Das Potenzial von Filmanalysen für die (Familien-) Soziologie. Eine methodische Betrachtung anhand der Verfilmungen von "Das doppelte Lottchen"
DOI:
https://doi.org/10.17169/fqs-15.1.2026Schlagworte:
visuelle Soziologie, Filmsoziologie, audiovisuelle Methoden, dokumentarische Methode, wissenssoziologische Diskursanalyse, Familiensoziologie, GeschlechtersoziologieAbstract
Die soziologische Forschung hat die Spielfilmanalyse als Erkenntnismittel zur Gesellschaftsanalyse bisher weitgehend vernachlässigt. Die vorliegende Analyse reiht sich in die aktuellen Bemühungen ein, eine visuelle Soziologie, einschließlich einer Filmsoziologie zu etablieren. Anhand der Ergebnisse eines Forschungsprojektes zur kulturellen Fundierung der Familien- und Geschlechterordnung wird diskutiert, welchen Beitrag Spielfilmanalysen für die soziologische Forschung leisten können. Dafür wird eine Analyse der Filme "Das doppelte Lottchen" (1950, Regie: Josef v. BAKY) und einer seiner Remakes "Charlie und Louise. Das doppelte Lottchen" (1994, Regie: Joseph VILSMAIER) vorgestellt. Die Spielfilme werden als "diskursive Ereignisse" in öffentlichen Diskursen verstanden. Die entwickelte Methode knüpft an die wissenssoziologische Diskursanalyse (WDA) an und erweitert sie um audiovisuelle Methoden, insbesondere dient die dokumentarische Videoanalyse als "Werkzeugkasten". Herausgearbeitet wird, welche diskursiven Deutungsangebote die Filme dem Publikum hinsichtlich der Lebensform anbieten: Trotz Pluralisierung der Lebensformen konstruieren beide Filme die vollständige Kernfamilie als Ideal und schreiben damit die kulturelle Leitidee einer vermeintlich universellen und vollständigen Eltern-Kind-Familie fort. Die Scheidung der Eltern wird im 1950er-Jahre-Film tabuisiert, im 1990er-Jahre-Film fungiert sie hingegen als Ausgangspunkt der filmischen Erzählung. In dieser Hinsicht lassen sich diskursive Verschiebungen hin zu einer Institutionalisierung und Normalisierung von Trennung und Scheidung aufzeigen, die kulturelle Leitidee der intakten und harmonischen Kernfamilie wird jedoch nicht hinterfragt, sondern im Diskurs aktualisiert.
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