Volume 2, No. 2, Art. 36 – Mai 2001
Tagungsbericht:
Carlos Kölbl
Psychologie und Kultur – ein spannendes Verhältnis. Kulturwissenschaftliches Institut Essen, 17.-19. Mai 2001
Inhaltsverzeichnis
Vom 17. bis 19. Mai 2001 fand am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen unter Beteiligung der Gesellschaft für Kulturpsychologie (Salzburg/Erlangen) eine internationale Tagung zum Thema "Cultural and Cross-Cultural Psychology. Theoretical and Methodological Alternatives and Controversies" statt. Die Tagung wurde von Jürgen STRAUB unter Mitwirkung von Carlos KÖLBL, Barbara ZIELKE und Doris WEIDEMANN organisiert und durchgeführt. Sie hatte das Ziel, die in der einschlägigen Literatur und Forschungslandschaft vorgenommene theoretische und methodologisch-methodisch bedeutsame Differenz zwischen Kulturpsychologie und kulturvergleichender Psychologie näher zu konturieren und kritisch zu analysieren. Gemeinhin wird bekanntlich unter Kulturpsychologie ein durchaus heterogenes Bündel von Ansätzen bezeichnet, die die kulturelle Konstituiertheit psychischer Phänomene betonen und in ihren Forschungen interpretative Methoden einsetzen, wogegen unter kulturvergleichender Psychologie diejenigen Auffassungen versammelt werden, die Variationen des Psychischen in unterschiedlichen Kulturen in der Perspektive einer nomologischen Wissenschaft untersuchen. Dies ist freilich zunächst nur eine grobe Orientierung, die es weiter zu analysieren und nicht zuletzt im Hinblick auf die Gemeinsamkeiten, die sie verdeckt, zu untersuchen gilt. [1]
Einer solchen Aufgabe widmete sich Jürgen STRAUB (Essen) als erster. In seinem einleitenden Vortrag lieferte er eine Topographie des Problemfeldes. Dabei rief er gängige theoretische und methodologisch-methodische Unterscheidungen in Erinnerung (auch andere als die eben schon genannten), so etwa die von PIKE eingeführte, höchst einflussreiche Differenzierung zwischen einer "emic" und einer "etic perspective", Kulturpsychologie/kulturvergleichende Psychologie zu betreiben. STRAUBs Vortrag bildete gleichsam die Hintergrundfolie für die dann folgenden Vorträge. Gustav JAHODA (Glasgow), einer der "grand old men" der kulturvergleichenden Psychologie, skizzierte die Historie dieser Disziplin und stellte Überlegungen zu deren Zukunft an, insbesondere hinsichtlich der Einlösbarkeit eines ihrer Kernziele, nämlich der Herausstellung universeller Gesetzmäßigkeiten des Psychischen. Robert SERPELL (Baltimore) stellte theoretische Argumente zum Problem des kulturspezifischen Verständnisses menschlicher Entwicklungsprozesse und empirische Studien vor, die von ihm und seinen Mitarbeitern in Afrika und den USA zum Thema durchgeführt worden sind. Carl RATNER (Trinidad) widmete sich dagegen zu exemplarischen Zwecken empirischen Arbeiten – zumeist um Fehler an ihnen zu demonstrieren – und konzentrierte sich ansonsten auf konzeptuelle Grundlagen und methodologisch-methodische Prämissen der Kulturpsychologie. [2]
Margret KAISER EL-SAFTI (Köln) fokussierte einen zentralen Terminus jeglicher Kulturpsychologie und kulturvergleichenden Psychologie, nämlich den des Vergleichens, wobei sie insbesondere auf die Psychologie Carl STUMPFs rekurrierte, um zu zeigen, dass das Vergleichen kategorialen Status für die Psychologie überhaupt hat. Ulrike POPP-BAIER (Amsterdam) problematisierte unter Rückgriff u.a. auf Argumente aus der Kulturanthropologie jenes kulturanalytische Herangehen an empirische Phänomene, in dem diese umstandslos unter kulturelle Erklärungsschemata subsumiert werden ohne dass ebenso andere explanative Faktoren in Betracht gezogen würden, und umriss Möglichkeiten eines reflektierten Gebrauchs der Kategorie des Kulturellen. Christian ALLESCH (Salzburg) führte die Reihe theoretischer Erörterungen fort, wobei es ihm auf eine Diskussion von Anknüpfungsmöglichkeiten zwischen Kulturpsychologie/kulturvergleichender Psychologie und den rezenten interdisziplinären Entwicklungen in den Cultural Studies ankam. Alfred LANG (Bern) sprach über einige aus der Sicht seiner semiotischen Psychologie wesentliche Themen kulturpsychologischen Forschens und Denkens. [3]
Heidi FUNG (Cambridge, MA) stellte wieder den Bezug zur Empirie her, indem sie Interviews mit einer taiwanesischen Interviewpartnerin und deren Interpretation vorstellte und danach fragte, wie sich in ihnen Kultur manifestiere. Jacob A. VAN BELZEN (Amsterdam) wandte sich der kulturpsychologischen Historie zu und diskutierte KEMPEN und HERMANS' Ansatz des dialogischen Selbst in dessen Verankerung in der Tradition des Nijmegener Psychologischen Instituts. Colette SABATIER (Paris), wie SERPELL entwicklungspsychologisch interessiert, diskutierte eine Fülle kulturvergleichender bzw. internationaler empirischer Studien. Die genannte Differenz zwischen kulturvergleichend und international markierte sie als entscheidend und erörterte ihre Implikate. Hede HELFRICH (Hildesheim) analysierte grundlegende methodologisch-methodische Probleme und unterbreitete einen Vorschlag zur Auflösung der Spannung zwischen einem nomothetischen und einem idiographischen Zugang in kulturpsychologischen bzw. kulturvergleichend-psychologischen Unternehmen. [4]
Mark GALLIKER (Lausanne) setzte diesen Diskussionsstrang in gewisser Weise fort, indem er ein inhaltsanalytisches Verfahren zur empirischen Analyse kulturabhängig variierender medialer Darstellungen (v.a. Zeitungsberichte und Texte im Internet) erörterte und dabei Kombinationsmöglichkeiten zwischen qualitativen und quantitativen Analyseschritten hervorhob. Auch Patricia SIMON (Regensburg) stellte in ihrem Vortrag insbesondere methodologisch-methodische Reflexionen an. Dabei argumentierte sie für eine prinzipielle Übereinstimmung von kulturvergleichender und "Mainstream-Psychologie" und stellte zur Illustration ein psychometrisch begründetes Beobachtungsverfahren vor. Wolfgang WAGNER (Linz) erörterte unter Bezug auf international-vergleichende empirische Projekte einen Ansatz, den er Cultural Metrics nennt. Damit komplettierte er zudem gewissermaßen die voranstehenden vorwiegend methodologisch-methodisch ausgerichteten Beiträge. [5]
Hans-Dieter KÖNIG (Bochum) stellte dagegen die Möglichkeiten einer psychoanalytisch orientierten Kulturanalyse am Beispiel der tiefenhermeneutischen Interpretation dreier Filme ("Basic Instinct", "Trainspotting" und "Beruf Neonazi") zur Diskussion, in denen Männlichkeit in je spezifischer Weise repräsentiert wird. Wilhelm SALBER (Köln) umriss Grundzüge seiner morphologischen Psychologie und Herbert FITZEK (Köln) setzte sich schließlich mit dem ELIASschen Konzept der Figuration und möglichen Verbindungen zu einer morphologischen Psychologie auseinander. [6]
Außer den genannten waren noch Vorträge vorgesehen von Jürg WASSMANN (Heidelberg) über anthropologische und psychologische Feldforschungszugänge in Bali und von Lutz ECKENSBERGER (Frankfurt/M.) über die methodologischen Konsequenzen für Kulturpsychologie/kulturvergleichende Psychologie, die aus der Intentionalität und Reflexivität der Forschungspartner resultieren. Leider waren beide Wissenschaftler kurzfristig verhindert. [7]
Die Ergebnisse der Tagung sollen in einer englischsprachigen Publikation erscheinen. Neben ausgewählten Tagungsbeiträgen werden zusätzlich eingeworbene Aufsätze von renommierten Autorinnen und Autoren versammelt sein. [8]
Kontakt:
Carlos Kölbl
E-Mail: carlos.koelbl@kwi-nrw.de
Kölbl, Carlos (2001). Psychologie und Kultur – ein spannendes Verhältnis Tagungsbericht zu: "Cultural and Cross-Cultural Psychology. Theoretical and Methodological Alternatives and Controversies" [8 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 2(2), Art. 36, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0102361.