Gewaltdynamiken im Spiegel von Kriegsbriefen. Eine Analyse von Briefen Mike Ransoms und anderer US-amerikanischer Soldaten aus dem Vietnamkrieg
DOI:
https://doi.org/10.17169/fqs-13.1.1640Schlagworte:
Krieg, Gewalt, Soldaten, Militär, Referenzrahmen, Rache, Kriegsbriefe, Feldpost, Vietnamkrieg, Grounded-Theory-MethodologieAbstract
Wahrnehmungen und Deutungen von an Kampfeinsätzen beteiligten Soldaten werden nicht nur biografisch, also für deren subjektiven Umgang mit kriegerischer Gewalt, bedeutsam. Indem sie beispielsweise zu sinkender oder steigender Kampfbereitschaft führen, wirken sie auch auf die kollektive Gewaltausübung im Krieg selbst zurück. Sie stellen daher Faktoren dar, die ein wissenschaftliches Verstehen von Gewaltdynamiken in Kriegen berücksichtigen muss. In methodischer Hinsicht bieten sich Kriegsbriefe als zeitnah verfasste persönliche Dokumente für eine interpretative Rekonstruktion solcher subjektiven Erfahrungen und Deutungen an. Da allerdings insbesondere von Paul FUSSELL (1975, 1989) plausible Argumente gegen eine solche Verwendungsmöglichkeit von Kriegsbriefen vorgebracht wurden, erörtert dieser Aufsatz zunächst die mögliche Aussagekraft solcher Briefe. Nach der anschließenden Vergegenwärtigung des Stellenwerts von subjektiven Wahrnehmungen und Deutungen für Kriegsgeschehen analysiert der Aufsatz Briefe US-amerikanischer Soldaten aus dem Vietnamkrieg. Schwerpunktmäßig erfolgt dies anhand einer Fallanalyse von Briefen eines dem Krieg gegenüber kritisch eingestellten Offiziers. Auf diesem Wege ergeben sich datenbasierte Beiträge zur weiteren Entwicklung von Theorieansätzen im Bereich der subjektiven Deutung von Kriegssituationen sowie der Handlungsdynamiken in kriegerischen Konflikten. Zugleich zeigt sich, dass die Analyse von Kriegsbriefen durchaus zu einem tieferen Verständnis von Kriegsdeutungen und situativen Verschiebungen von Rahmen solcher Deutungen beitragen kann. Verengungen von Horizonten und Rahmungen, wie zum Beispiel beim Hervortreten von Rachevorstellungen und entsprechenden Tötungswünschen, spielen dabei eine wichtige Rolle. Der Blick auf solche Dynamiken führt die Betrachtung abschließend zur Erörterung von Funktionen der Briefkommunikation für die Rahmung von Kriegssituationen.
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