Volume 6, No. 1, Art. 15 – Januar 2005
Rezension:
Martin Wysterski
Paul-Thomas Kandzia & Thomas Ottmann (2003). E-Learning für die Hochschule. Erfolgreiche Ansätze für ein flexibleres Studium (Medien in der Wissenschaft, Band 15). Münster: Waxmann, 300 Seiten, ISBN 3-8309-1292-7, EUR 25,50
Zusammenfassung: Die Vorstellung ist verlockend. Studieren unabhängig von Zeit und Raum. Mit dem Konzept einer virtuellen Universität erscheint dieses Szenario realistisch. Insbesondere die stetige Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten gibt berechtigten Anlass zu dieser Hoffnung. Doch die Realität sieht anders aus. Zwar gibt es eine Vielzahl von Einzelprojekten, die sich – meistens im Pilotcharakter – mit der Entwicklung und Umsetzung von multimedial unterstützten Lehrveranstaltungen beschäftigen, doch ein fächer- und hochschulübergreifendes Konzept ist nur schwer zu entdecken. Auch das VIROR-Projekt, welches in dem Sammelband von KANDZIA und OTTMANN beschrieben wird, ist ein solches Einzelprojekt. Dennoch gibt es interessante Einblicke in die Problematik der Errichtung einer virtuellen Hochschule. Insbesondere finanzielle Aspekte bilden das Hauptproblem. So ist bis heute nicht gesichert, ob Teile des Projekts bzw. das Projektteam nach Ablauf der Förderungsdauer von fünf Jahren weiterfinanziert werden können. Selbst bei der Durchführung der einzelnen Projekte spielten die finanziellen Mittel eine entscheidende Rolle. So konnten beispielsweise einige Projekte nur teilweise umgesetzt werden, da keine Mittel für den Erwerb eines leistungsfähigen Servers oder anderer Hard- und Software zur Verfügung standen. Überhaupt stellte die technische Vernetzung der verschiedenen Hochschulen ein grundlegendes Problem dar, da verschiedene Systeme und Softwareprodukte eingesetzt wurden, die erst im Rahmen des Projekts harmonisiert werden mussten. Doch trotz dieser und anderer Probleme, wie z.B. die unterschiedliche Medienkompetenz der Studierenden, zeigt das VIROR-Projekt positive Ansätze für die Zukunft. Eines scheint jedoch klar zu sein, nur hochschulübergreifende Lösungen haben in der Zukunft eine Chance. Insellösungen werden hingegen vom Markt verschwinden.
Keywords: Virtuelle Hochschule, E-Learning, Simulationen, Multimediales Lernen, Medienkompetenz
Inhaltsverzeichnis
1. Virtuelle Hochschule in den 90er Jahren
2. Virtuelle Hochschule heute
3. VIROR – die Projekte
3.1 Infrastrukturelle Grundvoraussetzungen
3.2 Webbasierte Anwendungen
3.3 Anwendungsbeispiele aus der Praxis
3.4 Evaluation und Analysen
4. Fazit: Eine umfassende Dokumentation
1. Virtuelle Hochschule in den 90er Jahren
Was war das für ein Hype Mitte bis Ende der 90er Jahre, als sich alle auf das Internet und die neuen IuK-Technologien stürzten. Unzählbare Szenarien und Visionen wurden entwickelt. Technische Grenzen schienen sich aufzulösen. Für viele Bereiche des alltäglichen Lebens wurden – schon für die nahe Zukunft – unumstößliche Veränderungen vorhergesagt. Alles sollte besser, schneller und einfacher werden. [1]
Einer dieser Bereich des alltäglichen Lebens, der mit Hilfe der Neuen Medien vollkommen revolutioniert werden sollte, war der Hochschulbereich. E-Learning, virtuelle Universität, virtueller Campus, Teleteaching, Web University, Lernen im Internet, computerunterstütztes Lernen oder Distance Learning on the Net hießen die viel versprechenden Konzepte der damaligen Zeit. Es gab die Visionen von virtuellen Universitäten, an denen Studenten aus der ganzen Welt zeit- und ortsunabhängig studieren können. Lehrmaterialien würden nur noch online existieren (Bibliotheken gar vollständig digitalisiert), Präsenzveranstaltungen über kurz oder lang zu online-basierten Videostreams mutieren und Studenten gemütlich zu Hause vor ihrem PC sitzen. [2]
Und dann? Dann platzte die New Economy-Blase und alle wurden wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Seither gab und gibt es weiterhin eine Vielzahl von Projekten und Förderprogrammen zur Erforschung und Entwicklung von virtuellen Hochschulen allgemein und zu dem Thema E-Learning im Besonderen. Eines dieser Projekte heißt "Virtuelle Hochschule Oberrhein" (VIROR). Es wurde 1998 in Baden-Württemberg initiiert und bis 2003 finanziert. Teilnehmer waren die am Oberrhein gelegenen Universitäten Freiburg, Heidelberg, Karlsruhe und Mannheim. Über die Erfahrungen aus diesem Projekt berichten KANDZIA und OTTMANN in ihrem Sammelband. [3]
Viele Projekte beinhalten viele Ideen und verfolgen viele Ziele. Doch welche Ziele konnten mit den jeweiligen Projekten erreicht werden? Und welchen Beitrag konnte das VIROR-Projekt zu dem heutigen Kenntnis- und Erfahrungsstand leisten? [4]
Dies sind Fragen, denen KANDZIA und OTTMANN in ihrem Buch nachgehen. Natürlich liegt der Schwerpunkt eindeutig auf dem VIROR-Projekt. Allerdings werden auch allgemeingültige Aspekte zum Thema E-Learning und virtuelle Hochschule wie z.B. die hochschulpolitische Ebene und somit die Finanzierung und Förderung solcher Projekte angesprochen. [5]
Im Rahmen von VIROR konnten eine Reihe von wertvollen Einzelergebnissen inhaltlicher, technischer, didaktischer und organisatorischer Art gewonnen werden. In der Regel handelt es sich dabei, wie in den meisten anderen Projekten auch, um Pilotierungen, Prototypen und wissenschaftliche Erkenntnisse. Strategische Konzepte und langfristige Maßnahmen konnten hingegen nur in Ausnahmefällen etabliert werden. Somit kommt es für das Konzept der virtuellen Hochschule nun darauf an, Entscheidungen zu treffen, die dazu führen, dass die Aktivitäten der letzten fünf Jahre in zukünftige Hochschulangebote integriert und weitergeführt werden. [6]
3.1 Infrastrukturelle Grundvoraussetzungen
Der erste Teil des Buches beschäftigt sich mit dem Aufbau einer grundlegenden Infrastruktur für E-Learning-Projekte. So berichten BÖBEL und TRAHASCH von ihren Erfahrungen mit der Auswahl und dem Einsatz eines Learning Management-Systems an der Universität Freiburg. Dabei beschreiben sie nicht nur die Grundanforderungen an eine solche Anwendung (z.B. ein Berechtigungssystem zur Personalisierung der Lernumgebung oder Möglichkeiten zur Kommunikation bzw. zum Datenaustausch zwischen den einzelnen Teilnehmern sowie zur Erstellung von multimedialen Inhalten), sondern sie stellen auch verschiedene Produkte vor. Ebenso wird von den beiden Autoren der schwierige Weg zur Konsensbildung für eines der Systeme (CLIX-Campus) dargestellt. Als Fazit halten BÖBEL und TRAHASCH fest, dass der Trend eindeutig zu hochschulübergreifenden Learning-Management-Systemen geht. Insellösungen verlieren hingegen immer mehr an Bedeutung. [7]
Nachdem CONRADT, HANAUER und TRAHASCH sich intensiv mit dem Knowledge Pool Baden-Württemberg auseinandergesetzt haben, einer Initiative zur Archivierung und Erschließung der in den verschiedenen VIROR-Projekten genutzten Lernobjekte in einem international gültigen Standardformat, beschäftigt sich EFFELSBERG ausführlich mit der Netztechnik und den verschiedenen AV-Geräten, die für Televorlesungen und Teleseminare benötigt werden. Neben den verschiedenen Online-Szenarien (RLR, RIS, IHL und CBT; Erläuterungen siehe im Glossar) beschreibt EFFELSBERG auch die netztechnischen Mindestanforderungen für die Umsetzung eines E-Learning-Projekts. Dazu gehört u.a. die benötigte Bandbreite (Bitrate bei der Datenübertragung) für die Übertragung bestimmter multimedialer Techniken, die Sicherstellung der Dienstgütegarantien (garantierte Bandbreite, keine Ende-zu-Ende-Verzögerung des Netzes, Synchronizität der Ströme und eine geringe Fehlertoleranz bei der Datenübermittlung), die Multicast-Unterstützung innerhalb des Netzes sowie eine gute Konnektivität, also die Verbreitung von Netzanschlüssen und Anwendungssoftware auf der Basis der benutzen Technik. Je teurer und komplizierter eine Netzwerktechnik zu installieren und pflegen ist, desto weniger ist sie für den Einsatz in einem E-Learning-Projekt geeignet. [8]
Des Weiteren prüft der Autor die Auswirkungen der Anordnung der verschiedenen AV-Geräte in Hörsälen und Seminarräumen auf deren Akzeptanz bei Lehrenden und Lernenden. Zu den im Beitrag berücksichtigten Geräten gehören die Referentenkamera, das Referentenmikrofon, die Publikumskamera, die Beleuchtung, die elektronische Wandtafel und das Regiepult. Sein Fazit: Nur zuverlässig betreute Hörsäle und Seminarräume, die über die modernste Technik verfügen, werden zukünftig nachhaltig akzeptiert werden. [9]
Web-Based- und Computer-Based-Trainings (WBT/CBT), also die maßgeschneiderte multimediale Darstellung eines Stoffgebietes als netzgestützte oder lokale Anwendung, sind die Inhalte des zweiten thematischen Abschnitts des Buches. KRANICH und SCHMITZ beschreiben darin die Integration einer Java-basierten objektorientierten Lernumgebung zur Kosten- und Erlösrechnung (Joker) im Rahmen einer betriebswirtschaftlichen Lehrveranstaltung. [10]
LEVEN und KLAR hingegen vertiefen sich sehr ausführlich in ein WBT/CBT-System für die fallbasierte Aus-, Weiter- und Fortbildung in der Medizin. Der Name des Systems lautet CAMPUS. Es wird seit längerem im pädiatrischen Praktikum der Universität Heidelberg erfolgreich eingesetzt. Ziel des CAMPUS-Projektes ist die Entwicklung eines Systems zur PC-gestützten Ausbildung von Medizinern, in dem an die Stelle der konventionellen systematischen Behandlung von Krankheitsbildern die problemorientierte Beschäftigung mit authentischen Patientenfällen tritt und in dem selbstbestimmtes Lernen eine wichtige Rolle spielt. Mit Hilfe von CAMPUS soll Kompetenz in medizinischem Wissensmanagement ausgebildet werden, indem der Lernende zur Unterstützung seiner Diagnose- und Therapieentscheidungen einerseits Falldaten aus einer Datenbank abrufen und zum anderen systematisches Wissen aus weltweit verfügbaren digitalen Bibliotheken über das World Wide Web nutzen kann. [11]
Abgerundet wird dieser Abschnitt durch den Beitrag von KÜSTERMANN, RATZ, SEESE und THIEMANN über die Entwicklung und Umsetzung eines multimedialen webbasierten Javakurses. [12]
3.3 Anwendungsbeispiele aus der Praxis
Die Virtualisierung von Vorlesungen und Übungen hat der dritte Abschnitt des Buches zum Inhalt. Die Aufzeichnung von Lehrveranstaltungen hat sich in zahlreichen Projekten als praktische Lösung für die Erstellung von multimedialen Lehrinhalten herauskristallisiert. Aus diesem Grunde beschäftigen sich LAUER, LIENHARD, MÜLLER und OTTMANN intensiver mit diesem Thema. Von Einsatzszenarien über konzeptionelle Ansätze und Softwarelösungen bis hin zu Hardware und Benutzerschnittstellen werden in dem Artikel alle relevanten Aspekte ausführlich behandelt. [13]
Abgeschlossen wird der praktische Teil des Buches mit dem vierten Abschnitt, in dem beispielhaft verschiedene Seminare aus den unterschiedlichsten Fachbereichen dargestellt werden. KAISER und TAUBMANN berichten in diesem Zusammenhang von zwei Seminaren im Bereich Gender Studies/Informatik zu den Themen Technik und Geschlecht sowie Geschlecht und Profession. Initiator dieser Seminare war die Universität Freiburg. An den Veranstaltungen waren jedoch auch die Hochschulen aus Mannheim, Karlsruhe und Bonn beteiligt. Von den Erfahrungen aus diesem Projekt der technischen Vernetzung kooperierender Universitäten gehen umfassende strukturelle Initiativen aus. So wurde an der Pädagogischen Hochschule Freiburg ein hochschulübergreifendes Kompetenzzentrum Genderforschung und Bildungsfragen in der Informationsgesellschaft ins Leben gerufen. Ebenso stellen die drei Hochschulen einen gemeinsamen Antrag für einen Masterstudiengang Gender Studies mit dem Namen Genderkompetenz in der Wissensgesellschaft. [14]
STARKLOFF, ZUMBACH und REIMANN wiederum informieren den Leser über die Durchführung von zwei psychologischen Seminaren, die am Fachbereich Pädagogische Psychologie der Universität Heidelberg durchgeführt wurden. Im Mittelpunkt der beiden Seminare stand der Ansatz des problembasierten Lernens (PBL), der das Lernen an authentischen Problemen als Ziel verfolgt. PBL ermöglicht kreative Eigenleistungen der Lernenden in der Gruppe und bietet eine große Flexibilität bei den Problemlösungsprozessen. Aus diesen Gründen erschien der Ansatz besonders geeignet für ein E-Learning-Projekt. [15]
In der praktischen Umsetzung ergaben sich allerdings einige Probleme. So war beim ersten Projekt der Zeitraum der Zusammenarbeit (sechs Wochen) zu kurz, so dass es für die Teilnehmer nur selten die Möglichkeit zum gegenseitigen Austausch gab. Außerdem hatte man mit Hackerangriffen zu kämpfen. Beim zweiten Projekt, welches über ein ganzes Semester konzipiert war, gab es Probleme mit der Leistung des Servers sowie mit Verzögerungen in der Zulieferkette zwischen den einzelnen Projektgruppen. Bei der Evaluation der Projekte zeigt sich allerdings eine hohe Akzeptanz bei den Lernenden, deren Motivation in einem solchen Seminar deutlich höher ist als in klassischen Präsenzveranstaltungen. Kritisch bewertet wurde hingegen die technische Seite der Projekte. Hier müssen aufgrund der geringen Vorlaufzeit und der begrenzten finanziellen Möglichkeiten für die Hardwarebeschaffung deutliche Abstriche gemacht werden. [16]
In diesen Tenor fällt auch das Fazit von MÜLLER, der in seinem Artikel verschiedene Seminare aus dem Bereich der Politikwissenschaft an der Universität Freiburg beschreibt. Die netzbasierte Abwicklung eines Seminarbetriebes ist für beide Seiten (Lehrende und Lernende) eine komplexe Angelegenheit, die insbesondere hohe Ansprüche an die Selbstorganisation der Studierenden stellt. Ein entscheidender Faktor ist in diesem Zusammenhang die Medienkompetenz der Teilnehmer. Da diese zu Beginn eines Seminars sehr unterschiedlich ist, sind Arbeitsabläufe durch die Lehrenden möglichst genau zu strukturieren und mit klaren Anweisungen zu versehen. Nur so kann für alle Beteiligten die Chance auf einen Lernerfolg gewährleistet werden. Einen weiteren – wenn auch indirekten – Effekt auf den Lernerfolg bildet darüber hinaus die Kombination aus Präsenzveranstaltungen und virtuellen Phasen, denn dadurch wird die Seminaratmosphäre in entscheidendem Maße verbessert. [17]
Die didaktische Aufbereitung des VIROR-Projekts erfolgt im fünften Abschnitt von HOFER, FRIES, WESSELS, HAIMERL und WINTER. Die Autoren unterscheiden dabei vier Evaluationsformen. Während es bei der Zielevaluation darum geht, die Problemperspektiven der beteiligten Gruppen zu erheben (in diesem Falle also die Einbeziehung Neuer Medien in die Lehrveranstaltungen), dient die Inputevaluation dazu, vor dem Hintergrund der Zielsetzungen Interventionsformen zu ermitteln sowie Alternativen zu sichten, auszuwählen und umzusetzen. Dies war im Bereich des VIROR-Projekts relativ klar determiniert. Die zentrale Form digitaler Lehrangebote bestand in der telemedialen Übertragung von Veranstaltungen. Alternativen hierzu sind virtuelle Lehrinhalte in Form von Simulationen (WBTs, CBTs, siehe Glossar). Mit der eigentlichen Umsetzung der Ziele befasst sich dahingegen die formative Evaluation. Hier wird dokumentiert, wie alle Beteiligten das Projekt umsetzen, wie Lehrende und Studierende darauf reagieren und vor allem welche Kosten entstehen. Mit der Qualität des Prozesses setzt sich abschließend die summative Evaluation auseinander. Die Qualität der gewonnenen Ergebnisse wird hierbei jedoch nicht beachtet. Es geht einzig und allein um die im Rahmen der Projekte neu geschaffenen Prozesse. Die Evaluation in VIROR beschränkte sich ausschließlich auf die Teilprozesse der Input- und formativen Evaluation, da neue Prozesse in der Regel selten vollständig vorhanden waren und somit eine summative Evaluation wenig zweckmäßig gewesen wäre. Weiterhin war die Zielevaluation – wie oben beschrieben – schon vorgegeben. [18]
Ohne im Detail auf die angewandten Evaluationskriterien (die didaktische Theorie des "Learning Cycle" sowie den DOT-Ansatz) und -methoden (Befragungen sowie experimentelle bzw. quasiexperimentelle Vorgehensweisen) eingehen zu können, kann als zentrales Ergebnis aus didaktischer Sicht festgehalten werden, dass die fehlenden Kontrollmöglichkeiten der Lehrenden sowie die Vorwissensunterschiede bei den Lernenden die größten Probleme mit sich bringen. Weiterhin wird der Wissenserwerb bezogen auf die inhaltliche Thematik der Projekte von den Studierenden selbst als sehr gering eingestuft. Die Gründe hierfür liegen in der teilweisen Überforderung durch die Technik und die oft fehlende Möglichkeit zum Austausch mit anderen Teilnehmern. Organisatorisch zeigen sich ebenfalls deutliche Kritikpunkte. So konnten bei aufwendig programmierten bzw. strukturierten ortsübergreifenden Veranstaltungen teilweise nicht alle Universitäten teilnehmen, da auf der technischen Seite nicht immer die Voraussetzungen geschaffen werden konnten (fehlende Software bzw. keine Installation derselbigen). Auch gab es Probleme bei den Scheinerwerbsmodalitäten, so dass viele interessierte Studierende Abstand von der Teilnahme an den VIROR-Projekten nahmen. Unzureichende Soft- und Hardwarevoraussetzungen sowie fehlende Server- und Übertragungskapazitäten stellen darüber hinaus die Hauptkritikpunkte der technischen Bewertung dar. [19]
KÜCHLER setzt sich im vorletzten Artikel des Buches mit der Rolle des Programmbeirats der Virtuellen Hochschule Baden-Württemberg als beratendes und steuerndes Gremium des VIROR-Projekts auseinander. Er nennt Einzelbeispiele des Beirats im Rahmen seiner Beratungstätigkeit (z.B. die Koordination von hochschulübergreifenden Gremien oder die Durchführung von Informationsveranstaltungen zum Thema E-Learning), beschreibt den Beitrag des Beirats auf hochschulpolitischer Ebene (Erstellung von Empfehlungen und Berichten auf Basis verschiedener Evaluationsrunden) und wirft die Frage auf, was am Ende des Landesprogramms und einer recht intensiven Phase der Programmbetreuung durch den Beirat eigentlich bleibt. Seine Antwort ist eindeutig: zwar ist im Rahmen des VIROR-Projekts keine "Virtuelle Hochschule Baden-Württemberg" entstanden und die weitere Finanzierung der Verbundprojekte ist offen, doch lassen sich deutliche Anzeichen für eine Breitenwirkung der Projekte erkennen. Und daran, so KÜCHLER, hat der Beirat durch seine Arbeit einen entscheidenden Anteil. [20]
Abschließend beenden KANDZIA und KRAUS den Sammelband mit einem Diskussionspapier zur Förderung von virtuellen Hochschulprojekten. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass einzelne Projekte wie VIROR zwar im Kern richtig, doch im Ergebnis nicht im vollen Umfang zufrieden stellend sind. Bei der virtuellen Hochschule der Zukunft geht es darum, den Blick auf das Ganze nicht zu verlieren. Nur wenn fächer- und hochschulübergreifende Standards geschaffen werden können, kann die virtuelle Hochschule positiv in die Zukunft blicken. [21]
4. Fazit: Eine umfassende Dokumentation
Wer sich für das Thema E-Learning im Allgemeinen und den Aspekt der virtuellen Hochschule im Besonderen interessiert, der bekommt in dem Sammelband von KANDZIA und OTTMANN einiges geboten. Einerseits bekommen Experten einen umfassenden Einblick in die Erfahrungen und Ergebnisse des VIROR-Projekts. Andererseits werden auch Neueinsteiger von den jeweiligen Autoren so in das Thema eingeführt, dass die teilweise sehr detaillierten Projektbeschreibungen auch für diese Leser interessant und nachvollziehbar sind. [22]
Zunächst bleibt festzustellen, dass ein Projekt wie VIROR, aufgrund der hohen Präsenz sowohl in der Fachwelt als auch in den Medien, eine Anlaufstelle für am Thema Interessierte bildet. Dieser Entwicklung wurde ziemlich schnell Rechnung getragen, indem Projektmanager und Sprecher benannt wurden, die mit ihrem Fachwissen und ihrer Erfahrung als kompetente Gesprächspartner zur Verfügung standen. Nach Beendigung des Projektes gilt es nun, diese Funktion der Anlaufstelle für Anfragen zu diesem Thema aufrechtzuerhalten. Allerdings ist dies wegen der ungeklärten Finanzierung nicht gesichert. [23]
Finanzielle Aspekte sind auch der Hauptgrund dafür, dass das qualifizierte Personal von VIROR nicht weiterbeschäftigt werden kann. Die meisten Verträge der aus Projektmitteln finanzieren "Vollzeit-Beschäftigten" waren befristet, neue Planstellen sind kaum vorgesehen. Immerhin wurde das wissenschaftliche Know-how auf Konferenzen und in Fachzeitschriften publiziert. Allerdings werden die im Internet zugänglich gemachten Erfahrungsberichte und praktische Hinweise zum Thema E-Learning seit dem Auseinanderbrechen des Teams nicht weiter gepflegt. Das informelle Wissen scheint vorerst verloren. [24]
Bleibt die technische Infrastruktur. Die in dem Bereich der Vernetzung der einzelnen Universitäten und technischen Durchführung von virtuellen Veranstaltungen gesammelten Erfahrungen sind dokumentiert und können für weitere Projekte herangezogen werden. In Einzelfällen wird dies auch von den zuständigen Fakultäten durchgeführt. Ob dies jedoch ausreicht, um hochschulübergreifende Projekte durchführen zu können, bleibt fraglich. [25]
Das Buch stellt ziemlich klar heraus, dass für einen erfolgreichen dauerhaften Betrieb einer virtuellen Hochschule eine kritische Masse – also eine ausreichende Anzahl an Teilnehmern, entweder Hochschulen oder Institute – und ein bestimmtes Finanzvolumen vorhanden sein müssen. Konkrete Größenordnungen werden von den Fachinhalten und Projektzielen determiniert und daher im Einzelfall zu ermitteln sein. Im Ausblick der Autoren KANDZIA und KRAUS werden jedoch einige wichtige Faktoren vernachlässigt. Als Stichworte seien hier die Fragen von Urheberrechten bei Internetkursen, der momentane Fachkräftemangel im Entwicklerbereich sowie die Herausforderungen bei der Entwicklung und Umsetzung der strukturellen, kommunikativen und organisatorischen Konzepte genannt. [26]
Diese Einschränkung schmälert jedoch nicht den Eindruck eines interessanten Sammelbandes, der eine Fülle von Informationen und Ergebnissen zum Thema virtuelle Hochschule bietet. [27]
Bandbreite
Der Durchsatz, mit dem Daten übermittelt werden. Normalerweise wird die Bandbreite in Kilobyte pro Sekunde angegeben.
CBT
Abkürzung für "Computer Based Training". Gemeint sind Lernsysteme, die auf Computer- und Multimedia-Technologien basieren und auf einem lokalen Rechner installiert werden.
DOT-Ansatz
Didaktik-Organisation-Technik-Ansatz
Ende-zu-Ende-Verzögerung
Dauer einer Datenübertragung zwischen Quelle (Ursprungsort einer Information) und Senke (Zielort einer Information)
IHL
Abkürzung für "Interactive Home Learning". Intensivierung des orts- und zeitunabhängigen Lernens und somit sehr große Dezentralisierung. Hierbei sollen Studenten von zu Hause aus asynchron (aufgezeichnete Vorlesungen, Skripte, Lernprogramme) und synchron (Live-Teilnahme an Lehrveranstaltungen mittels Videokonferenz usw.) lernen.
Konnektivität
In elektronischen Netzwerken ist der Aspekt der Konnektivität von zentraler Bedeutung. Der Begriff bezieht sich dabei sowohl auf die Möglichkeit des individuellen Zugangs zu den Netzen, als auch auf den Grad der Verknüpfung.
RIS
Abkürzung für "Remote Interactive Seminar". Seminarsitzungen werden per Videokonferenz abgehalten und damit wird eine Dezentralisierung erreicht. Neben Videokonferenzen kommen dabei andere Online-Dienste wie E-Mail und WWW zum Einsatz.
RLR
Abkürzung für "Remote Lecture Room". Zwei Hörsäle werden mittels eines Hochgeschwindigkeitsnetzes miteinander verbunden. Um Vorlesungen live übertragen zu können, werden Audio und Video des Dozenten und der beiden Hörsäle und Folien, Animationen oder ''shared applications'' in digitaler Form übertragen. Bei voller Interaktivität verschmelzen so beide Hörsäle zu einem "virtuellen Hörsaal". Der Hörsaal kann sich theoretisch per Multicast auf die ganze Welt ausweiten.
WBT
Abkürzung für "Web Based Training". Gemeint sind Lernsysteme, die auf Computer- und Multimedia-Technologien basieren und auf einem Server im World Wide Web installiert werden.
Martin WYSTERSKI; Studium der Publizistik und Kommunikationswissenschaften an der FU Berlin. Mitarbeiter bei verschiedenen Markt-, Meinungs- und Medienforschungsinstituten (u.a. forsa, MediaFutura, ComCult). Von 2001-2002 Junior-Analyst bei der Berlecon Research GmbH in Berlin. Seit Februar 2002 Research Manager bei der LDB Löffler GmbH in Berlin.
Arbeitsschwerpunkte: Medienwirkungsforschung, Markt- und Meinungsforschung, Internet, TV-Forschung, Online-Marketing, E-Commerce, CRM-Systeme für den Automobilbereich.
In FQS finden sich weitere Besprechungen von Martin WYSTERSKI zu:
Online-Journalismus – Perspektiven für die Wissenschaft und Praxis (Klaus-Dieter Altmeppen, Hans-Jürgen Bucher & Martin Löffelholz 2000),
Fernsehen im Lebenslauf – Eine medienbiographische Studie (Christiane Hackl 2001) und
Internet und Fernsehen – Vom asynchronen zum synchronen Content bei Live-Events (Matthias Postel 2001).
Kontakt:
Martin Wysterski
Schopenhauerstr. 18
D-14612 Falkensee
E-Mail: mwys@online.de
URL: http://www.mwys.de/
Wysterski, Martin (2004). Rezension zu: Paul-Thomas Kandzia & Thomas Ottmann (2003). E-Learning für die Hochschule. Erfolgreiche Ansätze für ein flexibleres Studium [27 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 6(1), Art. 15, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0501157.
Revised 6/2008