Volume 24, No. 3, Art. 1 – September 2023
Konventionen von Gütekriterien empirischer Sozialforschung
Christian Schneijderberg
Zusammenfassung: Im Beitrag gehe ich der Forschungsfrage "für welche Konventionen stehen Gütekriterien empirischer Sozialforschung?" nach. Zum Verstehen der Konventionen führe ich eine deduktiv-qualitative Untersuchung von Lexikontexten zu Gütekriterien qualitativer, nicht-standardisierter und quantitativer, standardisierter Sozialforschung sowie der Gütekriterienvorschläge qualitativer Forschung von STRÜBING, HIRSCHAUER, AYAß, KRÄHNKE und SCHEFFER (2018) durch. Die deduktive Kodierung basiert auf Kategorien der idealtypischen Wertordnungen nach BOLTANSKI und THÉVENOT (2014 [1991]). Aus der vergleichenden Konventionenanalyse extrahiere ich zehn Konventionen empirischer Sozialforschung, welche ich in drei Gruppen ordne: kognitive Konvention des Social Science Engineering (Mechanikkonvention), kognitiv-soziale Konventionen des Forschungsprozesses (Angemessenheitskonvention [inkl. intersubjektiver Nachvollziehbarkeit], Entdeckungskonvention und Iterations- und Distanzierungskonvention) und die sozio-kognitiven Konventionen der empirischen Sozialforscher*innen (Forscher*in-Ausblenden-Konvention, Mandarin*in/Meister*in-Konvention, Expert*in/Spezialist*in-Konvention, Forschungslyrikkonvention, Popularitätskonvention und Methodenbegriffskonvention). Die Anwendung der Konventionen auf die Gütekriterienvorschläge von OTTE et al. (2023) zeigt, dass die Gütekriterienvorschläge der analytisch-empirischen Soziologie im Kern die Konventionen der quantitativen Sozialforschung (Forscher*in-Ausblenden-Konvention und Mechanikkonvention) reproduzieren – ergänzt um die Forschungslyrikkonvention (Stichwort "textuelle Performanz", STRÜBING et al. 2018, S.93). Die Konventionenanalyse beende ich mit einem Plädoyer für einen substanziellen Methodenbegriff von Gütekriterien empirischer Sozialforschung (Methodenbegriffskonvention), welcher epistemologisch und methodologisch auf den Forschungsprozess (Angemessenheitskonvention, Entdeckungs- und Iterations- und Distanzierungskonvention) fokussiert und die sozio-kognitive Rolle von empirischen Sozialforscher*innen im Forschungsprozess angemessen berücksichtigt.
Keywords: empirische Sozialforschung; Gütekriterien; Konventionen; Methodenstreit in der Soziologie; Wertordnungen
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Anhaltende Diskussionen um Gütekriterien qualitativer und quantitativer Sozialforschung
3. Methodisch-theoretische Herangehensweise der Analyse
4. Konventionenanalyse von Gütekriterien empirischer Sozialforschung
5. Diskussion der Ergebnisse und Schlussfolgerungen
6. Schlussbemerkungen
Anhang: Konventionen von Gütekriterien empirischer Sozialforschung
Wissenschaftliche Disziplinen wie die Soziologie werden von Gemeinschaften getragen, in welchen ein (Mindest-)Konsens über den Forschungsgegenstand, notwendige Methoden und Theorien herrscht (BECHER & TROWLER 2001 [1989]; FLECK 2019 [1935]; JACOBS 2014; KNORR CETINA 2002 [1999]; KUHN 1976 [1962]; TROWLER 2014; WHITLEY 1984). Zum professionellen Selbstverständnis wissenschaftlicher Gemeinschaften gehört auch die Reflexion und Weiterentwicklung der sozio-kognitiven Grundlagen einer Disziplin. Sozio-kognitiv betont, dass beispielsweise Gütekriterien empirischer Sozialforschung keine natürlichen Fakten, sondern Gegenstand der Einigung und Weiterentwicklung der soziologischen und sozialwissenschaftlichen Gemeinschaften sind. Regeln der professionellen Einigung und Weiterentwicklung sind dabei nicht formalrechtlich festgelegt, sondern folgen Konventionen, welche zentrale institutionalisierte Sozialstrukturen der Koordination regulieren (THÉVENOT 2001 [2000], S.411). Der Konventionenbegriff bildet "kulturell etablierte Koordinationslogiken" und "nicht einfach etablierte Standards [ab]. Er bezeichnet insbesondere auch nicht Traditionen, Bräuche und Sitten – wie dies etwa bei Max Weber noch als Verständnis des Konzepts der Konvention zu finden ist" (DIAZ-BONE 2018 [2015], S.21). [1]
Eine disziplinäre Konvention stellt in der Methodensoziologie das Nebeneinander qualitativer und quantitativer sozialwissenschaftlicher Methoden, beispielsweise nach dem "Positivismusstreit in der deutschen Soziologie" (ADORNO et al. 1993 [1969]), dar. Eine öffentlich wahrnehmbare neue Situation des konventionellen Methodennebeneinanders empirischer Sozialforschung scheint mit der 2017 erfolgten Gründung der Akademie für Soziologie (AS) entstanden zu sein. Die AS setzt sich "für eine wissenschaftliche, an klaren methodischen Standards ausgerichtete Soziologie ein"1) und für ein als "analytisch-empirische Soziologie"2) definiertes Paradigma von quantitativer und auch deduktiv-qualitativer Sozialforschung. Paradigmatisch infrage gestellt, da nicht mit den Konventionen der theoriegeleiteten und kontrollierten empirischen Erhebungen übereinstimmend3), werden induktive Methoden wie qualitative, hermeneutische und insgesamt rekonstruktive Erkenntnisverfahren (z.B. Diskurs- und Videoanalyse und dokumentarische Methode) sowie quantitative, atheoretische, d.h. (nicht-überwacht) datengetriebene Big Data-Analysen (z.B. Korrespondenz- und Sentimentanalysen oder Topic Modeling) der Computational Social Science, welche eher Gütekriterien qualitativer Sozialforschung genügen (SCHNEIJDERBERG, WIECZOREK & STEINHARDT 2022, S.48-53). [2]
Die Dynamik der neuen Situation in der Methodensoziologie wurde weiter befeuert durch den von STRÜBING, HIRSCHAUER, AYAß, KRÄHNKE und SCHEFFER (2018) entwickelten Vorschlag, "Gegenstandsangemessenheit," "empirische Sättigung," "theoretische Durchdringung," "textuelle Performanz" und "Originalität" (S.83) als übergreifende Gütekriterien für die qualitative Sozialforschung zu etablieren. Wie EISEWICHT und GRENZ (2018) aufzeigten, fassten STRÜBING et al. (2018) einerseits in den fünf Begriffen, kaum nachvollziehbar, die vielen Methodologien qualitativer Sozialforschung zusammen. Andererseits begründeten sie ihren Vorschlag vereinheitlichter Gütekriterien für qualitative Sozialforschung mit den Fördergeld- und Publikationswettbewerben in der Wissenschaft (siehe auch HIRSCHAUER, STRÜBING, AYAß, KRÄHNKE & SCHEFFER 2019). Vor allem Letzteres deutet auf eine professionspolitisch-ideologische, soziale Funktion von Gütekriterien empirischer Sozialforschung hin, welche über vorgeschobene kognitive und epistemologische Argumente statt mit Fokus auf grundlegende methodologische Anforderungen empirischer Sozialforschung ausgetragen und befördert wird. Indirekt adressierte auch SCHIMANK (2023) im Editorial der Zeitschrift für Soziologie (ZfS), 52(1), den sozio-kognitiven Konflikt in der deutschen (Methoden-)Soziologie. SCHIMANK, ehemaliger ZfS-Mitherausgeber und Mitglied im 32-köpfigen ZfS-Beitrat, machte drei Vorschläge zur Veränderung des ZfS-Begutachtungsprozesses und die Befürwortung und Ablehnung von Manuskripten durch die ZfS-Herausgeber*innen: positives Veto, Zufallsauswahl und Erinnerungsfunktion. Diese bezeichnete SCHIMANK als begrenzende "Korrektive" und zu vereinbarende "Regeln," da selbstreflexive "Einsicht" und Appelle "an den guten Willen von Gutachtern und Herausgebern" (S.2) nicht (mehr) ausreichten, um einen fairen Bewertungsprozess zu gestalten. In der ZfS 52(1) erschienen zwei Beiträge mit Fokus auf die analytisch-empirische Soziologie.4) SONNTAG (2023, S.8) betonte: "Ich spreche [...] stets von analytisch-empirischen statt von 'quantitativen' Gütekriterien." OTTE et al. (2023) suggerierten in ihrem Beitrag zu "Gütekriterien der analytisch-empirischen Soziologie" (S.43), dass die qualitativen und quantitativen Epistemologien unbedeutend seien bzw. paradigmatisch die Methodologien angeglichen werden könnten. [3]
Im Vergleich zu den beiden ZfS-Beiträgen schlage ich im hier vorliegenden Artikel zum qualitativen Verstehen von Gütekriterien empirischer Forschung einen anderen Weg ein. Um STRÜBING et al.s (2018) Gütekriterienvorschläge diskutieren zu können, erachte ich es als notwendig, zuerst zentrale Merkmale von Gütekriterien qualitativer und quantitativer Sozialforschung zu verstehen und dann zu systematisch zu vergleichen. Das Vorgehen fußt auf dem Verständnis einer pluralen Qualitätskultur empirischer Sozialforschung, durch die die Möglichkeiten und Grenzen qualitativer und quantitativer Methodologien und Epistemologien bei der empirischen Untersuchung unterschiedlicher sozialer Phänomene berücksichtigt und wertgeschätzt werden. Geleitet von der Forschungsfrage "für welche Konventionen stehen die Gütekriterien empirischer Sozialforschung?" untersuche ich die Vorschläge zu Gütekriterien qualitativer Forschung von STRÜBING et al. im Vergleich zu zwei Lexikontexten zu Gütekriterien qualitativer (GEIMER & DIAZ-BONE 2015) und quantitativer Sozialforschung (DIAZ-BONE 2015) deduktiv-qualitativ. [4]
Dadurch mache ich Gütekriterien als Semantik der Selbstrechtfertigung von empirischer Sozialforschung selbst zum Untersuchungsgegenstand und leiste mit der vergleichenden Analyse einen Verstehensbeitrag zur Debatte Qualitätsstandards qualitativer Sozialforschung. Das Tertium Comparationis für diese habe ich mithilfe eines deduktiven Kategoriensystems auf Basis der theorie- und empiriebasierten Wertordnungen (WO) von BOLTANSKI und THÉVENOT (2014 [1991], S.222-447) erstellt. Die pluralen WO bestehen aus klar differenzierten, abstrahierten Prinzipien sozialer Ordnungen. Mit der Klarheit einer jeden WO verfolge ich den Zweck, komplexe Phänomene konflikthafter und rechtfertigungsbedürftiger sozialer Realität zu verstehen und die in der sozialen Realität alltäglicher Situationen vermischten WO systematisch, das heißt, kategoriengeleitet zu erfassen. Die im WO-Analyserahmen idealtypisch dargestellten Sozialordnungen ermöglichen mir, eine konfliktsoziologische Perspektive auf die Gütekriteriendiskussion in der empirischen Sozialforschung zu werfen. Die WO bieten einen Schlüssel zum Explizieren der impliziten Bedeutungen von Gütekriterien empirischer Sozialforschung für die vergleichende Analyse der oben skizzierten neuen, dynamischen Situation um kognitive Rechtfertigungen sozialer Belohnungen in der deutschen Methodensoziologie. [5]
In Abschnitt 2 begründe ich nach einer knappen Darstellung der anhaltenden Diskussion um Gütekriterien empirischer Sozialforschung die Auswahl der Textdaten für die vergleichende Konventionenanalyse. In Abschnitt 3 stelle ich die Grundlagen des WO-Analyserahmens vor. Dessen methodisch-theoretische Einheit wird ebenfalls bei der Erklärung des Vorgehens beim deduktiven Kodieren der Textdaten hervorgehoben. Für den Lesefluss habe ich in Abschnitt 4 zuerst die quantitativen Gütekriterien, dann die qualitativen Gütekriterien und den Vorschlag von STRÜBING et al. (2018) kodiert und untersucht, um deren implizite Konventionen zu explizieren. In der Diskussion der Ergebnisse in Abschnitt 5 fokussiere ich auf die Konventionen der Gütekriterienvorschläge von STRÜBING et al. und von OTTE et al. (2023), wobei ich stets den empirischen Forschungsprozess mitsamt der spezifischen Rolle von empirischen Sozialforscher*innen betrachte, um in Abschnitt 5.5 meinen Vorschlag für einen substanziellen Methodenbegriff vorzubringen (sozio-kognitive Methodenbegriffskonvention). Den Beitrag beende ich mit einer knappen Schlussbemerkung für einen substanziellen Methodenbegriff empirischer Sozialforschung, wobei ich epistemologisch und methodologisch den Forschungsprozess (kognitiv-soziale Angemessenheitskonvention, Entdeckungs- und Iterations- und Distanzierungskonvention) in den Mittelpunkt stelle und die sozio-kognitive Rolle von empirischen Sozialforscher*innen im Forschungsprozess angemessen berücksichtige. [6]
2. Anhaltende Diskussionen um Gütekriterien qualitativer und quantitativer Sozialforschung
2.1 Der Anspruch und die Einladung von STRÜBING et al. (2018)
Werden die Gütekriterien quantitativer Sozialforschung im Kern stabil auf die unterschiedlichen quantitativen Methoden (z.B. Experiment und Survey) angewendet (z.B. DIEKMANN 2017 [1995]; HUSSY, SCHREIER & ECHTERHOFF 2020 [2009]; KREBS & MENOLD 2019 [2014]; OTTE et al. 2023), so ist auch im Vergleich zur analytisch-empirischen Erweiterung der Gütekriterien quantitativer Sozialforschung durch OTTE et al. (2023) in der qualitativen Sozialforschung womöglich eine wissenschaftliche Revolution (KUHN 1976 [1962]) zu beobachten: Mit dem selbst erklärten Ziel, die Heterogenität nicht-standardisierter Sozialforschung zusammenfassen zu wollen, forderten STRÜBING et al. (2018; siehe auch HIRSCHAUER et al. 2019) die konventionelle methodologische Vielfalt der qualitativen Sozialforschung heraus, wie von EISEWICHT und GRENZ (2018) zusammengefasst. Unkonventionell war beim Vorgehen von STRÜBING et al. (2018) weiter, dass der Vorschlag nicht mit Blick auf Gütekriterien als Leitlinien für den Forschungsprozess, sondern begründet durch den Fördergeld- und Publikationswettbewerb erfolgte. [7]
Neu ist ebenfalls die explizite Gegeneinladung von STRÜBING et al. an quantitative Sozialforscher*innen, ihre Gütekriterienvorschläge mit Geltungsanspruch "für die qualitative Sozialforschung insgesamt" (S.85) für eine Reflexion und gegebenenfalls "Neubewertung der standardisierten Sozialforschung" (a.a.O.) zu nutzen. Das Wort "Gegeneinladung" wurde gewählt, um auf die fortdauernde Diskussion quantitativer Gütekriterien in der qualitativen Sozialforschung hinzuweisen (z.B. EISEWICHT & GRENZ 2018; GEIMER & DIAZ-BONE 2015; FLICK 2019 [2014]; REICHERTZ 2016, 2019; STEINKE 1999). Die Gegeneinladung haben SONNTAG (2023) in seiner Diskussion der qualitativen Gütekriterien für die analytisch-empirische Soziologie und OTTE et al. (2023, S.27) aufgegriffen, wobei Letztere jedoch betonten, "dass viele Alternativvorschläge [zu Gütekriterien qualitativer Forschung] den von uns als relevant erachteten, meist der quantitativen Forschung entstammenden Gütekriterien ähneln. Übergreifende Gütekriterien scheinen also gerechtfertigt, wenn sie die Besonderheiten quantitativer und qualitativer Forschung berücksichtigen" – und dem "Denkstil" (FLECK 2019 [1935], S.124) analytisch-empirischer Soziologie nicht entgegenstehen. [8]
Die in den Texten von OTTE et al. (2023) und SONNTAG (2023) nach den Bedingungen der analytisch-empirischen Soziologie hofierten US-amerikanische Tradition qualitativer Sozialforschung von KING, KEOHANE und VERBA (1994) und daran orientierte Teilanpassungen von qualitativen an quantitative Gütekriterien von STEINKE (1999) habe ich in Tabelle 1 mit einem einfachen Beispiel illustriert. Ein quantitativ-manifester Blick auf zentrale Schlagworte von Gütekriterien quantitativer Sozialforschung offenbart semantische Ähnlichkeiten in der Beschreibung von Gütekriterien qualitativer und quantitativer Sozialforschung, wovon die Häufigkeitsauszählungen der im selben Sammelband erschienenen Texte von FLICK (2019 [2014]) zu qualitativen Gütekriterien bzw. KREBS und MENOLD (2019 [2014]) zu quantitativen Gütekriterien in Tabelle 1 zeugen.
|
FLICK |
KREBS und MENOLD |
|
Objektivität |
10 |
10 |
|
Reliabilität bzw. reliability |
9 |
24 |
|
+ |
Reliabel |
1 |
2 |
+ |
Reliabilitätsschätzung |
- |
5 |
+ |
Reliabilitätskoeffizienten |
- |
3 |
+ |
Reliabilitätsbestimmung |
- |
2 |
Validität bzw. validity |
13 |
54 |
|
+ |
Validierung |
24 |
3 |
+ |
Valide(s) |
2 |
5 |
+ |
Validitätsprüfung |
2 |
- |
Tabelle 1: Häufigkeitsvergleich der Nennung der drei klassischen Gütekriterien quantitativer Sozialforschung in den Beiträgen von FLICK (2019 [2014]) und KREBS und MENOLD (2019 [2014]) [9]
2.2 Verstehende Analyse der Gütekriterien qualitativer und quantitativer Sozialforschung und der Gütekriterienvorschläge von STRÜBING et al. (2018)
Grundsätzlich weisen Gütekriterien qualitativer und quantitativer Sozialforschung jedoch substanzielle epistemologische und methodologische Unterschiede auf. Um den Anspruch des Vorschlags von STRÜBING et al. (2018) empirisch-verstehend untersuchen zu können, habe ich zwei Lexikontexte zu Gütekriterien qualitativer und quantitativer Sozialforschung zum Vergleich herangezogen. Zwecks Vergleichbarkeit (z.B. EBBINGHAUS 2005; SMELSER 2003) wurden die Vorschläge von STRÜBING et al. (2018) von mir zu einem lexikonähnlichen Beitrag umgewandelt. Die empirische Grundlage für die vergleichende Verstehensanalyse des Gütekriterienvorschlags von STRÜBING et al. bilden die Lexikoneinträge "Gütekriterien der qualitativen Sozialforschung" (GEIMER & DIAZ-BONE 2015) und "Gütekriterien der quantitativen Sozialforschung" (DIAZ-BONE 2015). Die beiden Lexikontexte sind relativ singulär, bestechen durch eine knappe Übersicht und relativ überzeitliche Darstellung von Inhalten, also die Konzentration auf das Wesentliche zwecks Überblick. Der Text von DIAZ-BONE zu quantitativen Gütekriterien enthält im Kern alle Merkmale des ausführlicheren Übersichtsartikels von KREBS und MENOLD (2019 [2014], 13 Seiten exklusive Literatur) und teilweise Hinweise auf Spezialprobleme (z.B. Total Survey Error; DIAZ-BONE 2015, S.169). GEIMER und DIAZ-BONE (2015) erfassten in ihrem Text zentrale Merkmale der Gütekriterien der qualitativen Sozialforschung, welche z.B. ausführlicher im Beitrag von FLICK (2019 [2014], 12 Seiten exklusive Literatur) dargestellt wurden. Selbstverständlich kann von einem fokussierten Lexikontext nicht erwartet werden, dass sämtliche Kriterien und Details der heterogenen qualitativen Erhebungsmethoden zusammengefasst wurden. Dazu benötigten beispielsweise EISEWICHT und GRENZ (2018) in ihrer Replik auf die Gütekriterien von STRÜBING et al. (2018) einen ca. 80.000 Zeichen langen Beitrag plus Anhang. [10]
Weiter sind die Lexikoneinträge von DIAZ-BONE (2015) und GEIMER und DIAZ-BONE (2015) einzigartig in der deutschen sozialwissenschaftlichen Methodenliteratur, da die Übersichten zu Gütekriterien einen vergleichbaren Aufbau der Inhaltspräsentation im Lexikontext aufweisen. Gute, jedoch schwer vergleichbare Darstellungsformen zu Gütekriterien bietet beispielsweise das Lehrbuch "Forschungsmethoden in Psychologie und Sozialwissenschaften", in welchem HUSSY et al. (2020 [2009], S.276-284) die Gütekriterien qualitativer Sozialforschung auf etwa acht Seiten präsentierten. Die Gütekriterien quantitativer Sozialforschung integrierten HUSSY et al. jedoch in die Erklärungen zu Forschung bzw. zum Forschungsprozess an verschiedenen Stellen in den Abschnitten 2-4. Einzelne quantitative Test (z.B. Validierung durch statistische Signifikanztests; S.179-181) wurden teilweise fokussiert dargelegt. Das Beispiel HUSSY et al. ist nicht als Kritik zu verstehen, sondern belegt die Einschränkungen bei der Textauswahl für den Vergleich von Gütekriterien empirischer Sozialforschung. [11]
Die Relevanz der folgenden deduktiv-qualitativen Inhaltsanalyse liegt in dem vertieften, von den WO geleiteten Verstehen latenter Inhalte (z.B. BOHNSACK 2005; LAMNEK & KRELL 2016 [1988]; REICHERTZ 2016). So mag die begründet von mir gewählte empirische Basis der Untersuchung als dünn oder eingeschränkt erscheinen, jedoch enthalten die ausgewählten Lexikontexte alle wesentlichen Merkmale von Gütekriterien qualitativer und quantitativer Sozialforschung. Folglich bewerte ich die beiden Texte für den hier verfolgten Erkenntnisgewinn relevant und ausreichend. Selbstverständlich ist der Umfang von Lexikontexten eher eingeschränkt, wobei ich anmerken möchte, dass mehr Text, beispielsweise in Form von Methodenlehrbüchern, nicht grundsätzlich mehr Erkenntnisse zur Beantwortung der Forschungsfrage bringen würde. Aus meiner Sicht überwiegt das methodische Kriterium der Vergleichbarkeit (EBBINGHAUS 2005; SMELSER 2003) die Limitation des Umfangs der Lexikontexte. [12]
3. Methodisch-theoretische Herangehensweise der Analyse
Die pluralen WO mitsamt Kategorien formen einen Rahmen zum empirischen Verstehen von Konventionen als kulturell etablierte Koordinationslogiken von individuellen und kollektiven Akteur*innen (BOLTANSKI & THÉVENOT 1999, 2000, 2014 [1991]). Legitime Konflikt- und Rechtfertigungsordnungen werden im WO-Analyserahmen idealtypisch abgebildet. Die WO als Sozialordnungen ermöglichen mir eine vergleichende konfliktsoziologische Perspektive auf die dynamische Gütekriteriendiskussion in der (Methoden-)Soziologie einzunehmen und qualitativ verstehen zu können. Die Explikation sozialer Gemeinsamkeitsrepräsentationen von Werten (values), deren Bewerten (evaluation) und In-Wert-Setzen (valorization) (HEINICH 2020a; MAU 2018; VATIN 2013) erlauben mir somit, die konstruierten handlungsleitenden Normen von Strukturen der Güte bzw. Qualität empirischer Sozialforschung als Selbstrechtfertigung der Forscher*innen anhand der Semantik ihrer Selbstthematisierung herauszuarbeiten. Theoretisch in der politischen Philosophie verortet, bietet der WO-Rahmen idealtypische, das heißt, intersubjektiv nachvollziehbare Konventionen mit Fokus auf jeweils höherstehende Wertprinzipien (z.B. Gleichheit, Kreativität und (technische) Effizienz), durch welche das unpersönliche Prinzip jeder WO definiert wird. Auf die pluralen Wertprinzipien wie Effizienz, kollektives Interesse, Kreativität, Preis und Kosten, Umweltfreundlichkeit usw. können sich individuelle und kollektive Akteur*innen zur legitimen Äußerung von Kritik und Rechtfertigung von Unterschieden in einer Situation zur friedlichen Beilegung von Konflikten berufen (BOLTANSKI 2012 [2009]; BOLTANSKI & THÉVENOT 2014 [1991]) – im Wissenschaftssystem beispielsweise im Konflikt bzw. zur Rechtfertigung kognitiv-sozialer Belohnung (z.B. von Forschungsfördergeld, Publikationen und Reputation; BOURDIEU 1975; GINGRAS 2021; HIRSCHAUER et al. 2019; MERTON 1968, 1988, 1993 [1942]; MITROFF 1974). [13]
Mit der im Beitrag erfolgten Anwendung des WO-Analyserahmens für die Untersuchung von sozialwissenschaftlichen Gütekriterien betrete ich Neuland. Der deduktive Fokus auf das Verstehenwollen von bestimmten Begriffen, also impliziter grammatikbasierter Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Gütekriterien qualitativer und quantitativer Sozialforschung, ermöglicht mir deren Repräsentationssysteme explizit verständlich zu machen (HEINICH 2020b, S.224). Die WO wurden sowohl für soziolinguistische bzw. grammatikalische Analysen – beispielsweise von Zeitungsdiskursen (PATRIOTTA, GOND & SCHULTZ 2011) und Akkreditierungsrichtlinien (SCHNEIJDERBERG & STEINHARDT 2019) – als auch untersuchungsleitend durch FOURCADE (2011), NECKEL, CZINGON und LENZ (2018) und andere (z.B. Beiträge in LAMONT & THÉVENOT 2000) genutzt. Durch die genannten Beiträge wird verdeutlicht, dass der methodisch-theoretisch abstrahierte WO-Analyserahmen nicht nur mit Bezug zum Entstehungsland Frankreich, sondern in westlich-liberalen Gesellschaftsformen nützlich ist. Das sozialtheoretisch-analytische Potenzial der WO für die Erfassung empirischer Makro-Mikro-Zusammenhänge in sich verändernden Situationen liegt in der idealtypischen und theoriebasierten Konstruktion der WO, wie beispielsweise BLOKKER (2010), HEINICH (2020a, 2020b), LAMONT (2012) und NECKEL et al. (2018) betonten. [14]
3.1 Analytischer Rahmen der Wertordnungen
Die Kategorien für meine deduktiv-qualitative Untersuchung basieren auf dem WO-Analyserahmen von BOLTANSKI und THÉVENOT (2014 [1991]). Als Idealtypen von Sozialordnungen unterstützen die WO "to uncover the common requirements shared by all orders and to account for a variety of modes of acting that may qualify for public legitimacy" (THÉVENOT, MOODY & LAFAYE 2000, S.239). Dabei ist der WO-Analyserahmen nach SUSEN (2017, S.358-359) sowohl "context-dependent" (d.h., abhängig von einer spezifischen Raumzeit) als auch "context-transcendent" (d.h., WO als allgemeine Referenzpunkte) verwendbar. Er basiert auf einer axiologischen, methodisch-theoretischen Konstruktionslogik (BLOKKER 2010; BOLTANSKI 2012 [2009]; BOLTANSKI & THÉVENOT 1999, 2014 [1991]; HEINICH 2020a, 2020b)5), durch welche drei Bedingungen vorgegeben werden: nichtdiskriminierende Subjektunterschiede (states of humans), die diverse Verfasstheit der menschlichen Sozialordnung (states of human order) und eine von einer politischen Sozialökonomie geprägte Sozialordnung (government modes of political socioeconomy) (BOLTANSKI & THÉVENOT 2014 [1991], S.108-114; SCHNEIJDERBERG 2022, S.304-305). [15]
Im Kern werden die Sozialordnungen durch den WO-Analyserahmen abgebildet (BOLTANSKI, 2012, S.98-99), durch den der "first fine-grained, multi-layered and systematic sociological account of the role of justificatory practices in human life forms" (SUSEN, 2017, S.352) angeboten wird. BOLTANSKI und THÉVENOT (2014 [1991]) betonten die Einheit von Theorie und Methode des WO-Analyserahmens. Jede WO weist eine theoretische Fundierung in einer klassischen Schrift zum Gemeinwesen in der politischen Philosophie/Theorie aus: häusliche WO (S.130-141), industrielle WO (S.167-175), inspirierte WO (S.120-129), Markt-WO (S.68-92), öffentliche WO (S.141-153), sozialistische WO (SCHNEIJDERBERG 2022, S.299-305) und staatsbürgerliche WO (BOLTANSKI & THÉVENOT 2014 [1991], S.153-167).6) Für die vorliegende qualitativ-deduktive Untersuchung der Gütekriterien empirischer Sozialforschung sind die grüne, Markt-, netzwerk-/projektbasierte, sozialistische und staatsbürgerliche WO nicht nützlich. Meine rudimentären Kodierungen von grammatikalischen WO Ausprägungen der genannten WO trug nicht zum empirisch robusten qualitativen Verstehen der Gütekriterien empirischer Sozialforschung bei, weshalb ich sie nicht weiter ausführe. [16]
Bereits im Namen der industriellen WO ist die formale Seite der Sozialwelt durch Standardisierung und Organisation verankert. Durch die industrielle WO wird das technisch effiziente Funktionieren (Evaluationsmodus) von ausgebildeten Expert*innen (relevante Subjekte) erfasst, deren Zuverlässigkeit und Planbarkeit (Test) über messbare Kriterien und statistische Belege nachvollziehbar gemacht werden kann. Die häusliche WO repräsentiert die traditionelle, auf persönlichen Beziehungen beruhende Welt (z.B. von Familie und mit hierarchischen Positionen wie Professor*innen). Zentrale Merkmale der häuslichen WO sind die Vertrauenswürdigkeit (Kategorie: Test), das Ansehen und die Reputation (Evaluationsmodi) einer Person. Zur Verdeutlichung, was die häusliche WO in der Wissenschaft bedeutet, verwiesen BOLTANSKI und THÉVENOT (2014 [1991], S.319) auf die "Mandarin"-Tradition, die auch von RINGER (1990 [1969]) in "The Decline of the German Mandarins" für den Zeitraum 1890-1933 thematisiert wurde. RINGER definierte die deutsche Professor*innenschaft analog zu den gebildeten chinesischen Beamt*innen als "a social and cultural elite which owes its status primarily to educational qualifications, rather than to hereditary rights or wealth" (S.5). Mit Verweis auf den methaphorischen Gebrauch des Mandarinbegriffs (siehe auch RINGER 1986) betonte HABERMAS (1971, S.422): RINGER
"uses the term [German mandarins] to refer to the professors of the old-style university [...]. The term is certainly not inappropriate to describe the self-image of the culturally aristocratic exponents of a humanistic tradition formed in the German Gymnasia and philosophical faculties." [17]
HABERMAS fuhr fort, indem er klarstellte, dass tragischerweise das retardierende Moment auch die deutsche Nachkriegszeit prägte:
"Thus, Professor Ringer's time-perspective which leads to 1933 is somewhat out of focus; the world which Professor Ringer believes disappeared in 1933 was in fact still in existence and taken for granted when I was a student in the early 1950s. Of course, he does not see it in the same light as do we who have since separated ourselves from the traditions of our teachers" (S.423). [18]
Die heute noch vorherrschende traditionelle hierarchische Statusorganisation insbesondere von Universitäten wird besonders deutlich in der Stellung von Professor*innen, welche ihre "kleinen Fürstentümer" (PARIS 2001, S.206) im Universitätsbetrieb und damit "die eigene Autonomie" (STEINHARDT 2015, S.190) zu wahren suchen. Die häuslich-traditionelle, auf Reputation und Status aufbauende Hochschulorganisation kommt auch in den Personalkategorien zum Ausdruck, welche Professor*innen von wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen absetzen. Intuitiver verständlich als die häusliche WO ist die inspirierte WO, mit der die Welt der Kunst und der Innovationen erfasst wird. Kennzeichnend für die inspirierte WO sind leidenschaftliche, kreative Subjekte und (emotional) anregende Objekte, welche das Einzigartige repräsentierend enthusiastisch evaluiert werden. Im pluralen WO-Analyserahmen ist die inspirierte WO nicht gleichzusetzen mit der öffentlichen WO bzw. der Welt des Ruhms. In der öffentlichen WO werden abstrahierte Zeichen und Symbole (Objekte) des öffentlichen Ansehens evaluiert, beispielsweise von durch Publikum und in Medien (Test) wiedererkennbaren Berühmtheiten (Subjekte). [19]
3.2 Kategorien zum expliziten Verstehen von impliziten Wertordnungen
BOLTANSKI und THÉVENOT (1999, S.368) und THÉVENOT et al. (2000, S.241) konstruierten mit den pluralen WO einen WO-Analyserahmen entlang von sieben Kategorien: Evaluationsmodus (Wert), Test, Form relevanter Belege, qualifizierte Objekte, qualifizierte Subjekte, Zeit-Gestaltung und Raum-Gestaltung. Die sieben Kategorien leiten die hier vorliegende qualitative Inhaltsanalyse an. Dazu verwendete ich die von BOLTANSKI und THÉVENOT (2014 [1991], S.222-447) eng an Sprache gekoppelten empirischen Ausprägungen einer WO als WO-Grammatik in meiner Untersuchung. Um die Grammatikbasiertheit der Konventionen, also deren impliziten Koordinationswert, als explizite Kriterienausprägungen hervorzuheben, wird von mir im Folgenden die Kategorienausprägungen einer WO durch einfache Anführungszeichen kenntlich gemacht. So wird im Text explizit, dass beispielsweise Teile der Semantik von Gütekriterien empirischer Sozialforschung als qualifizierte Objekte der industriellen WO zugeordnet werden, welche 'Verlässlichkeit' (Test) anhand wissenschaftlicher Methodenanwendung erzeugen sollten (inklusive kriteriengeleiteten 'Forschungstechniken' und '-prozessen', unabhängig vom jeweiligen Standardisierungsgrad einer Methode). Gemäß den Kategorienausprägungen des WO-Analyserahmen sollten Gütekriterien ein 'kriteriengeleitetes', von der industriellen WO abgestütztes, 'formalisiertes' Maß an sozial-kognitiver 'Effizienz' bieten. Beispielsweise ermöglichen quantitative Gütekriterien statistische Tests zum 'technisch effizienten' Überprüfen und Bewerten von 'Forschungskompetenz' durch 'Expert*innen' bzw. Peers (z.B. in Publikationen). [20]
Selbstverständlich wurden die WO-spezifischen Grammatikausprägungen (d.h. der Sprache implizite Bedeutungen) nicht für die Analyse von Gütekriterien empirischer Sozialforschung erstellt. Für die fokussierte deduktive Analyse habe ich jedoch bewusst auf die induktive Ergänzung des Kategoriensystems verzichtet (siehe auch GRANEHEIM, LINDGREN & LUNDMAN 2017). Statt der hier angestrebten deduktiv-distanzierten Fokussierung würde ein höherer induktiver Detaillierungsgrad die Komplexität der vorliegenden Analyse sowie die Gefahr meines Einmischens – als Werter von Bewertendem – erheblich steigern. Wie im Anhang in den Tabellen A1, A4, A6 und A9 dargestellt, ermöglichen die von mir aus den 225 Textseiten (BOLTANSKI & THÉVENOT 2014 [1991], S.222-447) extrahierten Kategorien ein systematisches Verstehen der Konventionen als latente Inhalte von Gütekriterien qualitativer und quantitativer Sozialforschung. Die strikt-deduktive Kategorienverwendung in der vorgelegten Untersuchung belegt die Anwendbarkeit des WO-Analyserahmens als "context-transcendent" (SUSEN 2017, S.358-359). Das folgende deduktiv-distanzierte Kodieren erfolgte durch eine transparente und relativ starre, das heißt, idealtypische Konventionenanwendung – wohl wissend, dass WO-basierte Konventionen nicht starr sind, sondern kontextgebunden einer gewissen Flexibilität und situativen Konstruktionslogiken unterliegen (DIAZ-BONE 2018 [2015]; HEINICH 2020b; HONNETH 2010). Wie die Empirie in den Dokumenten stehen folglich die für das deduktive Kodieren angewandten Schlagworte der WO für einen Kern von institutionalisierten sozialen Strukturen, welche rechtfertigend (re-)produziert und gegebenenfalls aufgrund von Kritik in der Vergangenheit modifiziert wurden. Mit der Vorgehensweise bei Kodierungen bereite ich die vergleichende, kategoriengeleitete Diskussion der kognitiven und sozialen Konventionen der qualitativen und quantitativen Gütekriterien sowie des Gütekriterienvorschlags von STRÜBING et al. (2018) vor. [21]
3.3 Vorgehen bei der Konventionenanalyse
Die WO-geleitete Untersuchung der Konventionen in den Texten von DIAZ-BONE (2015), GEIMER und DIAZ-BONE (2015) und STRÜBING et al (2018) rechne ich der Dokumenten- bzw. qualitativen Inhaltsanalyse zu (z.B. SCHNEIJDERBERG, WIECZOREK et al. 2022; WOLFF 2000). In der deduktiv-qualitativen Inhaltsanalyse habe ich das Kategoriensystem der grammatikalischen Repräsentationen der WO als Schlagworte zur Identifikation der WO angewandt, wie in Abschnitt 3.2 dargelegt. Im Anhang in Tabelle A4 wurden die von mir extrahierten 60 Schlagworte (z.B. "Gewohnheiten," "informelle Praktiken," "häusliche Territorien" und "lokale Privilegien" (BOLTANSKI & THÉVENOT 2014 [1991], S.360) der häuslichen WO zusammengefasst. Die industrielle WO wird über 52 Schlagworte (Tabelle A1), die inspirierte WO über 27 Schlagworte (Tabelle A6) und die öffentliche WO über 31 Schlagworte (Tabelle A8) erfassbar. Weiter möchte ich anmerken, dass von den Schlagworten nur ein Teil in der empirischen Analyse angewandt werden konnte, beispielsweise 17 der 52 Schlagworte der industriellen WO (Tabelle A1) und 26 der 60 Schlagworte der häuslichen WO (Tabelle A4). Wie ich in den kodierten Texten in Tabellen A1, A4 und A7 transparent mache, konnten alle relevanten grammatikalischen Ausprägungen der Gütekriterien empirischer Sozialforschung mit den Schlagworten erfasst werden. [22]
Bei der Konventionenanalyse habe ich die Schlagworte den sieben WO-Kategorien Evaluationsmodus (Wert), Test, Form relevanter Belege, qualifizierte Objekte, qualifizierte Subjekte, Zeit-Gestaltung und Raum-Gestaltung als Unterkategorien zugeordnet. Ein Beispiel für die Oberkategorie industrielle WO ist die Zuordnung der Schlageworte "Expert*in," "Mandarin" und "Spezialist*in" (DIAZ-BONE 2015, S.169; Tabelle A1) zur Unterkategorie qualifizierte Subjekte. Gemäß Unterkategorie qualifizierte Subjekte der Oberkategorie industrielle WO habe ich die messende Person damit explizit eingeordnet und qualitativ als solche Person verstanden, die verlässlich (Test) nach bestimmten messbaren Aspekten und Kriterien (Form relevanter Belege) den Forschungsprozess gemäß gütekriteriendefinierten Verfahrensaspekten quasi industriell routiniert plant und durchführt, wobei die Person sowohl die Erhebungsinstrumente als auch Messergebnisse validiert. [23]
Beim deduktiven Kodieren von beispielsweise 'Daten' stimmte das Schlagwort der industriellen WO (gelb hinterlegt) mit der Alltagssprache überein. Die häusliche WO ist blau/türkis hinterlegt kodiert. Aufgrund der Eigentümlichkeiten der deutschen Sprache, Komposita (= zusammengesetzte Worte) zu bilden, mussten auch grammatikalische Doppelungen erfasst werden. Falls geboten habe ich Doppelkodierungen für Komposita vergeben. Beispielsweise weisen die so vorgenommenen Kodierungen von Komposita (z.B. Gütekriterien) stets die WO-Zugehörigkeit aus, ebenso bei sinnverbundenen Wörtern (z.B. messende Person). [24]
Eine Ordnung der Kodes der Konventionenanalyse entlang der WO-Kategorien (Tabelle A3) erwies sich für die Beantwortung der Forschungsfrage – "für welche Konventionen stehen die Gütekriterien empirischer Sozialforschung?" – als ungünstiges Ordnungsprinzip. Günstig für ihre Beantwortung erwies sich meine Erstellung von themenorientierten Kodegruppen. Konstitutiv hierfür waren die Schlagworte der Oberkategorien. Diese Kodegruppen konnten überwiegend nur sehr umständlich benannt werden, weshalb ich sie in den Tabellen A2, A5 und A8 nummeriert und durch Balken getrennt dargestellt habe. Eine Ausnahme wäre beispielsweise Kodegruppe 5 in Tabelle A2, welche aufgrund der Schlagworte 'Daten' der Oberkategorie industrielle WO mit der Textgrammatik 'Daten' (z.B. numerische Daten, erhaltene Daten und Daten aus Auswahlen (Stichproben) und der Unterkategorie "Form relevanter Belege" übereinstimmte. [25]
Die Kategorien 'Daten' und 'Erhebungen' wurden als Kodes im empirischen Text für eine "messende Person", welche "mit standardisierten Methoden numerische Daten erhebt und analysiert" (DIAZ-BONE 2015, S.169), vergeben. Im Gegensatz zu eindeutigen WO-Kodierungen von Komposita (z.B. Gütekriterien) kann bei Analysen, Aussagen usw. keine eindeutige Zuordnung von Wortteilen zur häuslichen und industriellen WO erfolgen. Folglich wurden im Text und in Tabelle A1 nicht-industrialisierbare subjektive Leistungen als von blau/türkis gerahmte, gelb hinterlegte Buchstaben ohne eigenen Sinn hervorgehoben. Auch beim Kodieren subjektiver Leistungen wie Schlüssen und Erklärungen ergänzte die häusliche WO durch die Autorität und (wissenschaftliche) Befugnis sowie das 'Ansehen' und die 'Reputation' (Evaluationsmodus [Wert]) die Subjektkategorie der industriellen WO (Expert*in, Mandarin und Spezialist*in), welche die 'Vertrauenswürdigkeit' (Test) von Erklärungen, Interpretationen und Schlüssen auch in der quantitativen Sozialforschung unterstütze. Interpretation(en) wurde grün hinterlegt kodiert, um Sozialwissenschaftler*innen als die häusliche und industrielle WO ergänzende 'kreativen Wesen' (Subjekt inspirierte WO) hervorzuheben. Durch Schlagworte wie "Distanzieren" von Daten, "auftauchende Inspiration" und "leidenschaftlich" Arbeiten (BOLTANSKI & THÉVENOT 2014 [1991], S.319, S.349, S.408) wurde beispielsweise die Argumentation von BAUR und KNOBLAUCH (2018) und KNOBLAUCH, BAUR, TRAUE und AKREMI (2018) zur Interpretativität empirischer Sozialforschung betont. [26]
Aufgrund des Fokus bei quantitativen Gütekriterien auf den Erhebungs- oder Messprozess wurde 'analysiert' nicht in Kodegruppe 5 abgebildet (z.B. als industrielle 'Expert*in'), sondern in Kodegruppe 8a, da die Anerkennung einer sozialwissenschaftlichen Analyse auch von der ‘Reputation‘ (häusliche WO) des Subjekts abhängig ist (siehe Abschnitte 3.1, 4.1, 4.2 und 5.2). Beispielswiese wurde in den Kodierungen 'Expert*in' bzw. Mandarin (qualifizierte Subjekte) die industrielle und die häusliche WO verbunden (Tabelle A4, Kodegruppen 8a und 8b). In der häuslichen WO wurden die Mandarine als angesehene "Meister*in", "Lehrer*in" und "Autorität" (BOLTANSKI & THÉVENOT 2014 [1991], S.320, S.323, S.323) mit Status-Reputation definiert. Basierend auf der industriellen WO, das heißt als Expert*innen setzen Mandarine "die Richtlinien durch und sprechen ihren Bann über alle" (S.319), die nicht die 'formellen Normen' befolgen. Auch um Analysen durchführen zu können oder Aussagen über Resultate tätigen zu können, wurde Status-Reputation und Expert*innenwissen verbunden, weshalb ich in Kodegruppe 9 in Tabelle A4 beide WO kodiert habe. Zugehörig zum Gestaltungszusammenhang bzw. Forschungsdesign habe ich auch die Genese einer Forschungsfrage als Teil der häuslichen und industriellen WO kodiert. Wie die ('kreative') Aktivität des 'Analysierens' erfordert eine Forschungsfrage der "Rechtfertigung" (S.329) durch die*den Wissenschaftler*in, welche den Stand der Forschung, sowie den sozialen (z.B. kulturellen, ökonomischen und politischen), räumlichen und auch theoretischen Kontext berücksichtigen sollte. Zur Rechtfertigung bzw. Begründung von forschungsfragebezogenen Hypothesen und davon geleiteter Analyse sind durch die*den Sozialforscher*in selbstverständlich 'methodische', der industriellen WO zugehörige 'Prozesse' anzuwenden, beispielsweise die 'Theoretisierung' und/oder systematische Aufarbeitung des Stands der Forschung. [27]
In den Tabellen A2, A5 und A8 stelle ich für jede Kodegruppe in Spalte 1 den Bedeutungskern eines kodierten Wortes dar. Beispielsweise ist in Tabelle A2 bei Kodegruppe 1 der Wortkern 'Methode(n)', welcher sämtliche Methodenerwähnungen (z.B. standardisierte Methoden) im Text von DIAZ-BONE (2015) vereint. 'Methode(n)' wurde zweimal als Kode gemäß den Schlagworten '(formale) Methode(n)' und 'wissenschaftliche Theorie' der industriellen WO vergeben. Ein Kodegruppe wurde auch von mir konstituiert, falls die Schlagworte als Kode(s) entweder der industriellen WO oder/und der häuslichen und industriellen WO unabhängig voneinander für ein Kernwort oder Kernworte zutreffend waren. Wurde ein zusätzliches Schlagwort als Kode von mir verwendet, so habe ich eine weitere Kodegruppe konstituiert. Nach einem einfachen Schema "trifft zu" und "trifft nicht zu" habe ich die Schlagworte bzw. in wenigen Fällen sinnverbundene Aussagen für jede Kodierung überprüft. Beispielsweise ist den Kodegruppen 1 und 2 in Tabelle A2 der Kode (formale) Methode(n) gemeinsam, jedoch ist der zweite Kode unterschiedlich, in Kodegruppe 2 (technisches und) standardisiertes Objekt für die Kernworte 'Prozess' (z.B. Messprozess), 'Phase' (z.B. Erhebungsphase), Praxis (z.B. Forschungspraxis), 'Vorgehensweise(n)' und 'Folge' (z.B. Bedingungsfolge und Reihenfolge). [28]
4. Konventionenanalyse von Gütekriterien empirischer Sozialforschung
4.1 Konventionen der Gütekriterien quantitativer Sozialforschung
Meine Analyse der Lexikontexte erfolgte im Zweischritt Kodieren der Lexikontexte (Tabellen A1 und A4) und Zusammenfassen von Kodegruppen (Tabellen A2 und A5). In Tabelle A1 sind die Schlagworte der industriellen WO in der Analyse der quantitativen Sozialforschung am häufigsten vertreten (Tabelle A2, Kodegruppen 1-7). Etwas polarisierend teile ich die Kodegruppen der quantitativen Gütekriterien in Tabelle A2 in eine kognitive Prokonvention, welche hier als mechanische Konvention bezeichnet wird, und eine sozio-kognitive Kontrakonvention, die Expert*innen-Ausblenden-Konvention, ein. Die Konvention Expert*innen (so weit möglich) auszublenden begründe ich sowohl mit dem Übergewicht von sieben zu drei Kodegruppen nummerisch als auch dem grammatikalisch-semantischen Übergewicht 'methodischer,' 'standardisierter,' 'messender' usw. Erklärungen, welche in der Mechanikkonvention erfasst wurden. Qualitativ inhaltlich ist der Ausblend- bzw. Objektivitäts-, Reliabilitäts- und Validitäts- usw. Überblendvorgang in der Kodegruppe 8a (Tabelle A2) nachvollziehbar gemacht. Von Statistiksoftware generierte Resultat(e) (z.B. Messresultat) sprechen (trotz Signifikanzen) nicht für sich selbst, und auch 'Analysieren' und 'Aussagen' (z.B. Gewinnung von Aussagen) zu treffen kann nur durch Sozialforscher*innen erfolgen. Die kognitive Seite der 'Datenanalyse' (z.B. Anwendung formaler Methoden und wissenschaftlicher Theorien) ist dabei nicht unabhängig von der sozialen Seite: Von Rezipient*innen werden Resultate, 'Datenanalyse' usw. je besser, glaubhafter usw. bewertet, desto größer das 'Ansehen,' die 'Reputation' und 'Autorität' 'der Expertin/des Experten,' also des Subjekts ist. Wie Kodekategorie 8b in Tabelle A2 zu entnehmen ist, kann Autorität im Wissenschaftssystem als 'Lehrer*in' und in erzieherischer Absicht (z.B. Sozialisation im Meister*innen-Schüler*innen-Beziehung) aufgebaut werden. Interessant im Zusammenspiel von Mechanik- und Forscher*in-Ausblenden-Konvention erscheint mir der fast eigenlogisch anmutende Geltungsanspruch von Repräsentativität, das heißt, der Verallgemeinerbarkeit scheinbar nicht von Subjekten dargebotenen Deutungen und Erklärungen, gezogenen Schlüssen und Interpretationen als von 'Daten' getätigtes "social science engineering" (SAVAGE & WAITKUS 2021). [29]
Bei strikter Differenzierung der häuslichen und industriellen WO (Oberkategorien) fasse ich entlang der Unterkategorien Evaluationsmodus, Test, Form relevanter Belege, relevante Objekte und Subjekte (Tabelle A3) die Pro- und Kontrakonvention wie folgt zusammen:
Mechanikkonvention (exklusiv industrielle WO): Quantitative Sozialforschung ist eine 'technisch effiziente' (Evaluationsmodus) Datenindustrie, in der mathematisch-kontrollierte und qualifizierte Subjekte ('Expert*innen und Spezialist*innen') nach klaren Kriterien (Form relevanter Belege) 'verlässliche' (Test) Methoden (qualifizierte Objekte) anwenden.
Forscher*in-Ausblenden-Konvention (Schein-Überlagerung von häuslicher durch industrielle WO): Der Ausblendmechanismus erfolgt durch Gütekriterien quantitativer Sozialforschung als kategoriale Paare. Beim Evaluationsmodus überlagert die industrielle WO 'technisch-mathematische Effizienz' das durch die häusliche WO explizierte 'Ansehen' und die 'Reputation' von 'Expert*innen' – statt von subjektiven 'Autoritäten' (Subjekte häusliche WO) –, welche nicht gewohnheitsmäßige 'Erzählungen' (häusliche WO relevante Belegform) (re-)produzieren. Eine Verdopplung des Überlagerungsmoments entstand durch das Ausblenden der 'Vertrauenswürdigkeit' (Test häusliche WO) durch den industriellen Test von 'Kompetenz, Verlässlichkeit, und Planbarkeit' der methodisch (qualifiziertes Objekt) durchgeführten 'Messungen' (z.B. Statistiken; relevanter Beleg industrielle WO). [30]
4.2 Konventionen der Gütekriterien qualitativer Sozialforschung
Im Gegensatz zu der bei Gütekriterien der quantitativen Forschung von 'Expert*innen', Mandarinen usw. vorgenommenen Trennung von Entdeckungs-, Analyse- und Geltungszusammenhang, wird mit den Gütekriterien der qualitativen Sozialforschung den gesamten Forschungsprozess adressiert. Entsprechend wurden von mir in Tabelle A4 beispielsweise die Formulierung der Forschungsfrage (z.B. motiviert durch eine soziale Beobachtung) und der Analyseprozess empirischer Sozialforschung der industriellen, häuslichen und inspirierten WO zugeordnet (z.B. Wissenschaftler*innen als 'anerkannte' (häusliche WO) 'Expert*innen' (industrielle WO) und 'kreative' Wesen (inspirierte WO)). Folglich habe ich Forschungsfrage und Analyseprozess bzw. Analyse summativ grün hinterlegt in Tabelle A4 kodiert – auch in Ermangelung weiterer Hervorhebungsmöglichkeiten bzw. zur Vermeidung zu bunter Kodierungen. Streng genommen träfe die grün hinterlegte Kodierung von beispielsweise Analyseprozess primär für qualitativ-induktive Sozialforschung zu (z.B. Grounded-Theory-Methodologie), da bei der qualitativ-deduktiven Sozialforschung die Analyse und teilweise die Genese der Forschungsfrage theoriegeleitet erfolgt. Im Gegensatz zu Forscher*in-Ausblenden- und Mechanikkonvention der Gütekriterien quantitativer Sozialforschung folgen bei qualitativ-deduktiven Untersuchungen Deutungen, Erklärungen, Interpretationen und Schlüsse unter angemessener Berücksichtigung von Sozialforscher*innen. Die Schlagworte der inspirierten WO für das Kodieren sind in Tabelle A6 gelistet. [31]
Basierend auf der starken Verbindung von industrieller, häuslicher und inspirierter WO werden in Tabelle A5 Kodegruppe 1 die Merkmale des Forschungsdesigns abgebildet. Bei der Datenauswertung habe ich analytisch zwischen Einzelforscher*innen (Kodegruppe 2, Tabelle A5) und vor allem bei hermeneutischen Verfahren angewandten Auswertungen in Gruppen (Kodegruppe 3) unterschieden. Letztere ermöglichen eine von vorneherein organisierte intersubjektive Nachvollziehbarkeit von 'Datenanalyse' und '-interpretation,' welche bei 'Auswertungen' und 'Analyse' durch einzelne Forscher*innen und im Team insbesondere durch 'Theorieleitung' oder '-reflexion' der Ergebnisse bzw. 'Theoriegenese' aus den empirischen Erkenntnissen erreicht werden soll (Kodegruppe 4, Tabelle A5). [32]
Die Kodegruppen zum Lexikontext zu Gütekriterien qualitativer Sozialforschung erwiesen sich weniger trennscharf als die in Tabelle A2 bei der Entdeckung der Mechanikkonvention und Forscher*in-Ausblenden-Konvention in den quantitativen Gütekriterien. Die*der Sozialforscher*in wurde bei Gütekriterien qualitativer Sozialforschung als immanenter Teil des 'Forschungsprozesses' kodiert – z.B. "Dies gilt [...] für das Zusammenspiel von Erhebungsmethoden und Forschungsfragen. Erhebungs- und insbesondere Auswertungsmethoden sind allerdings an methodologische Grundlagen gekoppelt, an denen sich die Forschung orientiert" (GEIMER & DIAZ-BONE 2015, S.168). Mit Blick auf die Bewertung der Güte qualitativer Sozialforschung unterscheide ich zwei die Sozialforscher*innen betreffende Konventionen.
die Mandarin/Meister*in-Konvention, welche aufgrund von 'Ansehen' und 'erzieherischer' 'Lehrer*inrolle' insbesondere von Professor*innen (z.B. Meister*in-Schüler*in-Modell in der Promotionsphase) zutrifft und
die Expert*in/Spezialist*in-Konvention für ausgebildete Sozialforscher*innen (z.B. im Status/Anstellungsverhältnis wissenschaftliche*r Mitarbeiter*in). [33]
In der Sozialordnung der Subjekte (states of human order; BOLTANSKI & THÉVENOT 2014 [1991], S.108-110) wird die Benennung als 'Expert*in' und 'Spezialist*in' (Subjekt industrielle WO) durch 'Reputation' und 'Ansehen' (Evaluationsmodus häusliche WO) der 'Autoritäten' (Subjekt häusliche WO) ergänzt. Die 'Autorität' eines häuslich-industriell erhobenen Subjektes (z.B. im Status Professor*in) über die bloße 'Expertise' erachte ich als sehr relevant, da kein "Konsens zwischen den verschiedenen Methodologien" (GEIMER & DIAZ-BONE 2015, S.168) der qualitativen Sozialforschung existiert (siehe auch EISEWICHT & GRENZ 2018). Trotz der in Abschnitt 4.1 identifizierten Überlagerungen ist mein analoger Schluss, dass 'Autorität' der Forscher*in-Ausblenden-Konvention der quantitativen Gütekriterien immanent ist. Beispielsweise prägt die Mandarin/Meister*in-Konvention auch die Koordinationslogik des Governancestils in wissenschaftlichen Gemeinschaften und Hochschulen (government modes of political socioeconomy; BOLTANSKI & THÉVENOT 2014 [1991], S.108-110). [34]
Die Wissenschaft hierarchisierende Unterscheidung zwischen Mandarin/Meister*in-Konvention und Expert*in/Spezialist*in-Konvention aus Kodegruppe 4 wirkt auf die von mir aus den Kodegruppen 1-3 (Tabelle A5) extrahierten Angemessenheits-, Iterations- und Distanzierungs- und Entdeckungskonventionen.
Mit der Angemessenheitskonvention wird 'Vertrauenswürdigkeit' (häusliche WO Test) von individuell, in Zweierteams und Gruppen generierten Ergebnissen ebenso wie 'methodisches' (Objekt industrielle WO) und 'kompetentes' (Test industrielle WO) Vorgehen von Sozialforscher*innen expliziert. Hierbei ermöglichen qualitative, also nicht mit Zahlen messbare 'Kriterien' im Sinne der industriellen WO-Belege, die "Angemessenheit qualitativer Untersuchungsdesigns, der Nachprüfbarkeit der Erhebung und Interpretationen von Datenmaterial sowie der Validität der Resultate" (GEIMER & DIAZ-BONE 2015, S.168) nachzuvollziehen. Kernstück der Angemessenheitskonvention ist intersubjektive Nachvollziehbarkeit (analog zu Objektivität bei quantitativen Gütekriterien), das heißt, eine an den Methodologien der qualitativen Sozialforschung orientierte und von den Subjekten dargelegte Vorgehensweise zu allen Schritten im Forschungsprozess. Als Antonym zu Idiosynkrasie (Betonung der Eigenheiten der Forscher*innen) erfordert intersubjektive Nachvollziehbarkeit die Umsetzung methodologischer Regelhaftigkeit bzw. Regelmäßigkeiten und eine transparente Arbeitsweise, welche den gesamten Prozess prägen. Die Angemessenheitskonvention fordert eine für Dritte nachvollziehbare Mustererkennung des Designs, bei Entscheidungen und im Vorgehen der Forscher*innen, in der Auswertung des empirischen Materials (z.B. Ankerbeispiele, Interpretationsbezüge und Kategoriensystem) usw. Die Angemessenheitskonvention (inkl. intersubjektiver Nachvollziehbarkeit) ist eng verbunden mit der vierten impliziten Konvention der qualitativen Sozialforschung:
Durch die Iterations- und Distanzierungskonvention werden sowohl methodologisch-technische Aspekte im laufenden Forschungsprozess (z.B. Anpassung Sampling) als auch Kreativität (Evaluationsmodus inspirierte WO) adressiert, welche plausible daten- und/oder theoriegestützte Erklärungen, Deutungen, Interpretationen und das schließende Verstehen der qualitativen Bedeutung des empirischen Materials ermöglicht. Die Iterations- und Distanzierungskonvention ist im Lexikontext von GEIMER und DIAZ-BONE in fortlaufender Reflexion und Modifikation des Samplings, der Materialauswahl nach Relevanzen der Beforschten, von Sequenzanalyse, komparativer Analyse bzw. Vergleich, Bruch mit dem Common Sense, Typenbildung und Theoriegenerierung, Triangulation und Interpretationsgruppen abgebildet. [35]
Das 'kreative Wesen' (Subjekt inspirierte WO) und der 'revolutionäre, visionäre Moment' (Zeitgestaltung) in der 'enthusiastischen' (Test) Analyse der Forscher*innen wurde von GEIMER und DIAZ-BONE insbesondere durch die "abduktive Analysehaltung" (S.168) betont:
Entdeckungskonvention: Nach PEIRCE (1966, §8) ist Abduktion als eine erkenntnistheoretische Entdeckungshaltung in der Wissenschaft zu verstehen (siehe auch REICHERTZ 2013). Jenseits der Analyse- als Entdeckungshaltung ist Abduktion jedoch in der Auswertung empirischer Daten sehr schwer von induktiven Schlüssen zu unterscheiden (FRANKFURT 1958). Abduktion und Induktion (empiriebasierter Schluss vom Einzelnen auf das Allgemeine) sind jedoch gut von Deduktion (theoriegeleiteter Schluss vom Allgemeinen auf das Einzelne) abzugrenzen. Die wissenschaftstheoretisch-analytischen Unterscheidungen sind konventionenrelevant über die Repräsentationen 'auftauchende Inspiration' und 'intuitiv Arbeiten' in den Kodegruppen 1-3 in Tabelle A5. Die abduktive Entdeckungsforderung als Neuheits-'Kriterium' qualitativer Sozialforschung wird durch die Mandarin/Meister*in-Konvention positiv beeinflusst. Beispielsweise gehe ich davon aus, dass Professor*innen als Subjekten mit höherer 'Autorität' (häusliche WO) und 'Expertise' (industrielle WO) das Entdecken von Neuem eher zugestanden wird ('Kreativität,' 'Enthusiasmus' und 'Emotionsverbundenheit' von 'kreativen Wesen' der Mandarin/Meister*in-Konvention). Hingegen ist bei Nicht-Professor*innen die Entdeckungskonvention und Iterations- und Distanzierungskonvention gemäß der Expert*in/Spezialist*in-Konvention stärker an die Angemessenheitskonvention gebunden. Die Entdeckungskonvention ist nicht kompatibel mit der Mechanik- und Forscher*innen-Ausblenden-Konventionen der quantitativen Sozialforschung, denn Entdeckungen werden von Sozialforscher*innen gemacht und machen sich nicht (von) selbst. [36]
Mit dem durch die idealtypische WO geleiteten Problematisieren der Konventionen in diesem Absatz greife ich ein wenig der Diskussion der Ergebnisse in Abschnitt 5 vor. Die vergleichende Diskussion erachte ich jedoch als relevant für das Verständnis der Konventionen und die Verdeutlichung der Verzahnung der impliziten Konventionen der qualitativen Sozialforschung, insbesondere der Entdeckungskonvention im Vergleich zu "Originalität" im Gütekriterienvorschlag von STRÜBING et al. (2018, S.95), der in Abschnitt 4.3 analysiert wird. [37]
4.3 Konventionen des Gütekriterienvorschlags von STRÜBING et al. (2018)
Für die vergleichende Analyse habe ich die von STRÜBING et al. vorgeschlagenen fünf Gütekriterien qualitativer Sozialforschung in eine lexikonähnliche Zusammenfassung transformiert und in den Spalten den WO zugeordnet (Tabelle A7). Durch die WO-Zuordnung betone ich die enge Verbindung von Sprache und WO-Grammatiken. Wie für die Gütekriterien qualitativer (Tabelle A5) und quantitativer Sozialforschung (Tabelle A2) habe ich den Text reduziert und nach Kodegruppen für die Konventionenanalyse geordnet (Tabelle A8). Für die Zusammenfassung in Tabelle A7 wird die Struktur der Darstellung samt Nummerierung der Charakteristika der Gütekriterienvorschläge "Gegenstandsangemessenheit," "empirische Sättigung," "theoretische Durchdringung," "textuelle Performanz" und "Originalität" der Forschung von STRÜBING et al. (S.83) übernommen und teilweise durch dazugehörig bewertete Informationen (gekennzeichnet durch die Nummer Null, z.B. bei "theoretischer Durchdringung") durch mich ergänzt. Sofern möglich, wurden zentrale Zitate von STRÜBING et al. übernommen, um die WO-Kodierungen (blau/türkis hinterlegt = häusliche WO, gelb hinterlegt = industrielle WO und nur unterstrichen = öffentliche WO) der Worte des Gütekriterienvorschlags in Tabelle A7 vorzunehmen. [38]
In der Textzusammenfassung des Gütekriterienvorschlags von STRÜBING et al. (Tabelle A7) und in der Textreduktion auf den Bedeutungskern in den Kodegruppen (Tabelle A8) ist wie bei den Gütekriterien der qualitativen Sozialforschung (Tabelle A5) die durchgängige Parallelität der Sozialordnungen der häuslichen und industriellen WO beobachtbar. Die Kodierungen des Gütekriterienvorschlags von STRÜBING et al. unterscheiden sich von den Kodierungen der Gütekriterien qualitativer Sozialforschung durch die Präsenz von Schlagworten der öffentlichen WO und der Absenz von Kodes der inspirierten WO. Daraus folgere ich eine höhere Abstrahierung bzw. Standardisierung des Gütekriterienvorschlags, womit es gemäß WO-Konventionenanalyse STRÜBING et al. gelang, übergreifende Kriterien "gelungener qualitativer Forschung zu formulieren", bei welchen außen vorsteht, "ob diese Forschung sozialwissenschaftlich-hermeneutisch oder dokumentarisch-methodisch vorgeht, ob sie sich in der Grounded Theory oder in der Konversationsanalyse verortet, ob sie narrations- oder diskursanalytisch argumentiert" (S.85). Weder die öffentliche WO noch die durchgehende Parallelität von häuslicher und industrieller WO ist in den Kodegruppen der Gütekriterien quantitativer Sozialforschung (Tabelle A2) anzutreffen. [39]
Wurde die in den Gütekriterien der quantitativen Sozialforschung sehr spezielle Trennung von Entdeckungs- und Analysezusammenhang vom Geltungs- bzw. Messzusammenhang mit der Forscher*in-Ausblenden-Konvention erfasst, so scheint ein "reduzierter Methodenbegriff" und "kein anything goes" (S.87) ein ebenso spezielles Weniger ohne Beliebigkeit anzudeuten. Die geringe Anzahl an Schlagworten der häuslichen und industriellen WO in Kodegruppe 1 (Tabelle A8) erachte ich als nicht sehr aussagekräftig bzw. diese sind Kern vieler Kodegruppen. Die von mir Methodenbegriffskonvention benannte Konvention werde ich in Abschnitt 5.2 weiterdiskutieren. Hingegen müssen für die Kodegruppen 2 und 3 keine neuen Konventionen abgeleitet werden, vielmehr übernehme ich die vier Konventionen der qualitativen Sozialforschung Mandarin/Meister*in-Konvention, Expert*in/Spezialist*in-Konvention, Angemessenheitskonvention (inkl. intersubjektiver Nachvollziehbarkeit), Iterations- und Distanzierungskonvention und Entdeckungskonvention (siehe Abschnitt 4.2). [40]
Die Verdichtung des empirischen Materials und der Schlagworte in Kodegruppe 4 (Tabelle A8) ermöglichten mir die Unterscheidung von zwei neuen Konventionen, welche nicht dem Forschungsprozess zugehörig sind. Die Verbindung der Bewertung der niedergeschriebenen Verbreitung der (qualitativen) Sozialforschung bezeichne ich als Popularitätskonvention und die Betonung von Textperformance als Forschungslyrikkonvention.
Bei der Forschungslyrikkonvention wird insbesondere durch den Gütekriterienvorschlag "textuelle Performanz" zwecks Konstitution von Kommunikation die Logik der Darstellung über die Logik der Forschung erhoben. Zwar betonten STRÜBING et al. die Verbindung der "Logik der Forschung mit der Logik der Darstellung" (S.93) als "kompetente Leser*innenführung", zum "schriftlich Überzeugen von Leser*innen", zur "Erfüllung der Erwartungshaltung der Leser[*in]" und beim "Übersetzen zwischen Sinnwelten" (a.a.O.). Friktionen mit Blick auf die Angemessenheitskonvention (inkl. intersubjektiver Nachvollziehbarkeit) und Iterations- und Distanzierungskonvention können jedoch insbesondere bei der "Erfüllung der Erwartungshaltung der Leser[*in]" und dem "Übersetzen zwischen Sinnwelten" entstehen. Selbstverständlich hilft ein gut geschriebener Text mit rotem Faden beim Verstehen des Textinhalts. Jedoch erachte ich einen gut geschriebenen Text nicht per se als (industrielles WO-) Kriterium bzw. Indikator für die Güte oder gar eine besonders hohe Qualität von Sozialforschung. Vielmehr kann die Forschungslyrikkonvention inhaltliche Leere vernebeln, das heißt, der Entdeckungskonvention zuwiderlaufen. Im Gegenteil dazu ist mit methodologischer Güte durchgeführte Sozialforschung auch bei mäßiger und teilweise gar schlechter "textueller Performanz" (gut) erkennbar.
Wie die Forschungslyrikkonvention ist auch die Popularitätskonvention getragen durch die Kodierungen der öffentlichen WO (Tabelle A9). Die WO-Zeichentheorie hinter "textueller Performanz" bindet die 'Semiotik' (Belege) der Darstellungslogik von Sozialforschung an 'Berühmtheit' (Subjekt) und den (zu erlangenden) 'Ruhm' und das 'Ansehen' (Evaluationsmodus) aufgrund von 'Wiedererkennbarkeit' durch 'Publikum' (Test). Aufschlussreich ist die durch den Evaluationsmodus bestimmte kategoriale Verbindung von 'Ansehen' der öffentlichen und häuslichen WO, welches in der häuslichen WO durch 'Reputation' und in der öffentlichen WO durch 'Ruhm' erlangt wird. Die Popularitätskonvention und die Mandarin/Meister*in-Konvention wirken hierbei als wechselseitige Verstärker und nachteilig auf die Expert*in/Spezialist*in-Konvention. [41]
5. Diskussion der Ergebnisse und Schlussfolgerungen
5.1 Zusammenfassung der Konventionen der Gütekriterien(-vorschläge) empirischer Sozialforschung
Für die Strukturierung der Diskussion der Ergebnisse habe ich die Konventionen in Tabelle 2 zusammengefasst. Die Fragezeichen in Tabelle 2 bilden Perspektivpunkte, um im Folgenden die Konventionen empirischer Sozialforschung zu diskutieren.
|
Quantitative Sozialforschung |
Qualitative Sozialforschung |
STRÜBING et al. |
Empirische Sozialforschung |
Mechanikkonvention |
X |
- |
- |
? |
Forscher*in-Ausblenden-Konvention |
X |
- |
- |
? |
Mandarin/Meister*in-Konvention |
? |
X |
X |
? |
Expert*in/Spezialist*in-Konvention |
? |
X |
X |
? |
Angemessenheitskonvention (inkl. intersubjektiver Nachvollziehbarkeit) |
? |
X |
X |
? |
Entdeckungskonvention |
? |
X |
X |
? |
Iterations- und Distanzierungskonvention |
? |
X |
X |
? |
Methodenbegriffskonvention |
? |
? |
X |
? |
Forschungslyrikkonvention |
? |
? |
X |
? |
Popularitätskonvention |
? |
? |
X |
? |
Tabelle 2: Übersicht der zehn Konventionen von Gütekriterien qualitative und quantitativer Sozialforschung und des Gütekriterienvorschlags von STRÜBING et al. (2018) [42]
Der folgenden Diskussion sei vorausgeschickt, dass ich die Methodenkonventionen bei expliziter Anerkennung der Heterogenität von empirischer Sozialforschung diskutieren werde. Diese ist vielfältig, und es werden unterschiedliche Erkenntnisinteressen mithilfe methodisch angeleiteter qualitativer, nicht-standardisierter klein-n Untersuchungen bis zu quantitativen, standardisierten groß-n Studien verfolgt. Und sie ist dabei stets ein vom Erkenntnisinteresse und von zu untersuchenden sozialen Phänomenen geleiteter Kompromiss. Selbstverständlich sind für gute empirische Sozialforschung spezifische Kriterien hilfreich und notwendig, um den Forschungsprozess anzuleiten und transparent zu machen, inklusive der jeweiligen spezifischen Rolle von Sozialforscher*innen. In der Diskussion vermeide ich Extrempositionen wie das Ideologisieren von Tautologien als Güte bzw. Qualität (z.B. quantitative Untersuchung = Repräsentativität) und des nicht angemessenen quantitativen Ausschlusses bzw. der teilweise zu starken Betonung der Rolle von qualitativen Sozialforscher*innen im Forschungsprozess (Stichwort Reflexivität, welche STRÜBING et al. [S.87, S.88] "Gegenstandsangemessenheit" und "empirischer Sättigung" zuordneten; siehe auch BREUER & REICHERTZ 2001 sowie die Beiträge in MARGUIN et al. 2021). [43]
5.2 Diskussion der Gütekriterienvorschläge von STRÜBING et al. (2018)
Die Rechtfertigungsgestalt des Fördergeld- und Publikationswettbewerbs durch STRÜBING et al. bedeutet Gütekriterien nicht als epistemologische und methodologische Leitlinien für den Forschungsprozess, sondern von der Bewertungsperspektive her zu denken. Statt den herausfordernden Forschungsprozess zu leiten und für Dritte nachvollziehbar zu machen, verwischen insbesondere "Originalität" und "textuelle Performanz" die Grenze zu Indikatoren der Anerkennung als "metrical valorization of performance" (GÖTZE & SCHNEIJDERBERG 2022), insbesondere zu Drittmitteln, Publikationen und Zitationen (MÜNCH 2014; SCHNEIJDERBERG, GÖTZE & MÜLLER 2022). Aufgrund des (metrischen) individuellen Anerkennensbezugs unterscheide ich bei den dem Gütekriterienvorschlag von STRÜBING et al. (2018) zugeordneten Konventionen in Tabelle 2 im Folgenden zwischen primärem Subjekt- plus Textschreiben können- (Mandarin/Meister*in- bzw. Expert*in/Spezialist*in-Konvention, Forschungslyrik- und Popularitätskonvention) und Forschungsprozessbezug (Angemessenheitskonvention [inkl. intersubjektiver Nachvollziehbarkeit], Entdeckungskonvention und Iterations- und Distanzierungskonvention). Der Forschungsprozessbezug besteht bei den von STRÜBING et al. vorgeschlagenen Gütekriterien "Gegenstandsangemessenheit", "theoretische Durchdringung" und "empirische Sättigung", wobei gemäß der Entdeckungskonvention "Originalität" in und aus jedem der drei Gütekriterienvorschlägen hervortreten kann. Auf die methodologische Gütekriterieneigenständigkeit von "Originalität" ist aus meiner Analyse nicht zu schließen. STRÜBING et al. griffen bei der Definition von "Originalität" (S.95) Merkmale auf, welche in einer Publikation bei der Motivation der Forschungsfrage (z.B. basierend auf Kriterium 3.2, Tabelle A7) und im Abschnitt Stand der Forschung zu präsentieren sind. OTTE et al. (2023, S.43) inkludierten "Originalität" in den Gütekriterienvorschlägen 2 "Auseinandersetzung mit dem Forschungsstand" und 3 "Qualität der Forschungsfrage", welche der Angemessenheitskonvention (inkl. intersubjektiver Nachvollziehbarkeit) unterliegen. [44]
In der Literatur wird "Originalität" als eine wissenschaftliche Metanorm betrachtet, bei welcher auf den grundlegenden, systematischen Forschungsfortschritt rekurriert wird (z.B. HIRSCHAUER 2004; LAMONT 2009). Aufgrund der Subjektivität des Peer-Reviews beschrieb LOVITTS (2006, S.163) das Bewerten von "Originalität" als Qualität "largely unexplicated and mysterious". Ebenso zeigte LOVITTS, dass Standards zum Bewerten von "Originalität" als Qualität, wenn überhaupt, schwer begründ- und nachvollziehbar sind. In den Naturwissenschaften definierten Professor*innen die "Originalität" vorwiegend mit Blick auf Neuheit (newness, S.169). Hingegen bewerteten Gutachter*innen in den Sozialwissenschaften "Originalität" breiter "as using a new approach, method, or data, studying a new topic and doing research in an understudied area, as well as producing new theories and findings" (GUETZKOW, LAMONT & MALLARD 2004, S.191). Für die empirische Sozialforschung leite ich daraus den Schluss ab, dass nicht "Originalität", sondern die Entdeckungskonvention für verschiedene Elemente des Forschungsprozesses (z.B. Beobachtung eines neuen sozialen Phänomens, induktive und deduktive Datenanalyse und theoretische Reflexion) gilt. Die Gestalt der Entdeckungskonvention trifft den oben zitierten Autor*innen auch für quantitative Sozialforschung zu, sofern die Mechanik- und Forscher*innen-Ausblenden-Konventionen nicht für die Gütebeurteilung von Hypothesentests bzw. deren Test- und Messvorgang, Replikationsstudien usw. gültig sind. [45]
Die Stellung des Subjekts in der empirischen Sozialforschung wirft ein weiteres problematisches Schlaglicht auf "Originalität" als Gütekriterienvorschlag. Laut GUETZKOW et al. ist die Bewertung der "Originalität", das heißt einen Beitrag zum Fortschritt der Wissenschaft zu leisten, gleichzeitig eine Bewertung des moralischen Charakters von Wissenschaftler*innen sowie ihrer Authentizität und Integrität: ergo auch des 'Ruhms' und des 'Ansehens' gemäß der häuslichen und öffentlichen WO. Hierbei ist anzunehmen, dass durch die Meister*in/Mandarin-Konvention als "Matthäuseffekt" (MERTON 1968, 1988) die Zuschreibung von "Originalität" unterstützt wird, und durch die Expert*in/Spezialist*in-Konvention Hindernisse für "Originalitäts-"Zuschreibungen bei statusniedereren Sozialforscher*innen kreiert werden. Angesichts dieser Gemengelage möchte ich hinterfragen, wie in der "Praxis der Evaluation" (HIRSCHAUER et al. 2019, S.93), also in Situationen des Bewertens, "Originalität" qualitative "customary rules of fairness" (LAMONT & HUUTONIEMI 2011) für empirische Sozialforschung bieten könnte. [46]
Die vom Gütekriterienvorschlag "textuelle Performanz" von STRÜBING et al. (2018) stark geprägten Forschungslyrik- und Popularitätskonventionen wurden bereits in Abschnitt 4.3 mit Subjektbezug zur Mandarin/Meister*in-Konvention beschrieben (häusliche WO; siehe auch Abschnitt 3.1). STRÜBING et al. adressierten bei der Erklärung von "textueller Performanz" die Leser*innen, also das unterschiedliche Bereiche repräsentierende Publikum aus Wissenschaft, Politik und allgemeiner Öffentlichkeit, wobei die in Tabelle A8 abgebildeten Schlagworte der öffentlichen WO den Zusammenhang von inner- und außerwissenschaftlichem Ruhm verdeutlichen (Mandarin/Meister*in-Konvention). Als "äußerliche Zeichen von Erfolg" (BOLTANSKI & THÉVENOT 2014 [1991], S.320) weisen meine Kodierungen der öffentlichen WO zu "textueller Performanz" in Tabellen A7 und A8 diese der Forschungslyrik- und Popularitätskonventionen zu. Folglich ist "textuelle Performanz" gänzlich vom Forschungsprozess entkoppelt, jedoch an das häusliche, industrielle und öffentliche Subjekt der Sozialwissenschaftler*in gekoppelt. "Textuelle Performanz" und deren äquivalenten Niederschläge bei OTTE et al. (2023, S.44) in "1a) Präzise Sprache und klare Argumentation," "3a) Präzise Formulierung," "4a) Klare Definition von Konzepten" und "11. Darstellungsqualität der Publikation" verleiten mich zur Wiederholung der von HABERMAS (1971, S.423) gemachten Feststellung, es sei "certainly not inappropriate to describe the self-image of the culturally aristocratic exponents of a humanistic tradition formed in the German Gymnasia and philosophical faculties" als Mandarine – auch in der zweiten und dritten Dekade des 21. Jahrhunderts. Wie bereits in Abschnitt 4.3 betont: Ein gut geschriebener Text mit rotem Faden hilft beim Verstehen des Textinhalts. Eine zu originelle "textuelle Performanz" birgt jedoch sogar die Gefahr, inhaltliche Leere und damit keinen Beitrag zum wissenschaftlichen Fortschritt zu überdecken. Entsprechend interpretiere ich die (qualitativen) Forschungslyrik- und Popularititätskonventionen als auf einer Stufe mit den Mechanik- und Forscher*in-Ausblenden-Konventionen der Gütekriterien der quantitativen Sozialforschung stehend. [47]
5.3 Die Rolle von empirischen Sozialforscher*innen im Forschungsprozess
Wie in Abschnitt 4.1 dargelegt, wurde bei den Gütekriterien quantitativer Sozialforschung die der Forscher*in-Ausblenden-Konvention inhärente 'technische Effizienz' (Evaluationsmodus industrielle WO) dadurch durchbrochen, dass in Kodegruppe 8b erfasste qualifizierte Subjekte (z.B. Expert*innen) die Messoperationen durchführen und aufgrund der kognitiven und sozialen Eigenschaften des akademischen Feldes (z.B. BOURDIEU 1975; KNORR-CETINA 2002 [1999]) ihre 'Autorität' (Subjekte häusliche WO) bzw. ihr 'Ansehen' (Evaluationsmodus) mitbewertet wird. Trotz expliziter Auslassung von Sozialforscher*innen kommen implizit Kategorien der industriellen und häuslichen WO bei der (deskriptiven und diskursiven) Analyse der Ergebnisse und noch mehr bei der Erklärung der Güte bzw. der Qualität der quantitativen Ergebnisse zum Tragen (Kodegruppen 8a und 9). Wie in Abschnitt 5.2 diskutiert, ist Bewerten aufgrund der Verbindung von kognitiver und sozialer Dimension von Wissenschaft nie frei von 'Vertrauenswürdigkeit' (häusliche WO) und 'Reputation' bzw. 'Ansehen' (häusliche und öffentliche WO). In Wechselwirkung mit der öffentlichen WO verstärkt bzw. vermindert die häusliche WO das traditionelle 'Ansehen', welches auf 'persönlichen Beziehungen' beruht, beispielweise dem Status von Professor*innen in der Fachgemeinschaft (Mandarin/Meister*in-Konvention). [48]
Im Gegensatz zu den klassischen quantitativen Gütekriterien erscheinen die elf Gütekriterien der analytisch-empirischen Soziologie von OTTE et al. (2023, S.43) auf den ersten Blick deutlich weniger industriell. Jedoch wurden Sozialforscher*innen indirekt über die Fragen "Wie gut ..." (Gütekriterienvorschläge [GKV] 2 und 6), "Wie präzise ..." (GKV 3), "Wie klar ..." (GKV 4), "Wie erklärungskräftig ..." (GKV 5) oder "Wie gründlich ..." (GKV 19) in den Forschungsprozess inkludiert. Direkter vertrat beispielsweise GADENNE (2004, S.46) im Bekenntnis zur normativen Wissenschaftstheorie den Standpunkt: "[i]n allen empirischen Wissenschaften werden epistemische Bewertungen vorgenommen", wobei jedoch den "von Wissenschaftlern, nicht von Wissenschaftstheoretikern" qualifizierten Urteilen "bestimmte methodologische Regeln bzw. Bewertungsprinzipien zugrunde liegen" müssten (a.a.O.). Wie KELLE (2018) darlegte, sind auch an anderen Stellen im Erhebungsprozess quantitativer Daten die Sozialforscher*innen involviert. Auch ist deren industrielle Expertise bei der Fragebogengestaltung (Instrumente; Kodegruppe 3, Tabelle A2) nicht frei von der häuslichen WO, und weder sprechen signifikante Ergebnisse noch bestätigte oder verworfene Hypothesen deduktiv-nomologischer Modelle für sich selbst (z.B. KRÄMER 2004, S.57-58). Vielmehr müssen die Ergebnisse von qualifizierten Subjekten zu Schlüssen zusammengefasst, erklärt und interpretiert werden, was den Mechanik- und Forscher*in-Ausblenden-Konventionen sowie der Entdeckungskonvention widerspricht. Zur Interpretation und Erklärungsnotwendigkeit von Daten und Signifikanzen äußerten sich auch OTTE et al. (2023, S.37), welche diese als "eine im Forschungsdesign verankerte Strategie zur breiten Erschließung des Gegenstandes und zur Erzielung einer reliablen Interpretation" betrachteten. Jedoch bedeute "die Reliabilität ein allgemeines Unterkriterium zur Erreichung einer hohen Konzept-Indikator-Korrespondenz" (GKV 6b), welche "in der quantitativen Forschung als Messreliabilität, in der qualitativ-interpretativen Forschung als Interpretationsreliabilität zu verstehen" (a.a.O.) sei. Der Umgang mit dem Subjekt von OTTE et al. wurde auch bei Gütekriterium 10, der "Darstellung der Unsicherheit der Ergebnisse" (S.40) virulent:
"Eine Studie ist dann von hoher Güte, wenn sie gründlich über die Unsicherheit der Interpretationen und Schlüsse reflektiert, Zweifel an der Belastbarkeit der Ergebnisse so weit wie möglich datengestützt oder argumentativ ausräumt und verbleibende Quellen der Unsicherheit offen kommuniziert (King et al. 1994: 8f.)." [49]
In diesem Zusammenhang ist die Verwendung des Wortes "Qualität" im Lexikonbeitrag zu quantitativer Sozialforschung interessant (DIAZ-BONE 2015, S.169). Die Forscher*in-Ausblenden-Konvention der quantitativen Sozialforschung kann folglich nicht vom Bewertungscharakter von Qualität ablenken, welcher durch Messung von Objektivität, Reliabilität und Validität, den "drei klassischen Gütekriterien im engeren Sinne" (a.a.O.), überdeckt wurde. Dennoch präsentierte DIAZ-BONE auch Qualitätsstandards im weiteren Sinne und betonte so den qualitativen Aspekt von Standardisierung (siehe auch SEALE 1999, S.470-471). Dies verdeutlicht beispielsweise der "Total Survey Error" (DIAZ-BONE 2015, S.169), welcher trotz aller Prozess- bzw. Produktionsvorgaben mitsamt Standardisierungen durch Zahlen, mathematische Formeln und statistische Auswertungsverfahren – also trotz der industriellen "Faktoren" (BOLTANSKI & THÉVENOT 2014 [1991], S.440) – aufgrund der Rolle quantitativer Sozialwissenschaftler*innen im Gestaltungszusammenhang vorkommen kann. Die "subjektiven Merkmale" (DIAZ-BONE 2015, S.169) können zwar durch Methoden, Messinstrumente und Standardisierung der Sozialforschung minimiert werden. Das Subjekt Wissenschaftler*in ist jedoch bei der Argumentation der Generalisierbarkeit der Ergebnisse und dem Erklären von und Schließen aus statistischen Berechnungen unumgänglich (DIAZ-BONE 2019 [2014]). Noch deutlicher vertraten dies BAUR und KNOBLAUCH (2018, S.450) mit Blick auf die Interpretationsnotwendigkeit von statistischen Ergebnissen und darauf aufbauenden Analysen:
"Dieser Versuch, die Notwendigkeit zu interpretieren komplett auszuschalten, muss jedoch, [...], als gescheitert angesehen werden, da – wie die Survey-Forschung [...] selbst gezeigt hat – an allen möglichen Stellen Interpretationsprobleme einsickern und vor allem an kritischen Stellen des Forschungsprozesses Interpretationsbedarf besteht, der nicht standardisiert gehandhabt werden kann. Dies betrifft sowohl die Datenerhebung [...] als auch die Auswertung [...] als auch die Generalisierung [...]." [50]
Der methodologische Ausschluss der Einwirkung von Sozialforscher*innen im Forschungsprozess gemäß der Forscher*in-Ausblenden-Konvention scheint folglich eine rein kognitive Konvention, die als kulturell etablierte Koordinationslogik (von Teilen) quantitativer Sozialforscher*innen sozial zum Tragen kommt. Hingegen sind epistemische Bewertungen nach methodologischen Regeln mit dem Ziel der Wissensschaffung in der qualitativen Sozialforschung unmittelbar mit den qualifizierten Subjekten verbunden. Diesen Schluss ziehe ich, da ich alle Kodegruppen der Gütekriterien qualitativer Sozialforschung (Tabelle A5) sowohl nach der häuslichen als auch nach der industriellen WO kodiert habe. Dies wird ergänzt in den Kodegruppen 2 und 3 durch die Schlagworte der inspirierten WO (Ergebnisanalyse, -interpretation usw. durch qualifizierte Subjekte, sowohl individuell und in Gruppen). Die deduktiven Kodierungen nach der industriellen WO verdeutlichen, dass die qualitativen Methoden und dazugehörigen Methodologien einem anything goes entgegenstehen. Selbstverständlich sind Sozialwissenschaftler*innen dabei methodisch gefordert, ihre Auswahlkriterien, Vorgehensweisen usw. im Forschungsprozess zu dokumentieren, zu begründen und damit transparent zu machen (Angemessenheits-, Iterations- und Distanzierungs- sowie Entdeckungskonventionen). [51]
5.4 Diskussion der Gütekriterienvorschläge von OTTE et al. (2023) unter besonderer Berücksichtigung der WO-Subjektkategorie
Insgesamt reproduzierten OTTE et al. mit ihren Gütekriterienvorschlägen der analytisch-empirischen Soziologie zu einem großen Teil die Gütekriterien quantitativer Sozialforschung, welche in der Mechanikkonvention, Forscher*in-Ausblenden-Konvention und Angemessenheitskonvention (inkl. intersubjektiver Nachvollziehbarkeit) erfasst sind (Tabelle 3). Diese Retextualisierung in elf Punkten mit 21 Unterpunkten plus Leitfragen zum Forschen gemäß dem Paradigma der analytisch-empirischen Soziologie erachteten OTTE et al. "als umfassender, feingliedriger und präziser" (S.42) als die Gütekriterienvorschläge von STRÜBING et al. (2018). Im direkten Vergleich weisen STRÜBING et al. fünf Vorschläge mit 18 Spezifizierungen auf, wobei drei Spezifizierungen 3 0a, 3 0b und 4 0 vom mir in der Zusammenfassung hinzugefügt wurden (Tabelle A7). Im Gegensatz zu STRÜBING et al.s Gültigkeitsanspruch für die qualitative Sozialforschung erhoben OTTE et al. (2023, S.42) keinen umfassenden Gültigkeits- oder Anwendungsanspruch; sie gingen jedoch davon aus, dass mit ihren Gütekriterienvorschlägen "ein großer Teil soziologischer Forschung [...] beurteilbar" wäre. [52]
Die Zuordnung in Tabelle 3 habe ich über die von OTTE et al. vorgegebenen Gütekriterienvorschlagsnummern bzw. wenn Differenzierung nötig war über die Untergütekriterienvorschlagsnummern (z.B. 1a und 10b) vorgenommen. Neu für die quantitative Sozialforschung bzw. scheinbar dem Einfluss von STRÜBING et al. (2018) zuzuschreiben ist die Betonung von "textueller Performanz" bzw. der Forschungslyrikkonvention. Bei OTTE et al. (2023) wurde "textuelle Performanz" als eigenständiger Gütekriterienvorschlag 11 und in den Untergütekriterienvorschlägen 1a, 3a und 5a in Tabelle 3 verankert. Bei OTTE et al. neu als Abweichung von den klassischen quantitativen Gütekriterien ist die Inklusion des Entdeckungszusammenhangs in den quantitativen Forschungsprozess und die Anerkennung der Subjektkategorie in den Gütekriterienvorschlägen 1, 3, 10b (für qualitative Forscher*innen) und 11 (zu Publizieren werden in Fußnote 16 Forscher*innen erwähnt). Jedoch ist die Wirksamkeit der Forscher*in-Ausblenden-Konvention der quantitativen Sozialforschung bei OTTE et al. in der indirekten Ansprache von quantitativen Forscher*innen zu beobachten, wie folgendes Beispiel zu Gütekriterienvorschlag 1 zeigt: "Nachvollziehbarkeit ermöglicht die Verständigung über Argumente und Vorgehensweisen unter Forschenden. Sie impliziert nicht, dass man den Positionen anderer Forschender zustimmt, sondern ermöglicht die kritische Auseinandersetzung über Entscheidungen, die in allen Phasen des Forschungsprozesses getroffen werden" (S.30). Hingegen sprachen OTTE et al. den Einfluss qualitativer Forscher*innen beispielsweise mit Blick auf ihre reliablen kognitiven Fakultäten direkt an, wie folgendes Zitat zeigt: "ob eine Messung zu ähnlichen Ergebnissen kommt, wenn sie (a) durch unterschiedliche Forschende erfolgt (z.B. Intercoder-Reliabilität), (b) über die Zeit wiederholt wird (z.B. Test-Retest-Methode) oder (c) auf vergleichbare Fälle bzw. Stichproben übertragen wird (z.B. Messinvarianz)" (S.37; meine Hervorhebung). [53]
Der Umgang von OTTE et al. mit der Subjektkategorie verkomplizierte die Zuordnung ihrer Gütekriterienvorschläge zu den Konventionen in Tabelle 3. Die sehr speziellen Erwähnungen von Forscher*innen als aktive Subjekte der Durchführung von empirischer Sozialforschung wurden wie folgt von mir geordnet: Qualitative Forscher*innen wurden exklusiv angesprochen, hingegen wurden quantitative Forscher*innen immer mit angesprochen (GKV 1, 3, 5 und 11), beispielsweise in Einleitung und Schlussbetrachtung:
"Konzipiert ist der Kriterienkatalog im präskriptiven Sinne, d.h. er gibt Empfehlungen, woran sich Forschung orientieren soll, um effektiv zum wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn beizutragen. Wir behaupten nicht, dass analytisch-empirisch ausgerichtete Forschung immer so verfährt. Auch hegen wir nicht die Erwartung, dass alle Positionen der Soziologie sich in unserer Taxonomie wiederfinden werden. Gleich wohl denken wir, dass sie auch Forschende ansprechen kann, die sich nicht der analytisch-empirischen Soziologie zurechnen" (S.27; meine Hervorhebung).
"Gütekriterien dienen Forschenden als Reflexionsmaßstäbe für ihre Forschungs- und Publikationstätigkeit, Gutachtenden als Bewertungsgrundlagen im Prozess der wissenschaftlichen Qualitätssicherung, etwa im Peer Review, und wissenschaftsexternen Akteuren als Marker von Wissenschaftlichkeit" (S.27; meine Hervorhebung).
"Die Einigung auf übergreifende Qualitätsmaßstäbe erleichtert die gegenseitige Wahrnehmung von Forschungsleistungen in zunehmend ausdifferenzierten Forschungsfeldern und im besten Fall die Zusammenarbeit von Forschenden unterschiedlicher Provenienz. Selbstverständlich sind alle Forschenden inhaltlich, methodisch bzw. theoretisch in bestimmter Weise spezialisiert" (S.43-44; meine Hervorhebung). [54]
OTTE et al.s Ausnahmen bei der Miteinbeziehung von quantitativen Sozialforscher*innen erfolgten in den Gütekriterienvorschlägen 1 (intersubjektive Nachvollziehbarkeit) und 3 (Forschungsfrage):
"Nachvollziehbarkeit ermöglicht die Verständigung über Argumente und Vorgehensweisen unter Forschenden" (S.30; meine Hervorhebung).
"Die wissenschaftlichen Anreizstrukturen sollten so verändert werden, dass mehr replikative Studien resultieren. Fachzeitschriften sollten mehr qualitätsgesicherte Replikationen publizieren – egal ob die Originalergebnisse bestätigt werden oder nicht – und Forschende sollten neben den Originalarbeiten auch Replikationen zitieren" (S.33; meine Hervorhebung).
"In vielen Publikationen wird zu wenig Gebrauch davon gemacht, die Argumentation durch grafische und tabellarische Darstellungen besser nachvollziehbar zu machen. Derartige Darstellungsformate, z.B. Kausaldiagramme, zwingen auch die Forschenden selbst, ihre Argumentation zu reflektieren und zu präzisieren" (S.42; meine Hervorhebung). [55]
Die zitierten expliziten Bezugnahmen von OTTE et al. auf Sozialforscher*innen rechtfertigten, dass ich in Tabelle 3 ihre Gütekriterienvorschläge 1 (intersubjektive Nachvollziehbarkeit), 3 (Forschungsfrage) und 11 (Publikation) nicht der quantitativen Mechanikkonvention und Forscher*in-Ausblenden-Konvention, sondern der aus der Analyse der Gütekriterien qualitativer Sozialforschung stammenden Mandarin/Meister*in-Konvention bzw. Expert*in/Spezialist*in-Konvention zugeordnet habe. Explizit als Teil des Forschungsprozesses (z.B. Methodologie, messen und analysieren) adressierten OTTE et al. nur qualitative Sozialforscher*innen, wie folgende Beispiele zeigen:
"Qualitative Analysen sind dann reliabel, wenn Fallinterpretationen durch mehrere Forschende synchron zu identischen Kategorien und Typisierungen führen oder wenn andere Forschende mit neuem Datenmaterial die Zuordnung der Fälle diachron bestätigen" (S.37; meine Hervorhebung).
"Um die Abhängigkeit der Interviewinhalte von Einflüssen der Forschenden darzustellen, wurden die 'dependability' [...] und die 'reflektierte Subjektivität' (Steinke 1999: 231-239) vorgeschlagen" (S.37; meine Hervorhebung).
"Die Robustheit zielt auf die Eindeutigkeit von Konzepten und Typologien und deren Vernetzung zu einer Theorie. Da auch hier subjektive Interpretationen und Probleme des 'going native' zu hinterfragen sind, empfehlen sich erneut Verfahren der Gruppeninterpretation: Die Diskussion verschiedener Interpretationsmöglichkeiten im Kreis der Forschenden kann Unsicherheit sichtbar machen und reduzieren (Reichertz 2013). Wird kein Konsens erzielt, sollte die verbleibende Unsicherheit berichtet werden" (S.41; meine Hervorhebung). [56]
Die Erklärungen zu Gütekriterienvorschlag 10 (Darstellung der Unsicherheit der Ergebnisse) von OTTE et al. bedeuteten, dass ich in Tabelle 3 qualitative Forscher*innen bei 10b der Mandarin/Meister*in-Konvention bzw. Expert*in/Spezialist*in-Konvention ("Gruppeninterpretation: Die Diskussion verschiedener Interpretationsmöglichkeiten im Kreis der Forschenden"), und quantitative Forscher*innen der Mechanik- und Forscher*in-Ausblenden-Konvention zugeordnet habe. Die Differenz zwischen der Mandarin/Meister*in-Konvention bzw. Expert*in/Spezialist*in-Konvention und der Mechanik- und Forscher*in-Ausblenden-Konvention hilft beim qualitativen Verstehen der WO-Subjektkategorie der analytisch-empirischen Soziologie und quantitativen Sozialforschung. Zwar ist es selbsterklärend, dass sich Forschungsdesigns, Messungen, Analysen usw. nicht von selbst erstellen (z.B. Entdeckungskonvention). Dennoch hüteten sich OTTE et al. vor der Benennung, dass qualitative und quantitative Sozialforscher*innen beispielsweise folgendes tun (als Praktiken oder soziale Handlungen):
"Kausale Schlüsse sind primär dadurch gefährdet, dass Fälle sich selbstläufig und in nicht zufälliger Weise in bestimmte Treatments selektieren und dass die mutmaßliche Wirkung dieser Treatments deshalb mit anderen Einflüssen konfundiert sein kann" (S.38).
"Die Offenlegung, Begründung und Plausibilität von Generalisierungsansprüchen ist daher ein weiteres Gütekriterium (GK[V] 8). Wir verstehen es als eine weite Auslegung des Konzepts der externen Validität" (S.39).
"Wir halten es daher für geboten, selbstkritische Aussagen zur Belastbarkeit der erzielten Ergebnisse zu machen" (S.40). [57]
Folglich habe ich in Tabelle 3 – mit Ausnahme von 1, 2, 3, 5, 10b und 11 für qualitative Sozialforscher*innen – die Gütekriterienvorschläge von OTTE et al. überwiegend den Mechanik- und Forscher*in-Ausblenden-Konventionen zugeordnet. Die Prävalenz der Konventionen der (klassischen) Gütekriterien quantitativer Sozialforschung lösten damit nicht bzw. sehr indirekt die mathematisch-statistisch begründeten Kontrollannahmen der methodologischen Trennung von Entdeckungs- und Geltungszusammenhang in der klassischen Testtheorie (z.B. LIENERT 1969) auf. Implizit hielten OTTE et al. (2023) durch das indirekte Adressieren der quantitativen Forscher*innen am Common Sense der methodologischen Unterteilung des Forschungsprozesses in Entdeckungs- und Geltungszusammenhang bzw. Forschungsdesign (inkl. Fragestellung und Analysestrategie) und Messinstrumenten fest (z.B. KREBS & MENOLD 2019 [2014]). Dieses implizite Festhalten von OTTE et al. (2023) an den Mechanik- und Forscher*in-Ausblenden-Konventionen quantitativer Sozialforschung und die explizite Abgrenzung zur Beteiligung qualitativer Forscher*innen in der Datenerhebung (z.B. Beobachtung und Interviewführung) und -auswertung (inklusive Reliabilitätsmessung deren Kodierungen) stellen die Anwendbarkeit der Gütekriterienvorschläge für die qualitative Sozialforschung grundsätzlich infrage. [58]
Im Gegensatz zur Bestärkung der Mechanik- und Forscher*in-Ausblenden-Konventionen erfolgte im Sinne der Angemessenheits- sowie Iterations- und Distanzierungskonventionen bei der Theorieanwendung eine implizite Anerkennung von Entdeckungs- und Analysezusammenhang durch OTTE et al. – SONNTAG (2023, S.12) bezeichnete noch Theorieentwicklung im Entstehungszusammenhang als "blinden Fleck" der klassischen quantitativen Gütekriterien. Nach OTTE et al. (2023) sollte zukünftig bei empirischen Untersuchungen auch Theorieweiterentwicklung im Rahmen von Datenanalyse und -interpretation berücksichtigt werden. Denn, wie auch SONNTAG (2023) feststellte:
"Theoriegeleitete Forschung heißt eben vor allem, immer schon (mindestens als zunächst unausgesprochenes Vorwissen) bestehende, forschungsleitende Erwartungen zu explizieren sowie deren Revision im fortlaufenden Forschungsprozess zu dokumentieren. Der kritische Rationalismus erfordert also keine Lehnstuhl-Theoriebildung. Theoriebildung im Dialog mit der Empirie ist wünschenswert, ja, notwendig" ( S.11).
Tabelle 3: die zehn Konventionen von Gütekriterien empirischer Sozialforschung im Gütekriterienvorschlag von OTTE et al. (2023). Bitte klicken Sie hier, um die PDF-Datei herunterzuladen. [59]
5.5 Reduziert? Epistemologisch und methodologisch substanzieller Methodenbegriff
Aufgrund der weitgehenden Nichtberücksichtigung von Unterschieden qualitativer und quantitativer Epistemologien bzw. Indikation der paradigmatischen Methodologieangleichungsoptionen bestehen weitere Zweifel an der zumindest teilweisen Anwendbarkeit der Gütekriterienvorschläge der analytisch-empirischen Soziologie von OTTE et al. In Tabelle 3 wurde jeder Gütekriterienvorschlag von OTTE et al. der Methodenbegriffskonvention zugeordnet, da die analytisch-empirische Soziologie
"zumeist mit quantitativ-standardisierten Methoden" (S.27) arbeitet und
weiterhin beim Theorieverständnis "im kritischen Rationalismus wurzelt," mit etablierten "Gütekriterien, die eine starke Verzahnung von Theorie und Empirie sicherstellen" (S.33). [60]
Die von OTTE et al. vorgebrachten Gütekriterienvorschläge erfüllen damit die Forderung von STRÜBING et al. (2018, S.87) für einen "reduzierten Methodenbegriff" bei der Qualitätsbewertung empirischer Sozialforschung, welcher als "bescheidener, 'abgerüsteter' Methodenbegriff" (a.a.O.) entweder als analytisch-empirischer oder Methodenbegriff des kritischen Rationalismus der primär quantitativen Sozialforschung bereits lange existiert. An der Forderung von STRÜBING et al. irritiert mich vor allem der Wortbestandteil "reduziert". Wird eine Weinsauce reduziert, so ist das Ergebnis das vom überflüssigen Wasser befreite, stark eingekochte Substrat der Geschmackssubstanz. Analog können Gütekriterien empirischer Sozialforschung auf die substanzielle Anleitung des Forschungsprozesses reduziert werden. Wie beispielsweise FEYERABEND (1980 [1976], S.197) hervorhob, ist die Anpassung im Forschungsprozess durch Sozialforscher*innen nicht willkürlich (Angemessenheits-, Entdeckungs- und Iterations- und Distanzierungskonvention), sondern von ihrem methodologischen Wissen und methodischen Können geleitet (Mandarin/Meister*in- und Expert*in/Spezialist*in-Konvention). FEYERABEND betonte dabei auch den methodologisch-methodischen Sachbezug möglicher Modifikationen im Forschungsprozess statt des Festhaltens an linear abzuarbeitenden Forschungsdesigns (Mechanik- und Forscher*in-Ausblenden-Konvention), welches die Beantwortung der Forschungsfrage bzw. das Erkenntnisinteresse einer qualitativen empirischen Untersuchung gefährden würde. Für die Angemessenheitskonvention sind beispielsweise die von Sozialforscher*innen methodisch zu bestimmenden "Kriterien des Samplings" (GEIMER & DIAZ-BONE 2015, S.168) relevant, das heißt, der industriellen Kriterien unterliegenden Auswahl von zufälligen oder begründeten "Fällen" (Tabelle A4; BOLTANSKI & THÉVENOT 2014 [1991], S.330; siehe auch EBBINGHAUS 2005; SEAWRIGHT & GERRING 2008). Auf den Untersuchungsgegenstand bezogen kann die nach bestimmten Kriterien sowie sozialen und räumlichen Aspekten geleitete Fallauswahl jedoch nicht der "fortlaufende[n] Reflexion" und daraus gegebenenfalls notwendigen "Modifikation des Samplings" (GEIMER & DIAZ-BONE 2015, S.168) vorbeugen. Entsprechend habe ich in den Tabellen A4 und A7 sämtliche methoden- bzw. kriterien- und prozessgeleiteten Merkmale der Forschung sowohl nach der industriellen als auch der häuslichen WO kodiert. Der industrielle und häusliche WO-Fokus auf Gütekriterien empirischer Sozialforschung zur Anleitung des Forschungsprozesses verdeutlicht ein wechselseitiges kognitiv-soziales und sozio-kognitives Lernpotenzial (Tabelle 4).
|
Häusliche WO |
Industrielle WO |
Inspirierte WO |
Öffentliche WO |
Kognitive Konvention (social science engineering) |
|
|
|
|
Mechanikkonvention |
- |
X |
- |
- |
Kognitiv-soziale Konventionen (Forschungsprozess) |
|
|
|
|
Angemessenheitskonvention (inklusive intersubjektiver Nachvollziehbarkeit) |
X |
X |
X |
- |
Entdeckungskonvention |
X |
X |
X |
- |
Iterations- und Distanzierungskonvention |
X |
X |
X |
- |
Sozio-kognitive Konventionen (empirische Sozialforscher*innen) |
|
|
|
|
Forscher*in-Ausblenden-Konvention |
X |
X |
- |
- |
Mandarin/Meister*in-Konvention |
X |
X |
X |
- |
Expert*in/Spezialist*in-Konvention |
X |
X |
X |
- |
Forschungslyrikkonvention |
X |
- |
X |
X |
Popularitätskonvention |
X |
- |
X |
X |
Methodenbegriffskonvention |
X |
X |
- |
- |
Tabelle 4: Kognitive, kognitiv-soziale und sozio-kognitive Konventionen empirischer Sozialforschung [61]
Pragmatisch bedeutet ein substanzieller Methodenbegriff empirischer Sozialforschung, den Fokus auf kognitiv-soziale Merkmale des Forschungsprozesses und damit die Angemessenheits-, Entdeckungs- und Iterations- und Distanzierungskonvention zu legen. Die drei Konventionen bilden die Anschlusspunkte für sozio-kognitive Konventionen, bei denen der Primat des Sozialen vorherrscht, das heißt die häusliche WO der industriellen WO vorsteht (Forscher*in-Ausblenden-, Mandarin/Meister*in-, Expert*in/Spezialist*in-, Forschungslyrik-, Popularitäts- und Methodenbegriffskonvention).7) Bei einer substanziellen Modifikation der Methodenbegriffskonvention als sozio-kognitive Übereinkunft zur Güte empirischer Sozialforschung wird der Forschungsprozess fokussiert und die Rolle von Sozialforscher*innen in ihm epistemisch-methodologisch angemessen berücksichtigt. Deren Rolle ist in weiten Teilen den Gütekriterienvorschläge von OTTE et al. (2023) immanent (Messzusammenhang), und die Entdeckungs- und Mandarin/Meister*in-Konvention bzw. Expert*in/Spezialist*in-Konvention kommt bei der der analytisch-empirischen Soziologie konformen qualitativen Sozialforschung bzw. dem Entdeckungs- und Analyse- sowie Nachvollziehbarkeitszusammenhang zum Tragen (Tabelle 3). Wie in Abschnitt 5.4 diskutiert, haben OTTE et al. exklusiv die dem Forschungsprozess nicht zugehörige sozio-kognitive Forschungslyrikkonvention (Stichwort "textuelle Performanz") von STRÜBING et al. (2018) für ihre Gütekriterienvorschläge übernommen. Die Forschungslyrikkonvention bedeutet jedoch ebenso einen hinterfragenswürdigen Anschluss für qualitative Sozialforschung wie bei den Gütekriterienvorschlägen qualitativer Sozialforschung von STRÜBING et al. für die quantitative Sozialforschung (Tabelle 2). [62]
Die epistemologische und methodologische Anschlussfähigkeit über die kognitiv-sozialen Angemessenheits-, Entdeckungs- und Iterations- und Distanzierungskonventionen ist bei methodenintegrativer bzw. Mixed-Methods-Forschung gängige Praxis (BURZAN 2016; KELLE 2008, 2018). Die industriellen und häuslichen WO-Kodierungen der Gütekriterien (Tabellen A1 und A4 und A7) zeigten, dass qualitative und quantitative Methoden sowohl das transparente und systematische Vorgehen im Forschungsprozess als auch die Bedeutung von Theorie vereint. Beispielsweise könnte die Berücksichtigung des gesamten Forschungsprozesses für standardisierte Sozialforschung bei der qualitativen Verwendung des quantitativen Kriteriums Validität ansetzen. Im Gegensatz zu den Korsettvorbehalten von REICHERTZ (2019) definierte beispielsweise FLICK (2019 [2014], S.483) "Transparenz der Vorgehensweisen" als Gütekriterium qualitativer Forschung. Nicht explizit im Validierungs-Wording beschrieben FLICK wie auch GEIMER und DIAZ-BONE (2015) die Validierung des gesamten Forschungsprozesses. Dieser reicht vom Design mitsamt Erhebungsinstrumenten über die Reflexion von angestrebten Modifikationen (z.B. des Samplings; Tabelle A4) bis zum Umgang mit dem empirischen Material (z.B. nach Relevanzen der Beforschten; Tabelle A4). Explizit mit Validierungs-Wording rekurrierte FLICK (2019 [2014], S.476-478) beim qualitativen Gütekriterium "Validierung durch Kommunikation" sowohl durch Untersuchungsteilnehmer*innen als auch Expert*innen aus dem Feld. [63]
Noch konsequenter als in der quantitativen, standardisierten Forschung (Tabellen A1 und A2) zeigten die Kodierungen der qualitativen, nicht-standardisierten Forschung (Tabellen A4 und A5), dass im methodologischen Kern Gütekriterien für alle der in Abbildung 1 schematisch dargestellten Teile des Forschungsprozesses gemäß Angemessenheits-, Entdeckungs- und Iterations- und Distanzierungskonventionen definiert sind.
Abbildung 1: schematische Darstellung der Angemessenheits-, Entdeckungs- und Iterations- und Distanzierungskonventionen im Forschungsprozess empirische Sozialforschung. Bitte klicken Sie hier, um die PDF-Datei herunterzuladen. [64]
Über die Auswertung kann ich eine zweigeteilte Antwort auf die Frage "Für welche Konventionen stehen die Gütekriterien empirischer Sozialforschung?" geben. Erstens wird mit den kognitiven und sozio-kognitiven Konventionen von qualitativen und quantitativen Gütekriterien eine professionspolitisch-ideologische, soziale Funktion verfolgt, welche über vorgeschobene kognitive und epistemologische Argumente befördert wurde und wird. Zweitens zeigte jedoch der systematische, deduktive Vergleich eine epistemologisch und methodologisch substanzielle Funktion der Gütekriterien qualitativer und quantitativer Sozialforschung, welche aufbauend auf den kognitiv-sozialen Angemessenheits-, Entdeckungs- und Iterations- und Distanzierungskonventionen Einigungspotenziale und Anknüpfungspunkte für Bewertungen der Güte empirischer Sozialforschung bieten. [65]
Die nur teilweise neuen, jedoch auf einem systematischen qualitativen Vergleich beruhenden Erkenntnisse zu Gütekriterien empirischer Sozialforschung sind in mehrfacher Hinsicht aktuell. Der Vergleich von Gütekriterien als Konventionen ermöglicht die analytische Unterscheidung zwischen einer kognitiven substanziellen Funktion und der politisch-ideologischen sozialen Funktion von Gütekriterien. Bei ersterer werden Gütekriterien als Unterstützung des gesamten Forschungsprozesses empirischer Sozialforschung und Gegenstand professioneller Reflexion der spezifischen Rolle von Sozialwissenschaftler*innen gefasst. Der Vergleich und die Diskussion zeigten, dass der jeweilige Kern qualitativer und quantitativer Gütekriterien bereits jetzt substanzielle Gemeinsamkeiten für die Anleitung des epistemologischen Ziels, Erkenntnisse der komplexen Sozialwelt durch empirische Sozialforschung zu generieren, aufweist. [66]
Die Ergebnisse der von mir vorgelegten deduktiv-qualitativen Verstehensanalyse sind jedoch auch teilweise überraschend: Quer zu den gepflegten Mustern der gegenseitigen Vorwürfe im Methodenstreit ist erstens die Erkenntnis, dass die Verteidiger*innen von quantitativen Gütekriterien wesentliche Teile des Forschungsprozesses unterschlagen (haben). Sie inszenierten sich somit auf indefensible Weise als Hüter*innen einer sozialwissenschaftlichen Objektivitätsindustrie (Mechanikkonvention und Expert*innen/Mandarine-Ausblenden-Konvention), welche paradigmatisch qualitativ-quantifizierende Sozialforschung tolerieren kann. OTTE et al. (2023) kaschierten diesen Umstand nur teilweise bei ihrem Relabeling kritisch rationaler quantitativer Sozialforschung als analytisch-empirische Soziologie. Zweitens propagierten STRÜBING et al. (2018), HIRSCHAUER et al. (2019) und OTTE et al. (2023) teilweise ein gymnasial- bzw. Mandarin-inspiriertes (Forschungslyrik- und Popularitätskonventionen) sowie publikations- und drittmittelorientiertes Verständnis der Güte von empirischer Sozialforschung (siehe auch EISEWICHT & GRENZ 2018), welches sich gänzlich vom Forschungsprozess abhebt. [67]
Diese abschließend zugespitzten Erkenntnisse könn(t)en alle Beteiligten nachdenklich stimmen darüber, dass weder Gütekriterien der quantitativen noch der qualitativen Forschung – und damit wissenschaftliche Güte empirischer Sozialforschung – per Kriterienkatalog oder weitere Fallstricke enthaltende Vorschläge diktiert werden können. Vielmehr zeigte die Konventionenanalyse und der substanzielle Methodenbegriff, dass Gütekriterien in der Anleitung von qualitativen und/oder quantitativen bzw. Mixed-Methods-Forschungsprozessen (Angemessenheitskonvention [inkl. intersubjektiver Nachvollziehbarkeit], Entdeckungs- und Iterations- und Distanzierungskonvention) eher als Richtlinien denn fixe Standards für gute empirische Sozialforschung mit heterogenen Epistemologien und Methodologien angewandt werden soll(t)en. [68]
Für die Diskussion und Verbesserungsvorschläge zu unterschiedlichen Entwurfsstadien des vorliegenden Manuskripts möchte ich mich herzlich bei Isabel STEINHARDT, Oliver WIECZOREK, Sandra OHLY, Katja MRUCK, den Herausgeber*innen der FQS-Debatte "Qualitätsstandards qualitativer Sozialforschung" und zwei unbekannten Gutachter*innen der Zeitschrift für Soziologie bedanken.
Anhang: Konventionen von Gütekriterien empirischer Sozialforschung
Bitte klicken Sie hier, um die PDF-Datei herunterzuladen.
1) §2.1 der Satzung gemäß Beschluss der Gründungsversammlung am 14. Juli 2017 in Mannheim. https://akademie-soziologie.de/wp-content/uploads/2019/10/satzung-der-akademie-fuer-soziologie.pdf [Datum des Zugriffs: 23. März 2023]. <zurück>
2) Grundsätze der analytisch-empirischen Soziologie (beschlossen von der Mitgliederversammlung am 25. September 2019), https://akademie-soziologie.de/wp-content/uploads/2019/12/Ziele-und-Aufgaben-Akademie-Soziologie-Grundsa%CC%88tze-09-2019.pdf [Datum des Zugriffs: 23. März 2023]. <zurück>
3) S.3 im Aufruf zur Gründung einer "Akademie für Soziologie", https://akademie-soziologie.de/wp-content/uploads/2019/12/Ziele-und-Aufgaben-Akademie-Soziologie-Gruendungsaufruf-04-2017.pdf [Datum des Zugriffs: 23. März 2023]. <zurück>
4) In dem den beiden ZfS-Beiträgen vorausgegangenen Call for Papers in 2021 für ein Special Issue wurde nicht exklusiv zur Einreichung von Beiträgen zur analytisch-empirischen Soziologie aufgefordert. Dort war zu lesen: "Die zahlreichen Manuskripte zum Themenkreis der 'Gütekriterien' in der empirischen, insbesondere der qualitativen Sozialforschung, die die Zeitschrift für Soziologie in den letzten Monaten erreicht haben [im Nachgang der Publikation STRÜBING et al. 2018], sind ein Indiz für die hohe Relevanz und Zentralität dieser Problematik, aber sie zeigen auch die diesbezüglichen Dissonanzen und kontroversen Auffassungen innerhalb unserer Fachgemeinschaft auf. Um diese Diskussionen zu bündeln, wird die Zeitschrift für Soziologie ein Schwerpunktheft zum Thema 'Gütekriterien empirischer Sozialforschung' herausgeben", https://www.degruyter.com/publication/journal_key/ZFSOZ/downloadAsset/ZFSOZ_ZfS_CfP_Gu%CC%88tekriterien.pdf [Datum des Zugriffs: 17. Mai 2023]. <zurück>
5) Der WO-Analyserahmen von BOLTANSKI und THÉVENOT (2014 [1991]) wurde mit der transdisziplinären französischen Konventionenökonomie/-soziologie assoziiert (z.B. DIAZ-BONE 2018 [2015]). Mittels der Konventionenökonomie/-soziologie und WO wurden die "main conventions of coordination" (THÉVENOT 2001 [2000], S.411) in Gerechtigkeitsregimen (BOLTANSKI 2012 [2009], S.75-78) untersucht. Die Assoziation zwischen WO und Konventionenökonomie/-soziologie besteht über die Erfassung von institutionalisierten sozialen Strukturen. Zudem integrierten Vertreter*innen der Konventionenökonomie pragmatisch idealtypische Merkmale der WO in ihre Analysen (z.B. BATIFOULIER, DOMIN & RAULY 2021; STORPER & SALAIS 1997). Im Gegensatz zur methodisch-theoretischen Vorgehensweise der WO wurde in der Konventionenökonomie/-soziologie ein methodisch-holistisches Verständnis verfolgt (DIAZ-BONE 2011). Zur pragmatischen Konstruktion nach der Konventionenökonomie/-soziologie siehe auch CHIAPELLO und KNOLL (2020) und NACHTWEY und SEIDL (2017). <zurück>
6) Von den Herausforderungen der WO-Konstruktion zeugen der empirische Nukleus der grünen WO (THÉVENOT et al. 2000), welche einer polit-philosophischen Untermauerung harrt, und die netzwerk-/projektbasierte WO, welche BOLTANSKI und CHIAPELLO (2006 [1999]) in Auseinandersetzung mit den historischen Wandlungen des Kapitalismus entwickelten. Zu WO-Kritik siehe HONNETH (2010) und die Antwort von THÉVENOT in BLOKKER und BRIGHENTI (2011). <zurück>
7) Laut FLECK (2019 [1935], S.124) definieren kognitiv-soziale Merkmale einen "Denkstil" beispielsweise epistemologisch-methodologischer empirischer Sozialforschung, welcher von einem "Denkkollektiv" gepflegt wird. Dominieren jedoch sozio-kognitive Merkmale (z.B. die Forscher*in-Ausblenden-Konvention gemäß dem Paradigma der analytisch-empirischen Soziologie), so kann im Denkkollektiv der Denkstil zum "Denkzwang" werden. <zurück>
Adorno, Theodor W.; Dahrendorf, Ralf; Pilot, Harald; Albert, Hans; Habermas, Jürgen & Popper, Karl R. (1993 [1969]). Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie. München: dtv.
Batifoulier, Philipp; Domin, Jean-Paul & Rauly, Amadine (2021). Erosion of solidarity in France and welfare conventions. Historical Social Research, 46(1), 35-58, https://doi.org/10.12759/hsr.46.2021.1.35-58 [Datum des Zugriffs: 17. Mai 2023].
Baur, Nina & Knoblauch, Hubert (2018). Die Interpretativität der Quantitativen. Soziologie, 47(4), 439-461.
Becher, Toni & Trowler, Paul R. (2001 [1989]). Academic tribes and territories. Intellectual enquiry and the culture of disciplines (2. Aufl.). Buckingham: Open University Press.
Blokker, Paul (2010). Pragmatic sociology: Theoretical evolvement and empirical application. European Journal of Social Theory, 14(3), 251-261.
Blokker, Paul & Brighenti, Andrea (2011). An interview with Laurent Thévenot: On engagement, critique, commonality, and power. European Journal of Social Theory, 14(2), 383-400.
Bohnsack, Ralf (2005). Standards nicht-standardisierter Forschung in den Erziehungs- und Sozialwissenschaften. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 4, 63-81.
Boltanski, Luc (2012 [2009]). On critique. London: Polity.
Boltanski, Luc & Chiapello, Eve (2006 [1999]). Der neue Geist des Kapitalismus. Konstanz: UVK.
Boltanski, Luc & Thévenot, Laurent (1999). The sociology of the critical capacity. European Journal of Social Theory, 2(3), 359-377.
Boltanski, Luc & Thévenot, Laurent (2000). The reality of moral expectations: A sociology of situated judgement. Philosophical Explorations, 3(3), 208-231.
Boltanski, Luc & Thévenot, Laurent (2014 [1991]). Über die Rechtfertigung: eine Soziologie der kritischen Urteilskraft. Hamburg: Hamburger Edition.
Bourdieu, Pierre (1975). The specificity of the scientific field and the social conditions of the progress of reason. Social Science Information, 14(6), 19-47.
Breuer, Franz & Reichertz, Jo (2001). Wissenschafts-Kriterien: Eine Moderation. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 2(3), Art. 24, http://dx.doi.org/10.17169/fqs-2.3.919 [Datum des Zugriffs: 17. Mai 2023].
Burzan, Nicole (2016). Methodenplurale Forschung: Chancen und Probleme von Mixed Methods. Weinheim: Beltz.
Chiapello, Eve & Knoll, Lisa (2020). The welfare conventions approach: A comparative perspective on social impact bonds. Journal of Comparative Policy Analysis: Research and Practice, 22(2), 100-115.
Diaz-Bone, Rainer (2011). The methodological standpoint of the "économie des conventions". Historical Social Research, 36(4), 43-63, https://doi.org/10.12759/hsr.36.2011.4.43-63 [Datum des Zugriffs: 17. Mai 2023].
Diaz-Bone, Rainer (2015). Gütekriterien der quantitativen Sozialforschung. In Rainer Diaz-Bone & Christoph Weischer (Hrsg.), Methoden-Lexikon für die Sozialwissenschaften (S.169). Wiesbaden: Springer VS.
Diaz-Bone, Rainer (2018 [2015]). Die "Economie des conventions" – Grundlagen und Entwicklungen der neuen französischen Wirtschaftssoziologie (2. Aufl.). Wiesbaden: Springer VS.
Diaz-Bone, Rainer (2019 [2014]). Formen des Schließens und Erklärens. In Nina Baur & Jörg Blasius (Hrsg.), Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung (S.49-66). Wiesbaden: Springer VS.
Diekmann, Andreas (2017 [1995]). Empirische Sozialforschung: Grundlagen, Methoden (11. Auflage). Reinbek: Rowohlt.
Ebbinghaus, Bernhard (2005). When less is more: Selection problems in large-N and small-N cross-national comparison. International Sociology, 20, 133-152.
Eisewicht, Paul & Grenz, Thilo (2018). Die (Un)Möglichkeit allgemeiner Gütekriterien in der Qualitativen Forschung – Replik auf den Diskussionsanstoß zu "Gütekriterien qualitativer Forschung" von Jörg Strübing, Stefan Hirschauer, Ruth Ayaß, Uwe Krähnke und Thomas Scheffer. Zeitschrift für Soziologie, 47(5), 364-373.
Feyerabend, Paul (1980 [1976]). Erkenntnis für freie Menschen. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
Fleck, Ludwig (2019 [1935]). Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache: Einführung in die Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
Flick, Uwe (2019 [2014]). Gütekriterien qualitativer Sozialforschung. In Nina Baur & Jörg Blasius (Hrsg.), Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung (S.473-488). Wiesbaden: Springer VS.
Fourcade, Marion (2011). Cents and sensibility: Economic valuation and the nature of "nature". American Journal of Sociology, 116(6), 1721-1777.
Frankfurt, Harry (1958). Peirce’s notion of abduction. Journal of Philosophy, 55, 593-596.
Gadenne, Volker (2004). Empirische Forschung und normative Wissenschaftstheorie. Was bleibt von der Methodologie des kritischen Rationalismus?. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 44 (Sonderheft), 33-50.
Geimer, Alexander & Diaz-Bone, Rainer (2015). Gütekriterien der qualitativen Sozialforschung. In Rainer Diaz-Bone & Christoph Weischer (Hrsg.), Methoden-Lexikon für die Sozialwissenschaften (S.168-169). Wiesbaden: Springer VS.
Gingras, Yves (2021). "Science" has always been evaluated …and will always be. Social Science Information, 60(3), 303-307.
Götze, Nicolai & Schneijderberg, Christian (2022). Metrical valorization of performance (MeVoP): The funding-induced vertical stratification and the construction of post-Humboldtian research-teaching nexus in German higher education institutions. In Futao Huang, Timo Aarrevaara & Ulrich Teichler (Hrsg.), Teaching and research in the knowledge society (S. 53-76). Doordrecht: Springer.
Graneheim, Ulla H.; Lindgren, Britt-Marie & Lundman, Berit (2017). Methodological challenges in qualitative content analysis: A discussion paper. Nurse Education Today, 56, 29-34.
Guetzkow, Joshua; Lamont, Michele & Mallard, Gregoire (2004). What is originality in the humanities and the social sciences?. American Sociological Review, 69(2), 190-212.
Habermas, Jürgen (1971). The intellectual and social background of the German university crisis. Minerva, 9, 422-428.
Heinich, Natalie (2020a). Towards an axiological sociology. Cultural Sociology, 14(3), 308-321.
Heinich, Natalie (2020b). Ten proposals on values. Cultural Sociology, 14(3), 213-232.
Hirschauer, Stefan (2004). Peer Review Verfahren auf dem Prüfstand. Zum Soziologiedefizit der Wissenschaftsevaluation. Zeitschrift für Soziologie, 33(1), 62-83.
Hirschauer, Stefan; Strübing, Jörg; Ayaß, Ruth; Krähnke, Uwe & Scheffer, Thomas (2019). Von der Notwendigkeit ansatzübergreifender Gütekriterien. Eine Replik auf Paul Eisewicht und Tilo Grenz. Zeitschrift für Soziologie, 48(1), 92-95.
Honneth, Axel (2010). Dissolutions of the social: On the social theory of Luc Boltanski and Laurent Thévenot. Constellations, 17(3), 376-389.
Hussy, Walter; Schreier, Margrit & Echterhoff, Gerald (2020 [2009]). Forschungsmethoden in Psychologie und Sozialwissenschaften für Bachelor (3. Aufl.). Wiesbaden: Springer VS.
Jacobs, Jerry A. (2014). In defense of disciplines. Interdisciplinarity and specialization in the research university. Chicago, IL: University of Chicago Press.
Kelle, Udo (2008). Die Integration qualitativer und quantitativer Methoden in der empirischen Sozialforschung. Theoretische Grundlagen und methodologische Konzepte. Wiesbaden: Springer VS.
Kelle, Udo (2018). Datenerhebung in der quantitativen Forschung. In Leila Akremi, Nina Baur, Hubert Knoblauch & Boris Traue (Hrsg.), Handbuch Interpretativ forschen (S.285-305). Weinheim: Beltz Juventa.
King, Gary; Keohane, Robert O. & Verba, Sidney (1994). Designing social inquiry. Scientific inference in qualitative research. Princeton, NJ: Princeton University Press.
Knoblauch, Hubert; Baur, Nina; Traue, Boris & Akremi, Leila (2018). Was heißt "Interpretativ forschen"?. In Leila Akremi, Nina Baur, Hubert Knoblauch & Boris Traue (Hrsg.), Handbuch Interpretativ forschen (S.9-36). Weinheim: Beltz.
Knorr Cetina, Karin (2002 [1999]). Die Fabrikation von Erkenntnis: Zur Anthropologie der Naturwissenschaft. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
Krämer, Walter (2004). Statistik: Vom Geburtshelfer zum Bremser der Erkenntnis in den Sozialwissenschaften?. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 44 (Sonderheft), 51-60.
Krebs, Dagmar & Menold, Natalja (2019 [2014]). Gütekriterien quantitativer Sozialforschung. In Nina Baur & Jörg Blasius (Hrsg.), Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung (S.489-504). Wiesbaden: Springer VS.
Kuhn, Thomas S. (1976 [1962]). Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
Lamnek, Siegfried & Krell, Claudia (2016 [1988]). Qualitative Sozialforschung. Mit Online-Material (6. überarb. Aufl.). Weinheim: Beltz.
Lamont, Michele (2009). How professors think. Cambridge, MA: Harvard University Press.
Lamont, Michele (2012). Toward a comparative sociology of valuation and evaluation. Annual Review of Sociology, 38, 201-221.
Lamont, Michele & Huutoniemi, Katri (2011). Comparing customary rules of fairness: Evaluative practices in various types of peer review panels. In Charles Camic; Neil Gross & Michele Lamont (Hrsg.), Social knowledge in the making (S.209-232). Chicago, IL: University of Chicago Press.
Lamont, Michele & Thévenot, Laurent (Hrsg.) (2000). Rethinking comparative cultural sociology. Cambridge: Cambridge University Press.
Lienert, Gustav A. (1969). Testaufbau und Testanalyse. Weinheim: Beltz.
Lovitts, Barbara E. (2006). Making the implicit explicit. Faculty’s performance expectations for the dissertation. In Peggy L. Maki & Nancy A. Borkowski (Hrsg.), The assessment of doctoral education. Emerging criteria and new models for improving outcomes (S.163-187). Sterling, VA: Stylus.
Marguin, Séverin; Haus, Juliane; Heinrich, Anna Juliane; Kahl, Antje; Schendzielorz, Cornelia & Singh, Ajit (2021). Positionality reloaded: Debating the dimensions of reflexivity in the relationship between science and society: An editorial. Historical Social Research, 46(2), 7-34, https://doi.org/10.12759/hsr.46.2021.2.7-34 [Datum des Zugriffs: 17. Mai 2023].
Mau, Steffen (2018). Das metrische Wir. Über die Quantifizierung des Sozialen. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
Merton, Robert K. (1968). The Matthew effect in science. Science, 159(3810), 56-63.
Merton, Robert K. (1988). The Matthew effect in science, II: Cumulative advantage and the symbolism of intellectual property. Isis, 79(4), 606-623.
Merton, Robert K. (1993 [1942]). The normative structure of science. In Robert K. Merton, The sociology of science. Theoretical and empirical investigations (S.268-278). Chicago, IL: University of Chicago Press.
Mitroff, Ian (1974). Norms and counter-norms in a select group of the Apollo moon scientists: A case study of the ambivalence of scientists. American Sociological Review, 39(4), 579-595.
Münch, Richard (2014). Academic capitalism: Universities in the global struggle for excellence. New York, NY: Routledge.
Nachtwey, Oliver & Seidl, Timo (2017). Die Ethik der Solution und der Geist des digitalen Kapitalismus. IFS Working Paper #11, Institut für Sozialforschung, Frankfurt/M., https://www.ifs.uni-frankfurt.de/publikationsdetails/ifs-oliver-nachtwey-und-timo-seidl-die-ethik-der-solution-und-der-geist-des-digitalen-kapitalismus.html?file=files%2FContent%2FPublikationen%2FIfS+Working+Papers%2FIfS-WP-11.pdf&fileKey=046e22980d71d48252a73d9fa072b056 [Datum des Zugriffs: 17. Mai 2023].
Neckel, Sieghardt; Czingon, Constanze & Lenz, Sarah (2018). Kulturwandel im Geldgeschäft? Potenziale einer ethischen Selbsterneuerung im Banken- und Finanzwesen. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 70 (Sonderheft 1), 287-316.
Otte, Gunnar; Sawert, Tim; Brüderl, Josef; Kley, Stefanie; Kroneberg, Clemens & Rohlfing, Ingo (2023). Gütekriterien in der Soziologie: Eine analytisch-empirische Perspektive. Zeitschrift für Soziologie, 52(1), 26-49, https://doi.org/10.1515/zfsoz-2023-2006 [Datum des Zugriffs: 17. Mai 2023].
Paris, Rainer (2001). Machtfreiheit als negative Utopie. Die Hochschule als Idee und Betrieb. In Erhart Stölting & Uwe Schimank (Hrsg.), Die Krise der Universitäten (S.194-222). Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.
Patriotta, Gerardo; Gond, Jean-Pascal & Schultz, Friederike (2011). Maintaining legitimacy: Controversies, orders of worth and public justifications. Journal of Management Studies, 48(8), 1804-1836.
Peirce, Charles S. (1966). Collected papers of Charles Sanders Peirce 1931-1958 (hrsg. von A. Burks). Cambridge, MA: Harvard University Press.
Reichertz, Jo (2013). Die Abduktion in der qualitativen Sozialforschung. Wiesbaden: Springer VS.
Reichertz, Jo (2016). Qualitative und interpretative Sozialforschung. Eine Einladung. Wiesbaden: Springer VS.
Reichertz, Jo (2019). Methodenpolizei oder Gütesicherung? Zwei Deutungsmuster im Kampf um die Vorherrschaft in der qualitativen Sozialforschung. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum Qualitative Social Research, 20(1), Art. 3. https://doi:10.17169/fqs-20.1.3205 [Datum des Zugriffs: 17. Mai 2023].
Ringer, Fritz K. (1986). Differences and cross-national similarities among mandarins. Comparative Studies in Society and History, 28(1), 145-164.
Ringer, Fritz K. (1990 [1969]). The decline of the German mandarins: The German academic community, 1890-1933. Hanover: Wesleyan University Press.
Savage, Mike & Waitkus, Nora (2021). Property, wealth, and social change: Piketty as a social science engineer. British Journal of Sociology, 72(1), 39-51.
Schimank, Uwe (2023). Editorial. Zeitschrift für Soziologie, 52(1), 1-5, https://doi.org/10.1515/zfsoz-2023-2007 [Datum des Zugriffs: 17. Mai 2023].
Schneijderberg, Christian (2022). Socialism order of worth and analytical adequacy axiom. Human Studies, 45, 283-308, https://doi.org/10.1007/s10746-022-09629-3 [Datum des Zugriffs: 17. Mai 2023].
Schneijderberg, Christian & Steinhardt, Isabel (2019). Accreditation of X qualities instead of quality X: A normative analysis of criteria of the German higher education accreditation regime. Higher Education Policy, 32(1), 5-28.
Schneijderberg, Christian; Götze, Nicolai & Müller, Lars (2022). A study of 25 years of publication outputs in the German academic profession. Scientometrics, 127, https://doi.org/10.1007/s11192-021-04216-2 [Datum des Zugriffs: 17. Mai 2023].
Schneijderberg, Christian; Wieczorek, Oliver & Steinhardt, Isabel (2022). Qualitative und quantitative Inhaltsanalyse: digital und automatisiert. Weinheim: Belz-Juventa, https://content-select.com/de/portal/media/download_oa/9783779970378/?client_id=406 [Datum des Zugriffs: 17. Mai 2023].
Seale, Clive (1999). Quality in qualitative research. Qualitative Inquiry, 5(4), 465-478.
Seawright, Jason & Gerring, John (2008). Case selection techniques in case study research: A menu of qualitative and quantitative options. Political Research Quarterly, 61(2), 294-308.Smelser, Neil J. (2003). On comparative analysis, interdisciplinarity and internationalization in sociology. International Sociology, 18(4), 643-657.
Sonntag, Nico (2023). Viele Vorschläge zur Güte: Gütekriterien der qualitativen Forschung aus analytisch-empirischer Sicht. Zeitschrift für Soziologie, 52(1), 7-25, https://doi.org/10.1515/zfsoz-2023-2005 [Datum des Zugriffs: 17. Mai 2023].
Steinhardt, Isabel (2015). Lehre stärkt Forschung. Studiengangentwicklung durch ProfessorInnen im Handlungssystem Universität. Wiesbaden: Springer VS.
Steinke, Ines (1999). Kriterien Qualitativer Forschung. Weinheim: Juventa.
Storper, Michael & Salais, Robert (1997). Worlds of production. The action frameworks of the economy. Cambridge, MA: Harvard University Press.
Strübing, Jörg; Hirschauer, Stefan; Ayaß, Ruth; Krähnke, Uwe & Scheffer, Thomas (2018). Gütekriterien qualitativer Sozialforschung. Ein Diskussionsanstoß. Zeitschrift für Soziologie, 47, 83-100.
Susen, Simon (2017). Remarks on the nature of justification: A socio-pragmatic perspective. Research in the Sociology of Organizations, 52(Sonderheft), 349-381.
Thévenot, Laurent (2001 [2000]). Organized complexity. Conventions of coordination and the composition of economic arrangements. European Journal of Social Theory, 4, 405-425.
Thévenot, Laurent; Moody, Michael & Lafaye, Claire (2000). Forms of valuing nature. In Michele Lamont & Laurent Thévenot (Hrsg.), Rethinking comparative cultural sociology (S.229-272). Cambridge: Cambridge University Press.
Trowler, Paul (2014). Depicting and researching disciplines: Strong and moderate essentialist approaches. Studies in Higher Education, 39(10), 1720-1731.
Vatin, Francois (2013). Valuation as evaluating and valorizing. Valuation Studies, 1(1), 31-50, https://doi.org/10.3384/vs.2001-5992.131131 [Datum des Zugriffs: 02. Juni 2023].
Whitley, Richard (1984). The intellectual and social organization of the sciences. Oxford: Oxford University Press.
Wolff, Stefan (2000). Dokumenten- und Aktenanalyse. In Uwe Flick, Ernst von Kardorff & Ines Steinke (Hrsg.), Qualitative Forschung. Ein Handbuch (S.502-514). Reinbek: Rowohlt.
Christian SCHNEIJDERBER ist promovierter Soziologe. Seit 2009 forscht er am International Center for Higher Education Research (INCHER) und lehrt im Fach Soziologie, beides an der Universität Kassel. Im akademischen Jahr 2020/21 hat er die Professur "Soziologie, Methoden und Techniken der empirischen Sozialforschung" am Institut für Soziologie der RWTH Aachen vertreten. Als allgemeiner Soziologe und empirischer Sozialforscher betreibt er bevorzugt theorieentwickelnde und theoriegeleitete qualitative Sozialforschung und Gesellschaftsanalyse. Aktuelle Arbeitsschwerpunkte sind Forschung zu Hochschule und Wissenschaft (z.B. Arbeitsbedingungen, Promotion und Reformfolgeforschung), Konventionentheorie (im Anschluss an BOLTANSKI und THÉVENOT 2014 [1991]), interaktive und multiskalare Wissensschaffung (z.B. in strukturschwachen Räumen in Deutschland und in Subsahara Afrika) und Soziologie des Bewertens. Im Juni 2022 wurde das gemeinsam mit Oliver WIECZOREK und Isabel STEINHARDT gestaltete Lehrbuch Qualitative und quantitative Inhaltsanalyse: digital und automatisiert veröffentlicht.
Kontakt:
Christian Schneijderberg
Universität Kassel
International Center for Higher Education Research (INCHER)
Mönchebergstr. 17, 34109 Kassel
E-Mail: schneijderberg@incher.uni-kassel.de
Schneijderberg, Christian (2023). Konventionen von Gütekriterien empirischer Sozialforschung [68 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 24(3), Art. 1, https://doi.org/10.17169/fqs-24.3.3994.