Grenzen des "Aushandlungsimperativs" als zentralem therapeutischen Stabilisierungskonzept nicht-monogamer ("offener") Beziehungen
DOI:
https://doi.org/10.17169/fqs-15.3.2042Schlagworte:
Bifurkation, Beratung, Interviews, (Nicht-) Monogamie, offene Beziehungen, Regelhaftigkeit, Aushandlung, thematische AnalyseAbstract
Mit Blick auf das gewachsene sozialwissenschaftliche und öffentliche Interesse an sog. "offenen Beziehungen" gewinnen auch therapeutische Umgangsformen mit diesem Lebensstil an Bedeutung. In der Beratungs- und Selbsthilfeliteratur wird insbesondere der "Aushandlungsimperativ" als wesentlicher Fixpunkt für die Stabilität offener, nicht-monogamer Beziehungen behandelt, d.h. es wird angenommen, dass die Regeln, die Paare gemeinsam für ihr nicht-monogames Engagement aufstellen, wesentlich für deren persönliches und Beziehungserleben sind.
Die Daten, die diesem Artikel zugrunde liegen, stammen aus teilstrukturierten Interviews mit 17 britischen Berater/innen bzw. Psychotherapeut/innen, die ihr therapeutisches Engagement mit konsensuell nicht-monogamen Paaren (meist schwulen Männer, die in "offenen Beziehungen" leben) selbst als "affirmativ" bezeichnen. Mittels einer an FOUCAULT angelegten thematischen Analyse konnten die folgenden Muster rekonstruiert werden: wahrgenommene nicht-monogame "Unordnung", klinische Anerkennung der Zwangsläufigkeit dieser "Unordnung" und psychologische Verstärkung der "Unordnungsannahme" durch Rückgriff auf den Aushandlungsimperativ. Rückgreifend auf das chaostheoretische Konzept der "Bifurkation" wird daran anschließend zu zeigen versucht, dass die präventive oder nachträgliche Nutzung des Aushandlungsimperativs zur Folge hat, dass produktive Aspekte "chaotischer Turbulenz" in offenen Beziehungen und damit alternative Verständnisse individuellen und sozialen Wohlbefindens außer Acht bleiben.
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