Suggestibilität, Gedächtnis und Zeit: Kindliche Zeugen vor Gericht und was wirklich geschah

Autor/innen

  • Johanna F. Motzkau The Open University

DOI:

https://doi.org/10.17169/fqs-8.1.204

Schlagworte:

Zeitzonen der Wahrhaftigkeit, Suggestibilität, kindliche Zeugen, Gedächtnis, Glaubhaftigkeit, sexueller Missbrauch, Zeit und Diskurs

Abstract

Infolge des in den vergangenen Jahrzehnten gestiegenen Bewusstseins hinsichtlich des sexuellen Missbrauchs von Kindern werden Kinder immer häufiger als Zeugen vor Gericht zugelassen. Zugleich bestehen allerdings weiterhin grundsätzliche Zweifel an der Zuverlässigkeit kindlicher Zeugenaussagen. Betrachtet man die Position kindlicher Zeugen im Kontext der rechtlichen Grundlagen und der relevanten Paradigmen der Entwicklungspsychologie, so scheint es, dass Kinder nach wie vor als unzulängliche, passive Zeugen positioniert sind. In diesem Zusammenhang lassen sich drei zentrale Tropen identifizieren: 1. Kinder werden als unzuverlässige Behälter ("unreliable containers") von Fakten positioniert. 2. Kinder haben sich als irritierbare Verteiler ("irritable dispensers") von Informationen erwiesen. 3. Kinder sind unbeständige Interaktionspartner ("volatile interactants"). In diesem Artikel werde ich untersuchen, welche Maßnahmen das englische Rechtssystem ergreift, um den vermeintlichen Defiziten kindlicher Zeugen entgegenzukommen, dabei aber zugleich sicherzustellen, dass die Genauigkeit und Zulässigkeit der von ihnen gelieferten Aussage gewährleistet bleibt. Meine Analyse bezieht sich vor allem auf die spezielle Praxis videoaufgezeichneter Zeugenaussagen. Mit Hilfe von Verhandlungsbeobachtungen und Transkripten von Interviews mit Polizeibeamten und Juristen werde ich den Weg des Videos von seiner Planung und Aufzeichnung durch die Polizei bis zu seiner Vorführung vor Gericht nachzeichnen. Die Analyse ist inspiriert von den Arbeiten von Isabelle STENGERS und Bruno LATOUR und bedient sich eines im weitesten Sinne diskursanalytischen Instrumentariums. Ich werde zeigen, dass die Kollision unterschiedlicher Zeitzonen der Wahrhaftigkeit ("time zones of veridicality") dazu führen kann, dass das Video selbst zu einem mehrdeutigen Akteur und im Kontext dessen sogar zu einem fantasierenden Zeugen wird. URN: urn:nbn:de:0114-fqs0701145

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Autor/innen-Biografie

Johanna F. Motzkau, The Open University

Johanna MOTZKAU (Dipl. Psych. Diplom at Freie Universität Berlin) is Lecturer in Psychology at the Faculty of Social Sciences, The Open University, UK. She has a background in philosophy, German Kritische Psychologie, theoretical psychology, developmental psychology and forensic psychology. She is interested in epistemological and methodological issues in psychology, post-structuralist philosophy, critical developmental psychology, issues of children's rights, child sexual abuse and the way in which psychological knowledge is used by the law. Previous work has drawn on the writings of G. DELEUZE to examine the "language of deconstruction". More recent interests include memory, suggestibility and credibility. Current work has looked at the history and theory of suggestibility research in relation to child witness practice in England and Germany (PhD thesis at Loughborough University "Cross-examining Suggestibility: Memory, Childhood, Expertise", submitted 2006).

Veröffentlicht

2007-01-31

Zitationsvorschlag

Motzkau, J. F. (2007). Suggestibilität, Gedächtnis und Zeit: Kindliche Zeugen vor Gericht und was wirklich geschah. Forum Qualitative Sozialforschung Forum: Qualitative Social Research, 8(1). https://doi.org/10.17169/fqs-8.1.204

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