Volume 3, No. 4, Art. 50 – November 2002
Rezension:
Martin Wysterski
Matthias Postel (2001). Internet und Fernsehen – Vom asynchronen zum synchronen Content bei Live-Events. Münster: LIT, 104 Seiten, ISBN 3-8258-5633-X, EUR 20,90
Zusammenfassung: Welche technischen Voraussetzungen sind eigentlich notwendig, um additive Informationen zusammen mit Fernsehbildern zu übertragen und dem Zuschauer bzw. Nutzer zugänglich zu machen? Dieser interessanten Fragestellung geht Matthias POSTEL in seiner Studie "Internet und Fernsehen" nach. Auch für einen technischen Laien verständlich, führt er den Leser in das Thema ein und baut sein Modell der semantischen Contentzuweisung auf. Das Ergebnis der Studie, dass dieses Modell in naher Zukunft aufgrund fehlender technischer Voraussetzungen noch nicht umsetzbar ist, führt ihn zur Entwicklung eines Übergangsmodells. Dieses ist zwar nicht so komfortabel, würde aber einen entscheidenden Zwischenschritt in der Verbindung von Fernsehen und Internet bedeuten.
Keywords: Internet, Fernsehen, synchrone, asynchrone Angebote, Medienkonvergenz, Live-Events, semantische Contentzuweisung
Inhaltsverzeichnis
1. Die Verknüpfung von Fernsehen und Internet im Alltag
2. Vom parallelen zum synchronen Angebot
3. Eine Übergangslösung
4. Fazit
1. Die Verknüpfung von Fernsehen und Internet im Alltag
Das Internet nimmt eine immer wichtigere Position in der Medienlandschaft ein. Die Nutzerzahlen zeigen dies deutlich. Dies gilt insbesondere für die Verknüpfung des Internets mit dem Fernsehen. In fast jeder Fernsehsendung gibt es heutzutage den Hinweis, dass auf einer sendereigenen Homepage – meistens wird die URL noch eingeblendet – weitere Informationen zur Sendung oder zum gerade angesprochenen Thema abrufen werden können. Ebenfalls ist es heute selbstverständlich, dass Fernsehzuschauer via E-Mail ihre Kritik zur Sendung äußern oder bei Live-Übertragungen z.B. Fragen an Prominente bzw. Experten richten können. Auch Gewinnspiele oder Abstimmungen im Internet als ergänzendes Angebot zu einer Fernsehsendung (z.B. bei der Bullyparade) nehmen zu. [1]
Doch die Kombination von Fernsehen und Internet verfügt noch über eine weitere Komponente, die sich auf Live-Events bezieht. Schon heute bieten viele Fernsehsender parallel zu Live-Übertragungen, z.B. von Sportveranstaltungen oder zu Berichterstattungen aus Krisen- und Katastrophengebieten, Begleitangebote im Internet mit zusätzlichen Informationen an. Mit entsprechenden technischen Hilfsmitteln besteht sogar die Möglichkeit, Fernsehen und Internet gleichzeitig über eine gemeinsame Endplattform abzurufen oder die Angebote über denselben Übertragungsweg zu versenden. [2]
Eine wie auch immer geartete Verbindung von Fernsehen und Internet kann eine wesentliche Erweiterung des bestehenden Programm- und Dienstangebotes darstellen, und in den letzten Jahren wurde intensiv über eine Verschmelzung beider Medien diskutiert und spekuliert. Bislang aber fehlen konkrete Angaben darüber, wie eine solche Kombination aussehen könnte. Solche Kombinationen von Internet und Fernsehen versucht nun Matthias POSTEL in seiner Arbeit zu entwickeln und zu kategorisieren. [3]
2. Vom parallelen zum synchronen Angebot
Momentan – so der Ausgangspunkt für POSTELs Überlegungen – muss sich der Nutzer zweier verschiedener Medien bedienen, um sich im Internet Zusatzinformationen zu einer Fernsehsendung anschauen zu können. D.h. es findet eine Parallelnutzung beider Medien statt. Bei diesem parallelen Angebot unterscheidet POSTEL in Abhängigkeit vom Grad der Kopplung verschiedene Formen: (a) Beim einfachen parallelen Angebot besteht nur eine lose Kopplung zwischen dem Fernseh- und dem Internetangebot. Als Beispiel nennt POSTEL hier eine sendereigene Webseite, auf der sich der Nutzer Zusatzinformationen zum Sender oder Programm abrufen kann. (b) Beim parallelen Angebot mit einseitiger Kopplung werden im Internet additive Informationen und ggf. auch Dienste angeboten, die sich auf das Fernsehprogramm beziehen. POSTEL nennt in diesem Zusammenhang z.B. den Chat mit Experten im Rahmen von Ratgebersendungen. Auf jeden Fall wird dem Nutzer schon ein gewisser Mehrwert geboten. (c) Noch einen Schritt weiter geht das parallele Angebot mit beidseitiger Kopplung. Hier hat der Nutzer zusätzlich die Möglichkeit auf den Ablauf des Programms Einfluss zu nehmen. So könnte z.B. wie von POSTEL vorgestellt bei einer Tennisübertragung im Internet gewählt werden, welche Partien übertragen oder welche Spieler interviewt werden sollen. Es erfolgt also eine stärkere Einbeziehung des Nutzers. [4]
Der technische Aufwand ist nach den Analysen von POSTEL für alle parallelen Angebote ungefähr gleich, da hier auf die bereits vorhandene Internet-Technologie zurückgegriffen werden kann. Für POSTEL wäre eine stärkere Verknüpfung beider Medien wünschenswert, jedoch bedeutet die Erweiterung vom parallelen zum synchronen Angebot einen wesentlich höheren (technischen wie finanziellen) Aufwand: So müssten einerseits die additiven Informationen auf eine geeignete Art und Weise mit dem Fernsehbild verknüpft und gemeinsam übertragen werden, andererseits müssten die Nutzer über Endgeräte verfügen, die eine gleichzeitige Verarbeitung und ein gleichzeitiges Abrufen der Informationen ermöglichen. [5]
Beim synchronen Angebot müssen die additiven Informationen bereits vor der Übertragung mit den Fernsehdaten verknüpft werden. Hierzu kann man sich der Hilfe eines so genannten Inserters bedienen, der die Datenströme miteinander kombiniert. POSTEL unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen der temporalen und der semantischen Contentzuweisung. Während die additiven Informationen bei der temporalen Contentzuweisung über eine Zeitfunktion mit den Fernsehbildern verknüpft werden müssen und somit nur für einen bestimmten Zeitraum abrufbar sind (z.B. durch ein Symbol im Fernsehbild), werden bei der semantischen Contentzuweisung den verschiedenen Objekten, die auf einem Bildschirm zu sehen sind, direkt Informationen zugeordnet. Dabei handelt es sich also um eine eindeutige Zuordnung. Der Nutzer würde auf diesem Wege einen wesentlich höheren Mehrwert erhalten. Allerdings – darauf weist POSTEL hin – ist der technische Aufwand für die semantische Contentzuweisung ungleich höher als für die temporale, da das Fernsehbild in einzelne Objekte aufgeteilt werden muss. Am Beispiel eines Tennismatches identifiziert POSTEL als Objekte die beiden Spieler, der Schiedsrichter, der Ball, das Netz, die Anzeigetafel, die Zuschauer usw. [6]
Es würde hier zu weit führen, alle von POSTEL vorgestellten technischen Details zur Umsetzung des Modells der semantischen Contentzuweisung (z.B. die Algorithmen zur Objektsegementierung und -erkennung für den MPEG-4-Standard, komplizierte oder einfache AVO's, 3D-Lagen etc.) zu beschreiben. An eine Realisierung des Modells ist – so die Analyse von POSTEL – heute jedoch aufgrund fehlender technischer Voraussetzungen in naher Zukunft nicht zu denken. Insbesondere die Aufteilung der Fernsehbilder in einzelne Objekte in Echtzeit ist momentan noch nicht möglich. Bis jetzt ist es nur gelungen, eine geringe Anzahl von Objekten einer vorher bestimmten Gruppe auf Fernsehbildern zu erkennen und zu verfolgen. [7]
Als Übergangslösung schlägt POSTEL eine indirekte Zuordnung von additiven Informationen vor. Dies würde eine Zwischenlösung der temporalen und der semantischen Contentzuweisung bedeuten. Konkret könnte dies POSTEL folgend so aussehen, dass bei der Live-Übertragung eines Tennisspiels nicht die einzelnen Objekte direkt im Bildschirm mit additiven Informationen verknüpft werden, sondern dass die Informationen auf Referenzobjekten abgelegt werden, die sich in einer Symbolleiste am unteren Rand des Bildschirms befindet. Dort können dann die gewünschten Objekte angeklickt bzw. ausgewählt und die entsprechenden Informationen abgerufen werden. Hierbei sollte jedoch eine Begrenzung auf eine bestimmte Anzahl von Objekten erfolgen, denn für die Umsetzung dieser Übergangslösung ist eine gewisse Planbarkeit Voraussetzung. Für diese Umsetzung sieht POSTEL die technischen Mittel auf jeden Fall als gegeben an. [8]
Bei der Frage nach dem Interesse der Anbieter an den von POSTEL vorgestellten Modellen wird deutlich, dass im Endeffekt der finanzielle Aspekt eine entscheidende Rolle spielt. Durch die Konvergenz von Fernsehen und Internet wird es den Anbietern erleichtert, Werbe- und Verkaufsangebote in das Programm einzubeziehen und diese dem Nutzer hinzu zuführen. Ob dies den tatsächlichen Bedürfnissen der Nutzer entspricht, bleibt jedoch abzuwarten. [9]
Wer sich von der rein technischen Seite mit der Konvergenz der beiden Medien Fernsehen und Internet beschäftigen möchte, dem ist dieses Buch nur zu empfehlen. Nach einer detaillierten aber dennoch kurzen Einführung in Grundlagen der beiden Medien und der Beschreibung der jetzigen Möglichkeiten der Konvergenz entwickelt POSTEL zielgerichtet sein Modell der semantischen Contentzuweisung. Dieses Modell wird technisch sehr detailliert erklärt und mit praktischen Beispielen von Live-Events wie Tennis Live-Übertragungen oder Katastrophennachrichten angereichert. [10]
Ein Aspekt wird bei dieser Arbeit jedoch völlig ausgeblendet. Inwieweit ist der Nutzer überhaupt daran interessiert, sich z.B. bei Tennis-Übertragungen Zusatzinformationen über die Spieler, den Schiedsrichter etc. abzurufen? Hier wäre es im Rahmen der Einführung interessant gewesen, kurz auf eventuell vorhandene wissenschaftliche Ergebnisse aus diesem Bereich einzugehen. [11]
Martin WYSTERSKI; Studium der Publizistik und Kommunikationswissenschaften an der FU Berlin. Mitarbeiter bei verschiedenen Markt-, Meinungs- und Medienforschungsinstituten (u.a. forsa, MediaFutura, ComCult). Von 2001-2002 Junior-Analyst bei der Berlecon Research GmbH in Berlin. Zur Zeit tätig als Studienleiter bei der LDB Löffler GmbH in Berlin. Seine Arbeitsschwerpunkte sind: Medienwirkungsforschung, Markt- und Meinungsforschung, Internet, TV-Forschung, Online-Marketing, E-Commerce. Martin WYSTERSKI hat in zurückliegenden FQS-Ausgaben die Bücher Online-Journalismus – Perspektiven für die Wissenschaft und Praxis und Fernsehen im Lebenslauf rezensiert.
Kontakt:
Martin Wysterski
Schopenhauerstr. 20
D-14612 Falkensee
E-Mail: mwys@online.de
URL: http://www.mwys.de
Wysterski, Martin (2002). Rezension zu: Matthias Postel (2001). Internet und Fernsehen – Vom asynchronen zum synchronen Content bei Live-Events [11 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 3(4), Art. 50, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0204509.