Volume 5, No. 2, Art. 32 – Mai 2004
Theoria cum praxi? Über die (Un-?) Vereinbarkeit wissenschaftlicher und ökonomischer Anforderungen
Monika Kritzmöller
Zusammenfassung: Gottfried Wilhelm LEIBNIZ maß der Zusammenarbeit und wechselseitigen Befruchtung von Theorie und Praxis ein derart hohes Gewicht bei, dass er das Motto "Theoria cum praxi" bereits 1696 als Wahlspruch über sein Gesamtwerk stellte. An der Notwendigkeit einer Kooperation zwischen Praxis – und damit zumeist: Wirtschaft – und Wissenschaft hat sich seither nicht viel geändert. Dennoch wäre es ein Trugschluss zu glauben, dass die vergangenen drei Jahrhunderte zu einem Kraftschluss zwischen beiden Sphären geführt hätten. Den weitreichenden Chancen und Notwendigkeiten einer Kooperation stehen offensichtlich nach wie vor wechselseitige Vorbehalte und Wissensdefizite gegenüber, so dass vielfach eine sinnvolle Einbindung unterbleibt und die Versäulung zwischen "Elfenbeinturm" und "schnödem Mammon" weiter aufrecht erhalten bleibt. Jedoch gibt es auch viel versprechende und erfolgreiche Möglichkeiten einer Zusammenarbeit von qualitativer Sozialforschung und unternehmerischer Umsetzung, in denen die wissenschaftliche Qualität und Unabhängigkeit ebenso gewährleistet ist wie die konkrete Anwendbarkeit im Praxiskontext. Der vorliegende Aufsatz zeigt auf, welche Hemmnisse Sozialwissenschaften und Wirtschaft nach wie vor voneinander trennen, und mit welchen Voraussetzungen und Chancen eine für beide Seiten gewinnbringende Zusammenarbeit möglich ist.
Keywords: Kooperation Wirtschaft – Wissenschaft, Zielgruppe, Gesellschaftsstruktur, Individualisierung, Segment-of-one, unternehmerische Anwendbarkeit von Forschungsergebnissen, wissenschaftliche Unabhängigkeit, unternehmerischer Nutzen, wissenschaftlicher Nutzen
Inhaltsverzeichnis
1. Verbale Differenz – inhaltliche Parallelen
2. Marketingfragen sind Gesellschaftsfragen
3. Hemmnisse, die eine Annäherung verhindern
3.1 Wissenschaftliche Barrieren gegenüber ökonomischen Kontexten
3.2 Distanzierung von Wirtschaftsunternehmen gegenüber wissenschaftlicher Arbeit
3.3 Verteilungsprinzip statt Leistungsprinzip
4. Exempel einer erfolgreichen Forschungskooperation zwischen Wirtschaft und Wissenschaft
4.1 Procedere und Forschungsfragestellung
4.2 Einsatzbereiche sozialwissenschaftlicher Ergebnisse im Unternehmen
5. Voraussetzungen für ein gewinnbringende Kooperation
5.1 Anforderungen an die Qualifikation des Forschers
5.2 Anforderungen an die kooperierenden Unternehmen
6. Nutzen einer Forschungskooperation Wirtschaft – Wissenschaft
6.1 Privilegierte Bedingungen für die Forschenden
6.2 Erkenntnis- und ökonomischer Gewinn bei kooperierenden Unternehmen
7. "Theoria cum praxi" als zukunftsweisende Perspektive
1. Verbale Differenz – inhaltliche Parallelen
Mit jeweils unterschiedlichem Vokabular und ebenso unterschiedlichen Nutzungsintentionen setzen sich (Sozial-) Wissenschaften und Unternehmen mit der Beschaffenheit der gegenwärtigen Gesellschaft auseinander. Auf sozialwissenschaftlicher Seite zielt die Erforschung sozialer Phänomene wie der Gesellschaftsstruktur oder Prozessen des sozialen Wandels darauf ab, Phänomene nicht nur erkennen, sondern auch theoretisch erklären und begründen zu können. Seitens der Unternehmen steht die Erkundung des Konsumentenverhaltens im Vordergrund des Interesses und ist Mittel zum Zweck, um Marktgeschehen zu antizipieren und unternehmerischen Erfolg durch strategische Planung herbeizuführen. [1]
Den soziologischen Begriffen der "Gesellschaft" und der "sozialen Gruppe", den "Milieus", "Schichten" und "Lebensstilen" steht das Sprechen (und Denken) von der "Zielgruppe" gegenüber. Diese Begrifflichkeit verweist schon darauf, dass es hier nicht um den Erkenntnisgewinn um seiner selbst willen geht, sondern um Absichten: Die Steigerung des unternehmerischen Erfolgs, dessen Voraussetzung es ist, die anvisierte Käuferschaft zu erreichen – das Ziel zu "treffen". Es gilt, die jeweiligen Personen nicht nur im technischen Sinne zu erreichen ("an-zutreffen"), sondern sich mit einem für sie attraktiven Angebot verständlich zu machen, die Menschen also zu "be-treffen". [2]
Auf die Komplexität dieses Unterfangens verweisen zwei weitere Begriffe aus den Sphären des Marketing bzw. der Sozialwissenschaften. Mit dem "Segment of one" wird eine (nicht unbedingt zutreffende) Konsequenz dessen nahe gelegt, was die Soziologie seit zwei Jahrzehnten als "Individualisierung" diskutiert. Würde tatsächlich davon ausgegangen, dass das Individuum die kleinste Zielgruppe darstellt, dann bedeutete dies den Abschied von jeglicher Form der Massenproduktion und -kommunikation. Wenngleich auch in der Soziologie über das Ausmaß dieses Prozesses Uneinigkeit besteht, so wird doch deutlich, dass sich Marketing wie Sozialwissenschaften von einer hierarchisierenden und quantifizierenden Denkweise in Schichten und Klassen verabschieden müssen, selbst wenn derartige Bezeichnungen nicht nur in der Soziologie weiterleben, sondern auch etwa in der Kategorisierung von Automobilen in Mittel- oder Oberklasse. [3]
Gefragt ist eine differenzierte, (auch) am Einzelfall orientierte Betrachtung des Gegenstandes, wie sie die qualitative Sozialforschung zu leisten vermag. An Stelle (oder zusätzlich zu) einer quantitativen Kumulation von Massendaten ist es dringend erforderlich, nicht nur die Anhäufung, sondern auch die Qualität und das Zustandekommen eines Phänomens zu erörtern. Wenig hilfreich ist es etwa, im Rahmen der Markt- oder Medienforschung zu erfahren, dass ein bestimmtes Produkt bei 1800 von 2000 Befragten "durchfällt": Um aus diesem Ergebnis lernen, die Offerte weiterentwickeln und optimieren zu können, ist der Blick auf das Zustandekommen dieser Urteile unumgänglich. Diese Einsicht eröffnet sich insbesondere aus qualitativem Blickwinkel in der detaillierten Analyse von Einzelfällen und ihrem kulturellen Hintergrund, anstatt zu versuchen, soziale Inhalte in Quasi-Laborsituationen zählend und messend zu domestizieren. [4]
2. Marketingfragen sind Gesellschaftsfragen
Mehr denn je sind Marketingfragen zugleich Gesellschaftsfragen: In einer Situation nicht nur immer komplexer werdender Gesellschaftsstrukturen, sondern auch konkurrierender Anbieter und gesättigter Märkte gilt es, um Kunden zu werben – ähnlich einem Verehrer (oder einer Verehrerin) im Wettstreit um die Gunst der oder des Auserwählten. Es gilt, sich in den Augen des anderen attraktiv und gleichwohl authentisch darzustellen – was die Kenntnis dessen voraussetzt, was das Gegenüber überhaupt darunter versteht. Sich eigener Qualitäten bewusst zu sein, mit denen die Konkurrenz nicht aufwarten kann, und diese gezielt zu verstärken. Und es ist erforderlich, all das in der (verbalen und nonverbalen) Sprache des anderen zu kommunizieren, um sich auch tatsächlich zu verstehen. "Die Wirtschaft", die das alles zu leisten hat, setzt sich dabei zusammen aus menschlichen Akteuren, die entgegen anders lautender Vermutungen auf Anbieterseite ebenso wenig die Merkmale des Homo oeconomicus aufweisen wie die Nachfrager, die eben nicht vernünftig Preise und Angebote vergleichen, sondern aus dem Bauch heraus, aus Leidenschaft, scheinbarer Unvernunft und in Folge dessen anscheinend widersinnig tätig werden. [5]
Sozialwissenschaften wie Marketing versuchen, dieser Strukturen in ihrer Modellbildung habhaft zu werden. (Einen Überblick gibt HARTMANN 1999.) Dabei stehen sozialwissenschaftliche Modelle jenen aus Marketing- und Marktforschungskontext beinahe isoliert gegenüber. Die wechselseitige Anerkennung scheitert an spezifischen Merkmalen:
"Kommerzielle Modelle sind charakterisiert durch eine empirische Basis von bis zu zigtausend Fälle umfassenden Stichproben, deren Ergebnisse nach statistischer Auswertung plakativ vorliegen. Soziologische Modelle hingegen fallen auf durch ein – scheinbares – Defizit an empirischer Fundierung zugunsten einer detaillierten Verankerung in theoretischen Grundlagen, die sich aus Geschichte und Hintergrund der untersuchten Gesellschaft ableiten. Sie ermöglicht eine umfangreiche hermeneutische, auf das Verständnis des Untersuchungsgegenstandes ausgerichtete Interpretation auch von Massendaten" (KRITZMÖLLER 2002, S.23). [6]
Jedoch sind genuin sozialwissenschaftliche Modelle – seien es die Arbeiten von Pierre BOURDIEU, Gerhard SCHULZE oder Hartmut LÜDTKE, um nur einige zu nennen – prinzipiell nicht auf eine unternehmerische Anwendung ausgelegt: Kaum ein Praktiker verfügt über die Zeit und das fachliche Wissen, um sich durch mehrere hundert in wissenschaftlichem Duktus gehaltene Seiten zu kämpfen und dann in mühevoller interpretatorischer Leistung zu versuchen, das Gelesene auf seinen eigenen unternehmerischen Kontext anzuwenden. Auch seitens der Autoren und Forscher wird dieser Versuch der Fruchtbarmachung und Anwendung gemeinhin nicht unternommen. [7]
3. Hemmnisse, die eine Annäherung verhindern
Qualitative Forschung hat ihren festen Platz innerhalb des sozialwissenschaftlichen Kontexts längst etabliert und wissenschaftsintern im Laufe der Jahre auch den anfänglich geäußerten Vorwurf, "weich" oder gar "schwammig" zu sein, weitgehend ausgeräumt und entkräftet. Wird jedoch der Geltungsbereich dieser Methoden auf den Bereich der Markt- und Meinungsforschung ausgedehnt, wird schnell die "Wissenschaftlichkeit" der Ergebnisse angezweifelt. Gerade zwischen Sozialwissenschaften – ihres Zeichens fast schon professionell "wirtschaftskritisch" eingestellt – und Marktforschung – die wiederum im (Ver-) Ruf steht, wissenschaftliche Methoden "light" anzuwenden – besteht eine tiefe und scheinbar unüberwindbare Kluft. Dass wissenschaftliche Seriosität und Erkenntnisgewinn gemäß universitären Maßstäben keineswegs eine Anwendbarkeit der Ergebnisse im Unternehmenskontext ausschließt (und umgekehrt), ist gerade im universitären Umfeld fast ein Tabu-Thema. Zahlreiche Hemmnisse führen seitens der Wissenschaft wie auch der Wirtschaft dazu, dass die bestehende Kluft aufrecht erhalten, wenn nicht sogar in vielen Fällen geradezu verteidigt wird. [8]
3.1 Wissenschaftliche Barrieren gegenüber ökonomischen Kontexten
Aufgrund der typischen wissenschaftlichen Laufbahn – zu studieren, im Rahmen einer Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter zu promovieren, anschließend mit staatlicher Unterstützung (etwa im Rahmen eines DFG- oder anderen Stipendiums) sich zu habilitieren und auf eine Professur zu bewerben – bleibt das "Innenleben" eines Wirtschaftsunternehmens für viele Wissenschaftler weitgehend unbekanntes Terrain, denn betriebliche Praktika zählen ebenso wenig zu den zwingenden Erfordernissen einer wissenschaftlichen Karriere wie sonstige Tätigkeiten außerhalb der Hochschule. Daraus resultiert ein Mangel an Praxisnähe, der sich inhaltlich bemerkbar macht, indem kaum Wissen besteht über unternehmerische Zusammenhänge und Erfordernisse. Diese können banal klingen, machen sich wiewohl auf elementare Weise im Arbeitsprozess bemerkbar und lassen sich durch keinen noch so wohl tönenden methodologischen Anforderungskatalog eliminieren. Formal äußert sich diese Differenz in einer völlig unterschiedlichen Sprachlichkeit von Wissenschaftlern und Praktikern, die dazu führt, dass sich beide Seiten im doppelten Wortsinn vielfach "nicht verstehen". Dieses Nicht-Verstehen droht noch verschärft zu werden durch ideologische Hemmnisse aus sozial- und wirtschaftskritischer Tradition. Wenngleich die Veröffentlichung von Wolfgang Fritz HAUGs "Kritik der Warenästhetik" (HAUG 1971) bereits drei Jahrzehnte zurück liegt, liegt es gerade in der sozialwissenschaftlichen Tradition, "gute" Systemkritik von "schlechtem" ökonomischen Gewinnstreben zu separieren und beinahe stolz auf BOURDIEUs Unterscheidung zwischen Klassenlagen mit primär ökonomischer bzw. kultureller Ressourcenausstattung zu verweisen. Tief verwurzelt sind das (durch eine Wirtschaftskooperation keineswegs notwendig bedrohte) Streben nach Unabhängigkeit der Forschung sowie die Angst, "gekauft" zu werden. Damit verbunden ist die in den Sozialwissenschaften zu beobachtende Favorisierung des "Research down" (vgl. LINDNER 1981; WARNEKEN & WITTEL 1997) – also einer bevorzugten Erforschung sozial benachteiligter Gruppen, die in ihrem Selbstverständnis weit unterhalb der Position des Wissenschaftlers selbst liegen. Umgekehrt löst eine Hinwendung zu vermeintlich "eitlen" Themen wie der Ästhetik oder Statussymbolen bei vielen Sozialwissenschaftlern durchaus Skepsis aus. "Abhilfe" schafft hier eine Verlagerung der Diskussion auf eine wissenschaftliche Meta-Ebene. Sie führt nicht nur dazu, dass beispielsweise die Erforschung der expressiv-ästhetischen Ebene bei der Formierung von sozialen Milieus und Lebensstilen in der Regel ohne die explizite Einbeziehung und Analyse von visuellem Material erfolgt und damit "entsinnlicht" wird. Eine Betonung der Meta-Ebene distanziert auch von der konkreten Anwendung der Ergebnisse, wenn es vorab zu klären gilt, ob und unter welchen Voraussetzungen diese denn überhaupt zulässig wäre. [9]
3.2 Distanzierung von Wirtschaftsunternehmen gegenüber wissenschaftlicher Arbeit
Gleichermaßen bestehen solche Hemmnisse jedoch auch seitens der Unternehmen als potentielle Kooperationspartner und Nutzer der Forschungsergebnisse. Die in den letzten Jahr(zehnt)en stattfindende Beschleunigung von Entwicklungen, eine "Aufheizung" des Marktgeschehens sowie die vielfach anzutreffende Orientierung am Shareholder Value führte zu einer Fokussierung kurzfristiger Resultate und Erfolge. Im Gegenzug finden Projekte, zwischen deren Start und dem geldwerten Unternehmenserfolg Jahre vergehen können, wenig Anklang, wenngleich auch die durch mittel- bis langfristiges Engagement erzielten Ergebnisse von entsprechend kontinuierlicherer Dauer wären und sich Gesellschaften keineswegs binnen Quartalsfrist verändern. Dies jedoch setzt voraus, sich mit qualitativen Zusammenhängen und Rahmenbedingungen des eigenen Wirtschaftens vertraut zu machen, um zu verstehen und zu begreifen, welche Funktion die eigene Offerte innerhalb eines komplexen und flüssigen gesellschaftlichen wie ökonomischen Umfelds einnehmen kann. Ein weit verbreitetes "Checklisten-Denken" geht jedoch im Gegensatz dazu von der beinahe naiven Annahme aus, komplexe Zusammenhänge ließen sich zu einem knappen Drei-Punkte-Programm zusammenstreichen und unter dessen Anwendung dann auch beherrschen. Im Ergebnis entstehen Illusionen wie die, "Trends machen" zu können, wenn nur unter Wahrung der KISS-Regel (keep it short and simpel – oder gar: stupid?) ein Instrumentarium technischer Marketing-Maßnahmen zum Einsatz kommt. Als Spiegelbild dessen orientieren sich auch "innovative" Präsentationsformen stärker am formalen Eindruck der "Professionalität" denn am Inhalt, so dass wunderschöne Powerpoint-Präsentationen den Betrachter in ihren Bann ziehen, Bilderfolgen mit Schlagworten statt verbaler Differenzierung im Vordergrund stehen und trendig-zeitgeistige Anglizismen darüber hinwegtäuschen, dass der eigentliche Gegenstand in seinem Wesen gar nicht richtig erfasst wurde. Unter dem Druck eines schnelllebigen Unternehmens-Alltags gerät dann leicht in Vergessenheit, dass es minimale qualitative Unterschiede oder Fehleinschätzungen sein können, die zum Scheitern bisweilen millionenschwerer Investitionen in Produktentwicklung oder Kommunikation führen. Dies, obwohl eine gründlichere und zeitintensivere Einarbeitung in die Materie zwar zunächst aufwendig erscheint, die dadurch verinnerlichten Inhalte in einem späteren Stadium jedoch umgekehrt zu erheblich größerer Treffsicherheit, Zielgruppenorientierung und damit auch Ressourcenersparnis führen.
Hemmnisse einer Forschungskooperation seitens der ... |
|
... Wissenschaft |
... Wirtschaft |
mangelnde Praxisnähe |
mangelnde Berücksichtigung gesellschaftlicher Zusammenhänge |
kaum Wissen um unternehmerische Erfordernisse und Zusammenhänge |
Checklisten-Denken (KISS-Regel) |
ideologische Hemmnisse aus sozial- und wirtschaftskritischer Tradition |
kurzfristige Ergebnisorientierung |
"Research down" |
Präsentationsformen: mehr formal als inhaltlich |
Anwendungsfeindlichkeit durch Verlagerung der Diskussion auf eine Meta-Ebene |
mechanistisches Denken ("Trends machen") mündet in Allmachtsphantasien |
Tabelle 1: Faktoren, die seitens Wissenschaft und Wirtschaft einer erfolgreichen Kooperation entgegenstehen können [10]
In ihrem Aufeinandertreffen tragen diese Hemmnisse und scheinbaren Interessengegensätze dazu bei, gegenseitige Vorbehalte wie das Klischee des "oberflächlichen" Praktikers gegenüber dem "unbrauchbaren" Theoretiker wechselseitig noch zu verstärken. Im Ergebnis bleiben weitreichende Potentiale einer wechselseitigen Befruchtung von Theorie und Praxis ungenutzt. Auf unternehmerischer Seite führt dies gleichermaßen zu Erkenntnis- und monetären Verlusten wie auch seitens der Wissenschaft. [11]
3.3 Verteilungsprinzip statt Leistungsprinzip
Gerade die Sozialwissenschaften werden in einer Epoche der Technologie-Orientierung nicht unbedingt bevorzugt in der Vergabe staatlicher Forschungsgelder: Zu abstrakt erscheint offensichtlich der in ihrer Förderung liegende (auch volkswirtschaftliche) Nutzen. Diejenigen Gelder, die dennoch fließen, stammen in der Regel aus öffentlichen Quellen. Staatliche Umverteilungsmaßnahmen bewirken damit, dass (unter anderem unternehmerische) Steuerabgaben zur Finanzierung sozialwissenschaftlicher Forschungsvorhaben herangezogen werden: Gelder, die auch direkt im Rahmen einer Kooperation hätten investiert werden können. Natürlich erlauben nicht alle Fragen qualitativer Sozialforschung einen Einsatz im Wirtschaftskontext, und natürlich darf dies auch gar nicht die alleinige Maßgabe zur Steuerung von Forschungsinhalten sein. Dennoch steht dem Leistungsprinzip ein Verteilungsprinzip gegenüber: Ein eklatantes Ungleichgewicht entsteht, weil der inhaltliche (und ökonomische!) Nutzen sozialwissenschaftlicher Forschung unterschätzt und der dafür eingesetzte Aufwand lediglich als staatlich zu subventionierender "Kostenfaktor" bewertet wird. [12]
Damit kontrastieren Entwicklungen im US-amerikanischen Raum, Wissenschaft durch einen gezielten Dialog mit der Öffentlichkeit "aus dem Elfenbeinturm auf den Markt" (SATIR 2003, S.22) zu bringen und gegebenenfalls auch privatwirtschaftlich zu finanzieren. "Diese Gelder bekommt jedoch nur derjenige, der sich und sein Produkt wie ein Unternehmer und nicht wie ein Wissenschaftler präsentiert. Wissen ist Ware, die heute von den Forschenden 'marktgerecht' verpackt werden muss" (ebd.). [13]
4. Exempel einer erfolgreichen Forschungskooperation zwischen Wirtschaft und Wissenschaft
An diesem Postulat orientierte sich die Finanzierung meines Habilitationsprojekts, das ich im Jahr 2000 startete und dessen Ergebnisse im Sommer 2003 an der Universität St. Gallen (HSG), Schweiz, im Fach Marketing zur Begutachtung einreichte. Im Rahmen dieses privatwirtschaftlich im eigenen Unternehmen finanzierten Habilitationsprojekts zeigte ich einen offenbar bislang noch unbegangenen Weg auf, wie sich das Zauberwort "Drittmittelerwerb" konkret mit der unternehmerischen Anwendung von Forschungsergebnissen verknüpfen lässt, ohne dass die wissenschaftliche Freiheit und Unabhängigkeit durch eine Orientierung an Geldgebern in Frage gestellt wird. [14]
4.1 Procedere und Forschungsfragestellung
Das soziologisch motivierte Thema war die Erforschung gesellschaftlicher Teilungsprinzipien in individualisierten Gesellschaften. Gemäß meiner These, wonach eine gemeinsame Interpretation (auch) der Alltagsästhetik auf soziale Nähe schließen lässt, entwickelte ich eine konsequent bildgestützte Methodentriangulation aus qualitativen und quantitativen Verfahren, um Geschmacksäußerungen und Gestaltungspraxen in der Wohnungseinrichtung zu untersuchen. Im Ergebnis entwickelte ich ein Set von acht "Open Choice-Strategien" – Strategien, wie sich Individuen und Gruppen in einer Situation freier Wählbarkeit zurechtfinden – die als "generativer Apparat" verantwortlich zeichnen für das Zustandekommen alltagsästhetischer Wahlakte (vgl. KRITZMÖLLER 2003, 2004). [15]
Derartige Ergebnisse stellen nicht nur ein sozialwissenschaftliches Forschungsdesiderat dar, sondern ermöglichen es im unternehmerischen Kontext, Erkenntnisse über das Kundenverhalten zu erlangen, die weit über den Aussagegehalt bestehender Modelle hinausreichen und die strategische Weiterentwicklung von Produkten und Unternehmenskommunikation voranbringen. Nachdem ich auf eine mehrjährige freischaffende Beratungspraxis zurückblicke, mir also Wissenschaft und Wirtschaft gleichermaßen vertraut sind, rekrutierte ich im Vorfeld der Studie einen Pool von sechs nicht miteinander konkurrierenden Herstellern aus der Einrichtungsbranche als Kooperationspartner und Geldgeber. Gegenstand des Geschäfts war nicht das Forschungsprojekt selbst, dessen Unabhängigkeit ich wahren wollte und musste, um den universitären Maßstäben an eine Habilitationsschrift zu genügen, sondern Beratungsleistungen, die sich in Folge meiner Erforschung des Themas erbringen ließen. Jedes Unternehmen stellte mir zu Projektbeginn Fragen aus dem eigenen Geschäftskontext (z.B. bezüglich der Zielgruppenstruktur oder der Nutzungsweise der Produkte), deren Beantwortung ich nach Projektabschluss aus meinen Forschungsergebnissen ableitete. Die Einflussnahme der beteiligten Unternehmen auf die Forschungsinhalte selbst war vertraglich ausgeschlossen. Im Gegenzug erhielt ich von allen Unternehmen finanzielle Vorschusszahlungen, die sich über die gesamte Projektlaufzeit erstreckten. Die besondere Herausforderung dieser Finanzierungsform lag also darin, eine Leistung zu verkaufen, die zu Vertragsabschluss noch nicht existierte und von der ich vor Beginn meiner Forschung nicht einmal wusste, wie sie konkret aussehen würde. Jedoch bestätigte sich meine Überzeugung, dass ich in der Lage sein würde, mit meiner Arbeit genau jenen Defiziten bestehender Modelle entgegenzuwirken, mit denen ich selbst als Beraterin jahrelang zu kämpfen hatte. [16]
Nahezu zeitgleich mit der Abgabe meiner Habilitationsschrift fanden die Präsentationen der Ergebnisse bei meinen unternehmerischen Kooperationspartnern statt. Selbstredend unterscheiden sich die dort vorgetragenen Leistungen in ihrer Präsentationsform grundlegend von der eigentlichen wissenschaftlichen Ausarbeitung. Zugleich aber verzichtete ich darauf, mich selbst auf den von mir kritisierten Checklisten-Modus einzulassen. Ich suchte einen neuen Weg, um in der Präsentation mein Thema für die Zuhörenden (und späteren Anwender) so anschaulich wie möglich zu gestalten: erzählte meine Forschungsergebnisse und deren potentielle unternehmerische Anwendung wie eine Geschichte aus dem Leben der Akteure, die zugleich Zielgruppe "meiner" Möbelhersteller sind. Mein Ziel war es, ein Verständnis dessen zu entwickeln, wie Menschen leben und "sich einrichten" und, davon ausgehend, abzuleiten, welche Konsequenzen dies für die kommerziellen Anbieter in der Möbelbranche impliziert. [17]
Neben exzellenten Forschungsbedingungen profitierte ich vom Austausch nicht nur innerhalb der Wissenschaft, sondern auch der fruchtbaren Auseinandersetzung mit meinen Kooperationspartnern: Indem ich Wohnungseinrichtungen analysierte, befasste ich mich auf wissenschaftlicher Ebene mit dem alltagspraktischen Einsatz derjenigen Produkte, die meine Kooperationspartner in ihren Unternehmen herstellen. Diese Objekte werden als "expressiv-ästhetische Ebene" von den Wohnenden zum Gegenstand meiner Forschung formiert. [18]
Im Mai 2004 kam mein Habilitationsverfahren an der Universität St. Gallen zum erfolgreichen Abschluss; ich erhielt die Venia legendi im Fach "Marketing mit besonderer Berücksichtigung des Kundenverhaltens". Damit sollte auch der immer wieder (mehr oder minder latent) geäußerte Vorwurf einer "mangelnden Wissenschaftlichkeit" praxisnaher Forschungsprojekte hinreichend widerlegt sein. [19]
4.2 Einsatzbereiche sozialwissenschaftlicher Ergebnisse im Unternehmen
Zur praktischen Anwendung kommen meine Ergebnisse derzeit bei den mit mir kooperierenden Unternehmen in diversen Bereichen von Produktentwicklung und Unternehmenskommunikation: Bestehende Produktlinien werden zielgruppengerecht überarbeitet oder neue geschaffen, es entstehen durchgängige Fotokonzepte zur Präsentation der Produkte in Print- und elektronischen Medien, die Anordnung und Dekoration der Erzeugnisse auf Messen und im Handel erfährt eine fundierte Ausrichtung an der "Botschaft" der Produkte, welche in der Sprache der Adressaten übermittelt werden will, wozu auch geplante Schulungsmaßnahmen für Vertrieb und Handel beitragen. Die (unternehmensinternen) Kosten dieser Maßnahmen übersteigen die Kosten der Projektbeteiligung teilweise um ein mehrfaches. Es sind Investitionen, die unabhängig von einer Beteiligung an meinem Projekt im unternehmerischen Alltag laufend getätigt werden, die jedoch deutlich bessere Erfolgsaussichten haben, wenn die Maßnahmen auf einem gleichermaßen innovativen wie fundierten Konzept basieren. [20]
5. Voraussetzungen für ein gewinnbringende Kooperation
Ein erfolgreicher und für beide Seiten profitabler Verlauf einer Forschungskooperation Wirtschaft und Wissenschaft erfordert jedoch das Vorliegen diverser Voraussetzungen in Qualifikation wie auch Einstellung bei allen Beteiligten. [21]
5.1 Anforderungen an die Qualifikation des Forschers
Nicht nur die eigentliche wissenschaftliche Kompetenz, sondern auch Praxiserfahrung und die Fähigkeit zu interdisziplinärem Arbeiten sind unabdingbar, um als Wissenschaftler in Unternehmenskontexten Erfolg zu verbuchen. Dieses Umfeld eröffnet eine "Welt", die ganz anderen Gesetzen zu genügen scheint als der universitäre Alltag. Gefragt ist ein Denken in Nutzenerwartungen: Die Uhr tickt, die Zeit läuft, und jedes Projekt, jede Besprechung konkurriert mit weiteren Terminen, so dass die im wissenschaftlichen Kontext so gern gesehene "Aufarbeitung des Forschungsstandes" als Vorbereitung auf die eigentlichen Ergebnisse hier als "unproduktiv" nicht unbedingt auf offene Ohren stößt. Dementsprechend muss sich der Wissenschaftler einlassen auf eine pragmatische Haltung der Anwendungsorientierung: Nicht der "an sich interessante" Gegenstand ist das Maß aller Dinge, sondern der Nutzen, den die Inhalte im unternehmerischen Einsatz – durchaus auch auf lange Sicht – erwarten lassen. Bei der von mir vorgenommenen Unterscheidung zwischen dem eigentlichen Forschungsprojekt einerseits und der Beantwortung unternehmerischer Fragen andererseits stellt dies jedoch keine Beschränkung von wissenschaftlichen Interessen dar, denn was dem Kooperationspartner präsentiert wird, ist immer eine Teilmenge des gesamten Forschungsergebnisses, die zudem auf die konkrete Fragestellung angewandt wird. Es kann also eine klare Unterscheidung vorgenommen werden zwischen wissenschaftlichen und ökonomischen Interessen, die sich in diesem Fall sehr gut miteinander vereinen lassen. [22]
5.2 Anforderungen an die kooperierenden Unternehmen
Doch auch die kooperierenden Unternehmen müssen einige grundlegende Voraussetzungen erfüllen, eine spezielle Form der Unternehmenskultur aufweisen, um fruchtbar mit praxisorientierten (Sozial-) Wissenschaftlern zusammenzuarbeiten. Neben dem bereits angesprochenen mittel- bis langfristigen Erwartungshorizont sei hier die generelle Bereitschaft angesprochen, neues Terrain zu beschreiten und sich auf eine gedankliche "Reise" einzulassen. Sie beginnt bereits bei Vertragsabschluss, der sich auf die Anwendung eines bislang noch nicht existenten Produkts bezieht. Bei seriöser Forschungstätigkeit kann von vorne herein gewährleistet werden, dass die Arbeit zu einem gewinnbringenden Ergebnis führt. Wie dieses Ergebnis aussieht, ist zu Projektbeginn jedoch offen, so dass erheblich mehr Flexibilität vonnöten ist als beim Engagement eines "normalen" Beraters, der seine bekannte und (vielleicht) bewährte Methode ein weiteres Mal einsetzen wird. Die in Zwischenergebnissen und nach Projektabschluss präsentierten Inhalte weisen folglich einen hohen Innovationsgehalt auf, verfügen über Tiefgang und Hintergrund, die qualitative Forschungsergebnisse gegenüber den meisten anderen Verfahren auszeichnen. Wenig sinnvoll ist daher eine Zusammenarbeit mit Unternehmen, die unter möglichst geringer Annäherung an den Gegenstand schnelle und vermeintlich einfache Ergebnisse erzielen wollen. [23]
6. Nutzen einer Forschungskooperation Wirtschaft – Wissenschaft
Der Nutzen einer erfolgreichen Kooperation zwischen Wirtschaft und Wissenschaft ist für beide Seiten beachtlich. [24]
6.1 Privilegierte Bedingungen für die Forschenden
Der Wissenschaftler profitiert gegenüber einer staatlich-institutionellen Förderung seiner Arbeit von unternehmerischen Arbeitsbedingungen: An Stelle der "Zuteilung" von Mitteln nach monatelangen Beantragungsprozeduren, der Beinahe-Monopolisierung von Geldgebern auf wenige Institutionen und den vielfach Termin gebundenen Einreichungsfristen treten beachtliche Freiheitsgrade. Es besteht die Möglichkeit (aber auch Notwendigkeit!) zu einem hohen Maß an Eigeninitiative, die eigenen Interessen und Leistungspotentiale zu verteidigen, den daraus zu erwartenden Nutzen zu kommunizieren – und letztlich terminlich flexibel auf zahlreiche weitere potentielle Kooperationspartner zukommen zu können, wenn eine Anlaufstelle sich als nicht kompatibel mit dem eigenen Projekt erwiesen hat. Das passive "Es wurde über meinen Antrag entschieden" – wobei in den seltensten Fällen bekannt ist, wer hinter der Annahme oder Ablehnung des Forschungsgesuchs steht – tritt die aktive Haltung, mit der zwei ebenbürtige Geschäftspartner nach reiflicher Auseinandersetzung zu einem Konsens gelangen können. Damit besteht auch die Möglichkeit zur Erforschung von Themen, die nicht dem wissenschaftlichen Mainstream entsprechen und folglich von institutioneller Seite aus abgelehnt zu werden drohen. Der Wissenschaftler profitiert von einer wohltuenden Freiheit seiner Forschung, entscheidet (und verantwortet) als Fachperson gegenüber den Praktikern als wissenschaftliche (Fast-) Laien die Relevanz des Themas und die Adäquanz seines Procedere. Voraussetzung ist dabei immer die Fähigkeit, seine Haut zu Markte zu tragen und auch für den Nicht-Insider verständlich zu argumentieren. Im Ergebnis profitiert der Forscher davon, die eigenen Gedanken einmal von ganz anderer, unbefangener Seite aus reflektiert und kritisiert zu sehen. Und letztlich dürfte es über die Zufriedenheit mit dem eigentlichen Forschungsergebnis hinaus immer ein Gewinn sein, zu wissen, dass die selbst erarbeiteten Inhalte auch zur Anwendung kommen: Wer forscht schon gerne "für die Schreibtisch-Schublade"? [25]
6.2 Erkenntnis- und ökonomischer Gewinn bei kooperierenden Unternehmen
Dieses Bündel an Vorteilen für den Forschenden geht einher mit einem erheblichen Nutzenvorteil eines Unternehmens, das sich an Stelle konventioneller Marktforschung für die wissenschaftliche Zusammenarbeit entscheidet. Allen voran ist der so erreichbare Wissensvorsprung zu nennen, der im Sinne eines SCHUMPETERschen Pionierunternehmers zumindest eine Zeitlang Monopolstellung verleiht. Wie Jack RIES und Al TROUT (1986, S.38ff) richtig bemerken, kommt wirtschaftlicher Erfolg nicht automatisch dem Besten seiner Branche zu, sondern dem ersten Anbieter herausragender Leistungen. Forschungsergebnisse, die einer Anwendung im Unternehmen zugänglich gemacht werden, noch bevor sich dieses Wissen als Allgemeingut in der Branche verbreitet hat, leisten beide Voraussetzungen. Individuell auf das eigene Unternehmen zugeschnittene Anwendungen von Ergebnissen, deren Fundiertheit wissenschaftlichen Ansprüchen genügt, wirkt sich ebenso positiv auf das Innovationspotential eines Unternehmens aus wie der Austausch mit progressiven Forschern. Ihr Blick von außen ist (bei gleichzeitigem Praxis-Know how) in der Lage, (Betriebs-)Blindstellen aufzudecken und Lösungen aufzuzeigen, die aufgrund branchenspezifischer Involviertheit oft unerkannt bleiben. Gerade bei sozialwissenschaftlichen Projekten profitiert das kooperierende Unternehmen nicht nur von einer langen fachlichen Tradition, sondern der professionellen Wahrnehmung, bislang unerkannte soziale Phänomene aufzuspüren und zu erkennen. In ihrer Anbindung und Begründung im theoretischen Modell ermöglichen es die Ergebnisse, den Gegenstand nicht nur zu beschreiben und kategorisieren, sondern auch, ihn zu verstehen. Gerade in komplexen Marktsituationen ist dieses Verständnis Voraussetzung für den Umgang mit dem Kundenverhalten und die Ableitung einer erfolgreichen Strategie für Marketing und Produktentwicklung.
Nutzenpotentiale einer Forschungskooperation für ... |
|
... Wissenschaft |
... Wirtschaft |
unternehmerische Bedingungen bei Eigeninitiative statt Zuteilung beantragter Forschungsgelder |
Wissensvorsprung führt zu temporärer Monopolstellung |
Pluralisierung potentieller Geldgeber |
hohe Fundiertheit der Ergebnisse nach wissenschaftlichen Maßstäben |
terminliche Flexibilität |
individuelle Ausarbeitungen |
Möglichkeit der Erforschung von Themen außerhalb des wissenschaftlichen Mainstream |
Integration eines fachlichen Hintergrundes, der die Tradition des Marketing übersteigt |
hohe Freiheit im Forschungsdesign |
Blick von außen |
Austausch mit nicht-wissenschaftlichen Kritikern |
Austausch mit innovativen Forschern |
Wissen um Einsatz und Anwendung der Ergebnisse |
Anbindung und Begründung der Ergebnisse im theoretischen Modell ermöglicht es, den Gegenstand zu verstehen |
Tabelle 2: Wechselseitige Nutzenpotentiale einer Forschungskooperation Wirtschaft – Wissenschaft [26]
7. "Theoria cum praxi" als zukunftsweisende Perspektive
Die Überlegungen zeigen, dass gerade in einer Kooperation zwischen qualitativer Sozialforschung und Wirtschaft noch weitreichende ungenutzte Potentiale liegen. Das von LEIBNIZ geprägte Postulat einer "Theoria cum praxi" ist mehr denn je aktuell, sofern der Theoriebegriff in seiner ursprünglichen Bedeutung verstanden wird als Anschauung (und nicht etwa "Verkomplizierung") differenzierter Sachverhalte. Meine eigenen positiven Erfahrungen in der Forschungskooperation Wirtschaft – Wissenschaft regen mich nach Abschluss des dargestellten Projekts an zu einer Wiederaufnahme dieses Modells mit einer neuen, wissenschaftlich interessanten und zugleich praxisrelevanten Fragestellung! [27]
Bourdieu, Pierre (1982). Die feinen Unterschiede. Zur Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Hartmann, Peter H. (1999). Lebensstilforschung. Darstellung, Kritik und Weiterentwicklung. Opladen: Leske + Budrich.
Haug, Wolfgang Fritz (1971). Kritik der Warenästhetik. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Lindner, Rolf (1981). Die Angst des Forschers vor dem Feld. Überlegungen zur teilnehmenden Beobachtung als Interaktionsprozeß. Zeitschrift für Volkskunde, 77. 52-66.
Lüdtke, Hartmut (1989). Expressive Ungleichheit. Zur Soziologie der Lebensstile. Opladen: Leske + Budrich.
Kritzmöller, Monika (2002). Positionierung im Lebensstil-Labyrinth. Frankfurt am Main: Peter Lang.
Kritzmöller, Monika (2003). Wann ist Wohnen schön? Ästhetische Orientierung als Bewältigung von Multioptionalität. Zwischenschritte, 74-85.
Kritzmöller, Monika (2004/i.Dr.). Bis der Geschmack euch scheidet – Open Choice-Strategien zur Bewältigung multioptionaler Wohnwelten. Kempten/Allgäu: flabelli Verlag.
Ries, Jack & Trout, Al (1986). Positioning. Hamburg: McGraw-Hill.
Satir, Anne (2003). Aus dem Elfenbeinturm auf den Markt. Forschung & Lehre, 1, 22.
Schulze, Gerhard (1992). Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart. Frankfurt am Main: Campus.
Warneken, Bernd J. & Wittel, Andreas (1997). Die neue Angst vor dem Feld. Ethnographisches research up am Beispiel der Unternehmensforschung. Zeitschrift für Volkskunde, 93, 1-16.
Dr. Monika KRITZMÖLLER (geb. 1968) gründete nach ihrem Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und der Promotion im Fach Wirtschaftspsychologie das Forschungs- und Beratungsinstitut Trends + Positionen in Kempten/Allgäu. Ihre Zielsetzung ist die Verknüpfung sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse mit dem Einsatz im Marketing-Kontext. Arbeitsschwerpunkte beziehen sich auf die Erforschung von Gesellschaftsstrukturen und Alltagsästhetik, deren Kenntnis auf Fragestellungen von Kundenverhalten, Produktstrategie und Unternehmenskommunikation angewendet wird. Monika KRITZMÖLLER habilitierte sich im Fach Marketing an der Universität St. Gallen (HSG), Schweiz. Sie lehrt Marketing und Soziologie an diversen Hochschulen.
Contact:
Dr. Monika Kritzmöller
Trends + Positionen
Bodmanstraße 7
D-87435 Kempten
Tel.: 0831/5203825
Fax: 0831/5203913
E-Mail: mail@kritzmoeller.de
URL: http://www.kritzmoeller.de/
Kritzmöller, Monika (2004). Theoria cum praxi? Über die (Un-?) Vereinbarkeit wissenschaftlicher und ökonomischer Anforderungen [27 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 5(2), Art. 32, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0402322.
Revised 6/2008