Gelingende und misslingende Beziehungsaufnahmen mit Patientinnen nach Suizidversuch
DOI:
https://doi.org/10.17169/fqs-13.1.1404Schlagworte:
Konversationsanalyse, Interaktionsanalyse, Erstgespräch nach Suizidversuch, KreditierungAbstract
Suizidversuch ist der wichtigste Risikofaktor für anschließenden Suizid oder weitere Suizidversuche. Es ist von großer klinischer Bedeutung, Patient/innen nach Suizidversuch die Möglichkeit zu guten Gesprächen und einer guten Beziehung bieten zu können, denn die Zufriedenheit der Patient/innen nach dem Initialkontakt spielt eine entscheidende Rolle in der Bereitschaft zu weiteren therapeutischen Kontakten und daher auch für die Suizidprophylaxe. Was sind gute Gespräche mit Patient/innen nach Suizidversuch? Wodurch zeichnen sich von den Patient/innen positiv erlebte Gespräche aus, und wie lässt sich dies auf der Basis empirischen Materials explorieren? Das Ziel der hier vorgestellten Untersuchung von vier Einzelfällen ist die Eruierung von interviewer/innenspezifischen Interaktionscharakteristiken, die mit einer besonders guten oder einer auffällig schlechten Beurteilung des Gesprächs durch die Patient/innen einhergehen. Konversations- und interaktionsanalytische Methoden bieten einen besonders wertvoller Zugang, weil sie es ermöglichen zu verfolgen, wie die Gesprächspartner/innen die Interaktion Zug um Zug entwickeln, wie sie einander ihre Relevanzen verdeutlichen und zur Darstellung bringen und wie kommunikative Züge fruchtbar gemacht oder liegen gelassen werden. Im vorliegenden Artikel werden die Ergebnisse einer solchen Untersuchung von vier Erstgesprächen mit Patientinnen nach Suizidversuch vorgestellt. Aus einem Gesamtbestand von 40 videografierten Erstgesprächen, die am Inselspital Bern aufgenommen wurden, wurden zwei der von den Patient/innen am besten und zwei der am schlechtesten bewerteten Gespräche ausgewählt, transkribiert und untersucht. Dabei wurde gefunden, dass die Interviewer/innen der beiden besonders gut bewerteten Begegnungen durchgehend aufmerksam-empathisch und das Gespräch strukturierend präsent waren. Sie gewährten ihrem Gegenüber genügend Raum zur eigenständigen Entfaltung und Entwicklung der Geschichte ihres Suizidversuchs, deren Produktion sie strukturierend und klärend unterstützten. In den beiden auffällig schlecht bewerteten Begegnungen dagegen wurde die Interaktion einseitig von einer der beiden Gesprächsparteien dominiert. Es entfaltete sich ein Interaktionsmuster, in welchem dem Gegenüber die eigene Relevanzsetzung aufgedrängt wurde.
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Copyright (c) 2012 Michael Frei, Bernhard Grimmer, Konrad Michel, Ladislav Valach, Brigitte Boothe
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