Die rituelle Konstruktion der Person. Aspekte des Erlebens eines Menschen im sogenannten Wachkoma
DOI:
https://doi.org/10.17169/fqs-13.3.1878Schlagworte:
Ethnografie, Phänomenologie, Konstitution und Konstruktion, Ritualforschung, WachkomaforschungAbstract
Schwere Krankheiten ebenso wie Sterben und Tod sind Katastrophen im menschlichen Leben und Zusammenleben, die den Gang der Dinge im Sinne eines stetigen "immer so weiter" radikal infrage stellen. Aber so entsetzlich sie nicht nur für die davon direkt, sondern auch für die davon indirekt Betroffenen sind, so wenig irritieren sie die Gewissheit, dass es dabei um mitmenschlicheKatastrophen geht. Das sogenannte Wachkoma, insbesondere als verstetigter bzw. chronifizierter Zustand, hingegen konfundiert und destruiert sowohl die bisherige Existenz des oder der primär Betroffenen als auch die Lebensgewohnheiten, Gegenwartsinteressen und Zukunftserwartungen von wie auch immer persönlich mit ihm bzw. ihr verbundenen und infolgedessen mehr oder weniger nachdrücklich und nachhaltig mitbetroffenen Personen. Kurz: Ein Mensch im sogenannten Wachkoma stürzt Menschen, die ihm zugewandt sind, in Krisen der Mitmenschlichkeit, denn es ist ausgesprochen ungewiss, ob das, womit man da umgeht, (noch) ein Anderer "wie ich" ist. Wer andauernd mit Menschen im sogenannten Wachkoma zu tun hat – sei es aufgrund persönlicher Beziehungen, sei es in ehrenamtlichen Funktionen oder sei es in medizinisch-therapeutisch-pflegerischen Berufsrollen –,muss die durch die notorische Ungewissheit des oder der Anderen evozierten Zweifel und die durch diese Zweifel ausgelösten Krisen der Mitmenschlichkeit in "lebbare" Deutungszusammenhänge und in gegenüber Alltagswahrnehmungen (im Zweifelsfall) resistente symbolische Sinnsysteme und rituelle Handlungsweisen transformieren. – Vor dem Hintergrund einiger mit einem (laufenden) Projekt zum "Deutungsmuster Wachkoma" einhergehender methodologischer und methodischer Probleme werden in diesem Beitrag Aspekte des Miterlebens eines Menschen mit schwersten Gehirnschädigungen, der Konstitution eines als solchem zweifelhaften Anderen und der rituellen Konstruktion einer die alltäglichen Interaktions- und Kommunikationserwartungen "unterlaufenden" Person diskutiert. Rekonstruiert wird, im Rekurs auf die mundanphänomenologische Appräsentationsanalyse und die wissenssoziologisch-hermeneutische Symboltheorie, der dabei erkennbare, mehrstufige Decodierungsvorgang.
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