Gelingende und misslingende Beziehungsaufnahmen mit Patientinnen nach Suizidversuch

Autor/innen

  • Michael Frei Universität Zürich
  • Bernhard Grimmer Psychiatrische Klinik Münsterlingen
  • Konrad Michel Psychiatrische Poliklinik Bern
  • Ladislav Valach
  • Brigitte Boothe Universität Zürich

DOI:

https://doi.org/10.17169/fqs-13.1.1404

Schlagworte:

Konversations­analyse, Inter­aktionsanalyse, Erstgespräch nach Suizidversuch, Kreditierung

Abstract

Suizidversuch ist der wichtigste Risikofaktor für anschließenden Suizid oder weitere Suizidversuche. Es ist von großer klinischer Bedeutung, Patient/innen nach Suizidversuch die Möglichkeit zu guten Gesprächen und einer guten Beziehung bieten zu können, denn die Zufriedenheit der Patient/innen nach dem Initialkontakt spielt eine entscheidende Rolle in der Bereitschaft zu weiteren therapeutischen Kontakten und daher auch für die Suizidprophylaxe. Was sind gute Gespräche mit Patient/innen nach Suizidversuch? Wodurch zeichnen sich von den Patient/innen positiv erlebte Gespräche aus, und wie lässt sich dies auf der Basis empirischen Materials explorieren? Das Ziel der hier vorgestellten Untersuchung von vier Einzelfällen ist die Eruierung von interviewer/innenspezifischen Interaktionscharakteristiken, die mit einer besonders guten oder einer auffällig schlechten Beurteilung des Gesprächs durch die Patient/innen einhergehen. Konversations- und interaktionsanalytische Methoden bieten einen besonders wertvoller Zugang, weil sie es ermöglichen zu verfolgen, wie die Gesprächspartner/innen die Interaktion Zug um Zug entwickeln, wie sie einander ihre Relevanzen verdeutlichen und zur Darstellung bringen und wie kommunikative Züge fruchtbar gemacht oder liegen gelassen werden. Im vorliegenden Artikel werden die Ergebnisse einer solchen Untersuchung von vier Erstgesprächen mit Patientinnen nach Suizidversuch vorgestellt. Aus einem Gesamtbestand von 40 videografierten Erstgesprächen, die am Inselspital Bern aufgenommen wurden, wurden zwei der von den Patient/innen am besten und zwei der am schlechtesten bewerteten Gespräche ausgewählt, transkribiert und untersucht. Dabei wurde gefunden, dass die Interviewer/innen der beiden besonders gut bewerteten Begegnungen durchgehend aufmerksam-empathisch und das Gespräch strukturierend präsent waren. Sie gewährten ihrem Gegenüber genügend Raum zur eigenständigen Entfaltung und Entwicklung der Geschichte ihres Suizidversuchs, deren Produktion sie strukturierend und klärend unterstützten. In den beiden auffällig schlecht bewerteten Begegnungen dagegen wurde die Interaktion einseitig von einer der beiden Gesprächsparteien dominiert. Es entfaltete sich ein Interaktionsmuster, in welchem dem Gegenüber die eigene Relevanzsetzung aufgedrängt wurde.

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs120151

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Autor/innen-Biografien

Michael Frei, Universität Zürich

Michael FREI hat an der Universität Zürich klinische Psychologie studiert und arbeitet seit September 2009 als Assistent am Institut für Klinische Psychologie, Psychotherapie und Psychoanalyse der Universität Zürich. Er doktoriert am Lehrstuhl von Frau Prof. BOOTHE mit klinischem Material von Herrn Prof. MICHEL zum Thema und ist seit Herbst 2008 in postgradualer Ausbildung zum psychoanalytischen Psychotherapeuten (Master of Advanced Studies in Psychoanalytic Psychotherapy [MASP]).

Bernhard Grimmer, Psychiatrische Klinik Münsterlingen

Dr. phil. Bernhad GRIMMER, MASP; Fachpsychologe für Psychotherapie (FSP); abgeschlossene Weiterbildung für psychodynamisch-systemisches Coaching und für Organisationsentwicklung. Therapeutischer Leiter einer Psychotherapiestation für Adoleszente in der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen. Zurzeit Forschungsprojekte zum Verhältnis von Psychotherapie und Coaching und zu Beziehungsprozessen in Beratungsgesprächen.

Konrad Michel, Psychiatrische Poliklinik Bern

Konrad MICHEL hat Arbeiten über ärztliche Suizidprävention, die therapeutische Beziehung zum suizidalen Patient/innen sowie die Bedeutung der Neurobiologie für die psychiatrische Praxis veröffentlicht. Er ist Initiant und Organisator der internationalen Aeschi-Conferences und der Berner Jahressymposien "Psyche und Gehirn". In der klinischen Tätigkeit ist ihm die Integration von Psychotherapie und Pharmakotherapie ein Anliegen.

Ladislav Valach

Dr. phil. Ladislav VALACH, Fachpsychologe für Psychotherapie (FSP), Psychotherapeut in eigener Privatpraxis, externer Dozent am der Berner Fachhochschule, soziale Arbeit, Kompetenzzentrum Gerontologie. Er publizierte als Autor und Ko-Autor über 150 Artikel und Buchkapitel aus dem Bereich Suizid, Gesundheitspsychologie, Beratung und Rehabilitation.

Brigitte Boothe, Universität Zürich

Prof. Dr.phil. Brigitte BOOTHE, Dipl.-Psychologin, Psychoanalytikerin (DPG, DGPT, FSP), Lehrstuhl für Klinische Psychologie, Psychotherapie und Psychoanalyse an der Universität Zürich; Leiterin der universitären Weiterbildung in psychoanalytischer Psychotherapie (Master of Advanced Studies) und in psychologischer Gesprächsführung und Beratung. Leiterin des Interdisziplinären Forums für Psychoanalyse an der Universität und der ETH Zürich (IPF). Publikationen zu den Themen klinische Erzähl- und Traumanalyse.

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Veröffentlicht

2012-01-27

Zitationsvorschlag

Frei, M., Grimmer, B., Michel, K., Valach, L., & Boothe, B. (2012). Gelingende und misslingende Beziehungsaufnahmen mit Patientinnen nach Suizidversuch. Forum Qualitative Sozialforschung Forum: Qualitative Social Research, 13(1). https://doi.org/10.17169/fqs-13.1.1404