Volume 9, No. 2, Art. 8 – Mai 2008
Rechtsextremismus und Jugendgewalt im Kontext psychologisch fundierter Biografieforschung
Silke Baer
Review Essay:
Michaela Köttig (2004). Lebensgeschichten rechtsextrem orientierter Mädchen und junger Frauen. Biografische Verläufe im Kontext der Familien- und Gruppendynamik. Gießen: Psychosozial-Verlag 2004, 402 Seiten, ISBN 3-89806-234-1, EUR 24,90
Zusammenfassung: Michaela KÖTTIGs Buch schließt zwei Lücken der bisherigen Rechtsextremismusforschung. Sie beschäftigt sich 1. mit rechtsextrem orientierten Mädchen, die in der Forschung wenig Beachtung fanden bzw. als Mitläuferinnen ohne eigene Handlungsmotivationen dargestellt wurden, und arbeitet 2. durchgängig mit qualitativen Verfahren der Biografieforschung, genauer: mit narrativ-biografischen Interviews und Fallrekonstruktionen. Dabei wird auch die dreigenerationale Familiengeschichte berücksichtigt, das Feld der Psychotraumatologie mit einbezogen und bis in den Erfahrungsraum der frühesten Kindheit zurückgeblickt. Der kontrastive Vergleich der Fallstudien zeigt verschiedene Übereinstimmungen und Varianzen in den Erfahrungsdimensionen der Interviewten, die in der jeweiligen Lebensgeschichte und den gewählten Formen der Lebensbewältigung zum Tragen kommen. Rekurrent wiederkehrende Befunde dabei sind: desolate Beziehungserfahrungen mit den Eltern, die starke Bedeutung mindestens eines Großelternteils und Reflexe der unbewussten transgenerationellen Übertragungen von Affekt- und Gedankenmustern infolge von (De-) Thematisierung der Familienvergangenheit im Dritten Reich seitens der Eltern und Großeltern. In ihrem je unterschiedlichen Zusammenwirken erweisen sich diese und andere Faktoren als spezifisch ausschlaggebend für die Herausbildung von rechtsextremen Handlungs- und Orientierungsmustern. Die erkenntnisreiche Arbeit macht deutlich, wie wichtig Forschung mit qualitativ-biografischen Verfahren in diesem Sozialbereich ist, um ein angemessen komplexes Bild der Bedingungsfaktoren rechtsextremer Biografieverläufe zu gewinnen.
Keywords: Rechtsextremismus, Jugendkulturen, Genderforschung, narrativ-biografische Interviews, Psychotrauma, transgenerationelle Perspektive, Peer-Gruppen-Dynamik, Gewalt, Sozialisation, Jugendarbeit
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
1.1 Rechtsextremismus – ein unklarer Begriff
1.2 Wer wird eigentlich rechtsextrem? – Soziale Erklärungsansätze
1.3 Keine bewusste politische Entscheidung – Rechtsextremismus aus psychologischer Perspektive
1.4 Harte Kerle und unterdrückte Frauen – Genderforschung und Rechtsextremismus
1.5 Anforderungen an die Forschung im Hinblick auf effektive Rechtsextremismusprävention
2. KÖTTIGs Studie: Lebensgeschichten rechtsextrem orientierter junger Frauen
2.1 Frauen im Rechtsextremismus
2.2 Methodisches Vorgehen
2.3 Befunde aus dem kontrastiven Vergleich der Fallrekonstruktionen
3. Fazit und Anschlusspunkte für Jugendarbeit und Forschung
3.1 Anknüpfungspunkte für Bildung und Jugendarbeit
3.2 Familienberatung und Geschichtsprojekte zum Durchbrechen von Gewaltspiralen
3.3 Der Aspekt der Medien (-Interaktion)
Rechtsextreme Haltungen sind ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. Das zeigen die aktuellen Einstellungsuntersuchungen, die Jugendliche und Erwachsene befragen, in aller Deutlichkeit, wie etwa die Veröffentlichung von Wilhelm HEITMEYER "Deutsche Zustände" von 2006 oder die von der Friedrich-Ebert-Stiftung im November 2006 veröffentlichte Studie "Vom Rand zur Mitte. Rechtsextreme Einstellungen und ihre Einflussfaktoren in Deutschland", die von Oliver DECKER und Elmar BRÄHLER (unter der Mitarbeit von Norman GEIßLER) vorgelegt wurde. Hier stimmen etwa 26 Prozent der bundesweit rund 5.000 Befragten z.B. der Aussage überwiegend oder vollständig zu: "Was Deutschland jetzt braucht, ist eine einzige starke Partei, die die Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert." 37 Prozent finden, dass Ausländer(innen) nur nach Deutschland kommen, um den Sozialstaat auszunutzen. Und 25 Prozent teilen die Überlegung, Ausländer(innen) wieder in ihre Heimat zurückzuschicken, wenn die Arbeitsplätze knapp werden (vgl. a.a.O., S.32-33). [1]
Obwohl verschiedene Einstellungsuntersuchungen feststellen, dass Menschen über 26 eher zu Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus und Homophobie neigen als Jugendliche (16-26-Jährige), konzentriert sich die Forschung und pädagogisch-politische Präventionsarbeit auf Jugendliche. Zum einen sicherlich deshalb, weil diese noch als besonders "formbar" gelten und – das mag schwerer wiegen – weil bei Jugendlichen die fremdenfeindlichen, antisemitischen und undemokratischen Haltungen häufiger zu gewalttätigen Handlungsweisen führen. Die Annahme, dass die Konzentration auf Jugendliche gerechtfertigt ist, wird auch von einer jüngeren Buchveröffentlichung von Toralf STAUD (2007) über die NPD gestützt. Denn hierin wird unterstrichen, dass die "Partei der Ewiggestrigen" es "geschafft hat, sich an eine vitale Jugendkultur anzuschließen. Aus der kleinen Skinheadszene von vor fünfzehn, zwanzig Jahren ist heute eine breite Strömung mit verschiedenen Stilen und unterschiedlichen Graden von Eindeutigkeit geworden" (STAUD 2007, S.14). [2]
In dem weiten Feld der Rechtsextremismusforschung wurden zwei Aspekte bislang weitgehend vernachlässigt: zum einen die Geschlechtsspezifik im Hinblick auf die Rolle der Mädchen und zum anderen die komplexe psychosoziale Thematik der transgenerationellen, familiären Wirkungsmechanismen, aufgrund derer Affekt-, Gesinnungs- und Verhaltensweisen aus der Zeit des historischen Nationalsozialismus in der unbewussten Familiendynamik unvermerkt auf die nachfolgende Generation übertragen werden. Michaela KÖTTIG geht in ihrer Arbeit auf beide Aspekte ein: Ihre Grundfragestellung ist, welche Entwicklungen und Erfahrungen dazu führen, dass Mädchen sich rechtsextremen Szenen anschließen, und wie Ereignisse der Familienvergangenheit, die aus der Zeit des Nationalsozialismus herrühren, eigene lebensgeschichtliche Erfahrungen und aktuelle außerfamiliäre Rahmenbedingungen wechselseitig zusammenwirken. [3]
Bevor ich auf KÖTTIGs Arbeit eingehe, soll hier einleitend kurz der Stand der Forschung im Bereich Rechtsextremismus, besonders mit Blick auf Ursachenforschung, Genderaspekt und Präventionsmöglichkeiten, skizziert werden. [4]
1.1 Rechtsextremismus – ein unklarer Begriff
In der bisherigen Rechtsextremismusforschung gibt es unterschiedliche gesellschaftliche und individualpsychologische Erklärungsmodelle für den Anstieg rechtsextremer Orientierungen und Gewalttaten seit den 1980er Jahren. Dabei zeigen sich bereits bei der Begriffsklärung "Rechtsextremismus" unterschiedliche Definitionen. Wilhelm HEITMEYER (1992) legt einen Rechtsextremismusbegriff zugrunde, der im Wesentlichen auf zwei Elementen aufbaut: Ungleichheitsideologien (Sozialdarwinismus, völkischer Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit) und verschiedene Grade der Gewaltakzeptanz. Gerade die zweite Kategorie bedarf, so wird vielfach zurecht kritisiert, einer handlungstheoretischen Präzisierung, da keine Trennlinie zwischen der Akzeptanz, Gewalt selber auszuüben, und einer nur verbalen Befürwortung von Gewaltausübung gezogen wird. Richard STÖSS weist diesbezüglich auf die Notwendigkeit hin, Einstellungen und Verhalten zu differenzieren (vgl. SCHUBHARTH & STÖSS 2000). Seiner Definition nach gelten als Merkmale für rechtsextreme Einstellungen Autoritarismus, Nationalismus, ethnische, rassistische und soziökonomische Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Pro-Nazismus. Verhaltensmerkmale sind Wahlverhalten, Mitgliedschaft in rechtsextremen Organisationen und Verhaltensformen von Protest/Provokation bzw. Gewalt/Terror. [5]
In der jüngeren Forschung wurde das Konzept der sozialen Bewegung zur Beschreibung rechtsextremer Phänomene eingeführt (vgl. Andreas KLÄRNER &. Michael KOHLSTRUCK 2006)1), um der zunehmenden Heterogenität rechtsextremer Ausdrucks- und Organisationsformen Rechnung zu tragen. Angesichts der Veränderungen, die seit einiger Zeit in der rechtsextremen Szene zu beobachten ist, scheint dies tatsächlich sinnvoll. Denn bis Ende der 1990er Jahre zeigten sich deren Anhänger(innen) vornehmlich lediglich in zweierlei Habitus: Entweder als "Scheitelträger" und nationalistischer "Saubermann", organisiert in Parteien wie NPD, DVU und den Republikanern, oder als subkulturell geprägte "Glatzen" mit Bomberjacke und Springerstiefel, die am hypermaskulinen Auftreten der ursprünglich unpolitischen Skinheads orientiert sind. [6]
Inzwischen sind jedoch sowohl das Erscheinungsbild als auch die Organisationsformen der Rechtsextremen um einiges vielseitiger geworden und sprechen damit insbesondere Jugendliche zunehmend in ihren verschiedenen lebensweltlichen Interessen an. Auf Rechtsrock-Konzerten und Demonstrationen zeigen sich neuerdings junge Szeneangehörige, die mit ihren bunten Haaren, Palästinensertüchern, Kapuzen-Shirts oder Baggy-Pants eher dem Spektrum des linksorientierten Punk oder der HipHop-Szene zugeordnet werden könnten. Auch sind in jüngster Zeit neben den rechtsextremen Parteien, Vereinen und Kameradschaften immer mehr informelle Zusammenschlüsse wie z.B. freie Kameradschaften, Aktionsbüros und Internetplattformen entstanden, und die dort verhandelten Themen sind vielseitiger und vor allem bürgernäher geworden. Rechtsextreme Organisationen schlossen sich den Anti-Irak-Kriegs-Demonstrationen und dem Widerstand gegen die Hartz-IV-Reformen an; sie haben Umweltthemen, die Jugendarbeitslosigkeit sowie mangelnde Freizeitangebote für Kinder auf ihre Agenda gehoben. Bei all dem stehen eine hierarchische Ordnung zwischen den einzelnen Organisationen und eine übergreifende Ideologie nicht mehr im Vordergrund. Auch werden kurzzeitige Bündnisse eingegangen, wie das der freien Kameradschaften und der NPD in Mecklenburg-Vorpommern, um der rechtsextremen Partei zum Sieg in der Landtagswahl 2006 zu verhelfen (vgl. "Rechts oben. Vorpommern als Modellregion der extremen Rechten", hrsg. von RAA Mecklenburg-Vorpommern 2007). [7]
KLÄRNER und KOHLSTRUCK heben in ihrem Beitrag "Rechtsextremismus – Thema der Öffentlichkeit und Gegenstand der Forschung" hervor, dass soziale Bewegungen in ihrem Aktivitätsspektrum durch eine übergreifende Zielrichtung eingebunden sind:
"sie beziehen sich auf Prozesse grundlegenden sozialen Wandels, die sie zu befördern oder zu blockieren suchen. […] Die Hauptrichtung ist entscheidend, in die die verschiedenen Elemente einstimmen und in der sie nicht durch eine internalisierte konsistente Ideologie oder durch ein bindendes Programm, sondern durch Symbole, durch Idole, durch Slogans – also durch weit ausdeutbare Integrationsmedien verbunden sind" (KLÄRNER & KOHLSTRUCK 2006, S.31). [8]
Dass eine Ausweitung und Diffusion rechtsextremer Haltungen über die traditionellen Zuordnungen von linker und rechter Ideologie hinaus festzustellen ist, belegt auch eine jüngere Untersuchung von Richard STÖSS (2006), der zufolge 17 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder rechtsextreme Haltungen äußern. Eine solche Gemengelage von Ideologien war noch vor kurzer Zeit kaum zu beobachten. [9]
1.2 Wer wird eigentlich rechtsextrem? – Soziale Erklärungsansätze
Als maßgeblicher sozialpsychologischer und sozialökonomischer Ansatz im Hinblick auf die Ursachenforschung zum Rechtsextremismus gilt die so genannte Individualisierungsthese. Wilhelm HEITMEYER (1992) macht insbesondere die sich aus der Modernisierung ergebenden Desintegrationserfahrungen für Jugendgewalt und Rechtsextremismus verantwortlich. Die Auflösung traditioneller Bindungen in Familie, Nachbarschaft und Berufsleben führe zu Vereinzelungserfahrungen und zu Handlungsunsicherheit, die dann der Entstehung von Gewaltbereitschaft und sozial-darwinistischer Faustrechtlichkeit Vorschub leisten. [10]
Allerdings zeigt das Ergebnis mehrerer Studien, dass rechtsextreme Gewalttäter(innen) keineswegs besonders häufig aus überdurchschnittlich zerrütteten Familien kommen, sondern vielfach auch aus sozial stabilen Milieus. Aus Sicht der Forschung wird hieraus für die Zukunft die methodologische Notwendigkeit abzuleiten und unter Verwendung qualitativer Methodik genauer nachzuforschen sein, was etwa die Kategorie "stabiler familiärer Hintergrund" im Einzelfall bedeuten soll und anhand welcher Kriterien sie zu bemessen wäre. Zudem bleibt bei dem an makrosoziologischen Kriterien orientierten Erklärungsansatz unbeantwortet, warum manche Jugendliche mit rechtsextremen Haltungen auf soziale Unsicherheiten reagieren, andere Jugendliche unter ähnlichen Voraussetzungen sich aber ganz anders verhalten, indem sie sich z.B. einer gewaltablehnenden und weltoffenen Jugendszene zuwenden. [11]
Richard STÖSS (2006) stellt anhand der bereits erwähnten Untersuchung fest, dass nicht die objektive soziale Situation für rechtsextreme politische Haltungen entscheidend ist, sondern die je individuelle Fähigkeit, diese soziale Lage zu verarbeiten. Und dies enthält auch wesentliche Implikationen hinsichtlich der Präventionsarbeit: Denn hieraus geht hervor, dass es zentral um die Ausbildung sozialer und kultureller Kompetenzen, wie z.B. psychosoziales Eigenengagement und die Entwicklung von Hobbys und Freundeskreis, gehen muss, und nicht etwa nur darum, "fit für den Arbeitsmarkt zu sein". Übergreifendes Ziel ist es mithin, die Fähigkeit zu erlangen, persönliche Gestaltungsräume besser entfalten und Frustrationen in biografischen Krisensituationen besser verarbeiten zu können. [12]
1.3 Keine bewusste politische Entscheidung – Rechtsextremismus aus psychologischer Perspektive
Beziehungsanalytische Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Beziehungsqualität zu den Eltern und zum sozialen Umfeld bei der Entwicklung rechtsextremer Orientierung eine wesentliche Rolle spielt. Hajo FUNKE (2001) betont die Bedeutung von Beziehungserfahrungen, wobei es vor allem um frühe Bindungserfahrungen und Eltern-Kind-Interaktionen geht. Bezug nehmend auf eine 1995 publizierte Studie von Christel HOPF (die auch von M. KÖTTIG aufgegriffen wird) schreibt FUNKE,
"dass eine […] positive Normenentwicklung entscheidend davon abhängt, ob den Kindern genügend Zuwendung entgegengebracht wird, ob sie beachtet worden sind und ob man versucht hat, sie jeweils zu verstehen und zugleich auf Bedürfnisse und Rechte anderer Kinder oder auch erwachsener Bezugspersonen im Gespräch mit ihnen (induktiv) aufmerksam zu machen" (FUNKE 2001, S.68f.). [13]
Ausgesprochen wichtig sei es überdies, Normen durch Erklärungen verständlich zu machen und nicht einfach nur "einzubläuen". Es geht also nicht um die An- oder Abwesenheit von Erziehung, sondern um die Qualität von Erziehung und Beziehungen. Das ist insofern relevant, da konservative Stimmen die Zuwendung von Jugendlichen zur autoritär strukturierten extremen Rechten häufig auch als Folge antiautoritärer Erziehungspraktiken in den 1970er Jahren, sozusagen als Gegenbewegung zur fehlenden Wertevermittlung in der Kindheit, darstellen. Auch wenn Michaela KÖTTIG in dem hier zu besprechenden Buch nicht direkt auf diese psychologischen Ressourcen Bezug nimmt, bestätigt sich – dies sei hier vorweggenommen – in ihren Fallrekonstruktionen die Bedeutsamkeit der frühen biografischen Beziehungserfahrungen. [14]
Weitere Befunde zum Thema Rechtsextremismus mit Blick auf das Verhältnis zur NS-Vergangenheit und zu transgenerationeller Weitergabe kommen aus dem Bereich der Psychotraumatologie. Alfred KROVOZA (2005) beschreibt in dem Aufsatz "Gesellschaftliche Gewalt und ihre psychischen Folgen", wie Nachkriegsdeutschland aus psychotraumatologischer Sicht von massiven Abwehrreaktionen gegenüber den eigenen Gewalttaten und Erfahrungen geprägt war und ist. Die Psychoanalyse habe hier die Aufgabe des Durcharbeitens lange Jahre falsch eingeschätzt. Denn sie ging, so KROVOZA, maßgeblich geprägt von MITSCHERLICHs "Die Unfähigkeit zu trauern" (MITSCHERLICH & MITSCHERLICH 1967) davon aus, dass das, worauf die Deutschen durch eine Art pathologischer Melancholie mit Desinteresse, Abwehr, Derealisierung, Verleugnung sowie Teilnahmslosigkeit auf die politische Tatsache reagierten, lediglich die Unmöglichkeit war, über eher abstrakte Verluste (Ideologie, Führer, Ich-Ideale, Selbstbilder sowie Opfer des Krieges) aus der NS-Zeit zu trauern. Tatsächlich jedoch ging es auch um psychotraumatisch wirkende Erfahrungen. [15]
BOHLEBER, so schreibt KROVOZA, hätte 1999 als erster darauf hingewiesen, dass die psychologischen Probleme vieler Patienten und Patientinnen in den 1980er Jahren in der Psychoanalyse nicht richtig diagnostiziert und therapiert wurden, weil Konzepte wie das der MITSCHERLICHs nicht in Richtung Psychotraumatologie weiterentwickelt worden seien. In einer gezielten Trauma-Therapie hätte man vielmehr versuchen sollen, den Patient(inn)en die nachhaltig verstörenden Erlebnisse wieder zugänglich zu machen und die Gewalterfahrungen, je nachdem aus Opfer- oder Täterperspektive, durch Erzählen therapeutisch zu bearbeiten. Nur so könne das eigene gegenwärtige Erfahren und Handeln besser begriffen werden. Diese Chance mag bei denen, die überhaupt Hilfe in Form von Therapie suchten, verspielt worden sein, mit schwerwiegenden Folgen für die nachfolgenden Generationen. KROVOZA weiter:
"Gewalterfahrung der (reinen) Täter führt spätestens in der zweiten Generation zu massiven Traumen […]. Kaum eine deutsche Familie, d.h. der soziale Ort des Trauma-Transfers auf die nachfolgenden Generationen, ist statistisch gesehen – sei's in der Opfer-, sei es in der Täterposition – von der Gewalterfahrung ausgenommen gewesen" (2005, S.139). [16]
Bei aller theoretischen Unschärfe der zugrunde gelegten Begriffe der Traumaweitergabe und des Tätertraumas scheint doch die empirische Tatsache selbst durch viele Studien hinlänglich belegt, und hieraus wird einmal mehr die Notwendigkeit sichtbar, die Familiengeschichten in der NS-Zeit zu rekonstruieren. Rechtsextreme Jugendliche wissen häufig sehr empathisch und detailreich über die Opfer- und Gewalterfahrungen ihrer Großeltern zu erzählen, wobei sie den historischen Kontext und ihre eigene aktuelle Täterschaft komplett ausblenden. Oft stellen sie sich als einzige Verteidiger der Großeltern in ihrer Opferrolle dar, eine Rolle die sonst von niemandem anerkannt würde. [17]
1.4 Harte Kerle und unterdrückte Frauen – Genderforschung und Rechtsextremismus
Der Männlichkeitskult der Skinheadszene und das traditionalistisch erscheinende Frauenbild in rechtsextremen Gruppen machen offensichtlich, dass geschlechtsspezifische Forschung notwendig ist, und dies gilt sicher auch im Hinblick auf gezielte Präventionsarbeit mit Jugendlichen. Bislang wurde der Aspekt aber weitgehend vernachlässigt, was vielleicht auch an einer zu engen Orientierung auf Gesichtspunkte der Gewaltausübung liegt. Im Hinblick auf rechtsextreme Gewalt nämlich ist der Geschlechterunterschied – im Moment wenigstens noch – eklatant: die Ermittlungen wegen Gewaltvergehen mit rechtsextremem Hintergrund gegen Mädchen und Frauen liegen derzeit weit unter zehn Prozent des Gesamtaufkommens. Die Beteiligung von Mädchen an Gewalttaten nimmt allerdings stetig zu, und zwar nicht nur im Kontext von Rechtsextremismus (vgl. BRUHNS & WITTMANN 2002). [18]
Im Hinblick auf politische Einstellungen jedoch sind die Befunde über Frauen und Männer von je her anteilmäßig ähnlich, und in manchen Fragen vertreten Frauen sogar die extremeren Positionen als Männer. Gertrud SILLER (1995) führt dieses Phänomen generell auf eine Art psychischer Externalisierung von gruppeninternen Konflikten nach außen zurück. Der Rollenkonflikt der ökonomischen und sozialen Ungleichheit, in dem sich Frauen gegenüber den Männern ihres Umfelds häufig befinden, wird, so die analytische Annahme, projektiv nach außen verlagert und durch sozialen, ethnischen und rassischen Wohlstandschauvinismus gegenüber anderen Bevölkerungsgruppen kompensiert. Ähnlich wie bei HEITMEYERs Individualisierungsthese bleibt jedoch auch bei dieser makrosoziologischen, pauschalen und feministisch unterlegten Erklärung offen, was Frauen im spezifischen Einzelfall tatsächlich dazu disponiert und veranlasst, Teil der rechtsextremen Szenen zu werden. [19]
Renate BITZANS (2005) beleuchtet in ihrem Aufsatz "Differenz und Gleichheit. Zur Geschlechterideologie rechter Frauen und ihren Anknüpfungspunkten zu feministischen Konzepten" die besondere Anschlussfähigkeit, die rechtsextreme Positionen in Bezug auf "Frauenthemen" aufweisen. Der Beitrag findet sich in dem Band zum Thema Frauen und Rechtsextremismus: "Braune Schwestern? Feministische Analysen zu Frauen in der extremen Rechten" (herausgegeben vom Antifaschistisches Frauennetzwerk, Forschungsnetzwerk, Frauen und Rechtsextremismus 2005), in dem KÖTTIG (2005) die gekürzte Version einer ihrer Fallgeschichten einbringt. Ein weiterer dahingehend bemerkenswerter Aufsatz dieses Bandes stammt von Kirsten DÖHRING und Renate FELDMANN (2005), die anhand von ausgewählten Aktivitätsbereichen aufzeigen, wie stark und wo die Beteiligung von Frauen in rechtsextremen Szenen ansteigt, sei es in Organisationen und Kameradschaften, bei der Publikation von Magazinen und Fanzines oder als Musikerinnen im Rechtsrock-Genre. Dabei wird deutlich, dass die Teilnahme rechtsextrem orientierter Frauen an ihrer Szene keinesfalls eine rein passive, sondern eher eine aktiv gestaltende ist. [20]
1.5 Anforderungen an die Forschung im Hinblick auf effektive Rechtsextremismusprävention
In der politischen Bildungsarbeit mit Jugendlichen zeigt sich, dass rechtsextreme Einstellungen, wie Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, Verachtung für (scheinbar) Schwächere, Ablehnung von allem "Neuen", über die Grenzen bestimmter Jugendszenen hinaus aufzufinden sind. Rechtsextremismus ist schon längst kein Sonderphänomen von Teilen der Skinheadszene mehr, sondern mancherorts eine (jugend-) kulturelle Mainstream-Erscheinung, die sozusagen die Mitte des politischen Bewusstseins einer regionalen Jugendlichenpopulation definiert. Dass Jugendliche flächendeckend rechtsextreme Haltungen wie nebenbei übernehmen, wird in jüngster Zeit durch die bereits erwähnte popkulturell-ästhetische Öffnung der rechtsextremen Szenen und Parteien erleichtert. [21]
So zeigen sich rechtsextrem gesinnte Menschen mit buntem Irokesenschnitt, Palästinensertüchern oder Che-Guevara-Konterfei auf dem Shirt bei dem Pressefest der NPD oder bei Demonstrationen rechtsextremer Organisationen, was noch vor relativ kurzer Zeit undenkbar gewesen wäre. Und damit stellt, wer mit rechtsextremen Jugendlichen arbeitet, schnell fest: den Rechtsextremen oder die Rechtsextreme an sich gibt es nicht mehr – heute weniger noch als vielleicht vor ein oder zwei Jahrzehnten. Richard STÖSS schreibt: "Die Komplexität des Rechtsextremismus besteht aber nicht nur in der Vielfalt seiner weltanschaulichen Versatzstücke und politischen Zielsetzungen, sondern auch darin, dass er uns im politischen Alltag in verschiedenartigen Erscheinungsformen begegnet" (2000, S.21). [22]
Rechtsorientierte Jugendliche unterscheiden sich voneinander in den soziopolitischen Einstellungen, dem intellektuellem Niveau, dem Umgang mit der Geschichte und in ihren Handlungsweisen z.B. in der Art ihres politischen Engagements oder in ihrer Gewaltbereitschaft. Die soziale Jugendarbeit im Bereich Rechtsextremismusprävention muss diesem neuen Vielfältigkeitsphänomen und der biografischen Komplexität des Phänomens Rechtsextremismus Rechnung tragen, um effektiv zu sein. Um differenzierte Strategien des pädagogischen Umgangs entwickeln zu können, bedarf es qualitativer Studien, die vielerlei Faktoren wie die familienbiografische Vorgeschichte, auch die historische Vorgeschichte der lokalen, dörflichen oder städtischen Umgebung und dann vor allem die individuelle, psychosoziale Handlungsdynamik, die sich daraus ergibt, in integrativer Weise zu rekonstruieren. [23]
Dabei mag auch die Art und Weise der Medieninteraktion, die jeder jugendkulturellen Selbstverortung inhärent ist, von der Forschung mehr in Betracht gezogen werden; dies ist zum einen wichtig, um herauszufinden, warum Jugendliche für bestimmte Inhalte empfänglich sind und wie sie im Einzelnen mental damit umgehen – z.B. bei gewaltverherrlichenden, auf bestimmte Gruppen bezogenen menschenverachtenden Texten oder aber bei Narrativen über Soldatenschicksale im 2. Weltkrieg – und warum sie andere Inhalte abwehren oder zynisch aufnehmen – z.B. Schilderungen der Situation von Flüchtlingen oder der Folgen des Holocausts. Auch bei thematisch weniger spezifischen Narrativen stellt sich die Frage der mentalen Medieninteraktion, schon weil die persönliche Medienrezeption ganz im Allgemeinen einen günstigen Zugang für pädagogische Interventionen darstellt. Hinzukommt, dass der Einsatz von Medien offensichtlich bei der Gewinnung neuer rechtsextremer Anhänger(innen) eine gewichtige Rolle spielt. Die "Kids" gewinnt man über Musik, mit diesem Credo trat schon in den 1980er Jahren Ian Stuart Donaldson, Sänger der britischen Nazi-Band Screwdriver und Mitbegründer des Blood & Honour-Netzwerkes, erfolgreich an. Mithin ist die Arbeit mit Medien und (jugend-) kulturellen Inhalten sowohl für die präventive und direkt auf rechtsextreme Jugendliche orientierte Arbeit als auch für die qualitative Forschung wichtig, auf der die Entwicklung pädagogischer Interventionsmittel aufbauen muss. [24]
2. KÖTTIGs Studie: Lebensgeschichten rechtsextrem orientierter Mädchen und junger Frauen
Vom Aufbau des Bandes her erläutert KÖTTIG nach einem Überblick zur Rechtsextremismusforschung (Kapitel 1) ihr methodisches Vorgehen (Kapitel 2), das sich auf biografisch-narrative Interviews (nach ROSENTHAL) und eine Gruppeninteraktionsanalyse stützt. Das große dritte Kapitel führt die "Fallrekonstruktionen" aus und bildet den Schwerpunkt der Arbeit (S.89-312). Hier werden die Ergebnisse aus der Gruppenprozess- und Interaktionsanalyse einer rechtsextrem orientierten Jugendclique sowie die Auswertungen der Interviews mit drei rechtsorientierten Mädchen dargestellt. In Kapitel 4 erfolgen der "kontrastive Vergleich der Fallrekonstruktionen" und die "theoretische Verallgemeinerung", in der die Autorin gemäß ihrer biografiewissenschaftlichen Methode eine übergeordnete Typenbildung anstrebt. Dabei werden neben den ausführlich dargestellten Fallrekonstruktionen über drei junge Frauen noch einzelne Befunde aus den anderen (insgesamt 32) Interviews eingearbeitet. [25]
In ihrem rechtsextremismustheoretischen Überblick nimmt KÖTTIG ebenfalls kritisch auf die oben bereits ausgeführte Individualisierungsthese von Wilhelm HEITMEYER (1992) Bezug und moniert deren eindimensionale Ausrichtung auf sozialökonomische Globalisierungsaspekte. Dies habe in ihrer Dominanz verhindert, dass anders orientierte Erklärungsansätze gebildet wurden, und zudem den Fokus tendenziell auf den Osten Deutschlands verengt, wo ja ökonomische und gesellschaftliche Veränderungen und Verunsicherungstendenzen besonders stark gewesen seien. U.a. mit Verweis auf die Ergebnisse der Shell-Studie von 1992 (Jugendwerk der deutschen Shell 1992) stellt KÖTTIG klar, dass rechtsextreme Akteure und Akteurinnen keineswegs immer aus ökonomisch schwachen und zerrütteten Familien kommen. [26]
Zudem weist KÖTTIG auf ein Untersuchungsergebnis des Projekts "Internationales Lernen" an der Universität Tübingen hin, in dem das Kriterium der Vorstellungen zum gesellschaftlichen Zusammenleben und persönlichen Vorankommen in den Blick genommen wurden: In ihrer empirischen Arbeit stellten HELD, HORN, LEIPRECHT und MARVAKIS (1991) einen Zusammenhang zwischen rechtsextremen Haltungen und einer überdurchschnittlich instrumentalistischen, d.h. auf Status, Aufstieg und ökonomischen Erfolg bezogenen Einstellung heraus. Auffallend war dabei, dass die Angehörigen der Untersuchungsgruppe mit hohen Nationalismuswerten eher besser in Schule und Beruf integriert waren als die Jugendlichen mit niedrigen Nationalismuswerten. [27]
KÖTTIG erwähnt darüber hinaus Studien, die die Sozialisationsbedingungen in der DDR für eine Prädisposition im Hinblick auf Rechtsextremismus verantwortlich machen. Die Gewöhnung an "autoritäre Charakterstrukturen" mache es den ehemaligen DDR-Bürger(inne)n bzw. deren Kinder schwer, eine eigene Identität auszubilden (vgl. LYNEN VON BERG 1994; MELZER, SCHRÖDER & SCHUBHARTH 1992). Auch der Kriminologe Christian PFEIFFER stellte 1999, so KÖTTIG, mit seiner kontroversen "Töpfchenthese" eine Verbindung zwischen der durch "Drill und Dressurakte" geprägten DDR-Erziehung in den Kinderkrippen und den rechtsextremen Tendenzen in den neuen Bundesländern her. Allerdings, so merkt KÖTTIG an, seien dergleichen Hypothesen kaum zu prüfen und zum Teil von diffamierenden Untertönen getragen. [28]
Außerdem, so möchte ich hinzufügen, ist es unsachgemäß und auch unlauter, die Problematik des Rechtsextremismus so sehr auf die "neuen" Bundesbürger(innen) zu beziehen. Denn auch wenn rechtsextreme Organisationen wie die NPD, die DVU oder diverse Kameradschaften sich die Umbruchsituation nach der Wende zunutze gemacht und in den neuen Bundesländern Anhänger und Anhängerinnen vermehrt akquiriert haben, ist Rechtsextremismus kein Phänomen allein der neuen Bundesländer; dies wäre leicht zusätzlich durch die Verfassungsschutzberichte aus Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und durch Berichte über das Anwachsen rechtsextremer Kameradschaften etwa im Münchner Umland zu belegen. [29]
KÖTTIG weist in ihrem Überblick deutlich darauf hin, wie widersprüchlich die Befunde in der Rechtsextremismusforschung sind. Die quantitativen Untersuchungen sagen in ihren Fragestellungen tatsächlich mehr über die Annahmen der Forschenden aus, als dass sie fundierte Erkenntnisse über politische Einstellungen und deren Hintergründe liefern. Trefflich zitiert die Autorin Thomas KLICHE zu diesem Phänomen:
"Ob Rechtsextremismus zu- oder abnimmt, ob er bei armen Absteigern oder saturierten Mittelschichten, in Ost- oder Westdeutschland […], ob er sich gegen kapitalistische Modernisierung oder veralteten Sozialismus richtet, ob er sich als soziale Bewegung bündelt, auf barbarischen Gewaltakte beschränkt bleibt oder im Wahlverhalten verharrt – gleich welche Entwicklung, sie wird prognostiziert worden sein." (S.24) [30]
Zudem sei durch die Konzentration auf Fragestellungen der sozioökonomischen sowie herkunftsbezogenen Hintergründe (Ost-/Westdeutschland) von rechtsextremen Jugendlichen, so KÖTTIG, der Blick auf andere Forschungsansätze verstellt worden. Weitgehend unbeachtet blieben z.B. Studien, die besagen, dass trotz unterschiedlicher Erziehungssysteme in der BRD und DDR Sympathiewerte bezüglich der Einstellungen zur NS-Zeit bzw. zu Adolf Hitler in Ost und West ähnlich sind (SCHUBARTH & SCHMIDT 1992). Das zeige auch, dass die Familienvergangenheit der rechtsorientierten Jugendlichen in den Blick genommen werden müsse. KÖTTIG führt hier INOWLOCKI und SCHIEBEL an, die bereits 1992 auf die Bedeutung der Großeltern für rechtsextreme Orientierungen und auf die Notwendigkeit von Mehrgenerationenstudien hingewiesen hätten. Für die Rechtsextremismusprävention sei die Frage, inwieweit innerfamiliäres Sprechen bzw. Schweigen über das Dritte Reich bei jungen Menschen eine Prädisposition zu rechtsextremen Haltungen hervorbringen kann, hochrelevant, da dies eine Untersuchungsperspektive erfordern würde, die die ganze Familie miteinbezieht. KÖTTIG skizziert auch Ergebnisse aus der psychologischen Bindungsforschung. HOPF, RIEKER, SANDEN-MARCUS und SCHMIDT (1995), auf die sich auch der eingangs von mir erwähnte FUNKE (2001) bezieht, haben den Zusammenhang zwischen frühkindlicher Beziehungserfahrung und politischer Orientierung von jungen Männern herausgearbeitet. Keine(r) der von HOPF u.a. Befragten, die eine sicher-autonome Beziehungsrepräsentation aufwiesen, zeigte rechtsextreme Neigungen; nur jene taten dies, die abwehrende bzw. symbiotisch-verstrickte Beziehungsmuster erkennen ließen. [31]
2.1 Frauen im Rechtsextremismus
Ein deutliches Manko in den bestehenden Studien ist das Fehlen einer geschlechter-differenzierenden Wahrnehmung. Zwar wird in vielen Studien überwiegend berichtet, dass gewalttätiger Rechtsextremismus vor allem ein Problem junger Männer ist. Allerdings gibt es, so KÖTTIG, Hinweise auf eine steigende Gewaltbereitschaft unter rechtsextremen Frauen:
"Der Anteil von Täterinnen bei fremdenfeindlichen Straftaten wurde 1991/1993 auf 3,7% bis 5,1% (Willems u.a. 1994: 28) geschätzt und im Jahr 1997 auf ca. 9%. Wenngleich diese Zahlen vergleichsweise gering erscheinen, bedeuten sie einen Anstieg der weiblichen Tatbeteiligung um ein Vielfaches" (S.44). [32]
Dabei sei eine Art geschlechtsspezifische Arbeitsteilung zu beobachten: Bei Gruppendelikten sind es Frauen/Mädchen, die vorwiegend das eigene Geschlecht in der "Gegnertruppe" attackieren. [33]
In rechtsextremen Parteien sind Frauen zwischen sieben Prozent (DVU) und 19 Prozent (Republikaner) vertreten. In rechtsextremen Kameradschaften liegt der durchschnittliche Frauenanteil bei 20 Prozent. Seit den 1990er Jahren gibt es darüber hinaus eine steigende Zahl an eigenständigen Mädchen- und Frauengruppen junger Kameradschaften. Dies ist ein Hinweis darauf, so KÖTTIG, dass Mädchen in der Szene mehr als bislang angenommen eigenständig "für Volk und Vaterland" tätig sein wollen (S.48). Einstellungsbefragungen zeigten immer wieder, dass Frauen in puncto Fremdenfeindlichkeit, Sozialdarwinismus etc. ähnliche Haltungen wie Männer angeben. Wenn geschlechtsspezifische Items abgefragt werden, die den sozialen Nahraum von Mädchen/Frauen betreffen (Sicherheit im Wohnumfeld, Sexualstraftaten, Kindermissbrauch), kämen bei den weiblichen Befragten sogar extremistischere Haltungen zu Tage als bei den männlichen. [34]
Auf die bestehende Forschung über rechtsextremistisch orientierte Frauen geht KÖTTIG nur knapp ein. Dabei stellt sie insbesondere den feministisch-kapitalismuskritischen Ansatz von HOLZKAMP und ROMMELSPACHER zur "Dominanzkultur" und Gertrud SILLERs geschlechtsspezifische Weiterentwicklung der HEITMEYERschen These zur Verunsicherung weiblicher Sozialisation dar. Eine kritische Auseinandersetzung mit diesen Ansätzen wäre vielleicht am Schluss der Arbeit im Kontext von KÖTTIGs eigenen Forschungsergebnissen schlüssiger gewesen. Allerdings nutzt die Autorin die Darstellung der ideologiekritischen, in ihrer Thesenbildung festgelegten und damit deduktiven Arbeiten, um deutlich zu machen, dass sie im Hinblick auf Erkenntnisse über rechtsorientierte Mädchen eigentlich wenig aussagekräftig sind, insbesondere weil sie nicht zwischen den verschiedenen Rollen und Positionen unterscheiden, die Frauen im Rechtsextremismus einnehmen. Schließlich sei anzunehmen, dass die Handlungs- und Deutungsmuster bei einer jungen Frau, die Funktionärin in der NPD ist, andere sind als bei einer Frau, die als Skingirl einer gewaltbereiten Mädchen-Kameradschaft angehört. [35]
In Kapitel 2 stellt KÖTTIG den methodischen Ansatz ihrer Untersuchung vor, die sie der verstehenden bzw. interpretativen Soziologie zuordnet. Zum einen analysierte sie Gruppenprozesse in einer rechtsextremen Clique. Sie arbeitete dort neun Monate einmal wöchentlich als sozialpädagogische Betreuerin und war zugleich teilnehmende Beobachterin. Zum anderen, und das ist der zentrale Teil ihrer Untersuchung, führte sie narrativ-biografische Interviews mit rechtsextrem orientierten Mädchen durch. Die insgesamt 32 Interviewpartnerinnen im Alter zwischen 13 und 22 Jahren hat KÖTTIG durch Internetanfragen in entsprechenden Chatrooms und durch Direktkontakte über Sozialarbeiter(innen) gewonnen. [36]
Die Auswertung der Interviews erfolgte im Verfahren der biografischen Fallrekonstruktion nach ROSENTHAL (1987, 1995). Laut ROSENTHAL können über die biografische Selbstpräsentation nicht nur Erkenntnisse darüber gewonnen werden, welche lebensgeschichtlichen Momente in der Sozialisation einwirkten, sondern auch über die Art und Weise, wie diese "zur Konstitution von Erfahrungsmustern führen, die zur gegenwärtigen und zukünftigen Orientierung in der Sozialwelt dienen" (Zitat von ROSENTHAL in KÖTTIG, S.75). Die Biografie wird hierbei als Schnittstelle zwischen persönlicher Lebensgeschichte und gesellschaftlicher Entwicklung verstanden. Bezogen auf ihre Fragestellung hat KÖTTIG dann Typen entwickelt, die darstellen, welche "unterschiedlichen Erlebnisse und Konstellationen dazu geführt haben, dass sich diese […] Mädchen der rechtsextrem orientierten Szene zugewendet haben, welche Bedeutung diese politische Orientierung in ihrem Leben hat sowie aufgrund welcher Erfahrungen sich diese Orientierung wie transformiert hat" (S.78). [37]
Die Auswahl der Fälle, die KÖTTIG zu einer ausführlichen Rekonstruktion heranzieht, erfolgte nach dem theoretischen Sampling von GLASER und STRAUSS (1998): Nachdem der erste Fall analysiert ist, werden Fälle, die minimal bzw. maximal kontrastieren, zur weiteren Auswertung herangezogen. In dem vorliegenden Buch stellt KÖTTIG in ergebnisorientierter Weise drei biografische Fallrekonstruktionen vor. Hier fehlen allerdings Informationen darüber, inwiefern die insgesamt 32 Interviews ausgewählt wurden, um Minimal- oder Maximalkontraste systematisch ausmachen zu können. Das wäre umso hilfreicher, da am Schluss der Arbeit Fragmente aus verschiedenen Interviews, die nicht ausführlich untersucht wurden, in die vergleichenden Fallrekonstruktionen einfließen. [38]
Ein großes Plus der Arbeit ist jedoch, dass KÖTTIG zur Feinanalyse und qualitativen Erweiterung des Hypothesenspektrums mit Fachliteratur aus relevanten Disziplinen arbeitet. Dabei beschränkt sie sich keinesfalls nur auf politikwissenschaftliche Studien und scheut nicht, wie so viele ihrer Kollegen und Kolleginnen, die Öffnung zu Erkenntnissen aus der (Entwicklungs-) Psychologie und Psychotraumaforschung. Diese interdisziplinäre Offenheit gewährleistet einen deutlichen Erkenntnisgewinn, den ältere Studien der Rechtsextremismusforschung vermissen lassen. [39]
2.3 Befunde aus dem kontrastiven Vergleich der Fallrekonstruktionen
In den Fallrekonstruktionen von "Alexandra Kranz", "Jacky Mahler" und "Svenja Hart", die im dritten Kapitel ausführlich dargestellt werden, zeigt sich, dass im Prozess der politischen Verortung der jungen Frauen ein "wechselseitiges Zusammenwirken schwieriger biografischer, unbearbeiteter familiengeschichtlicher Themen" einerseits und "stützender außerfamilialer Rahmenbedingungen" etwa in den verschiedenen Jugendszenen andererseits zu rekonstruieren ist. Die Art und Weise, wie die jungen Frauen Rechtsextremismus leben, ist in diesem Kontext "eng mit ihrer persönlichen Familien- und Lebensgeschichte verbunden" (S.314). [40]
2.3.1 Dreigenerationale Perspektive
Ein Befund ist die signifikante Identifikationsbeziehung zwischen den Mädchen und den Großeltern. Die jungen Frauen scheinen fasziniert von den Leidensgeschichten aus dem 2. Weltkrieg – von Todesangst, Vertreibung und Flucht. Die Interviews zeigen, dass vor allem die Geschichten über "Krieg, Flucht und die damit verbundenen Gewalterfahrungen wie der Kriegsgefangenschaft" oder auch über "Entbehrungen, Not und Hunger" wie auch über erlittene Folter erzählt werden (S.320). Diese Themen greifen die Mädchen in ihrem Agieren in der rechtsextremen Szene unmittelbar auf. Alexandra etwa schreibt selbst Musiktexte wie folgenden für ihre Band:
"Gab's Sturm und Schnee, und war auch schlechte Sicht, der Feind, der brach ihren Willen nicht. Sie waren bereit, für Deutschland alles zu geben. In jener blutigen Gefechtsnacht, hat so mancher noch mal an zu Haus' gedacht, und die Stunde als er in die Ferne schritt. […] Unseren Ahnen machen wir es gleich und kämpfen für ein viertes Reich." (S.177) [41]
Dies stellt auch eine von wenigen Passagen in KÖTTIGs Arbeit dar, die auf die Möglichkeit aufmerksam machen, begleitend auch Medieninteraktions-Studien einzusetzen (vgl. WEILNBÖCK 2003). Denn hier werden ja Medien genutzt und sogar selbst produziert, die in der Jugendszene dann eine große Rolle spielen. [42]
Trotz dieser deutlichen thematischen Bezüge zu Drittem Reich und Krieg ist für KÖTTIG auffallend, dass die Biografinnen jegliche mögliche direkte Beteiligung der Großväter an Kriegsverbrechen oder auch nur deren Faszination für den Nationalsozialismus in ihren Erzählungen unerwähnt lassen. Diese Auslassung, so meint sie, entspricht der Selbstrepräsentation der sogenannten "Hitlerjugend Generation" (ROSENTHAL 1987). Deren Euphorie für die NS-Ideologie, durch dessen starke pädagogische Manipulation sie zutiefst geprägt wurden, hatte ab 1945 keinen Platz mehr. Die Haltungen gegenüber den neuen Staatssystemen, in denen sie von nun ab lebten (DDR, BRD bzw. auch Österreich), waren teilweise ambivalent. Anstatt die eigene politische Geschichte im persönlichen Rahmen aufarbeiten zu können, wurde geschwiegen. Dazu kommt, dass die männlichen Angehörigen der Generation mögliche Täteranteile gänzlich ausblende(te)n. Dies wird von den Enkelinnen reproduziert, oder wie KÖTTIG es fasst: "rechtsextrem orientierte Mädchen lassen in den Familien durch ihre gegenwärtige politische Haltung die von ihren Großeltern unbearbeiteten und latent weitergegebenen Faszinationsmomente des Nationalsozialismus wieder thematisch werden" (S.324). [43]
Ferner arbeitet KÖTTIG heraus, dass in der Art, in der die Biografinnen ihre politische Haltung leben, (zum Teil verborgene) Aspekte der Familienvergangenheit sichtbar würden. Als Beispiele nennt sie – neben der Verarbeitung der großväterlichen Kriegserfahrungen in Liedtexten von Alexandra – Svenjas Hass auf Menschen "russischer" Herkunft, den sie selbst mit der Fluchtgeschichte der Großmutter erklärt. Was auf den ersten Blick verfängt, erweist sich bei genauer Betrachtung als eine besondere Art unbewusster Wiederholungshandlung, wie an folgender von KÖTTIG herausgehobenen Verbindung deutlich wird: Svenja engagiert sich für Häftlinge, die wegen rechtsextrem motivierter Straftaten inhaftiert sind. KÖTTIG hat in diesem Fall durch Archivanfragen herausgefunden, dass zwei von Svenjas Urgroßvätern für die Bewachung von Häftlingen im Rahmen der Wehrmacht zuständig waren und nimmt hier einen Zusammenhang der transgenerationellen Wiederholung an. [44]
2.3.2 Reproduktion unsicherer Bindungserfahrungen
Ein wesentliches Ergebnis der Studie ist, dass in allen untersuchten Fällen problematische Beziehungsstrukturen zu den Eltern bzw. Großeltern deutlich werden, die mitunter zum Kontaktabbruch führten oder aber von symbiotischem Abgrenzungsmangel zeugten. Entsprechend den in der Besprechung bereits mehrmals erwähnten Befunden von HOPF u.a. (1995) zeigte sich auch hier, dass keines der Mädchen dem Bindungstyp "sicher gebunden" entspricht. Die Eltern von Alexandra, Jacky und Svenja waren real und/oder emotional abwesend oder stellten zum Teil eine ernstliche Bedrohung für die Mädchen dar. Vor diesem Hintergrund nutzen die Biografinnen ihre politischen Orientierungen und ihre soziale Rolle in der Gruppe vor allem auch als Inszenierungsraum, um die ungelösten Konflikte aus ihrer Familiendynamik auszuagieren. Dabei gelingt es ihnen nicht, sich altersgemäß von den Eltern zu lösen. Vielmehr bleiben sie in den destruktiven Bindungen ihrer Familien verstrickt und reproduzieren die Konflikt- und Traumakonstellationen ihrer Kindheit im Rahmen der rechtsextremen Szene. [45]
Svenja sucht sich durch ihre Zugehörigkeit in einer rechtsextremen Gruppe ein ambivalentes Beziehungsgeflecht, wie sie es aus ihrem Elternhaus kennt. Die Eltern hatten permanent Koalitionen gebildet, in denen Svenja entweder ausgegrenzt oder in bestimmte Funktionen gestellt war. Später als junge Frau muss sie, die stark sehbehindert ist, damit rechnen, von der sozialdarwinistisch eingestellten rechten Szene ausgegrenzt zu werden. Andererseits gelingt es ihr dort durch eigene Koalitionsbildung, die sie nach dem Beispiel ihrer Familie einrichtet, enge, aber mitunter sehr brisante Bindungen herzustellen. Jacky, die seit ihrem 12. Lebensjahr nach dem Tod der Mutter mit einem alkoholkranken und gewalttätigen Vater weitgehend alleingelassen war, hat es in der männerdominierten und von Gewalt- und Alkoholkonsum geprägten rechtsextremen Szene mit ähnlichen Phänomenen zu tun bekommen. [46]
Alexandra nimmt in der rechten Szene eine Außenseiterrolle ein, indem sie sowohl ästhetisch (rot gefärbte Haare) als auch inhaltlich ("dass da die Juden vergast wurden, ich find' das nicht gut …", S.173) rechte Codes und Ideologien infrage stellt. Damit begibt sie sich in eine Bedrohungssituation, "die der ihrer frühsten Kindheit gleicht" (S.338). Dort war sie einer unberechenbaren, lebensgefährlichen Situation von Vernachlässigung und Misshandlung durch die Eltern ausgesetzt. Wie real diese Bedrohung war, wird daran deutlich, dass ihre Zwillingsschwester im Alter von vier Monaten an den Folgen von Misshandlungen wahrscheinlich des Vaters stirbt. Auch in der rechtsextremen Szene kommt Alexandra dem Thema von Lebensbedrohung sehr nahe. Aber nicht sie, sondern ihr bester Freund Jens wird von Kameraden erschlagen. [47]
Neben dem Ausagieren destruktiver Erfahrungsmuster kann der Einstieg in die rechtsextreme Szene aber auch den Versuch darstellen, biografische Erlebnisse zu bearbeiten. Svenja sucht sich in der Szene "Ersatzväter", die sie ernst nehmen kann und die sie ernst nehmen. Jacky erprobt in ihren Beziehungen zu Männern in der Szene neue Handlungsvarianten im Umgang mit der Bedrohung durch Gewalt und Alkohol.
"Sie sucht sich also einen Gruppenzusammenhang, in dem die gleichen Elemente der Unterdrückung präsent sind, die sie im Umgang mit dem Vater erlebt. […] Der Unterschied zum Erleben in der Ursprungsfamilie ist jedoch, dass sich Alkohol und Gewalt in ihrer Herkunftsfamilie gegen sie gewendet haben. In der rechtsextrem orientierten Gruppe dagegen muss sie diese Gefahr – sofern sie sich entsprechend verhält – nicht unmittelbar befürchten, da sie selbst Mitglied der Gruppe ist." (S.237f.) [48]
2.3.3 Biografische Gewalterfahrungen als Ursache für gewalttätiges Handeln
Die Ausübung von Gewalt spielt in rechtsextremen Jugendcliquen im Vergleich zu anderen Jugendszenen eine große Rolle. Nach außen gerichtete Gewalt gegen "Fremde und Feinde" ist ein durch die rechtsextreme Ideologie legitimiertes Verhalten; die Gewalt nach innen wird mit der Notwendigkeit geheimbündlerischer Gruppensolidarität und Hierarchien gerechtfertigt. [49]
Im Umgang mit der Gewaltthematik zeigt sich in der Analyse KÖTTIGs besonders deutlich, dass die Art, wie die rechte Orientierung ausgelebt wird, in engem Zusammenhang mit den biografischen Erfahrungen steht. "Wenn sich Gewalterfahrungen durch das Leben der Biographinnen ziehen, so nimmt das Thema Gewalt auch einen wesentlichen Stellenwert in ihren Interaktionen innerhalb der rechtsextremen Szene ein" (S.344). Gewalterfahrungen werden durch einen destruktiven Wiederholungszwang reinszeniert. Jacky setzt sich durch die Wahl ihrer Partner immer wieder gewalttätigen Verhaltensweisen aus. Durch eine Bulimie reagiert sie mit Gewalt gegen sich selbst. Gleichzeitig provoziert sie aber auch Schlägereien. Auch Alexandra ist wiederholt in Schlägereien verwickelt; aber: wenn sie allein ist, bekommt sie Todesängste. Ein anderer Fall ist auf Seite 344 nur angedeutet: ein Mädchen ist in ihrer Jugend sexuellem Missbrauch ausgesetzt, später wird sie innerhalb der rechtsextremen Szene immer wieder Opfer von Vergewaltigungen. [50]
Damit bleibt das Thema der sexuellen Gewalt innerhalb der rechtsextremen Szene auch hier nur angerissen. Es gibt Hinweise von Beobachtenden rechtsextremer Cliquen, die nahelegen, dass sexuelle Übergriffe gegenüber weiblichen Szenemitgliedern durchaus nicht selten sind und zum Teil ritualisiert in der Gruppe stattfinden, aber es gibt keine fundierten Studien, auf die KÖTTIG rekurrieren könnte. Die Autorin liefert jedoch selbst Befunde zum Thema gruppeninterner Gewalt gegenüber Frauen, und zwar sowohl aus ihrer Gruppenprozessanalyse als auch aus den Einzelinterviews. Dabei lässt sich u.a. beobachten, dass Mädchen zwar oftmals durch einen rechtsextremen Freund in die Szene kommen, aber diese Verbindung nach Eintritt in die Szene sehr häufig auflösen: "Denn wird der Blick darauf gerichtet, wer innerhalb der Gruppe gegenüber wem Gewalt ausübte, muss konstatiert werden, dass Mädchen, die einen Partner innerhalb der Gruppe hatten, am stärksten gefährdet waren, von Gewalt betroffen zu werden." (S.114) [51]
Bei den meisten gab es konkrete Hinweise auf physische Übergriffe durch die Partner. Um sich gegenseitig stärker zu schützen, würden, so stellt KÖTTIG fest, "Mädchen-Ingroups" gebildet (vgl. S.366). Und Partner werden dann eher außerhalb der Szene gesucht. Hiermit ist einem alten Mythos über Frauen und Rechtsextremismus deutlich widersprochen: Frauen erscheinen keinesfalls vor allem als in traditionellen Frauenrollen verhaftete Anhängsel ihrer ideologiesicheren Lebensgefährten, sondern suchen sich eher eigenständige Positionen in der Szene. [52]
2.3.4 Mangelnde Intervention durch Schule und Jugendhilfeeinrichtungen
Im letzten Teil des Buches stellt KÖTTIG kurz die außerfamiliären Rahmenbedingungen dar, die in der Lebensgeschichte der jungen Frauen wirksam waren. Ihr Blick auf die soziale Situation in den neuen und alten Ländern bietet zunächst wenig neue Anhaltspunkte und bleibt, was die Entwicklungen im Westen betrifft, recht vage. (Beschreibungen wie Protest- und Umbruchstimmung der Post-68er-Bewegung, Übergang zu politischem Desinteresse und Konsumorientierung oder steigende Jugendarbeitslosigkeit scheinen ohne Bezug zu den Biografinnen und dem Thema Rechtsextremismus im Westen.) [53]
Für Ostdeutschland ist klar, dass nach der Wende rechtsextreme Organisationen massiv versucht haben, an politischem und kulturellem Einfluss zu gewinnen. Durch die zielgerichtete Rekrutierung junger Menschen durch rechtsextreme Kader wurden bestehende Jugendgruppen als Ganze politisiert und stiegen gemeinsam in die rechtsextreme Szene ein (vgl. S.346). In der regionalen politischen Öffentlichkeit fehlte es an gewachsenen demokratischen Strukturen, die einen wirksamen Widerstand gegen die rechtsextreme Vereinnahmung von Jugendlichen (und Erwachsenen) hätten bieten können. Das betrifft insbesondere auch die Lehrer(innen), die sich "in Ostdeutschland aufgrund der DDR-Geschichte und den damals in den Schulen vermittelten politisch-ideologisch Inhalten nun grundsätzlich scheuen, politische Auseinandersetzungen im Rahmen der Schule zu führen" (S.357). [54]
Ein Ergebnis bzgl. der Rahmenbedingungen sticht hervor: Weder die interviewten Mädchen im Westen noch im Osten scheinen von den Pädagog(inn)en in ihren Schulen oder Jugendhilfeeinrichtungen in nachhaltiger Weise auf ihre Zuwendung zur rechtsextremen Szene angesprochen worden zu sein. Dabei hielten sich relativ viele der Mädchen zeitweise in Einrichtungen von Erziehungshilfemaßnahmen (Betreutes Wohnen, Kinder- und Jugendheime) auf. Und in der Schule wurde – wenn überhaupt – mit den üblichen Sanktionen im Hinblick auf Verbote bestimmter Kleidungsstile und Marken reagiert. Diskussionsangebote oder Hilfestellungen, durch die die Mädchen mit ihrer Haltung konfrontiert worden wären und Gelegenheit zur Reflexion erhalten hätten, wurden an keiner Stelle sichtbar. [55]
2.3.5 Konsequenzen für die Jugendarbeit
Der abschließende Blick von Michaela KÖTTIG richtet sich auf die Sozialarbeit im Umgang mit rechtsextrem orientierten Jugendcliquen. Sie legt dar, dass die beiden vorherrschenden Ansätze – der akzeptierende auf der einen Seite und der konfrontative auf der anderen – erfahrungsgemäß dazu geführt haben, dass Einstellungsmuster vertieft wurden. Während in der akzeptierenden Jugendarbeit die Abgrenzung zu den von den Jugendlichen vertretenen Inhalten nicht gegeben war, läuft der konfrontative Ansatz ins Leere, da er ein gar nicht unbeliebtes Übungsfeld für die Jugendlichen ist, sich in rechtsextremen Argumentationsstrategien zu trainieren. [56]
KÖTTIGs Empfehlung an die Sozialarbeit ist daher, sich ähnlich ethnografischen Feldforschenden dem Arbeitsgebiet zu nähern oder, wie SCHÜTZE es nennt, sich eine "methodische Fremdheitshaltung" (S.376) anzueignen. Das Prinzip des pädagogischen Intervenierens und "Handeln-Müssens" soll durch das Prinzip des "Verstehen-Wollens" ersetzt werden. Dabei geht es darum, mit narrativen Nachfragen bzw. Erzählaufforderungen die soziale Wirklichkeit der Jugendlichen zu thematisieren. [57]
In der Tat ist die Methode des narrativen Nachfragens, die ja eine Forschungshaltung ist, in der politischen Bildung mit Rechtsextremen noch nicht wahrgenommen worden. Das Verfahren der "Subversiven Verunsicherungspädagogik", das in einem Forschungsprojekt von 2003-2005 unter der Leitung von Eckart OSBORG (2006) an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg entwickelt wurde, geht zwar davon aus, dass mit argumentativen Strategien den Jugendlichen im Gespräch nur fruchtlos "hinterher diskutiert" werde und setzt stattdessen eine Technik des Nachfragens ein. Diese jedoch versucht, jedem Argument und Vorurteil nach dem Motto "Kennst-du-denn-einen-Solchen?" oder "Hast-Du-sowas-denn-selbst-schon-einmal-erlebt?" zum Zweck der Irritation zu begegnen. Schon der Name des Verfahrens, der eine Absicht zur Subversion und Verunsicherung signalisiert, widerspricht also dem Prinzip der narrativen Vertiefung von lebensweltlicher Erfahrung. [58]
Umso sinnvoller scheint es, wenn Sozialpädagog(inn)en die Formen des narrativen Nachfragens in ihre Arbeit mit einbeziehen. Ob dies die Lösung für das grundsätzliche Dilemma der Sozialarbeit sein kann, die richtige Balance zwischen Abgrenzung und Empathie zu finden, bleibt abzuwarten; nicht zuletzt, weil die ebenfalls von KÖTTIG empfohlene regelmäßige Supervision als Begleitung von Sozialer Arbeit in der Realität nicht verlässlich gegeben ist. Es ist jedoch auf jeden Fall richtig, dass Soziale Arbeit mit rechtsextrem orientierten Jugendlichen besser gelingen kann, wenn man etwas über die Entstehungsgeschichte der Handlungs- und Orientierungsmuster entlang der Biografie weiß, wie KÖTTIG (2008) in ihrem FQS-Beitrag "Der biografische Ansatz in der Einzelfallhilfe mit rechtsextrem orientierten Mädchen und jungen Frauen" darstellt. [59]
3. Fazit und Anschlusspunkte für Jugendarbeit und Forschung
Insgesamt legt Michaela KÖTTIG hier eine gelungene und wegweisende Arbeit vor. Mit der Anwendung von qualitativen, biografisch-narrativen Interviews trägt sie der Erkenntnis Rechnung, dass quantitative und halbstandardisierte Untersuchungen im Hinblick auf Handlungsmotivationen von rechtsextrem orientierten jungen Menschen nur wenig aussagekräftig sind. Dies umso mehr, da sich das Spektrum derer, die als Rechtsextremisten und auch als Rechtsextremistinnen bezeichnet werden können, in den letzten Jahren beträchtlich ausdifferenziert hat. Die maximale Offenheit des narrativen Verfahrens erlaubte es KÖTTIG, den Fokus auf in Forschung und Jugendarbeit bisher vernachlässigte Zusammenhänge zu lenken, wie etwa die Bedeutung von Familienvergangenheit und von Familiengeheimnissen bezüglich der Zeit des Nationalsozialismus oder das hohe Identifikationspotenzial der Großelternbeziehung von rechtsextrem orientierten Mädchen. Für die Arbeit mit Rechtsextremen sind das wichtige Anhaltspunkte, da es aus der pädagogischen Praxis viele Hinweise darauf gibt, dass familiensystemische und transgenerationelle Übertragungsmechanismen bei der Ausbildung von Handlungs- und Orientierungsmustern wirksam sind. Insgesamt profitiert KÖTTIGs Arbeit vom souveränen Umgang mit psychologischen Feldern wie der Bindungsforschung und der klinischen Psychotraumatalogie. Manchmal wäre gerade bezüglich der psychotraumatologischen Schlussfolgerungen eine noch klarere und auch vorsichtigere Darstellung wünschenswert gewesen, damit sie auch für fachferne Lesende (etwa in Lehrer[innen]fortbildungen) plausibel werden. [60]
Auf jeden Fall macht KÖTTIG wichtige und bisher kaum thematisierte Zusammenhänge sichtbar: die von ihr interviewten Mädchen sind nicht nur deshalb rechtsextrem geworden, weil sie gewaltförmige oder anderweitig traumatische Erfahrungen bzw. eine "schwere" Kindheit hatten und sich deswegen vom vielfach gewaltförmigen Verhaltensspektrum der Szene angezogen fühlen. Vielmehr wenden sich die Mädchen einer Szene zu, in der sie die für sie relevanten Themen wiederholen und u.U. sogar bearbeiten können: Bedrohung, Ausgrenzung, Gewalt, Alkohol etc. Diese Zusammenhänge zeigen, dass Biografieforschung tiefenpsychologische Erkenntnisse braucht, um ihre Befunde richtig lesen zu können. Und KÖTTIG ist hier auf dem besten Weg. Für künftige Forschungsprojekte scheint es spannend, mit noch größerer Trennschärfe auszuarbeiten, inwieweit manche biografische Themen von rechtsextremistisch orientierten jungen Menschen einfach zwanghaft wiederholt und ausagiert werden, bzw. inwieweit es ihnen mitunter auch wirklich gelingt, für sie problematische Themen in einer rechtsextremen Szene zu bearbeiten und (selbst-) destruktive Handlungsmuster zu überwinden. Solcherlei Ergebnisse können fruchtbare Hinweise geben, inwieweit die demokratische Gesellschaft hier ansetzen muss, rechtsorientierte Jugendliche zu animieren und darin zu begleiten, eigene beziehungs- und psychotraumatische Erfahrungen sowie transgenerationelle Erbschaften wahrzunehmen und besser zu verarbeiten. [61]
3.1 Anknüpfungspunkte für Bildung und Jugendarbeit
KÖTTIGs Studie macht darüber hinaus Versäumnisse von und Anforderungen an Bildung und Jugendarbeit wie auch Defizite im gesellschaftlichen Umgang mit dem Phänomen Rechtsextremismus deutlich. Es ist in der Tat erschreckend, deckt sich aber auch mit einer Vielzahl von Praxiserfahrungen, dass Schulen und Jugendhilfeeinrichtungen gar nicht oder vollkommen hilflos auf rechtsextreme Erscheinungsformen in ihrer Institution reagieren. Der persönliche Aussteigerbericht eines jungen Mannes aus dem Programm "exit" des Zentrums für Demokratische Kultur auf dem Jugendkongresses "Zukunft Europa?" der Young EU Professionals (YEPs) (eine Veranstaltung der Bundeszentrale für politische Bildung vom 5.-6. Mai 2007 in Berlin) bestätigt, wie wichtig eine Intervention in der Zeit seines Einstiegsprozesses in die rechtsextreme Szene gewesen wäre. Es hat sich niemand mit dem damals 12-jährigen über die politischen Haltungen, die er provokativ und "versuchsweise" äußerte, auseinandergesetzt. Während die Rechtsextremen ihn ernst nahmen und intensiv mit ihm diskutierten, spielten Schule und Familie seine Äußerungen als juvenile Phase herunter, bis er so weitgehend mit der rechtsextremen Szene verquickt war, dass er von der Schule verwiesen wurde. So sehr Schulvertreter(innen) auch immer wieder über die vielfachen Anforderungen, mit denen sie konfrontiert sind und von denen sie sich oftmals überfordert fühlen, klagen mögen: Schulen sind Bildungs- und Erziehungsstätten, und dazu gehört gewiss auch die politische Bildung. Es ist ohne Frage schwierig, sich produktiv mit rechtsorientierten Jugendlichen auseinanderzusetzen, umso wichtiger ist es jedoch, Lehrmodule zur Förderung von demokratischen Haltungen und Weltoffenheit in die Lehrer(innen)ausbildung für alle Schultypen mit aufzunehmen und Lehrer(innen) zu befähigen, das Interesse für Politik bei Kindern und Jugendlichen zu wecken. Letzteres auch, weil wir aus Untersuchungsergebnissen von Richard STÖSS (2006) wissen, dass diejenigen, die sich selbst als politisch desinteressiert bezeichnen, am ehesten zu rechtsextremen Haltungen neigen. [62]
3.2 Familienberatung und Geschichtsprojekte zum Durchbrechen von Gewaltspiralen
Wo KÖTTIG auf HOPFs Befunden zu frühkindlichen Bindungserfahrungen aufbaut zeigt sich, wie entscheidend pädagogische Beratung und Intervention, die sich auch als Rechtsextremismusprävention versteht, bereits in der Phase der frühkindlichen Eltern-Kind-Interaktionen wäre. Dazu kommen Erkenntnisse aus der Gewaltforschung. SUTTERLÜTY (2003) unterstreicht die deutliche empirische Evidenz der innerfamiliären Gewalt, die eine Art politisch-familiären Gewaltkreislauf auslösen kann: Nicht alle Menschen, die als Heranwachsende Gewalt ausgesetzt waren, werden selbst zu Gewalttäter(inne)n, aber: Jugendliche und junge Erwachsene, die andere misshandeln, waren selber ausgesprochen häufig und bereits sehr früh direkt oder indirekt Opfer von Übergriffen. Gelingende, gewaltfreie und auf gegenseitiger Anerkennung beruhende Beziehungen werden zu allererst in der Familie eingeübt. Dazu bedarf es aber oftmals geeigneter Vorbilder und Hilfestellungen von Außen. Die Beratungsangebote hierfür müssten noch geschaffen werden. [63]
Eine andere Form von Gewalttradition macht u.a. Andres VEIEL (2007) in dem Buch "Der Kick" sichtbar (das Material wurde ursprünglich für ein dokumentarisches Theaterstück und einen Film genutzt). Hier geht es um die Aufarbeitung des Mordes an Marinus Schöberl, der in dem uckermärkischen Ort Potzlow von Gleichaltrigen stundenlang gequält und schließlich mit einem so genannten "Bordsteinkick" durch Fußtritt getötet wurde. VEIEL untersucht verschiedenste Facetten dieses Falles und kommt dabei auch auf die Geschichte des Ortes. Dabei wird offensichtlich, dass es in Potzlow eine fatale Tradition sadistischer Gewaltexzesse und psychotraumatologischer Ereignisse gibt, über die die Ortsbewohner(innen) nach der NS-Zeit geschwiegen haben. Hier werden ortspezifische, transgenerationelle Dynamiken im Umgang mit Gewalt sichtbar, die bestimmt nicht nur für den Ort Potzlow gültig sind. Ein wertvoller pädagogischer Ansatz ist daher in der ortsbezogenen Aufarbeitung der Geschichte zu sehen, in der bisher Verschwiegenes und Verdrängtes gemeinsam aufgearbeitet und durch Zeitzeugen- und Familieninterviews sowie in Form von Ausstellungen und Chroniken dem kollektiven Gedächtnis zugänglich gemacht werden. [64]
3.3 Der Aspekt der Medien (-Interaktion)
Als eine weitere Möglichkeit, die Forschung über Gewalt, Rechtsextremismus und Prävention zu vertiefen, kann der Aspekt der Mediennutzung der Jugendlichen gelten. Denn Medien (-Interaktion) stellt in einer zunehmend mediatisierten Lebenswelt einen immer bedeutsameren Teil der Entwicklung von Jugendlichen dar (WEILNBÖCK 2003). [65]
Der von VEIEL beschriebene Fall Potzlow offenbart einen geradezu unheimlichen Bezug zum Thema Medienwahl und Medienwirkung: Marcel, also derjenige, der den tödlichen Bordsteinkick angeregt und ausgeführt hat, gab in seiner Vernehmung an, durch den Film "American History X" inspiriert worden zu sein, in dem diese Art der Tötung dargestellt wird. Der US-Film, der sich gegen rechtsextreme Gewalt positionieren will, zeigt nämlich, wie ein Afroamerikaner von einem rechtsextremen Skinhead gezwungen wird, seinen Kopf auf die Bordsteinkante zu legen, woraufhin der Mörder ihm in den Nacken tritt. Nachdem dies erfolgt ist, wird in Zeitlupe gezeigt, wie jener "White-Power"-Skinhead sich in heldenhafter Siegerpose seinem jüngeren Bruder zuwendet, der das ganze beobachtete. Das Opfer wird nicht mehr gezeigt. Marcel äußerte sich beeindruckt von der Szene und schien sich, so VEIEL, mit der "Heldenhaftigkeit" des Täters zu identifizieren. Der Filmemacher VEIEL schreibt dazu: "Marcels […] Äußerungen über den Film sind ein Musterbeispiel für die verkannte Wirkung von Gewaltszenen. Sie beschreiben den Widerspruch zwischen der Intention des Filmemachers und der ästhetischen Form der Gewaltdarstellung, die der offensichtlichen Absicht diametral entgegenläuft […" (VEIEL 2007, S.150). [66]
Auch jenseits dieses extremen Beispiels scheint es aussichtsreich, die Mediennutzung von rechtsextrem orientierten Jugendlichen im Verlauf ihrer biografischen Entwicklung in Forschung und Pädagogik einzubeziehen. Denn neben der engeren Thematik der Gewaltdarstellung gilt ja: Schon wer etwa die nationalsozialistische Geschichte in Forschung und Pädagogik mit einbeziehen will, hat zwangsläufig desto mehr auch mit Medien zu tun, je länger die fragliche Epoche zurückliegt. Auch sind Medienpraxen heute grundsätzlich ein selbstverständlicher Teil jeder Jugendkultur. Dies wird auch in KÖTTIGs Fallrekonstruktionen beiläufig sichtbar, obwohl die Arbeit darauf nicht spezifisch eingeht, z.B. in den Liedtexten, die Alexandra für ihre Band produziert. Eine weitergehende Recherche würde bestimmt eine Vielzahl von Medienpraxen auffinden, deren Untersuchung einen wesentlichen Beitrag zur Erforschung von Gewalt und Extremismus unter Jugendlichen leisten könnte. Umso deutlicher wird, dass Forschung über Rechtsextremismus und dessen Prävention eine Vielzahl von Aspekten beachten sollte, aber jedenfalls biografisch und entwicklungspsychologisch beschlagen sein muss. [67]
1) Der Sammelband ist aus einer Tagung am Hamburger Institut für Sozialforschung im August 2003 hervorgegangen (siehe zur Tagung auch den Tagungsbericht von SÖHN 2003). <zurück>
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Silke BAER ist Kommunikationswissenschaftlerin (MA) und Dipl. Sozialpädagogin. Als Leiterin des Vereins cultures interactive e.V. – Verein zur interkulturellen Bildung und Gewaltprävention" entwickelt sie bundesweit Projekte der Jugend- und Erwachsenenbildung zur soziokulturellen Integration sowie Gewalt-, Rassismus- und Rechtsextremismusprävention und arbeitet als Referentin zu Jugendkulturen, Gender und gesellschaftspolitischen Partizipation von Jugendlichen. cultures interactive führt z. Zt. das vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und der Bundeszentrale für politische Bildung geförderte Modellprojekt "KulturRäume2010" durch, bei dem sie die pädagogisch-wissenschaftliche Leitung inne hat. Im Rahmen des EQUAL-Projekts MEMBER zum Thema "Medienkompetenz und Rechtsextremismus" hat sie als Mitarbeiterin von Violence Prevention Network e.V. einen Argumentationsleitfaden und Unterrichtsmaterialien zur Qualifizierung von Lehrer(inne)n erstellt.
Kontakt:
Silke Baer
cultures interactive e.V.
Verein zur interkulturellen Bildung und Gewaltprävention
Mainzer Str. 11
D-12053 Berlin
Fon: 030 – 60 40 19 50
Fax: 030 – 60 40 19 46
E-Mail: baer@cultures-interactive.de
URL: http://www.cultures-interactive.de/
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