Volume 5, No. 2, Art. 13 – Mai 2004
Rezension:
Andreas Klärner
Oliver Geden (2004). Männlichkeitskonstruktionen in der Freiheitlichen Partei Österreichs. Eine qualitativ-empirische Untersuchung (Reihe: Forschung Soziologie, Band 200). Opladen: Leske + Budrich, 133 Seiten, ISBN 3-8100-4100-9, EUR 14,90
Zusammenfassung: Oliver GEDEN untersucht in seiner qualitativen Untersuchung das Männlichkeitsverständnis in der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ). Damit soll über die Kategorie Geschlecht eine zentrale lebensweltliche Dimension des Rechtsextremismus erschlossen werden. Während die geschlechtsspezifischen Affinitäten von Frauen zum Rechtsextremismus seit Beginn der 90er Jahre verstärkt untersucht wurden, fehlen bislang solche geschlechtertheoretisch angeleiteten Studien über Jungen und Männer im Rechtsextremismus. In der Studie werden Männlichkeitsdiskurse anhand zweier "freiheitlicher" Periodika und mittels der Interpretation von Gruppendiskussionen mit FPÖ-Funktionären analysiert. GEDENs Studie stellt eine Pionierarbeit im Bereich der geschlechtertheoretisch fundierten Rechtsextremismusforschung dar.
Keywords: Rechtsextremismus, Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ), Konstruktion von Männlichkeit, Gruppendiskussionsverfahren, wissenssoziologische Diskursanalyse, Forschungsethik, umkämpfte Felder
Inhaltsverzeichnis
1. Lebensweltliche Aspekte politischen Engagements – ein blinder Fleck in der Erforschung rechtsextremer Organisationen
2. Rechtsextremismus – Geschlecht – Männlichkeit
3. Qualitative Forschung in umkämpften Feldern
4. Männlichkeitskonstruktionen in der FPÖ
5. Resümee
1. Lebensweltliche Aspekte politischen Engagements – ein blinder Fleck in der Erforschung rechtsextremer Organisationen
Wie viele sozialwissenschaftliche Forschungsfelder, so wird auch die deutschsprachige Rechtsextremismusforschung von Entwicklungen im Feld der Medien und der Politik spürbar mitbeeinflusst. Doch anders als es etwa bei sozialpolitischen Fragestellungen der Fall ist, unterliegt das öffentliche Interesse an der Rechtsextremismusforschung starken konjunkturellen Schwankungen.1) Rechtsextremismusforscher sind in Politik und Medien vor allem dann begehrte Gesprächspartner, wenn es spektakuläre oder gar beängstigende Phänomene und Entwicklungen zu kommentieren gilt. In Phasen, in denen Rechtsextremismus als gesellschaftliches Problem in den Massenmedien öffentlich verhandelt wird – zuletzt vom Beginn des von Bundeskanzler Gerhard Schröder ausgerufenen "Aufstand der Anständigen" bis zum endgültigen Scheitern des NPD-Verbotsverfahren –, vermehren sich in der Regel auch die Ressourcen, die der einschlägigen Forschung zur Verfügung stehen. [1]
Möglicherweise hat das spezifische Wechselverhältnis zwischen Forschung und öffentlicher Debatte dazu beigetragen, dass theoretisch überaus relevante Aspekte des Rechtsextremismus in der Forschung bislang eher vernachlässigt wurden, da sie für Medien und Politik von nur geringem Interesse sind. Dazu zählt insbesondere auch die Untersuchung von lebensweltlichen Dimensionen (rechtsextremen) politischen Engagements, und zwar nicht nur in rechten Jugendcliquen bzw. -kulturen, sondern auch und gerade in rechtsextremen Organisationen. Dies gilt umso mehr, als entsprechende Studien den Einsatz reaktiver Forschungsmethoden erfordern – und damit anspruchsvolle qualitativ-empirische Forschungsdesigns. [2]
2. Rechtsextremismus – Geschlecht – Männlichkeit
Eine zentrale lebensweltliche Dimension des Rechtsextremismus lässt sich über die Kategorie Geschlecht erschließen. Der Anteil von Frauen an Erscheinungsformen rechtsextremen Handelns liegt zwischen einem und 40%, am niedrigsten bei Gewalttaten, am höchsten bei der Mitgliedschaft in bzw. der Wahl von rechtsextremen Parteien (für einen quantitativen Überblick vgl. BITZAN 2000, S.25ff). [3]
Die geschlechtsspezifischen Affinitäten von Frauen zum Rechtsextremismus werden seit Beginn der 90er Jahre verstärkt untersucht. Im Mittelpunkt stehen dabei frauenspezifische Einstellungsmuster, Analysen der Beteiligungsformen in Jugendszenen und politischen Organisationen sowie Untersuchungen zum Frauenbild des Rechtsextremismus. Eine explizit geschlechtervergleichende Perspektive findet sich in empirischen Studien hingegen selten (Ausnahmen bilden BIRSL 1994 und MÖLLER 2000). Erst recht mangelt es an geschlechtertheoretisch angeleiteten Studien zu Jungen bzw. Männern im Rechtsextremismus, vor allem in Untersuchungen rechtsextremer Organisationen sucht man eine solche Fokussierung bislang vergeblich. [4]
Oliver GEDEN, derzeit Doktorand am Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität zu Berlin und in der Rechtsextremismusforschung bereits als Autor eines Sachbuchs zu rechten Umweltschutzkonzeptionen (GEDEN 1996) aufgefallen, will mit seiner wissenssoziologisch orientierten Studie einen ersten Beitrag zur Schließung dieser Forschungslücke leisten. Auf der Basis eigener Untersuchungen bei den bundesdeutschen "Republikanern" wählt er die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) als exemplarischen Gegenstand seiner Forschung aus, zumal diese hinsichtlich des Selbstbilds ihrer Funktionärinnen sowie ihrer frauen- und familienpolitischen Vorstellungen bereits als vergleichsweise gut erforscht gelten kann (vgl. RÖSSLHUMER 1999 sowie AMESBERGER & HALBMAYR 2002). [5]
Die FPÖ wird in Österreich häufig als "Männerpartei" klassifiziert. Der Anteil männlicher Wähler liegt seit Mitte der 80er Jahre konstant bei etwa 60%, die Männeranteile in Parteiämtern und bei Abgeordneten bewegen sich auf einem höheren Niveau als bei den anderen Nationalratsparteien, auch wenn die FPÖ in jüngster Zeit einzelne Frauen an herausgehobenen Positionen platziert (GEDEN, S.33ff.) – etwa mit der zwischenzeitlichen Parteivorsitzenden Susanne Riess-Passer (2000-2002). Zugleich hievte die FPÖ in der ersten Regierungskoalition mit Herbert Haupt einen Mann an die Spitze des Frauenministeriums, der dieses sogleich um eine "Männerpolitische Grundsatzabteilung" erweiterte. Da die FPÖ seit 1999 zudem die Familienpolitik zu einem ihrer Schwerpunktthemen aufgewertet hat, bietet die Partei mannigfaltige Ansatzpunkte für geschlechtertheoretisch angelegte empirische Untersuchungen (S.37f). [6]
Untersuchungen zum "freiheitlichen" Männlichkeitsverständnis stehen dabei allerdings vor dem forschungspraktischen Problem, dass sich das "fraglos Gegebene" des Männlichen nur zu einem geringen Teil auf Basis von Parteipublikationen erschließen lässt, da im Feld der Frauen- und Familienpolitik nur selten explizit von Männern die Rede ist. Obgleich sich aus diesem Befund durchaus auch Schlüsse über das Männlichkeitsverständnis der Partei ableiten lassen, so bedarf es doch auch des Einsatzes reaktiver Erhebungsmethoden – und damit eines (zumindest partiellen) Zugangs zur Parteiorganisation und den in ihr tätigen Funktionären. [7]
3. Qualitative Forschung in umkämpften Feldern
Den wesentlichen Grund für die bislang nur geringe Zahl qualitativ-empirischer Untersuchungen in rechtsextremen Organisationen sieht GEDEN in den besonderen Schwierigkeiten, denen sich WissenschaftlerInnen hier ausgesetzt sehen. Denn wenn schon solche Organisationen, die für Forschungsvorhaben aufgeschlossen sind, selten darauf verzichten, Zugangshürden zu installieren (vgl. WOLFF 2000, S.338f.), so verschärfen sich die Zugangsprobleme noch einmal, "wenn die zu untersuchenden Organisationen als Akteure in gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen auftreten, die durch einen hohen Grad an öffentlicher Wahrnehmung und einer polarisierenden Konfliktstruktur geprägt sind" (GEDEN, S.42). [8]
Forschende laufen demnach immer Gefahr, dass ihre Person und ihr Anliegen durch rechtsextreme Organisationen als "nicht anschlussfähig" klassifiziert und ihnen somit ein Zugang entweder verwehrt oder weitreichenden Restriktionen unterworfen wird. Durch Internet-Suchmaschinen wie Google ist es heute in kürzester Zeit und ohne große Mühen möglich, den theoretischen, politischen und institutionellen Kontext von sich um einen Feldzugang bemühenden WissenschaftlerInnen zu rekonstruieren und damit in entsprechende Zugangsentscheidungen einzubeziehen. In einer synoptischen Reflexion der Feldzugangsbeschreibungen dreier qualitativer Studien zu rechtsextremen Parteien (vgl. BÜCHNER 1995, LOOS 1998, RÖSSLHUMER 1999) sowie eigener Forschungserfahrungen bei den "Republikanern" identifiziert GEDEN zum einen allgemeine Einflussfaktoren, "die qualitativ-empirische Forschungen zum (parteiförmig) organisierten Rechtsextremismus erleichtern bzw. erschweren können" (S.44). Zum anderen beschreibt GEDEN in der Folge, wie er in seiner Untersuchung mit diesem Problem umgegangen ist, wie er seine Person und sein Vorhaben gegenüber den untersuchten FPÖ-Funktionären präsentiert hat. Um von den Parteiaktivisten aufgrund seiner früheren journalistischen Tätigkeit nicht als "politischer Gegner" identifiziert zu werden und die damit einhergehenden Restriktionen zu vermeiden, entschied er sich, in zwei, von ihm auch in forschungsethischer Hinsicht ausführlich reflektierten Punkten von einer wahrheitsgemäßen und detailgetreuen Darstellung seines Vorhabens abzusehen. Zum einen verwendete er in den Interaktionen mit FPÖ-Funktionären grundsätzlich ein Pseudonym, zum anderen verortete er seine Untersuchung diesen gegenüber nicht im Kontext der Rechtsextremismusforschung. [9]
In seiner Studie kombiniert GEDEN zwei empirische Herangehensweisen, einerseits die Rekonstruktion von textuell vermittelten Männlichkeitsdiskursen in zwei "freiheitlichen" Periodika, zum anderen die Analyse kollektiv geteilter Orientierungsrahmen von Männlichkeit in Gruppendiskussionen mit Parteifunktionären (S.51). Sein Interesse gilt also sowohl institutionalisierten Formen der Produktion und Distribution von Wissen als auch den Alltagsdiskursen, die das männliche Geschlechtshandeln der jeweiligen Akteure rahmen. GEDEN beschränkt sich damit auf die Erhebung textgebundener und verbaler Daten. Den ihm grundsätzlich instruktiv erscheinenden ethnografischen Zugang zum Forschungsfeld schließt er für sein eigenes Projekt aus. Da er aufgrund seiner journalistischen Veröffentlichungen befürchten musste, dass die Interaktionen im Feld stark von einer Freund-Feind-Logik geprägt sein würden, verwendet er gegenüber den Akteuren in der FPÖ ein Pseudonym. Die Wahl dieser spezifischen Form einer teil-verdeckten Forschung hält er im Falle eines ethnografischen Zugangs zu einer Organisation für wenig produktiv, vor allem aufgrund der dann permanenten Notwendigkeit von "forschungsstrategischen Investitionen" (S.50) in Informationskontrolle und Eindrucksmanagement (vgl. auch WOLFF 2000, S.342f.). [10]
4. Männlichkeitskonstruktionen in der FPÖ
In den beiden von GEDEN untersuchten Periodika, sowohl im offiziellen Parteiorgan Neue Freie Zeitung (NFZ) als auch in der FPÖ-nahen Wochenzeitung Zur Zeit (ZZ), wird jeweils eine Re-Traditionalisierung der Geschlechterverhältnisse propagiert. Der Vergleich der beiden Medien zeigt allerdings deutlich, in welcher Weise sich die positionsabhängigen Strategien der jeweiligen Herausgeber auf die Art und Weise der Thematisierung der Kategorie Geschlecht auswirken. [11]
GEDEN arbeitet heraus, dass sich die Neue Freie Zeitung als Organ der Bundespartei auf die im parlamentarisch-politischen Raum besetzbaren Themenfelder konzentriert (S.68ff.). Die gesellschaftliche Position von Männern wird nie eigenständig thematisiert oder gar in Frage gestellt, in der Abwehr entsprechender Forderungen durch Sozialdemokraten und Grüne sowie im Rahmen eigener frauen- und familienpolitischer Vorstellungen aber dennoch deutlich signalisiert, bisweilen sogar ausdrücklich betont, dass sich für Männer im Rahmen einer "freiheitlichen" Geschlechterpolitik nichts ändern soll. Die Position des männlichen Familienernährers bleibt unausgesprochen unangefochten. Etwaiger Veränderungsbedarf wird allenfalls bei Frauen konstatiert, die in erster Linie als Mütter und Zuverdienerinnen gesehen, allerdings nicht explizit auf diese Rolle festgelegt werden. [12]
Der Geschlechterdiskurs des metapolitisch orientierten Theorieorgans Zur Zeit, dem österreichischen Pendant zur bundesdeutschen Jungen Freiheit, basiert, wie GEDEN aufzuzeigen vermag, hingegen nicht auf einer Strategie der De-Thematisierung von Männlichkeit. Er ist vielmehr von einer fundamentalen gesellschaftspolitischen Krisenwahrnehmung durchzogen, die auch die Position des Mannes umfasst (S.74ff). Männer werden in der Zur Zeit durchweg als diskriminierte Gruppe dargestellt, Frauenpolitikerinnen (bisweilen auch solche der FPÖ) als zu bekämpfende Gegnerinnen wahrgenommen. In Leser- und Autorenschaft auf deutschnational-burschenschaftliche Kreise und damit auf ein spezifisches lebensweltliches Milieu gestützt, konstruiert die Zur Zeit ein verloren gegangenes und erst wieder zu erlangendes kulturelles Männlichkeitsideal, in dem der Einzelne der Verpflichtung nachkommen muss, sein Geschlechtshandeln in den Dienst der Nation zu stellen. Die Idee der Gleichheit wird dabei radikal zurückgewiesen. Im Rückgriff auf geschlechterbiologische Annahmen können Emanzipationsbestrebungen nicht nur als "naturwidrig" verworfen werden, beständig wird auch deren Dysfunktionalität für das Gemeinwesen hervorgehoben. Die öffentliche Sphäre soll dementsprechend zukünftig wieder allein Männern vorbehalten, weibliche Lebenswelten auf die private Sphäre beschränkt bleiben. [13]
Für den Alltagsdiskurs der Funktionäre der FPÖ-Nachwuchsorganisation Ring Freiheitlicher Jugend (RFJ) arbeitet GEDEN heraus, dass dieser zwar durchaus auch Themen und Positionierungen aus diesen institutionellen Männlichkeitsdiskursen aufgreift, vor allem in argumentativen Verknüpfungen, die einer polaren Geschlechterordnung positive Effekte für das Gemeinwohl zuschreibt (S.92f.). Die Auswertung der Gruppendiskussionen zeigt zugleich aber auch, dass die Jungfunktionäre die Deutung des eigenen alltäglichen Geschlechtshandelns nicht ausschließlich (und auch nicht widerspruchsfrei) mit den politischen Positionen der FPÖ und den ideologischen Grundlinien "freiheitlicher" Theoriezirkel verknüpfen können. Zum einen decken die im medial-öffentlichen Diskurs verhandelten Gegenstände nur Teile des für die alltäglichen Routinen des doing masculinity notwendigen Wissensbestände ab, zum anderen rekurrieren die Selbstdeutungen dieser 20- bis 30jährigen Männer auf lebensweltliche und generationsspezifische Unsicherheitserfahrungen:
"In ihrem politischen Engagement, mehr aber noch an den Orten ihrer Ausbildung und Erwerbstätigkeit, fehlen mittlerweile die homosozialen Räume, in denen männliches Handeln keiner Hinterfragung mehr ausgesetzt ist. Während der Männlichkeitsdiskurs der ZZ offensiv den Ausschluss der Frauen aus der politischen Sphäre fordert – und dies im Falle des eigenen, ideologieproduzierenden Tätigkeitsfeldes mutmaßlich auch durchzusetzen in der Lage ist –, während die ZZ keinen weiblichen Zuverdienst will, weil ihr Männerbild auch die Rolle des unumschränkten Familienernährers enthält, der einen Zuverdienst durch seine Ehefrau nicht nötig hat, sehen sich die Männer im RFJ gesellschaftlich in die Defensive gedrängt [...], sie selbst sind von der Transformation der Geschlechterverhältnisse direkt betroffen. Sie sehen sich als Opfer der 'Positivdiskriminierung' im Arbeitsmarkt, entgegen des frauenpolitischen Diskurses in der NFZ nehmen sie eine zu ihren Lasten ausfallende Bevorzugung von Frauen in der FPÖ wahr. [...] Im Alltagsdiskurs der RFJ-Aktivisten manifestiert sich eine nur noch prekäre habituelle Sicherheit, Männlichkeit kommt nicht mehr der Status des fraglos Gegebenen zu. Zwar erfolgt durchgängig eine Orientierung am Ideal der polaren Geschlechterordnung, zwar wird der Mann ausschließlich in der öffentlichen Sphäre verortet, aber der Generation der Nachwuchspolitiker fehlt die biographische Erfahrung, dass diese Trennlinie von Frauen noch in dieser Absolutheit akzeptiert würde." (S.116) [14]
Obgleich GEDEN mit seiner Studie ein neues Forschungsfeld öffnet, erliegt er nicht der Versuchung, daraus den vorschnellen Schluss zu ziehen, in seiner Arbeit das Männlichkeitsideal des (organisierten) Rechtsextremismus herausgearbeitet zu haben. Er argumentiert ausgesprochen vorsichtig und enthält sich solcher Verallgemeinerungen, gerade in dem er auf die Kontextgebundenheit von Männlichkeitskonstruktionen verweist und betont, dass schon die Erforschung von FPÖ-Teilorganisationen jenseits des Jugendverbandes zu differierenden Teilergebnissen führen würde (S.117). [15]
GEDENs Arbeit kann als ein erster Schritt zur Erweiterung des Blicks auf die Vergeschlechtlichung der FPÖ gesehen werden, die er – und darin liegt das für die Rechtsextremismusforschung Spezifische seines Ansatzes – zunächst als eine politische Partei unter vielen begreift. Dadurch gerät zweierlei in den Blick: zum einen die strategische Komponente der von institutionellen Akteuren ausgehenden Wissensproduktion, die je nach Handlungsfeld und Konkurrenzkonstellation ganz unterschiedlichen Bedingungen unterliegt; zum anderen die partielle Entkopplung lebensweltlicher Aspekte des Engagements in rechtsgerichteten Organisationen von der rechtsextremen Ideologie selbst. Auch wenn die Interpretation der Gruppendiskussionen an manchen Stellen noch hätte vertieft werden können, so kann GEDEN doch überzeugend herausarbeiten, dass der Männlichkeitsdiskurs der Nachwuchspolitiker in einem hohem Maße von spezifischen Milieu-, Lebenswelt- und Generationszugehörigkeiten beeinflusst wird und sich insofern nicht kohärent in rechtsextreme Ideologeme einfügen muss. Um der "gendered substructure rechtsextremer Organisationen" (S.111) zukünftig auf die Spur zu kommen, plädiert GEDEN deshalb – neben der verstärkten Integration ethnografischer Verfahren – vor allem für eine vergleichende Perspektive, die sowohl Differenzen innerhalb solcher Parteien in den Blick nimmt als auch die möglicherweise nicht zu unterschätzenden Überschneidungen mit der Organisationswirklichkeit in Parteien des politischen Mainstreams. [16]
1) Vgl. dazu auch den Bericht über das Symposium Rechtsextremismusforschung – aktuelle Tendenzen empirischer Untersuchungen von Janina SÖHN in FQS 5(1) im Januar 2004. <zurück>
Amesberger, Helga & Halbmayr, Brigitte (2002). Österreich: Die Freiheitliche Partei Österreichs. In dies. (Hrsg.), Rechtsextreme Parteien – eine mögliche Heimat für Frauen? (S.251-405) Opladen: Leske + Budrich.
Birsl, Ursula (1994). Rechtsextremismus: weiblich – männlich? Eine Fallstudie. Opladen: Leske + Budrich.
Bitzan, Renate (2000). Selbstbilder rechter Frauen. Zwischen Antisexismus und völkischem Denken. Tübingen: edition diskord.
Büchner, Britta Ruth (1995). Rechte Frauen, Frauenrechte und Klischees der Normalität. Gespräche mit "Republikanerinnen". Pfaffenweiler: Centaurus.
Geden, Oliver (1996). Rechte Ökologie. Umweltschutz zwischen Emanzipation und Faschismus. Berlin: ElefantenPress.
Loos, Peter (1998). Mitglieder und Sympathisanten rechtsextremer Parteien. Das Selbstverständnis von Anhängern der Partei "DIE REPUBLIKANER". Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag.
Möller, Kurt (2000). Rechte Kids. Eine Langzeitstudie über Auf- und Abbau rechtsextremistischer Orientierungen bei 13 bis 15jährigen. Weinheim, München: Juventa.
Rösslhumer, Maria (1999). Die FPÖ und die Frauen. Wien: Döcker.
Wolff, Stephan (2000). Wege ins Feld und ihre Varianten. In Uwe Flick, Ernst von Kardorff & Ines Steinke (Hrsg.), Qualitative Forschung. Ein Handbuch (S.334-349). Reinbek: Rowohlt.
Andreas KLÄRNER, Dipl.-Soz., Studium der Soziologie, Psychologie, Stadtplanung in Darmstadt, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Hamburger Institut für Sozialforschung (Arbeitsbereich Nation & Gesellschaft), derzeit Promotion zum Dr. phil. und Mitbetreiber der "Mailingliste Rechtsextremismusforschung" (http://www.rechtsextremismusforschung.de/). In einer zurückliegenden Ausgabe von FQS hat Andreas KLÄRNER das Buch Fremdenfeindliche Gewalttäter. Biografien und Tatverläufe (herausgegeben von W. FRINDTE & J. NEUMANN) besprochen.
Kontakt:
Dipl.-Soz. Andreas Klärner
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E-Mail: Andreas.Klaerner@his-online.de
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Klärner, Andreas (2004). Rezension zu: Oliver Geden (2004). Männlichkeitskonstruktionen in der Freiheitlichen Partei Österreichs. Eine qualitativ-empirische Untersuchung [16 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 5(2), Art. 13, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0402132.