Review Essay: Erzähltheorie als Möglichkeit eines gemeinsamen Nenners von Humanwissenschaften

Autor/innen

  • Harald Weilnböck Universität Zürich

DOI:

https://doi.org/10.17169/fqs-7.3.156

Schlagworte:

Narratologie, Psychotherapie-, Beratungs- und Sozialforschung, klinische Psychoanalyse, Schizophrenie, Literaturwissenschaft, Gesprächslinguistik, Familienforschung, interkulturelle Kommunikation, Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik

Abstract

Es liegt ein Konferenzband vor, der verschiedene Arbeitsfelder der Psychotherapie-, Beratungs- und Sozialforschung in einen narratologischen Rahmen stellt. Dabei nehmen die Autor/inn/en in interdisziplinärer Weise nicht nur auf qualitativ-soziologische und tiefenpsychologische, sondern mitunter auch auf literaturwissenschaftliche sowie gesprächslinguistische Ressourcen Bezug. Die Bandbreite der Einzelprojekte ist groß; sie reicht von der narratologischen Analyse von Psychotherapiesitzungen, von Interviews mit Nachkommen von an Psychosen erkrankten Eltern oder von Tagebuchaufzeichnungen einer unter Schizophrenie leidenden Person bis hin zu einer biografiewissenschaftlichen Untersuchung der lebensgeschichtlichen Verlaufskurve von spezifischen psychopathologischen Symptomen, zu einer genographischen Mehrebenenanalyse der qualitativen Familienforschung. Ferner wird eine tiefenhermeneutische Erzählanalyse von mehrgenerationalen Gesprächskreisen von ehemaligen Anhängern des Nationalsozialismus vorgestellt, die allerdings einer größeren methodischen Transparenz bedürfte; auch erfolgt die Erörterung von interkultureller Kommunikation unter dem psychoanalytischen Aspekt des kulturspezifischen Gegenübertragungswissens. Aus dem organisationspsychologischen Bereich wird über die Entwicklung von Methoden des Erzählens berichtet, die die Weitergabe der für Wirtschaftsbetriebe wichtigen informellen persönlichen Praxiserfahrung fördern. Der Band von LUIF, THOMA und BOOTHE macht das große wissenschaftliche Entwicklungs- und Anwendungspotenzial einer bereichsübergreifenden handlungswissenschaftlichen Narratologie erkennbar, die sich sicherlich zukünftig noch weiterhin theoretisch konsolidieren wird. Ein interdisziplinäres Highlight stellt die Arbeit zweier Literaturwissenschaftler/innen dar, die mit einem gesprächslinguistischen und tiefenpsychologischen Ansatz anhand von Psychotherapie-Transkripten einen überzeugenden Lösungsvorschlag für das Problem des Nachweises von narrativer (In-) Kohärenz vorlegen. Umso mehr erscheint wünschenswert, dass die hier nur indirekt beteiligten Geisteswissenschaften ihren immensen interdisziplinären Nachholbedarf einlösen, zumal ein von Medizinern vorgelegter Beitrag erkennen lässt, wie problematisch die sog. "dekonstruktiven" Ansätze sind. URN: urn:nbn:de:0114-fqs0603226

Downloads

Keine Nutzungsdaten vorhanden.

Autor/innen-Biografie

Harald Weilnböck, Universität Zürich

Harald WEILNBÖCK ist Germanist, Literatur- und Filmwissenschaftler sowie Gruppenanalytiker in freier Praxis; er hat am German Studies Department der University of California in Los Angeles mit einer literaturpsychologischen Arbeit über Friedrich HÖLDERLIN promoviert, habilitiert derzeit zum Thema "Borderline, literarische Interaktion in frühen Kriegsschriften Ernst Jüngers" an der philosophischen Fakultät der Universität Leipzig und führt in der Abteilung der klinischen Psychologie und Narratologie der Universität Zürich ein qualitativ-empirisches Forschungsprojekt der Europäischen Union (sechstes Rahmenprogramm, Marie-Curie) im Bereich der Literatur- und Medienforschung durch: "Narrative media interaction and psycho-trauma therapy". Hierbei werden Methoden und Ansätze der qualitativen Sozialwissenschaft, Tiefenpsychologie und Psychotraumatologie für Fragen der qualitativ-empirischen Literaturforschung in den Sektoren der Rezeptions- und Textanalyse furchtbar gemacht. In der vorangegangenen Ausgabe von FQS findet sich von Harald WEILNBÖCK der Rezensionsaufsatz "Auf dem steinigen Weg zur Einlösung eines lange währenden literaturwissenschaftlichen Desiderats" (http://www.qualitative-research.net/fqs-texte/2-06/06-2-25-d.htm).

Downloads

Veröffentlicht

2006-05-31

Zitationsvorschlag

Weilnböck, H. (2006). Review Essay: Erzähltheorie als Möglichkeit eines gemeinsamen Nenners von Humanwissenschaften. Forum Qualitative Sozialforschung Forum: Qualitative Social Research, 7(3). https://doi.org/10.17169/fqs-7.3.156