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Volume 24, No. 3, Art. 2 – September 2023

Pragmatische Tools oder kreativer Umgang? Qualitative Methoden in der anwendungsorientierten Hochschulforschung

Laura Behrmann, Dilek İkiz-Akıncı & Veronika Rückamp

Zusammenfassung: In diesem Beitrag gehen wir am Beispiel der Hochschulforschung der Frage nach, welche Auswirkungen ein anwendungsorientierter Forschungszusammenhang auf den Einsatz qualitativer Methoden hat. Dabei verfolgen wir zwei Diskussionsstränge und fragen zum einen, ob qualitative Methoden in anwendungsorientierten Kontexten als pragmatische Tools eingesetzt werden, zum anderen, ob dies Implikationen für den kreativen Umgang mit Methoden hat. Unsere Analyse von 67 Artikeln aus fünf deutschsprachigen Zeitschriften mittels offenem Kodieren nach der Grounded-Theory-Methodologie zeigte, dass in anwendungsorientierten Zeitschriften bevorzugt auf qualitative Methoden als pragmatische Werkzeuge zurückgegriffen wurde. Vieles deutet darauf hin, dass die Praxis der Methode nicht primär durch das Methodenverständnis justiert wird, sondern durch das Analyseziel: In anwendungsorientierten Zusammenhängen interessiert ein deskriptiver Informationsgewinn, während in der Grundlagenforschung Sinnstrukturen rekonstruiert werden. Darüber hinaus wurde deutlich, dass sich diese Zielstellung neben der Wahl auch auf die textuelle Performanz der Methoden auswirkte: Verknappung und Labeling standen einem explikativen Darstellungsstil gegenüber, den vor allem Autor*innen aus der Soziologie und der Erziehungswissenschaft einsetzten. Diese Befunde lassen sich abschließend sowohl auf feldspezifische Bedingungen als auch auf ein fragiles Verhältnis qualitativer Sozialforscher*innen zur pragmatischen anwendungsorientierten Forschung zurückführen.

Keywords: qualitative Methoden; anwendungsorientierte Forschung; Hochschulforschung; Wissenschaftsforschung; Inhaltsanalyse; Interview; textuelle Darstellung

Inhaltsverzeichnis

1. Problemaufriss

2. Hochschulforschung: ein anwendungsorientiertes Forschungsfeld

3. Zeitschriftenartikel als Gegenstand der Analyse

4. Befunde: qualitative Studien in der Hochschulforschung

4.1 Themen und Methoden der qualitativen Hochschulforschung

4.1.1 Wissenschaftssysteme und ihre Organisationen: vergleichende Designs auf Basis von Expert*inneninterviews und Dokumentenanalysen

4.1.2 Studium und Lehre: Interviews dominieren

4.1.3 Forschung und Wissenschaft: Interviewstudien und ethnografische Tradition

4.2 Darstellungsformen qualitativer Hochschulforschung

4.2.1 Explikative Darstellung

4.2.2 Labeling

4.2.3 Auslassungen

4.2.4 Orientierung an der standardisierten Sozialforschung

5. Konklusion: pragmatische Tools oder kreativer Umgang?

6. Einordnung der Befunde: anwendungsorientierte Hochschulforschung und qualitative Sozialforschung

Anhang: Übersicht: Artikelkorpus der Feinanalyse

Danksagung

Anmerkungen

Literatur

Zu den Autorinnen

Zitation

 

1. Problemaufriss

Zwei Annahmen über die Auswirkung anwendungsorientierter Forschungsgebiete auf die Anwendung qualitativer Methoden stehen im Mittelpunkt dieses Beitrages: Während auf der einen Seite davon ausgegangen wird, dass deren Einsatz durch die Implikationen des Feldes auf pragmatische Tools verengt wird, steht auf der anderen Seite die Annahme, dass der kreative Umgang mit qualitativen Methoden in besonderer Weise gefördert wird. Die erste Annahme der Verengung des Methodenrepertoires auf wenige Verfahren wird auf die Drittmittelfinanzierung, das projektbasierte Arbeiten mit kurzen Laufzeiten und Anstellungszyklen sowie den Publikationsdruck in anwendungsorientierten Forschungsfeldern zurückgeführt (DENZIN & LINCOLN 2005; KNOBLAUCH 2013; REICHERTZ 2016, 2019). Zudem fehle es in interdisziplinären, anwendungsorientierten und projektförmigen Feldern häufig an den erforderlichen Ressourcen und Kompetenzen für den Einsatz elaborierter Verfahren (HITZLER 2007; REICHERTZ 2016; SCHREIER 2017). Die Methodenwahl werde durch diese Erwägungen präformiert und Methoden würden als regelgeleitete, neutrale und voraussetzungslose Tools verstanden, die entsprechend vielseitig einsetzbar seien (KELLER 2014; REICHERTZ 2016). Diesen "ad-hoc-Methoden" (REICHERTZ 2016, S.30) fehle es, im Gegensatz zu "elaborierten Methoden" (a.a.O.), an grundlagentheoretischen Begründungen für die jeweiligen rekonstruktiven und interpretativen Praktiken. Die Gefahr: "Statt kontrollierter und reflektierter Erkenntnisse liefern nicht-bewusste, meist ad-hoc entworfene Vor-Urteile die relevanten Ansichten über die noch zu untersuchenden Gegenstände und verlängern sie auf diese Weise" (a.a.O.). [1]

Der zweiten Annahme folgend wird hingegen in projektförmigen und anwendungsorientierten Feldern ein gegenstandsbezogenes und zielorientiertes Vorgehen mit Potenzialen für den kreativen Methodeneinsatz und die Weiterentwicklung qualitativer Methoden erwartet (BETHMANN 2019; MEY 2020). Die Anwendungsorientierung führe zu einem gegenstandsangemessenen Methodeneinsatz, nach der die Empirie das Primat habe und nicht die Korrektheit eines Verfahrens. Vieles weist darauf hin, dass in der Hochschulforschung ein umfangreiches Wissen und Erfahrungen über die Akquise von Mitteln und Interviewpartner*innen, den flexiblen und trotzdem gegenstandsorientierten Einsatz von Leitfäden und die pragmatische Auswertung von Material sowie die zeitnahe Präsentation von Ergebnissen für Stakeholder aus Politik und Praxis existieren (WILKESMANN 2019). Und auch mittels Feldanalysen innerhalb der Hochschulforschung wurde nahegelegt, dass durch die Interdisziplinarität des Feldes das Methodenrepertoire insgesamt – ohne klar zwischen qualitativen und standardisierten Verfahren zu differenzieren – vergrößert wird (BRENNAN & TEICHLER 2008; HERTWIG 2014; TIGHT 2013). [2]

Allerdings liegen weder zur Frage, welche qualitativen Methoden in anwendungsorientierten Bereichen eingesetzt werden, noch dazu, inwiefern Forschungsbedingungen und die disziplinären bzw. interdisziplinären Kooperationen den Einsatz qualitativer Verfahren tangieren, hinreichend aussagekräftige empirische Untersuchungen vor – obwohl sie für das wachsende Feld der Hochschulforschung wiederholt eingefordert wurden (HAMANN et al. 2018; KOSMÜTZKY 2017; ZIMMERMANN 2008). In unserem Beitrag greifen wir dieses Desiderat auf und fragen ausgehend von einer explorativen Analyse der Darstellung qualitativer Forschungsprojekte in Zeitschriftenartikeln: Welche qualitativen Methoden kommen in der Hochschulforschung zum Einsatz? Inwiefern werden vor allem regelgeleitete, neutrale und voraussetzungslose Ad-hoc-Methoden eingesetzt? Inwiefern bieten anwendungsorientierte Felder Potenziale für den kreativen Einsatz und Umgang mit qualitativen Methoden? Und welche Rolle spielt die Interdisziplinarität des Feldes für den Methodeneinsatz? Mit diesem Vorgehen knüpfen wir an vorliegende Analysen zur Hochschulforschung an (HERTWIG 2014; KRÜCKEN 2012; TIGHT 2013, 2020) und präzisieren bislang wenig betrachtete Besonderheiten qualitativer Methoden. Die Analyse von Zeitschriftenartikeln unterliegt dabei einer zentralen Restriktion: Nur was im Text dargestellt wird, kann auch Gegenstand der Analyse werden. Damit wird auch die textuelle Darstellung zentral für die Nachvollziehbarkeit des methodischen Vorgehens der empirischen Studien – und zum Gegenstand dieses Beitrages. [3]

Bevor wir unser methodisches Vorgehen (Abschnitt 3) und unsere Ergebnisse vorstellen, skizzieren wir im Folgenden die spezifischen Kontextbedingungen der Hochschulforschung (Abschnitt 2). Im Ergebnisteil beschreiben wir den Einsatz qualitativer Methoden über den gesamten Artikelkorpus (Abschnitt 4), um ihn dann zunächst differenziert nach Interessen und Themen darzustellen sowie mit Blick auf Publikationsorte und disziplinäre Verortungen der Autor*innen – als Hinweis auf die Eigenbeschreibung eines interdisziplinären Untersuchungsfeldes (Abschnitt 4.1). Anschließend betrachten wir Formen der textuellen Darstellung qualitativer Studien (4.2), die wir als Ergebnis eines Aushandlungsprozesses zwischen Autor*innen, Herausgebenden und Gutachter*innen verstehen. Als solches gaben sie nicht nur einen ersten Einblick in den Umgang mit qualitativen Methoden, sondern bedeuteten aufgrund fehlender Explikationen auch eine Restriktion für unsere Analyse. Die Befunde zum Zusammenspiel von Wissenschaftler*innenperspektive und qualitativer Sozialforschung resümieren wir in der Konklusion. Abschließend ordnen wir die Dominanz pragmatischer Tools in anwendungsorientierten Studien ein, wobei wir neben den spezifischen Bedingungen der Hochschulforschung auch das brüchige Verhältnis zwischen qualitativer und anwendungsorientierter Forschung aufgreifen. [4]

2. Hochschulforschung: ein anwendungsorientiertes Forschungsfeld

Im "Sinne einer Forschung über Hochschulen" (PASTERNACK 2006, S.108) wird die Hochschulforschung als ein wissenschaftliches Feld (BOURDIEU 1988 [1984]) beschrieben, das themenbezogen konstituiert und keine eigenständige Disziplin mit genuinen theoretischen und methodischen Zugängen oder methodologischen Implikationen ist. Seit ihren Anfängen beschäftigten sich Forschende verschiedenster Fachrichtungen mit dem Gegenstandsbereich Hochschule (a.a.O., vgl. auch BRAUN, KLOKE & SCHNEIJDERBERG 2011; HOCHREUTER & KRÄMER 2018), wobei sich bestimmte traditionelle "Quellendisziplinen" (HOCHREUTER & KRÄMER 2018, S.88) herauskristallisiert haben: In einer Online-Befragung des Instituts für Hochschulforschung (HoF) von 2020 ordneten sich 70 Prozent der Befragten der Soziologie, der Erziehungswissenschaft, der Psychologie und den Wirtschaftswissenschaften zu (RAMIREZ, BEER & PASTERNACK 2021, S.39). [5]

Das Feld wird, wie häufig in interdisziplinären Zusammenhängen, von anwendungsbezogenen Untersuchungen dominiert, bei denen nach Evidenzen gefragt wird (TEICHLER 2008). Auf Basis von Kennzahlen oder statistischen Verteilungen werden für hochschulpolitische Akteur*innen und (bildungs-)politische Entscheidungsträger*innen wissenschaftliche Erkenntnisse als praktisches Gestaltungswissen zur Verfügung gestellt (PASTERNACK 2006; TEICHLER 2008; TIGHT 2020; WINTER & KREMPKOW 2013). Dass politische Veränderungsprozesse wissenschaftlich begleitet und evaluiert werden (HARTWIG 2013, S.56), ist auf den Entstehungszusammenhang der Hochschulforschung "im Zuge der Hochschulexpansion in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren" (HÜTHER & KRÜCKEN 2015, S.301) zurückzuführen, eine Phase, in der "Fachdisziplinen, Universitätsleitungen und -verwaltungen sowie Hochschulpolitikern konkrete Hilfestellungen" (a.a.O.) suchten. [6]

Kennzeichnend für diese Form der Forschung ist, dass Wissensproduktion nicht nur im universitären Rahmen, sondern auch an staatlichen Instituten, in Think Tanks und Beratungsfirmen vollzogen wird.1) Wirksam sind Nützlichkeitsinteressen (auch) nicht-wissenschaftlicher Akteur*innen (FUNTOWICZ & RAVETZ 1993; GIBBONS et al. 1994; WEINGART 1999). So ist "die Literatur praktisch angelegt, es geht in diesen Fällen um Handlungsempfehlungen, das Präsentieren von 'best-practice'-Beispielen, das Vorführen von 'Reforminstrumentarien' oder das empirische, abstützende Begleiten von Reformprozessen" (VON WISSEL 2007, S.14). Publikationsorte sind dementsprechend weit gestreut zwischen verschiedenen Disziplinen, Methoden und Kontexten (RAMIREZ et al. 2021). [7]

Zudem sind auch Hochschulforschende mit den aus allgemeinen Veränderungen in der Wissenschaftslandschaft und -förderung erwachsenen Handlungszwängen konfrontiert, wie "Schnelllebigkeit, Ökonomisierung, Zweckrationalismus und de[m] Ruf nach direkter Verwertbarkeit" (MAYER 2016, S.13). Zunehmend wird Forschung in Drittmittelfinanzierungen (HINZE 2016, S.422) und Projektzusammenhängen (TORKA 2006) mit kurzen Anstellungszyklen organisiert. Gleichzeitig steigt der Druck, in Peer-Review-Journalen zu publizieren. [8]

Solche eng getakteten, vorab streng festgelegten und outputorientierten Projekte der anwendungsorientierten Forschung tangieren den Einsatz elaborierter Methoden. Dies trifft insbesondere für zeitaufwendige qualitative Studien zu, bei denen die Ergebnisse sich auch oft der direkten (politischen) Verwertbarkeit verschließen (MAYER 2016, S.13). Die Interdisziplinarität der Hochschulforschung resultiert, so Feldanalysen, in einer Vielfalt der eingesetzten Verfahren (BRENNAN & TEICHLER 2008; TIGHT 2013). Allerdings wurde in den vorliegenden Untersuchungen nicht klar zwischen qualitativen und quantitativen Methoden differenziert (beispielsweise wurde nicht zwischen qualitativer und quantitativer Inhaltsanalyse unterschieden), und auch die Frage nach dem Umgang mit den eingesetzten Vorgehensweisen (beispielsweise deduktiv versus induktiv) wurde nicht berücksichtigt. Eine präzise und systematische Betrachtung des Einsatzes qualitativer Methoden steht somit aus (HERTWIG 2014; KRÜCKEN 2012; TIGHT 2013, 2020). [9]

3. Zeitschriftenartikel als Gegenstand der Analyse

Um der Frage nachzugehen, welche Methoden im Feld der Hochschulforschung eingesetzt werden, griffen wir auf Zeitschriftenartikel zurück (RAMIREZ et al. 2021, S.67). Diese werden in Zeiten der Leistungsindikatoren und Rankings als Goldstandard im wissenschaftlichen Publizieren verstanden (TIGHT 2018, S.607). Durch den Einsatz von Peer-Review-Verfahren wird in ihnen "anerkanntes, möglicherweise auch umstrittenes, aber der Auseinandersetzung für 'wert' befundenes Wissen" (WEINGART 2013, S.32) repräsentiert. In Zeitschriftenbeiträgen werden die Konventionen eines Feldes aktualisiert und manifestiert (KNORR-CETINA 1981; POFERL & KELLER 2018).2) Textliche Darstellungen können wir entsprechend verstehen als Ergebnisse einer Aushandlung zwischen Autor*innen (ENGERT & KREY 2013), Gutachter*innen (HIRSCHAUER, 2004) und Herausgebenden (CHI & DINKEL 2012; SCHWEMMER & WIECZOREK 2020)3). Diese Aushandlung betrifft nicht nur den Inhalt – also die Frage, welche Methoden präsentiert werden – sondern auch die Art und Weise, wie diese präsentiert und Leser*innen überzeugt werden (STRÜBING, HIRSCHAUER, AYAß, KRÄHNKE & SCHEFFER 2018). Neben den genutzten Verfahren untersuchten wir auch die Darstellung(sform) des methodischen Vorgehens.4) [10]

Für die Analyse wählten wir alle zwischen 2000 und 2017 erschienenen Artikel ausgewählter deutschsprachiger Zeitschriften5), in denen qualitative Studien über Hochschulen und Wissenschaft präsentiert wurden. In diesem Zeitraum existierten zentrale Förderlinien des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung, in denen explizit Hochschulforschende angesprochen wurden und auch die Zusammenarbeit mit der Wissenschaftsforschung institutionell forciert wurde (s. für einen Überblick dazu RAMIREZ et al. 2021). Unser Fokus auf den deutschsprachigen Raum begründete sich zum einen in einer gewissen "nationalen Selbstbezogenheit" (WISSENSCHAFTSRAT 2014, S.20)6) der Hochschulforschung und zum anderen in der Besonderheit einer deutschsprachigen qualitativen Methodentradition mit eigenem Standpunkt und distinkten Verfahren (BETHMANN & NIERMANN 2015; KELLER & POFERL 2016). [11]

Mit der Zeitschriftenauswahl folgten wir dem Interesse, die Verfasstheit der Hochschulforschung in Deutschland in den zentralen herausgearbeiteten Dimensionen widerzuspiegeln: Anwendungs- und Grundlagenforschung sowie die Rolle von Disziplinarität und Interdisziplinarität. So wurden zwei Journale der anwendungsorientierten Hochschulforschung ins Sample aufgenommen – Beiträge zur Hochschulforschung (BzH) und Die Hochschule (DHo) – in welchen Hochschulforschende am häufigsten publizieren (RAMIREZ et al. 2021, S.64).7) [12]

Neben diesen feld- und anwendungsorientierten Zeitschriften sichteten wir Artikel aus Zeitschriften zentraler Bezugsdisziplinen8) der Hochschulforschung (HAMANN et al. 2018; HERTWIG 2014; KRÜCKEN 2012) – der Soziologie und Erziehungswissenschaft –, die der Grundlagenforschung gewidmet waren: aus der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie (KZfSS) und der Zeitschrift für Soziologie (ZfS) sowie der Zeitschrift für Erziehungswissenschaft (ZfE). Letztere stand auf dem zweiten Platz der meistgenannten Zeitschriften, in denen Forschende zu Hochschulthemen aktuell publizieren (RAMIREZ et al. 2021, S.64). Die Qualität in diesen Zeitschriften wird über ein blindes bzw. doppeltblindes9) Peer-Review-Verfahren gesichert.10) [13]

Wir wählten die Artikel aus den Zeitschriften nach 1. methodischer und 2. thematischer Einschlägigkeit aus (s. Tabelle 1):

Diese Arbeitsschritte erfolgten in aufwendiger Lektürearbeit sowie in Teambesprechungen, von denen die Qualität des Samples deutlich profitierte. So konsolidierten wir schlussendlich einen Analysekorpus von 67 Artikeln. Die überwiegende Mehrheit (52) wurde den anwendungsorientierten Zeitschriften DHo und BzH entnommen. Damit ist erst einmal festzuhalten: Die Rolle qualitativer Sozialforschung in den ausgewählten Zeitschriften ist marginal (67 von insgesamt 932 Artikeln zu Hochschule und Wissenschaft), wenngleich sich seit 2012/2013 eine leichte Zunahme abzeichnete.14)

Zeitschrift

Artikel im Zeitraum von 2000 bis 2017 gesamt

davon Forschung über Hochschulen und Wissenschaft

davon "qualitative" Forschung über Hochschulen und Wissenschaft

BzH

361

361

22

DHo

359

359

30

KZfSS

397

46

3

ZfE

768

122

5

ZfS

431

39

7

Insgesamt

2321

932

67

Tabelle 1: Analysekorpus (absolute Zahlen) [15]

Die Analyse des Datenkorpus der 67 Artikel erfolgte über ein exploratives Erschließen der methodischen Gemeinsamkeiten und Besonderheiten der Artikel. Dafür nutzten wir einen Kodierprozess, bei dem wir uns am offenen Kodieren der Grounded-Theory-Methodologie (STRAUSS & CORBIN, 1996 [1990], S.43) orientierten und der im Wechselspiel von individuellen Kodiersitzungen und Kodierbesprechungen im Team vollzogen wurde. Diese Arbeitsschritte eigneten sich besonders, um offene Fragestellungen im Datenmaterial induktiv aufzubrechen.15) Nach und nach wurden über die W-Fragen (Was? Wer? Wie? Womit? Warum? Wo? Wann?) Kodes generiert (S.41). Entsprechend entwickelten wir in der analytischen Auseinandersetzung mit den Artikeln ein Kodierschema mit drei Oberkategorien: 1. Themenbereiche (Was?; Unterkategorien: Wissenschaftssysteme und ihre Organisationen, Studium und Lehre, Wissenschaft und Forschung), 2. Methodeneinsatz (Womit? Warum?; Unterkategorien u.a.: Forschungsdesign, Datenerhebung und Auswertungsperspektive) und 3. Darstellungsformen des methodischen Vorgehens (Wie? Warum? Wo?; Unterkategorien: Explikation, Labeling und Auslassungen, deduktiv-nomologisches Paradigma). Das Codesystem haben wir im Analyseprozess fortlaufend justiert. Da diese Form des Kodierprozesses unter dem Einsatz von MAXQDA eine Fokussierung auf gelabelte qualitative Verfahren mit sich brachte, wurde das Schreiben von Memos für uns zentral: Vor allem die Formen der Darstellung des methodischen Vorgehens erfassten wir systematisch in Fallmemos. Im ständigen Vergleich des Materials gelang es uns, nach und nach Besonderheiten und Regelmäßigkeiten herauszuarbeiten. Wir griffen außerdem auf zusätzliche Kontextinformationen (Wer? Wo?) zurück, um der Frage nach der Bedeutung der Disziplin der Autor*innen und des Publikationskontexts nachzugehen. Dazu recherchierten wir Geschlecht, Status und disziplinäre Herkunft der Autor*innen16) sowie Zeichenzahl der Artikel und Publikationsjahr. Insbesondere die "Disziplin" erwies sich als bedeutsam, um die These zu diskutieren, dass Interdisziplinarität im Forschungsfeld förderlich für die Methodendiversität ist (BRENNAN & TEICHLER 2008; TIGHT 2013). Als Ausgangspunkt der Zuordnung nutzten wir die disziplinäre Selbstverortung der Autor*innen auf der Homepage der jeweiligen Hochschulen bzw. die Denomination des Lehrstuhls bei Lehrstuhlinhaber*innen zum Zeitpunkt der Publikation. Genau an dieser Stelle können wir eine zentrale Limitation unseres Samples aufzeigen: Die Selbstbeschreibung als interdisziplinäres Feld (BRENNAN & TEICHLER 2008; TIGHT 2013) spiegelte sich nicht in den Koautor*innenschaften wider. Von den 33 Artikeln, die von mehreren Personen verfasst worden waren, stammten die meisten aus derselben Disziplin. [16]

Ansonsten zeigte sich im Sample die wiederholt beschriebene disziplinäre Streuung: An erster Stelle standen Soziolog*innen als Erstautor*innen (26)17), darauf folgten Wissenschaftler*innen aus den Wirtschaftswissenschaften (9), der Erziehungswissenschaft (8) und der Politikwissenschaft (4).18) Nur 13 der 67 Erstautor*innen bezeichneten sich – auf ihrer Homepage – selbst als Hochschulforschende und nutzten die Selbstbezeichnung dieser kleinen Kern-Community (RAMIREZ et al. 2021, S.71). Interessanterweise changierten diese in ihren Karrieren häufiger zwischen verschiedenen Disziplinen. Wenn der berufliche Werdegang in einer chronologischen Perspektive betrachtet wird, sind die Hochschulforschenden in dieser Stichprobe als interdisziplinär zu verstehen. [17]

4. Befunde: qualitative Studien in der Hochschulforschung

Welche qualitativen Methoden kommen nun im Feld der Hochschulforschung zum Einsatz? In der Zusammenschau unserer Analyse lassen sich deutliche methodische Präferenzen aufzeigen: Mixed-Methods-Studien, Interviewerhebungen, Dokumentenanalysen sowie die qualitative Inhaltsanalyse erfreuen sich besonderer Beliebtheit. In Tabelle 2 geben wir einen Überblick über die eingesetzten Methoden.

Kontextdaten

Anzahl der Artikel

67

 

Publikationsort

30 Die Hochschule (DHo)

22 Beiträge zur Hochschulforschung (BzH)

 7 Zeitschrift für Soziologie (ZfS)

 5 Zeitschrift für Erziehungswissenschaft (ZfE)

 3 Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie (KZfSS)

 

Disziplin der Erstautor*innen

26 Soziologie

13 Hochschulforschung (HoFo)

 9 Wirtschaftswissenschaft (WiWi)

 8 Erziehungswissenschaft (EWi)

 4 Politikwissenschaft (PoWi)

 7 Sonstiges

Forschungsdesign

 

28 qualitative Mono-Methoden-Studien

21 Mixed-Methods-Studien

18 qualitative Methodenkombinationen

Präferierte Methoden

(Mehrfachkodierung)

Erhebung

54 Interviews

20 Dokumentenanalysen

 6 Ethnografien

 

Auswertung

30 keine Angabe

21 qualitative Inhaltsanalyse

 9 kodierende Verfahren

 7 andere Verfahren

Tabelle 2: der Methodeneinsatz im Überblick [18]

In einem Drittel der Artikel (28) verwiesen die Autor*innen auf eine qualitative Erhebungsmethode (Mono-Studien) und in weiteren 18 auf eine Kombination mehrerer qualitativer Erhebungsmethoden. Seit 2012 griffen die Forschenden vermehrt auf Mixed-Methods-Designs zurück (21 Artikel). In diesen Beiträgen wurden qualitative Teilstudien vor allem zur Exploration, Kontextualisierung oder Illustration von quantitativen Daten eingesetzt. Typisch war hierbei die Kombination von Interviews und Dokumentenanalysen mit Surveydaten. [19]

In allen Beiträgen wurden die Erhebungsmethoden beschrieben. Auf Interviews wurde nicht nur in Mixed-Methods-Studien zurückgegriffen, es war insgesamt in 54 der 67 Artikel das bevorzugte Mittel der Datenerhebung. Damit können wir das Sample als methodisch "monogamer" (BETHMANN 2019, S.9) als in vergleichbaren Studien kennzeichnen (GRUNENBERG 2004). Für Interviews wurden Hochschulleitungen, Forschende, Lehrende oder Studierende aufgesucht. In wenigen Artikeln verwiesen die Autor*innen auf etablierte Interviewformen wie das Expert*inneninterview (16) oder das problemzentrierte Interview (9) – meistens wurde keine weitergehende Explikation zur Erhebungsform geleistet. Neben Interviews wurden Dokumentenanalysen19) am zweithäufigsten genannt (20 Artikel), wobei sie in der Regel mit Interviews kombiniert wurden. Als Quelle wurden z.B. Gesetze, Leitlinien, Ordnungen, Rezensionen, Gutachten und Protokolle angeführt; Dokumente also, die im Kontext von Hochschulen naheliegend sind. Die Auswertung (im einfachen Sinne der Umgang mit dem gewonnenen Material) wurde in fast der Hälfte der Artikel – unabhängig vom Datenmaterial – nicht erwähnt (30); wenn sie dargestellt wurde, dominierte die Inhaltsanalyse (21). Spezifizierungen über die Bezeichnung Inhaltsanalyse hinaus fanden sich nur in drei von 21 Artikeln. In neun Beiträgen wurde die Grounded-Theory-Methodologie aufgeführt, andere in den Sozialwissenschaften etablierte hermeneutische, rekonstruktive und interpretative Verfahren fanden sich nur vereinzelt (7). [20]

Durch diesen allgemeinen Überblick wird noch nicht die Frage beantwortet, inwiefern der qualitative Methodeneinsatz nach Forschungsinteresse variiert. Diesem Zusammenhang gehen wir in einer Betrachtung der Themenfelder und Methoden nach unter Berücksichtigung des Publikationsortes und der disziplinären Verortung der Autor*innen. [21]

4.1 Themen und Methoden der qualitativen Hochschulforschung

Differenzieren konnten wir drei Themenfelder, die sich durch spezifische Methodeneinsätze voneinander abgrenzen ließen: Wissenschaftssysteme und ihre Organisationen, Studium und Lehre sowie Forschung und Wissenschaft. Deutlich wird: Qualitative Forschungsmethoden finden über alle Themenfelder der Hochschulforschung hinweg Einsatz (TIGHT 2013). In Tabelle 3 führen wir neben dem Überblick über die eingesetzten Verfahren die themenfeldspezifische Verteilung über das Gesamtsample, die Publikationsorte (Anwendungs-/Grundlagenforschung) und die disziplinären Herkünfte der Erstautor*innen zusammen.

Tabelle 3: themenfeldspezifische Besonderheiten im Methodeneinsatz. Bitte klicken Sie hier, um die PDF-Datei herunterzuladen. [22]

4.1.1 Wissenschaftssysteme und ihre Organisationen: vergleichende Designs auf Basis von Expert*inneninterviews und Dokumentenanalysen

Die Beiträge des ersten und größten Themenbereichs Wissenschaftssysteme und ihre Organisationen (33 von 67 Artikeln) wurden vor allem in den anwendungsorientierten und feldbezogenen Zeitschriften DHo und BzH (29 der 33 Artikel) publiziert. Unter den Autor*innen dominierten Soziolog*innen (10) und Hochschulforschende (9). Wir begreifen diesen großen Themenbereich aufgrund der feldtypischen Verortung der Autor*innen und der feldbezogenen Publikationsorgane als Kernbereich der anwendungsorientierten und inter- bzw. multidisziplinären qualitativen Hochschulforschung. Bevorzugt wurden vergleichsweise standardisierte Verfahren wie leitfadengestützte Expert*inneninterviews und qualitative Inhaltsanalysen. In den Studien zeigte sich eine Nähe zur quantitativen Forschung (Mixed Methods) sowie ein wenig reflektierter Umgang mit dem eingesetzten Methodenrepertoire und Forschungsdesigns (Vergleichsstudien), bei gleichzeitiger Fokussierung auf manifeste Sinngehalte in der Analyse des Datenmaterials. [23]

Als Themen konnten wir Steuerungsprozesse und Hochschul-Governance im internationalen Vergleich, Öffnung der Hochschule oder Organisationskulturen identifizieren. Hochschul(typ)en, Disziplinen, Regionen (beispielsweise in verschiedenen Bundesländern) oder nationalstaatliche Systeme und Organisationen wurden in komparativen Designs (14 von 33) unter Rückgriff auf Interviews (12 von 14) und Dokumentenanalysen (6 von 14 bzw. 4 Kombinationen der beiden) beforscht. Die Gründe für das vergleichende Vorgehen, die Vergleichskriterien und Samplingstrategien sowie die Konstruktions- und Wirkungszusammenhänge von Dokumenten wurden weder dargestellt noch reflektiert – eine Praxis, die auch schon andere Autor*innen kritisierten (HAMANN et al. 2018, S.189; KOSMÜTZKY 2017). [24]

In erster Linie wurden neben Expert*inneninterviews (11 von 33 Artikeln) nicht weiter spezifizierte Interviews (30 von 33) eingesetzt. Als zweithäufigste Datenquelle wurden Dokumente (12 von 33) wie Zielvereinbarungen, Verträge und Ähnliches analysiert; sie wurden zumeist als Ergänzung, Untermauerung oder Validierung von Interviewstudien genutzt (10 von 33). Bei fast einem Drittel der Artikel (12 von 33) wurden Interviewdaten und Dokumentenanalysen mit Umfragedaten als Mixed-Methods-Studien kombiniert. Die Autor*innen nutzten dann die qualitativen Teilstudien illustrativ entweder als Add-on zum Zahlenmaterial oder als explorative Vorstudie, was als typisch für die Rolle qualitativer Teilstudien in Mixed-Methods-Untersuchungen gilt (SCHREIER 2017). In weniger als der Hälfte der Beiträge (15 von 33) fanden wir Hinweise zur Auswertung, in der Regel nur mit der Nennung "qualitative Inhaltsanalyse". [25]

Präsentiert wurden die Ergebnisse als Implikationen für das politische und organisationale (Gestaltungs-)Handeln in den Wissenschaftssystemen oder Hochschulen (HÜTHER & KRÜCKEN 2015, S.301f.); die Autor*innen zielten in erster Linie auf das Darstellen des direkt Gesagten der interviewten Personen und verwendeten es als Nachweis für bestimmte Handlungspraktiken. Obwohl dieser unreflektierte und unkritische Umgang, das Erzählte mit der tatsächlichen Praxis vorbehaltlos gleichzusetzen, feldintern schon als "etwas unterkomplex" kritisiert wurde (S.152), dominierte er in den von uns einbezogenen Studien. [26]

4.1.2 Studium und Lehre: Interviews dominieren

Auch die Artikel im zweiten Themenfeld Studium und Lehre (13 von 67) fanden wir überwiegend (10 von 13) in den feldbezogenen anwendungsorientierten Zeitschriften BzH (4) und DHo (6). Die übrigen drei Artikel wurden in der ZfE publiziert. Themen waren die Wirksamkeit von Praxisphasen im Studium, kulturelles Kapital und Anrechnungsverfahren an Hochschulen, Entscheidungen für ein weiterbildendes Studium oder Vorstellungen von guter Lehre. Auffällig war, dass trotz primärem Interesse an Mikrophänomenen vergleichsweise wenige qualitative Studien vorzufinden waren.20) Erstautor*innen waren Forschende aus der Erziehungswissenschaft (4), gefolgt von Hochschulforschenden (3) und jeweils zwei Soziolog*innen und Wirtschaftswissenschaftler*innen. Diesen kleineren Themenbereich begreifen wir aufgrund von Publikationsort und multidisziplinärer Autor*innenschaft ebenfalls als typisch für die Hochschulforschung, allerdings mit dem deutlichen Einfluss von Erziehungswissenschaftler*innen. Wir verorten ihn entsprechend stärker in einem Spannungsfeld zwischen Anwendungs- und Grundlagenforschung. [27]

Autor*innen griffen in diesem Themenbereich ebenfalls überwiegend auf Interviewverfahren zurück (in 11 von 13 Artikeln). Statt Expert*inneninterviews wurden in sechs Artikeln Spezifikationen als problemzentrierte (4 von 11) oder narrative Interviews (2 von 11) vorgenommen (häufig von Erziehungswissenschaftler*innen). Interviewt wurden Lehrende zum Umgang mit Lehrevaluationen oder Studierende zu ihren subjektiven Orientierungen und Erfahrungen im Studium oder in der Weiterbildung. Wir fanden aber auch experimentelle und innovative Zugänge: Lehrenden wurden beispielsweise fiktive Evaluationen vorgelegt und darauf aufbauend ihre Reaktionen analysiert, oder Interviewte sollten spontan auf Aussagen zu Zielen von Lehrveranstaltungen reagieren. Dokumente wurden selten genutzt, obwohl Lehrpläne, Prüfungsordnungen oder Protokolle von Kommissionssitzungen und Ähnliches thematische Anschlüsse böten. [28]

Verglichen mit dem gesamten Sample wurde häufiger die Auswertungsstrategie thematisiert (8 von 13 Artikel), darunter die qualitative Inhaltsanalyse (5) oder andere kodierende Verfahren (3). Nicht nur Strategien des methodisch geleiteten Fremdverstehens schienen für die Autor*innen in diesem Themenbereich relevanter zu sein, sondern auch die qualitativen Anteile in den vier Mixed-Methods-Projekten wurden eigenständiger präsentiert als z.B. im Themenbereich Wissenschaftssysteme und ihre Organisationen, und nicht nur als Add-on der quantitativen Studien. [29]

Wir konnten also in diesem grundlagentheoretischen Themenbereich neben Verfahren wie Interviews und Inhaltsanalysen eine größere Vielfalt im methodischen Repertoire feststellen, eigenständige qualitativ-empirische Studien wurden vorgelegt, und dies sowohl in den disziplinären als auch in den anwendungsorientierten Zeitschriften, vor allem von erziehungswissenschaftlichen Autor*innen. [30]

4.1.3 Forschung und Wissenschaft: Interviewstudien und ethnografische Tradition

Den dritten Themenbereich (21 von 67 Artikeln) unterteilten wir in zwei Bereiche: Forschung und Wissenschaft. Während wir Forschung als anwendungsorientiert kategorisierten, erwies sich Wissenschaft als disziplinär (überwiegend soziologisch) zugespitzt mit einem engen Bezug zur Grundlagenforschung. Methodisch setzten die Autor*innen neben Interviews auf ethnografisches Arbeiten in der Tradition der grundlagenorientierten soziologischen Wissenschaftsforschung. Auffällig hoch war der Anteil von Soziolog*innen als Erstautor*innen (14 von 21). [31]

In den Studien zum Bereich Forschung (13 von 21), die alle in den anwendungsorientierten und feldinternen Zeitschriften veröffentlicht wurden, wurden Themen wie die subjektiven Einschätzungen z.B. zur Qualifikationsphase oder Diskriminierungserfahrungen im Verlauf der wissenschaftlichen Laufbahn behandelt. Methodisch war eine bereits erwähnte Praxis sichtbar: der verkürzte Rückgriff auf Interviews; qualitative Teilstudien, die als Add-on in Mixed-Methods-Projekten fungierten; Interviewaussagen mit einem rein illustrativen Charakter. Auch hier wurde in einem Drittel der Artikel nicht erwähnt, wie ausgewertet worden war. Für uns auffällig waren wenige Fälle, in denen Interviews nicht nur der Erfassung des manifesten Sinngehalts oder der Beschaffung von Informationen dienten, sondern als interaktiv hergestellte Wirklichkeit sinnverstehend gedeutet wurden. So wurde in einem Beitrag beispielsweise die Analyse von Erzählungen (als genuiner Textsorte, vgl. KALLMEYER & SCHÜTzE 1977) genutzt, um handlungspraktische Logiken von Wissenschaftler*innen zu rekonstruieren, und in einem weiteren die Sequenzanalyse, um Geschlechterverhältnisse in Interaktionen über biografische Sequenzen zu erhellen. [32]

In den Artikeln zum Thementeilbereich Wissenschaft (9 von 21) – u.a. zum Forschungsalltag, den Bedingungen von Wissensproduktion oder auch den Praktiken der Bewertung – fanden wir durchweg eine rekonstruktive Haltung im methodischen Vorgehen, die häufig mit der disziplinären Verortung der Autor*innen als Soziolog*innen einherging. Bei ihnen dominierten ethnografische Methoden, die eingesetzt wurden, um Handlungspraktiken zu erfassen. Gefragt wurde epistemologisch geleitet beispielsweise nach der kollektiven Herstellung wissenschaftlichen Wissens oder der Erstellung wissenschaftlicher Texte. Publiziert wurden diese Beiträge in den grundlagenorientierten und disziplinären Zeitschriften ZfS und KZfSS sowie vereinzelt auch in der anwendungsorientierten BzH. [33]

In diesem Themenfeld wurden disziplinäre methodische Traditionen besonders deutlich: rekonstruktive Auswertungen elaborierter Interviewstudien von Erziehungswissenschaftler*innen und ethnografische Studien von Soziolog*innen zur Wissenschaft standen dem pragmatischen Methodeneinsatz im Bereich Forschung gegenüber. [34]

4.2 Darstellungsformen qualitativer Hochschulforschung

Unsere Analyse des Berichts über den Methodeneinsatz in Zeitschriftenartikeln unterlag einer zentralen Restriktion: Nur was im Text dargestellt wurde, konnte auch Gegenstand der Analyse werden. Die textuelle Darstellung war für uns zentral, um das methodische Vorgehen in den empirischen Studien nachzuvollziehen, denn Autor*innen transportieren hiermit auch ihr Verständnis von qualitativer Sozialforschung. Unterscheiden können wir vier Formen, die zugleich auch Hinweise auf den Umgang mit qualitativen Methoden gaben: In explikativen Präsentationen, die den Nachvollzug des methodischen Vorgehens ermöglichten, wurde häufiger nach latenten Sinnstrukturen gefragt, und methodisch-methodologische Entscheidungen wurden reflektiert. In der Regel begegneten uns aber verknappte Methodenteile in Form von Auslassungen und Labels, die typischerweise das Interesse der Autor*innen an der Informationsgewinnung auf der manifesten Sinnebene repräsentierten. Dadurch wurde der Eindruck verstärkt, dass Methoden pragmatisch als Tools verstanden wurden. [35]

Auffällig war darüber hinaus: Während explikative Darstellungen vor allem Soziolog*innen und Erziehungswissenschaftler*innen nutzten und in erster Linie in den disziplinären Artikeln in der KZfSS, ZfS und ZfE publizierten, fanden sich Beiträge, in denen der Nachvollzug des methodischen Vorgehens durch Labeling und Auslassungen eingeschränkt war, meist in den anwendungsorientierten Zeitschriften BzH und DHo. [36]

4.2.1 Explikative Darstellung

Nur in wenigen Artikeln im Sample wurde das methodische Vorgehen transparent dargestellt: neben Beiträgen aus der ZfS und ZfE waren es nur einzelne in DHo und BzH. Entgegen der Vorstellung, dass ausführliche Darstellungen durch Limitationen der Zeichenzahl in Zeitschriftenartikeln unmöglich gemacht würden, zeigt folgendes Beispiel, dass auch in einem knappen Publikationsformat das methodische Vorgehen expliziert werden kann:

"Die empirische Grundlage sind elf problemzentrierte Interviews (vgl. Witzel 1995; 2000), die ich mit Studierenden zu ihrem Studienverlauf geführt habe. Das problemzentrierte Interview begreift die Interviewpartner als Experten ihrer Orientierungen und Handlungen und bezieht diese zugleich auf eine gesellschaftlich relevante Problemstellung. Die im Diskurs über Studienreformen virulenten normativen Anforderungen an studentische Praxis fließen als 'objektive Rahmenbedingungen’ sowohl in die Konstruktion des Leitfadens als auch in das Interviewgespräch mit ein. Gefragt wird also danach, wie die Studierenden – die Hauptbetroffenen der Studienreformen – sich selbständig neben dem Studium für den Arbeitsmarkt qualifizieren. Wie beziehen die interviewten Studierenden Praktikum und Studium aufeinander? Inwiefern und auf welche Weise erfüllen sie Anforderungen des Arbeitsmarktes? Welchen Wert bzw. welchen Nutzen haben Praktika für die interviewten Studierenden? Aufgrund welcher Motivationen absolvieren die interviewten Studierenden Praktika?" (Anhang, Art. 6, S.85). [37]

In diesem Textausschnitt spezifizierte der Autor das Verfahren der Interviewerhebung über den Verweis "problemzentriert" und zusätzlich noch mit einem Literaturverweis – was in den meisten anderen Artikeln fehlte. Über die exemplarische Vertiefung des konkreten methodischen Vorgehens hinaus lieferte er Hinweise auf die Interviewpraxis u.a. durch Ausführungen der Interviewfragen und die Betonung der aktiven Rolle der Befragten. Der Vorteil einer solchen mehrschrittigen textuellen Explikation (Spezifikation, Vertiefung, Exemplifizierung) liegt darin, dass für die Leser*innen die Möglichkeit geschaffen wird, den Umgang mit den eingesetzten Verfahren sowie das Verhältnis von Forschungssubjekt zum Gegenstand und zur "empirischen Welt" (BLUMER 2013 [1969], S.103) einschätzen zu können. Mit Explikationen kann der Forschungsprozess nachvollziehbar gemacht und der Umgang mit Methoden in Text übersetzt werden (STRÜBING et al. 2018). Manche Autor*innen nutzten dafür auch einen Annex oder ausführliche Fußnoten. [38]

Auffällig war, dass die Autor*innen in dieser Darstellungsform zudem für ihre Explikationen konsistent genuin qualitative Termini (Interview, iterativ, Sampling, Sequenzen, Forschungssubjekt etc.) verwendeten. Sie lösten sich somit vom deduktiv-nomologischen Wissenschaftsverständnis und positionierten sich über die Referenzen und Begriffe innerhalb der qualitativen, interpretativen und rekonstruktiven Sozialforschung (s. hierzu REICHERTZ 2016). [39]

4.2.2 Labeling

Labeling durch propositionale Begriffe ist eine bewährte Reduktionspraxis von Forschenden, um der textuellen Knappheit in Zeitschriftenformaten zur Darstellung des Forschungsprozesses gerecht werden zu können (STEGKEMPER, GRUNAU, RUPP & HUCHLER 2018). In unserem Sample wurde vor allem von Autor*innen in den Artikeln der DHo und BzH, aber auch der KZfSS, Labels wie "Interview" und "Inhaltsanalyse" häufig wie in dem folgenden Textausschnitt verwendet: "In zehn Bundesländern wurden im Jahr 2005 dazu leitfadengestützte Interviews mit VerhandlungsteilnehmerInnen der Hochschulen und der Ministerien durchgeführt und die vorliegenden Vertragsdokumente inhaltsanalytisch ausgewertet" (Anhang, Art. 41, S.34-35). Für das Erhebungsverfahren wurden häufig Adjektive wie "leitfadengestützt", "offen", "vertiefend", "qualitativ" oder "semi-strukturiert" genutzt, eine weitere – zumindest exemplarische – Spezifizierung des Vorgehens erfolgte dann allerdings nicht mehr. [40]

In der Methodendarstellung Labels einzusetzen ist zwar gängig, und diese haben durchaus eine informierende Wirkung, sind sie jedoch die einzige Angabe, fehlt es Leser*innen an notwendigen Informationen, um den Erhebungsvorgang oder den Umgang mit den erhobenen Daten nachvollziehen zu können – vor allem, wenn die Labels in stark reduzierter Form wie "ausgewertet nach Mayring" verwendet werden. Allein die Nennung von MAYRING als "dem Inbegriff der QIA [qualitativen Inhaltsanalyse]" (NIEDERBERGER & DREIACK 2020, §52) schien teilweise ausreichend zu sein, um das Auswertungsverfahren zu beschreiben, obwohl sich diverse Formen der qualitativen Inhaltsanalyse mit verschiedenen Erkenntnisinteressen – auch bei MAYRING (2000, 2019) – unterscheiden lassen (SCHREIER 2014). [41]

Autor*innen, die Labels so nutzten, scheinen qualitative Methoden eher als technische Verfahren begriffen zu haben. Gleichzeitig können wir den ungenauen Verweis auf Methoden oder prominente Verfahrensbegründer*innen über Labels auch als Zeichen der vorauseilenden Anpassung an dominante Praktiken aus quantitativen Kontexten oder auch Unsicherheit bei der Zuordnung des eigenen Vorgehens in einem unübersichtlichen kanonisierten Feld der qualitativen Sozialforschung deuten. [42]

4.2.3 Auslassungen

Eine weitere wiederkehrende Form der textuellen Darstellung, die den Nachvollzug des methodischen Vorgehens erschwerte, waren Auslassungen. Diese sind problematisch, da für den Forschungsprozess grundlegend zu treffende Entscheidungen textuell gar nicht thematisiert wurden (FLICK 1995). Stattdessen wurde die Präsentation z.B. der Erhebungspraxis – vor allem in Artikeln in der DHo und BzH – abgekürzt: Wie Aussagen erzeugt wurden, also z.B. über Face-to-face- oder Telefoninterviews und inwiefern das Gespräch strukturiert verlief (HELFFERIch 2011; HOPF 1978), blieb unklar. Nur in 20 von 60 Interviewstudien wurde offengelegt, wie das Material (nach welchem Standard oder Verfahren) transkribiert worden war, obwohl es durchaus einen Unterschied macht, ob die Text- oder Audiodateien die Analysebasis sind. Leser*innen bleiben damit auch im Unklaren, ob und wie die Befunde von der Erzeugungs- und Aufbereitungsform der Daten tangiert wurden. Ausgelassen wurden weitgehend die Auswertungsstrategien: In 31 von 67 Artikeln wurden diese gar nicht erst thematisiert (vgl. auch TIGHT 2013, S.146).21) Autor*innen präsentierten Interviewaussagen oder Dokumenteninhalte als direkte Abbilder dessen, "was wirklich war". Dies scheint dem primär anwendungsorientierten Interesse der Forschenden geschuldet gewesen zu sein, "neue Informationen" gewinnen zu wollen. Interpretative oder rekonstruktive Analysen im Sinne eines methodisch geleiteten Fremdverstehens fehlten unter dieser Zielsetzung und somit auch in der Veröffentlichung. [43]

4.2.4 Orientierung an der standardisierten Sozialforschung

Über das gesamte Sample zeigte sich bei einem großen Teil im formalen Aufbau der Beiträge die deutliche Orientierung der Autor*innen am deduktiv-nomologischen Wissenschaftsverständnis. Es dominierte ein gleichförmiger und linearer Aufbau, der dem "Blockmodell" (KRUSE 2014, S.639) folgte: 1. Einleitung, 2. Problem- und Fragestellung, Erkenntnisziele und Forschungsstand, 3. Theorie, 4. Methode, 5. Empirie und 6. ein abschließendes Kapitel. Der iterative Forschungsprozess, der in seinem Wechselspiel von Empirie und Theorie (STRAUSS & CORBIN 1996 [1990]) kennzeichnend für ein qualitatives Design ist, wurde selten in die Textstruktur überführt. Dies ist wenig überraschend und wurde über die Hochschulforschung hinaus auch in anderen Studien zur textuellen Darstellung qualitativer Sozialforschung schon festgestellt (GRUNENBERG 2004; ILG & BOOTHE 2010; NIEDERBERGER & DREIACK 2020). Allerdings erschwert diese lineare Darstellungsweise Leser*innen den Nachvollzug. Es bleibt unklar, inwiefern der Forschungsprozess zirkulär und iterativ durchlaufen wurde. Diesen Bruch zwischen Forschungspraxis und Darstellung textuell performativ überzeugend zu bearbeiten, gelang nur wenigen Autor*innen. [44]

Darüber hinaus wurde die Orientierung der Autor*innen am deduktiv-nomologischen Paradigma – insbesondere in den anwendungsorientierten Zeitschriften DHo und BzH – auch in den verwendeten Begriffen sichtbar: Das Sampling wurde als statistische Stichprobe dargestellt und das Interview als "Befragung" bezeichnet. Zudem spielten (sehr hohe) Quantitäten eine zentrale Rolle: In einigen Studien waren über 100 Interviews geführt worden; die durchschnittliche Dauer der Interviews (bis hin zur Angabe des Medians und der Standardabweichung)22) sowie die Anzahl der Kodes gehörten zu den wiederholt angeführten Informationen. Die Orientierung an Quantitäten und dem deduktiv-nomologischen Wissenschaftsverständnis zeigte sich nicht zuletzt darin, dass auf das Potenzial qualitativer Verfahren über ein methodisch geleitetes Fremdverstehen zur analytischen Generalisierung zu gelangen, kaum zurückgriffen wurde (PRZYBORSKI & WOHLRAB-SAHR 2014). Hingegen schmälerten Autor*innen die Aussagekraft ihrer abbildhaften Ergebnisse, indem sie diese als nicht repräsentativ einordneten: "[...] ist eine Übertragung der Ergebnisse dieser Studie auf den gesamten deutschen Hochschulraum mit Vorsicht zu behandeln, da nur eine kleine Fallzahl von Universitäten auf Basis qualitativer Daten ausgewertet wurde" (Art. 17, S.68). So hilfreich diese Information ist, um einer Verallgemeinerung selektiver Befunde entgegenzuwirken, so deutlich wird aber auch, dass hier allein der Vorstellung gefolgt wird, eine statistische Verallgemeinerung im Sinne standardisierter Sozialforschung erreichen zu wollen bzw. zu müssen. [45]

5. Konklusion: pragmatische Tools oder kreativer Umgang?

In unserer explorativen Analyse von in Zeitschriften publizierten qualitativen Studien haben wir Tendenzen des Einsatzes von Methoden in der anwendungsorientierten Hochschulforschung ausgelotet. Auch wenn wir keine systematischen Zusammenhangsanalysen präsentieren können und das Sample Limitationen aufwies – kleine Fallzahl, Selektivität des Zeitraums, begrenzte Auswahl an Zeitschriften und einbezogenen Kontextinformationen –, können wir Anstöße für weitergehende Betrachtungen auch für andere anwendungsorientierte Forschungsfelder geben. [46]

Neben der Frage, welche qualitativen Methoden in der Hochschulforschung eingesetzt werden, stellten wir zwei Thesen zur Nutzung qualitativer Methoden in der anwendungsorientierter Forschung zur Diskussion: Deren Bedingungen führen 1. zu einer Verengung des Methodenrepertoires auf regelgeleitete, Ad-hoc-Verfahren und sie ermöglichen 2. gerade den kreativen Umgang mit Verfahren der qualitativen Sozialforschung – unter anderem aufgrund der forschungsfeldspezifischen interdisziplinären Zusammenarbeit, durch die das Methodenrepertoire vergrößert wird. [47]

In dem von uns untersuchten Sample griffen die Forscher*innen überwiegend zu Ad-hoc-Verfahren, und das Repertoire der Erhebungs- und vor allem der Auswertungsmethoden war eng: Es dominierten Interviews, Dokumenten- und Inhaltsanalysen mit dem Ziel der deskriptiven Gegenstandsbeschreibung und Informationsgewinnung. Ein verengtes Repertoire scheint nicht per se charakteristisch für ein anwendungsorientiertes Feld zu sein. Auch der in den Artikeln zu Themen der Wissenschaftsforschung auffindbare Methodeneinsatz war eingeschränkt: Es dominierten ethnografische Vorgehensweisen. [48]

Deutlich wurde, dass eine anwendungsorientierte Forschungsperspektive und der Einsatz qualitativer Methoden zusammenspielten (vgl. Abbildung 1). Mit der Anwendungsorientierung, also einer Veröffentlichung in der DHo oder BzH, ging (insbesondere im Themenbereich Wissenschaftssysteme und ihre Organisationen) die Präferenz für Methoden als pragmatische, regelgeleitete Tools einher. Nicht weiter spezifizierte Interviews und Dokumente dienten als Datenquelle, um den manifesten Sinngehalt von Aussagen zu erfassen. Lediglich zwei Erziehungswissenschaftler*innen, die zum Themenbereich Studium und Lehre publizierten, setzten qualitative Methoden kreativ und gegenstandorientiert ein. Dass Bedingungen der anwendungsorientierten Forschung zu besonderen Methodenentwicklungen führen und Kreativität fördern, ist anhand unseres Samples also nicht aufzuzeigen.



Abbildung 1: Zusammenspiel von Forschungsperspektive und qualitativer Sozialforschung [49]

In Kontrast dazu bevorzugten die Autor*innen im Kontext einer stärker grundlagenorientierten Forschung wie in der KZfSS, der ZfE und der ZfS veröffentlicht interpretativ und rekonstruktiv vorgehende Methoden, mit denen nach latenten Sinngehalten gefragt wurde. In unserem Sample waren es Soziolog*innen und Erziehungswissenschaftler*innen, die problemzentrierte und narrative Interviews einsetzten und für die Auswertung kodierende Verfahren oder Sequenzanalysen nutzten bzw. ethnografisch gearbeitet hatten. [50]

Im Unterschied zur Feldbeschreibung der anwendungsorientierten Hochschulforschung (HERTWIG 2014; KRÜCKEN 2012; TIGHT 2013, 2020) fanden wir nur selten eine interdisziplinäre Koautor*innenschaft. Nur Autor*innen, die sich selbst als Hochschulforschende einordneten, changierten in ihren Wissenschaftskarrieren häufiger zwischen verschiedenen Disziplinen. Der Methodeneinsatz dieser Gruppe war nicht multimethodisch, sondern auf Interviewerhebungen ohne (die Darstellung der) Auswertungsperspektiven verengt. Erziehungswissenschaftler*innen und Soziolog*innen hingegen griffen auf eine höhere Bandbreite an Methoden zurück und fragten sowohl nach manifesten als auch nach latenten Sinngehalten. Dies verweist auf spezifische methodische Traditionen in Forschungsfeldern und Disziplinen (KRESSIN 2022) und widerspricht der Annahme, Interdisziplinarität per se sei ein Garant für Methodenvielfalt. [51]

Inwiefern sich verknappte und gleichförmige Konventionen der textuellen Performanz etablieren, die vielfältigen, weniger technischen Praktiken des Methodeneinsatzes im Wege stehen, können wir nicht beantworten. Wir wollen aber deutlich darauf verweisen, dass Autor*innen durch diese Art der Präsentation sowohl ihren Methodeneinsatz als auch ihren Umgang mit Methoden manifestieren und ihr Verständnis von qualitativer Sozialforschung transportieren. Während in explikativen Darstellungen häufiger nach latenten Sinnstrukturen gefragt wurde und Entscheidungen reflektiert wurden, interessierte bei verknappter Methodenpräsentation eher die manifeste Sinnebene und die Informationsgewinnung. Dabei ist unseres Erachtens zu berücksichtigen, dass gerade in Forschungskontexten, die von standardisierten Vorgehensweisen dominiert werden (wie es bei der Hochschulforschung der Fall ist), explikative Formen sich für Autor*innen als ungleich riskanter erweisen können: In Zeiten steigender Publikationszwänge können Abweichungen und Besonderheiten gar ein berufsbiografisches Risiko bergen (BREUER 2021), da sie "stärker abhängig von der individuellen Virtuosität der Verfasser (sic!)" sind (AYAß & LUDWIG-MAYERHOFER 2014, S.3) und daher "die Chancen des Misslingens [...] größer [sind]" (a.a.O.). [52]

Konsistent fielen in unserer Studie Publikationsort, Disziplin, referierte Methoden und Analyserichtung mit der Darstellungsform zusammen. Wer Aussagen in Dokumenten oder Interviews als objektive Daten verstand, explizierte weder die Erzeugung der Daten noch deren Auswertung. Wer hingegen nach latenten Sinngehalten fragte, thematisierte und reflektierte Datenerzeugung und Untersuchungsperspektive. Durch die Analyserichtung der Informationsgewinnung wird demnach maßgeblich der Methodeneinsatz justiert, aber auch die Präsentation. Dieses Zusammenspiel führte uns zu einer Differenzierung: Ein verengtes und auf Tools beschränktes Verständnis wird nicht (nur) durch die Methode an sich bestimmt, sondern auch durch das Untersuchungsziel. [53]

6. Einordnung der Befunde: anwendungsorientierte Hochschulforschung und qualitative Sozialforschung

Die Präferenz für pragmatische Tools und eine verknappte Art der Darstellung des methodischen Vorgehens in der anwendungsorientierten Hochschulforschung kann als Effekt eines besonderen Feldes gedeutet werden. Zum einen gibt es bezogen auf Hochschulen nach wie vor grundlegende Informationsdefizite, die auch mit qualitativen Methoden zu begleichen gesucht werden. Zum anderen machen Hochschulforscher*innen die eigene Profession und damit die Selbstbeschreibung des eigenen Feldes (Hochschule und Wissenschaft) zum Gegenstand. Sie sind – auch in außeruniversitären Organisationen – selbst Teil des zu untersuchenden Systems, es ist ihr Karriereort. Es geht um Stellen, Geld und Berufsoptionen in der Wissenschaft (WILKESMANN 2019, S.34). Vor diesem Hintergrund kann sich sowohl Selbstreflexivität als auch die Rekonstruktion von latenten Sinngehalten (insbesondere in der Qualifikationsphase) als mehrfach riskant erweisen. Sich hingegen auf manifeste Sinngehalte zu fokussieren, stellt eine Distanzierungsmöglichkeit zu diesem Handlungsproblem dar. WILKESMANN (a.a.O.) schloss zwei Herausforderungen der Hochschulforschung an, die insbesondere die qualitative Sozialforschung betreffen: das Selbstobjektivierungs- und das Selbstüberschätzungsproblem (S.34). Beide Phänomene feldintern, zum Beispiel aus wissenschaftssoziologischer Perspektive zu reflektieren (BECHER & TROWLER 2001; PHILIPPS 2018), auch um Möglichkeitsräume für einen pluralen Methodeneinsatz (insbesondere in Qualifikationsprojekten) zu eröffnen, steht allerdings noch aus. [54]

Das Zusammenspiel von Methoden und Analysezielen stellt einen zentralen Bezugspunkt für die weitergehende Debatte dar: Wenn Perspektiven von Expert*innen eins zu eins in Ergebnisse überführt, wenn Nacherzählung und Praxis gleichgesetzt werden (HÜTHER & KRÜCKEN 2015), dann wird die Kernprämisse der qualitativen Sozialforschung, bei der zwischen dem (Fremd-)Verstehen erster Ordnung und dem methodologisch geleiteten Fremdverstehen (zweiter Ordnung) differenziert wird, missachtet (PRZYBORSKI & WOHLRAB-SAHR 2014). Dies ist gerade in Feldern, in denen die "Grenzen zwischen Forschung und Evaluation, Beratung u.a.m. oft fließend" sind (TEICHLER 2008, S.65), reflektierend zu problematisieren, um einer einseitigen "policy-based evidence"-Ausrichtung (a.a.O., S.76) vorzubeugen. [55]

Unsere Analyse der qualitativen Hochschulforschung verdeutlicht auf der anderen Seite aber auch den Bedarf einer Debatte zur Anschlussfähigkeit qualitativer Methoden an anwendungsorientierte und inter- bzw. multidisziplinäre Kontexte. Anstatt sich vom pragmatischen Einsatz regelgeleiteter Verfahren und von "ad-hoc-Methoden" (REICHERTZ 2016, S.28) als "Forschung zweiter Klasse" (LATNIAK & WILKESMANN 2005, S.76) nur zu distanzieren, benötigt es den Austausch über Bedarfe, Möglichkeiten und Effekte anwendungsorientierter Forschung. "Methoden als Problemlöser" (BETHMANN 2019) zu konzipieren und die Gemeinsamkeiten von Strategien aufzuzeigen (KRUSE 2014) könnten erste Schritte sein, die die Praxis qualitativer Sozialforschender in anwendungsorientierten Bereichen weit mehr instruieren könnten als kanonisierte, regelgeleitete Verfahrensanleitungen. [56]

So kann der häufige Rückgriff auf Ad-hoc-Verfahren auch als Effekt einer enorm gestiegenen methodischen Ausdifferenzierung innerhalb der qualitativen Sozialforschung gedeutet werden, welche eine kontraintuitive Spezialisierung und Formalisierung evoziert (BETHMANN 2019; KNOBLAUCH 2013; REICHERTZ 2019). Methoden werden nicht gegenstandsangemessen eingesetzt, sondern weil sie beherrscht werden oder feldspezifisch etabliert sind. Es stellt sich daran anschließend die Frage, ob nicht diese Ausdifferenzierung selbst der Praxis Vorschub leistet, qualitative Methoden als "neutrale Tools" (REICHERTZ 2016, S.30) zu verstehen und einzusetzen mit der Konsequenz der "Wiederbelebung eines gedankenlosen (Neo-)Positivismus, gegen den ja gerade die qualitative/interpretative Sozialforschung angetreten war" (REICHERTZ 2017, S.78). Eine systematische Betrachtung dieser Wechselwirkungen von "Methodenliteratur und Forschungspraxis" steht allerdings auch noch aus (KRUSE 2014, S.18; s. auch DIAZ-BONE 2011). [57]

In der Hochschulforschung wird die Selbstreflexion von methodischen Praktiken und scheinbar fest etablierter Konventionen derzeit angestoßen. Diskussionen zu ihrer Verwissenschaftlichung (HAMANN et al. 2018; WISSENSCHAFTSRAT 2014), ein Lehrbuch zu Methoden (WILKESMANN 2019), eine Peer-Review-Zeitschrift (Zeitschrift für empirische Hochschulforschung), Auseinandersetzungen zur Nutzung ethnografischer Ansätze (HAMANN 2022; MEYER, REUTER & BERLI 2022) und weitere aktuelle Selbstthematisierungen (#IchBinHanna, #IchBinReyhan)23) sowie die Etablierung von einschlägigen Studiengängen und Lehrstühlen lassen eine qualitätssteigernde Entwicklung auch der qualitativen Erforschung des Hochschul- und Wissenschaftssystems erwarten. [58]

Anhang: Übersicht: Artikelkorpus der Feinanalyse

Beiträge zur Hochschulforschung (BzH)

Art. 1

Arnold, Marlen; Wetzel, Kathrin & Dobmann, Bernd (2014). Erwartungen an die Qualität berufsbegleitender Studiengänge aus Hochschul- und Unternehmensperspektive – eine vergleichende Untersuchung. Beiträge zur Hochschulforschung, 36, 64-91.

Art. 2

Aulenbacher, Brigitte; Binner, Kristina; Riegraf, Birgit & Weber, Lena (2015). Wandel der Wissenschaft und Geschlechterarrangements. Organisations- und Steuerungspolitiken in Deutschland, Österreich, Großbritannien und Schweden. Beiträge zur Hochschulforschung, 37, 22-39.

Art. 3

Barthauer, Luisa; Estel, Vivien; Dubbel, Anneke; Kauffeld, Simone & Spurk, Daniel (2016). Woran erkenne ich eine erfolgreiche Laufbahn? Ein qualitativer Ansatz zur Definition von Laufbahnerfolg bei Wissenschaftlern. Beiträge zur Hochschulforschung, 38, 42-63.

Art. 4

Beaufaÿs, Sandra (2015). Die Freiheit arbeiten zu dürfen. Akademische Laufbahn und legitime Lebenspraxis. Beiträge zur Hochschulforschung, 37, 40-59.

Art. 5

Best, Kathinka; Wangler, Julian & Schraudner, Martina (2016). Ausstieg statt Aufstieg? Geschlechtsspezifische Motive des wissenschaftlichen Nachwuchses für den Ausstieg aus der Wissenschaft. Beiträge zur Hochschulforschung, 38, 52-73.

Art. 6

Bloch, Roland (2007). "Natürlich möchte man es auch gern im Lebenslauf stehen haben ..." – Bedeutungen des Praktikums für Studierende. Beiträge zur Hochschulforschung, 29, 82-106.

Art. 7

Böhringer, Daniela; Gundlach, Julia & Korff, Svea (2014). Nachwuchs im Netz: Eine Untersuchung der Genderrelevanz von Förderprogrammen für Postdocs. Beiträge zur Hochschulforschung, 36, 52-72.

Art. 8

Daumiller, Martin; Figas, Paula & Drese, Markus (2015). Selbstbezogene Ziele von Dozierenden: Ergebnisse einer Interviewstudie. Beiträge zur Hochschulforschung, 37, 52-63.

Art. 9

Henke, Justus & Schmid, Sarah (2017). Die Third Mission von Hochschulen als lösbares Steuerungsproblem. Gründe für eine bessere Kommunikation und Ansätze zu ihrer Entwicklung. Beiträge zur Hochschulforschung, 39, 116-133.

Art. 10

Hilbrich, Romy & Schuster, Robert (2014). Qualität durch Differenzierung? Lehrprofessuren, Lehrqualität und das Verhältnis von Lehre und Forschung. Beiträge zur Hochschulforschung, 36, 70-89.

Art. 11

Kahlert, Heike (2015). Nicht als Gleiche vorgesehen. Über das "akademische Frauensterben" auf dem Weg an die Spitze der Wissenschaft. Beiträge zur Hochschulforschung, 37, 60-78.

Art. 12

Keller, Andreas & Dobbins, Michael (2015). Das Ringen um autonome und wettbewerbsfähige Hochschulen: Der Einfluss von Parteipolitik, fiskalpolitischem Problemdruck und historischen Vermächtnissen auf die Hochschulpolitik der Bundesländer. Beiträge zur Hochschulforschung, 37, 28-55.

Art. 13

Kimler, Johanna (2007). Die Akzeptanz von Bachelor- und Masterabschlüssen bei deutschen Großunternehmen: Theoretische Überlegungen und empirische Befunde anhand einer Befragung ausgewählter Unternehmen. Beiträge zur Hochschulforschung, 29, 32-51.

Art. 14

Kleimann, Bernd (2017). Leader, Manager, Mediator? Selbstbeschreibungen deutscher Universitätspräsidenten im Licht der universitären Organisationsstruktur. Beiträge zur Hochschulforschung, 39, 62-79.

Art. 15

Konen, Cindy (2017). Innovationsfähigkeit von Hochschulen: Voraussetzungen für das Entstehen von Innovationen in Innovationskooperationen mit Unternehmen – Ergebnisse einer explorativen Experteninterviewreihe. Beiträge zur Hochschulforschung, 39, 134-153.

Art. 16

Meier, Frank & Schimank, Uwe (2009). Matthäus schlägt Humboldt? New Public Management und die Einheit von Forschung und Lehre. Beiträge zur Hochschulforschung, 31, 42-61.

Art. 17

Müller, Romina (2015). Wertepräferenzen an deutschen Universitäten – Eine Leitbilderanalyse zur Organisationskultur. Beiträge zur Hochschulforschung, 37, 64-78.

Art. 18

Röbken, Heinke (2003). Balanced Scorecard als Instrument der Hochschulentwicklung – Projektergebnisse an der Reykjavik University. Beiträge zur Hochschulforschung, 25, 102-120.

Art. 19

Schütz, Floria; Sinell, Anna; Trübswetter, Angelika; Kaiser, Simone & Schraudner, Martina (2016). Der Science Case attraktiver Karrierewege – Eine gegenstandsbezogene Perspektive auf Karrierebedingungen und -modelle im deutschen Wissenschaftssystem. Beiträge zur Hochschulforschung, 38, 64-84.

Art. 20

Seyfried, Markus & Pohlenz, Philipp (2017). Zwischen Wunsch und Wirklichkeit – Qualitätsmanagement als weiches Disziplinierungsinstrument? Beiträge zur Hochschulforschung, 39, 96-115.

Art. 21

Wilkesmann, Uwe (2017). Metaphern der Governance von Hochschulen: Macht die fachliche Herkunft der Rektorinnen und Rektoren einen Unterschied? Beiträge zur Hochschulforschung, 39, 32-55.

Art. 22

Wolffram, Andrea (2015). Karrierewege und Lebensgestaltung promovierter Ingenieur- und Naturwissenschaftlerinnen aus Osteuropa an deutschen Universitäten. Beiträge zur Hochschulforschung, 37, 100-117.

Die Hochschule (DHo)

Art. 23

Aiwanger, Liane & Jäger, Susanna (2003). Was hat die Geschlechterfrage mit "Qualität" an Hochschulen zu tun? Empirische Befunde für Fachhochschulen. Die Hochschule, 12, 80-92.

Art. 24

Becker, Fred G.; Tadsen, Wögen, N.; Stegmüller, Ralph & Wild, Elke (2012). Ansichten und Anreize "guter Lehre" aus Sicht von Hochschulleitungen. Ergebnisse einer Interviewserie. Die Hochschule, 21, 220-232.

Art. 25

Bloch, Roland (2004). Flexible Studierende. Die Hochschule, 13, 50-63.

Art. 26

Bloch, Roland & Schulze, Henning (2009). Hochschulen: Konjunkturabhängige Personaldienstleister oder Kooperationspartner für die Praxis? Eine Tiefensondierung in zwei ostdeutschen Regionen. Die Hochschule, 18, 113-127.

Art. 27

Böhmer, Susan (2010). Der Preis der Freiheit. Die Bedeutung hoher Forschungsautonomie für Arbeitsalltag und Karriere von Nachwuchsgruppenleitern. Die Hochschule, 19, 64-76.

Art. 28

Dimbath, Oliver & Böschen, Stefan (2015). Institutionalisierter Skeptizismus der Wissenschaft. Eine explorierende Studie zu Rezensionen als Kritikform. Die Hochschule, 24, 158-172.

Art. 29

Dörre, Klaus & Neis, Matthias (2009). Ist der Kaiser nackt? Reformerwartungen und Innovationswirklichkeit: Befunde zur regionalen Wirkung der "unternehmerischen Universität". Die Hochschule, 18, 53-68.

Art. 30

Duong, Sindy; Hachmeister, Cort‐Denis; Roessler, Isabel & Scholz, Christina (2016). Facetten und Indikatoren für angewandte Forschung und Third Mission an HAW. Die Hochschule, 25, 87-99.

Art. 31

Engels, Anita (2006). Globalisierung der universitären Forschung. Beispiele aus Deutschland und USA. Die Hochschule, 15, 115-133.

Art. 32

Franz, Anja (2012). "Es wurde immer unschaffbarer". Promotionsabbruch als Konsequenz von Handlungsstrategien zur Reduktion von Unsicherheit. Eine Fallstudie zum Promotionsverlauf einer ausländischen Doktorandin. Die Hochschule, 21, 102-115.

Art. 33

Franzke, Astrid (2003). Mentoring für Frauen an Hochschulen – Potentiale für strukturelle Veränderungen? Die Hochschule, 12, 93-107.

Art. 34

Fritsch, Michael (2009). Was können Hochschulen zur regionalen Entwicklung beitragen?. Die Hochschule, 18, 39-52.

Art. 35

Hechler, Daniel & Pasternack, Peer (2015). "... nicht uninteressanter als andere Dinge auch". Zeitgeschichte der ostdeutschen Hochschulen aus der Sicht ihrer Akteure. Die Hochschule, 24, 114-131.

Art. 36

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Zeitschrift für Soziologie (ZfS)

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Danksagung

Fragen und Herausforderungen, die im Netzwerk “Qualitative Forschung” des Forschungsclusters “Empirische Methoden der Hochschul- und Wissenschaftsforschung” am Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) diskutiert worden sind, bildeten den Ausgangspunkt dieser Auseinandersetzung. Neben den Teilnehmer*innen danken wir vor allem Kendra RENSING, Adisa BEŠIROVIĆ und Daniel VÖLK für ihre Mitarbeit sowie Anna GERCHEN und Tom TÖPFER für ihre kritischen Kommentierungen. Unser besonderer Dank gilt den anonymen Gutachter*innen vorangegangener Fassungen und der jetzigen Version für ihre intensive und weiterführende Auseinandersetzung.

Anmerkungen

1) In Deutschland findet Forschung über Hochschulen im Gegensatz zur US-amerikanischen Tradition primär in außeruniversitären Einrichtungen statt, etwa am Bayerischen Staatsinstitut für Hochschulforschung und Hochschulplanung (IHF), am International Centre for Higher Education Research (INCHER), am Institut für Hochschulforschung (HoF) und seit 2013 durch Ausgründung aus der HIS-Hochschul-Informations-System GmbH am Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) (PASTERNACK 2006). <zurück>

2) Einschränkend ist hervorzuheben, dass der Anteil an Zeitschriftenartikeln zwar stetig zunimmt, Monografien aber nach wie vor das dominierende Publikationsformat der Sozialwissenschaften darstellen (CHI & DINKEL 2012; SCHWEMMER & WIECZOREK 2020). <zurück>

3) Als wesentliche Konsequenz dieser Einordnung hätten wir den Artikeln auch sprachlich eine "Subjektivität" zugesprochen, dies widerspricht allerdings den in FQS genutzten APA-Publikationsstandards; s. Item 9 der Hinweise zur Beitragseinreichung. <zurück>

4) Diese Wendung zur Auseinandersetzung mit der Darstellung entspringt der grundlegenden Reflexion der Beschaffenheit von "Daten" in der qualitativen Sozialforschung, in der deren soziale Erzeugung in der Regel Gegenstand der Auseinandersetzung ist (PRZYBORSKI & WOHLRAB-SAHR 2014; REICHERTZ 2016). Bei einer standardisierten Auswertung von Texten tritt diese analytische Perspektive in den Hintergrund (vgl. z.B. TIGHT 2013). <zurück>

5) Sonderhefte dieser Zeitschriften fanden keine Berücksichtigung. <zurück>

6) Zwar wird der Hochschulforschung eine zunehmende Internationalisierung attestiert, aber noch 2014 konstatierte der WISSENSCHAFTSRAT für die deutsche Hochschulforschung eine "nationale Selbstbezogenheit [...], die von internationalen Beobachtern als 'inward looking‘ beschrieben wird und lange Zeit Anschlüsse an und für die international vergleichende Forschung erschwert hat" (S.20). Der Wissenschaftsforschung hingegen wurde eine überwiegend internationale Orientierung zugesprochen. <zurück>

7) Beiträge zur Hochschulforschung wird seit 1979 vom Bayerischen Staatsinstitut für Hochschulforschung und Hochschulplanung (IHF) in München veröffentlicht. Gezielt wird bei den Artikeln auf Allgemeinverständlichkeit, um ein heterogenes Lesepublikum erreichen zu können: Neben Wissenschaftler*innen sollen auch Praktiker*innen aus dem Bereich der Hochschuladministration und -politik angesprochen werden. Die Hochschule wird seit 1991 vom Institut für Hochschulforschung in Halle-Wittenberg herausgegeben. Während die BzH auf ein doppeltblindes Review-Verfahren verweist, erfolgt in der DHo eine Qualitätskontrolle durch die Herausgebenden. Die Themenbereiche der DHo erstrecken sich u.a. von Hochschulgeschichte über Hochschulmanagement und Hochschulpolitik bis hin zur Studierenden- und Curriculaforschung. Angestrebt wird, über die Publikationen einen Wissenstransfer in Praxisfelder zu befördern. <zurück>

8) Während Soziolog*innen "[a]n beiden großen und durch die Hochschulpolitik induzierten Wellen der Hochschulforschung [Hochschulexpansion und New Public Management] [...] maßgeblich beteiligt" waren (KRÜCKEN 2012, S.268), wechselten im Verlauf die Bezugsdisziplinen: "Waren in den 1970er Jahren vor allem die Pädagogik und die damit verbundene Didaktik von besonderer Relevanz, gewannen die Politik- und Wirtschaftswissenschaften in der zweiten großen Expansionsphase an Bedeutung" (S.268). Nach einer aktuellen Studie von RAMIREZ et al. (2021a) stellten Soziolog*innen (ca. 35 Prozent) und Erziehungswissenschaftler*innen (ca.15 Prozent) die größten Gruppen im Feld dar (S.37). <zurück>

9) Blindes Peer Review ist ein Prozess der Begutachtung, bei dem die Gutachter*innen wissen, wer die*der Autor*in ist, während diese Person nicht weiß, wer die Gutachter*innen sind. Beim doppeltblinden Peer Review wird noch einen Schritt weitergegangen und die Identität sowohl der Gutachter*innen als auch der Autor*innen verborgen. <zurück>

10) Anschlussfähig für qualitative Methoden ist sicherlich auch FQS als interdisziplinäres Publikationsorgan, das wir ebenfalls für diesen Zeitraum sichteten. Dabei zeigten sich vergleichbar pragmatische Methodenzugriffe in Beiträgen zur Hochschulforschung aber deutliche Unterschiede in der Darstellungsform des methodischen Vorgehens (explikativ in FQS, s. hierzu Abschnitt 4.2.1). Da die Frage der textuellen Performanz aber nicht im Zentrum unseres Interesses lag, haben wir uns entschieden, den Kontrast nicht einzubeziehen. <zurück>

11) Wir vermuten, dass in dieser Aussortierungsstrategie eine Erklärung dafür liegt, dass der Anteil qualitativer Artikel in unserer Untersuchung im Vergleich zu den Analysen von TIGHT (2013) im internationalen Raum deutlich geringer ausfiel. <zurück>

12) In Bezug auf die methodische Selbstverortung der Autor*innen zeigte sich ebenfalls ein diverses Bild: Nur ein Drittel griff (in der Überschrift oder dem Abstract) auf das Etikett "qualitativ" zurück. In sechs Artikeln wurden allgemeine Beschreibungen wie "explorativ" oder "empirisch" genutzt, in den meisten fehlte eine weitergehende Verortung. <zurück>

13) Auch die deduktive qualitative Inhaltsanalyse (MAYRING 2015), die innerhalb der qualitativen Sozialforschung durchaus kritisch beurteilt wird (JANSSEN, STAMANN, KRUG & NEGELE 2017), haben wir als qualitatives Verfahren eingeordnet – allein schon wegen der Häufigkeit ihres Auftretens in den Artikeln des Samples. <zurück>

14) Dies fällt auch mit dem Institutionalisierungsschub des Forschungsfeldes zusammen, welcher vom Bundesministerium für Bildung und Forschung forciert wurde; s. auch WISSENSCHAFTSRAT (2014). <zurück>

15) Wir begriffen die Grounded-Theory-Methodologie als Werkzeugkoffer und verwendeten die Strategie des offenen Kodierens. Weder folgten wir den grundlegenden Prämissen eines theoretischen Samplings und einer Sättigung, noch strebten wir eine Theoriebildung an. Mit unserem Beitrag zielen wir stattdessen auf eine systematisierende Beschreibung anhand eines selektiven Samples, um proklamierte Zusammenhänge erstmals zu explorieren. <zurück>

16) Das Geschlecht der Autor*innen und Koautor*innen wurde anhand der Vornamen kodiert. Auch der wissenschaftlichen Status zum Zeitpunkt der Publikation (30 Prä-Doc, 20 Post-Doc, 17 habilitiert) wurde erfasst. Diese beiden Kontextinformationen waren jedoch weniger bedeutsam für die Methodenwahl und die textuelle Darstellung als die jeweilige Disziplin und die Zeitschrift, in der veröffentlicht worden war. <zurück>

17) Die Dominanz der Soziolog*innen könnte man auf die Auswahl zweier soziologischer Zeitschriften zurückführen, allerdings überwog diese Gruppe auch in den anwendungsbezogenen Journalen. <zurück>

18) Sieben Autor*innen waren anderen Disziplinen zuzuordnen (z.B. Geschlechterforschung, Anthropologie). <zurück>

19) Dokumente werden in vielen Studien zur Hochschulforschung eingesetzt, sie sind zumeist ein grundlegender Schritt in der Annäherung an die untersuchten Phänomene. Obwohl sich die Erstellung eines Dokumentenkorpus als aufwendig darstellt, da viele Dokumente z.B. nicht öffentlich zugänglich sind, wurde erstaunlicherweise im florierenden Feld der Hochschulforschung bislang keine (zentrale) Datenbank für Dokumente geschaffen. <zurück>

20) Dieser Themenbereich wird aktuell vor allem von der Survey-Forschung dominiert, z.B. Student Life Cycle Panel (Nachfolgeprojekt von Absolventen- und Studienberechtigenpanel), National Academics Panel Study (Nacaps) oder Eurostudent. <zurück>

21) Dies bezog sich sowohl auf die Interviewstudien als auch die Dokumentenanalysen. Dabei fielen insbesondere die Artikel in der DHo auf: In fast zwei Drittel aller Fälle thematisierten die Autor*innen die Auswertung nicht. Aber auch in den anderen Zeitschriften (mit Ausnahme der ZfS) wurde die Darstellung der Analyse vernachlässigt (ähnlich GRUNENBERG 2004). <zurück>

22) Zum Beispiel: "Die Interviews dauerten im Schnitt vierzig Minuten (M = 40.4; SD = 9.3)" (Art. 8, S.55). <zurück>

23) In einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) produzierten Video wird anhand der Protagonisten, Hanna, erklärt, dass befristete Arbeitsverhältnisse und Fluktuationen im Hochschul- und Wissenschaftssystem für Innovationen notwendig sind. Dieses ursprünglich positiv motivierte Erklärvideo wurde von den Wissenschaftler*innen Amrei BAHR, Kristin EICHHORN und Sebastian KUBON zum Anlass genommen, um unter dem Hashtag #IchBin Hanna auf die prekären Beschäftigungsverhältnisse im Wissenschaftsbereich hinzuweisen. Dem Hashtag folgten in kürzester Zeit viele weitere. Durch den Hashtag #IchBinReyhan hat Reyhan ŞAHİN die Intersektionalität dieses Missstandes im Hochschul- und Wissenschaftssystem aufgegriffen. <zurück>

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Zu den Autorinnen

Laura BEHRMANN ist akademische Rätin (auf Zeit) für qualitative Methoden am Institut für Soziologie der Bergischen Universität Wuppertal. Zu ihren Arbeits- und Forschungsschwerpunkten gehören qualitative Sozialforschung, Wissenschaftsforschung, soziale Ungleichheits- und Bildungsforschung.

Kontakt:

Dr. Laura Behrmann

Bergische Universität Wuppertal
Fakultät für Human und Sozialwissenschaften, Institut für Soziologie
Gaußstr. 20
42119 Wuppertal

Tel.: +49 (0)202 / 439-2167

E-Mail: Behrmann@uni-wuppertal.de
URL: https://www.polsoz.uni-wuppertal.de/de/team/ansicht/behrmann/

 

Dilek İKIZ-AKINCI ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungsdatenzentrum am Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung. Zu ihren Arbeits- und Forschungsschwerpunkten gehören qualitative Sozialforschung, Wissenschaftsforschung, soziale Ungleichheit und Bildungsforschung.

Kontakt:

Dilek İkiz-Akıncı

Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung GmbH (DZHW)
Abteilung Infrastruktur und Methoden – Forschungsdatenzentrum (FDZ)
Lange Laube 12
30159 Hannover

Tel.: +49 (0)511 / 450670-416

E-Mail: ikiz@dzhw.eu
URL: https://www.dzhw.eu/gmbh/mitarbeiter?m_id=809

 

Veronika RÜCKAMP ist Mitarbeiterin in der Zentralen Einrichtung für Qualität in Studium und Lehre an der Leibniz Universität Hannover und ist dort für die Qualitätssicherung von Studiengängen zuständig. Ihre Forschungsinteressen umfassen Methoden qualitativer Sozialforschung, Organisationssoziologie sowie empirische Religionsforschung. 

Kontakt:

Dr. Veronika Rückamp

Leibniz Universität Hannover
ZQS - Zentrale Einrichtung für Qualität in Studium und Lehre
Callinstr. 14
30167 Hannover

E-Mail: rueckamp@zqs.uni-hannover.de

Zitation

Behrmann, Laura; İkiz-Akıncı, Dilek & Rückamp, Veronika (2023). Pragmatische Tools oder kreativer Umgang? Qualitative Methoden in der anwendungsorientierten Hochschulforschung [58 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 24(3), Art. 2, https://doi.org/10.17169/fqs-24.3.3968.

Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research (FQS)

ISSN 1438-5627

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