Volume 6, No. 2, Art. 12 – Mai 2005

Karl Schlögel liest die Zeit im Raum: Flanieren auf alten Wegen in Richtung neuer Horizonte

Sina Lucia Kottmann

Review Essay:

Karl Schlögel (2003). Im Raume lesen wir die Zeit. Über Zivilisationsgeschichte und Geopolitik. München, Wien: Carl Hanser Verlag, 567 Seiten, ISBN: 3-446-20381-8, EUR 25,90

Zusammenfassung: "Geschichte spielt nicht nur in der Zeit, sondern auch im Raum" (S.9). Karl SCHLÖGEL, Historiker und versierter Kenner der osteuropäischen Geschichte, Slawist, Soziologe und Philosoph, stellt ein frappierendes Manko der Geschichtswissenschaften fest: die Indifferenz gegenüber der räumlichen Dimension ihres Gegenstands. Die Zeit ist reif, spürt SCHLÖGEL, um die Kategorie Raum stark zu machen, sie neben oder besser wieder mitten hinein in die Zeit zu stellen und – entsprechend dem Zeitgeist einer sich enger vernetzenden Interdisziplinarität – die Verquickung und wechselseitige Bindung beider Größen deutlich zu machen: Raum und Zeit. Er spricht vom "spatial turn" (S.19-78), vom Lesen mentaler und territorialer Karten (S.81-268), von Oberflächenhaftung, topographischen Strukturen und versucht durch "Augenarbeit" (S.269-410) ein Diaphanbild der europäischen Geschichte (S.411-504) zu schaffen. Sein Buch ist ein vorantastender Erkundungsgang durch historische Räume und aktuelle Forschungslandschaften der Wissenschaft, die sich den natürlichen Landschaften überlagern. Es ist ein Plädoyer für die Schärfung der Sinne, eine Aufforderung zur Weitung der Perspektiven und Mut zur Empirie im globalen Zeitalter einer Gleichzeitigkeit der Ungleichzeitigkeiten.

Keywords: Raum, Zeit, Spatial turn, Topologie der Kultur, Körper, Landschaft, Memoria, globale Entgrenzung, lokale Verankerung, Interdisziplinarität

Inhaltsverzeichnis

1. SCHLÖGELs Kritik an der Historiographie – Erkenntnis durch Beweglichkeit

2. SCHLÖGEL diaphan gemacht

3. Eigensinn und Sehsinn: Zeichen eines Zusammenpralls der Zeiten

4. Durchschaubare Welt: was man sieht, hängt von der Perspektive ab

5. Verfeinerte Wahrnehmung des Raums

6. Weitung des Blicks von Seiten der Ethnologie

7. Globale Entgrenzungen und lokale Praktiken der Wieder-Verankerung im Raum

8. (Körper-) Landschaften: Erstarrtheit und Verlebendigung

9. Jenseits von Flanerie: Er(d)beben, Erregung und Ernüchterung

10. Eine Phänomenologie der Orte: Ich sehe und erinnere, also bin ich

11. Fazit und Ausblick

Anmerkungen

Literatur

Zur Autorin

Zitation

 

1. SCHLÖGELs Kritik an der Historiographie – Erkenntnis durch Beweglichkeit

Die Darstellungsformen der Historiographie sind nicht mehr zeitgemäß (S.503), lautet Karl SCHLÖGELs Kritik an den Geschichtswissenschaften. Heute, da sich zu Beginn eines neuen Millenniums das Gegenwartsbewusstsein entschieden verändert hat, müssen bestehende Geschichtsbilder anhand einer sensibleren Aufarbeitung der Vergangenheit neu skizziert werden. Das Heute, welches die Postmoderne und ihre Dekonstruktionen bereits hinter sich gelassen hat, braucht neue, realistische Narrative. SCHLÖGEL fordert solche, "die den Brüchen, den Katastrophen, den Katarakten und Kataklysmen des 20. Jahrhunderts Rechnung tragen" (S.503). Anhand eines aufmerksamen Durchlaufens des Raumes will er eben diesen für die historisch forschenden Wissenschaften erneut erstehen lassen. Er will Orte und Räume ernst genommen wissen, damit eine differenzierte Wahrnehmung der Zeit im Raum und somit ein tiefer gehendes Verstehen von Geschichte für und in der Gegenwart möglich wird. Mit Im Raume lesen wir die Zeit, einem Titel, den er dem deutschen Geographen Friedrich RATZEL entlehnt, liefert er eine 567 Seiten starke Anleitung zu einem Orientierungslauf durch die unterschiedlichsten Räume und Landschaften der Gegenwart und den darin sich vergegenwärtigenden Vergangenheiten. [1]

Landschaften – ideelle und materielle – prägen die Menschen, die sie "bewohnen", und umgekehrt wirken die Menschen formend auf sie zurück, so die Essenz von SCHLÖGELs Werk. Doch das ist nicht seine eigentliche Erkenntnis. Sein Bestreben ist es, die hybriden Topographien einer globalisierten Welt sichtbar zu machen, das scheinbare Verschwinden des Raumes durch beschleunigte Mobilität und Cyberspace auf der einen, die lokale Verankerung transnationaler Bewegungen auf der anderen Seite. Der rote Faden des Geländegangs ist in jedem Fall die Rückbindung der Zeiten und Gleichzeitigkeiten an die konkreten Orte, an welchen sie sichtbar bleiben, um "die geschichtliche Welt zu dechiffrieren und zu deuten" (S.10). Kein reiner Umweltdeterminismus also, wie in RATZEL seinerzeit betrieben hat. Aber auch kein Menschenbild, das sich völlig losgelöst von materiellen Gegebenheiten in rein geistigen Gefilden verlöre. [2]

SCHLÖGEL flaniert durch die von ihm exemplarisch gewählten zeit-gezeichneten Räume der Gegenwart, die in ihrer materiellen Unmittelbarkeit Zeugnis liefern von der Vergangenheit. Er recherchiert in mit Landkarten gefüllten Archiven und sinniert am Ground Zero Manhattans. Dabei versucht er durch eine neue Art des Sehens und des sich Bewegens in natürlichen (geographischen oder biologisch-körperlichen), in architektonischen, mentalen und virtuellen Landschaften zu neuen Formen der Darstellung zu gelangen. "Flanieren ist eine Form der Erkenntnis, ein spezifischer Bewegungs- und Erkenntnismodus" (S.502). Und wer wollte ihn lesend nicht dabei begleiten? Es ist geradezu heilsam, sich seinen klaren, sicheren Schritten anzupassen, sich mit ihm durch Grenzgebiete hindurch, über ideelle Begrenzungen hinweg zu bewegen und sich – an der Utopie der Einfachheit solchen Reisens erfrischend – zu einer Erweiterung der Perspektiven aufzumachen. [3]

2. SCHLÖGEL diaphan gemacht

Karl SCHLÖGEL präsentiert seine Lektüre der Zeit im Raum in vier großen Etappen: Mit "Die Wiederkehr des Raumes" (S.19-78), "Kartenlesen" (S.81-265), "Augenarbeit" (S.269-408) und "Europa diaphan" (S.411-504) sind die einzelnen Kapitel überschrieben. Sie umschließen jedes in sich eine Vielzahl voneinander unabhängiger Ein-Blicke in Archive, in das Leben und die Architektur antiker und moderner Großstädte – auch hinter die Fassaden, in die Interieurs, in Vorstellungswelten und mental maps. Illustriert werden die Beobachtungen von einzelnen Abbildungen: kartographischen Skizzen, Fahr- und Stadtplänen, Log- oder Kursbüchern etc. [4]

Von Agha Khan bis Zappa vollzieht man streiflichtartig die Erkundungsgänge großer Entdecker, Denker, Künstler oder Krieger nach. Ihre Namen sind allesamt in einem umfassenden Personenindex verzeichnet (S.561-567), eine stattliche Schar von beinahe 500 Meisterköpfen und Geistesakrobaten; Menschen, die Geschichte mach(t)en, neben solchen, die versuch(t)en, sie aufzuzeichnen, zu dechiffrieren oder zu deuten. Anzumerken ist, dass – obwohl SCHLÖGEL den Raum zur zentralen Kategorie erhebt – bedauerlicherweise jedoch ein Index der Orte zu vermissen ist. [5]

Im Textfluss jedenfalls passiert man als Leser Räume der Macht (die frühen Nationalstaaten und modernen Empire), Orte des Leidens (Lager wie Birkenau) und Grenzen ("razorlike und andere", S.137-147), erfährt vom revolutionierenden Potential der Bourgeoisie, von Krieg und Frieden, von Berg- und Talfahrten der menschlichen Kulturen ("Zivilisationsprotokolle", S.352), von Durststrecken und Höhenflügen der Wissenschaft, von der Poesie des amerikanischen Highways, vom Kartenlesen, von Augenarbeit und den biometrischen Reliefs der menschlichen Anatomie. Der Leser befindet sich als Voyager auf den Wegen antiker Reisender oder Eroberer, vorbei am Entstehungsort des ersten Globus der Welt im Persien des 13. Jahrhunderts, über die Pilgerwege des Mittelalters und mit den Migrationsbewegungen der Moderne bis hinein in die opaken Verflechtungen der gegenwärtig transnational agierenden Rigorismen, Fanatismen und Terrorismen. [6]

Die Figur des sinnierenden Stadt-Schlenderers, in die sich auch SCHLÖGEL ganz gern hineinversetzt, entwickelt sich – historisch betrachtet – erst im Kontext der modernen europäischen Stadt. Im Umfeld technologischer Neuerungen innerhalb des Stadtbildes, wie beispielsweise elektrische Beleuchtung, Personentransport in Mengen und großflächige architektonische Projekte, stößt der Flaneur, der sich die Vitalität der Stadt dadurch aneignet, dass er durch ihre Straßen und über ihre Plätze promeniert, seinerzeit eine veränderte Wahrnehmung der öffentlichen Sphäre an.1) SCHLÖGEL versucht heute mit seiner Flanerie ebenso eine Sensibilisierung für das Erleben von Räumlichkeit zu erreichen. Vor allem aber will er auf diese Weise einen Impuls setzen für ein methodologisches Umdenken im Umfeld der historischen Wissenschaften. [7]

SCHLÖGELs Betrachtungen zeugen von einer für die geschichtliche Dimension des Raumes geschulten sinnlichen Wahrnehmung. Sein versierter Blick entdeckt Bruchstücke der Zeit, die er – ähnlich einem Reisenotizbuch, in dem sich gelöste Fahrkarten, Zeitungsausschnitte, Erinnerungsschnipsel, Postkarten, Photographien und Gedanken übereinander lagern – beinahe photographisch in einzelnen literarisch essayistischen "Bildern" zu einem schlüssigen Ganzen collagiert. Sein verfremdender Blick mag dem Leser vielleicht im ersten Augenblick ungewöhnlich erscheinen, doch seine gedanklichen Streifzüge werden durch die Leichtigkeit seines schreibenden Schrittes nachvollziehbar. Sein Buch ist eingängig und verständlich geschrieben, und aus der Bricolage einzelner Einsichten in Räume und Zeiten ergibt sich schließlich ein Gesamtbild lebendiger Geschichte. – SCHLÖGELs literarische Flanerie wirkt wie ein frischer Wind, der sich aus den Schreibstuben textfixierter Historiographen löst, in die Weite des Raums hinein. [8]

Durch SCHLÖGELs Sehschulung sensibilisiert, sieht sich der Leser spätestens nach der Lektüre das Buch als Ding und Zeitzeuge noch einmal genauer an: der 500-Seiten-Ausflug durch historische und gegenwärtige Szenerien findet sich eingebunden in die kartographische Darstellung Berlins, einer Stadt, in deren Wissenschaftslandschaft sich SCHLÖGEL bereits als Student bewegte. Titel und Autor platzieren sich auf dem Buchrücken zwischen Unter den Linden, Gendarmenmarkt und dem Schlossplatz an den Ufern der Spree. [9]

Gerade hier – beim Flanieren durch Berlin, wo er sich in der Mitte des Buches wiederfindet ("Flaneur: Bewegungsform, Erkenntnisform", S.260-265), verdeutlicht er noch einmal konzise seine methodologischen Prämissen für eine qualitative Sozialforschung: Er will keinesfalls auf Text- und Archivstudien verzichtet wissen, sondern vielmehr – darauf aufbauend – zusätzlich Bewegungs-Studien zum Programm machen. "Memorierendes Schlendern" (S.260) nennt er – von Walter BENJAMIN (1984) inspiriert – die spezifische Bewegungsform des Flaneurs. Er fordert die Rehabilitierung der Langsamkeit, indem er das sich-in-den-Raum-hinein-Bewegen, und ganz besonders den Müßiggang des Zeit/Raum-Schlenderers, als eigensinnige, supra-disziplinäre wissenschaftliche Form der Erkenntnis legitimiert (S.264).

"Der Flaneur lässt sich treiben [... Er] kennt das Repertoire von Nähe und Distanz, das die Spezialisten der teilnehmenden Beobachtung entwickelt haben. Das Innehalten, zu dem er sich die Freiheit nimmt, steht im Widerspruch zum allgemeinen Streben nach vorne und nach oben. Es steht dem 'main stream' und dessen Tempo im Wege." (S.260, 262) [10]

Die Welt, Straßen, Gebäude, Städte, Karten, (Körper-) Landschaften sind lesbar, da sichtbar – in erster Linie jedoch sollten sie unmittelbar erfahren werden. SCHLÖGELs Projekt einer epistomologischen Neubelebung der Geschichtswissenschaften ist trotz seiner deutlichen Aufmerksamkeit für die Materie nicht positivitisch. Er will neben seinen topographischen Strukturen den Raum auch als lebendigen Genius erfassen. [11]

In seinem Bemühen, Raum auf diese Weise spielerisch zu erkunden, gönnt sich der Flaneur vor allen Dingen eines, wenn er seine Sache ernst nimmt: Zeit. Seine Erzählform ist "ein Narrativ, das sich im Raum bewegt" (S.264), nicht in der linearen Anordnung von aufeinander folgenden Ereignissen. [12]

3. Eigensinn und Sehsinn: Zeichen eines Zusammenpralls der Zeiten

Der auf dem Weg sich schärfende Blick des Lesers – welcher von Zeit zu Zeit auch über die von SCHLÖGEL skizzierten Szenerien hinaus schweift – nimmt an bestimmten Stellen deutlich die räumlichen Aspekte des Politischen und Religiösen wahr: Kriege und latente Abneigungen, die sich vereinzelt in schockierend aggressiven Attacken entladen, Mauerfall 1989 (den Mauerbau 2004 in Israel/Palästina denkt sich der Leser hinzu), Lager und die Spuren von Flucht in zerstörten Landschaften, und nicht zuletzt die Schemen einer politisierten, religiös legitimierten Splitter-Strömung, die sich Al'Quaida nennt. [13]

Hier halte ich mich länger auf, an den "Grounds Zero" der Gegenwart, wo sich abstrakte Bedrohung und diffuse Ängste in "Resten" von zerstörter Materie konkretisieren: Seit dem 11. September 2001 erschüttert islamistischer Rigorismus neben Materie auch die geistigen und mentalen Landschaften aufgeklärter westlicher und östlicher Geister, wenn er strategisch auf Orte lang tradierter kollektiver kultureller Memoria (ASSMANN, A. 1999a, 1999b; ASSMANN, J. 1999a, 1999b) oder auf äußerst sichtbare urbane "Landschafts"- oder "Zeit-Marken" (KRAMER & MARX 1993, HAUSER-SCHÄUBLIN 1997) der westlichen Kulturen zielt: Im Frühjahr 2002 trifft es die Synagoge La Ghriba auf Djerba, einen Ort, an dem jüdische, christliche und muslimische religiöse Praxis nebeneinander lange selbstverständlich waren, am 11. September 2001 das World Trade Center in New York, am 16. Mai 2003 eine spanische Kultureinrichtung in Casablanca, am 11. März 2004, zu einem (votums-) entscheidenden Zeitpunkt kurz vor den spanischen Parlamentswahlen, auf den Madrider Bahnhof Atocha die Bevölkerung eines Landes, dessen Regierung sich auf der Seite der USA am Irakkrieg beteiligt hat. [14]

Die neuronalen Netze des globalen Raumes sind sensibel geworden, damit hat SCHLÖGEL recht. An einigen Stellen, den Brennpunkten traumatischer kollektiver Erinnerung, sind sie sogar von scharfen Rissen und Brüchen gezeichnet (S.30)2). Das beunruhigt. Samuel HUNTINGTON entwarf 1996 sein Szenario eines "Zusammenpralls der Zivilisationen" (1996). Verfolgt man die Entwicklungen, drängt sich wie von allein die Frage auf: Ist heute, nach Beendigung des Kalten Krieges und der Einigung Europas, welches seine Grenzen im Inneren zunehmend weitet und nach außen hin zu festigen bemüht ist, der erneut viel zitierte, streitbare "Kampf der Kulturen" also unvermeidbar, oder formt sich die Zukunft vielmehr durch friedvolle Grenzhybridisierung (DIETZ 2001), durch synkretistische Verflechtungen, das heißt durch Mischung verschiedener Religionen, Kulturen und Anschauungen, und durch globale Collagen der Lebensstile? [15]

"Hart im Raume stoßen sich die Gegensätze" (S.11-12), zitiert SCHLÖGEL Schiller und resümiert als eindrücklichste Erfahrung des beginnenden 21. Jahrhunderts den Schock des Bruchs (S.504), das Bewusstsein der Wehrlosigkeit gegenüber Naturkatastrophen und terroristischen Attacken, das Gewahrwerden der eigenen Zerbrechlichkeit trotz Aufrüstung und technologischer Quantensprünge. Er spricht – anders als HUNTINGTON – vom "Zusammenstoß der Zeiten" (S.503) und meint damit die Auflehnung von mit modernen Mitteln bewaffneten menschlichen Akteuren gegen eben diese Moderne und ihre globalen Homogenisierungstendenzen. Im Bindungsvakuum einer globalisierten Welt wenden sich verstärkte Revitalisierungen lokaler bzw. regionaler kultureller Identitäten angesichts des hereinbrechenden Fremden ebenso wie keineswegs harmlose Rassismen oder rückwärts orientierte Fundamentalismen (im Westen und in den Ländern der muslimischen Welt) sozusagen als Bremskräfte gegen die reine Beliebigkeit und den Verlust von "Authentizität". [16]

Auch aus diesem Grund werden Grenzen von unserem Karten lesenden Forscher besonders aufmerksam fokussiert: territoriale, imaginäre und oktroyierte Grenzen. Sie werden an manchen Orten permeabel, an anderen entstehen sie schlagartig neu. Prozessen der Auflösung von Grenzen im Zuge der Globalisierung wird vermehrt mit bewusstem Identitätsmanagement auf lokaler Ebene entgegengewirkt. Grenzen sind zentrale Erfahrungen. Sie "sind das denkbar Eindeutige. Sie trennen drinnen und draußen" (S.137). Doch so einfach macht SCHLÖGEL sich selbst und dem Leser die Sache keineswegs. Denn schließlich stößt er uns gegen die eigenen Grenzen, die unsichtbaren Grenzen, die "auf unseren inneren Karten, im Kopf" verlaufen, und "sich in unseren Zugehörigkeits- und Loyalitätsverhältnissen [...] manifestieren" (S.137-138), konturiert von Interessen und Bedürfnissen. Er verweist folglich auch auf die metaphorischen Qualitäten und Rhetoriken des Raumes in den gesellschaftlichen Diskursen, wenn er von Praxisfeldern, der politischen Landschaft oder den Kommandohöhen der Macht spricht. [17]

4. Durchschaubare Welt: was man sieht, hängt von der Perspektive ab

Die Welt wird lesbar, so SCHLÖGEL, wenn man sie als diaphan durchleuchtet, d.h. wenn man ihre Oberfläche richtiggehend unter die Lupe nimmt – im Idealfall unvoreingenommen – und dabei seinen Augen traut. Auch "Topographien des Terrors" (S.431) können transparent gemacht werden, besonders dann, wenn man wie SCHLÖGEL denen Gehör schenkt, die ihn selbst erfahren haben. – Räume ... man kann sie (wie die Denker der Postmoderne es vorschlagen) als menschliche Entwürfe dekonstruieren. Mancher Ethnoschwärmer, Reiseromantiker, Agrotourist, Altersemigrant oder moderner Großstadtnomade nostalgisiert sie. Äußerst menschlich: man hängt an der Heimat, sucht Zufluchtsorte, sehnt sich nach der Ferne. [18]

Zu was SCHLÖGEL appelliert, ist denkbar simpel: den Raum in seiner gegebenen Materialität einfach einmal aufmerksam zu betrachten, sich durch ihn g(e)leiten lassen, um mit dem, was durch die Zeit hindurch lebendig und da ist, Fühlung aufzunehmen. [19]

Er selbst ist offensichtlich gern Nomade: allein sein wissenschaftlicher Werdegang führt ihn aus dem Allgäu heraus nordwärts nach Berlin, ostwärts nach Moskau und St. Petersburg und wieder westwärts an die Europa Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder, wo er derzeit lehrt und publiziert. Mit seiner Lesart der Zeit im Raum versucht er, realistisch die theoretischen und methodischen Prämissen der Geschichtswissenschaft neu zu überdenken, um die Segmentierung ihres Gegenstandes zu überwinden. Sein Anliegen: sie muss erweitert werden zu einer histoire total, einer Geschichte die neben der Zeit den Raum und ebenso die Gleichzeitigkeit der Ungleichzeitigkeit mit einbezieht, samt allen Grenzen und Grenzenlosigkeiten. Seine Bewegungen im Raum zeugen von gedanklicher Beweglichkeit, de facto. Doch: Kann es sein, dass er eventuell selbst einen gewissen Horror vor Struktur- und Orientierungslosigkeit empfindet? Sein Buch erscheint beinahe als Outing eines Kartenfetischisten, wenn er soweit geht, alle natürlichen Oberflächen und deren strukturierenden Linien kartographisch zu lesen. [20]

5. Verfeinerte Wahrnehmung des Raums

SCHLÖGEL jedenfalls prophezeit "die Wiederkehr des Raumes" (S.9) in der Wissenschaft, den "spatial turn" (S.60). Das Wort Turn jedoch verwendet er verhalten, denn solche Turns sind beinahe schon Mode in der Geschichte der Wissenschaft. Er meint vielmehr eine Art epistemologische Schärfung der Sinne, durch die ein tieferes Verstehen der komplexen Wirklichkeit möglich wird. Ihm geht es in erster Linie um "gesteigerte Aufmerksamkeit, um Raffinierung und Steigerung der Wahrnehmung und die Verfeinerung des Registers der Geschichtsschreibung" (S.502). [21]

Dabei ist unser Flaneur nicht allein auf weiter Flur, wenn er auf die Notwendigkeit einer "Neu-Konfiguration der alten Disziplinen – von Geographie bis Semiotik, von Geschichte bis Kunst, von Literatur bis Politik" um den Brennpunkt "Räumlichkeit und Verräumlichung menschlicher Geschichte" (S.12) pocht – und hier beginne ich mich langsam von SCHLÖGELs Werk zu lösen. [22]

Betrachtet man einmal die Landschaft der Kulturwissenschaften und deren Bewegung durch den Raum wird – konform mit SCHLÖGELs Beobachtungen – jetzt besonders deutlich, dass sich eine gewisse Form des Turns auf interdisziplinärer Ebene tatsächlich abzeichnet. Nicht nur als Umkehr zur Wahrnehmung der räumlichen Dimension der Zeit, sondern auch im Sinne einer Re-Konstruktion dessen, was zu früheren Zeitpunkten der Fachgeschichte konstruiert und mit der Postmoderne wieder dekonstruiert wurde. Eine gewisse Drehung und Windung müssen die zunehmend vernetzten Geistes- und Kulturwissenschaften wohl vollziehen, um bei all den aktuellen Beschleunigungen, Nervositäten und Erregtheiten der Gegenwart ihre Balance zu halten: eine Art neuer Realismus ist an der Zeit, das heißt eine verfeinerte akteurszentrierte Wahrnehmung von Dinglichkeit und ihren Bedingungen, von "facts" und "Fetischen" ("factishes" nennt Bruno LATOUR [1997, S.63] sie in ihrer Verbindung) in ihren lokalen und globalen Kontexten. [23]

6. Weitung des Blicks von Seiten der Ethnologie

Die distanzierte Annäherung an einen anfänglich (meist) unbekannten Raum – wie sie SCHLÖGEL für den Flaneur beschreibt – ist ein Initiationsritus, welchen auch Ethnologen und Ethnologinnen während ihrer langfristigen empirischen Forschungen erfahren, wenn sie sich gezwungen sehen, sich selbst sichtbar und die jeweils eigenen Verwicklungen in Raum und Zeit für andere lesbar zu machen. SCHLÖGEL verweist kurz darauf, wenn er von den Vorzügen der Methodik teilnehmender Beobachtung spricht (S.260). Man wird unweigerlich zum Stolperstein in dem sozialen Gefüge, in dessen Öffentlichkeit man sich, meist ungefragt, hineinplatziert. [24]

Eine Erweiterung von SCHLÖGELs Dehnung des historiographischen Horizonts könnte somit sicherlich von der Ethnologie geleistet werden, und zwar hinsichtlich der soziokulturellen Dimension des Raumes. Denn schließlich werden Geschichte und Gegenwart sehr pragmatisch und konkret im menschlichen Miteinander verhandelt: Sie werden anhand von bestimmten Formen des Austauschs von Gütern und Informationen, von reziproken Bindungen und Rollenverteilungen, durch Präsenz und Performanz auf sozialen Bühnen und innerhalb sozialer Netzwerke ausagiert, welche sich an die jeweiligen natürlichen Gegebenheiten anbinden. Letzten Endes geht es immer um die Auseinandersetzung mit historischen oder gegenwärtigen Wirklichkeiten, um deren Erinnern oder intentionales Verdrängen (ERDHEIM 2004). Individuelle und kollektive Memorialbestände werden in diskursiven und körperlichen Praktiken auf sozialen Bühnen zelebriert, auf spezielle Weise sichtbar gemacht, tradiert oder manipuliert. [25]

Ein Revival der Kategorien Ort und Landschaft für die Kulturwissenschaften propagieren – exemplarisch für die Erforschung mediterraner Gesellschaften – auch die Ethnologen Dionigi ALBERA (1999, 2001), Anton BLOK und Christian BROMBERGER (2001) oder Thomas HAUSCHILD (2003), ebenso wie die Historiker und Geographen Peregrine HORDEN und Nicholas PURCELL (2000). [26]

7. Globale Entgrenzungen und lokale Praktiken der Wieder-Verankerung im Raum

"Die Konstitution von Raum geschieht [...] gleichzeitig lokal und global" (LÖW 2004, S.48). Auch Martina LÖW versucht – jedoch nicht in derselben Weise flanierend wie SCHLÖGEL, sondern vielmehr Diskurse und soziale Praktiken verfolgend – die "topologischen Dimensionen" von Kultur sowohl im Globalen, als auch im Lokalen aufzuspüren und deren wechselseitigen Überlagerungen und Überschneidungen nachzuvollziehen. Sie stellt zwei zeitgleiche Entwicklungen fest: 1. Den "Bedeutungsverlust einzelner Orte angesichts von Globalisierungsströmen und Technologietransfers", das heißt Räume werden durch ihre symbolische oder ideologische Besetzung (machtpolitisch) zu einheitlichen Räumen verbunden (z.B. die USA und Europa zur so genannten "westlichen Welt", innerhalb welcher Finanzen, Industrie und Kommerz, Ideologien, Technologien und Cyberspace transnational vernetzt werden, S.47). 2. Die "Verräumlichung sozialer Praxis" durch lokale Akteure, die Rück-Bindung sozialer Interaktion an konkrete Orte zu Zwecken der Identitätsstiftung und -festigung. Globalisierung verändert "räumliche Strukturen in lokal spezifischer Form" (S.46-48, vgl. hierzu auch FEATHERSTONE 1995, S.97). [27]

Diese parallelen Prozesse wurden bereits von Kulturanthropologen wie Arjun APPADURAI, Gisela WELZ und Dieter HALLER in die Begriffe einer globalen de-territorialization (APPADURAI 1990), der moving targets (WELZ 1998)3) bzw. der lokalen deep territorialization (HALLER 2000, S.79)4) gefasst. Räume werden zum einen also, wie auch SCHLÖGEL feststellt, bewusst ent- bzw. begrenzt, symbolisch konfiguriert und markiert, zum anderen wird aber auch wieder verstärkt Bezug genommen auf die materielle Basis des Raums und die Körperlichkeit des Menschen, der sich bewusst im Raum platziert (LÖW 2004, S.46). [28]

8. (Körper-) Landschaften: Erstarrtheit und Verlebendigung

Größen wie Landschaft und Körper(-lichkeit) sind als Konzepte lange unproblematisiert geblieben in der kultur- und sozialwissenschaftlichen Theoriebildung. Erst in den 1980er Jahren flammten im Zusammenhang mit ökologisch-politischen Bewegungen erste Debatten über Landschaft auf. Mitte der 1990er wurden in Folge dieser Diskussionen erste Anstrengungen von Seiten der Kulturanthropologie unternommen, die Black box "Landschaft" zu öffnen und ihre unterschiedlichen Dimensionen und Determinationen ins Blickfeld wissenschaftlicher Betrachtung zu rücken (HIRSCH 1995). Im Unterschied zu vielen geographischen Annäherungen, welche von statischen und essentiellen Prämissen ausgingen, wollte eine neue Anthropologie der Landschaft die natürliche Umwelt in ihren kulturellen Semantisierungen und ihrer Prozesshaftigkeit begreifen (O'HANLON & HIRSCH 1995, S.5). [29]

SCHLÖGEL betrachtet die sichtbaren Landschaften und Orte mit Tiefgang, um hinter dem Gegenständlichen und Vergegenständlichten das zu sehen, wodurch es belebt (oder zerstört) wird – von der Vergangenheit bis zur Gegenwart –, nämlich das menschliche Agieren und die damit verbundenen Motivationen und Intentionen.

"Alles, woran wir uns halten, wenn wir von Moderne, Staat, Welt sprechen, hat eine Genese, war einmal Leben, Bewegung: Speicher, Fabriken, Institutionen, Verwaltungen, die Gehäuse der Macht, die Paläste der Kultur, die Gleisanlagen und die Autobahnen, die Piers in den Häfen – Produkte lebendiger Arbeit. Vergegenständlichungen, Objektivierungen. [...] Was erstarrt ist, hat einmal pulsiert" (S.302-303). [30]

SCHLÖGEL liest die Geschichte des Geistes in der Materialität von Landschaften, Städten und Dingen. Er sucht im scheinbar Leblosen nach dessen Lebendigkeit. Historiographisches Erforschen von Räumen bedeutet für ihn nun, vergegenständlichte Vergangenheiten wieder zu verlebendigen, und zwar dadurch, dass er "Erstarrtes" erneut "verflüssigt" (S.302). [31]

In Fleisch und Stein liest der New Yorker Soziologe und Stadtforscher Richard SENNETT, der in den späten 1970er Jahren seine Stadtforschung mit Michel FOUCAULT begann, die Geschichte antiker, mittelalterlicher und moderner Stadt- und Körper-Landschaften auf eine andere Weise: Er dechiffriert sie anhand verschieden fixierter Aussagen von Zeitzeugen. Das bedeutet, SENNETT rekonstruiert aus Wort und Texten die körperlichen Erfahrungen, Empfindsamkeiten und geistigen Vorstellungswelten der Menschen von damals bis heute und betrachtet ausgehend von diesen die sichtbar geformte Materie. Somit wählt SENNETT also die gegensätzliche Blickrichtung zu SCHLÖGEL5). Der Soziologe liest den Raum durch seine Zeit hindurch, der Historiograph die Zeit in ihren Räumen. Wenn SCHLÖGEL von außen nach innen blickt, geht SENNETTs Fokus von innen (dem Fleisch, sprich dem Körperempfinden) nach außen (dem Stein) und wieder nach innen, de retour. [32]

Beide jedoch eint die Erkenntnis, dass Geist Materie formt und Materie den Geist, und dass urbane, natürliche und politische Landschaften körperliche, vitale Gebilde sind. Wenn SCHLÖGEL dem menschlichen Körper eine topologische Dimension verleiht ("Reliefs des Körpers", S.363) und die Vorstellungswelten als mentale Landschaften beschreibt (S.243-248), benennt SENNETT die urbane Landschaft mit biologisch-organischen Begriffen (Herz, Atem, Nervensystem und Blutkreislauf einer Stadt) und versucht nachzuvollziehen, wie mentale Orientierungen sich in materiellen Ordnungssystemen ausdrücken. [33]

SENNETT vergleicht die Stadt und die Anordnung bzw. Besetzung ihrer Räume mit einem gigantischen Körper, einem Netz von miteinander in Wechselwirkung stehenden Organen, deren Bedeutung sich je nach Zeitepoche verschiedentlich manifestiert: Stimme und Auge stehen für die zentralistische Kontrolle durch die Herrscher in der Antike; das Herz für die Stadt des Mittelalters, die mit ihren wirtschaftlichen Räumen und Interessensgemeinschaften ihr Eigenleben entwickelt; Arterien und Venen für die pulsierende, atmende, mobile Stadtgesellschaft der Moderne. Endstation von SENNETTs Zeitlauf ist der hochkomplexe und nervöse multikulturelle "Körper" der modernen Großstadt New York. Für ihn ist die Stadt Inbegriff und Stätte der Differenz, der Vielschichtigkeit und Fremdheit, und der Macht. In ihr werden körperbezogene Bilder und Rhetoriken entworfen, welche das Bedürfnis nach Strukturierung und Ordnung der sozialen Landschaften zum Ausdruck bringen. "Ganzheit, Einheit, Kohärenz: dies sind die Schlüsselwörter im Vokabular der Macht" (S.34). Genauso können diese Entwürfe aber auch am Ort ihres Entstehens wieder auseinander brechen. Durch die Erfahrung von Krisen, Katastrophen, Schmerz und Leid werden Einheit und Unversehrtheit schnell in Frage gestellt. Die moderne Stadt ist verletzlich, so SENNETTs Schlussfolgerung, verletzlicher als die antike Polis oder Orte des frühen Christentums in Rom beispielsweise. Zunehmende Intimität und Individualität des Einzelnen, soziale Ausdifferenzierung, Multikulti, Hektik und beschleunigtes Sich-Bewegen etc. ... das Bild der modernen Stadt fragmentiert sich zunehmend selbst. Ihr grundlegender Konflikt zwischen dem Drang zur individuellen Losgelöstheit aus Abhängigkeiten bei gleichzeitiger Konfrontation mit der Masse der Anderen führt zu einer ständigen Gereiztheit. [34]

9. Jenseits von Flanerie: Er(d)beben, Erregung und Ernüchterung

Kult und Ästhetik sind zwei ausschlaggebende Aspekte im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von (Körper-) Landschaften, ihrem Erleben und ihrem "Aufladen" mit Bedeutung. Landschaft wird häufig als eine Art "Cover" für bestimmte Interessen und politische Bedeutungszuschreibungen genutzt. So wird das Mittelmeer beispielsweise als "Wiege" der abendländischen Kultur betrachtet, oder das iberische Al'Andalus als Ort der einer verfeinerten Kultur und Toleranz zwischen den drei großen Religionen des Buches touristisch nostalgisiert. Gräber profaner oder heiliger Idole werden als sichtbare Marker in der Landschaft zum Ziel zahlloser Pilgerreisen. – Natur, Religion und Kunst, diese drei Größen haben viel miteinander zu tun, und hier kreuzen sich die Diskurse von Geographie, Kulturanthropologie, Kunst, Psychologie, Biologie und Religionswissenschaft. [35]

Früher, so SENNETT, war der Mensch stärker an seine Religion und das öffentliche Leben gebunden und hat sie auch in seiner Umgebung auf kreative Weise reflektiert. Durch kollektive Rituale und Feste wurden bestimmte Orte religiös "besetzt" und somit ein gewisser Schutz für die Allgemeinheit garantiert. Löst man sich jedoch aus dem Kontext der antiken fest vernetzten Polis, und ebenso aus der urbanen Brüchigkeit und Erregtheit New Yorks, und nähert man sich den ländlicheren Gegenden des Mittelmeerraums, wird man feststellen, dass dort das gemeinschaftliche Leben im öffentlichen Raum und die Bindung lokaler Gemeinschaften an ihr charakteristisches, in vielfältige unterschiedliche geoökologische Nischen fragmentiertes und Katastrophen erfahrenes natürliches Umfeld durchaus stark ist und zyklisch kollektiv und teilweise äußerst dramatisch sichtbar gemacht wird. [36]

Wenn in einer besonders katastrophisch gelagerten Region die Erde erbebt oder entlang von Grenzen extreme Spannungspotentiale das soziale Gefüge erregen, verlangt es den Menschen nach gemeinschaftlichen Praktiken der "Ernüchterung" und Identitätsstiftung. [37]

Mediterrane Gesellschaften kennen diese Erfahrung seit jeher. Angesichts zunehmender Immigrationsströme seit den 1980ern, von Prozessen kultureller Hybridisierung und brüchiger gewordenen Sicherheiten erfahren Kult und Ästhetik in einem durch Erdbeben und vulkanische Tätigkeit besonders gefährdeten Gebiet ein erneutes Revival6). Ein mit der Moderne verstärktes soziales Bindungsvakuum einerseits und die körperliche Erfahrung von Konflikt und Katastrophik andererseits führen in vielen Gegenden des Mittelmeerraums zu einem Wiederbeleben oder Neuerfinden bestimmter gemeinschaftlicher und Identität festigender Rituale. In symbolischen Praktiken des (Rück-) Bezugs zur Landschaft, zu ihren Heiligen und Toten versuchen lokale Gemeinschaften Schutz vor dem Erbeben der Erde und Orientierung in den Erregtheiten der Gegenwart. Sie stützen ihr Bedürfnis nach Beständigkeit dabei häufig durch liturgische Handlungen oder Mythen und Legenden des Ursprungs und der Unbesiegbarkeit ab. Kulturen des öffentlichen Dramas, Traditionen des Geredes, der Gebete, der Träume und Visionen (HAUSCHILD 2003, S.396) sind charakteristisch für mediterrane Gesellschaften. [38]

Der Ethnologe Thomas HAUSCHILD hat die Beben und die Versuche der Besänftigung der Erde und der Toten am Beispiel eines Heiligenkultes im süditalienischen Ripacandida (Lukanien/Basilikata) erforscht7). Auch dieser kleine Ort liegt in einem Erdbeben erprobten Gebiet. HAUSCHILD setzt die sozialen Praktiken menschlicher Akteure in Analogie zu den natürlichen Gegebenheiten, in welchen sie sich selbst verorten. So gesehen versuchen Stein und Fleisch eine Balance zueinander herzustellen. Wenn die Erde krampft wird ein Heiliger ins Zentrum der Gemeinschaft gestellt, der sich selbst im Märtyrertod in Krämpfen gewunden hat und heute die (Krampf-) Krankheiten der Gläubigen heilt: San Donato. [39]

In dem vulkanischen Gebiet "ergießen" sich menschliche Körper wie ein Lavastrom in Prozessionen für diesen Heiligen über die Landschaft. Die Gemeinschaft tut sich zusammen, um sowohl die unzähmbare Macht der Natur, als auch die "unkontrollierte Macht des Heiligen" (HAUSCHILD 2003, S.399) für sich zum Guten zu wenden. Riten der Beschwörung, Bitten um Schutz und Praktiken der Verankerung in der Landschaft stellen den Versuch dar, mit Natur und Übernatürlichem eins zu werden. [40]

Erst wenn Menschen die dem Leben immanenten Inkohärenzen, Brüche und Dissonanzen anerkennen, vermögen sie die Welt zu verstehen, meint SENNETT (1995, S.34). Sakralisierte Körper, lebende Tote werden – gerade als Symbole dieser Dissonanzen von leidvoller Erfahrungen und Rettung – als Figuren der Unversehrtheit und Einheit verkörpert und vergegenwärtigt. Insbesondere in echten Krisen, am Nullpunkt, wenn es um das bloße Überleben geht. In solchen Augenblicken generieren sich Rituale kräftiger als sonst, und ohne politische Einflussnahme. [41]

Das "Andere" und "Heilige" entsteht dabei immer als ein virtueller Entwurf aus einer Kombination realer Materie und imaginärer Bilder (SARASIN 1997, S.444). Es ist weder reines Abbild noch bloße Imagination. Für manche Erfahrungen fehlen die Worte, und auch das Symbolische weist an den Übergängen vom Körper zum Text oder Wort gewisse "Leerstellen" auf (S.450). Es bleibt ein Rest an Opakem und Undurchsichtigem, "eine Differenz, ein Riss, [...] der Einbruch einer Fremdheit" vor allem im Schmerz und im Tod (S.449). Die Vergangenheit einer Gemeinschaft, so der Historiker SARASIN, schreibt sich in ihren Kollektivkörper ein8), bedingt gewisse Selbst-Repräsentationen und kreative Formen des Umgangs mit den Krisen der Gegenwart. Durch "Diskurse, regulierte Praktiken und institutionelle Gewalt" vollzieht sich ein Mapping des Körpers, durch welches sich "ein Netz sich langsam wandelnder historisch kontingenter Grenzlinien" über ihn legt (S.446). [42]

"Es sind Pathologien, Spuren und Verletzungen im und am Körper, die die Geschichte und die Macht hinterlassen" (SARASIN 1997, S.440-444). Die Betrachtung des (Kollektiv-) Körpers von Seiten der Geschichtswissenschaften muss also gewissermaßen "pathologisch" sein. Hierin gehen SCHLÖGEL und SARASIN konform, wenn sie den Körper topographisch, als Landschaft und Karte, lesen. [43]

Grenzen zwischen Innen und Außen, zwischen Eigenem und (menschlichem ebenso wie übernatürlichem) Fremdem müssen immer wieder symbolisch aufgehoben und gezogen werden. Doch "weil der Körper und seine Empfindungen nicht bruchlos symbolisierbar sind, ist das Reale tatsächlich dasjenige, was man im vollen Sinne des Wortes erfährt – und zwar so, dass es einem erst einmal die Sprache verschlägt" (SARASIN 1997, S.450). [44]

Einige Frauen haben das große Beben von Ripacandida im Jahre 1980 in ihren Träumen vorausgesehen: der Heilige hat seinen Kopf in den Händen getragen, um die Folgen des Bebens auf seine Schultern zu nehmen, meinen sie. Nach der Katastrophe wird der Kult für den Heiligen umso hingebungsvoller zelebriert und "die Macht [fängt] auf einer mikroskopischen Ebene" wieder an zu arbeiten. "Sie bedient sich der Rituale von Chaos, Geschlecht und Überleben, um eine neue Ordnung zu errichten" (HAUSCHILD 2003, S.407). So lebt neben dem Donatuskult auch der Straßenkarneval in Ripacandida wieder auf, ein Spiel der Inversion, Travestie und Maskierung, der Erregtheit und des Rauschs. Der Situation "alles ist zerstört" wird mit dem symbolischen Ausagieren von "nichts stimmt mehr" begegnet; ein Prozess kultureller Mimikry. Im Umzug mit Karren durch den Ort sprechen die "Wagen des Verkehrsvereins von lokalem und nationalem Stolz, die Wagen der Maurer und Bauern von der Bodenlosigkeit des Lebens" (S.405). Lachen, Obszönitäten, wüste Reden und Beschimpfungen gehören dazu. Man ahmt das Leben nach, wie es sich einem zeigt. "Lachen, Zittern und Krampf haben mehr gemein, als wir oft meinen. Wir zittern, zappeln, lachen, und die aufgestaute Schreckenstarre fällt von uns ab wie ein schwerer alter Mantel" (S.407). Durch Rituale und festliche "Überdruckventile" (S.407) wird kollektiv exzessiv Rausch, Rebellion und Erregung gelebt, um im Ausleben schließlich für die alltäglichen Rhythmen des Lebens eine Dämpfung und Ernüchterung zu erreichen, durch die die "Ordnung des bebenden Lebens, der bebenden Landschaften" (S.414) wieder hergestellt werden kann. – Dadurch dass sich eine gewisse Macht an die Organisation der Rituale zur Überwindung des Schreckens knüpft, können diese im spannungsgeladenen Umfeld leicht zum Politikum werden, ohne dass dabei offen über Politik gesprochen wird. [45]

Die abstrakten Begriffe Zeit und Raum manifestieren sich in natürlichen und politischen Landschaften. Ebenso werden die absolut gesetzten Hierarchien Kirche und Staat von den Menschen in ihren gemeinschaftlichen alltäglichen und festlichen Praktiken relativiert. Menschen, "die ja ganz und gar nicht absolut sind, sondern recht relativ", müssen das Absolute auf eine praktische und einfache Ebene des Handelns herabziehen mithilfe von Legenden und kleinen Kulten, mit Magie und Gerede" (S.408). [46]

10. Eine Phänomenologie der Orte: Ich sehe und erinnere, also bin ich

Konkrete Orte sind immer mit der Präsenz von etwas Immateriellem verbunden, mit Erinnerungen, einer besonderen Aura9), einem Gefühl des Unwohlseins oder der Freiheit, mit einer speziellen Atmosphäre10). Erinnerung haftet an Orten und Landschaften, so Jan ASSMANN (1999b) – Erinnerung an die Ahnen, vergangene Ereignisse, persönliche Erlebnisse. In diesem Sinne sind Landschaften als kommemorative topographische Texte zu lesen, aus denen heraus sich die eigene Identität generiert. Raum ist der bedeutendste Faktor für die Erinnerungspraxis. In ihm wird die "erlebte Zeit" (ASSMANN, J. 1999b, S.38) verankert, in gemeinsamen Ritualen oder festlichen Ereignissen beispielsweise. Man pilgert zu bestimmten "Gedächtnisorten", man bewegt sich – wie bereits seit den großen Festen der Antike – in Prozessionen oder ganz für sich allein mit dem, was einem heilig ist, durch die Landschaft hindurch, um sich so auf besondere Weise an sie (rück-) zubinden. Auf diese Weise entstehen sie erst, die "Erinnerungslandschaften" (ASSMANN, A. 1999a, 1999b) – belebte Räume, "lieux de mémoire", wie Pierre NORA (1984-1992) sie nennt.

"[...] kulturell codierte Erinnerungskultur [arbeitet] mit Zeichensetzungen im natürlichen Raum [...]. Sogar und gerade ganze Landschaften können als Medium des kulturellen Gedächtnisses dienen. Sie werden dann weniger durch Zeichen ("Denkmäler") akzentuiert, als vielmehr als Ganze in den Rang eines Zeichens erhoben, das heißt semiotisiert" (ASSMANN, J. 1999, S.60). [47]

Bestechende Beispiele sind die totemic landscapes der australischen Aborigenes oder die selektive und rekonstruktive Erinnerungs-Topographie des Heiligen Landes, welches Jan ASSMANN das "Mnemotop" Palästina nennt (1999b, S.59) und bereits Maurice HALBWACHS (1971) in seinem letzten Werk topographie légendaire als eine Erfindung "authentischer" Erinnerungen beschreibt. [48]

11. Fazit und Ausblick

Orte sind Entstehungsraum und Ausdruck gelebter Erfahrung, die sich immer wieder neu an dem abgleicht, was zu jedem beliebigen Zeitpunkt der Geschichte gegeben ist. Menschen binden sich im realen oder imaginierten Dialog mit dem Fremden oder Übernatürlichen an bestimmte Markierungen im natürlichen Raum und in der Zeit. Je mehr sich Raum und Zeit in der Durchdringung vieler Lebensbereiche durch Moderne und Globalisierung fragmentarisieren, entgrenzen oder sogar aufzulösen scheinen, desto intensiver wird das Bedürfnis nach Selbstvergewisserung, nach einer Rück-Bindung und Verankerung im Mikrokosmos des Lokalen: an konkreten Orten, zu konkreten Zeiten und anhand konkreter Gegenstände. Seit den 1980er Jahren erleben lokale Traditionen wie populäre Feste und kollektive symbolische Selbst-Repräsentationen, Heiligen- und Totenkulte europaweit ein entscheidendes Comeback (BOISSEVAIN 1991). Orte, Nicht-Orte (AUGÉ 1994)11), Kraftorte, Durchgangsstationen. Globale Räume werden entworfen, natürliche Räume sozial besetzt, soziale Räume in der Landschaft verortet, und Landschaften körperlich und kulturspezifisch wahrgenommen. Der Einzelne positioniert sich in allen diesen Räumen – in diesem "Ensemble von Relationen" (FOUCAULT 1984, S.337) und Zeiten – auf die ein oder andere Weise. [49]

Auch die Wissenschaft muss sich in diesem Ensemble neu verorten, wenn sie mit der Zeit gehen will. Sie ist gefordert, den globalen Entwicklungen Rechnung zu tragen und ihre gesellschaftliche Relevanz dadurch unter Beweis zu stellen, dass sie Erklärungen findet für die Bewegungen, Vernetzungen und veränderten Austauschprozesse auf der Mikroebene des menschlichen Handelns und Mit- bzw. Voneinander-Sprechens. Dazu muss sie ebenfalls ihre Methoden neu überdenken, empirischen Mut entwickeln und auf der Basis interdisziplinär verknüpfter Erforschung gegenwartsbezogenes Wissen um die Hintergründe und Kontexte lebenspraktischer Äußerungen und ihrer sozialen Wirksamkeit erarbeiten. Karl SCHLÖGEL formuliert es klar und deutlich. [50]

Geschichte wird im Raum erkennbar. Dabei wird sie immer von der Gegenwart her gemacht und geschrieben, geleitet von gegenwärtigen Bedürfnissen, Passionen oder Obsessionen. Auch die Wissenschaft erinnert sich zu bestimmten Zeiten und in bestimmten Räumen gerne an bestimmte Dinge, sortiert und reflektiert ihre eigene Geschichte neu und besinnt sich auf das, was sie bislang geleistet hat oder in Zukunft zu leisten gefordert ist. "Manchmal fängt etwas Neues mit einem Gespräch darüber an, was sich allzu lange wie von selbst verstanden hat, oder auch nur mit der Erinnerung an etwas, was in Vergessenheit geraten ist" (S.9), und jetzt ist es an der Zeit, so SCHLÖGEL, dass ein "kräftiger Schuss Materialismus" wieder "die so lange um Virtuelles und Simulacra kreisenden Diskurse" (S.12) würzt. [51]

Anmerkungen

1) Anke GLEBER (1999) skizziert die Figur des Stadt-Schlenderers für die Stadt Weimar und das intellektuelle Umfeld von Walter BENJAMIN, dessen Konzept der memorierenden Flanerie auch SCHLÖGEL aufgreift. <zurück>

2) Vgl. hierzu die Diskussion der philosophischen, psychologischen und kulturwissenschaftlichen Traumaforschung von Wulf KANSTEINER (2004). <zurück>

3) Konzepte wie diejenigen des cultural flows bzw. der Deterritorialisierung von Arjun APPADURAI (1990) oder die moving targets von Gisela WELZ (1998) beschreiben Globalisierung und Transnationalisierung als Ent-Ortung von kulturellen und individuellen Lebenszusammenhängen. Ihr Interesse gilt unter anderem auch den vielseitigen Migrationsprozessen und der Erfindung von "Heimat" in der Distanz zum tatsächlichen Herkunftsort. <zurück>

4) Dieter HALLER beschreibt diesen kulturellen Mechanismus am Beispiel von Lokalität und Identität in Gibraltar: "Die Ethnologie [hat ...] immer wieder gezeigt, dass Erfahrungen nach wie vor im lokalen Kontext gemacht werden" (HALLER 2000, S.79). <zurück>

5) SENNETT untersucht das Verhältnis von belebter und unbelebter Materie anhand von Fragen wie: Auf welche Weise formen sich Menschen Schutz, Behausung und Annehmlichkeiten aus Stein? Wie bilden sie darin ihre Bedürfnisse und Sehnsüchte ab? Wie bestimmt ihr eigenes Körperbild, ihre Körpererfahrung die Art, sich zu kleiden, sich zu bewegen und die Formen, die sie sich aus Stein erschaffen? Wie wandelt sich das Verhältnis zwischen Mensch und Stadt mit zunehmender Modernisierung und Technologisierung und dementsprechend veränderten Körperbildern (z.B. Befreiung des Körpers von den viktorianischen Zwängen)?Auf der Suche nach Antworten nimmt er beispielsweise die Polis des antiken Athen, den Stadtstaat Rom, das Paris des Mittelalters, das jüdische Ghetto in Venedig und moderne Großstädte wie das imperiale London oder das multikulturelle New York von heute eingehender in Augenschein. <zurück>

6) Jeremy BOISSEVAIN (1991) macht diese Beobachtung während seiner Untersuchungen von religiösen Praktiken auf Malta und stellt unterschiedliche Studien zu dieser Entwicklung, welche sich in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts europaweit abzuzeichnen beginnt, eindrücklich in einem 1991 erschienenen Sammelband vor. <zurück>

7) Die Ergebnisse seiner in den 1980er und 1990er Jahren in Ripacandida unternommenen empirischen Studien liegen zusammengefasst in der Monographie "Magie und Macht in Italien. Über Frauenzauber, Kirche und Politik" vor (HAUSCHILD 2002). <zurück>

8) Philipp SARASIN spricht in seinem Artikel "Mapping the body" vom menschlichen Körper und Kollektivkörpern als codierte, gezeichnete Realitäten, welche sich erst in der Abgrenzung gegenüber dem Anderen und Außen fixieren, da sie sui generis keine stabilen und exakten Grenzen aufweisen. <zurück>

9) "We [...] experience objects and places as having ghosts. We do so because we experience [them] socially [...] as we do people. Through ghosts, we re-encounter the aura of social life in the aura of place." (MAYERFELD BELL 1997, S.821) <zurück>

10) Gernot BÖHME beschreibt die "Atmosphäre" eines Ortes als eine gleichsam eigenständige Größe, als unabhängig von bloßer menschlicher Projektion. Sie ist sozusagen "die gemeinsame Wirklichkeit des Wahrnehmenden und des Wahrgenommenen" (1999, S.34). <zurück>

11) Der französische Ethnologe Marc AUGÉ macht in seinen "Vorüberlegungen zur Ethnologie der Einsamkeit" auf die transistorische Qualität mancher Orte aufmerksam, die er Nicht-Orte nennt, da sie nicht Ort an sich, sondern Übergang sind, Durchgangslager, Flughäfen oder Schnellstraßen beispielsweise. <zurück>

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Zur Autorin

Sina Lucia KOTTMANN, M.A., Studium der Ethnologie, Vergleichenden Religionswissenschaft, Romanischen Philologie und Vergleichenden Sprachwissenschaften in Tübingen. Im Juli diesen Jahres beginnt sie ihre Promotion im Fach Ethnologie mit empirischen Forschungen zur Fiesta de Moros y Cristianos in Südspanien. Seit 2000 ist sie initiierend, schreibend und forschend in verschiedene Projektzusammenhänge der Forschung und des interkulturellen Austauschs zum/im euromediterranen Raum eingebunden (Tübingen, Stuttgart, Berlin, Aix-en-Provence/Frankreich, Granada/Spanien, Kairo/Ägypten). Ihr besonderes Interesse gilt der Begegnung zwischen muslimischen und christlichen Kulturen im Mittelmeerraum, insbesondere Spanien-Marokko, sowie den symbolischen (Körper-) Praktiken, synkretistischen Ästhetiken und Diskursen, die aus dieser wechselseitigen Einflussnahme erwachsen.

Kontakt:

Sina Lucia Kottmann

Dürrstr.20
D-72070 Tübingen

E-Mail: sinskott@yahoo.com

Zitation

Kottmann, Sina Lucia (2005). Karl Schlögel liest die Zeit im Raum: Flanieren auf alten Wegen in Richtung neuer Horizonte. Review Essay: Karl Schlögel (2003). Im Raume lesen wir die Zeit. Über Zivilisationsgeschichte und Geopolitik [51 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 6(2), Art. 12, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0502128.

Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research (FQS)

ISSN 1438-5627

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