeit – Kultur der neuen Ökonomie. Kulturwissenschaftliche Beiträge zu neoliberalen Arbeits- und Lebenswelten", herausgegeben von Sabine HESS und Johannes MOSER, schlägt aus der Sicht der Empirischen Kulturwissenschaft/Europäischen Ethnologie (bis in die 1970er Jahre lautete die Fachbezeichnung grundsätzlich "Volkskunde") weitere Herangehensweisen an die vor allem in der Soziologie diskutierten Entgrenzungsprozesse vor bzw. wendet diese bereits empirisch an. Der vorliegende Band dokumentiert eine Vortragsreihe der Frankfurter Gesellschaft zur Förderung der Kulturanthropologie in Kooperation mit dem Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie an der Universität Frankfurt. Die Empirische Kulturwissenschaft/Europäische Ethnologie (im Folgenden zur leichteren Lesbarkeit immer als Empirische Kulturwissenschaft bezeichnet) kann dabei auf eine Tradition verweisen, die weit älter ist als die soziologischen Erörterungen. Bereits seit den 1970er Jahren wurden in der facheigenen Arbeiterkulturforschung die Arbeitenden immer auch im Kontext ihrer privaten Lebenswelt betrachtet, wobei die Gestaltung der Freizeit eine große Rolle spielte. Die Frage nach dem "unbekannten Subjekt" war für die Empirische Kulturwissenschaft von jeher fundamental, wohingegen die Industrie- und Arbeitssoziologie selbst erst in letzter Zeit ihre "Subjektvergessenheit" reflektiert (KRATZER 2003, S.242ff.) Folgerichtig erschien im der Empirischen Kulturwissenschaft die erste Buchpublikation, die die Postfordismusdiskussion aufgriff, unter dem Titel "Bewegte Zeiten" (GRUBER, LÖFFLER & THIEN) 2002) und diskutierte die These von der Flexibilisierung der Alltage zwischen Arbeit und Freizeit. [4]
Der Empirischen Kulturwissenschaft gelang es jedoch insgesamt nicht, mit ihren Pfunden zu wuchern. Mit der alltäglichen Lebenswelt, die das Fach im Fokus hat, ist in der Aufmerksamkeitsökonomie des Wissenschafts- sowie des Mediensystems nicht allzu viel Staat zu machen. Im Gegensatz etwa zu Fächern wie der Soziologie, die für sich in Anspruch nehmen, neben neuen Arbeitskrafttypen bereits neuartige Strukturierungsprinzipien von Gesellschaft und Ökonomie sowie andersartige Gesellschaftstypen konstatieren zu können. Aber auch die bewusste Abwendung von den Anfängen der Arbeiterkulturforschung in der vor fast einem Vierteljahrhundert gegründeten Kommission für Arbeitskulturenforschung unterbrach eine Kontinuität, die die Empirische Kulturwissenschaft stark hätte machen können für eine Neoliberalismusanalyse. Viele Jahre waren Publikationen und Diskussionen in der Kommission geprägt gewesen vom Interesse an Protest und Gegenkultur, vom Drang, sich via historischer Arbeitswelt über Genese und damit im Grunde auch über aktuelle Ausprägungen des Kapitalismus zu verständigen – eine Basis dafür, auch andere Wege der Ökonomie jenseits des westeuropäischen Musters zu denken. Der Hauch Exotisierung, mit dem man den Arbeiter umgab, brachte dieser Richtung jedoch den Ruch von "Linksvolkskunde" (BACHMANN 2000) ein; die klassische Arbeiterkulturforschung galt nun für lange Zeit als "Dinosaurier". Dies führte im Anschluss an die "Nach-Wende-Krise" (vgl. WARNEKEN 2001) ab Mitte der 1990er Jahre dann zu einer Verlagerung der Interessen in Richtung Organisationsethnografie (v.a. GÖTZ 1997 und WITTEL 1997) sowie einer bewusst anwendungsorientierten Forschung. Die Frage nach Ethik und Praktikabilität von Wissensproduktion trieb demnach das Kommissionsplenum auf der Berliner Veranstaltung 2001 (http://www.arbeitskulturen.de/) um. Europäische Ethnologen problematisierten dort ihre Doppelrolle als Beobachter und Berater, die der Ethnografie verpflichtet sind, aber gleichzeitig auf Profitmaximierung hin geprüft werden. Sie verständigten sich über ihre Expertise für die Organisationsberatung durch die fachspezifische Produktion von ethnografischem Wissen. Diese Expertise hatte bereits die vorgängige Kommissionstagung 1998 in München umgesetzt (GÖTZ & WITTEL 2000), allerdings ausschließlich für den Bereich der Forschung. Die Veranstaltung im Jahr 2002 in Bonn näherte sich dann nach dem Sammelband "Bewegte Zeiten" (GRUBER 2002) wieder der Frage der "Krise des Fordismus" unter dem Titel "Neue Medien und Arbeitswelt. Translokale Arbeits- und Organisationsformen als Herausforderung für die ethnografische Praxis" und einen entsprechenden Tagungsband (HIRSCHFELDER & HUBER 2004; zur Tagung siehe auch SEIFERT 2003). [5]
3. Subjektorientierte und historische Perspektiven mit Tradition in der Empirischen Kulturwissenschaft/Europäischen Ethnologie
Der in der Kommissionsveranstaltung aus dem Jahre 2002 stark gemachte interdisziplinäre Zugang prägt auch den hier zu diskutierenden Band von HESS und MOSER. Und gerade sein lebensweltlicher Zugang macht seine Stärke aus. Er nutzt die facheigene ethnografische Expertise, um Entgrenzungs- und Begrenzungsprozesse zwischen Lebens- und Arbeitwelt empirisch in den Griff zu kommen. Der historische Zugriff macht es außerdem möglich, diesbezügliche Neuheitsvermutungen zurechtzurücken. Dem Band gelingt es dabei mit vergnüglicher Leichtigkeit und äußerst überzeugend, den Verlockungen zu widerstehen, die in Prognosen zum gegenwärtigen Wandel des Produktionsregimes liegen, ohne sich in reinen Mikrobeobachtungen zu verlieren – eine Schwäche, die gerade den historisch informierten, empirisch arbeitenden Geschichts- und Kulturwissenschaftlern gerne zugeschrieben wird. Sabine HESS und Marion VON OSTEN nähern sich der Entgrenzung von Lebenssphären über den Bereich der Reproduktion, insbesondere im Haushalt. Von der Seite des Betriebes kommen Frank KLEEMANN, Johannes MOSER und Birgit MÜLLER. Klaus SCHÖNBERGER macht anschließend an eine Diskursanalyse der Arbeits- und Industriesoziologie zum Thema Entgrenzung methodische Vorschläge für eine subjektorientierte Empirie. Ergänzend zu den empirisch orientierten Texten thematisieren Dieter KRAMER und Orvar LÖFGREN, mit welchen Fragen man einen grundlegenden gesellschaftlichen Wandel erfassen könnte, wenn man Diagnosen wie den Übergang von einer "Old" in eine "New Economy" sowie die vom "Ende der Vollerwerbsgesellschaft" ernst nimmt. [6]
4. Ökonomie des Haushalts in Zeiten der Globalisierung
Der Text von Marion VON OSTEN zum Phantasma der Abschaffung von Hausarbeit kann als Beitrag zur Arbeitskraftunternehmer-Debatte gelesen werden, der durch einen historischen Blickwinkel besticht. VON OSTENS Argumentation macht deutlich, dass der Typus Arbeitskraftunternehmer vor der Folie des tayloristisch-fordistischen männlichen Arbeiters entwickelt wurde. Erst aus dieser Sicht kann die Vertrieblichung aller Lebensbereiche als etwas gänzlich Neues erscheinen. Weibliche Hausarbeit wurde bereits Anfang des 20. Jahrhunderts zum Ziel umfassender Rationalisierung und Technisierung, so VON OSTEN. In der "Logik der Technologisierer" befanden sich Frauen im Anschluss daran automatisch in einer Art unfreiwilligem Müßiggang – es war ihnen durch hilfreiche Maschinen im Haushalt schließlich jede eigene Hausarbeit abgenommen. Ab den 1960er Jahren wurde ihnen in einer umgestalteten Ideologie des Hausfrauendaseins dann die Rolle der Kameradin, der Liebhaberin, der Lebensgefährtin und liebevollen Mutter in einem zugeschrieben, so die Diagnose der Autorin.
"Die performative Leistung, eine Hausfrau im Sinne emotionaler Fürsorglichkeit und rationeller Organisiertheit sein zu wollen oder zu müssen, stellt bereits jene neue Selbsttechnologie des Post-Fordismus dar, die nun aus dem Bereich des Privaten in die Sphäre des Öffentlichen einfließen sollte" (VON OSTEN, S.135) [7]
Zudem aber würden sich – so VON OSTEN weiter – im Sinne einer "ungleich erkauften Emanzipation" (S.138, Fußnote 8) mit Eintritt in die Erwerbsarbeit immer mehr Frauen der westlichen Industrienationen weigern, manuelle (Hausarbeits-) Tätigkeiten ausführen zu wollen. Sie würden diese daher an schlecht bezahlte Andere delegieren, deren Arbeit unsichtbar bleibt und ökonomisch wie rechtlich prekär ist (S.138). So ist der Beitrag von Marion VON OSTEN auch einer zum Haushalt und seiner Ökonomie in einer globalisierten Welt. [8]
Die These von der Entstehung einer neuen Dienstbotengesellschaft durch Ethnisierung von Hausarbeit vertritt neben VON OSTEN auch Sabine HESS. Auf der Basis einer ernsthaft betriebenen "multi-sited-ethnography" (diesen Begriff prägte MARCUS 1995), wie sie bisher eher im anglo-amerikanischen Raum praktiziert wird, kann HESS beeindruckend analysieren, wie komplex Anerkennung und Missachtung in der Gegenwartsgesellschaft miteinander verknüpft sind. Die von ihr befragten deutschen Frauen legitimieren ihre Lebenspraxis über ihre Berufstätigkeit und werteten die Arbeitswelt als zentralen Ort von Anerkennung auf. Parallel dazu werden die osteuropäischen Migrantinnen, die als Au Pair in den Haushalten die Arbeit übernommen haben und oft mit einem wenig traditionellen Frauenbild nach Deutschland gekommen sind, geradezu "hausfrauisiert". Getragen werden solche informellen Ermöglichungsstrukturen HESS zufolge für Doppelverdiener-Familien durch eine Migrationspolitik, die jene als Unterstützung für die spätmodernen Lebens- und Arbeitsstile einkalkuliert. [9]
5. "Multi-sited-ethnography" in der Arbeitsforschung
Besonders bestechend ist HESS' Herangehen an die Verschränkung von Haushalt und Arbeitswelt durch ihr methodisches Vorgehen. Sie reiste einerseits zusammen mit den jungen Au Pairs zwischen der Slowakei und Deutschland hin und her – häufig in den berühmt-berüchtigten Bussen, die Migranten regelmäßig von West nach Ost und zurück transportieren. Damit ist ihre Arbeit auch "state of the art" in der gegenwärtigen Migrationsforschung, in der es inzwischen Konsens ist, dass es immer weniger Sinn macht, diese im Sinne einer reinen Integrationsforschung zu betreiben (z.B. PRIES 1997 sowie KÖCK, MOOSMÜLLER & ROTH 2004). Man habe es nämlich immer häufiger mit einer "Pendelmigration" zu tun, die eine Vielzahl von Menschen in kurzen Abständen über Grenzen – oft einer ganzen Reihe von Ländern – und wieder zurückführt. Die Autorin begab sich also, gleich ihren Gesprächspartnerinnen im Feld pendelnd von einem Ort zum anderen. Zum weiteren nimmt sie damit Orte in Augenschein, die seit einiger Zeit unter dem Label "Nicht-Orte" (ein Begriff, der ursprünglich von Marc AUGÉ 1994 geprägt worden war) als bedeutendes Feld für die (europäische) Ethnologie thematisiert werden: Überlandbusse, Hotelzimmer, Flughäfen, Autobahnen als Topografien des Übergangs und damit als Prototypen für den Vollzug spätmodernen (Nomaden-) Lebens. In Deutschland begab sich HESS in die Arbeitgeberinnenfamilien der Migrantinnen und befragte diese nach ihren Vorstellungen von Haushalt, Erwerbsarbeit und Selbstverwirklichung. HESS' Forschungen aus ihrem Dissertationsprojekt gelten in der Empirischen Kulturwissenschaft als einschlägig für die sehr aufwendige Art der Feldforschung der "multi-sited-ethnography" (MARCUS 1995; WELZ 1998), die eine Anzahl von Orten als Orte der Beobachtung reisend verbindet und damit nicht länger stationär ist. [10]
Während Welz (1998) den Begriff ausgehend von Zypern vor allem im Sinne der Verbindung geografischer Orte benutzt, entwickeln ihn PALUMBO (2004), GOLL (2002, 2004) und HUBER (2003) in einem Sinne weiter, wie es auch Klaus SCHÖNBERGER im hier rezensierten Sammelband fordert. "Multi-sited-ethnography" sollte weniger auf eine geografische Dimension als vielmehr auf die Orte unterschiedlicher sozialer Sphären zielen, um veränderte Arbeitsverhältnisse zu erfassen. "Die Stellung im Produktionsprozess ist dabei zwar ein Aspekt, aber das spezifisch neue (Entdifferenzierung von Arbeit und Freizeit) lässt sich nicht innerhalb der Betriebsgrenzen angemessen beschreiben" (SCHÖNBERGER, S.160). HUBER (2003) stellt ein "Client-Netzwerk" in den Mittelpunkt und analysiert das – z.T. durch virtuelle Zusammenarbeit geprägte – Beziehungsgefüge zwischen dem selbständigen Betriebsinhaber, den festen und den freien Mitarbeitern im Bereich der Multimediaproduktion, indem sie diese an verschiedenen Arbeitsplätzen im Erwerbs- und Privatbereich aufsucht. PALUMBO und GOLL verlagern ihre Ethnografie noch mehr in den virtuellen Raum: PALUMBO verfolgt die Vernetzung zwischen translokal arbeitenden virtuellen Teams auf verschiedenen Kontinenten und die damit generierte interkulturelle Interaktion, die neuartige Beziehungen zwischen dem Lokalen und dem Globalen hervorbringt. GOLL arbeitete zur Erhebung ihrer Felddaten für ein Jahr in einer IT-Beratungsgesellschaft und kombiniert ihre Ethnografie innovativ aus schriftlichem Material in Form von so genannten Logfiles aus dem Intranet, Schriftfassungen einzelner Passagen von audiovisuellen Aufzeichnungen und damit bewegten, unbewegten Bildern und Text-Bild-Kombinationen sowie klassischen Feldnotizen. [11]
An allen drei Beispielen ist sichtbar, dass SCHÖNBERGERs Forderung empirisch-kulturwissenschaftlich umgesetzt ins Schwarze trifft. In seinem Beitrag liefert er methodische Überlegungen für eine subjektorientierte Empirische Kulturwissenschaft und knüpft damit eng an die soziologische Diskussion an. Unter dem Stichwort "Subjektivierung" wird dort thematisiert, dass von den Arbeitenden zunehmend individuelle Fähigkeiten und Ressourcen z.B. in Form von "social skills" als Arbeitseinsatz gefordert werden. Subjektivierung steht für ein Paradox, das sowohl Gewerkschaftsvertretern als auch denen, die sich als emanzipatorisch arbeitende Sozialwissenschaftler verstehen, besonderes Kopfzerbrechen bereitet: War die ersehnte Befreiung von gnadenloser Standardisierung, die sich leicht als Entfremdung der Arbeitenden lesen ließ, durch diesen Einbezug der subjektiven Fähigkeiten nicht endlich da? SCHÖNBERGER charakterisiert die Beschäftigung mit dieser Frage als dichotomisierte Diskussion über Heteronomiegefahr auf der einen und Autonomiepotential auf der anderen Seite. Er plädiert für einen Syntheseversuch und schlägt vor, in der Diskussion um Entgrenzung oder Integration nicht nur die arbeitsorganisatorischen oder qualifikatorischen Faktoren einzubeziehen. Erst die Vorgaben und Ziele der außerbetrieblichen Lebenswelt (Lebensstil, biographische Prägungen oder die basalen Lebensformen wie Partnerschaft, Familie, Kinder usw.) ermöglichten eine Einschätzung, in welcher Form technische Vorgaben und die konkreten Arbeitsverhältnisse die Entdifferenzierung von Arbeit und Freizeit befördern oder erschweren. [12]
Welche Auswirkungen auf die Geschlechterverhältnisse die Entgrenzung zwischen privat und öffentlich haben kann, wenn sie von Seiten der Betriebe ausgeht, verdeutlicht Frank KLEEMANN. Er stammt aus der Tradition der soziologischen qualitativen Sozialforschung und ist inspiriert vom dort ausgearbeiteten Modell privater Lebensführung, mit dem ebenfalls versucht wird, die Lebensweise in verschiedenen Sphären ganzheitlich in den Blick zu nehmen. KLEEMANN begibt sich dabei in das Feld der Teleheimarbeit, eine Arbeitsform, in die viele Wissenschaftlerinnen die Hoffnung setzten, sie würde die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern. Das Bild von der jungen Frau im Business-Look, die am heimischen Schreibtisch sitzt und lächelnd gleichzeitig Laptop und Baby balanciert, wurde zum Inbegriff dieser Vorstellung. Inzwischen zeichnen eine ganze Reihe sozialwissenschaftlicher Alltagsstudien ein anderes Bild (z.B. WINKER 2001), und KLEEMANNs Ergebnisse gehen in dieselbe Richtung. In Interviews mit Teleheimarbeitern und Teleheimarbeiterinnen identifizierte er zwei Formen der Alltagsgestaltung. Demnach wird die familienbezogene Teleheimarbeit fast ausnahmslos von Frauen mit Kind(ern) ausgeübt, leistungsbezogene Teleheimarbeit hingegen überwiegend von Männern. Während familienbezogene Teleheimarbeit tendenziell zu einem fragmentierten Arbeitstag führt, ermöglicht leistungsbezogene Teleheimarbeit einen ungestörten, laut Selbsteinschätzungen optimiert genutzten Arbeitstag. Die klare Trennung zwischen der Sphäre der Erwerbsarbeit und jener des privaten Alltags wird in dieser Arbeitsform trotz der räumlichen Anwesenheit zu Hause weitestgehend aufrechterhalten. [13]
6. Die (widerständige) Aneignung spätkapitalistischer Ideologien in Unternehmen
Neben dem Betrieb und seinen unscharf werdenden Grenzen wenden sich Johannes MOSER und Birgit MÜLLER dem Betrieb als Vermittlungsebene spätkapitalistischer Ideologien und ihrer (widerständigen) Aneignung durch die Angestellten zu – beide in bester Tradition der empirisch-kulturwissenschaftlichen Unternehmenskulturforschung (als Monografien vgl. v.a. GÖTZ 1997, WITTEL 1997 und SZABO 1998). Gerade der Betrieb als institutionelle Mesoebene eignet sich besonders als Vermittlungsinstanz zwischen der Makroebene der gesellschaftlichen Strukturen und Regulierung sowie der Mikroebene der individuellen Arbeitskraft und ihrer Lebenswelt. MOSER greift immer wieder auf zwei Interviews mit hochqualifizierten Arbeitskräften aus den Bereichen Verkaufsmanagement und Bankgeschäft zurück. Beide reproduzieren stereotyp die Floskel von der notwendigen Flexibilität im Job, dies grundiert MOSER mit ausführlichen Zitaten aus dem beinahe schon allgegenwärtigen "flexiblen Menschen" von Richard SENNETT (2000). MOSERs Text merkt man seine Herkunft aus einer Vorstudie für ein geplantes Projekt in verschiedenen Dienstleistungsbranchen deutlich an, denn von Arbeitsalltag im Sinne von Praxis ist hier noch nicht viel zu sehen. Positiv hervorzuheben ist das Ansinnen, nicht nur die Gewinner einer spätmodernen Ökonomie, sondern auch deren potentielle Verlierer in den Blick zu nehmen. Erwähnt werden z.B. zwei junge Verkäufer einer Billig-Modekette, zu Putzkolonnen versuchte man Kontakte zu knüpfen. [14]
Einen präzisen Blick wirft Birgit MÜLLER auf den Kapitalismus gegenwärtiger Prägung. Aus ihrer Feldforschung heraus schildert sie die Expansion eines multinationalen Unternehmens nach Ostberlin und Moskau, das eine zivilisatorische Mission durchzuführen glaubt. Differenziert arbeitet MÜLLER die widerständigen Aneignungsstrategien der Mitarbeiter des ehemaligen Ostbetriebes gegenüber der westlichen Firmenideologie heraus. Dabei gelingt es ihr, die Modifikationen sozialistischer Betriebskulturen deutlich zu machen. MÜLLER portraitiert dafür zwei Fertigungsleiter, die beide das politische System der DDR hinterfragt und trotzdem in ihm funktioniert hatten. In der Transformationssituation kann sich der eine als Gewinner durchsetzen – er bekommt eine Stelle in der europäischen Zentrale der Firma –, während der andere aufgefordert wird, seinen Posten zur Disposition zu stellen. Beide hatten davor auf ganz unterschiedliche Weise auf ihre berufliche Sozialisation zurückgegriffen. Der "Gewinner" versuchte, auf Basis von neu erworbener Westerfahrung den Widerstand seiner Ostberliner Kollegen mit einem autoritären Führungsstil zu überwinden, den er aus der Planwirtschaft kannte. Ganz konkret spiegelt sich dies z.B. in der Rückkehr zu einer Büroeinrichtung im sozialistischen Stil. Der "Verlierer" konstruierte seine ostdeutsche Identität a posteriori als Gegenstück zu einem westlichen Menschenbild, dem er nicht entsprechen kann. Als er sich angegriffen fühlt, aktiviert er Reste der politischen Kultur der DDR und beginnt, in Begriffen der Konkurrenz zwischen politischen und ökonomischen Kulturen zu argumentieren. [15]
7. "New Economy" – mögliche Auswege?
Die Beiträge von Orvar LÖFGREN und Dieter KRAMER wollen Anregungen zum Umdenken angesichts einschneidender Veränderungen der Ökonomie geben, fallen im Vergleich zu den empiriegesättigten Beiträgen des Bandes jedoch weniger überzeugend aus. LÖFGREN lässt sich auf die flotten Verlautbarungen der Gurus der "New Economy" in Zeitschriften wie "Wired" und "Fast Company" ein. Sprachlich den Diskursen des von ihm propagierten Forschungsfeldes manchmal bis zum verwechseln ähnlich, greift er schillernde Vokabeln aus einer Zeit auf, in der angeblich die Tatsache, wie "sexy" Firmen und Produkte wirkten, über ihren Erfolg entschied. Die für LÖFGREN zentrale Forschungsfrage: Wie wurde Kultur fabriziert in den Traumfabriken von "dotcom-land", die häufig damit beschäftigt waren, verkaufsträchtige Metaphern zu produzieren? Und was entschied darüber, wer beim alles entscheidenden "impression management" die Nase vorn hatte? Die Antworten darauf wünscht sich der Autor in ethnografischer Form, gibt jedoch für deren Umsetzung keine Anregungen. [16]
Dieter KRAMER plädiert für eine Kultur des Müßiggangs als Reaktion auf das Ende der Vollerwerbsgesellschaft. Erneute Vollbeschäftigung sieht er nicht nur als unmöglich an, er hält sie außerdem für keinesfalls wünschenswert, "weil ihr Beitrag zur Lebensqualität und zum Wohlbefinden marginal ist oder sogar negativ zu werden droht" (S.49). Er plädiert beinahe hymnisch für sinnerfüllte Zeit durch Ausscheiden aus dem Berufsleben und wettert gegen einen allüberall herrschenden indirekten Arbeitszwang. Das kommt charmant daher und macht Lust darauf, den durch eine anscheinende Zwangsläufigkeit erdrückenden Ergebnissen empirischer Forschung zum Thema durchaus utopische Gedankenexperimente entgegenzusetzen – gerade vor dem Hintergrund des Erbes der Volkskunde, sich via historischer Arbeitswelt über Genese und damit im Grunde auch über aktuelle Ausprägungen des Kapitalismus zu verständigen. Eine durchaus brauchbare Basis dafür, auch andere Wege der Ökonomie jenseits des westeuropäischen Musters zu denken. Einstimmen werden jedoch vermutlich gerade die nicht, deren Schicksal er eigentlich schildert. Diejenigen, die mit dem Arbeitsplatz nicht nur Anerkennung verlieren, sondern vor allem auch an den Rand der materiellen Existenzmöglichkeit geraten. Dass dies immer häufiger der Fall ist, belegt der eben veröffentlichte Armutsreport der Bundesrepublik Deutschland. Wen tröstet da, dass KRAMER betont: "Armut ist nicht Elend"? [17]
8. Ein Plädoyer für ethnografisches Fingerspitzengefühl
Insgesamt bestechen im Sammelband "Kultur der Arbeit – Kultur der neuen Ökonomie" die äußerst differenzierten empirischen Mikrostudien, die jedoch immer überzeugend mit der Makroebene eines kapitalistischen Systems im Wandel verknüpft sind. Außergewöhnlich ist zudem die gendersensitive Argumentation, die auch in den Texten zum Tragen kommt, die nicht in erster Linie als Beiträge zur Geschlechterforschung konzipiert sind. Methodisch sind zum einen einige der Beiträge selbst ertragreich und "state of the art", andere geben zumindest einen Ausblick auf das, was ethnografisch an reichen Erkenntnissen zur "Krise des Fordismus" zu erheben ist. [18]
Hier ließen sich mindestens drei Felder in zukünftiger Forschung weiter erschließen: Im Anschluss an LÖFGREN lohnt sich der Blick auf Imaginationen als treibende Kraft für Produktion. Es wäre zu überprüfen, inwiefern sich hier an Arjun APPADURAI (z.B. 1998) anschließen ließe, der auch empirisch immer wieder auf die Kraft von vor allem medialen Imaginationen hingewiesen hat, die neue Lebensstile erstrebenswert machen, Migrationsbewegungen in Gang setzen und die Herausbildung hybrider Kulturen zwischen Islam bzw. Hinduismus und Holly- bzw. Bollywood begünstigen. Neben dem Vorschlag, die Macht der Imagination als Produktivkraft zu thematisieren, kann man LÖFGREN (S.83) auch in seinem Vorschlag folgen, Prozesse der Ästhetisierung sowie Technologien und Politiken der Ästhetik zu erfassen, die zentral sind in einer Wirtschaft, die Brands und Logos produziert – in der vor allem aber auch Ein- und Ausschluss via ästhetischer Kriterien verhandelt wird: "[…] how do you produce a goodlooking report, a rhythmical diagram, a harmonious team spirit, a creative atmosphere?" (a.a.O.). [19]
Zum zweiten harrt das Schlagwort von der "Network society", deren Zeit mit der "New Economy" gekommen sei, noch immer einer empirischen Inspektion. Es bilde sich, so die These, eine ganz neue Art von Sozialität heraus, die dem konträr gegenüberstehe, was bisher unter Gemeinschaft verstanden wird. Andreas WITTEL (2002) etwa nennt sie "Network Sociality"; sie lässt sich seines Erachtens besonders gut im Bereich neuer Medienproduktion beobachten. "Narrative sociality" setzt er gleich mit Arbeit in bürokratischen Organisationen. Das soziale Band bei der Arbeit in der sog. "Network sociality" hingegen sei "created on a procet-by-procect basis, by the movement of ideas, the establishment of only ever temporary standards and protocols, and the creation and protection of proprietary information." (a.a.O., S.51) Zu fragen wäre, ob es auch auf dieser Basis nicht wiederum zu längerfristiger Zusammenarbeit kommt und sich damit Narrative auch in der Netzwerkarbeit herausbilden. Es könnte auch vermutet werden, dass gerade durch Versuche, Längerfristigkeiten zu schaffen, Personen mit ständig neuen Anforderungen aus Projekten umgehen. [20]
Vor allem ist also die Frage nach betrieblicher und beruflicher Bindung spannend in Zeiten, da ein immer größer werdender Anteil der Bevölkerung nicht mehr auf ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis zurückgreifen kann. Wird aus einem Beruf, der mit einer "Berufung" einhergehen kann, eine Reihe von Jobs, die weder zur Identifikation mit einem betrieblichen Sozialzusammenhang noch zur Herausbildung gemeinsamer Deutungen und Routinen taugen? Bilden sich in Arbeitssettings, die durch virtuelle Zusammenarbeit auf Basis neuer Medientechnologien gekennzeichnet sind, neue kollektive, "virtuelle" Deutungsangebote? Oder kommt es vielmehr zu einer Privatisierung von Arbeit und zu zunehmendem Rückgriff auf Lebenssphären, die außerhalb der beruflichen liegen? Spielen berufliche Integration und Loyalität vielleicht gar nicht die Rolle, die uns Untersuchungen aus eher klassischen, noch "fordistisch-tayloristisch" geprägten Feldern glauben lassen? Sowohl vor dem Hintergrund der Publikation "Kultur der Arbeit – Kultur der neuen Ökonomie" erscheint der Aufruf angemessen: Mehr Aufmerksamkeit für lohnendes ethnografisches Fingerspitzengefühl im Bereich der Arbeitsforschung, über das gerade auch weniger prominente Fächer wie die Volkskunde/Empirische Kulturwissenschaft/ Europäische Ethnologie verfügen! [21]
Appadurai, Arjun (1998). Globale ethnische Räume. Bemerkungen und Fragen zur Entwicklung einer transnationalen Anthropologie. In Ulrich Beck (Hrsg.), Perspektiven der Weltgesellschaft (S.11-40). Frankfurt/M.: Suhrkamp.
Augé, Marc (1994). Orte und Nicht-Orte. Vorüberlegungen zu einer Ethnologie der Einsamkeit. (2. Aufl.). Frankfurt/M.: S. Fischer.
Bachmann, Götz (2000). Der Belegschaftskultur-Ansatz und die Links-Volkskunde. Ein Blick zurück nach vorn. In Irene Götz & Andreas Wittel (Hrsg.), Arbeitskulturen im Umbruch. Zur Ethnographie von Arbeit und Organisation (S.19-34). Münster: Waxmann.
Götz, Irene (1997). Unternehmenskultur. Die Arbeitswelt einer Großbäckerei aus kulturwissenschaftlicher Sicht. Münster: Waxmann.
Götz, Irene & Wittel, Andreas (Hrsg.) (2000). Arbeitskulturen im Umbrauch. Zur Ethnographie von Arbeit und Organisation. Münster: Waxmann.
Goll, Michaela. (2002). Arbeiten im Netz. Kommunikationsstrukturen, Arbeitsabläufe, Wissensmanagement. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.
Goll, Michaela (2004). Scherzen, Jammern und Klönen im Netz. Zur Beziehungsarbeit in vernetzten Unternehmen. In Gunther Hirschfelder & Birgit Huber (Hrsg.), Die Virtualisierung der Arbeit. Zur Ethnographie neuer Arbeits- und Organisationsformen (S.55-87). Frankfurt/M.: Campus.
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Birgit HUBER, geb. 1973, ist Kulturwissenschaftlerin an der Universität Tübingen (Wissenschaftliche Assistentin am Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft in Tübingen). Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen: Ethnographie immaterieller Arbeit, Geschlechterforschung, Ethnizität und Transformation im östlichen Mitteleuropa, Internet (u.a. Didaktik der Online-Lehre); Rechtsanthropologie und neue Gemeinschaftsgüter (insbes. "open-source"-Software)
Kontakt:
Birgit Huber MA
Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft
Universität Tübingen, Schloss
D-72070 Tübingen
E-Mail: birgit.huber@uni-tuebingen.de oder Birgit_Huber@gmx.net
URL: http://www.uni-tuebingen.de/kultur/
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