Review Essay: Auf dem steinigen Weg zur Einlösung eines literaturwissenschaftlichen Desiderats: Empirisch-klinisch gestützte Forschung über Literatur und Psychotrauma
DOI:
https://doi.org/10.17169/fqs-7.2.119Schlagworte:
Psychotraumatologie, tiefenpsychologische Literaturuntersuchung, interdisziplinäre / qualitative Kulturforschung, Narratologie, narrative turn, geisteswissenschaftliche RephilologisierungAbstract
Der Autor nimmt FRICKEs Buch über Zusammenhänge von Literatur, Film und Psychotrauma zunächst zum Anlass, mittels allgemeiner Beobachtungen zur nach wie vor prekären Lage der interdisziplinären Literatur- und Kulturforschung an die Absurditäten der postmodern inspirierten Trauma-Philosophie zu erinnern. Er unterstreicht, wie sehr diese Minderheitenposition insgeheim in den Interpretationsgewohnheiten der angestammten Geisteswissenschaften verankert ist. Diese scheinen sich im Moment in einer epistemologisch nach rückwärts gewandten Phase der Rephilologisierung zu befinden, die dem narrative turn – jener Entwicklung eines fächerübergreifenden Interesses am Erzählen als Basisprozess der menschlichen Psyche und Interaktion – nicht mit der gebotenen methodologischen Konsequenz folgen mag. Vielmehr sind institutionsdynamische Impulse der Abwehr handlungswissenschaftlicher Zugänge und der Entempirisierung und Ontologisierung von psychosozialen Sachverhalten wirksam, die sich neuerdings sogar bei sozialwissenschaftlichen und psychoanalytischen Autor/innen finden. Die psychologisch orientierte Literaturforschung scheint dagegen in ein inneres Exil gedrängt. So legt der nicht germanistisch institutionalisierte FRICKE eine beeindruckende Sammlung von theoretisch und klinisch gut fundierten psychotraumatologischen Literaturkommentaren zu Texten und Filmen der internationalen (Off-) Kanon-Kultur vor. Der Band ist kasuistisch gegliedert und folgt den Rubriken der speziellen Psychotraumatologie. Dass die Interpretation nicht in jedem Fall maximal textnah verfährt, kann bei 23 Titeln nicht ausbleiben; und dass FRICKE entgegen seinem Vorsatz, die "Bewältigungsmöglichkeiten" für traumatische Erfahrungen "in der und durch die Literatur" zu erforschen, kaum rezeptionsästhetische und interaktionsanalytische Überlegungen zur Autor-Text-Leser-Interaktion anstellt, ist verständlich, wenn man den Aufwand einer qualitativ-empirischen, rekonstruktiven Literaturforschung bedenkt. In jedem Fall stellt FRICKE vortrefflich die Relevanz psychotraumatologischer Fragestellungen für das Verständnis von Literatur und Film unter Beweis. URN: urn:nbn:de:0114-fqs0602256Downloads
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Veröffentlicht
2006-03-31
Zitationsvorschlag
Weilnböck, H. (2006). Review Essay: Auf dem steinigen Weg zur Einlösung eines literaturwissenschaftlichen Desiderats: Empirisch-klinisch gestützte Forschung über Literatur und Psychotrauma. Forum Qualitative Sozialforschung Forum: Qualitative Social Research, 7(2). https://doi.org/10.17169/fqs-7.2.119
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