Volume 2, No. 3, Art. 10 – September 2001
Ein Neonazi in Auschwitz. Psychoanalytische Rekonstruktion exemplarischer Szenen aus einem Dokumentarfilm über Rechtsextremismus
Hans-Dieter König
Zusammenfassung: Mit der von LORENZER begründeten Tiefenhermeneutik wird eine methodologisch und methodisch reflektierte Methode psychoanalytischer Forschung vorstellt, die im Rahmen der kritischen Sozialforschung der Frankfurter Schule entwickelt wurde. Die neue Art und Weise, wie ein Neonazi einen Besuch der Gedenkstätte Auschwitz dazu benutzt, um einen neuen Antisemitismus zu erzeugen, soll durch eine szenische Interpretation seiner medialen Auftritte als gut gelaunter Tourist, als zorniger Rechtsextremist, als sachlicher Experte und als trotziger Jugendlicher untersucht werden: Es wird zu zeigen sein, wie sich die Bedeutung dieser Rollenspiele in der Spannung zwischen einem manifesten und einem latenten Sinn entfaltet. Die Ergebnisse dieses Interpretationsprozesses bilden die Grundlage für die theoretische Klärung der Frage, welcher Sozialisationsmuster dieser "Yuppie-Nazi" sich bedient, um vor allem Jugendliche zu faszinieren. Schließlich soll analysiert werden, wie der Regisseur durch eine postmoderne Inszenierung Auschwitz als Testgelände zur Verfügung stellt, auf dem der Neonazi einen "fröhlichen Tanz auf dem Vulkan" aufführen kann.
Keywords: Antisemitismus, Autoritarismus, Tiefenhermeneutik, Frankfurter Schule, Hermeneutik, Postmoderne, Psychoanalyse als Methode qualitativer Forschung, Rechtsextremismus, Sozialisationstheorie
Inhaltsverzeichnis
1. Der Film und die psychoanalytische Methode der Tiefenhermeneutik
2. Szenisches Verstehen der von Althans in Auschwitz arrangierten Auftritte
2.1 Der sich gut unterhaltende Tourist
2.2 Der den industriellen Massenmord empört bestreitende Neonazi (I)
2.3 Der über alles Bescheid wissende Experte
2.4 Der trotzige Jugendliche
2.5 Zwischen Arroganz und Scham. Das Zerplatzen und die Wiederherstellung der Selbstinszenierung als Neonazi (II)
2.6 Zum Verhältnis des manifesten zum latenten Sinn der Selbstinszenierungen von Althans
3. Sozialisationstheoretisches Begreifen der szenischen Interpretation
3.1 Der autoritäre Sozialisationsmodus
3.2 Der konsumgesteuerte Sozialisationsmodus
3.3 Der mediengeleitete Sozialisationsmodus
4. Ein Tanz auf dem Vulkan. Die unter Bonengels Regie zustande kommenden Selbstinszenierungen von Althans im kulturellen Klima der Postmoderne
1. Der Film und die psychoanalytische Methode der Tiefenhermeneutik
Kein anderer deutscher Dokumentarfilm hat in den letzten Jahren so viel Aufsehen erregt wie Beruf Neonazi. Mit diesem Film wollte Wilfried Bonengel über die aktuelle Neonaziszene aufklären, die über ein weltweit organisiertes Mediennetzwerk verfügt und auf einen neuen Führertypus setzt, für den Althans1) aus München ein Beispiel sei. Dieser komme "in der Gestalt des modernen Yuppie" daher (KÖLNER STADTANZEIGER, 30.11.93), der durch seine Eloquenz und Intelligenz, durch seine sympathische und gepflegte äußere Erscheinung brilliert. Als der Zentralrat der Juden in Deutschland wegen der unwidersprochenen Verbreitung der Auschwitzlüge und der Verherrlichung des Nationalsozialismus Strafanzeige stellte, entfachte der Film, der durch die Förderungsmittel von vier Bundesländern finanziert worden war, eine heftige, quer durch alle Parteien verlaufende Kontroverse. Schließlich beschäftigte der Film die Gerichte. Während die Frankfurter Staatsanwaltschaft den Film verbot und Kopien beschlagnahmte, weil der Film "jegliche Kommentierung der Äußerungen des Neonazis Althans oder eine Distanzierung vermissen" lasse (FR, 8.12.93), stellte die Berliner Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren ein, weil es sich um "eine kritisch-realistische Darstellung aktueller neonazistischer Bestrebungen" handele, bei der die "Distanz zur gezeigten Hauptperson Althans [...] durch künstlerische Mittel, durch Darstellung von Gegenpositionen und auch äußerlich durch die Wahl des Titels deutlich" werde (FAZ, 24.12.93). [1]
Der Film soll weder als Beispiel für eine missglückte Form politischer Aufklärung untersucht werden. Noch handelt es sich um eine psychologische Untersuchung der Psychopathologie von Althans. Vielmehr werden zwei andere Ziele verfolgt: Einerseits sollen der Film und die Inszenierungen eines Neonazis in zeitdiagnostischer Absicht als Symptom eines sich in den letzten Jahren entwickelnden neuen Geschichtsbewusstseins verstanden werden. Andererseits geht es um das methodologische und methodische Problem, wie man Geschichtsbewusstsein mit Hilfe einer hermeneutischen Verfahrensweise analysieren kann, deren analytische Kraft und interpretative Leistungen in den Kulturwissenschaften bisher zu wenig wahrgenommen worden ist. Die Fallrekonstruktion stellt damit auch einen methodischen Beitrag zur Neubestimmung des Verhältnisses von Psychoanalyse und Soziologie dar. [2]
Die neue Art und Weise, wie in diesem Film mit der Geschichte des industriellen Massenmordes umgegangen wird, für den Auschwitz zum Symbol geworden ist, soll durch eine Interpretation der konkreten Auftritte von Althans in Auschwitz untersucht werden, die das so heftig umstrittene Zentrum des Films darstellen (Teil 2). Die Ergebnisse dieses Verstehensprozesses bilden die Grundlage für die theoretische Klärung der Frage, was das für ein neuer Typus ist, der uns in der Gestalt dieses "Yuppie-Nazis" entgegentritt. Dabei geht es um die Frage, wie dieser Neonazi über den Rückgriff auf typische Modi sozialer Anpassung seine Adressaten zu faszinieren versucht (Teil 3). Schließlich soll das Problem untersucht werden, welchen Beitrag der Regisseur durch die filmischen Inszenierungen zu den Auftritten des Neonazis leistet und wie das Geschichtsbewusstsein beschaffen ist, in dem der Film produziert wird und seine Wirkung entfaltet (Teil 4). [3]
Die Filmsequenzen sollen mit Hilfe einer psychoanalytischen Methode qualitativer Forschung untersucht werden, wie sie im Rahmen der Kulturforschung der Frankfurter Schule entwickelt wurde. Adorno hat sich im Zuge seiner Kultur- und Gesellschaftskritik immer wieder der Psychoanalyse als Forschungsmethode bedient: So hat ADORNO (1943, 1950) die Psychoanalyse dazu benutzt, um die für antidemokratische Agitation anfällige "autoritätsgebundene Persönlichkeit" und die Techniken der faschistischen Propaganda zu untersuchen, die um den Antisemitismus zentriert ist. Darüber hinaus hat ADORNO gemeinsam mit HORKHEIMER (1947) auf die Psychoanalyse zurückgegriffen, um die Kulturindustrie zu analysieren, welche die Individuen über sich an das Unbewusste wendende Angebote vereinnahmt. Jedoch weigerte ADORNO (1970) sich, Kunstwerke mit Hilfe der Psychoanalyse zu interpretieren. Denn wie er auf den ersten Seiten der "Ästhetischen Theorie" ausführte, unterlaufe der Psychoanalyse der Fehler, dass sie bei der Analyse von Kunst so verfahre wie bei der Deutung der Einfälle des Analysanden. ADORNO hat – wie KÖNIG (1996) an anderer Stelle ausgeführt hat – vor allem drei Einwände gegen die traditionelle Anwendung der Psychoanalyse auf Kunst erhoben:
Die Psychoanalyse psychologisiere das Kunstwerk, weil sie es einem "Tagtraum" des Künstlers gleichsetze und damit als Bestandteil seiner inneren Welt auffasse.
Die Psychoanalyse pathologisiere das Kunstwerk, weil sie es der Fallgeschichte eines Neurotikers gleichsetze: Wie die Patientenmitteilungen werden auch die Kunstwerke als Symptombildungen aufgefasst, die als Resultat verdrängter Wünsche und damit als Manifestation einer bestimmten Psychopathologie verstanden werden.
Schließlich entgehe der Psychoanalyse die soziale Bedeutung des Kunstwerks: Sie ignoriere, was "das Produkt selbst" bedeutet, das aufgrund seiner Eigenart eine kollektiv faszinierende Wirkung hat. [4]
Rückblickend kann man davon sprechen, dass ADORNOS Kritik psychoanalytischer Kunstdeutungen den Ausgangspunkt für LORENZERS (1986) Projekt einer sozialwissenschaftlich aufgeklärten psychoanalytischen Kulturforschung2) bildete (vgl. LORENZER 1974, 1981): Die traditionelle Anwendung der Psychoanalyse auf die Kultur ist LORENZER zufolge naiv, weil sie das methodologische Problem ignoriert, das mit der Anwendung der Psychoanalyse auf das jenseits der Couch gelegene Forschungsfeld verbunden ist. Die psychoanalytischen Begriffe, die in einer therapeutischen Praxis entwickelt wurden und auf sie zugeschnitten sind, lassen sich nicht einfach auf die Kultur übertragen, weil es sich hierbei um ein ganz anderes Forschungsfeld handelt. [5]
Wenn man die FREUDsche Theorie als Kulturwissenschaft systematisch entfalten will, ohne das in einem Text oder in einer Bilderwelt arrangierte Interaktionsdrama unvermittelt unter psychoanalytische Theoriebruchstücke zu subsumieren, dann kann es nur darum gehen, die weit fortgeschrittene Methode der therapeutischen Psychoanalyse aufzugreifen, sie in Auseinandersetzung mit dem neuen Forschungsfeld weiterzuentwickeln und in Anschluss daran eine eigenständige Theorie der Kultur zu entwerfen. Dem entsprechend geht die Tiefenhermeneutik von der methodologischen Überlegung aus, wie die in der therapeutischen Praxis entwickelte Methode der psychoanalytischen Hermeneutik, die LORENZER (1970) als "szenisches Verstehen" auf den Begriff gebracht hat, so zu modifizieren ist, dass sie einer kulturwissenschaftlichen Forschungspraxis entsprechend dazu geeignet ist, Neues zu entdecken. [6]
Die Tiefenhermeneutik3) lässt sich als eine psychoanalytische Methode der Kulturforschung beschreiben, die den narrativen Gehalt von Bildern und Texten über die Wirkung auf das Erleben der Interpreten erschließt. Dabei kann es sich sowohl um natürliche Protokolle wie Interviews und Gruppendiskussionen als auch um künstliche Protokolle wie Literatur, Filme oder andere Kunstwerke handelt. Die Analyse richtet sich auf die bewussten und unbewussten Lebensentwürfe, die in den über Text oder Bilder transportierten sozialen Interaktionen inszeniert werden. Es wird eine Doppelbödigkeit sozialer Handlungsabläufe unterstellt, der entsprechend sich die Bedeutung von Interaktionen in der Spannung zwischen einem manifesten und einem latenten Sinn entfaltet Auf der manifesten Bedeutungsebene interpretieren die Akteure Intentionen und Erwartungen, Regeln und Normen im Medium eines kollektiven Symbolsystems. Auf der latenten Bedeutungsebene des Interagierens verschaffen sich hingegen unbewusste Motive einen Ausdruck, welche die Individuen unter dem Druck sozialer Herrschaft im Verlaufe der Biographie verdrängt haben oder in einer aktuellen Krisensituation unterdrücken müssen. Jedoch setzen sich die sozial anstößigen Lebensentwürfe hinter dem Rücken der Subjekte verhaltenswirksam durch. Um das am Beispiel einer von FREUD (1901) beschriebenen Fehlleistung zu illustrieren: Der Angestellte, der seine Kollegen dazu auffordert, mit einem Glas Sekt auf den Vorgesetzten anzustoßen, verfolgt offensichtlich die Intention, dem Chef zu gratulieren. Das wäre der manifeste Sinn dieser Sprechhandlung. Der sprachlich artikulierten Intention widersetzt sich freilich die Fehlleistung, die dem Angestellten unterläuft: Seine Worte "Lassen Sie uns auf den Chef aufstoßen!" verraten, was sich zwischen ihm und seinem Vorgesetzten auf einer latenten Bedeutungsebene abspielt. Dabei könnte sich in der Fehlleistung sowohl das persönliche Unbewusste des Angestellten als auch das soziale Unbewusste einer Gruppe von Mitarbeitern ausdrücken: Wären die Mitarbeiter von dem Versprecher peinlich berührt, würde sich in der Fehlleistung das persönliche Unbewusste des Angestellten offenbaren: Würde man ein Interview durchführen, könnte sich vielleicht herausstellen, dass der Angestellte sich aufgrund eines unbewältigten infantilen Konflikts mit dem Vater in einen Autoritätskonflikt mit dem Chef verwickelt, der ihn irgendwie anwidert, obwohl der Vorgesetzte ihm keinen besonderen Anlass dazu gegeben hat. Würden die Kollegen dem Angestellten gegenüber Sympathie entgegenbringen und sich über den Versprecher freuen, dann würde es um das soziale Unbewusste in einer Organisation gehen: Der Angestellte würde mit der Fehlleistung etwas zur Sprache bringen, was auch seine Kollegen fühlen, jedoch nicht zu verbalisieren wagen, weil der reizbare Chef weder Fragen noch Kritik duldet. Das Gedankenexperiment illustriert, dass die Tiefenhermeneutik systematisch die in Interaktionsszenen enthaltenen Inkonsistenzen, Widersprüche und Brüche rekonstruiert, um den hinter dem manifesten Sinn verborgenen latenten Sinn aufzudecken. [7]
Die Frage, wie man mit Hilfe der Tiefenhermeneutik einen methodisch kontrollierten Zugang zu den auf die latente Bedeutungsebene verbannten Lebensentwürfen erschließen kann, die aus der sprachlichen Selbstreflexion der Subjekte ausgeschlossen sind, lässt sich folgendermaßen beantworten: Wie KÖNIG (1993, S.206ff.) gezeigt hat, setzt die Tiefenhermeneutik auf Gruppeninterpretationen, in denen die Teilnehmer beispielsweise einen zu analysierenden Text auf das eigene Erleben wirken lassen. Dabei wird davon ausgegangen, dass sich auch das Interagieren in der Gruppe in der Spannung zwischen einem manifesten und einem latenten Sinn entfaltet. Während manifest die kognitive Verständigung über den Textsinn ist, geht es auf der latenten Bedeutungsebene um ein affektives Verstehen des Textes. Was ist damit gemeint? Weil sich der latente Sinn des Textprotokolls einem rationalen Verstehen entzieht, wird er erst zugänglich, wenn die SeminarteilnehmerInnen sich auf den Text emotional einlassen. Sie übernehmen nicht nur kognitiv, sondern auch affektiv die Rollen, die ihnen der Text zuspielt. Die Aufforderung zum freien Assoziieren bedeutet, dass sie ihre Phantasie einsetzen, um sich einen lebenspraktischen Zugang zu der lebendigen Erfahrung zu erschließen, die der Text enthält. Wenn sie sich die im Text arrangierte Interaktionspraxis vor ihrem inneren Auge als "Szene" bildhaft-konkret vorstellen, dann spüren sie, "was der Text mit ihnen macht". Auf der Basis dieses Texterlebens produzieren die SeminarteilnehmerInnen verschiedenste Lesarten. Diese Lesarten kommen freilich nicht nur durch freies Assoziieren zustande. Vielmehr werden auch Irritationen zur Sprache gebracht. Damit ist gemeint, dass bestimmte Szenen des Interagierens befremden oder verwirren, weil sie eine neue Lesart eröffnen, die den Lesarten widersprechen, die im Zuge eines routinisierten Textverstehens erschlossen werden. Irritationen stellen somit kognitive und affektive Reaktionen auf Interaktionssequenzen des Textes dar, die Schlüsselszenen bilden, weil sie aufgrund ihrer Widersprüchlichkeit und Inkonsistenz einen Zugang zu einer latenten Sinnebene erschließen. Der Zugang zum latenten Sinn des Textes wird so dadurch erschlossen, dass Irritationen die gleichschwebende Aufmerksamkeit des Interpreten auf Brüche und Ungereimtheiten lenken. [8]
In der Gruppe wird also anhand der zum Text zur Sprache gebrachten Assoziationen und Irritationen erschlossen, wie sich das Interagieren der Akteure in seiner konkreten szenisch-bildhaften Gestalt entfaltet. Der Interpretationsprozess beginnt mit dem Verstehen einzelner Szenen, die eine strukturelle Ähnlichkeit aufweisen, auch wenn sie in einem ganz anderen Handlungszusammenhang des Textes stehen. Die zueinander in Beziehung gesetzten Interaktionsszenen werden zu verschiedenen szenischen Handlungskomplexen gruppiert. Schließlich werden diese unterschiedlichen Szenenfolgen so lange miteinander verglichen und kombiniert, bis sie sich zu einer das Ganze erhellenden szenischen Konfiguration zusammenfügen. Der szenische Interpretationsprozess gilt als abgeschlossen, wenn sich der manifeste und latente Sinn des szenisch entfalteten Handlungsdramas auf eine überzeugende und nachvollziehbare Weise bestimmen lässt. [9]
Ob die TeilnehmerInnen Verstehenszugänge zum Text über das Einsetzen eigener lebenspraktischer oder theoretischer Vorannahmen erproben, entscheidend ist, dass der Prozess des szenischen Interpretierens in der Alltagssprache stattfindet, welche allein dazu geeignet ist, die Interaktionen in ihrer bildhaft-szenischen Gestalt zu erfassen. Ist der Prozess des szenischen Interpretierens beendet, dann geht es in einem zweiten Arbeitsschritt um das theoretische Begreifen der Fallstruktur. Nun wird auf Einsichten der psychoanalytischen und kulturwissenschaftlichen Theoriebildung zurückgegriffen, um die Fallstruktur zu typisieren und die Frage zu beantworten, welche allgemeinen Schlüsse sich aus der exemplarischen Fallrekonstruktion ziehen lassen. Damit ist die Methode so weit umrissen, dass zur Anwendung der Tiefenhermeneutik in der Kulturforschung übergegangen werden kann. [10]
2. Szenisches Verstehen der von Althans in Auschwitz arrangierten Auftritte
Der 28 Jahre alte Althans tritt in Auschwitz als ein smarter und lässiger junger Mann auf, der Sonnenbrille, T-Shirt und Jeans trägt. Diese persönliche Fassade reichert er durch die Übernahme verschiedener Rollen an, deren Bedeutung sich in der Spannung zwischen einem manifesten und einem latenten Sinn auf die folgende Weise entfaltet: [11]
2.1 Der sich gut unterhaltende Tourist
Das erste Schauspiel, das Althans in Auschwitz veranstaltet, wird dadurch bestimmt, dass er gutgelaunt an Baracken, Wachtürmen und hohen Bäumen entlang schlendert. Als er an dem Lagertor ankommt, über dem die berüchtigten Worte "Arbeit macht frei" stehen, erklärt er entspannt: "Das ist das Stammlager Auschwitz" (AUST et al. 1995, S.27). Dadurch, dass er das nicht ernst, sondern locker und gleichgültig sagt, signalisiert er, dass Auschwitz für ihn kein Grund zur Trauer ist. Vielmehr versucht er den Eindruck zu wecken, als ob es keinen Unterschied zwischen dem ehemaligen Vernichtungslager und einem beliebigen Ausflugsort gebe. Durch sein lässiges und munteres Auftreten unterstreicht Althans, dass er einen touristischen Abstecher unternimmt, dementsprechend er sogleich ein Kiosk ansteuert. Er kauft sich ein Buch, freilich nicht, um sich über Auschwitz zu informieren, sondern um sich zu unterhalten. Denn mit dem Buch "gibt es was zu lachen auf der Rückfahrt" (ebd., S.28). Das ist es also, was Althans in Auschwitz sucht: Ein Unterhaltungsangebot, mit dem er sich so amüsieren kann wie mit dem Amerikaner, der seinen neonazistischen Parolen heftig widerspricht. [12]
"Ich geh' jetzt einfach", erklärt Althans gegen Ende seiner Auseinandersetzung mit dem Amerikaner (ebd., S.32), "ich wart' jetzt hier nicht mehr". Und lustlos fügt er hinzu: "Ich will weg. Mir wird sonst noch schlecht hier" (ebd., S.33). Obwohl Althans die Gedenkstätte aufsucht, existieren für ihn die Opfer des Holocaust nicht. Was er dort tut oder lässt, hat nur etwas mit ihm selbst zu tun: Solange es ihm Spaß macht, streitet er sich mit dem Amerikaner; sobald er es leid ist, lässt er ihn einfach stehen. Auch auf diese Weise übermittelt er dem Filmpublikum die Botschaft, dass er sich in Auschwitz "just for fun" aufhält. [13]
Wie der Besuch in Auschwitz als touristischer Ausflug beginnt, so endet er auch. Denn als Althans nach München zurückgekehrt ist, führt er seinen Kameraden gutgelaunt die Diabilder vor, die er auf seiner Fotosafari aufgenommen hat. Wie sehr er das genießt, verrät der Witz, den er sich dabei erlaubt. Stolz erzählt er, dass er vom Weg der offiziellen Tourenführung abgewichen ist und auf eigene Faust recherchiert hat. Dabei habe er ein Schwimmbad entdeckt, das ein handgreiflicher Beweis für die Harmlosigkeit von Auschwitz sei: "Da mußten die Häftlinge also mit Sicherheit nicht, wie man vermutet, Wasserball gegen Krokodile spielen, sondern, äh, da konnten die Leute eben baden im Sommer, wenn's denen heiß war" (ebd., S.35). [14]
Die gängige Vorstellung, Auschwitz sei das "grausamste Vernichtungslager aller Zeiten" gewesen (ebd., S.37), wird Althans zufolge schon dadurch widerlegt, dass ja der Gedanke absurd sei, die Juden hätten dort wie römische Gladiatoren auf Leben und Tod mit wilden Tieren gekämpft. So verhöhnt Althans Auschwitz durch den Vergleich mit einem Witz, der allein im Rahmen der Comicwelt GOSCINNYS und UDERZOS unterhaltsam erscheinen kann. Denn in dieser fiktiven Welt geht es zwar heftig zu, die Gladiatoren kommen jedoch mit dem Leben davon, weil Asterix und Obelix im letzten Augenblick eingreifen und den Römern durch Prügel einen kräftigen Denkzettel verabreichen. So lässt der Witz über das Wasserballspiel gegen Krokodile Auschwitz noch einmal als das erscheinen, wozu Althans das Vernichtungslager durch den Scherz macht, es handele sich um "ein Walt-Disneyland für Osteuropa" (ebd., S.32). [15]
Der manifeste Sinn dieses touristischen Rollenspiels lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Dadurch, dass Althans einen Touristen spielt, der Auschwitz nicht ernst nimmt, sondern darüber dumme und zynische Witze macht, entweiht er die Gedenkstätte. Weil alle Unterschiede zwischen einem Mahnmal und einem Ausflugsort für Touristen, zwischen dem Monströsen des Völkermordes und der Banalität eines Comic nivelliert werden, verflüchtigt sich das Grauen, das sich mit Auschwitz verbindet. Die Aufmerksamkeit der Zuschauer richtet sich stattdessen auf die Selbstinszenierung eines Touristen, der sich in Auschwitz gut amüsiert. [16]
Einen Zugang zum latenten Sinn erschließen folgende Irritationen:
Befremdend ist zunächst die Unterstellung, von der Althans ausgeht, als er sich angesichts des von ihm entdeckten Schwimmbeckens darüber freut, "dass theoretisch in der Vergangenheit hier auf diesem Sprungbrett Häftlinge ihre Köpper ins Badewasser machten" (ebd., S.37). Indem er erklärt, die Häftlinge hätten hier "theoretisch" schwimmen können, räumt er ein, dass sie das praktisch nicht getan haben. Auf diese Weise verrät Althans, dass er selbst nicht daran glaubt, was er sagt, sondern nur aus Spaß ein Gedankenexperiment durchspielt.
Ebenso irritierend ist der Witz, den Althans zum Besten gibt, als er dem Kioskbesitzer versichert, er glaube ihm schon, dass er ihm das richtige Wechselgeld gebe. Seine Worte, der Pole brauche ihm das Geld nicht so umständlich vorzuzählen, begründet Althans nämlich mit folgendem Scherz: "In Auschwitz betrogen [zu] werden, das wäre ja dann der Hit" (ebd., S.28). Mit den Worten, dass es schon ein "Hit", also etwas ganz Außergewöhnliches wäre, wenn man in Auschwitz betrogen würde, unterstellt er, dass eine solche Gaunerei an dieser Gedenkstätte eigentlich nicht vorstellbar ist. [17]
Die beiden Präsuppositionen dokumentieren, dass Althans sehr wohl weiß, was Auschwitz bedeutet. Aber er spielt einen Touristen, der nichts Besonderes entdeckt und sich gut unterhält. Denn er will die Wahrheit nicht wissen und die Gefühle der Trauer auf Distanz halten, die sich mit dem Gedenken an die Opfer des Holocaust verbinden. So gelingt es Althans, über das touristische Rollenspiel "das Ungeheuerliche", das Auschwitz bedeutet (ADORNO 1967, S.85), auf die latente Bedeutungsebene der Inszenierung zu verbannen. In den Präsuppositionen, die zwei Witzen zugrunde liegen, kehrt das Unterdrückte so wieder, wie es in dem Witz über die Juden, die in dem Schwimmbad wohl kaum Wasserball gegen Krokodile gespielt haben, auf eine sinnlich-bildhafte Weise zur Geltung gelangt. Wie sehr Althans durch diesen Witz auch Auschwitz lächerlich macht, im Bild der Menschen fressenden Krokodile setzt sich das Abgewehrte doch durch, das die Nazibestien darstellten, die ihre Opfer in den Todeslagern so lange quälten, bis sie von den Krematorien verschlungen wurden. [18]
2.2 Der den industriellen Massenmord empört bestreitende Neonazi (I)
Im Krematorium selbst inszeniert Althans ein anderes Rollenspiel. Die Szenensequenz beginnt damit, dass unser Blick mit dem Auge der Kamera durch die finster und kalt wirkenden Gemäuer der nur spärlich erleuchteten Gaskammer gleitet. Totenstille herrscht hier. Dann führt uns die Kamera in den Raum mit den Verbrennungsöfen, wo Althans lautstark auf einen jungen Amerikaner einredet. In fließendem Englisch erhebt Althans gegen den Amerikaner Vorwürfe: "Sie haben nicht das Recht so zu reden, weil ich hier nicht einer von den Leuten bin, dessen, dessen Vorväter schuldig sind für das, worum es hier angeblich geht. Das ist richtig, meine Vorväter waren nicht schuldig, richtig" (AUST et al. 1995, S.28). [19]
Indem Althans die im Krematorium herrschende Stille bricht, verletzt er die von den Besuchern eingehaltene rituelle Zeremonie, schweigend der Toten zu gedenken. Indem er diejenigen anschreit, die sich gedanklich mit dem Ungeheuerlichen des industriellen Massenmordes auseinandersetzen, greift Althans nicht nur die Besucher der Gedenkstätte an, sondern verhöhnt auch die vielen Hunderttausende von Juden, die von den SS-Wachmannschaften in Auschwitz zu Tode gequält, erschlagen und erschossen, vergast und verbrannt wurden. Wie die Judenhasser jüdische Friedhöfe verwüsten, "weil selbst die letzte Ruhe [...] keine sein" soll (HORKHEIMER, ADORNO 1947, S.213), so entweiht Althans die Gedenkstätte und schmäht die Opfer des Völkermordes, derer sich niemand erinnern soll. Der von den Nazis an den Juden verübten Gräueltaten bedient Althans sich als Vorbild für eine verbale Gewalt, die sich gegen die Besucher der Gedenkstätte wendet und auf die Opfer und die Überlebenden des Holocaust zielt. Weil Althans die Gedenkstätte damit in eine Bühne für eine antisemitische Agitation verwandelt, sind die in die Rolle von Zuhörern gezwungenen Besucher völlig überrumpelt: Während einige Schüler fassungslos zuhören, bleiben die Erwachsenen schockiert stehen, laufen verwirrt umher oder flüchten nach draußen. [20]
Das Ungeheuerliche dieses barbarischen Auftritts, im Zuge dessen Althans wie die jüdische Grabsteine umstürzenden Skinheads die Gedenkstätte entweiht, um das Mahnmal des Holocaust zu demolieren, spiegelt sich in den Inhalten einer kalt-berechnenden Agitation, hinter der sich Hass auf die Juden verbirgt: Geleugnet wird nämlich die moralische Verantwortung, die das deutsche Volk dafür zu übernehmen hat, "dass der industriell betriebene Völkermord eine deutsche Angelegenheit war" (BUDE 1992, S.8). Darüber versucht Althans hinwegzutäuschen, indem er über unzumutbare Zustände klagt. Der Neonazi jammert, durch seine Steuerzahlungen das mitfinanzieren zu müssen, was in der Gedenkstätte über Auschwitz verbreitet werde. Empört erwidert der Amerikaner, dass hier Menschen mit dem Leben bezahlt haben und Althans von Steuern spreche. Althans ignoriert nicht nur den Einwand, Unvergleichbares zueinander in Beziehung zu setzen. Vielmehr geht er unbeeindruckt noch einmal zum Angriff über, indem er dem Amerikaner sarkastisch vorhält, dass Leute wie er zu ihm Neonazi nur deshalb sagen würden, weil er sich "wundere" (AUST et al. 1995, S.29): "Wissen Sie, Sie sind so ein Mensch, der fähig ist, andere Leute zu verbrennen, nur weil sie eine andere Meinung haben. Sie sind doch einer von den Leuten, die für das hier verantwortlich sind!" (ebd.) [21]
Die Anklage, er sei ein potentieller Mörder, verschlägt dem Amerikaner die Sprache. Einige Besucher versuchen Althans durch Zurufe zu bremsen. Aber diese Bemühungen schlagen fehl, bewirken das Gegenteil: Der die Szene beherrschende Neonazi gerät noch mehr in Fahrt und steigert sich in die moralische Empörung darüber hinein, "dass Millionen von Menschen hier durch Attrappen geführt werden. Ich wehre mich dagegen, dass hier Lügen verbreitet werden" (ebd., S.30). Weder der Amerikaner noch die anderen Besucher des Krematoriums sind Althans gewachsen, der durch seine wahnhaften Anschuldigungen ein heilloses Durcheinander herstellt. Denn mit dem Vorwurf, in Auschwitz würden Lügen verbreitet, wirft Althans den Organisatoren der Gedenkstätte vor, was er selbst durch das Bestreiten der nationalsozialistischen Gräueltaten tut. Und mit der Anklage, Menschen würden hier durch Attrappen geführt, unterstellt er den für die Gedenkstätte Verantwortlichen, was er selbst tut, indem er das Krematorium zur Bühne für seinen Auftritt als Neonazi erniedrigt. [22]
Manifest ist also, dass Althans das stille Gedenken an die Opfer durch seine lärmende Agitation zerstört. Da er den Herrenmenschen spielt, der sich über die sittliche Ordnung der Welt hinwegsetzt, den Zuhörern barsch das Wort abschneidet und ihnen seine verlogenen Hetzparolen als Wahrheit auftischt, exekutiert er in Auschwitz verbal die Gewalt, mit der die Juden hier real vernichtet wurden. Die Bilder erzählen so von dem skandalösen Auftritt eines Neonazis, der in Auschwitz durch das Bestreiten des industriellen Massenmordes die Opfer und die Überlebenden des Holocaust verhöhnt. [23]
Auffällig ist auch, dass Althans auf die von den Besuchern ausgesprochenen Zurechtweisungen hin entgegnet: "Ich lasse mich nicht weiter schuldig machen für Dinge, die ich nicht getan habe" (ebd., S.29). Diese Worte befremden, weil es sich von selbst versteht, dass Althans als Angehöriger der 89er Generation keine individuelle Schuld auf sich geladen hat. Die Vehemenz, mit der er seine Unschuld beteuert, offenbart freilich, dass Althans auf einer latenten Bedeutungsebene doch Schuldgefühle belasten, die er zu bestreiten versucht. Denn durch die Erklärung, seine "Vorväter" seien "nicht schuldig" dafür, was sich "angeblich" in Auschwitz ereignet habe, wird er zum mitschuldigen Komplizen der Täter, mit denen er sich seinem Selbstverständnis als "orthodoxer Nationalsozialist" entsprechend stolz identifiziert. [24]
Damit wird die Szenerie verständlich, die Althans im Krematorium mit seinen wütenden Ausfällen arrangiert: Gerade weil die Gaskammer und die Verbrennungsöfen ihn mit den Spuren der von den Nazis begangenen Gräueltaten konfrontieren, gerät Althans im Krematorium auf doppelte Weise unter einen inneren Druck: Einerseits stellen die Gaskammer und die Verbrennungsöfen seine Weltanschauung in Frage, die auf eine wahnhafte Weise das deutsche Volk zum unschuldigen Opfer einer jüdischen Weltverschwörung stilisiert. Andererseits appellieren die Totenstille des Krematoriums und der Ernst der Besucher, die sich im Krematorium mit dem industriellen Massenmord und seinen Folgen auseinandersetzen, an das Gewissen von Althans. Dabei geht es, wie gesagt, um eine individuelle Schuld, weil Althans die Nationalsozialisten von ihren Gräueltaten freispricht. Indem er auf der manifesten Bedeutungsebene dieser Szenerie seine Hände in Unschuld wäscht, erreicht er zweierlei:
Einmal kann er aufgrund der Komplizenschaft mit den Mördern des Dritten Reiches aufkommende individuelle Schuldgefühle auf die latente Bedeutungsebene verbannen.
Das andere Mal bringt Althans durch die Beteuerung seiner persönlichen Unschuld das Thema einer kollektiven Schuld der Deutschen in Misskredit. Althans bedient sich nämlich seiner Schuldgefühle im Dienste einer antisemitischen Agitation, mit der er dagegen rebelliert, dass er als Deutscher für eine kollektive Schuld mitverantwortlich sein soll, die das deutsche Volk durch einen industriellen Massenmord auf sich geladen hat, den er schlichtweg bestreitet. [25]
Von dem moralischen Druck, sich sowohl einer individuellen Schuld als auch einer kollektiven Schuld erwehren zu müssen, befreit Althans sich sodann, indem er mit Worten wild um sich schlägt und die Besucher der Gedenkstätte heftig attackiert. Einen Höhepunkt dieses gezielt eingesetzten Zornesausbruchs bildet die Verfolgungsphantasie, der Amerikaner würde ihn am liebsten verbrennen. Diese szenische Konstellation offenbart, wie Althans sich der grauenvollen Vorstellung, dass in den Krematorien von Auschwitz eine Million Menschen ermordet wurden, erwehrt, indem er die wirklichen Verhältnisse auf den Kopf stellt. Wie er sich mit den unschuldigen Opfern der nationalsozialistischen Gräueltaten identifiziert, so erklärt er die Juden zu den Schuldigen, die als Agenten einer heimtückischen Verschwörung zur Verantwortung zu ziehen seien. [26]
Das Ergebnis ist, dass die Trauer um die Opfer durch ein melancholisch gefärbtes Selbstmitleid abgewehrt wird, dementsprechend Althans sich als ein Verfolgter so fühlen kann, wie er es zu Beginn der Auschwitzsequenz mit den Worten ausdrückt: "Wissen Sie, ich kenne das hier praktisch wie ein Häftling, ein ehemaliger" (ebd., S.27). Weil er sich in die Rolle des von seinen Feinden verfolgten Neonazis hineinsteigert, wird sein antisemitischer Auftritt im Krematorium – wo er sich darüber entrüstet, dass die Gedenkstätte nur eine Attrappe, der Holocaust nur eine Lüge und der Amerikaner ein potentieller Mörder sei – zur Vergeltungsmaßnahme dafür, was man ihm an Leid zugefügt hat. [27]
2.3 Der über alles Bescheid wissende Experte
Als sich die anderen Besucher des Krematoriums in das Wortgefecht mit dem Amerikaner einmischen, um Althans mit Ausrufen wie "Halt mal die Klappe!" zu stoppen (ebd., S.29), arrangiert dieser ein drittes Rollenspiel. "Wo geht der Rauch hin?" hält er seinen Kritikern wiederholt entgegen: "Wo geht der Rauch hin?" (ebd.) Damit suggeriert Althans, dass die Verbrennung der Juden in den Öfen technisch gar nicht möglich gewesen sei, weil eine entsprechende Vorrichtung für den Rauchabzug fehle. Auf die wütende Frage eines anderen Besuchers hin, ob Althans nichts gelernt habe, erwidert er: "Doch, ich habe gelernt. Ich habe gelernt. Warum hat die Gaskammer drei Türen?" (ebd.) Die zornige Entgegnung, dass das eine "Unverschämtheit" sei, wie er hier auftrete, quittiert Althans mit der Erwiderung: "Sie wissen nicht einmal, wie Zyklon-B funktioniert" (ebd.). Denn obwohl "Zyanidwasserstoff und Ziegelsteine [...] preußischblau" ergebe, würden die Wände der Gaskammer keine Spuren dieser Farbe aufweisen (ebd., S.30). [28]
Wie sehr sich die Besucher des Krematoriums auch über Althans aufregen, er erweist sich auch in dieser Situation als überlegen, weil er ihnen gegenüber den Experten herauskehrt, der über ein detailliertes technisches Wissen verfügt, mit dem er seine Kontrahenten ihrer Unwissenheit überführt. Indem Althans sich auf die unbestreitbare bauliche Anlage des Krematoriums und auf physikalische Gesetze bzw. chemische Formeln bezieht, setzt er auf architektonische Fakten und auf die Autorität naturwissenschaftlich fassbarer Tatsachen, die als unwiderlegbar gelten. Zudem hält er seinen Gegnern so entgegen, dass sie nur ihren "gesunden Menschenverstand" gebrauchen müssen, um diese Tatsachen zu verstehen. [29]
Der manifeste Sinn des auf technische Zusammenhänge und auf Sachverstand setzenden Rollenspiels besteht darin, dass Auschwitz durch eine technisch-instrumentelle Scheinargumentation destruiert wird. Die Frage, was an diesem auf "einfache Fakten" und auf "common sense" setzenden Rollenspiel so irritierend ist, wird fassbar, sobald man sich vergegenwärtigt, über welche Differenzen Althans sich mit dieser Inszenierung hinwegsetzt: Eben dort, wo die Besucher fassungslos reagieren, weil sie in der Gedenkstätte mit den Spuren des Ungeheuerlichen konfrontiert werden, das ihr Vorstellungsvermögen gänzlich übersteigt, spielt Althans den Fachmann, der das Unfassbare des Holocaust in einfache Fragen zerlegt, die so unkompliziert seien, dass man sie unter Zuhilfenahme des "gesunden Menschenverstandes" beantworten könne. Auf diese Weise vermag Althans das angesichts von Auschwitz aufkommende Gefühl des Grauens dadurch niederzuhalten, dass er das Monströse, das sich jedem Verstehen entzieht, auf die latente Bedeutungsebene seiner Inszenierung verbannt. Nur so ist es möglich, dass sich der manifeste Sinn dieses Rollenspiels in die Leichtigkeit auflöst, mit der Althans Auschwitz auf technische Fragen reduziert, die ein Experte ganz einfach lösen kann. [30]
Ein viertes Rollenspiel basiert darauf, dass Althans sich wie ein Jugendlicher aufführt. So signalisieren seine Worte, es sei "völlig irre", dass "ich solche Dinger mal gepflegt habe in Bergen-Belsen" (ebd., S.28), dass er sich auskennt und Lager wie Auschwitz als leicht handhabbare "Dinger" betrachtet, die ihm nur ein müdes Lächeln entlocken. Und wenn er Auschwitz als "ne völlige riesengroße Verarschung" bezeichnet (ebd.), dann redet er wie ein Jugendlicher, der sich davon, was die Erwachsenen ihm vorführen, nicht beeindrucken lässt. Das, was der älteren Generation heilig ist, entwertet Althans vielmehr dadurch, dass er es im Rückgriff auf die subkulturelle Sprache der Jugendlichen in Exkremente verwandelt, die verschwinden sollten. [31]
Als jugendlich imponiert auch die Heftigkeit, mit der er aus der Haut fährt, als ihn ein Besucher des Krematoriums dazu auffordert, doch bitte rauszugehen. "Wollen Sie frech werden?" erwidert Althans streitlustig und fügt provozierend hinzu: "Gehen Sie doch raus, wenn Sie Probleme haben!" (ebd., S.29) So setzt sich Althans als ein Jugendlicher in Szene, der gegen die älteren Leute rebelliert und es genießt, durch die Verletzung der von ihnen geteilten Moralvorstellungen zu provozieren. "Ich bin ein junger Mensch", betont er entschieden, "Ich lasse mich nicht weiter schuldig machen für Dinge, die ich nicht getan habe" (ebd.). [32]
Der manifeste Sinn dieses Rollenspiels besteht darin, dass Althans die im Krematorium entfachte Auseinandersetzung zu einem Generationskonflikt stilisiert. Da er in die Rolle eines Jugendlichen schlüpft, der sich über Auschwitz eine eigene Meinung gebildet hat, erscheinen die älteren Leute als die Ewig-Gestrigen, die man nicht mehr ernst nehmen kann, weil sie auch fünfzig Jahre nach Auschwitz noch über den Holocaust erschüttert sind. Wenn Althans auf die Argumente, die der Amerikaner ihm vorhält, erwidert, "Ich wart jetzt hier nicht mehr, ich will weg, mir wird sonst noch schlecht hier" (ebd., S.33), dann drückt er damit auch das Unbehagen jener jüngeren Generation aus, die es leid ist, immer wieder über nationalsozialistische Gräueltaten belehrt zu werden. [33]
Doch die Bemerkung von Althans, er wolle weg, weil ihm sonst noch übel werde, ist insofern irritierend, als sie seinem auf lässige Leichtigkeit setzenden Rollenspiel widerspricht und damit einen Zugang zum latenten Sinn dieser Szene erschließt. Seine Bemerkung, ihm könnte Auschwitz auf den Magen schlagen, verweist auf die Anstrengung, die es Althans kostet, alle dort aufkommenden Gefühle niederzuhalten. Somit ist Althans auf den Amerikaner und die Besucher des Krematoriums auch deshalb wütend, weil sie eine emotionale Betroffenheit zum Ausdruck bringen, die er sich aufgrund seiner Selbstinszenierung als ein kaltschnäuziger Jugendlicher, der lässig und emotionslos auftritt, nicht leisten kann. [34]
2.5 Zwischen Arroganz und Scham. Das Zerplatzen und die Wiederherstellung der Selbstinszenierung als Neonazi (II)
Der Unmut, den Althans zum Ausdruck bringt, ist darüber hinaus eine Reaktion auf das zweite Streitgespräch mit dem jungen Amerikaner. Denn dieser Amerikaner, den Althans im Krematorium so heftig angegriffen hat, stellt den Neonazi anschließend unter freiem Himmel zur Rede. Als Althans im Zuge dieses Wortgefechts erklärt, in Auschwitz seien keine Juden vernichtet worden, weil "sie [...] alle überlebt" hätten und "nun alle Geld aus Deutschland" bekämen, um "Propaganda gegen uns" zu machen, erwidert der Amerikaner bitter, es gehe wohl um "die große Verschwörung der Juden gegen den Rest der Welt" (ebd., S.31). Da Althans diese ironische Bemerkung ernsthaft bestätigt, fragt der Amerikaner ärgerlich, ob er wisse, was eine "Gehirnwäsche" sei. Althans bejaht und nennt als Beispiel dafür "das, was die Juden mit ihrem Medieneinfluss den Deutschen zugefügt haben" (ebd.). Als der Amerikaner unbeirrt kontert, er glaube eher, dass Althans unter einer Gehirnwäsche "leide", entgegnet dieser selbstbewusst: "Ich bin aus dem Land, wo der Humanismus geboren wurde!" (ebd.). Auf diese Weise bringt Althans offensiv zum Ausdruck, dass er angesichts der von den Nazis begangenen Gräueltaten und seiner Hetze gegen die Juden keine Schamgefühle empfindet, vielmehr ganz im Gegenteil auch in Auschwitz stolz darauf ist, ein Deutscher zu sein. [35]
Da er mit Argumenten nichts erreicht, fordert der Amerikaner den Neonazi verärgert dazu auf, die Sonnenbrille abzusetzen. Der Amerikaner appelliert so daran, dass der Deutsche ihm sein wahres Gesicht zeigen soll. Damit wirft er dem Neonazi implizit vor, er sei zu seiner antisemitischen Agitation nur deshalb fähig, weil er sich hinter der Fassade seines aufgeblasenen Auftretens verstecke. Althans entgegnet, er könne mit seinen Augen nicht so viel Arroganz vortäuschen wie der Amerikaner, der sich ja dem "auserwählten Volk" zugehörig fühle. Denn er wisse ja, so fügt Althans grinsend hinzu, dass sein Gesprächspartner ein Jude sei (vgl. ebd., S.32). Erneut stellt Althans die wirklichen Verhältnisse auf den Kopf: Die eigene Selbstverliebtheit und Arroganz, die in der Bemerkung anklingt, er sei auch in Auschwitz stolz darauf, aus dem sogenannten "Land der Dichter und Denker" zu kommen, verleugnet Althans, indem er sie dem Amerikaner unterstellt, der unter das antisemitische Vorurteil subsumiert wird, sich als Jude wohl als etwas Besseres vorzukommen. Wie zu Zeiten des Dritten Reiches soll der Amerikaner als Jude enttarnt und an den Pranger gestellt werden. [36]
Der manifeste Sinn dieser Filmsequenz besteht darin, dass die beiden Kontrahenten sich gegenseitig heftig angreifen. Da der Amerikaner das Selbstgefühl des Neonazis durch die Erwiderung verletzt, seine Auffassungen seien Ausdruck eines Verfolgungswahns und einer Gehirnwäsche, wehrt Althans sich, indem er seinen Nationalstolz anführt und durch judenfeindliche Ausbrüche erneut zum Angriff übergeht: Wenn sich überhaupt jemand zu schämen habe, dann könne es sich nur um den Amerikaner handeln, der ja ein Jude sei. [37]
Merkwürdig ist, welche Konsequenzen das Abnehmen der Sonnenbrille in der anschließenden Filmsequenz hat, in der der Amerikaner von der Bildfläche verschwunden ist: Weil Althans vor der Kamera beweisen will, dass er sich nicht zu verstecken braucht, nimmt er die Sonnenbrille mit einem triumphierenden Lächeln ab. Aber dann verdüstert sich sein Gesicht: Er zieht die Stirn kraus, seine Augen wandern unruhig hin und her und er kratzt sich verlegen am linken Ohr. Das Mienenspiel offenbart, dass Althans in dieser Situation die Fassung verliert: Einerseits wird Althans unsicher, weil er aufgrund des Fortgangs des Amerikaners nicht mehr den zornigen Neonazi spielen kann, der sich über seinen Widersacher aufregt. Andererseits gehört zu seiner modischen Fassade auch, dass er die Augen hinter einer Sonnenbrille versteckt. Zwar gelingt es ihm, nach dem Verschwinden des Amerikaners die Brille schmunzelnd abzunehmen, aber als die Kamera ihm dann lange in die Augen schaut, wird er von einem Gefühl der Scham eingeholt, das er in Auschwitz hinter seinem arroganten Auftreten zu verbergen versucht hat. Seine Selbstbeherrschung versucht er zurückzugewinnen, indem er vom Englischen ins Deutsche wechselt und ärgerlich erklärt: "Mir fliegen hier zu viele Tiere 'rum. Is ja eklich hier" (ebd.). Althans lässt also seinen Ärger darüber, nach dem Abnehmen der Sonnenbrille die Fassung verloren zu haben, an den umherschwirrenden Insekten aus. Wie wütend er auf den Amerikaner ist, verrät der Neonazi dadurch, dass er mit dem Blick in die Richtung, wo eben noch der Amerikaner gestanden hat, grinsend fortfährt: "Die ganzen Läuse müssen vergast werden" Und breit in die Kamera lachend, fügt Althans noch hinzu: "Flugläuse, müssen ausgerottet werden" (ebd.). [38]
Obwohl Althans im Krematorium moralisch entrüstet abgestritten hat, dass die Nazis die Juden in den Krematorien vergast haben, genießt er in dieser Szene die Vernichtungsphantasie, den Amerikaner wie Ungeziefer so auszurotten, wie es die Nazis im Umgang mit den Juden praktiziert haben. Wie sehr Althans auch zuvor den industriellen Massenmord dementiert hat, am Ende lässt er die Maske fallen und steht im Zuge eines antisemitischen Witzes grinsend dazu, an dem mit Insektenvertilgungsmitteln durchgeführten Völkermord Geschmack gefunden zu haben. Wie entsetzt das Filmpublikum auch reagieren mag, Althans gelingt es auf diese Weise, die Fassade des menschenverachtenden Herrenmenschen zu reparieren, die infolge des Absetzens der Brille zerplatzt ist. [39]
2.6 Zum Verhältnis des manifesten zum latenten Sinn der Selbstinszenierungen von Althans
Fassen wir zusammen, worauf die unterschiedlichen Selbstinszenierungen von Althans hinauslaufen: Manifest ist die Botschaft, dass Auschwitz für einen Neonazi ein ganz angenehmer Ausflugsort ist. Weil man sich dort als Tourist gut unterhalten, sich über Andersdenkende wie den amerikanischen Juden moralisch empören, dort antisemitisch agieren, direkt vor Ort über die Anlage dieses Krematoriums fachsimpeln, wie ein Jugendlicher die eigene Wut auf die ältere Generation ausdrücken, und im übrigen auch dort zum Besten geben kann, dass man stolz darauf ist, Deutscher zu sein, geht es auf der manifesten Bedeutungsebene darum, vorzuführen, wie man einen Schlussstrich unter die Vergangenheitsbewältigung ziehen und sich auch in Auschwitz wohl fühlen kann. Die Präsuppositionen, die den Witzen von Althans über Auschwitz zugrunde liegen, die Schuldgefühle, mit denen er auf den Besuch des Krematoriums reagiert und die er zu bestreiten versucht, seine Sorge, ihm könnte der Besuch der Gedenkstätte noch auf den Magen schlagen, und das Schamgefühl, von dem er eingeholt wird, als seine selbstbewusste Selbstinszenierung als die Juden hassender Neonazi zerplatzt, erschließen den latenten Sinn dieser Auftritte. Denn die Leichtigkeit, mit der Althans sich in Auschwitz amüsiert, und die Festigkeit, mit der er seine wahnhaften Anschuldigungen als moralisch empörter Neonazi vertritt, täuschen über den latenten Sinn hinweg, dass ihn die ungeheuerliche Verletzung der Sittlichkeit eine große Anstrengung kostet, im Zuge derer er den industriellen Massenmord dementiert und die Gefühle abwehrt, die die Konfrontation mit den von den Nazis begangenen Gräueltaten auslösen würde. [40]
3. Sozialisationstheoretisches Begreifen der szenischen Interpretation
Nach dem Abschluss der tiefenhermeneutischen Rekonstruktion stellt sich die Aufgabe, die Ergebnisse der szenischen Interpretation theoretisch zu begreifen. Im Zuge einer den Rahmen dieses Beitrags sprengenden Analyse der Persönlichkeitsstörung von Althans könnte man zu einer Einschätzung gelangen, die sich in aller Kürze folgendermaßen zusammenfassen ließe: Indem Althans Auschwitz in eine Hintergrundkulisse für seine Selbstinszenierungen als strahlender Tourist, als wütender Neonazi, als überlegener Fachmann und als trotziger Jugendlicher verwandelt, verleiht er einem Wunsch nach einzigartiger Größe und Macht Ausdruck. Dieses narzißtische Verlangen geht mit dem mörderischen Impuls einher, die Gedenkstätte zu liquidieren und sie mit schmutziger Materie ("eine riesengroße Verarschung") gleichzusetzen. Mit CHASSEGUET-SMIRGEL (1984) kann man davon sprechen, dass Althans die "Rolle des Schöpfers" übernimmt (S.14), der aus den Trümmern des derart vernichteten Mahnmals "eine schöne, neue Welt" errichtet, die auf einer perversen Umwertung aller Werte beruht. Denn auf dieser Bühne zählt allein Althans, der sich in Auschwitz gut unterhalten will, der gegen die als bösartig imaginierten Juden hetzt, der wissenschaftliche Beweise für die Unmöglichkeit des Holocaust vorlegt und gegen die ältere Generation rebelliert. Berücksichtigt man zudem, dass dieser Neonazi von einer Rolle zur nächsten nur deshalb so leicht wechseln kann, weil er sein Erleben in unterschiedliche emotionale Zustände spaltet, bezieht man mit ein, dass er die von Nazis begangenen Gräueltaten verleugnet und sie auf die Juden projiziert, die er auf wahnhafte Weise einer neuen Weltverschwörung verdächtigt, dann könnte man vermuten, dass es sich bei Althans um eine Persönlichkeitsstörung handelt, die sich mit KERNBERG (1975) als Ausdruck eines malignen Narzißmus auf Borderline-Niveau begreifen ließe.4) [41]
Wichtiger als das individualpsychologische Problem, wie wohl die Psychopathologie von Althans beschaffen ist, eine Frage, die sich aufgrund des verfügbaren Datenmaterials gar nicht befriedigend beantworten lässt, ist im Rahmen dieses Beitrags das sozialpsychologische Problem, wie es dazu kommt, dass Althans trotz der zu vermutenden Persönlichkeitsstörung so erfolgreich als Neonaziführer ist, dass viele Jugendliche von ihm beeindruckt sind, auch wenn sie seine Weltanschauung ablehnen. Eben diese Beobachtung hat RICHTER (1995) in Gesprächen mit GymnasiastInnen gemacht, ein Befund, der durch die Gruppendiskussionen mit Berufsschülern und GymnasiastInnen bestätigt worden ist, die StudentInnen im Rahmen eines von mir (vgl. König 1995/96) veranstalteten Projektes zur politischen Bildung durchgeführt haben. Die Tatsache, dass Althans als ein Schauspieler glänzt, der sich proteushaft von einem gut gelaunten Touristen in einen die Juden hassenden Neonazi, und von einem bestens informierten Fachmann in einen trotzigen Jugendlichen verwandelt, verrät, wie er seinen Besuch der Gedenkstätte dadurch meistert, dass er sich mit verschiedenen Rollen identifiziert. Nach Auffassung von PARIN (1977) stellt die "Identifikation mit der Rolle" einen "Anpassungsmechanismus" dar, der das Ich "von der ständigen Auseinandersetzung mit der Außenwelt" (S.485) durch eine "automatische und unbewußte" Anpassung entlastet, die "einen relativ konfliktfreien Umgang mit ganz bestimmten gesellschaftlichen Einrichtungen" erlaubt (ebd., S.488). Der Gefahr, dass angesichts des Besuchs der Gedenkstätte Regungen von Mitleid, von Scham oder Schuld aufkommen könnten, entgeht Althans also auch durch den Rückgriff auf "Rollenidentifikationen", die, wie es PARIN ausgeführt hat, "wie ein manischer Mechanismus" wirken, "mittels dessen sich das Ich sonst gültiger Überich-Forderungen entledigt" (S.506). [42]
Wenn man vor dem Hintergrund dieser unterschiedlichen Rollenidentifikationen danach fragt, was für einen Typ von Neonaziführer Althans verkörpert, dann muss man die gesellschaftliche Situation mitberücksichtigen, in der dieser Rechtsextremist auftritt. Ganz allgemein kann man in Anschluss an BECK (1986) davon sprechen, dass die Entzauberung traditioneller Glaubensgewissheiten und die Freisetzung aus den sozialmoralischen Milieus der Klasse und der Schicht eine Individualisierung von Lebenslagen und eine Pluralisierung von Lebensstilen zur Folge hat, aufgrund derer man nicht mehr wie noch FROMM von einem allen Gesellschaftsmitgliedern gemeinsamen "Sozialcharakter" sprechen kann.5) Vielmehr hat die Ausdifferenzierung der Gesellschaft in verschiedene Subsysteme eine Zunahme divergierender Rollenangebote zur Folge, die der Einzelne gleichzeitig übernimmt und durch die er auf unterschiedliche Weise sozialisiert wird. Während in der hierarchisch organisierten Arbeitswelt eingeübt wird, Konflikte autoritär durch die Unterwerfung unter Mächtigere und durch die Verschiebung der Aggression gegen Schwächere zu lösen, fördert die Medienwelt die Neigung, innere und äußere Konflikte durch theatralische Selbstdarstellungen vor einem Publikum so zu agieren, wie es in den Talkshows geschieht, in denen die Teilnehmer intimste Konfliktlagen vor der Öffentlichkeit ausbreiten. Und in der Konsumwelt wird die Bereitschaft einsozialisiert, subjektive und intersubjektive Konflikte durch einen passiv-rezeptiven Genuss der Waren- und Unterhaltungsangebote der Kulturindustrie zu beschwichtigen. [43]
Die Tatsache, dass Althans sich mit wechselnden Rollen identifiziert, zeigt, dass er die Modi sozialer Anpassung, die in unterschiedlichen Subsystemen der Gesellschaft einsozialisiert werden, perfekt beherrscht. Wie abschließend gezeigt werden soll, vermag Althans nicht nur Nazis, sondern auch Heranwachsende anzusprechen, die seiner Weltanschauung distanziert gegenüber stehen, weil er gleichzeitig drei Formen der Konfliktbewältigung anbietet, mit denen sich sowohl persönliche als auch soziale Konflikte auf eine automatisch-unbewusste Weise meistern lassen. [44]
3.1 Der autoritäre Sozialisationsmodus
Wenn Althans sich mit der Rolle eines wütenden Neonazis identifiziert, dann bedient er sich des Sozialisationsmodus einer autoritären Konfliktlösung, der vor allem Rechtsextremisten anspricht: Seine Worte, wenn sein Ziehvater Zündel "irgendwo von einer Brücke springen würde", dann "wäre das der, wo ich hinterherspringe" (AUST et al. 1995, S.12), sind ein Beispiel für seinen bedingungslosen Gehorsam einer idealisierten Autorität gegenüber. Hierzu ist auch seine blinde Ergebenheit Hitler gegenüber zu zählen, dessen Buch "Mein Kampf" Althans zu einem politischen Manifest stilisiert, von dessen uneingeschränkter Gültigkeit er als "orthodoxer Nationalsozialist" auch heute noch überzeugt ist. Die Begeisterung, mit der er seine Anhänger als eine "leicht knetbare Masse" schildert, die "alles, was man ihnen sagt", tun, gleichgültig, ob sie "stramm stehen", ihre "Anweisungen wiederholen" oder etwas anderes "machen" sollen (ebd., S.23), drückt darüber hinaus das autoritäre Verlangen nach Unterwerfung Anderer aus. Und der in der Verhöhnung der Opfer und Überlebenden des Holocaust sowie in der Hetze gegen die Juden zum Ausdruck kommende Antisemitismus dokumentiert die autoritätsgebundene Neigung, eigene Aggressionen gegen die Feinde der bewunderten Autorität zu verschieben. [45]
Wenn Althans vor den Verbrennungsöfen über die architektonische Anlage des Krematoriums und über physikalische Formeln fachsimpelt, dann interessieren ihn diese Fragen, weil er wie der von ADORNO (1950) so bezeichnete manipulative Typus "alles Technische, alle Dinge, die als 'Werkzeug' benutzt werden können", libidinös besetzt (ebd.). Die Neigung dieses narzißtisch gestörten Autoritären, "in einer Art zwanghaftem Überrealismus" seine Mitmenschen als Objekte zu betrachten, die "gehandhabt [und] manipuliert" werden müssen (ebd.), tritt am deutlichsten im Verhalten gegenüber dem Amerikaner zutage, den er aufgrund seiner Wut mit Flugläusen vergleicht, die vergast werden sollten. Denn der von ADORNO beschriebene manipulative Typus vergleicht seine "'Feinde' gern mit 'Ungeziefer'" (ebd., S.336), weil er wie die Organisatoren und Technologen des Dritten Reiches die Juden nicht persönlich hasst, sondern sie als störende Objekte betrachtet, die "strikt legal" durch die Konstruktion von Gaskammern "erledigt" werden sollten (ebd., S.335). [46]
3.2 Der konsumgesteuerte Sozialisationsmodus
Eines anderen Modus sozialer Anpassung bedient Althans sich dagegen, wenn er sich mit der Rolle eines sich gut unterhaltenden Touristen oder eines Jugendlichen identifiziert, der sich gern modisch kleidet. Wie THEWELEIT (1994) berichtet, handelt es sich nach Auffassung seiner Studenten bei Althans um einen "Typ", der "so oder ähnlich in jeder deutschen Disco ein paarmal" herumrenne und "an jeder zweiten Theke" stehe (ebd.). Eben das ist ein Grund dafür, weshalb Althans auch als "Yuppie-Typ" bezeichnet worden ist (SPIEGEL, 27.4.92, S.110; TAZ, 8.11.93). Dabei wirken nicht nur die lässige Kleidung, die Sonnenbrille, die modische Kurzhaarfrisur, sondern auch das lockere Auftreten von Althans, seine Gelassenheit und sein einnehmendes Lächeln als Ausdruck eines zeitgemäßen Lebensstils, der sich mit KÖNIG (1992, S.225ff.) als Ausdruck eines konsumgesteuerten Umgangs mit inneren und äußeren Konflikten begreifen lässt. [47]
Damit ist ein Sozialisationsmodus gemeint, der massenhaft erst mit den Angestellten aufgekommen ist, die, wie es zuerst KRACAUER (1929) analysiert hat, den Wert ihrer Arbeitskraft dadurch erhöhen, dass sie ein "angenehmes Aussehen" und "ein freundliches Gesicht" zur Schau tragen (S.24f.). Dafür, dass die Angestellten sich am Arbeitsplatz mit Haut und Haar einsetzen und ihre aggressiven Impulse hinter einem freundlichen Lächeln verbergen, werden sie in der Freizeit durch die Vielzahl der auf den Markt geworfenen Waren- und Unterhaltungsangebote entschädigt, die die Erfüllung der durch die Kulturindustrie geweckten Wünsche verheißen. Während der von ADORNO beschriebene autoritäre Typus im Alltag auftretende Konflikte dadurch löst, dass er sich dem Stärkeren unterwirft und seine Aggression gegen ihn auf Schwächere verschiebt, löst der konsumgesteuerte Typus seine Alltagsprobleme dadurch, dass er sie ganz im Sinne der von MARCUSE (1964) beschriebenen repressiven Entsublimierung durch Konsum beschwichtigt.6) Der konsumgesteuerte Sozialisationsmodus bedeutet daher, dass unter den Bedingungen einer liberalisierten Moral Sexualität so selbstverständlich ausgelebt wird, wie Aggressivität hinter der Fassade einer ständig zur Schau getragenen Freundlichkeit verborgen wird. [48]
So bannt Althans die Gefahr, in Auschwitz vom Grauen eingeholt zu werden, durch einen konsumgesteuerten Umgang mit dem Mahnmal des Holocaust: Indem er "die grinsende Glätte" eines lässig durch die Gedenkstätte schlurfenden "New Wave Twens" zur Schau stellt (THEWELEIT 1994, S.157), der sich gut gelaunt und schmunzelnd alles anschaut, signalisiert er gestisch und mimisch, dass er dazu entschlossen ist, Auschwitz als eine "sightseeing-tour" zu genießen. Dass er ein Buch nicht kauft, um sich zu informieren, sondern um sich damit zu amüsieren, offenbart ebenfalls einen konsumgesteuerten Umgang mit Auschwitz. Und auch der zynische Witz, die Juden hätten in dem Schwimmbad wohl kaum gegen Krokodile Wasserball gespielt, stellt eine konsumgesteuerte Konfliktlösung dar. Denn in diesem Fall werden die Freude an einem Schwimmbadbesuch, der Spaß an einem Ballspiel, der Abstecher in einen Zoo sowie die Lektüre von Comics zum Maßstab für die Einschätzung der Gedenkstätte. [49]
Auf eine konsumgesteuerte Weise löst Althans freilich nicht nur innere Konflikte, die durch den Besuch der Gedenkstätte aktualisiert werden, sondern auch die politische Frage, wie mit Auschwitz umzugehen sei. Indem Althans respektlos durch das Stammlager schlendert und sich über die von Scham und Schuld erfassten Besucher der Gedenkstätte aufregt, bietet er eine Alternative zu jenem anstrengenden Umgang mit Auschwitz an, der in der von MITSCHERLICH und MITSCHERLICH (1967) beschriebenen neurotischen Lösung der älteren Generation besteht, die Auseinandersetzung mit der durch Scham- und Schuldgefühle belasteten Vergangenheit zu vermeiden und sie der Verdrängung zu unterziehen. Lässt man sich nämlich mit Althans darauf ein, die unbewältigte Vergangenheit, die Auschwitz in Erinnerung ruft, auf der Grundlage einer perversen Umwertung aller Werte umzubauen, dann kann man mit der Gedenkstätte auf eine konsumgesteuerte Weise fertig werden. Während die Kriegsgeneration immer nur mit Zögern und Grauen von Auschwitz sprach, das für sie das Mahnmal des nationalsozialistischen Völkermordes war, fabriziert Althans daraus eine Bühne für eine grandiose Selbstdarstellung, mit der er über die Vergangenheit triumphiert, die viele seiner Landsleute immer nur belastet hat. Auf diese Weise erzählen die Bilder, auf denen Althans entspannt durch Auschwitz schlendert, von der Aufforderung, sich doch die schmerzliche und kränkende Auseinandersetzung mit dem Holocaust einfach zu ersparen und Auschwitz als eine Sache zu betrachten, die man auf die leichte Schulter nehmen und mit der man sich trotz allem gut unterhalten kann. [50]
3.3 Der mediengeleitete Sozialisationsmodus
Ein dritter Sozialisationsmodus manifestiert sich in der Art und Weise, wie Althans Konflikte durch seine medienwirksamen Auftritte in Auschwitz löst. Indem er sich mit der Rolle eines Touristen und eines Neonazis, mit der Rolle eines Experten und eines Jugendlichen identifiziert, führt er auf eine kinematographische Weise vor, wie man unter Zuhilfenahme einer ganzen Serie von Abwehrmechanismen (Spaltung, Verleugnung, Projektion, projektive Identifizierung) mit Auschwitz fertig werden kann. Wie es KLEINSPEHN (1995) ausgedrückt hat, können Neonazis wie Althans auf eine mediengeleitete Weise "ihr Innenleben, ihre Konflikte nach außen" tragen und "in der Szene – in unendlichen Wiederholungen –" ausagieren (S.40). [51]
Diese mediengeleitete Lösung intrastruktureller Konflikte gewährt eine umso größere narzißtische Befriedigung, als Althans mit Hilfe des Bonengel-Films einen politischen Skandal entfachen kann. Althans beeindruckt nämlich nicht nur die rechte Subkultur, sondern gewinnt auch die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Als wie notwendig es sich aus der Perspektive des Zentralrats der Juden in Deutschland auch erweist, auf die provozierenden Auftritte des Neonaziführers im Film mit gerichtlichen Schritten zu reagieren, Althans lässt die wegen der unwidersprochenen Verbreitung der Auschwitzlüge und der Verherrlichung des Nationalsozialismus gestellte Strafanzeige triumphieren. Denn auf diese Weise fühlt Althans sich in der Vorstellung bestätigt, dass er ein so gefährlicher Rechtsextremist ist, wie er es sein will. In einer Filmszene erklärt er ja lachend, dass das "seine Zukunft" sei, "Kameras vor meiner Nase und Juden im Nacken" (AUST et al. 1995, S.5). Was Althans aufgrund seiner Psychopathologie in der Interaktion mit Anderen nicht möglich ist, gelingt ihm daher ersatzweise im Zuge einer Medienkommunikation. Denn die medialen Inszenierungen gewähren ihm die narzißtische Befriedigung, mit vielen Menschen virtuell in Kontakt zu treten, ohne sich mit ihnen wirklich verständigen zu müssen. [52]
Über der Tatsache, dass Althans seine Größenphantasien, aggressiven und perversen Triebimpulse mit Hilfe der Medien agieren und durch seine schockierenden Auftritte in der Öffentlichkeit Beachtung finden kann, darf freilich nicht übersehen werden, dass er auch das politische Problem, wie Auschwitz zu verstehen sei, auf eine mediengeleitete Weise löst. Wenn nämlich Althans beim Besuch der Gedenkstätte Witze reißt und lässig durch das Stammlager schlendert, das aufgrund des lauen Sommerwetters sowie der saftig-grünen Bäume und Wiesen einladend wirkt, dann ist das Grauen nicht spürbar, das die Todeslager aufgrund der von den Nazis begangenen Gräueltaten beherrschte. Wie der autoritäre und der konsumgesteuerte Umgang mit Auschwitz trägt daher auch der mediengeleitete Umgang mit der Gedenkstätte, der von der Sightseeing-tour eines gutaussehenden Neonaziführers erzählt, zur Demontage des Mahnmals des Holocaust bei. [53]
4. Ein Tanz auf dem Vulkan. Die unter Bonengels Regie zustande kommenden Selbstinszenierungen von Althans im kulturellen Klima der Postmoderne
Offen geblieben ist die Frage, wie das Geschichtsbewusstsein einer politischen Kultur beschaffen ist, in der Althans einen öffentlichen Skandal auslösen konnte: Wenn Althans als ein "Yuppie-Nazi" fasziniert, dann geschieht das ohne Zweifel auch deshalb, weil seine Selbstdarstellung einem postmodernen Zeitgeist entspricht, der sich seit Anfang der achtziger Jahre unter dem Einfluss der "fortschreitende[n] 'Informatisierung und Telematisierung' der Lebenswelt durch elektronische Kommunikationsmedien und Datenverarbeitungsprozesse" entfaltet (KEMPER 1988, S.8). Dabei lässt sich mit LYOTARD (1979) das postmoderne Bewusstsein der Gegenwart als ein Reflex darauf begreifen, dass angesichts des ungebremsten technologisch-industriellen Fortschritts und der Hochrüstung der modernen Industrienationen, durch die die Gefahr einer globalen atomaren und ökologischen Katastrophe verewigt wird, die großen, sinnstiftenden Erzählungen der Moderne (die aufklärerische Erzählung von der Emanzipation der Menschheit oder die Erzählung des Historismus von einer Hermeneutik des Sinns) ihre Glaubwürdigkeit verloren haben. So versteht LYOTARD die Postmoderne als ein aufgeklärtes Bewusstsein über die Moderne, das dem Weltgeschehen keinen universellen Sinn mehr unterlegt, sondern sich von "der Einsicht in die Pluralität letztlich sinnloser Sprachspiele" leiten lässt, die durch das Erschließen einer Vielfalt neuer, noch unbekannter Lebensformen "Potentiale von 'Freiheit' und 'Gerechtigkeit'" eröffnen könnten (GEORG-LAUER 1988, S.198). Infolgedessen läuft das postmoderne Lebensgefühl darauf hinaus, dass "man nicht länger um Sinn- und Orientierungsverluste trauert, sondern vielmehr offensiv eine bunte Vielfalt von Erklärungen, Deutungsmustern, Methoden, Techniken, Theorien und Lebensformen propagiert" (KEMPER 1988, S.7f.). [54]
Wenn Bonengel es dem Neonazi ermöglicht, als ein "Yuppie-Nazi" aufzutreten, der Auschwitz zur Bühne für ein spielerisches Experimentieren mit unterschiedlichen Aufführungen stilisiert, dann schockiert er nicht nur eine breite Öffentlichkeit, sondern fasziniert sie zugleich. Denn der Film strahlt ein postmodernes Lebensgefühl durch die Destruktion "des Ganzen" aus, das in eine "Vielfalt begrenzter und heterogener Sprachspiele" aufgelöst wird, "die nicht mehr durch generalistische Einheitsstrategien vereinnehmbar" sind (WELSCH 1988, S.27). Die verschiedenen Inszenierungen, die Althans arrangiert, schillern wie vier Diskurse, die auf postmoderne Weise das Mahnmal des industriellen Massenmords dekonstruieren:
Weil Althans den Besuch von Auschwitz als einen touristischen Ausflug inszeniert, kann der Regisseur den Sinn der Gedenkstätte durch ein Sprachspiel unterlaufen, das auf eine gute Unterhaltung hinausläuft, die mit einem Kioskbesuch beginnt und mit einem Diaabend aufhört, auf dem der Neonazi seinen Anhängern die Schnappschüsse seiner Sightseeing-tour vorführt.
Weil Althans im Krematorium als Experte auftritt, der die technische Anlage sachlich untersucht, vermag Bonengel das Monströse des industriellen Völkermordes in das Sprachspiel einer emotionslosen Fachsimpelei aufzulösen, die das Unhinterfragbare respektlos in Frage stellt und sich kühl an ein Wissen über physikalische Gesetze und über gemauerte Räumlichkeiten hält.
Weil Althans den Jugendlichen spielt, der trotzig gegen die älteren Besucher der Gedenkstätte aufbegehrt, die ihn in die Schranken weisen wollen, kann Bonengel die Gedenkstätte in die Hintergrundkulisse für ein Sprachspiel verwandeln, in dem ein Generationskonflikt ausgetragen wird. So setzt sich dieser Neonazi als ein Vertreter der u. a. von LEGGEWIE (1995) so bezeichneten 89er Generation in Szene, der es nicht mehr um die "Bewältigung der Vergangenheit", sondern um eine Auseinandersetzung mit der von der älteren Generation geleisteten "Vergangenheitsbewältigung" geht (S.47). Althans wird als ein Angehöriger jener "younger generation" vorgeführt, die, wie es in der ZEIT hieß, "Null Bock auf 'Holocaust'" hat (19.8.94, S.30). Denn wie der Verband der Geschichtslehrer feststellte, schalten viele Schüler ab, sobald die Judenvernichtung im Dritten Reich auf dem Unterrichtsplan steht.
Unter diesen Umständen vermag Bonengel auch das Auftreten von Althans als Neonazi als ein neues Sprachspiel zu arrangieren. Wenn Althans nämlich zu Beginn der Auschwitzsequenz erklärt, es sei "völlig irre", dass er im Rahmen der Aktion Sühnezeichen Gräber in Bergen-Belsen gepflegt habe, dann signalisiert er, dass er früher wie die meisten Jugendlichen von heute glaubte, es sei sinnvoll, nach dem an den Juden verübten Völkermord ein Zeichen der Wiedergutmachung zu setzen. Auf diese Weise stellt Bonengel die politischen Überzeugungen von Althans als das Ergebnis eines Erwachsenwerdens dar, im Zuge dessen der Neonazi die kleinbürgerliche Enge seines moralinsauren Elternhauses hinter sich gelassen und den Anschluss an eine Gruppe von Neonazis gefunden hat, die ein weltweit operierendes mediales Netzwerk aufgebaut hat. Was sich als provinziell erweist, der antimoderne Rückgriff auf Nationalismus und Antisemitismus, wird auf die latente Bedeutungsebene einer manifesten Inszenierung verbannt, die von einem modernen Rechtsextremisten erzählt, der fließend Englisch spricht und seine politischen Aktionen auf internationaler Ebene plant. [55]
Wenn aber Bonengel mit Hilfe der Auftritte eines Neonazis inszeniert, wie sich der Sinn des Mahnmals in eine Reihe diverser Sprachspiele auflöst, die von einem touristischen Ausflug, einem nüchternen Taxieren einer technischen Anlage, einem Generationskonflikt und dem Auftreten eines Neonazis erzählen, dessen politische Aktionen Bestandteil einer international operierenden Neuen Rechten sind, dann ist zu fragen, ob der Regisseur nicht gemeinsam mit dem Neonazi den von ADORNO (1966) so bezeichneten "neuen kategorischen Imperativ" dekonstruiert, dass die Menschen "ihr Denken und Handeln so einrichten sollten, dass Auschwitz nicht sich wiederhole, nichts Ähnliches geschehe" (S.358). [56]
Gegen die Einschätzung, Bonengel lasse sich auf eine fatale Koalition mit Althans ein, ist eingewandt worden, der Regisseur dokumentiere nur die Selbstinszenierungen eines Neonazis, der Auschwitz zu demontieren versuche. Dieser Einwand wird jedoch durch die folgende Überlegungen entkräftet:
Zweifellos erfordert die Filmproduktion ein Arbeitsbündnis zwischen Bonengel und Althans. Gegen den Willen des Regisseurs schlägt dieses Arbeitsbündnis freilich in eine fatale Kumpanei mit dem Neonazi um: Da Bonengel sich von dem Rechtsextremisten Auschwitz zeigen lässt und sein Kameramann auch noch dessen Auftritte filmt, stellt er Althans das Mahnmal als Testgelände zur Verfügung, wo jener unter Beweis stellen kann, dass er wirklich ein skrupelloser Neonazi ist. Und wenn Althans das Krematorium zur Bühne für seine rechtsextremistische Agitation degradiert, dann sorgen Regisseur und Kameramann nicht nur für das diese Szenerie richtig ins Bild setzende Scheinwerferlicht, sondern durch die Filmproduktion auch noch dafür, dass dieser ungeheuerliche Auftritt in der Öffentlichkeit ein – von Althans provoziertes – Aufsehen erregen kann. Regisseur und Kameramann sind also nicht unbeteiligt, sondern nehmen billigend in Kauf, dass das aufklärerische Interesse, einen Film über die Neonaziszene zu drehen, dem partikularen Interesse zum Opfer fällt, einen Film zu produzieren, der durch das Entfachen eines politischen Skandals erfolgreich wird. [57]
Obgleich Regisseur und Kameramann über Neonazis aufklären wollen, sind sie auch dadurch an den schockierenden Auftritten von Althans beteiligt, dass sie ihn auf eine postmoderne Weise inszenieren. Das Problem liegt in der von Benjamin (1936) so bezeichneten "Ästhetisierung der Politik", die wiederum zwei Seiten aufweist:
Da der Film auf Kommentare verzichtet und es Althans erlaubt, in die Rolle eines Moderators zu schlüpfen, der seine politischen Aktionen selbst kommentiert, gewinnt er eine überlegene Position. Wie sehr die anderen Akteure in die unterlegene Rolle von Spielfiguren geraten, die Althans dem eigenem Willen entsprechend handhabt, illustriert seine Auseinandersetzung mit dem Amerikaner. Obgleich es dem Amerikaner gelingt, mit seinen Argumenten den Neonazi aus der Fassung zu bringen, stellt sich Althans am Ende doch als Sieger dar. Denn die Erwiderungen des Amerikaners verflüchtigen sich unter dem Eindruck der Tatsache, dass Althans auch dieses Mal das letzte Wort behält. Ob er das Flugzeug oder das Taxi benutzt, ob er sich in Kanada, Polen oder in den neuen Bundesländern aufhält, es entsteht das Bild eines politisch engagierten und tatkräftigen Rechtsintellektuellen, dessen Kommentare zu den eingeblendeten Filmsequenzen suggerieren, dass er seine politischen Aktionen reflektiert. Ob die Kamera festhält, wie er sich energiegeladen seinen Weg durch eine Menge von Passanten bahnt, die er um Haupteslänge überragt, ob die Kamera sich von seinem sympathischen Lächeln gefangen nehmen lässt, ob das Kameraauge aus nächster Nähe sein gut aussehendes Gesicht mit den blauen Augen und der blonden Kurzhaarfrisur abtastet oder zärtlich bei der Betrachtung seiner linken Ohrmuschel verweilt, immer wieder entstehen schöne Bilder von Althans. Diese sich auch in der Rede von "Yuppie-Nazi" spiegelnde Ästhetisierung des Neonazis ist deshalb problematisch, weil sie über seine Arroganz und seinen Egozentrismus, seinen Zynismus und die Bösartigkeit seiner Witze hinwegtäuscht, in denen sich der maligne Narzissmus und die Destruktivität einer in erheblichem Maße gestörten Persönlichkeit offenbaren.
Durch die Art und Weise, wie der Regisseur Auschwitz inszeniert, trägt er darüber hinaus zur Dekonstruktion des Mahnmals bei: Wo sich nämlich Touristen bei warmen Sommerwetter wohl fühlen und mit den Reiseleitern über die Wege des Stammlagers schlendern, wo das Grün der Bäume, Sträucher und Wiesen durch die Sonnenstrahlen lichtdurchflutet erscheint, da kann das Filmpublikum die düstere Hoffnungslosigkeit und mitleidlose Kälte nicht nachempfinden, unter denen die Häftlinge litten, die in Auschwitz auf unmenschliche Weise eingesperrt, gequält und umgebracht wurden. Und wo wie zu Beginn dieser Filmsequenz Kinder fröhlich Verstecken spielen, da ist nicht nacherlebbar, dass in Auschwitz alles Leben erstarb, Hunderttausende, ja eine Million unschuldiger Menschen in Gaskammern umgebracht wurden. [58]
Damit wird deutlich, wie das persönliche und politische Interesse von Althans, mit Hilfe medialer Inszenierungen den industriellen Massenmord an den Juden zu leugnen, mit dem postmodernen Interesse von Bonengel konvergiert, das Kinopublikum durch schockierende Bilder zu faszinieren. Denn indem Althans mit Auschwitz in einer Art "spielerischem Zynismus" fertig wird, gelingt ihm ganz im Sinne eines postmodernen Lebensgefühls "ein fröhlicher Tanz auf dem Vulkan" (KEMPER 1988, S.8). Bonengel arrangiert die Gedenkstätte ganz im Sinne von Althans als touristischen Ausflugsort, wo man sich am Kiosk Souvenirs kauft und auch in der Gaskammer arglos photographiert. Die filmische Inszenierung von Auschwitz läuft damit auf eine Ästhetisierung der Todeslager hinaus, mit der die Stätte des Grauens unterschlagen wird, wie sie etwa Alain RESNAIS in Nacht und Nebel dargestellt hat. [59]
Wie das Filmpublikum den "Yuppie-Neonazi" Althans erlebt, hängt dabei von der jeweiligen Adressatengruppe ab:
Wer wie die Akteure rechter Subkulturen für antisemitische Agitation empfänglich ist, deren Vorurteile werden bestätigt: Die barbarischen Auftritte, mit denen Althans Auschwitz entweiht und zu demontieren versucht, imponieren vor allem adoleszenten Rechtsextremisten und laden sie zu einer Identifizierung mit dem Neonaziführer ein, der sich ihnen durch sein jugendliches "out-fit" anpasst.
Wer antisemitische Einstellungen wie in der konservativen Nachkriegszeit tabuisiert und sie hinter einem "alles Jüdische überhöhenden" Philosemitismus verbirgt (STERN, 1992, S.181), ist ebenfalls anfällig für die Inszenierungen. Denn Althans geht es in Auschwitz ja gerade darum, mit Hilfe von Auschwitz, das zum Mahnmal der monströsen Ausschreitungen des modernen Antisemitismus geworden ist, einen neuen Antisemitismus zu wecken: Die Wut soll sich gegen die Juden wenden, die immer wieder an die Nazi-Verbrechen erinnern, obwohl viele Deutsche sie vergessen wollen.
Obwohl ein liberaleres Publikum dazu neigt, dem Bonengel-Film kritisch gegenübertreten, kann es doch von diesem "Yuppie-Typ" und seinen Inszenierungen fasziniert sein. Während es auf der manifesten Bedeutungsebene der Filmrezeption darum geht, sich über einen "Neonazi" zu informieren, der auf eine so schockierende Weise in Auschwitz provoziert, wird in diesem Fall auf der latenten Bedeutungsebene das sozial Anstößige vermutlich genossen und über eine probeweise Identifikation mit Althans auch vorübergehend ausgelebt. Denn wie Gruppendiskussionen mit StudentInnen über den Film gezeigt haben (vgl. KÖNIG 1995b), löst die Konfrontation mit dem Holocaust nicht nur Gefühle der Trauer und des Mitgefühls aus, sondern weckt auch Angst und Ohnmachtsgefühle, die häufig aggressiv abgewehrt werden.
Wer die Filmsequenz aus der Perspektive der Opfer und der Überlebenden des Holocaust betrachtet, ist hingegen empört und sieht sich den Film im allgemeinen aus ideologiekritischer Distanz an. Oder aber er lässt den Film im Dienste eines intuitiv praktizierten szenischen Verstehens auf das eigene Erleben wirken, um herauszufinden, wie dieser Neonaziführer agitiert und wie er sich der Emotionen seiner Zuhörer bedient. [60]
Allein die vierte Adressatengruppe ist gegen die Inszenierungen von Althans immun. Während die erste und zweite Adressatengruppe vor allem durch die antisemitischen Ausbrüche angesprochen werden, steht vor allem die dritte Gruppe in der Gefahr, dem mit den Auftritten von Althans verbundenen schönen Schein der Postmoderne zu erliegen, der sich unter Bonengels Regie entwickelt. Faszinieren kann diese liberalere Adressatengruppe die schockierende Tatsache, dass Auschwitz dekonstruiert wird. Auch wenn diese Filmzuschauer den Holocaust nicht bestreiten, so führt der Film doch eine verführerische Bilderwelt vor, die sich zwischen das Wissen über Auschwitz und die grauenvolle Realität von damals schieben kann: Der von Althans aufgeführte "Tanz auf dem Vulkan" wendet sich an die Sehnsucht derjenigen, die sich – wie die zweite und dritte Zuschauergruppe – wünschen, dass über den Holocaust das Gras so wachsen möge wie auf dem Gelände des Stammlagers, auf dem heutzutage Kindern wieder Verstecken spielen. Obwohl die Bilder und Szenen des Films eine Realität dokumentieren, sind sie aufgrund einer postmodernen Ästhetisierung des Politischen so trügerisch, dass sie darüber hinwegtäuschen, was Auschwitz eigentlich bedeutet. [61]
So drohen die postmodern glänzenden Bilder und Szenen des Bonengel-Films einer nach wie vor nicht bewältigten deutschen Vergangenheit zu entfremden. Der Film arbeitet damit auf der Wirkungsebene ästhetischer Inszenierungen denjenigen in die Hände, die wie der Christdemokrat DREGGER oder die Historiker HILLGRUBER und NOLTE den Holocaust zu relativieren versuchten (vgl. DINER 1987) und nach der deutschen Wiedervereinigung unter den von den Nazis an den europäischen Juden verübten Völkermord einen Schlussstrich so ziehen wollten, wie es Bundeskanzler KOHL Mitte der achtziger Jahre vor der Weltöffentlichkeit zelebrierte (vgl. HERZ 1996, S.102ff.). Denn wie er den Israelis schon 1984 durch das Wort von der "Gnade der späten Geburt" signalisierte, dass er sich als ein Angehöriger der jüngeren Generation versteht, der mit der NS-Vergangenheit nichts mehr zu tun hat, so inszenierte er 1985 auf dem Soldatenfriedhof in Bitburg mit Hilfe von Präsident REAGAN, dass mit der deutsch-amerikanischen Freundschaft auch über die Soldatengräber des zweiten Weltkrieges so viel Gras gewachsen sei, dass die SS-Männer, die unter HITLERs Befehl über die Nachbarländer herfielen und als Wachmannschaften die Juden ermordeten, eigentlich so Soldaten gewesen seien wie die amerikanischen GIs, die auf den europäischen Schlachtfeldern ihr Leben für die Verteidigung von Freiheit und Demokratie opferten. [62]
1) Bela Ewald Althans wurde am 29.8.95 vom Berliner Landgericht "wegen Volksverhetzung, sowie Verunglimpfung des Staates und des Andenkens Verstorbener zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt" (FAZ, 30.8.95, S.5). Das Gericht stützte sein Urteil auf Äußerungen des Angeklagten in dem Film "Beruf Neonazi" und bezog in die verhängte Freiheitsstrafe ein Urteil eines Münchener Landgerichts ein, "das Althans im Dezember 1994 wegen der Verbreitung von Videofilmen mit neonazistischem Inhalt Ende der achtziger Jahre zu einer Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren verurteilt hatte" (ebd.). <zurück>
2) Die Frage, auf welche Weise die Tiefenhermeneutik Ansprüche an eine Methodologie und Methode einlöst, wie sie ADORNO (1957, 1969a, 1969b) im Rahmen der kritischer Sozialforschung der Frankfurter Schule entwickelt hat, habe ich (vgl. KÖNIG 1996, 2000a) an anderer Stelle zu beantworten versucht. <zurück>
3) Zu dem Problem, wie sich die Methode der Tiefenhermeneutik bei der Interpretation von Texten und Filmen anwenden lässt und welche Regeln dabei einzuhalten sind, vergleiche KÖNIG 1997, 2000b, 2001. <zurück>
4) Auch wenn nur ein klinisches Interview darüber Aufschluss geben könnte, ob es sich bei Althans wirklich um einen solchen Grenzfall zwischen Neurose und Psychose handelt, so spricht das szenische Material doch dafür. Dass Althans sich sozial gut anzupassen vermag, lässt zudem vermuten, dass er die anzunehmende Borderline-Störung auf eine narzißtische Weise meistert. <zurück>
5) Zur Kritik dieses Konzeptes des autoritären Charakters vergleiche König 1992, S.239ff. <zurück>
6) Zu dem Problem, dass MARCUSE unter dem Namen der repressiven Entsublimierung der Sexualität eine neue Form der konsumgesteuerten Vergesellschaftung beschreibt, die er freilich als eine Neuauflage des autoritären Typus missversteht, vergleiche KÖNIG (1992). <zurück>
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Hans-Dieter KÖNIG, Prof. Dr. phil., lehrt Soziologie und Sozialpsychologie am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Johann Wolfgang Goethe-Universität am Main und praktiziert als niedergelassener Psychoanalytiker in Dortmund. Arbeitschwerpunkte: Psychoanalytische Sozial- und Kulturforschung, Biographieforschung, Sozialisationstheorie, Methoden qualitativer Forschung.
Kontakt:
Hans-Dieter König
Langendreerstraße 23a
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Fax: 0234-284936
E-Mail: h.d.koenig@web.de
König, Hans-Dieter (2001). Ein Neonazi in Auschwitz. Psychoanalytische Rekonstruktion exemplarischer Szenen aus einem Dokumentarfilm über Rechtsextremismus [62 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, Art. 10, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0103109.
Revised 3/2007